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On the Cusp

Teil Zwei der BtB-Serie
von

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Birthdays are a goddamn drag

Rote Wolken schwappten um ihn herum; dicht und schwer wie blutiger Nebel.

 

Seltsam…

 

Shikamaru fuchtelte mit einer Hand vor seinem Gesicht herum und beobachtete, wie der Scharlachdunst wie zerfetzter Rauch durch seine Finger strömte. Und dann realisierte er, dass es wirklich Rauch war. Und er kam von Asumas Zigarette. 

 

„Asuma-sensei, was zur Hölle rauchst du da?“

 

„Sie sagen, dass mich das Zeug umbringen wird.“, kicherte der Jōnin, hielt den Glimmstengel nach oben und drehte ihn über seine Finger. Das glühende Ende spielte gefährlich über seine Haut, ohne sie zu verbrennen. „Was denkst du darüber?“

 

Shikamaru blinzelte durch die dünnen Risse in dem Rauch. „Ich denke, dass das hier ein Traum ist.“

 

„Weißt du, was man über rote Wolke sagt?“

 

„Nein.“ Shikamaru runzelte die Stirn und fuhr erneut mit der Hand durch den blutigen Nebel. 

 

„Der Wolken Abendrot bringt dem Bauern Lohn und Brot.“ Asuma legte den Kopf in den Nacken und atmete eine lange rote Schwade über seinen Kopf aus. „Doch der Wolken Morgenröte verheißt dem Bauern arge Nöte.“

 

„Rote Wolken am Abend und Morgen? Sprichst du jetzt schon in kitschigen Rätseln?“ Shikamaru grinste. „Wie lästig.“

 

Asuma wandte sich ihm zu. 

 

Und das Grinsen verschwand sofort von Shikamarus Gesicht; zusammen mit aller Farbe.

 

Die Augen seines Senseis waren ebenso rot und blutig wie der Nebel. Zwei entsetzliche gesprungene Rubine anstelle warmer brandyfarbener Augen. 

 

„Sensei…“

 

Asuma lächelte grimmig. „Man kann die Zeit nicht anhalten.“

 
 

~※~
 

 
 

‚Man kann die Zeit nicht anhalten.‘

 

Shikamarus Augen flogen auf und sein Körper spannte sich mit einem scharfen Rucken an, als der Traum wie eine schwarze Seifenblase an der Rückseite seines Verstandes zerplatzte. Kälte wusch über ihn hinweg und sein Puls hämmerte in seiner Kehle.

 

Traum…

 

Vollkommen desorientiert blinzelte er hart und weit aufgerissene Augen fielen zurück zu einem halb verschlossenen Blick, als er sich auf den Rücken rollte und auf die Uhr linste.

 

Vier Uhr morgens.

 

Shikamaru seufzte. „Scheiße.“

 

Nicht einmal eine einzige Minute nach dieser Grenze. Es war lächerlich; auf eine unterbewusst sadistische Weise. Sein Schlafrhythmus hätte sich inzwischen wieder normalisieren müssen. 

 

Es sind jetzt zwei Wochen…

 

Vierzehn ‚Morgen‘ und keines davon hatte eine Minute vor oder nach ‚Vier Uhr morgens‘ begonnen. Shikamaru stierte vernichtend auf die heimtückischen Nummern. Jetzt konnte er ein weiteres ‚Morgen‘ zu der Liste hinzufügen und eine weitere Dämmerung dabei beobachten, wie sie durch die Spalten in seinen Vorhängen sickerte. 

 

Klasse.

 

Shikamaru blinzelte rapide und verzog das Gesicht aufgrund des stechenden Schmerzes in seinem Kopf. Beschissene Schlafgewohnheiten hatten seinen Kopfschmerzen nicht wirklich einen Gefallen getan. Er befreite einen Arm aus den Laken und rieb sich die Nasenwurzel, bis der Druck hinter seinen Augen nachzulassen begann. 

 

Und was zur Hölle sollte dieser Traum?

 

Er schüttelte das kalte Schaudern ab, mit dem ihn der Traum zurück gelassen hatte und runzelte die Stirn darüber, wie dämlich er eigentlich gewesen war. Träume waren keine Vorahnungen. Und soweit es seine Logik betraf, waren sie nichts weiter als sinnlose Regurgitationen, die Beseitigung von gedanklichen Überschüssen, psychologische Konsolidierungen und Versuche, irgendwie mit distanzierten und unterdrückten Gedanken umzugehen. 

 

Warum zur Hölle denke ich überhaupt darüber nach?

 

Und gemessen an dem Level an fast schon Lehrbuchhaften Details, mit denen er darüber nachdachte, ließ es darauf schließen, dass lästige psychedelische Träume zu so etwas wie einer Gewohnheit zu werden schienen. Wie der internale dämliche ‚Vier Uhr morgens‘ Alarm.

 

Hör auf zu denken…

 

Shikamaru presste mit einem Knurren die Lider aufeinander und rollte sich wieder auf den Bauch, bevor er die Laken über seinen Kopf zerrte, um sie wie ein provisorisches Zelt über seinen Pferdeschwanz zu drapieren. Es würde eine erbärmliche Barriere gegen den sich erhellenden Raum und den nervigen Tag sein, der der Morgendämmerung folgte. 

 

Geburtstage sind ein gottverdammtes Drama…

 

Stöhnend vergrub er sein Gesicht in der Armbeuge und hakte eine Hand unter sein Kissen, während er sich die beste Schlafposition suchte. Ihm blieben immerhin noch ein paar Stunden, bevor er buchstäblich dazu gezerrt wurde, bei den Feierlichkeiten nach Inos Pfeife zu tanzen. 

 

Scheiße.

 

Es würde mehr als nur eine geringe Anstrengung brauchen, um mit dem fertig zu werden, was auch immer sie in den letzten zwei Wochen geplant hatte. Mit diesem Gedanken im Kopf spürte Shikamaru, wie er in Bewusstsein hinein- und hinausglitt, als er abzudriften begann und sich seine Atmung ebnete. 

 

Sein Verstand rutschte in die näher kommende Schwärze…

 

Und dann hinein in einen Traum aus opalhaften Augen, die ihn zum Brennen brachten…sie wuschen über den Traum aus roten Augen, die ihn eiskalt zurückgelassen hatten.

 
 

~※~
 

 

„Shikamaru!“

 

Der gedämpfte Ruf seines Namens hallte durch seine Zimmertür, stach sich durch das Nest seiner Decken und wühlte den dichten Nebel eines Traumes auf, von dem er sich nicht lösen wollte.

 

Nein…

 

Ein dumpfes Pochen gegen die Tür und der Traum zersplitterte und entschwand. 

 

„Shikamaru! Zeit aufzustehen!“

 

Auf keinen Fall…

 

Seine Schlafzimmertür flog auf und knallte hart gegen die Wand. Das Geräusch hämmerte sich wie eine Faust in sein Hirn und er zuckte mit einem Knurren zusammen, während er unter den Laken eine mörderische Miene aufsetzte. 

 

Scheiße…

 

Stille zeichnete ein Bild, das Shikamaru nicht sehen musste, um exakt zu wissen, wie es aussah. Seine Mutter, die im Türrahmen stand, die Hände in die Hüften gestemmt, während ihre scharfen Augen den Zustand vollkommenen Chaos‘ seines Zimmers aufnahmen. 

 

Um fair zu sein; es war nicht vollkommen seine Schuld. 

 

Dämlicher Vogel…

 

Das Stampfen von Füßen und das Kreischen von Yoshino, die über irgendetwas stolperte, endeten mit dem Kratzen von Vorhangringen, als die Gardinen ruckartig zurück gezogen wurden. Shikamaru drückte sein Gesicht fester in seine Armbeuge; wollte auf keinen Fall für irgendjemanden das Sonnenlicht erleiden müssen. 

 

„Nein…“

 

„Steh auf, junger Mann!“

 

Der junge Nara stöhnte und tastete blind mit einem langen Arm umher, um die Laken noch höher über seinen Kopf zu ziehen. Das Sonnenlicht flutete durch alle Lücken und fand jede Öffnung in den Decken; dieser dämliche, sadistische, solare Stern. 

 

„Ernsthaft Shikamaru.“, tadelte Yoshino und ihre Stimme hob und senkte sich auf eine Weise, die darauf hindeutete, dass sie sich immer wieder bückte, um irgendwelche Gegenstände vom Boden aufzuheben. „Sie werden bald hier sein und du musst immer noch duschen, etwas essen, deine Karten aufmachen und – du hast immer noch nichtdieses Buch über Vogelmedizin und Ornithologie zurückgegeben!“

 

Shikamaru seufzte. 

 

Auf keinen Fall könnte er das hier gewinnen. 

 

Schlaf war ein absolutes Tabu sobald seine Mutter in den Raum explodiert war. Und so hob er den Kopf und öffnete einen Spalt breit die Augen; schläfrige braune Seen blinzelten durch einen grellen Schlitz in den Falten seiner Bettlaken. Seine Mutter blätterte mit dem Daumen durch die Seiten des Buches, bevor sie den Deckel öffnete, um das gestempelte Abgabedatum zu überprüfen. 

 

„Das wird schon wieder ein Bußgeld von der Bibliothek sein, dass du aus deiner eigenen Tasche bezahlen wirst.“, meckerte sie und klopfte mit dem Buch leicht auf seinen Rücken. „Steh auf!“, befahl sie und legte sich Klamotten über den Arm, während sie sich durch das Chaos wühlte. „Was um alles in der Welt ist hier drin passiert?“

 

Dämlicher. Vogel.

 

Das starke Aroma von Kaffee schwebte in den Raum. 

 

Und dem folgte das Geräusch eines heiseren kratzigen Gähnens, das von Keramik gedämpft wurde. 

 

Shikamaru runzelte die Stirn und blinzelte durch den sonnengefluteten Raum hinüber zur Tür. Er veränderte die Position seines Armes gerade weit genug, um seinen Vater durch den Spalt in den Laken erspähen zu können. Shikaku stand außerhalb der Reichweite des Sonnenlichtes und verharrte wie ein Schatten an der Türschwelle; sein dunkles Haar raffte sich zu dem unordentlichen Anschein eines gezackten Pferdeschwanzes zusammen. 

 

Er sah in etwa ebenso begeistert darüber aus, wach zu sein wie sein Sohn. 

 

„Steh auf, Junge.“, sagte er gedehnt und mit einer Stimme, die rostig und schwer von Schlaf war. 

 

„Verräter.“, schnaubte Shikamaru und drückte sich nur noch weiter in die Matratze. 

 

Shikaku lehnte sich gegen den Türrahmen, seine scharf umrissene, drahtige Gestalt war in einen schwarzen Kimono gehüllt und eine Dampfschwade schwebte über sein vernarbtes Gesicht, während er an seinem Kaffee nippte; abgeschirmte Augen musterten ihn ruhig. 

 

Shikamaru schüttelte den Kopf, als er den Blick auf sich spürte. „Ich werde mich nicht rühren.“

 

„Oh du wirst dich sehr wohl bewegen.“, warnte Shikaku.

