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Die Vertretung und die Folgen

Wenn Hündchen vor große Herausforderungen gestellt werden
von

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Das Firmenjubiläum der Kaiba Corporation

Freitag, 14.10.
 

Joey summte, während er noch einmal den Plan für den Abend durchging. Es waren zwei Wochen seit dem Angriff vergangen und seine Wunden so gut wie verheilt. Ein paar letzte, hartnäckige blaue Flecken waren noch gelblich zu erkennen, aber das war es zum Glück auch schon. Drei Tage war er auf Anordnung von Seto, Mokuba und seinen Freunden zu Hause geblieben, auch wenn er am liebsten sofort wieder zum Unterricht gegangen wäre. Aber er musste zugeben, dass Moki einem schon Angst machen konnte, wenn er einen im Brustton der Überzeugung in Grund und Boden redete, bis man einfach nur noch kapitulierte.

Die Stimmung in der Schule war noch immer seltsam, weil alle wussten, dass die Typen geflogen waren und eine Anzeige am Hals hatten, aber da man ihn selbst seitdem mit Sprüchen in Ruhe ließ, wollte er sich nicht beschweren.

Und dann war da noch das Versprechen gewesen. Ob sich Seto bewusst gewesen war, wie wunderschön diese Geste von ihm war? Dass er ihn als Kämpfer ansah, der nie aufgeben sollte? Er hatte sich so beflügelt gefühlt in diesem Moment und das Küsschen auf die Stirn war die Krönung gewesen. Obwohl er noch immer nicht mit ihm über seine Gefühle gesprochen hatte, war er sich von da an sicher, dass er das gleiche fühlte. Sonst hätte er das niemals so getan.

Außerdem waren sie noch ein paar Mal in Kaibas Bett gelandet, was doch ebenfalls ein Zeichen von gegenseitiger Zuneigung war.

Aus dem Grunde hatte er auch für morgen Abend einen Tisch reserviert, wo er es endlich offiziell machen wollte und ihm seine Liebe gestehen. Seto wusste von dem Glück allerdings noch nichts. Das sollte eine Überraschung werden.

Er schaute auf seine Armbanduhr und stellte fest, dass er sich langsam auf den Weg nach unten machen musste.

Da heute das Firmenjubiläum der Kaiba Corporation anstand – es waren immerhin 5.000 Gäste, inkl. Angestellten und deren Partnern, eingeladen –, sollten Seto und er auf jeden Fall pünktlich sein.

Also schlenderte er gut gelaunt – heute in einem maßgeschneiderten Frack – die Treppe runter und bemerkte, dass die Tür zum Salon nur angelehnt war. Er wollte gerade reingehen, als er zwei Stimmen hörte und er hielt mitten in der Bewegung inne.

„Kann es sein, dass Joey und du mittlerweile ein echtes Pärchen seid?“, fragte Yuuto interessiert und Joeys Herz drohte ihm gleich aus dem Brustkorb zu springen. Reflexartig hielt er die Luft an und wartete auf Setos Antwort. Anscheinend trank er einen Schluck, denn die Antwort kam, nachdem ein Glas abgestellt worden war.

„Wie kommst du darauf?“ „Naja, ihr wirkt generell sehr vertraut miteinander. Und dass ihr miteinander schlaft, ist hier auch eher ein offenes Geheimnis …“ „Nur weil wir Sex haben, ist das noch lange keine Beziehung. Es macht Spaß, ja, und meine Meinung über ihn hat sich stark verändert, aber zu einer Beziehung gehört mehr dazu. Wir sind viel zu unterschiedlich. Mal ganz davon abgesehen, dass wir ja nun genötigt sind, vertraut zu wirken, um diese inszenierte Scharade glaubhaft aussehen zu lassen.“

Joeys Herz setzte aus. Hatte Kaiba das gerade wirklich gesagt? Dass er gut genug für Sex war, aber sonst nichts für ihn empfand? Nach allem, was sie zusammen erlebt hatten? Nach allem, was er für ihn getan hatte?

