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Die Vertretung und die Folgen

Wenn Hündchen vor große Herausforderungen gestellt werden
von

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Ein Abend zu Zweit

Montag, 19.09.
 

Was für ein schlechtes Timing konnte dieser kleine Möchtegerngeschäftsführer bitte haben!? Eben noch war seine Laune gut gewesen. Wheeler hatte ihn beim Essen nicht blamiert und der Geschäftsabschluss war hervorragend, während der Blondschopf die viel zu neugierige Mrs. Kawaii mit bedachten Aussagen im Zaun gehalten hatte.

Seine anfängliche Befürchtung, dass er ihn lächerlich machen und all die Privatsphäre nicht mehr da wäre, war unbegründet gewesen. Natürlich hatte er die Geschichte des Kennenlernens etwas ausschmücken müssen, um die Neugier zu befriedigen und auch, wie er von dem Unfall erfahren hatte, wobei das wahrscheinlich sogar der Wahrheit entsprach.

Ein Wheeler lügte nicht gern, das wusste er, und deswegen dürfte er das nur an den notwendigen Stellen getan haben und beim Erfahren des Unfalls war das nicht von nöten.

Wo er jetzt so darüber nachdachte, grenzte es auch an ein Wunder, dass der Köter dem Ganzen überhaupt zugestimmt hatte, wo er doch die Wahrheit so in Ehren hielt. Zurzeit log er fast überall und auf einmal störte es ihn nicht mehr? Das war doch alles Schwachsinn.
 

Eine halbe Stunde später war er endlich in der Villa und wollte sich eigentlich direkt in sein Zimmer zurückziehen, als Mokuba auf ihn zugelaufen kam. „Seto!“, rief dieser glücklich und lächelnd schaute er zu ihm. „Moki, alles gut bei dir?“ Sie umarmten sich und er strich seinem Kleinen liebevoll über den Kopf.

„Ja, alles super! Wo ist denn Joey? Ihr wart doch zusammen bei dem Essen, oder?“ „Wheeler hat einen Anruf von Devlin bekommen und trifft sich gerade noch mit ihm“, erwiderte er und konnte nicht verhindern, dass seine Stimme kalt und hart wirkte. Es nervte ihn einfach, wie sein Abend jetzt verlaufen würde und wie er eigentlich hätte verlaufen sollen. Mit Joey in seinem Bett, unter sich und laut stöhnend.

„Habt ihr euch gestritten?“ „Nein Mokuba. Das Essen ist überraschenderweise gut gelaufen und Wheeler ist ein freier Mann. Wenn er sich mit dem Idioten treffen will, kann er das tun.“ Der musternde Blick seines kleinen Bruders entging ihm keinesfalls, doch er hatte jetzt keine Lust, das Thema weiter zu diskutieren und deswegen setzte er zu einer Ablenkung an: „Was hältst du davon, wenn wir noch etwas spielen? Es ist noch nicht allzu spät und ein bisschen Zeit hätten wir noch.“ „Au ja!“ Sofort rannte er los und Seto schaute ihm leicht lächelnd hinterher. So wie er es mit seinen Kulleraugen schaffte, ihn zu manipulieren, so konnte er das auch bei ihm. Wenn auch nicht mit den Augen, sondern mit der Aussicht auf seine wertvolle Zeit.

In den nächsten Wochen würde er davon noch mehr haben, weil er Wheeler wohl halbwegs getrost in seiner Firma arbeiten lassen konnte und sein Bruder es ihm niemals verzeihen würde, wenn er sich nicht vernünftig ausruhen würde. Du meine Güte, lag das an den ganzen Tabletten, dass er den Straßenköter freiwillig in seine Firma lassen würde? Was war nur aus ihm geworden?

Vorsichtig humpelte er mit der Krücke in Richtung des Wohnzimmers, in dem Mokuba bereits verschwunden war und war froh, dass die Medikamente ihren Dienst taten.

Vorsichtig ließ er sich auf das Sofa sinken und legte die Krücke beiseite, als sein Bruder ihm auch schon einen Controller in die Hand drückte.

Sie zockten eine Weile lang ein neues Spiel, dass Mokuba total großartig fand und Seto musste zugeben, dass auch er ein wenig Spaß daran gefunden hatte. Die Story war gut, die Steuerung ausgewogen und die Grafik hervorragend.
 

Doch nach knapp zwei Stunden war es spät genug und der Brünette beendete den Spieleabend. Mokuba protestierte zwar, sah dan aber ein, dass er ins Bett gehen musste. Schließlich war es Montag und morgen stand wieder Schule auf dem Plan.

In Ruhe steuerte Kaiba mit der Krücke Mokis Zimmer an, während dieser bereits vorgelaufen war, um sich bettfertig zu machen.

Er hatte es nicht gedacht, aber der Abend mit seinem kleinen Bruder hatte ihm gutgetan. Sehr gut sogar. Wahrscheinlich war das besser gewesen, als sein ursprünglicher Plan, denn mit Wheeler hätte er früher oder später bestimmt noch Scherereien bekommen.