 

„Jo, mich bewegen, um mein gottverficktes Zimmer abzusperren…“

 

„Shikamaru!“, schnappte Yoshino und ihr Kopf schnellte am Ende des Bettes wie der eines Erdmännchens nach oben, als sie sich gerade seine Chūnin Weste angelte. „Achte auf deine Wortwahl!“

 

Shikaku grinste ihn vom Türrahmen aus an. „Ja und beweg deinen Arsch.“

 

„Shikaku, du auch!“

 

Ohne den geringsten Anflug von Reue wurde Shikakus Grinsen träge und weich, als er hinüber zu seiner Frau sah. „Er muss aufstehen, damit wir wieder zurück ins Bett können.“

 

Shikamaru hob eine Braue und sein Pferdeschwanz durchstach die Oberfläche, als er anfing, sich unter den Laken hervor zu winden. „Du wurdest also auch wegen dem Mist hier geweckt, huh?“

 

„Nein.“ Shikaku nahm einen Schluck seines Kaffees. „Ich wurde deswegen unterbrochen.“

 

„Achja?“ Shikamaru ließ sich auf den Rücken fallen und legte einen Arm über seine Augen. „Warum warst du denn schon wach?“

 

„Um deine Empfängnis zu zelebrieren.“

 

Shikamaru ruckte in die Aufrichtung und ließ seinen Arm nach außen schnellen. „Was zur Hölle!“

 

Yoshinos Gesicht nahm in einer raschen Prozession verschiedenste Schattierungen von Rot an, bevor sie sich für einen Ton der Empörung entschied. „Nara Shikaku!“

 

Shikaku zuckte nur mit den Achseln und seine dunklen schwerlidrigen Augen richteten sich auf seine Frau, als er einen rauchigen Atem über seinen Kaffee blies, um den Dampf mit einem Grinsen fortzuscheuchen. „Was denn? Der Junge hat gefragt.“

 

„Lüg mich das nächste Mal an!“ Shikamaru schüttelte in scharfer Verleugnung den Kopf und erschauerte, als er sich die Ballen seiner Hände auf die Augen drückte. „Das muss ich echt nicht wissen…niemals…“

 

„Shikamaru!“, keifte Yoshino und warf ihre verlegene Empörung reflexartig ihm entgegen. „Steh jetzt auf. Willst du deinen Geburtstag denn nicht feiern?“

 

Shikamaru ließ sich zurück gegen das Kopfbrett fallen und rieb sich die Augen. „Ich war bereits dabei, meinen Geburtstag zu feiern. Im Bett.“

 

„Genau wie wir.“, lamentierte Shikaku in seinen Becher. 

 

Shikamaru war seinem Vater einen gequälten Blick zu. „Würdest du aufhören?“

 

„Das haben wir.“

 

„Shikaku.“, warnte Yoshino zwischen zusammen gebissenen Zähnen, bevor sie verdutzt blinzelte und zu ihrem Sohn herum wirbelte. „Moment! Was hast du mit ‚Geburtstag im Bett feiern‘ gemeint? Ist hier irgendjemand bei dir?!“

 

„Was?“ Shikamarus Augen weiteten sich und ein Hauch von Hitze errötete seine schlanken Wangen, während sein Vater grinste. „Nein! Ich meinte einfach nur schlafen – allein!“

 

Yoshino beruhigte sich mit einem hörbaren Rauschen von Luft, aber ihre Augen scannten mit einem kuriosen Blick den Raum und suchten ihn nach fremden Kleidungsstücken ab; nur um sicher zu gehen. „Gut. Und jetzt steh auf, bevor Ino und Chōji hier auftauchen.“

 

„Wie lästig…“

 

Yoshinos Brauen zogen sich zusammen und sie klemmte sich ein Bündel Klamotten unter einen Arm, bevor sie zu ihm herüber marschierte. Shikamaru verzog das Gesicht und wartete auf die Standpauke; oder sogar eine Ohrfeige. Aber stattdessen lehnte sich seine Mutter nach unten, um einen sanften Kuss auf seinen Scheitel zu hauchen. 

 

Shikamaru blinzelte überrascht; beinahe nervös. 

 

„Alles Gute zum Geburtstag.“, murmelte Yoshino gegen seine Haarlinie und zog sich zurück, um ein wenig unbeholfen mit den Fingern über die Enden seines Pferdeschwanzes zu streichen, während sie ihn stirnrunzelnd musterte. 

 

Leicht fuhr sie mit dem Daumen über die verblassende Narbe auf seinem rechten Wangenknochen – als wäre es ein Schmutzfleck, den sie von seinem Gesicht wischen wollte. 

 

Shikamaru wand sich unbehaglich unter dieser Aufmerksamkeit und schob ihre Hand mit zusammengezogenen Brauen beiseite. „Was?“

 

„Nichts…“ Yoshinos Stimme wurde weicher und stand in krassem Kontrast zu ihrer angespannten Miene. „Versuch heute etwas Spaß zu haben, Shikamaru.“

 

Shikamaru wandte den Blick ab und zuckte die Achseln; er wusste nie, wie er auf diese zärtliche und viel weniger vorhersehbare Seite seiner Mutter reagieren sollte. „Jo.“

 

Shikaku beobachtete sie von der Tür aus und seine scharfen Augen nahmen über den Rand seiner Tasse hinweg alles in sich auf. Doch Shikamaru bemerkte es nicht; seine Aufmerksamkeit glitt zu seinem Wecker, als seine Mutter um das Bett herumging und sich mit der Wäsche im Arm einen Weg zur Tür bahnte. Shikaku stieß leicht mit der Hüfte nach außen, um sie damit anzustupsen, als sie an ihm vorbei lief und fing sich dafür einen Rückhandklaps auf den Hinterkopf ein, der seine Zähne gegen die Keramik seines Bechers klacken ließ. 

 

Shikamaru spähte unbeeindruckt hinüber. „Es sollte Regeln geben, die es verbieten, solche Dinge in Anwesenheit der eignen Kinder zu machen.“

 

Shikaku sog an seinen Zähnen und warf seinem Sohn über den Tassenrand einen schiefen Blick zu, der scharf vor Amüsement funkelte. „Kami möge der Frau helfen, die deine Schale knacken muss.“

 

„Tz. Was auch immer.“ Shikamaru verzog das Gesicht, rollte sich herum und riss die Laken erneut über seinen Kopf, während er über die irgendwie verstörende Anzahl an gewalttätigen Frauen in seinem Leben nachdachte. 

 

Doch ihm blieb keine Zeit, um seinen Verstand diese lästige Nummer gegen andere Statistiken abgleichen zu lassen. Etwas schlang sich um seinen Knöchel und zerrte ihn mit einem Jaulen und verwickelten Laken aus dem Bett. Sein Versuch, sich irgendwo festzuhalten, endete damit, dass er sandwichartig zwischen Boden und Matratze eingeklemmt wurde, als sie sich über ihm zusammenfaltete, da er sie nicht losgelassen hatte. 

 

„Oi!“, fauchte er und strampelte sich mit tretenden Beinen und kickenden Ellbogen seinen Weg in die Freiheit, während er seinen Fuß der Schattenhand entriss, die sich darum geschlossen hatte. 

 

Shikaku sah ihm mit verschleierter Belustigung zu und hatte sich nicht einen Millimeter von seiner lümmelnden Pose gegen den Türrahmen fort bewegt. Mit einem Heben des Kinns schrumpfte die Schattenhand zu einer dünnen Ranke zusammen und schlängelte sich wie eine verzauberte Kobra zurück zu ihrem Meister 

 

„Das war mies!“, schnappte Shikamaru. 

 

„Und das war eine tolle Nachahmung deiner tretenden und schreienden Geburt.“, erwiderte Shikaku gedehnt und ein kehliges Kichern waberte um seine Tasse. „Damit hast du dir auf jeden Fall auch Zeit gelassen.“

 

Hochgestemmt auf seine Ellbogen stierte Shikamaru finster durch ein paar scharfe Strähnen, die sich aus seinem Pferdeschwanz gelöst hatten; tiefbraune Augen zogen sich verärgert zusammen. „Ich will wirklich nichts davon hören.“

 

Er hörte es so ziemlich jedes verdammte Jahr. 

 

Seine Mutter hatte keinerlei Hemmungen dabei, ihn daran zu erinnern, wie sämtliches Treten und Schreien der gesamten Welt im Vergleich dazu verblasste, wie sehr sie seinen Vater hatte treten wollen, als er versucht hatte, sie während einer 39 stündigen Entbindung zu beruhigen. 

 

Sie hatte sich am Ende damit begnügt, fünf Knochen in Shikakus Hand zu brechen.

 

Und Shikaku bestand darauf, dass es die Ärzte deutlich schwerer hatten, Yoshino von ihm zu entfernen als Shikamaru aus seiner Mutter. 

 

„Aber zumindest hast du dich angestrengt, als es am meisten gezählt hat. Du weißt schon, bei dem Wettschwimmen und so.“, sinnierte Shikaku trocken und tippte mit einem Daumen gegen seine Tasse. „Erklärt allerdings nicht, warum du Eier so sehr hasst. Du bist doch immer noch ein guter Schwimmer, oder?“

 

„Ich will wirklich immer noch nichts davon hören.“, murrte Shikamaru ein wenig verlegen, während er seine Matratze zurück auf das Bett schob und sich darauf kniete, um es genervt in Position zu rucken. „An Geburtstagen sollte es darum gehen, dass man älter wird; nicht darum, über Empfängnis und Babytage zu sprechen. Es gibt einfach überhaupt nichts Interessantes an Babys.“ 

 

„Jaa…“ Shikaku zuckte mit den Achseln und stürzte seinen Kaffee hinunter. „Der interessante Part ist, sie zu machen.“

 

Shikamaru stoppte mitten in seinem Kampf mit der Matratze und rammte seinen Kopf mit einem verzweifelten Stöhnen hinein. „Im Ernst, WARUM?

 

Shikaku lachte. „Alles Gute zum Geburtstag.“

 
 

~※~
 

 

Der Plan hatte sich nicht geändert. 

 

So vorhersehbar wie immer. 

 

Süßkram und Kaffee bei Knohohas am meisten unterschätzten Kissaten. 

 

Eine Tradition. 

 

Jedes Jahr an Shikamarus Geburtstag hielt Ino sie auf fast schon religiöse Weise aufrecht. Dagegen zu protestieren war vollkommen aussichtslos, aber das Protestieren war trotzdem ebenfalls ein wichtiger Teil der Tradition. Und so geschah es mit jährlicher Vorhersehbarkeit, dass Shikamarus finstere Miene ohne irgendeine Anstrengung oder Wirkung an ihren Platz rutschte. 

 

„Nein.“

 

„Doch.“

 

Ino grinste breit, schlang die Arme um ihre Teamkameraden und nahm eine kommandierende Aura an, die Shikamaru und Chōji ihr nie verliehen hatten, aber genauso wenig hatten die Männer den Mut dazu, zu versuchen, sie ihr wegzunehmen. 

 

Viel zu viel Aufwand.

 

Ino marschierte sie wie eine Matrone den Bürgersteig entlang. „Ich frage mich, ob es sich verändert hat.“

 

„Das sagst du jedes Jahr.“, murrte Shikamaru und neigte sich so weit von ihr fort, wie es ihm möglich war, während er durch die Gegend gezerrt wurde. „Und es hat sich noch nie verändert.“

 

Ino ruckte an seinem Arm und zog ihn wieder näher. „Nun, es ist doch gut, dass manche Dinge bleiben, wie sie sind.“

 

„Das hier bleibt immer wie es ist.“

 

„Es gefällt dir.“, bemerkte Ino mit vollkommener Selbstsicherheit.

 

Shikamaru runzelte die Stirn und ruckte seinen Arm frei, um beide Händen in den Taschen seiner schwarzen Hose zu vergraben. Dazu trug er ein ebenso dunkles langärmeliges Shirt mit Rundhalsausschnitt. Nicht ein einziger Hauch von Farbe oder Anstrengung. Die dichten Strähnen seines Haares waren zu ihrem üblichen hohen Zopf zusammengebunden. 

 

„Du hättest dir zumindest ein bisschen Mühe geben können, weißt du.“, meckerte Ino und warf ihm einen strengen Blick zu. „Man könnte meinen, irgendjemand wäre gestorben. Selbst Chōji sieht mehr nach einem Geburtstagskind aus als du!“

 

Zugegebenermaßen wies Chōji tatsächlich ein strahlenderes Aussehen und einen fröhlicheren Gesichtsausdruck auf. 

 

Der Akimichi war in Rot und Waldbraun gekleidet – der personifizierte Herbst. Sein kastanienbraunes Haar war auf eine Art zerzaust, die darauf schließen ließ, dass er es nur mit den Fingern gekämmt hatte. Ino jedoch hatte sämtliche Register gezogen, um absolut sicher zu gehen, dass sie wie ein wandelndes Gemälde aussah. 