Joey krallte sich an den Türrahmen, versuchte Halt zu finden, doch er schien ins Bodenlose zu stürzen. Die Tränen kamen hoch, doch er unterdrückte sie krampfhaft. Er versuchte es zumindest, biss sich auf die Unterlippe, um nicht loszuschreien und loszuheulen. Nein, er konnte das. Er war professionell genug, um den Abend über die Bühne zu bringen. Danach würde er das Weite suchen, aber so lange musste er durchhalten. Die Kollegen und Gäste wollten sie schließlich gemeinsam sehen, als glückliches Pärchen …

Einmal noch … Dann will ich ihn nie wieder sehen. Wie konnte er mir das nur antun?

Mit wackeligen Beinen löste sich Joey langsam vom Türrahmen, verstand die Worte nicht, die im Salon noch gewechselt wurden und stolperte etwas unkoordiniert in die Küche.

„Hey Joey, alles gut?“, fragte Mokuba sofort besorgt und eilte zu ihm. Hina wusste instinktiv, was er brauchte und gab ihm ein Glas Wasser in die zittrigen Hände, wofür er sich bei ihr bedankte.

„Ja, Kleiner. Das ist nur die Nervosität. 5.000 Menschen und roter Teppich ist etwas anderes als die Geschäftsessen bisher“, log er murmelnd und trank einen Schluck in der Hoffnung, seine Enttäuschung den Rachen herunter spülen zu können, doch die Bitterkeit war auch nach dem ganzen Glas noch da. Das wäre auch wirklich zu schön gewesen.

Yuuto – im Anzug – und Seto – auch im Frack – betraten ebenfalls die Küche und der CEO musterte ihn einen Moment lang. „Du wirst das schon hinkriegen. Du warst doch auf Mr. Kidos Galaabend.“ „Ja, aber …“, begann Joey und biss sich leicht auf die Zunge.

Aber da war ich allein, du Arschloch und musste nur den besorgten Freund geben. Und mich nicht wie jetzt als Freund ausgeben, der gerademal gut genug zum Vögeln ist. Ich bin so ein verdammter Idiot!

„… aber das ist unsere eigene Veranstaltung. Das ist immer etwas anderes“, beendete er den Satz mit kratziger Stimme und stellte das Glas ab.

„Also gehen wir.“

Joey wäre am liebsten davongerannt, doch sein Stolz verbot ihm, den Abend in den Sand zu setzen. Es war sowieso sein letzter Auftritt als Vertretung für Kaiba, also wollte er sich auch mit Anstand von den ganzen tollen Leuten verabschieden. Das war er ihnen schuldig und ein paar wollte er unbedingt noch persönlich treffen, ehe er ausschied.

Also nahm er, wie er es ursprünglich gewollt hatte, Setos Hand, was sich noch nie so falsch angefühlt hatte, und gemeinsam gingen sie zur Haustür, wo Roland bereits die Tür des Wagens aufhielt. Sie stiegen alle ein, inklusive des Assistenten, und Kei fuhr sie zum Gelände der Kaiba Corporation. Die Stimmung war kühl und Joey wusste, dass das auch an ihm lag, doch er konnte es einfach nicht richtig verbergen. Dafür war seine Enttäuschung zu groß. Niemand aber traute sich, ihn anzusprechen. Stattdessen unterhielt sich Seto mit Yuuto über Geschäftliches und Mokuba sah, wie er, schweigend aus dem Fenster.
 

Dort angekommen, gab es in einem der oberen Stockwerke einen riesigen Saal, wo das Jubiläum gefeiert werden sollte. Unten war ein roter Teppich ausgerollt worden und hinter einer Absperrung tummelten sich auf der rechten Seite die Reporter und Journalisten, auf der linken Seite Fans, da auch einige Prominente eingeladen worden waren.

Roland stieg als erster aus, gefolgt von Yuuto, die beide das Blitzlichtgewitter nicht so toll fanden. Das konnte Joey ihnen deutlich ansehen. Normalerweise hätte er jetzt gegrinst und Seto darauf aufmerksam gemacht, doch er musste sich darauf konzentrieren, gleich überzeugend zu lächeln und ihm nicht vor laufenden Kameras die Faust sonst wohin zu schlagen oder loszuheulen. Oder beides.