So aber war es eine schöne Zeit gewesen und längst überfällig, wie er sich selbst eingestehen musste. Die Firma nahm ihn vollkommen ein, das konnte er nicht leugnen, und Mokuba war so lieb, dass er sich nur selten darüber beschwerte. Er hatte wirklich einen großartigen kleinen Bruder und innerlich freute er sich darüber, dass er die Gelegenheit haben würde, um sich besser um ihn kümmern zu können.

Selbstverständlich würde er sich jeden Tag vom Köter über alles informieren lassen, doch vielleicht war das hier die Gelegenheit, um ein kleines bisschen loszulassen.

Wenn ihm der Unfall eins klar gemacht hatte, dann, dass er nur dieses eine Leben hatte und dass er seine Prioritäten sorgfältig auswählen musste.

„Du Seto?“ Die Stimme des Schwarzhaarigen riss ihn aus seinen Gedanken und er beobachtete, wie der Kurze vor ihm stehenblieb. „Ja? Was ist denn, Mokuba?“ „Ich bin so froh, dass du wieder da bist! Können wir in Zukunft öfters zusammenspielen?“ „Ich bin auch froh“, murmelte er und strich ihm über den Rücken, als dieser ihn fest umarmte. Einen Moment lang blieben sie so stehen und er konnte förmlich spüren, wie sich die Muskeln des Kleineren entspannten. Anscheinend begriff er langsam, dass er tatsächlich wieder aus dem Krankenhaus raus und er auf dem Weg der Besserung war.

„Na komm, Moki. Leg dich hin, hm?“, sagte er sanft und begleitete ihn zum Bett, wo er sich brav hinlegte. Vorsichtig setzte sich Kaiba auf die Bettkante und lächelte ihn leicht an. Was würde er nur ohne ihn tun? Wie viel trister wäre das Leben? Er musste alles in seiner Macht stehende tun, damit ihm niemals so etwas passierte. Es war schon schrecklich genug, was ihm alles im Königreich der Duellanten geschehen war. Er hatte ihn nicht beschützen können. Das schmerzte noch immer.

Nie wieder durfte er so etwas zulassen.

„Das war ein ganz toller Abend, Seto! Bis morgen, ja?“ „Bis morgen, Moki. Schlaf schön.“ Noch einmal strich er ihm über den Kopf und gab ihm ein Küsschen auf die Stirn. Etwas wackelig richtete er sich auf, dann deckte er ihn richtig zu und schritt zur Tür.

Noch einmal schaute er zu seinem Bruder, der mit einem Lächeln auf den Lippen dalag und ihm noch einmal stumm winkte. Seto erwiderte die Geste und schloss dann die Tür hinter sich.
 

Er humpelte den Gang entlang bis zu seinem privaten Schlafzimmer und keuchte kurz vor Schmerz auf, als er den Fuß falsch bewegte. Verdammter Mist. Hoffentlich wäre das bald wieder besser. Er kam sich so nutzlos und eingeschränkt vor, dass er die Wände hochlaufen könnte.

Noch ein Grund, warum er mehr Zeit mit seinem kleinen Bruder verbringen musste, denn er musste sich ablenken. Und da der Blondschopf ja anscheinend andere Pläne verfolgte, wie er vorhin in der Schule noch geheimnisvoll angedeutet hatte, fiel er wohl flach.

Verdammt, warum wurmte ihn das so?

Schlecht gelaunt setzte sich Kaiba an seinen Schreibtisch und fuhr seinen Laptop hoch. Wenigstens die Emails wollte er noch einmal prüfen, um zu sehen, ob es doch irgendwelche Katastrophen gab, die seiner Aufmerksamkeit bedurften.

Nein, anscheinend war alles soweit in Ordnung, sehr gut. Kaum zu glauben, aber ihm konnte es nur recht sein.

Wheeler und ein Geschäftsmann. Allein der Gedanke war schon absurd, aber mit der Hilfe von den anderen und was er selbst bisher mitbekommen hatte, hatte da wohl jemand ein verstecktes Talent in sich entdeckt.

Der Brünette erinnerte sich daran, dass er nach dem mysteriösen Anrufer noch eine weitere Recherche in Auftrag gegeben hatte und so öffnete er seinen privaten Email Account. Dort gab es nur eine neue Email und wie erwartet, war sie von der Angestellten aus der IT.