 

Shikamaru bedachte sie mit einem subtilen Blick.

 

Das blonde Haar perfekt frisiert fiel ihr langer Pony nach unten, um die schlanke Neigung ihrer Kieferlinie und Kehle einzurahmen. Die blassgoldenen Enden kitzelten über ein scharf geschnittenes Schlüsselbein, das von einem lilafarbenen Top mit Wasserfallausschnitt freigelegt wurde, das schräg von der Schulter abfiel; ein strategischer bewusster Ausrutscher, um Blicke auf sich zu ziehen. Ein schwarzer Rock, der in der Mitte der Oberschenkel endete, vervollständigte das Outfit und war so eng, dass Shikamaru wusste, dass sie viel Aufhebens darum machen würde, ihn nach unten zu ziehen, sobald sie saßen. 

 

Lästiges Mädchen…

 

Letztes Jahr hatte sie zumindest noch Seidenstrumpfhosen darunter getragen. Doch jedes Jahr wurde ein bisschen mehr Haut gezeigt. Shikamaru war sich nicht sicher, was er von all dem halten sollte; was aber hauptsächlich der Tatsache geschuldet war, dass er nie ernsthaft darüber nachgedacht hatte. Er wusste, dass es an Chōji nagte und dass Asuma stets stiller und aufmerksamer gegenüber männlichen Chūnin und Jōnin war, wenn sie das machte. 

 

Sie ist kein Kind mehr. Sie kann auf sich selbst aufpassen…

 

„Ich werde mit dir shoppen gehen und dann werden wir endlich mal etwas gegen deinen vollkommen Stilmangel unternehmen.“, kommentierte Ino leichthin und spähte zu ihm herüber, um zu sehen, ob sie einen spielerischen Anstieg der Stimmung bei ihm erreichen konnte. „Kein Mädchen wird dich auch nur eines Blickes würdigen, wenn du so mürrisch und abweisend aussiehst.“

 

„Witzig…bei Sasuke hat es funktioniert.“

 

Chōjis Kichern brach mit einem Jaulen ab, als Ino ihm mit dem Ellbogen in den Bauch stieß. 

 

„Das ist nicht witzig, Shikamaru.“, knurrte sie. 

 

„Gut, ich möchte nicht mein mürrisches und abweisendes Image ruinieren.“

 

Ich funkelte ihn an. „Was ist nur los mit dir?“ Ihre Augen verengten sich ein bisschen, als sie ihn musterte. „Kannst du immer noch nicht schlafen?“

 

Shikamarus Kiefer verkrampfte sich. „Wer hat dir gesagt, dass ich nicht schlafe?“

 

„Pff, du bist noch griesgrämiger als sonst und dann wären da auch noch diese zombiemäßig dunklen Ringe.“ Ino tippte sich unter eins ihrer Augen und ihre Besorgnis erhellte sich mit einer Lösung, von der er ganz genau wusste, dass er sie gar nicht erst hören wollte. 

 

„Nein!“, sagte er vollkommen automatisch.

 

„Dunkle Ringe.“, murmelte Ino zu sich selbst und ließ ihre Schultertasche mit einem Zucken in ihre Armbeuge rutschen. „Hey, ich habe hier etwas, dass das ganz schnell beheben wird!“

 

„Denk nicht mal dran!“ Shikamaru schüttelte vehement den Kopf und trat einen gemessenen Schritt von ihr fort, um zu vermeiden, dass er über die Straße gezerrt und von weiberhaften Produkten entmannt wurde. „Wenn man bedenkt, wo du uns hin buxierst, würde ich sehr gerne irgendwie mit intakter Männlichkeit aus der ganzen Sache wieder heraus kommen…“

 

Chōji kicherte erneut und bot keinen Widerstand gegen Inos Misshandlung, als sie die Straße hinüber zu dem vertrauten regenbogenfarbenen Kaffee- und Teelokal überquerten. 

 

Ugh, warum…

 

Trotz des reflexartigen Erschauderns, das diese Farben auslösten, war es amüsant, einen so kunstvollen Farbklecks inmitten einer Reihe einheitlicher und unauffälliger Geschäfte und Restaurants zu sehen. Dieses Kissaten lag ganz am Ende des Bürgersteiges und wirkte irgendwie, als wäre es vom Rest der Straße geächtet worden. Da die Regenbogenfarben des Gebäudes mit der Zeit verblasst waren, waren die knalligen Schattierungen nach und nach zu pastellfarbenen Imitationen abgestumpft, die das ursprünglich so grelle Aussehen deutlich weniger peinlich machten. 

 

Aber das alte Kaffeehaus war stolz auf seinen Namensgeber. 

 

Shikamarus Blick hob sich zu dem hölzernen Schild, das über den Eingang genagelt war. 

 

„NIJI“

 

Das Wort für ‚Regenbogen‘ war in handgemalten Lettern geschrieben, die wie klobiges, aber dennoch irgendwie künstlerisches Gekritzel aussahen. Der breite Text, der inzwischen leicht abblätterte und abgenutzt war, provozierte trotzdem immer noch ein schwaches Zucken von Shikamarus Mund. 

 

Und dann dämmerte es ihm schlagartig, wie nah ‚Niji‘ an einem Namen war, an den er nicht denken wollte. 

 

Scheiße.

 

Er presste die Lider aufeinander und brauchte einen Moment, um den Gedanken beiseite schieben zu können. 

 

„Hey!“, rief Ino und reckte ihren Hals. „Beeil dich, Drückeberger!“

 

„Jo, beruhig dich…“ Shikamaru trottete auf den Bürgersteig und gesellte sich wieder zu Chōji, als Ino sie in den Laden führte.

 

Das erste, das Shikamaru ins Gesicht schlug, war das schwere kopflastige Aroma von Kaffee. Allein die reichhaltige Qualität des Geruches schien seine Kehle hinunter zu gleiten, als hätte er gerade einen Schluck des Gebräus genommen. Er inhalierte tief und Erinnerungen wurden von dem Hauch einer Sorte aufgewühlt, die er nur einmal im Jahr zu sich nahm. 

 

Kein anderer Ort machte Kaffee so wie Niji.

 

Die Besitzer besaßen hinter der Theke ein geradezu verrückt aussehendes und laborähnliches Equipment. Es handelte sich um ein Familiengeführtes Geschäft und sie arbeiteten wie ein Clan aus Alchemisten, die in den endlosen dunklen Tiefen der Kaffeebohne das Elixier des Lebens suchten. 

 

Shikamaru war nicht leicht zu beeindrucken, aber verdammt, Nijis Gebräu war einfach unübertroffen.

 

Ino legte sich die Hände an die Hüften und schnupperte mit einem genüsslichen Summen in die Luft, als sie den Blick durch das Lokal schweifen ließ. „Oh wow.

 

„Du hasst Kaffee.“, stellte Shikamaru grinsend fest, während er an ihre Seite trat und die vertraute Ausstattung musterte. 

 

„Aber du magst das Zeug.“, erwiderte Ino und wartete nicht auf seine Antwort, als sie auch schon den Gang zwischen den Tischen entlang spazierte und dabei träge mit den Hüften schwang, während ihre Augen durch den Raum wanderten und sie den Blick jeder männlichen Person hier auf sich zog. 

 

Chōji legte die Stirn in Falten. „Warum macht sie das?“

 

Shikamaru seufzte und schüttelte den Kopf. „Nicht jetzt.“

 

Nie.

 

Ino damit zu konfrontieren würde mehr als wahrscheinlich zu einer ballistischen Kopfverletzung führen. Das letzte Mal, als er die Sprache auf diese Angewohnheit gebracht hatte, hatte sie einen Wasserkrug nach ihm geworfen. Die einzigen Gelegenheiten, dieses Gebiet halbwegs sicher betreten zu können waren, wenn Asuma in der Nähe war; ausschließlich für Kollateralschadenszwecke und um als menschliches Schild zu fungieren. 

 

Zeit für diesen Kaffee…

 

Shikamaru folgte Chōji und ließ den Blick über die Wände des Kaffeehauses wandern. Während die meisten Kissaten eher Traditionalität zugeschrieben wurden, war das Niji nicht nur stolz auf seinen Kaffee, sondern auch auf Kreativität. Fusama Paneele dienten als Wände und Malereien illustrierten einen weiten Himmel, der sich um das gesamte Etablissement zog. Und diese Paneele wechselten im Laufe des Tages je nach Uhrzeit. Am späten Nachmittag war alles in den Farbtönen des Sonnenuntergangs und flammengezeichneten Wolken gehalten. 

 

Es war diese Empfindung, sich in einem geerdeten Stück des Himmels zu befinden, das Shikamarus Aufmerksamkeit überhaupt erst auf das Niji gerichtet hatte. Damals waren sie noch Genin gewesen und nur dieses geringste Zeigen von Interesse seinerseits war für Ino genug gewesen, um es in ihrem Verstand fest zu zementieren. 

 

Sie hatte darauf bestanden, diesen Ort fortan zum Lieblingsplatz des Teams zu machen. 

 

Beide ihrer Teamkameraden hatten sich komplett geweigert. 

 

Jeder Ort, der im Außenbereich in Regenbogenfarben dekoriert war, wäre ein absolutes No-Go. 

 

Shikamaru wusste, dass Asuma zu dieser Zeit gelacht hätte, wenn er nicht sehr schnell in die andere Richtung davon gelaufen wäre. Schnell genug, dass sich Gai ihm bei diesem ‚jugendlichen Trainingsmarsch‘ angeschlossen hatte. 

 

Und Ino hatte nicht aufgegeben. 

 

Es hatte gute zwei Wochen des ununterbrochenen Nörgelns gebraucht, bevor sie es geschafft hatte, Shikamaru und Chōji irgendwie in diesen Laden zu bekommen, obwohl beide Männer wild darauf bedacht gewesen waren, dieser Demütigung zu entgehen.

 

Ihr allerletzter Trumpf hatte ihr den Sieg beschert.

 

Sie hatte die Wasserspiele eingesetzt – mitten auf der Straße. Und Chōji als der große leichtgläubige Softie, der er war, war eingeknickt wie ein dürrer Reisigzweig und hatte Shikamaru mit sich in das schlechte Gewissen gezerrt, das sie letztendlich durch Nijis Türen getrieben hatte. 

 

Ino zeigte sich kompromissbereit, indem sie vorgeschlagen hatte, nur ein einziges Mal im Jahr gemeinsam hierher zu kommen. 

 

Chōji hatte gescherzt, dass dieses eine Mal ja an Shikamarus Geburtstag sein könnte. 

 

Und das hatte den Pakt besiegelt. 

 

Shikamaru hatte zwar nicht zugestimmt, aber er hatte auch nicht diskutiert. Und das hatte er auch nur deswegen unterlassen, weil es einfach eine Tatsache war, dass Niji den besten verdammten Kaffee in ganz Konoha servierte. 

 

„Perfekt!“, verkündete Ino jetzt und strich mit einer Hand über den vierseitigen Tisch, an dem sie immer saßen und klopfte in einer rituellen Begrüßung darauf. „Wir sollten unsere Namen da rein ritzen.“

 

Shikamaru hob eine Braue. „Du wirst meinen Namen nirgendwo rein ritzen.“

 

„Du verstehst echt keinen Spaß.“

 

„Na dann hab Spaß daran, hier rausgeworfen zu werden.“, grummelte er und ließ sich Chōji gegenüber auf demselben abgenutzten Stuhl nieder, den er immer für sich beanspruchte. Das gemütliche, weiche Leder der Sitzfläche legte sich wie eine große hellbraune Wolke um ihn. 

 

„Ich wette, dass sie uns das erlauben würden.“ Ino setzte sich auf einen gleichermaßen bequemen Stuhl und zog an ihrem Rock, als er nach oben rutschte. „Außerdem glaube ich, dass ihr Sohn ein ziemlicher Softie ist. Ich könnte ihm schöne Augen machen und ein bisschen Honig ums Maul schmieren.“

 

Shikamarus Lippen bogen sich, begleitet von einem Stirnrunzeln, nach unten, er sagte aber nichts. Er sah zu, wie Chōji eine Hand nach den wolkenförmigen Getränkekarten ausstreckte, während Ino einen kurzen Blick über die anderen anwesenden Gäste wandern ließ. 