Mokuba wuselte als nächstes – auch im Frack – aus dem Wagen und meisterte das alles sehr souverän. Nun war er dran und stieg aus. Sofort wurde er blind, weil das Blitzlichtgewitter losging und spürte ein paar Sekunden später Seto neben sich, wie er einen Arm um seine Taille legte und gemeinsam posierten sie für die Kameras. Joey setzte sein glücklichstes Lächeln auf, was er gerade hinbekam und legte eine Hand auf Mokubas Schulter, der sich nach ein paar Pärchenfotos grinsend vor sie stellte, als wären sie eine kleine, glückliche Familie. Seine Hand an Setos Rücken verkrampfte etwas und der Firmenchef schaute zu ihm runter, doch er ignorierte ihn. Irgendwie musste er die Gedanken loswerden, sonst würde der Abend die reinste Katastrophe werden. Also dachte er an seine Freunde, die er in den letzten Wochen viel zu wenig gesehen hatte und sein Blick hellte sich sofort auf.

Während er seinen Blick wandern ließ, entdeckte er einen kleinen Fotografen, der Joey an einen Zwerg aus „Herr der Ringe“ erinnerte und er beugte sich zu Mokuba vor und flüsterte es ihm grinsend ins Ohr, als der Kurze begann zu kichern. Seto hob eine Augenbraue und der Blonde überlegte kurz, ihn unwissend zu lassen, aber da sie hier auf dem roten Teppich standen, bedeutete er ihm, etwas runterzukommen, was der Brünette auch bereitwillig tat und ließ ihn an dem Witz teilhaben, was auch ihm ein Grinsen entlockte. Doch, bevor er den Kopf wieder abwenden konnte, küsste Seto ihn und Joeys Muskeln verkrampften sich. Dennoch erwiderte er den Kuss zaghaft. Er schloss bewusst die Augen, konzentrierte sich nur darauf, nicht an Ort und Stelle zu weinen und spürte, wie er leicht zitterte. Auch Seto fiel das auf, denn als er den Kuss wieder löste, der sich so unglaublich falsch angefühlt hatte, musterte der Brünette ihn irritiert.

„Knutschen könnt ihr auch noch später, jetzt kommt!“, forderte Mokuba grinsend und Joey folgte ihm augenblicklich. Er war dem Kurzen so dankbar, dass er ihn an einer Hand einfach weiterzog und Seto setzte sich ebenfalls in Bewegung.

Natürlich mussten sie noch Fragen von ein paar Reportern beantworten und Joey wusste im Nachhinein gar nicht mehr, was er gesagt hatte, geschweige denn, was gefragt worden war, doch da ihm keiner böse Blicke zuwarf, schien er es nicht in den Sand gesetzt zu haben.

Als sie das Foyer betraten, wo Roland und Yuuto bereits warteten, wurde es unnatürlich still, kaum dass die Tür hinter ihnen ins Schloss gefallen war.

Ihm dröhnten die Ohren und er machte wahrscheinlich ein ziemlich zerknautschtes Gesicht, weil sich das alles so falsch anfühlte.

„Alles in Ordnung, Joey?“, fragte Yuuto mit einem besorgten Lächeln und der Blonde seufzte.

„Dieses Blitzlichtgewitter und Geschrei der Reporter geht mir einfach auf die Eier“, brummte er und hörte zustimmende Laute von allen Seiten. Sie stellten sich alle in den Fahrstuhl, der sie zur Feier hochbrachte, wo mittlerweile wahrscheinlich alle angekommen waren.

Joey achtete penibel darauf, Seto nicht zu berühren, denn das war die letzte Chance, sich vorzubereiten und sich einzureden, dass er das schon schaffen würde, bevor gefühlt unendlich viele Blicke für Stunden auf ihnen lagen. Also atmete er tief durch, nahm wahr, dass sich Roland und Seto und Yuuto und Mokuba miteinander unterhielten und rief sich die Gesichter seiner Freunde vor Augen.

Helft mir! Ohne euch schaffe ich diesen Abend einfach nicht …

Die lächelnden Gesichter von Serenity, Yugi, Yami, Tristan, Tea, Duke, Bakura und sogar Mai tauchten vor seinem inneren Auge auf und unwillkürlich musste er lächeln. Sie waren immer bei ihm, egal was auch passierte. Und sie unterstützten ihn, wo auch immer sie gerade waren. Ihr Band der Freundschaft war das stärkste, was es gab, davon war Joey überzeugt und er würde mit ihnen gemeinsam diesen Abend bewältigen.

