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Schatten der Vergangenheit

von

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Missbraucht / 3

„Es freut mich, dass du es doch noch einrichten konntest. Es wäre schade gewesen, wenn du das verpasst hättest.“ Ein falsches Lächeln folgte wie so oft und erinnerte mich jedes Mal daran, was sie für ein ekelhafter Mensch war. Vor einigen Tagen war ich wegen eines aufgefallenen Busses zwanzig Minuten zu spät, durfte mir ihr Gemecker anhören und wäre das nicht schon zu viel, stand sie den ganzen Tag neben mir und kritisierte meine Arbeiten. Dabei hatte ich eine fast perfekte Dauerwelle hinbekommen und doch fand sie drei Wickler, die ihrer Meinung nach falsch gesetzt waren. Zuvor hatte mich meine Kollegin gelobt, doch meine Chefin hatte mit einem Schlag meinen gesamten Stolz in den Boden getreten.
 

Nun tat sie aber so, als wäre sie eine Heilige, die nur das Beste wollte. Mit Druck lernte es sich laut ihren Angaben am besten und auch sie hatte angeblich lernen müssen, dass das Leben kein Ponyhof wäre. Schön, damit hatte sie recht, aber Praktikanten vor Kunden zusammenfalten war nicht die feine, englische Art.
 

„Das Angebot besteht weiterhin, dass du bei uns schläfst“, redete sie weiter, während ihr Mann mir ein aufrichtiges Lächeln schenkte, was deutlich ehrlicher war, als das seiner Frau.
 

„Danke, das ist nett“, murmelte ich zaghaft, während ich bereits dabei war, mir zu überlegen, wie ich den Abend überstehen könnte. Weglaufen ging nicht, im Alleingang ebenso. Es blieb mir nichts anders übrig, als mich meiner Chefin wieder einmal zu beugen. Und das trotz meiner heutigen Stärke, die mich dennoch diesen Tag erneut durchleben ließ. Ausgelöst durch einen Trigger. Zusammen mit meiner Therapeutin hatte ich alle zusammengetragen und doch war ich mir damals schon sicher, dass es nicht alle waren.
 

Menschenmassen waren kein Problem mehr, ebenso Männer, sofern sie nicht aufdringlich wurden und auch Enge löste keinen Zusammenbruch mehr aus. Gedränge ging, sofern ich in Begleitung und nicht alleine war. Es musste - nein, der Geruch von gebrannten Mandel löste keinen Trigger aus. Hatte es nie und nah genug, waren wir an den Süßigkeitenstand nicht gekommen. Es war etwas ganz anderes. Eine Stimme, eine Tonlage oder einfach der Mann, der mir helfen wollte und den Fehler machte, mich anfassen zu wollen. Vielleicht war es auch Sabine selber. Unbewusst, als sie mich beinahe anschrie, damit ich sie verstehen konnte.
 

Ein versteckter Trigger, den ich nicht erkannte. Der blanke Horror und meine Therapeutin hatte davor immer gewarnt.
 

„Na komm, wir gehen zum Riesenrad.“ Wieder meine Chefin, die über alle Köpfe hinweg entschied und am meisten reden konnte. Was zuvor gesprochen wurde, wusste ich genau und obwohl ich in Gedanken war, hatte ich die gesamte Zeit mitgeredet. Wie ein Film, den man nochmals anguckte, genau wusste, was passierte und keinerlei Möglichkeit hatte, die Handlung zu beeinflussen.
 

„Das wird lustig“, lachte die Frau, die mein Leben zum Teil zerstört hatte und im Inbegriff war, es wieder zu tun, indem sie mich bereits an der Hand fasste und mitzog. So gerne, würde ich mich losreißen, wegrennen oder sie einfach anschreien. Nichts passiert, ich folgte wissend, was danach geschah. Nicht mehr lange, irgendwo stand er, beobachtete mich, lauerte wie ein Löwe auf seine Beute.
 

Nur noch wenige Minuten trennten mich von meinem Peiniger, von seinen schmierigen Händen, seinem Geruch, den Schmerzen, der Übelkeit. Innerlich weinte ich, schrie um Hilfe, die niemand hörte, keiner sah. Ich war meiner Angst bereits ausgeliefert, konnte mich nicht wehren und musste alles noch einmal durchleben. Keine höhere Macht brachte mich weg, zurück zu meiner Freundin, raus aus diesem Alptraum.
 

Niemand schützte mich, keiner rüttelte mich wach. Gefangen im eigenen Kopf, in meiner Vergangenheit, die mich gnadenlos einholte und kein Erbarmen kannte.



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