 

„Yep. Alles beim Alten.“, kommentierte sie und schob sich den dichten Pony aus dem Gesicht. 

 

„Hab ich dir doch gesagt.“, sagte Shikamaru und stellte einen Ellbogen auf dem niedrigen Tisch auf, während er träge durch den Raum spähte und den vollkommenen Mangel an Veränderung in sich aufnahm. 

 

Es war noch immer ein eingefrorenes Bild des ersten Males, als er hier gewesen war. Als wäre die Zeit vor Jahren mit einer Brise in das Kaffeehaus gekommen, um eine Pause zu machen und wäre niemals wieder gegangen. Sie hielt sich in einem komfortablen Muster, das für immer in die Vergangenheit gehören würde. 

 

Widerwillig musste Shikamaru anerkennen, dass Ino recht hatte; auch wenn er das niemals zugeben würde. 

 

Manche Dinge blieben, wie sie waren. 

 

Und es war gut so.

 
 

~❃~
 

 
 

Asuma erwachte ruckartig; von einem Hieb gegen seinen Kiefer aus dem Schlaf gerissen. Eine benommene Sekunde später realisierte er, dass es Kurenais Ellbogen gewesen war. 

 

Instinktiv spannte sich sein Arm an, den er um sie gelegt hatte. „Kurenai?“

 

Die Kunoichi stieß sich von ihm fort; es war ein schockierend starker Stoß, der ihn beinahe aus dem Bett rollte, als sie die Laken beiseite riss und in einem Wirbel aus Seide und dunklen Haaren zum Badezimmer stürzte und die Tür hinter sich zuknallte. 

 

Scheiße. Nicht schon wieder.

 

Asuma runzelte die Stirn und war sofort auf den Beinen, um joggend das Bett zu umrunden, während er den verstreuten Blütenblättern, Stängeln und Blumenköpfen auswich, die auf dem Boden lagen. 

 

Alarmiert und besorgt fuhr er sich mit einer Hand durch sein Haar. „Kurenai?“

 

Das Rauschen der Dusche erscholl aus dem Inneren des Badezimmers, doch es war nicht laut genug, um das erstickte Geräusch von Erbrechen überdecken zu können. Asumas Augen wurden rund, zuckten zur Uhr und schwangen dann zurück zur Tür. 

 

„Kurenai, mach die Tür auf.“

 

Nichts. 

 

Asuma versuchte es mit der Türklinke aber ohne Erfolg. „Kurenai!“

 

Keine Antwort. 

 

Er spähte hinunter auf Klinke und packte sie fester, während er leicht die Schulter fallen ließ, um sich darauf vorzubereiten, die Tür einzurammen. Doch dann wurde die Dusche abgestellt, der Wasserhahn am Waschbecken aufgedreht und ein Versuch, die Tür zu öffnen brachte ihn dazu, etwas zurück zu weichen. 

 

Sie schwang leise auf. 

 

Kurenai sah zu ihm auf und ihre dunkle Mähne wogte wie eine wilde zerzauste Wolke aus schwarz um sie herum. Eine Zahnbürste steckte in ihrem Mund und zog Asumas Blick hinunter auf ihre Lippen. Sie schürzten sich leicht, als sie fragend summte. 

 

Asuma hob eine Braue und setzte die Hände an die Hüften, um sich davon abzuhalten, sie automatisch nach ihr auszustrecken. „Schon wieder?“

 

Kurenai zuckte mit den Achseln und hatte sich einen Arm defensiv um die Taille geschlungen, als sie sich dem Spiegel zuwandte und mit der Zahnbürste energisch in ihrem Mund herumfuhrwerkte. Ansonsten bot sie keine Reaktion an. 

 

„Das ist der vierte Morgen diese Woche.“ Asuma zog sich ein Stück zurück und verlagerte das Gewicht, um eine Schulter an den Türrahmen zu lehnen; er war sich nicht sicher, wie er vorgehen sollte. 

 

War sich nicht sicher, ob er das überhaupt wollte.

 

Feigling.

 

Er runzelte die Stirn und es gefiel ihm überhaupt nicht, wie sehr sich das in seinem Hinterkopf nach der Stimme seines Vaters anhörte. Erneut verlagerte er das Gewicht, um sich etwas mehr dem Türrahmen entgegen zu neigen und versuchte dabei, eine entspannte Pose einzunehmen. 

 

Seine Finger zuckten; ein klares Zeichen, dass er sich nach einer Zigarette sehnte. 

 

Er war nicht dumm. Oder naja, zumindest war er an einem guten Tag nicht dumm. Gestern war ein schlechter Tag gewesen. Ein schlechter Tag, an dem sich Kakashi auch noch dazu entschlossen hatte, ihn noch ein bisschen komplizierter zu machen, indem er dem Hirn des Sarutobi Hirn dabei geholfen hatte, geradezu lächerlich einfache Gleichungen auf Geninlevel zu lösen. 

 

‚Jeden Morgen? Hast du vielleicht mal darüber nachgedacht, dass es keine Magenverstimmung ist?‘

 

‚Was soll es denn sonst sein?‘

 

‚Asuma…wenn ein Mann und eine Frau-‘

 

‚Ich werde ganz sicher nicht in diesen Gedankengang mit einsteigen, Kakashi.‘

 

‚Naja, ich glaube sowieso, dass du die Phasen von ‚alle an Bord‘ und ‚ab durch den Tunnel‘ schon hinter dir hast.‘

 

‚Du musst wirklich aufhören, diese Bücher zu lesen. Diese sexuellen Euphemismen sind grauenhaft.‘

 

‚Folg dem Zug ein bisschen weiter, Asuma.‘

 

‚Oder vielleicht hörst du einfach auf, dich so kryptisch auszudrücken und sa- Oh Shit…‘

 

‚Und wir haben es geschafft. Du bist angekommen.‘

 

‚Scheiße.‘

 

‚Ein Rat? Sag das lieber nicht zu ihr.‘

 

‚Scheiße.‘

 

‚Ja, genau das.‘

 

Asuma sah zu, wie Kurenai mit der Hand Wasser in ihren Mund schöpfte und die körnige Minzpaste fortspülte, während sie ihre Zahnbürste neben seine in den Becher mit dem Affengesicht stellte, der auf dem Waschbecken stand. 

 

„Es ist nur eine Magenverstimmung.“, wies sie ab. „In ein paar Tagen ist es vorbei.“

 

Asuma studierte sie unter schweren Lidern und versuchte, sie durch den Spiegel einzuschätzen. „Vielleicht solltest du das mal untersuchen lassen.“

 

„Es ist nichts.“

 

Oh, es war ein gottverdammtes ‚Etwas‘.

 

Er hatte sie ebenso gut zu lesen gelernt wie sie ihn. Und nach der Art zu urteilen, wie ihre Hände in hastigen Bewegungen über Gegenstände strichen, die sicher nicht ausgerichtet oder sauber gemacht werden musste, konnte er deutlich erkennen, dass sie ebenso angespannt war wie er. 

 

Oder sogar mehr als er. 

 

Kurenai nahm sich Zeit, um alles gerade zu rücken, wusch das Waschbecken aus und zog die Hähne fest zu, obwohl das Wasser schon lange versiegt war. Und nachdem nichts mehr übrig war, um das sie sich hätte kümmern können, schob sie sich ein paar dunkle Strähnen hinter ihr Ohr und drehte sich ihm wieder zu; einen Arm hatte sie noch immer locker um ihre Taille gelegt. 

 

Asuma hob langsam die Augen, um ihre Blicke zu verbinden. 

 

Rasch sah sie zur Tür. 

 

„Du wolltest es dir einfach machen und sie einfach einbrechen, oder?“, neckte sie. Ihre tiefe satte Altstimme kitzelte auf eine subtil verführerische, aber mächtig ablenkende Weise an Asumas Instinkten.

 

Er brachte ein angespanntes Lächeln zustande und kratzte sich schuldbewusst an seinem Hinterkopf. Doch er dachte nicht an ihre Tür. Tatsächlich brachte das, auf was ihre Worte vermutlich angespielt hatten, seine Augen dazu, sich vollkommen von ihr abzuwenden. 

 

Kurenais Lächeln geriet ins Wanken. 

 

Sie zog die Schärpe ihrer Robe fester und schob sich an ihm vorbei wie eine Katze, die sich ihren Weg um einen unberechenbaren Wolf herum suchte. Asuma zog angesichts ihres Widerwillens und seiner Dummheit, das auch noch zu verstärken, die Brauen zusammen. Sie versuchte, an ihm vorbei zu schlüpfen. 

 

„Hey…“ Sein Arm hakte sich um sie und zog sie zärtlich an seine Seite. 

 

Sie versteifte sich ruckartig in seinen Armen.

 

Asuma zog scharf die Luft wegen des entsetzlichen Gefühls ein, mit dem ihn das zurückließ. 

 

Es war wie der verspätete Schmerz eines harten Trittes in die Magengegend. 

 

Nach einem angespannten Herzschlag entspannte sie sich etwas, zog ihren Kopf unter sein Kinn und schlang blasse Arme wie Ranken um seine Taille; absorbierte seine Wärme, während er ihre starken Kurven an sich schmiegte.

 

„Bist du ok?“ Eine dumme Frage, aber dennoch das Erste, was seinen Mund verließ. 

 

Sie summte. 

 

Da ihm diese unverbindliche Antwort ganz und gar nicht gefiel, strich er mit den Fingern durch ihre wilde dunkle Mähne. Sie lehnte sich nicht zurück oder kuschelte sich in die Berührung, wie sie es sonst immer tat. 

 

Okay. Das sollte ich am besten clever angehen.

 

Kurenai hielt ihn locker und verstärkte gelegentlich ihre Umarmung, bevor sie sie rasch wieder löste. „Sag ihnen alles Gute von mir.“

 

Asuma schmunzelte und strich einen Kuss über ihr Haar. „Das mache ich.“

 

„Nein, das machst du nicht.“ Kurenai lehnte ihren Kopf gegen seine Schulter. „Sie würden dich nämlich viel zu sehr deswegen triezen.“

 

„Ich werde auf mentale Weise die Botschaft übermitteln. Ino wird es vermutlich mitbekommen.“

 

„Sie sind auf jeden Fall scharfsinnig genug, oder?“

 

„Ich schwör‘ dir, ich habe keine einzige entspannte Sekunde.“, grummelte Asuma kopfschüttelnd. „Sie stürzen sich auf mich und es macht mich wahnsinnig, dass sie so viel wissen. Ich habe dir doch gesagt; sie sind wie eine sich erhärtende Stalking-Einheit, ohne dass sie mich wirklich stalken. Es macht mich schon paranoid.“

 

„Sagt der Mann, der seine Schüler stalkt, wenn irgendetwas los ist.“

 

„Aber es ist nichts los, sie mögen es einfach nur, mich zu quälen und zuzusehen, wie ich mich winde. Und ich stalke nicht. Ich beobachte heimlich von einem erhöhten Aussichtspunkt.“

 

Kurenai legte lächelnd den Kopf in den Nacken. „Du rufst Ninken und schleichst über die Dächer.“

 

Asumas Lippen bogen sich in einem schwachen Lächeln. „Du kennst mich zu gut.“

 

Kurenai wurde angesichts dieser Worte sehr still. Sie hielt sich selbst aufrecht, als hätte sie eine kalte Brise erfasst. Asumas Finger wanderten langsam über ihre Wirbelsäule.

 

„Kurenai-“

 

„Vielleicht wäre es besser, wenn du nicht hier bleibst, solange ich diese Magenverstimmung habe.“, schnitt sie ihm das Wort ab.

 

Seine Hand hielt an ihrem unteren Rücken inne.