„Bist du bereit?“, erkundigte sich Seto leise und Joey öffnete entschlossen die Augen. „Ja. Gehen wir.“

Die Türen öffneten sich und Joey begann, in Gedanken an seine Freunde, zu strahlen und legte einen Arm um Setos Taille, der die Geste erwiderte und sie betraten den festlich, aber dezent geschmückten Saal. Überall waren Stehtische positioniert und rechts und links gab es große Buffettische. Über ihnen hingen mehrere riesige Kronleuchter, die alles in ein angenehmes Licht tauchten und den Saal noch etwas pompöser wirken ließen.

Die Gäste trugen alle Abendgarderobe und applaudierten ihnen, als sie den Saal in Richtung Bühne durchquerten. Joey lächelte und freute sich, als er Hiro und auch Mr. Kido entdeckte. Mit denen konnte er sich nach der Begrüßungsrede bestimmt gut unterhalten und sich hoffentlich etwas ablenken können.

Yukiko, die heute durch den Abend führte, moderierte sie bereits beide an, doch Joey hörte ihr gar nicht zu. Er hatte den Ablauf in den letzten Tagen intensiv geübt und wusste genau, was wann noch alles kommen würde und wo er wann zu sein hatte.

Seto ließ ihm den Vortritt und folgte ihm dann auf die Bühne. Es war auch an Joey, als erster etwas zur Menge zu sagen und so überreichte Yukiko ihm das Mikrofon und die Gäste klatschten eifrig.

In der Hosentasche spürte er den Notizzettel mit der vorgeschriebenen Rede, die er mit Yuuto geprobt hatte und die die anderen auch kannten, doch er ließ den Zettel, wo er war. Es fühlte sich jetzt falsch an, das vorzulesen.

Er war unglaublich nervös, denn er sollte vor so vielen Leuten sprechen und für einen winzigen Augenblick glaubte er, eine Panikattacke zu bekommen. Hektisch schaute er noch einmal zu Yuuto, der ihn freundlich anlächelte und die Daumen drückte. Okay, er war ja nicht allein. Das würde er schon hinkriegen. Jetzt nicht die Nerven verlieren.

„Meine sehr verehrten Damen und Herren, Angestellte der Kaiba Corporation, Partner und Geschäftsfreunde, ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um ein paar Worte an Sie zu richten.“ Okay, das war schon mal gut gewesen. Immerhin nicht gestottert und grammatikalisch korrekt. Darauf ließ sich aufbauen. „Wie Sie wissen, ist es einem traurigen Umstand geschuldet, dass ich nun an diesem Platz stehe und das Wort an Sie richte. Der Unfall Setos vor acht Wochen war ein schwerer Schock für Mokuba und mich und unser aller Leben wurde von eine Sekunde auf die andere vollkommen umgekrempelt. Die Ärzte waren zwar sicher, dass er wieder auf die Beine kommen würde, doch niemand konnte sagen wann und für uns alle begann das kräftezehrende Warten. Da ich die Verfügung Setos kannte und er mir auch vor seinem Unfall bereits die Grundlagen der Wirtschaft gelehrt hatte, wusste ich, dass es meine Pflicht war und ich ihm am besten helfen konnte, wenn ich seine Vertretung übernahm und er sich nicht um die Firma sorgen musste, sondern sich ganz auf seine Regeneration konzentrieren konnte. An dieser Stelle möchte ich mich sehr herzlich bei Mokuba, Roland, Yuuto, Yukiko und Yuna für Ihre tatkräftige Hilfe bedanken. Sie haben mich in die Vorgänge eingearbeitet und alle Zeit genommen, die ich brauchte, um mich in den Akten zu Recht zu finden und Sie können mir glauben, dass ich zwischenzeitlich das Gefühl hatte, dass das Papier das komplette Büro einnahm!“