Interessiert überflogen seine blauen Augen die Zeilen, die sie geschrieben hatte:
 

„Sehr geehrter Mr. Kaiba,

anbei sind ein paar verschlüsselte Dokumente, die ich finden konnte. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Joey Wheeler seit seinem 6ten Lebensjahr mit seinem Vater zusammenwohnte, da die Mutter mit seiner Schwester in die USA ausgewandert ist. Mit acht Jahren verlor der Vater seine Anstellung bei einer angesehenen Spedition und schaffte es danach nicht mehr, eine feste Anstellung auf Dauer zu halten. Er hat mehrere Versuche unternommen, kam aber nie über die Probezeit hinaus. Kurz nachdem er arbeitslos wurde, fing der Alkoholkonsum an, besorgniserregende Ausmaße anzunehmen. Doch Beschwerden von Nachbarn über späte Ruhestörung oder andere Delikte wurden nie ernsthaft verfolgt – weder von der Polizei noch vom Jugendamt. Die Mittelschule gab der Polizei ebenfalls einen Hinweis, nachdem Mr. Wheeler so stark verletzt war, dass er im Krankenhaus behandelt werden musste, doch auch diese Spur wurde nicht verfolgt. Der junge Mr. Wheeler wiederum begann bereits mit elf Jahren, Geld zu verdienen, indem er Zeitungen austrug, mit Hunden Gassi ging und andere Tätigkeiten ausführte. Laut verschiedenen Quellen übernahm er ca. ab 11 Jahren den Haushalt, bezahlte monatlich die Miete und versorgte beide mit Essen und Trinken. Weitere zwei Jahre später geriet er immer öfters in Prügeleien, sodass etwaige Hinweise auf häusliche Gewalt nur noch darauf geschoben wurden. Mr. Wheeler Senior wiederum lieh sich immer mehr Geld von fragwürdigen Quellen, um neben dem Alkoholkonsum auch Wetten zu können. Ab Joey Wheelers zwölftem Lebensjahr muss das drastisch zugenommen haben. Über den anonymen Anrufer wiederum konnte ich nichts in Erfahrung bringen. Wer auch immer es ist, muss über beste Technik verfügen, dass er sämtliche Spuren verwischen kann. Im Anhang sind Protokolle vom Jugendamt, der Polizei und zwei Arztberichte, die ich finden konnte. Selbstverständlich werde ich mich melden, sollte ich noch mehr Informationen finden.“
 

Die übliche Verabschiedungsfloskel ignorierte er und öffnete die Berichte, von denen in der Email die Rede waren. Ihm wurde schlecht, als er den zweiten Arztbericht las, der angefertigt worden war, als Joey 14 Jahre alt war. Sein rechtes Auge war komplett zugeschwollen, an den Armen hatte er mehrere Abwehrverletzungen in Form von Prellungen und Schnittwunden und auch sein Oberkörper war davon übersät. Eine Prellung sah sogar so aus wie ein Schuhabdruck. Laut des Arztes war er sogar bewusstlos eingeliefert worden, nachdem ein Nachbar den Notruf gewählt hatte. Und die Polizei hatte das nicht weiterverfolgt?

Wut stieg in ihm auf und seine Hände krampften zu Fäusten. Wie konnte ein Vater so etwas seinem Sohn antun? Drei Tage hatte Wheeler im Krankenhaus verbringen müssen, weil er so viele Schmerzmittel gebraucht hatte und die Ärzte hatten sichergehen wollen, dass er keine inneren Verletzungen davongetragen hatte.

Unwirsch klappte Kaiba den Monitor runter und starrte aus dem Fenster, welches sich hinter dem Schreibtisch bodentief erstreckte. Das Licht spiegelte den Raum im Glas, aber das nahm er gar nicht wahr.

Zugegebenermaßen war seine Kindheit mit Mokuba eine schreckliche Zeit gewesen und er wünschte sie niemandem, aber sie hatte ihn auch stark gemacht. Doch zur Wahrheit gehörte auch, dass er abgesehen von gelegentlichen Backpfeifen keine körperliche Gewalt erfahren hatte. Gozaburos Kälte war emotionaler Natur, was auch teilweise auf ihn abgefärbt hatte. Das konnte er nicht leugnen.

Bei Joey jedoch … Nicht nur, dass die Mutter ihn zurückgelassen hatte, nein sie hatte auch noch die Geschwister getrennt. Anfangs war das vielleicht noch gegangen, doch spätestens mit dem Verlust des Jobs muss für den Blonden die Hölle begonnen haben. Was brachte einem ein Vater, der einen anscheinend nur verabscheute und verprügelte? Wie hatte sich Wheeler nur so gut entwickeln können, wenn er zu Hause wahrscheinlich Qualen litt? Es war ihm ein Rätsel, doch sein Bild des Straßenköters wandelte sich von Minute zu Minute.

Straßenköter … Wer würde das nicht werden, wenn man kein richtiges zu Hause hatte?
 

Seufzend rieb er sich über das Gesicht. Das ging ihn alles eigentlich gar nichts an und er wusste noch immer nicht, wer der Erpresser war. Außerdem war es auch schon viel zu spät. Morgen musste er für die Schule wieder fit sein, also humpelte er ohne Krücke zum Bett, zog sich seinen Schlafanzug an und legte sich hin. Schnell griff er noch nach der Wasserkaraffe auf dem Nachttisch und schluckte noch seine Tabletten, dann machte er es sich so gut es ging bequem und schloss die Augen.



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