 

Er antwortete ihr nicht sofort und wog seine Erwiderung gegen das Gewicht in seiner Brust ab. Letztendlich entschied er sich für ein neutrales Herangehen und ließ seine Worte leise über die Lippen fließen, während er darauf hoffte, so das Unbehagen vertreiben zu können, das sich in einem Bereich von ihm niederließ, der immer zufrieden damit gewesen war, sich von dem zu distanzieren und davon zu gleiten, was auch immer versuchte, ihn festzubinden. 

 

„Du willst, dass ich gehe?“

 

Kurenai zuckte mit den Achseln. „Du musst nicht bleiben.“

 

Das ließ ihn die Stirn runzeln. Er wusste, dass er nicht bleiben musste. Am Anfang hatte er das auch nie getan. Und die Tatsache, dass sie das an ihm akzeptiert hatte, war überhaupt erst der Grund gewesen, warum er damit begonnen hatte. 

 

Nun, nicht der einzige Grund. 

 

Es ist nicht mehr so simpel.

 

Über Monate hinweg war es simpel gewesen. 

 

Aber Kurenai tat auch jetzt, was sie immer getan hatte; sie öffnete die Tür, bot ihm einen Ausweg an, den seine rastlose ungebundene Natur noch vor wenigen Monaten ohne zu zögern ergriffen hätte. 

 

Bindung war noch nie hoch oben auf der Liste seiner Wünsche und Bedürfnisse gestanden – oder Tugenden.

 

Er dachte, dass dieser Mangel an Bindung einfach seine Natur war. Verdammt, er hatte immerhin sein Dorf verlassen, oder etwa nicht? Die essentiellste Sache, zu der er irgendeine Art von Verpflichtung hätte verspüren müssen. Doch er hatte das sprichwörtlich grünere Gras jenseits dessen gesucht, was Konoha geboten hatte. Und dann war die einzige feste Bindung, die er jemals eingegangen war, direkt in seinem Gesicht explodiert. Er hatte sich einer Elitegruppierung verschrieben, die ihn mir gekostet hatte, als er davon erhalten hatte. 

 

Dämliches, naives Kind.

 

Er war müde und seelenkrank und vernarbt nach Konoha zurück gekommen. Der verlorene Sohn eines Hokage Vaters, den er niemals wirklich verstanden hatte. Nach der Entfremdung von den Zwölf Elite-Ninja-Wächter war er zurück in seine alte blasierte Haut geschlüpft. Doch diese Haut hatte ihm niemals wieder so gepasst wie vorher.

 

Er hatte dieses Unbehagen ignoriert. 

 

Er hatte es fort geraucht.

 

Und mit diesem Stoßdämpfer an seinem Platz hatte er sich für ein Geninteam angemeldet und sein Privatleben damit verschwendet, sich subtil durch die Reihen der Kunoichi zu flirten. Er war zahlreiche Affären eingegangen, die man nicht wirklich als Beziehungen bezeichnen konnte – vielleicht eher „Arrangements“.

 

Und das war ihm nur recht gewesen. 

 

Bis er Kurenai getroffen hatte.

 

Die Chemie zwischen ihnen war elektrisierend, die Unterhaltungen locker und die Anziehungskraft unmittelbar. Und eine gemeinsame ungeplante Nacht voller wilder und rücksichtsloser Leidenschaft nach einer Mission hatte ihn hartgetroffen; es hatte all seine vorherigen Arrangements in die Tonne getreten. 

 

Sie hatte ihn auf eine Weise zu fassen bekommen, die er nicht abschütteln konnte. 

 

Sie hatte ihn eingefangen, indem sie festhielt, als würde sie ihn niemals gehen lassen, wenn er sie sich nahm und indem sie ihn losließ und fragte, ob er gehen wolle, kaum, dass es vorbei war. Es war kompliziert und seltsam und nicht die Art Arrangement, in die er verwickelt werden wollte. 

 

Doch sehr bald war sie das einzige Arrangement geworden, das er wollte. 

 

Am Anfang war er nachts immerzu gegangen. 

 

Aber er war niemals länger als ein paar Tage fort geblieben. 

 

Jedes Mal wieder hatte er sie aufgesucht. 

 

Es wurde ihm erst bewusst, dass er schon viel zu tief in dieser Sache steckte, als er angefangen hatte, an Tagen, in Nächten oder Wochen auf sie zu warten, in denen er sie nicht finden konnte. Er war niemals irgendwo anders hingegangen, was ihm mit dem Gedanken zurück gelassen hatte, dass sie das vielleicht tat. Ein Gedanke der ihn dazu gebracht hatte, rastlos auf dem Boden seiner Wohnung hin und her zu laufen, wie ein boshaftes, verlorenes Tier. 

 

Lustkranker Welpe.“, hatte Genma gescherzt, nur um von Gai darüber belehrt zu werden, wie dieses Klischee richtig hieß. Asuma hatte diese Aussage mit einem subtilen Funkeln in die Richtung beider Jōnin ausgelöscht. 

 

Kakashi war klug genug gewesen, einfach gar nichts zu sagen. 

 

Nicht, dass das bei ihm nötig gewesen wäre; dieser großspurige, hinterhältige Bastard. Sein Auge hatte sich zu diesem maskierten Schmunzeln gebogen, das mehr sagte, als Asuma hören wollte; völlig egal ob unausgesprochen oder nicht. 

 

Er war nach Hause gegangen und hatte sich in einen ruhelosen Schlaf geraucht. 

 

Und als Kurenai endlich wieder von dieser vierwöchigen Mission zurück gekommen war, hatte er auf die primitivste Art Jagd auf sie gemacht, mit der ein Mann eine Frau suchen konnte. Er hatte sie sich dort genommen, wo er sie gefunden hatte, auf einem Bett aus Laub; hatte Lust vergossen und Sex in etwas unendlich Tieferes und viel Komplizierteres verwandelt. 

 

Die Emotionen waren ebenso nackt zwischen ihnen gelegen wie ihre Körper im Glühen des Abendrots. 

 

Allein der Gedanke daran provozierte jetzt ein heftiges Pochen in seiner Brust. 

 

Asuma lehnte sich etwas zurück und hakte einen Knöchel unter ihr Kinn, um ihren Kopf etwas nach hinten zu legen. „Willst du, dass ich gehe, Kurenai?“

 

Kurenai winkelte ihr Kinn etwas höher an und trug ihr Herz in ihren Augen. „Bitte ich dich jemals zu gehen?“

 

Ein grimmiges Lächeln zupfte an seinen Mundwinkeln. „Du bittest mich nie zu bleiben.“

 

Kurenai versteifte sich und ließ ihre Arme von ihm sinken. „Das ist nicht fair, Asuma.“

 

„Willst du, dass ich bleibe?“, drängte Asuma sie und suchte ihre Augen ab; sah die Antwort in ihnen. 

 

Kurenai sagte nichts und starrte mit einem Ausdruck zu ihm hoch, der sich tief in ihn schnitt; er war zerrissen und verletzt und strotzte vor viel zu vielen Emotionen, um sie in sich halten zu können. Sie sah blass und verängstigt aus und ihre Augen waren rot und roh wie zwei offene Wunden, als sie sein Gesicht absuchten. 

 

„Du kannst manchmal ein richtiger Bastard sein, Sarutobi.“, wisperte sie und ihre Stimme war rau wie das Knurren einer Wildkatze. „Wie kannst du es wagen, mich das zu fragen?!“

 

Asuma schürzte die Lippen und zog den Kopf zurück, als hätte sie ihn geschlagen. 

 

Vermutlich hätte sie das tun sollen. Aber auch das hätte ihn nicht gestoppt. 

 

Seine Brauen zogen sich zusammen und gruben eine tiefe Falte in seine Stirn. „Frag mich, warum ich aufgehört habe zu gehen.“

 

Kurenai presste die Lider aufeinander und hob eine Hand, während sie so gefasst wie möglich einatmete, um das Beben in ihrer Stimme zu beruhigen. „Du wirst zu spät kommen.“

 

Asuma umfasste ihre Schultern und verstärkte seinen Griff, als sie versuchte, ihn abzuschütteln und lehnte sich nach vorn, um gegen ihr Ohr zu murmeln. „Dann frag mich, warum ich bleibe.“

 

Er hörte, wie sie schniefte und hätte schwören können, dass er ebenfalls hörte, wie ihr Herz hämmerte. Oder vielleicht war es auch seines. Vermutlich hätte er sich noch näher gebeugt, wenn sie nicht ihre Hände gegen seine Brust gepresst hätte und damit drohte, ihn fort zu schieben. 

 

„Lass mich los, Asuma.“

 

Er löste seinen Griff, hielt seine Lippen aber weiterhin an ihr Ohr. „Warum kannst du mich nicht fragen?“

 

Sie faltete defensiv die Arme über ihren Bauch, zog sich aber nicht zurück. „Wann habe ich dich jemals etwas gefragt? Jemals um etwas gebeten?“

 

„Niemals.“ Asuma summte und umfasste ihr Kinn, um ihr Gesicht nach oben zu dirigieren. „Und genau deswegen sage ich dir, mich jetzt zu fragen…mich jetzt zu bitten.“

 

Kurenai hob die Wimpern, um ihn mit einem wilden, beinahe schon furchtsamen Blick festzupinnen und seine Augen zu suchen. Asuma atmete tief ein und hob die Brauen in einer stummen Herausforderung. Kurenai ließ sich nicht einschüchtern. Sie schreckte – seltsamerweise – nur dann vor ihm zurück, wenn sie gemeinsam irgendetwas Häusliches machten. Ihre intimsten und spielerischsten Momente brachten sie nie aus der Fassung, aber vollkommen banale und heimelige Rituale schafften das immer. 

 

Er versuchte immer noch, daraus schlau zu werden. 

 

Vielleicht sollte ich deswegen mal Kakashi in die Mangel nehmen…

 

Kurenai fuhr indessen weiter fort, sein Gesicht zu mustern und karmesinrote Augen verengten sich. Verwischte Wimperntusche ließ sie weicher erscheinen als den Blick, mit dem sie ihn zu durchbohren versuchte. 

 

„Warum jetzt?“, wisperte sie. 

 

Er zuckte mit den Achseln. „Warum nicht?“

 

Kurenai schloss die Augen. „Du wirst zu spät kommen, Asuma.“

 

Es brauchte diese vollkommen unzusammenhängende Aussage nicht, um ihn wissen zu lassen, dass dieses instabile Gebiet ihr zu bedrohlich wurde. Und wenn man alle Aspekte bedachte, dann sollte es auch für ihn bedrohlich sein. Er drängte sie dazu, an einen Ort zu gehen, von dem er sich selbst immer geschworen hatte, sich niemals dorthin zu begeben. Nicht nur wegen der Bindung, sondern weil er niemals gedacht hatte, dass er lange genug überleben würde, um dorthin zu gelangen, selbst wenn er es gewollt hätte. 

 

Und genau das ist es…

 

Er wollte es. 

 

Rasch warf er einen Blick auf den affengesichtigen Becher auf dem Spülbecken; ihre Zahnbürsten lehnten Nacken an Nacken aneinander. Er hatte sich vor Monaten auf diesem instabilen Gebiet niedergelassen; Spuren von ihm waren überall in ihrem Zuhause zu finden, selbst dann, wenn er nicht da war. Es war der Grundstein für etwas Stärkeres. 

 

Vorsichtig spähte er zu ihr hinunter. 

 

„Nun, es ist normal für mich, zu spät zu sein, wenn es um die wichtigen Dinge geht.“, erwiderte Asuma leise und seine Augen waren dabei ebenso weich und schwer wie seine Stimme. „Aber am Ende komme ich immer an.“

 

„Ja…“ Kurenai blinzelte langsam und legte eine Hand an seinen Kiefer, um der rauen Linie seines Bartes bis hinauf zu seinem Haar zu folgen. Mit einem zärtlichen Schwung ihrer Finger schob sie es zurück. „Aber vielleicht liegt das nur daran, dass du dich dazu verpflichtet fühlst, anzukommen.“

 

Asuma zwang sich zu einem Lächeln, um das Aufblitzen von Verwirrung auf seinem Gesicht zu kaschieren. „Du kennst mich besser. Ich verpflichte mich nicht.“

 

„Ich weiß, dass du das nicht tust…“, wisperte Kurenai und schüttelte den Kopf, als sie zurück trat. „Und ich würde dich niemals darum bitten.“

 

Asuma erwischte sie flink um die Taille und zog sie zurück wie ein Mann, der versuchte, sich an einer Welle im Ozean festzuhalten; dem nicht gefiel, wie weit die Gezeiten sie wahrscheinlich auseinander treiben würden, wenn er das hier davonziehen lassen würde, wie er es die letzten vier Tage getan hatte. 