Joey machte an dieser Stelle eine kurze Pause und grinste, als die anderen lachten. Je mehr er redete, desto sicherer fühlte er sich. Dann setzte er wieder an: „Also danke euch Fünf. Ohne euch wäre das alles nie so glatt gelaufen. Natürlich gilt mein Dank genauso allen anderen Angestellten, die mich als Vertretung akzeptiert haben und mit denen ich die Ehre hatte, an verschiedenen Projekten zu arbeiten. Es ist unglaublich zu sehen, wie alles verzahnt ist und wie viel man gemeinsam erreichen kann. Was alles möglich ist, wenn man sich zusammensetzt, die Stärken miteinander kombiniert und sich alles am Ende zusammenfügt. Und mit ihnen allen bin ich absolut sicher, dass dieser Firma noch goldene Zeiten bevorstehen werden. Natürlich dürfen an dieser Stelle auch die verehrten Geschäftspartner der Kaiba Corporation nicht fehlen. In den wenigen Wochen hatte ich die Ehre, ein paar von Ihnen kennenzulernen, während ich mit anderen nur per Telefon oder Email Kontakt hatte. Doch auch Ihnen gilt mein aufrichtiger Dank, dass Sie mich als Vertretung akzeptiert haben und wir immer sehr vertrauensvoll und konstruktiv miteinander arbeiten konnten. Ich hoffe, dass das auch in den nächsten 50 Jahren noch der Fall sein wird!“

Das Publikum klatschte und Joey schaute kurz leicht lächelnd zu Seto. Eigentlich war das der Part, den Seto übernehmen sollte, doch es war ihm ein Bedürfnis gewesen, das auch zu sagen, da es schließlich sein letzter öffentlicher Auftritt war und er diese Gelegenheit nicht ungenutzt lassen wollte.

„So, meine verehrten Damen und Herren. Jetzt habe ich meinem Freund fast den kompletten Text geklaut, also falls Sie das gleich in ähnlicher Form noch einmal zu hören kriegen, tut mir das wirklich leid!“, sagte er daher und kratzte sich grinsend und leicht verlegen am Hinterkopf und das Publikum lachte erneut.

„Ich wünsche Ihnen allen einen wundervollen Abend und freuen Sie sich auf das Buffet gleich. Das wird super!“ Er verbeugte sich leicht und hörte das Klatschen des Publikums.

Wieder einmal traten ihm Tränen in die Augen, dieses Mal jedoch aus anderen Gründen. Es war der letzte Abend. Er würde nicht mehr mit Yuuto, Yukiko, Roland oder einem der anderen Angestellten zusammenarbeiten und das war nicht nur ein seltsames Gefühl, sondern ein beschissenes. Er mochte sie alle und wollte das nicht aufgeben, aber er hatte keine Wahl. Kaiba war wieder gesund und offenbar nicht an ihm interessiert. Also gab es keinen einzigen Grund für ihn, bleiben zu können.

Peinlich berührt wischte er sich einmal über das Gesicht, dann reichte er das Mikro an Seto weiter, der ihn kurz anlächelte und nach vorn trat. Er selbst hingegen stellte sich an den Rand der Bühne, weit weg von dem CEO und weit weg von den Blicken der Gäste, auch wenn man ihn natürlich noch sehen konnte. Aber er hoffte, dass Kaiba alle Aufmerksamkeit auf sich zog.

„Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich freue mich ebenfalls, Sie alle hier begrüßen zu dürfen. Wie mein Partner bereits sagte, ist dies nicht selbstverständlich. Der Unfall hat mich viel gelehrt und dazu gehört, dass ich einen Freund an meiner Seite habe, auf den ich mich zu 100 % verlassen kann.“

Nein, rede bitte nicht weiter … Ich ertrage das nicht. Das ist nicht ernst von dir gemeint … Lass es, hör auf!, flehte Joey in Gedanken, doch er wusste auch, dass sie diese Show bis zum Ende durchziehen mussten und er versuchte ruhig und gleichmäßig zu atmen und nur an seine Freunde zu denken. Er dufte ihm einfach nicht zuhören, dann würde das schon werden. Dann konnte er diese süße Folter hier überleben, ohne daran zu zerbrechen.