 

„Du denkst, dass ich bei dir bleibe, weil ich mich dazu verpflichtet fühle?“

 

„Ich weiß nicht, warum du bleibst.“, schnappte Kurenai und klatschte ihre Hände auf seine Brust, während sie die Schultern straffte, um ihn von sich zu schieben. „Aber jetzt musst du gehen.“

 

Ihr Stoß zwang ihn einen Schritt zurück in das Schlafzimmer und durchbrach seinen Halt an ihr. Mit einem Schwung dunklen Haares schlüpfte sie an ihm vorbei und die Seide ihrer Robe peitschte um ihre Beine, als sie auf das Bett zumarschierte, sich darüber beugte und nach den Laken griff, um sie mit scharfen ruckartigen Bewegungen glatt zu ziehen.

 

Asuma beobachtete sie schweigend. 

 

Geduldig wartete er darauf, bis sie damit fertig war, den Stoff in die Spalten des Bettrahmens zu stopfen, bevor er sich ohne ein Wort hinter sie stellte. Kurenai ignorierte ihn und fuhr energisch mit der Handfläche über die karmesinrote Bettdecke, um die Falten herauszustreichen. Asuma legte seine Hände an die weichen Rundungen ihrer Hüften und schob sie dann weiter herum bis zu ihrem Bauch, bevor sie ihn von sich schubsen konnte. 

 

Seine Handflächen ruhten flach auf ihrem Unterleib. 

 

Kurenai erstarrte. 

 

Langsam legte Asuma sein Kinn auf ihrer Schulter ab. „Du weißt, warum ich bleibe. Warum ich weiterhin bleiben werde. Und es hat nichts mit Verpflichtung zu tun.“

 

Sie versteifte sich in seinen Armen; so angespannt, dass sie schon beinahe bebte. Und für einen entsetzlichen, herzzerreißenden Moment konnte er vor sich sehen, wie er das Beste, das ihm jemals neben dem Team, das er trainiert hatte und immer noch betreute, verlor. 

 

Kreide es dem Karma an, Sarutobi. Du hast sie niemals verdient…

 

Und dann spürte er das weiche Spritzen ihrer Tränen auf seinem Handrücken. Sie verbrannten sein Herz wie Säure; bis sich die warmen Spitzen ihrer Finger zwischen seine schoben und zaghaft zudrückten. Eine Woge aus Erleichterung flutete seine Brust und zauberte ein Lächeln auf sein Gesicht. 

 

Kurenai drehte ein kleines Stück den Kopf. 

 

„Lächle für mich.“, wisperte er gegen eine tränenüberströmte Wange. 

 

Und das tat sie; zitternd, aber wahrhaftig. Er küsste ihren Kiefer und wiegte sie zu einer Musik, die keiner von ihnen hören konnte, als er sie zu einem langsamen Tanz durch den Raum lockte, indem er sich rückwärts bewegte. 

 

„Asuma.“, warnte Kurenai, doch er konnte das Hicksen von Belustigung in ihrer Stimme hören. „Du wirst dir nur selbst weh tun.“

 

„Ich bin ein Shinobi.“, konterte er mit einem wilden Grinsen. „Ich kann Gefahr wittern.“

 

„Auch wenn sie nach Rosen duftet?“

 

Und wie aufs Stichwort senkte sich Asumas Fuß auf einen Rosenstiel. 

 

Die Dornen gruben sich direkt in seine Ferse. 

 

„Scheiße!“, jaulte er auf und hüpfte auf einem Fuß weiter, der ihren Tanz eher in ein Springspiel verwandelte, das Kurenai in leises Kichern ausbrechen ließ. 

 

Er fuchtelte mit seinem Fuß durch die Luft. „Das war das letzte Mal, dass ich versuche, irgendwas Romantisches zu machen.“

 

„Du hättest du Blütenblätter auch eigentlich vom Stiel entfernen sollen, du Höhlenmensch.“, lachte Kurenai und versuchte, sich in seinen Armen umzudrehen, nur um von ihm im Brautstil hochgehoben zu werden. „Asuma!“

 

„Ein Höhlenmensch würde dich über die Schulter werfen.“, bemerkte Asuma und hüpfte mit einer Grimasse hinüber zum Bett, während er versuchte, weiteren heimtückischen Stängeln auszuweichen. „Schön, das nächste Mal töte ich eben ein Mammut und bring es nach Hause, sodass du es kochen kannst.“

 

Kurenai schlang einen Arm um seinen Rücken und ihr Lachen ernüchterte. „Nach Hause?“

 

„Ja…nach Hause.“ Asuma schwankte an Ort und Stelle wie auf einem Drahtseil und hielt sie sicher an sich gedrückt. „Wie man so schön sagt…es ist dort, wo das Herz ist, oder?“

 

„So sagt man, ja…“ Kurenai umfasste seinen Kiefer und zog sein Gesicht zu ihr. „Aber ist es das?“

 

Asuma erwiderte ihren Blick für einen langen Moment schweigend und senkte seinen Fuß, bis er sicher und fest dastand. „Wenn ich bei dir bin, dann bin ich zuhause.“

 

Kurenais Augen weiteten sich und eine Flutwelle an Emotionen rauschte in einem Wirbel aus Angst, Hoffnung und Zärtlichkeit nach vorn. Die reichhaltige Mischung erwärmte sich und schwoll in diesen weinroten Augen an, die Asuma vom ersten Moment an berauscht hatten, als sich ihre Blicke getroffen hatten. 

 

„Selbst wenn Zuhause mit Dornen und Ellbogen am Morgen einhergeht?“, neckte Kurenai, doch er konnte die doppelte Bedeutung in ihren Worten spüren. 

 

„Man sagt auch, dass Liebe schmerzt.“

 

„Was sagst du dazu?“

 

Asuma grinste und neigte den Kopf, um ihre Nasen aneinander zu stupsen. „Es schmerzt so gut.“

 

Sie lächelte durch ihre Tränen und packte sein Herz erneut mit ihrem Blick. 

 

Er würde definitiv zu spät kommen.

 

 

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Tja was soll ich sagen: Willkommen bei 'On the Cusp' meine Lieben! Eigentlich hatte ich mir FEST vorgenommen, mir nach dem Monster, das BtB war, eine Pause zu gönnen...und dann kamen sie...die beiden Bastarde...das Nara Genie und das Hyūga Ausnahmetalent...haben sich in meinen Kopf genistet und mich nicht mehr in Ruhe gelassen und hier ist er: Der Anfang der zweiten Reise der beiden, auch wenn in diesem Kapitel noch auf Neji verzichtet werden muss, ich hoffe, ihr seht mir das nach ;) 

Und EIGENTLICH hatte ich mir auch fest vorgenommen, keine Kapitel mehr zu schreiben, die länger als 6000 Worte sind...auch das hat - wie ihr seht - ganz famos funktioniert -.-' xD

Naja wie auch immer, ihr seht hier auch schon, dass es sich nicht mehr einzig und allein um Shikamaru und Neji dreht, sondern auch noch ein paar andere Protagonisten dazu kommen ;) 
 

Über ein paar Worte würde ich mich natürlich wieder sehr freuen, das wisst ihr denke ich und ich bin schon sehr gespannt, wer von euch mich und die beiden verkopften Shinobi noch weiter begleiten wird!! <3
 

 
 


 

Can't stop the clock

„Glaubst du, es ist zu spät, um ihn zurückgehen zu lassen?“

 

Shikamaru seufzte und legte sein Kinn auf einem Handballen ab. „Ich habe dir gesagt, dass du das nicht bestellen sollst.“

 

Der Kaffee war dunkler als der Blick, mit dem Ino ihn bedachte. Mit finsterer Miene versenkte sie einen vierten Zuckerwürfel in dem dampfenden Gebräu und sah zu, wie er unterging. 

 

„Ewww. Vielleicht kann ich das Zeug ja mit irgendwas verdünnen oder so.“

 

„Uh.“ Chōji verzog das Gesicht. „Gib ihn einfach Shikamaru.“

 

„Das trinke ich nicht.“

 

„Warum?“, schnaubte Ino. „Er sieht genauso aus wie der Kaffee, den du hast.“

 

„Nur doppelt so groß.“, kicherte Chōji. „Und mit einer Wagenladung Zucker.“

 

„Das trinke ich nicht.“, echote Shikamaru. 

 

„Das ist schon irgendwie eklig.“ Ino schnupperte an ihrer Tasse und griff nach der Milch. „Wie schaffst du es, das unten zu behalten, Shikamaru? Das Zeug ist wie Schlamm.“

 

Shikamaru schüttelte den Kopf und beobachtete das wilde Drehen des Löffels, als Ino versuchte, besagten ‚Schlamm‘ zu verdünnen. Das Gebräu war ebenso reichhaltig wie teuer und es war unmöglich, es irgendwie zu verwässern, völlig egal, wie viel Milch sie hinein kippen würde. 

 

„Warum zur Hölle hast du das überhaupt bestellt?“

 

„Es tut mir gut.“, sagte Ino und klopfte dunkle Tropfen von dem Löffel. 

 

„Aber du hasst es.“

 

„Und? Das ist nur ein kleines Opfer.“

 

Shikamaru konnte dieser Logik nicht folgen und spähte zu Chōji hinüber; für solche Dinge besaß der Akimichi für gewöhnlich ein besseres Verständnis, wenn man bedachte, wie oft Ino ihn über alles nervte und belehrte, was mit Essen und Trinken zu tun hatte.

 

Chōji summte und mampfte einen Reiscracker, während er die mentalen Regale zurate zog, die zweifelsohne mit Inos lustigen Fakten über Nahrungsaufnahme vollgestopft waren. „Uh, vermutlich ist es gut für deinen Stoffwechsel.“

 

„Ganz genau!“, trällerte Ino und war scheinbar sehr zufrieden darüber, dass er sich daran erinnerte. „Möglicherweise sogar noch besser als grüner Tee.“

 

Shikamaru senkte halb die Lider, um sich vom Augenrollen abzuhalten. „Dein Ernst?“

 

Ino hörte sofort auf, ihren Kaffee umzurühren. 

 

Chōji linste zu ihm hinüber und setzte eine Art warnendes Flehen in seinen Ausdruck. Shikamaru zuckte mit den Achseln; seine Müdigkeit in Kombination mit seinen Kopfschmerzen machten ihn schon fast grenzwertig reizbar und ein bisschen gemein. Und so machte er sich auch keine Mühe, seine säuerliche Miene zu verbergen. 

 

„Wie lästig…“

 

„Als wüsste ich das nicht.“, seufzte Ino und wies sein Lamentieren mit einer Handbewegung ab. „Es ist harte Arbeit für eine junge Frau, in Form zu bleiben.“

 

Sie warf einen kritischen Blick auf den Koffeinkick, der scheinbar all die Kalorien zunichte machen sollte, die sie auf der Speisekarte bestellt hatte. Da Shikamaru weder die Lust noch die Energie hatte, sich mit den komplizierten und völlig sinnlosen Mustern ihrer Diätgewohnheiten auseinander zu setzen, griff er nach seiner eigenen fingerhutgroßen Tasse. 

 

„Was auch immer.“, murrte er und nippte an dem dunklen Getränk; die Textur war schwer wie Samt auf seiner Zunge. „Mach dir wegen diesem Mist nicht zu viele Gedanken.“

 

Chōji zuckte zusammen, während sich Inos Wirbelsäule versteifte und ihr zorniges Funkeln war wild genug, um die Milch in ihrem Kaffee sauer werden zu lassen. 

 

„Du bist keine junge Frau, also kannst du gar nicht wissen, wie das ist. Was vor allem den Part der harten Arbeit einschließt.“, schoss sie giftig zurück. „Und außerdem geht es dich überhaupt nichts an.“

 

Shikamaru schnaubte. „Und dennoch muss ich mir ständig damit die Ohren volljammern lassen.“

 

Ino schürzte heftig die Lippen und etwas Seltsames flackerte in ihren Augen auf, bevor sie blinzelte,  ein breites, aber sprödes Lächeln aufsetzte und mit den Händen fuchtelte. „Wie auch immer, bist denn vorbereitet auf später?“

 

Shikamaru hob eine Braue und sein Daumen umkreiste die kleine Tasse, als er argwöhnisch zu ihr hinüber spähte. Doch der Stimmungswechsel kam ihm gelegen und so fügte er sich einfach.

 

„Vorbereitet…?“

 

Ino zerteilte einen Reiscracker und schob sich augenrollend beide Hälften in den Mund. „Ach komm schon, Shikamaru, ich will doch nur deinem großen Hirn etwas Anerkennung zollen. Du bist nicht gerade leicht zu überraschen.“

 

„Du hast mich vor zwei Wochen in einen Busch geschubst.“

 

„Du weißt, was ich meine.“, tadelte Ino und hob ihren Kaffeebecher. „Aber wie auch immer; alles was du tun musst, ist, aufzutauchen.“

 

„Wo denn auftauchen?“

 

„Chōji wird dich hinbringen; oder hin schleifen oder was auch immer.“

 

Das war auf keinen Fall beruhigend. 

 

Shikamaru sah hinüber zu seinem Freund. Chōji grinste, was nur noch mehr dazu beitrug, all die düsteren Möglichkeiten zu verstärken, die sein Hirn hochzuwürgen begann. Er hatte verschiedenste Szenarien vermieden, einfach nur weil er verhindern wollte, Inos verschwörerische Feierlichkeiten auf irgendeine Weise zu konkretisieren. 

 

„Ino…wenn das auch nur ansatzweise so wird wie letztes Mal…“

 

„Oh entspann dich! Es wird nicht so werden wie letztes Jahr.“ Ino drehte ihre Tasse in den Händen und wärmte sie sich daran. „Das war viel zu laut.“ Sie machte eine Pause und ihre Augen verengten sich. „Nicht, dass du irgendetwas gehört hättest, nachdem du ins Koma gefallen bist.“

 

Shikamaru ließ seine Tasse zweimal auf den Tisch klacken und runzelte die Stirn. „Ich habe gar nichts davor gehört. Ich habe eine pantomimische Unterhaltung mit drei Leuten geführt, die ich nicht gekannt habe und auch überhaupt nicht kennen wollte.“

 

„Du bist so ein Soziallegastheniker, Shikamaru.“

 

Seine Miene wurde noch flacher als seine Stimme. „Klar, weil Lippenlesen mit Idioten auch total meinem Verständnis von Spaß haben entspricht.“

 

„Als wüsstest du, wie man Spaß hat.“, grummelte Ino mehr sarkastisch als bissig, während sie an einem weiteren Cracker knabberte. „Außerdem, woher willst du wissen, dass es Idioten waren, wenn du überhaupt nicht wirklich mit ihnen gesprochen hast.“

 

„Eins der Mädchen hat ihn ununterbrochen ‚Shika‘ genannt.“, giggelte Chōji. 

 

„Das ist nicht witzig. Und es war kein Mädchen.“

 

Chōji explodierte zu einem hysterischen Lachen, was einige andere Gäste dazu veranlasste, in ihre Richtung zu spähen. 

 

„Chōji…“, zischte Ino. 

 

Doch Chōji lachte nur noch heftiger und schwankte auf seinem Stuhl vor und zurück. „Oh Gott, das schießt den Vogel ab!“

 

Mit einem vollkommenen Pokerface debattierte Shikamaru mit sich selbst, ob er ihn unter dem Tisch treten oder etwas Schweres nach ihm werfen sollte – dann schätzte er die Wahrscheinlichkeit ein, dass er sein Ziel verfehlen würde und den Aufwand, den es ihn kosten würde. 

 

Er ließ es auf sich beruhen.

 

Ino rollte mit den Augen. „Nun, es waren auch interessante Leute da. Du warst einfach nur zu faul, ein bisschen lauter zu reden.“

 

„Ja klar.“ Shikamaru spähte zwischen den beiden hin und her. „Du und Chōji habt am nächsten Tag keinen Ton mehr rausgebracht.“

 

„Oder gehört.“, fügte Chōji hinzu und hatte Schwierigkeiten, durch sein Lachen hindurch atmen zu können, was ihm ein zorniges Funkeln von Ino einbrachte. „Meine Güte Ino. Es ist wahr.“

 

Ino schnaubte und entschied sich dazu, dem nicht zuzustimmen, indem sie dieses Thema vollkommen ignorierte. „Dieses Jahr wird es dir gefallen, okay? Ich habe es besser geplant. Keine wahllosen Chūnin oder ungebetenen Gäste.“ Aus dem Augenwinkel musterte sie Shikamaru und versuchte, seine Reaktion einzuschätzen. „Außerdem brauchst du etwas Verwöhnung zu deinem Geburtstag, genau wie ich.“

 

Ein Schnellfeuermagazin an Erwiderungen reihte sich sofort auf Shikamarus Zunge ein, doch er schluckte es hinunter, indem er den Kaffee hinabstürzte und das Echo von Asumas Worten kickte sein Gewissen in einen Rinnstein aus Schuld. 

 

‚Sei nicht so streng mit ihr. Der Teamwechsel hat sie hart getroffen…und ich weiß, dass es nicht deine Schuld war, aber das bedeutet nicht, dass du hierbei keine Kompromisse eingehen und ein bisschen was geben kannst.‘

 

Dämliche Schuldgefühle. 

 

Verdammt.

 

Shikamaru seufzte und schob sich von dem Tisch fort. „Ich werde nicht singen.“

 

Ino verschluckte sich am ersten Schluck ihres Kaffees und blaue Augen wurden vor Fassungslosigkeit rund. „Was? Im Ernst? Du wirst mich nicht sitzen lassen?“

 

„Also technisch gesehen, bin ich das letzte Mal auch nicht gegangen.“

 

„Versager.“ Chōji kicherte um einen Reiscracker herum und erstickte fast daran, als Ino ihm eine Hand über den Mund hielt, um ihn zum Schweigen zu bringen. 

 

„Wirklich, Shikamaru! Meinst du das Ernst?“ Ihre Augen leuchteten auf wie bei einem kleinen Kind und erhellten sich mit einer ausgelassenen Erwartung, bei der sich Shikamaru wie die übelste Art von Bastard gefühlt hätte, wenn er ihre Hoffnungen zertrümmern würde. 

 

Verdammt…

 

Wenn sie nur wüsste, wie unglaublich viel effektiver diese Taktik war als alle anderen Mittel zum Zweck, die sie einsetzte; aber vielleicht lag das eben auch genau daran, dass es gar keine Taktik war. 

 

Dachte ich mir.

 

Ino etwas abzulehnen war sowieso niemals eine Option gewesen, auch wenn Asuma kein schlechtes Gewissen in die Situation mit hinein geschmissen hätte. Angesichts der schieren Menge an Aufwand, die sie in dieses ganze lästige Event gesteckt hatte, spürte Shikamaru instinktiv, dass es auch alles mit dem komplizierten Zauberwürfel verknotet war, der ihr Selbstwertgefühl darstellte. 

 

Was zur Hölle hat es damit nur auf sich?

 

Er hatte bereits vage Theorien, über die er allerdings nicht nachdenken wollte. In jedem Fall schuldete er ihr aber vermutlich eine Kompensation, die ihm gar nicht so sehr bewusst war. Denn sie hatte die Angewohnheit, geistig all die Dinge zu sammeln, die er und Chōji taten; eine Liste all der Verbrechen, die gegen sie begangen worden waren und sie zählte ständig nach, welcher Teamkollege gerade die höhere Punktzahl im Spiel „Du schuldest mir was“ hatte.

 

Und Shikamaru war sich sehr sicher, dass er dabei sehr weit führte. 

 

Scheiße…Hanegakure, Kotetsu, das Einschlafen letztes Jahr…

 

Yep. Er schuldete ihr was. 

 

„Ich werde nicht singen.“, wiederholte Shikamaru, was so nah an einer verbalen Akzeptanz seines Schicksals war, wie er es fertig brachte. „Und ich werde auch nicht tanzen.“

 

Chōji lachte. „Aw, sei ein Mann und zeig uns, was du drauf hast, Shika.

 

„Halt die Klappe.“

 

„Hammermäßig!“ Ino strahlte und beachtete keinen von ihnen, als sie ihre Tasse mit einem katzenhaften Grinsen absetzte. „Jetzt muss ich dich nicht mehr mit dem Gedankenbeeinflussungsjutsu durch die Gegend bewegen. Ich möchte echt nicht in deinem Hirn verloren gehen.“

 

Shikamarus Miene wurde vernichtend. „Als würdest du das tun.“

 

„Auf jeden Fall würde ich.“ Ino stellte einen Ellbogen auf dem Tisch ab und legte ihr Kinn auf die Faust, um ihn mit einem tiefen und ernsten Blick zu mustern. „Ich würde dich sogar dazu bringen, aufzustehen und etwas zu singen, das mehrere Oktaven über deinen stimmlichen Fähigkeiten liegt.“

 

Wenn Ino das nicht wahrscheinlich sogar ernst gemeint hätte, dann hätte Shikamaru vielleicht etwas Bissiges darauf erwidert. Aber so wie es war, wurde eine verhöhnte Frau bei ihm immer noch als S-rangig eingestuft, wenn es um verheerende Gegner ging. 

 

Zögerlich blinzelte er sie an und suchte nach ihren Absichten. 

 

Ino grinste und lehnte sich langsam weiter nach vorn. „Ich würde dich dazu bringen, für mich zu singen und für Chōji zu tanzen…“ Sie hielt inne, bevor sie hinzufügte: „Zur selben Zeit.“ Und dann – in einem Wispern: „Wie ein Mädchen.“

 

Shikamarus Augen verengten sich scharf und sein Mund vollzog einen beeindruckenden genervten Bogen nach unten. 

 

Chōji sog die Backen in den Mund, um sich vom Lachen abzuhalten und seine Schultern bebten, während er versuchte, die extreme Belustigung in sich zu halten, die bereits in seinen Augen funkelte. 

 

Ino nickte langsam und murmelte fatalistisch: „Shika.“

 

Shikamaru knurrte tief und drohend, während er sie mit der Hand fort scheuchte. „Lass das.“

 

„Ha! Jetzt hast du Schiss.“

 

„Nicht mal annähernd.“

 

„Hey, da wir schon darüber sprechen Shikamaru, ich habe dich noch nie singen gehört oder tanzen gesehen.“, fügte Chōji wenig hilfreich hinzu. 

 

Shikamaru schoss einen scharfen Blick auf seinen Freund. „Und das wirst du auch nie.“

 

„Du bist so ein grantiger alter Mann.“, triezte Ino und streckte spielerisch die Zunge heraus. 

 

„Dann lad mich nicht ein.“

 

„Tanzen tut dir gut. Leb‘ mal ein bisschen.“

 

„Vorher fall ich tot um.“, schnaubte Shikamaru und lehnte sich zurück, als die Kellnerin drei Platten mit Süßigkeiten auf den Tisch stellte. 

 

Die Frau hielt inne und sah fragend zu Ino, die vage mit der Hand in Shikamarus Richtung gestikulierte; sehr zum Misstrauen des Nara. Lächelnd stellte die Kellnerin einen kleinen Uriō Reiskuchen in der Form einer Wolke vor ihm ab; eine schlanke Kerze steckte in der Mitte. 