„ … und damit bleibt mir nur noch einmal Danke! An Sie alle zu sagen und wir werden weiterhin daran arbeiten, großartige Neuheiten auf den Markt zu bringen, gemeinsam mit Ihrer Hilfe!“

Seto gab das Mikro an Yukiko zurück und Joey atmete tief durch. Er hatte es geschafft, sich abzulenken. Sehr gut. Das war gut.

Yukiko eröffnete nun das Buffet und Seto und Joey würden sich jetzt eine Weile mit den Gästen unterhalten, ehe es noch eine kleine Verlosung gab. Außerdem sollte es zwischenzeitlich noch zwei Musik Acts und einen Magier geben. Doch der Blonde war nur froh, wenn er sich irgendwie ablenken konnte. Das war das einzige, was er gerade wollte.

Beide schritten die Treppe hinab und Seto legte ihm eine Hand auf den Rücken, als er neben ihm schritt. Am liebsten hätte Joey sie weggeschlagen, doch er widerstand dem Impuls und grüßte nickend und lächelnd einigen Mitarbeitern zu, als Herr Nakamura sich durch die Menge zu ihnen begab.

„Guten Abend Mr. Kaiba. Guten Abend Mr. Wheeler, ich möchte Ihnen noch einmal für Ihre Großzügigkeit danken. Wie kann ich mich je erkenntlich zeigen?“, fragte er und verbeugte sich tief vor ihm, was Seto mit einer hochgezogenen Augenbraue kommentierte. Stimmt, fiel Joey ein, er hatte ihm in der Hektik des Tagesgeschäfts gar nicht von dem Vorfall berichtet. Dem Blonden war es unangenehm, dass sich Herr Nakamura so unterwürfig verhielt. Sie standen doch auf einer Stufe.

„Herr Nakamura. Das müssen sie nicht. … Wie geht es Ihnen?“, erkundigte sich Joey und der Angesprochene antwortete: „Wieder besser. Das Scheidungsverfahren läuft und dank Ihrer Unterstützung habe ich bereits eine kleinere Wohnung gefunden.“ „Das freut mich sehr zu hören. Achten Sie gut auf sich in so einer schweren Situation, ja? Das ist ganz wichtig, glauben Sie mir“, versicherte Joey und Herr Nakamura nickte zustimmend.

Der Blonde lächelte und verabschiedete sich von ihm, da bereits die nächsten mit ihnen sprechen wollten. Auch Kaiba verabschiedete sich kurz und Herr Nakamura verschwand mit einem dankbaren Lächeln wieder in der Masse.
 

Nach ein paar oberflächlichen Gesprächen kam Herr Yamamura auf sie zu und Joey, der ihn beim Herumschauen entdeckte, löste sich von Kaiba, um ihm entgegenzugehen. Wie erwartet, folgte Seto ihm, doch das war ihm egal. Nach dem letzten Gespräch mit ihm hatte er nichts mehr von ihm gehört und so war es ihm ein Bedürfnis, zu zeigen, dass er ihn nicht vergessen hatte.

„Herr Yamamura. Ich freue mich, dass Sie auch gekommen sind. Wie geht es Ihnen?“ „Mr. Wheeler, zu Ihnen wollte ich gerade. Mr. Kaiba.“ Er verbeugte sich leicht vor Ihnen und Seto begrüßte ihn auch kurz, blieb dicht neben ihm stören, was dem Blonden unangenehm war, aber er konnte ihn ja schlecht anfauchen, weshalb er das schweigend hinnahm.

„Die Lage ist gerade leider nicht einfach. Vorgestern war die Beerdigung meiner Mutter, baer ich hatte das Glück, dass ich am Ende bei ihr sein konnte, sodass sie keine Angst haben brauchte. Das hat ihr glaube ich geholfen.“ Er senkte seinen Blick und mitfühlend nahm Joey seine Hände und drückte sie leicht.

Im Augenwinkel bemerkte er den irritierten Blick des CEO, sagte aber nichts, da er das Gespräch begonnen hatte. „Mein herzliches Beileid. Den Verlust einer Mutter kann nichts gutmachen, aber es klingt schön, dass Sie sich verabschieden konnten. Melden Sie sich bitte, wenn Sie Hilfe benötigen. Ich mag vielleicht ab Montag nicht mehr als Vertretung von Seto in der Firma angestellt sein, aber ich bin mir sicher, dass er Ihnen bei Bedarf ebenfalls helfen wird. Oder Seto?“ „Natürlich. Auch von mir Beileid zu diesem schmerzlichen Verlust.“ „Ich danke Ihnen beiden sehr. Es ist nicht leicht, aber mein Partner unterstützt mich sehr und hilft mir, mit der Situation klarzukommen.“ „Das freut mich sehr zu hören“, sagte der Blondschopf leicht lächelnd und etwas unruhig trat Herr Yamamura von einem Bein auf das andere. Er wirkte so nervös, dass er versuchen wollte, ihn zu beruhigen.

„Sie müssen nichts sagen, was Sie nicht möchten. Oder wir können auch an einen ruhigeren Ort gehen, wenn es Ihnen lieber ist.“ „Nein nein, schon gut. Ich habe Ihre Rat beherzigt und das Thema vorsichtig angesprochen und ich hatte den Eindruck, dass mein Umfeld das ganz gut aufnimmt, doch als ich mit meinem Verlobten beim Essen war und wir es offiziell gemacht haben, war es eine halbe Katastrophe …“ „Was? Aber wieso denn das?“ Joey war ehrlich schockiert, wo es doch anfangs erst noch recht gut zu sein schien. Woher der plötzliche Sinneswandel?

Herr Yamamura schaute auf die Hände, die er noch immer vorsichtig hielt, und murmelte: „Es wäre generell in Ordnung, aber doch nicht in unserer Familie. Meine ältere Schwester ist die einzige, die mir den Rücken gestärkt hat. Meine beiden kleineren Brüder, mein Vater und mein Onkel und meine Tante waren leider nicht so verständnisvoll. Wir haben beschlossen, ihnen Zeit zu geben, um sich mit dem Gedanken vertraut zu machen. Vielleicht können wir dann noch einmal darüber reden.“ „Ich wünsche Ihnen, dass sie noch Einsicht zeigen werden. Niemand sollte wegen seiner Liebe aus der Familie ausgeschlossen werden“, sagte Seto ruhig und Joey nickte zustimmend. Zur Abwechslung musste er ihm mal zustimmen heute.

„Vielen Dank. Ich bin dennoch froh, dass wir es getan haben. Es ist, als wäre mir eine große Last von den Schultern genommen worden, obwohl die Reaktion fast ausschließlich negativ war. Mir war gar nicht bewusst, was für eine große Belastung die Geheimhaltung war und mein Freund steht immer an meiner Seite. Das hat er an dem Abend wieder bewiesen und ich bin unglaublich froh, ihn kennengelernt zu haben. Es ist vielleicht vermessen, das zu sagen, aber durch ihr gezwungenes Outing in der öffentlichkeit habe ich den Mut gefunden, selbst diesen Schritt zu gehen. Dafür möchten wir Ihnen danken! Hier ist eine Einladung für unsere Hochzeit Ende März nächsten Jahres. Es wäre uns eine große Ehre, wenn Sie an dieser teilnehmen würden.“

Herr Yamamura entzog ihm seine Hände und holte aus der Innentasche seines Sakkos einen Briefumschlag. In goldenen Lettern standen dort ihre Namen und Joey schluckte, als er sie mit leicht zittrigen Händen entgegennahm. Fuck, die Situation war so absurd. Ihm war schlecht und er wollte am liebsten wegrennen. Es fühlte sich so falsch an, ihn zu belügen.

Kaiba schien das zu merken, denn er legte ihm eine Hand auf den Rücken und antwortete: „Vielen Dank für Ihre Einladung. Wir werden es in unserem Kalender eintragen und hoffen, dass nichts Wichtiges dazwischenkommen wird. Wenn Sie uns entschuldigen?“ „Ja natürlich! Du meine Güte, ich halte Sie hier schon so lange auf. Verzeihen Sie.“ „Schon in Ordnung, alles gut. Wir wünschen Ihnen noch einen angenehmen Abend hier.“ „Ich danke Ihnen!“

Joey sah ihm leicht lächelnd nach und er freute sich, dass er mit seinem Partner anscheinend so eine gute Partie erwischt hatte. Konnte ja nicht jeder so ein Pech haben wie er …



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