 

Shikamarus Augen wurden groß in einem kurzen Aufblitzen von Überraschung. 

 

Das war nicht Teil der Tradition. 

 

Selbst Chōji sah verwirrt aus. 

 

Die Bedienung lächelte. „Alles Gute zum Geburtstag. Ich bring noch einen Kaffee.“

 

Während sich die Frau entfernte, um die Getränke zu holen, starrte Shikamaru auf den Kuchen und suchte nach einer Erklärung, um seine Verlegenheit kaschieren zu können. Ino war ziemlich eigen, wenn es um ritualisierte Feierlichkeiten ging. Es gab keinen Grund, aus dem dieses Jahr irgendetwas anders sein sollte. 

 

Vorsichtig spähte er zu seinen Teamkameraden. 

 

Ino ignorierte ihn komplett; ihre Aufmerksamkeit war auf die ausgebreiteten Süßigkeiten gerichtet. Sie stupste Chōji mit ihren Essstäbchen an und befragte ihn nach den verschiedenen Naschereien, während sie ihn als Vorkoster missbrauchte und sich alles schnappte, was er für sie als würdig erachtete. 

 

Shikamaru beobachtete sie für einen langen Moment und seine Lippen hoben sich an einem Mundwinkel.

 

„Lästiges Mädchen.“, murmelte er leise. 

 

Ino lächelte, ohne ihn anzusehen. „Gern geschehen.“

 
 

~❃~
 

 

Ärger.

 

Das war der erste Gedanke, der Asuma traf, als er dabei zusah, wie sein junger Neffe und dessen restliches Geninteam auf einem brutalen Windstoß durch Konohas Tore geflogen kamen. Die Schwerkraft verspottende Art, mit der sie durch die Luft segelten und mit Armen und Beinen ruderten, um ihren Fall abzufangen, wäre vermutlich amüsant gewesen, wenn es nicht ein Anlass zur Sorge wäre. 

 

Asuma beschleunigte seinen trabenden Gang und griff nach seinen Faustklingen. „Scheiße.“

 

Doch dann rief Konohamaru mitten im Flug: „Asssuuuuuma-ojisaaaan!“

 

Das Grinsen des Jungen ließ Asuma zögern. 

 

Der junge Sarutobi versuchte zu winken, traf aber in einem Taumeln von Camping Ausrüstung auf dem Boden auf, das den Fall für seine Teamkameraden abfederte. Ihre Bruchlandung wirbelte eine Pilzwolke aus Staub auf. An seinem Registrierungsposten gähnte Kotetsu ausgelassen und wedelte mit der Hand den Staub fort, bevor er eine Seite des Buches umblätterte, das er gerade las und sich nicht einmal die Mühe machte, den Blick zu heben. 

 

Izumo jedoch hatte die Hände auf dem Tisch aufgestützt und sein Stuhl fiel nach hinten, als er abrupt aufstand. „Was um alles in der Welt?“

 

Gute Frage.

 

Asumas Hände lösten sich von seinen Klingen und stattdessen griff er in seiner Tasche nach seinem Feuerzeug, um es an seine Zigarette zu führen, während er hinüber schlenderte. Aufmerksam suchte er nach dem Jōnin, der für das Team verantwortlich war und rief sich den Tag in Erinnerung, an dem das es aufgebrochen war. 

 

Ah, richtig. Hyūga.

 

Das würde vielleicht auch den Kunstflug erklären. Asuma hatte die Lufthandfläche schon in Aktion erlebt; eine beeindruckende Art und Weise, Leute fliegen zu lassen. 

 

„Konohamaru.“, rief Asuma streng. 

 

Der junge Sarutobi wühlte sich seinen Weg unter seinen Teamkameraden hervor und zog eine finstere Miene, während er etwas über eine gruselige Frau lamentierte. Asumas Schatten fiel über das Trio aus Genin, als sie sich aus der Verhedderung befreiten, in der sie gelandet waren. 

 

„Aaauuu.“

 

Asuma hob eine Braue und Rauch kräuselte sich von seinen Lippen, als er murmelt: „Eine interessante Art, das Dorf zu betreten. Was habt ihr denn angestellt?“

 

Konohamaru taumelte auf die Beine und stieß einen anklagenden Finger in Richtung des Tores. „Das ist vielleicht ein furchterregendes Weibsstück! Neji-senpai hat das mit Absicht gemacht! Ich will niemals an den Chūninprüfungen teilnehmen, wenn sie eine Leiterin dabei ist!“

 

Sie?

 

Ein harter Aufprall zog scharf Asumas Blick nach oben. 

 

Eine Wolke aus Staub hob sich um den harten polierten Stahl eines gigantischen Fächers; das Ende war fest in die Erde gerammt. Eine kurvige Hüfte lehnte sich gegen die zusammengefaltete Waffe und das kalte Metall glänzte mit dem gleichen Funkeln wie das Suna Stirnband. 

 

„Sei vorsichtig, was du wisperst, oder die Winde werden sich drehen.“, schnurrte eine satte Altstimme so leise und verführerisch wie die von Kurenai; nur trockener. „Und das nächste Mal werde ich sicher gehen, dass sie mehr anstellen, als dich einfach nur davon segeln zu lassen, Bengel.“

 

Asumas Lippen formten sich zu einem amüsierten Schmunzeln, das weder gesehen noch erwidert wurde von den grimmigen petrolgrünen Augen, die sich warnend auf Konohamaru richteten. 

 

Asuma konnte einfach nicht anders als zu kichern. 

 

Ah, Shikamaru, da wartet eine höllische Überraschung auf dich.

 
 

~❃~
 

 

„Ich hasse Überraschungen.“

 

„Ich weiß.“ Chōji piekste mit der Gabel einen Bissen seines herzhaften Pfannkuchens auf und kaute nachdenklich. „Ich bin aber trotzdem zur Geheimhaltung verpflichtet.“

 

„Ich kenne dich länger als sie.“

 

„Jo, aber Ino hat die Energie, einen Groll viiiiel länger aufrecht zu erhalten, als du es jemals könntest.“

 

Shikamarus Auge zuckte. „Darauf würde ich nicht wetten.“

 

„Aww komm schon.“ Chōji wedelte nachdrücklich mit seiner Gabel durch die Luft wie ein Amateur-Hypnotiseur, der versuchte, Shikamarus Stimmung zu beeinflussen. Dann gab er auf und durchstach einen weiteren Pfannkuchenwürfel. „Aber ich kann dir sagen, dass du das Essen mögen wirst.“

 

Shikamaru bügelte sein Gesicht zu einem äußerst flachen Blick. „Das hilft mir nicht gerade dabei, mich bei der ganzen Sache wohler zu fühlen. Und wie sie gerade aufgesprungen und davon gerannt ist – mit diesem intriganten Blick – hilft auch nicht.“

 

Chōji kicherte und schnitt sich durch die Lagen aus fluffigem Teig und Soße. „Naja zumindest rettet es dich vor der Shoppingtour.“

 

„Jo und wohin bringt mich das dann stattdessen?“

 

„Darf ich dir nicht sagen. Aber ich werde dich schon dorthin schleifen.“

 

Shikamaru seufzte geschlagen auf. 

 

Seltsam, wie sich eins der vielen Dinge, die der Schattenninja an Chōji bewunderte, jetzt als die direkte Quelle für ein Ärgernis herausstellte. Loyalität. Die unerschütterliche Art und Weise, mit der Chōji sein Versprechen hielt. Zu blöd, dass Ino immer als Erstes zu dem Akimichi kam. Sie zögerte niemals dabei, sich seine Gefolgschaft in ihrem Krieg gegen Shikamarus Versuche zu sichern, dem langsamen Tod ihrer gesellschaftlichen Intrigen zu entkommen. 

 

Verdammt.

 

Shikamau hielt als Zeichen der Niederlage eine Hand in die Höhe und zuckte mit den Achseln. „Na schön, was auch immer. Ich muss aber noch den ein oder anderen Mist erledigen, bevor es losgeht.“

 

„Keine Arbeit, oder?“, fragte Chōji und sah von seinem Mahl auf. „Asuma hat heute Morgen deine Aufgaben übernommen und den Rest unter anderen aufgeteilt. Was ist passiert?“

 

Shikamaru seufzte und strich mit dem Daumen unbewusst über die verblassende Narbe auf seinem Wangenknochen. „Der Vogel.“

 

„Eh?“ Es brauchte ein paar Sekunden, bevor sich Chōjis Stirnrunzeln zu einem wissenden Grinsen verwandelte. „Oooh.“

 

„Er muss endlich verschwinden.“ Shikamaru starrte ausdruckslos und für einen langen Moment auf das Fenster, bevor er den Kopf schüttelte. „Gestern ist er in mein Zimmer geflogen.“

 

Chōji verschluckte sich an einem Stück Pfannkuchen, als er versuchte, sein Lachen zu ersticken. „Oh Mann; und wir haben Naruto noch wegen der Vögel geärgert. Wart‘ ab, bis Kiba davon erfährt. Du kannst dir ja sein Netz leihen.“

 

Shikamaru teilte seine Belustigung nicht. „Er hat mein Zimmer verwüstet.“

 

Chōji nickte auf eine weise und verstehende Art und summte um seine Gabel herum, als er über das Problem nachgrübelte. Ernst sah er Shikamaru an und senkte ein wenig die Stimme. „Also…hat er überall hin gekackt?“

 

Shikamaru starrte ihn lange an; nicht ein einziger Muskel bewegte sich in seinem Gesicht.

 

„Du bist so ein guter Freund, Chōji.“, sagte er flacher als flach. „Immer eine helfende Hand.“

 

„Du solltest die lustige Seite darin sehen!“, ermunterte Chōji ihn mit Begeisterung und breitete die Arme aus, wie um das Konzept zu umarmen, das er gerade anpries. „Lach einfach darüber!“

 

„Er hat einen von meinen Shogi Spielsteinen gefressen.“

 

Chōji lachte heftig und brachte den Tisch zum Schwanken. „Mann, schon allein, wie du das sagst. Als wäre es nicht witzig.“

 

„Ist es ja auch nicht.“, knurrte Shikamaru, doch die harte Linie seines Mundes bog sich ein bisschen. „Du weißt, dass er diesen Spielstein irgendwohin kacken wird und ich werde meinen besten Freund, der mir nie eine helfende Hand ist, dazu bringen, mir zu helfen, danach zu suchen.“

 

„Und das würde ich auch sofort tun!“ Chōji wischte sich über die Augen. „Hach ich liebe diesen Vogel. Wie hast du ihn nochmal genannt?“

 

„Dämlicher Vogel.“, antwortete Shikamaru mit vollkommener Ernsthaftigkeit. „Und nach der Vogelbuch Definition zu urteilen, ist er nicht ganz richtig im Kopf. Er macht mich wahnsinnig.“

 

Auf einen Schlag erhellte sich Chōjis Miene und Belustigung verwandelte sich zu Bewusstsein. „Oh hey! Das erinnert mich daran; ich habe dein Geschenk für Ino gekauft, das wird dich aufmuntern.“

 

Shikamaru warf ihm einen trockenen Blick zu. „Ja, sicher.“ Er legte einen Arm auf den Tisch und trommelte mit den Fingern darauf. „Wie viel schulde ich dir?“

 

„Diese Pfannkuchen?“ Chōji kicherte und spießte ein weiteres schwammiges Rechteck auf. 

 

Shikamarus Augen wurden vor Überraschung rund und verengten sich dann keine Sekunde später zu Schlitzen. „Wie? Das war’s?“

 

„Das war’s.“

 

Das machte überhaupt keinen Sinn. 

 

Shikamaru hatte einen eigenen Platz in seinem Geldbeutel für Inos wählerische, teure Geschenkvorstellungen. Nicht, dass sie diesen Gefallen nicht erwiderte – das tat sie im Übermaß – aber es gab nur sehr wenige glänzende und teure Dinge abgesehen von Waffen, die für den Schattenninja von irgendeinem Interesse oder Nutzen waren. Und so war stattdessen die Hälfte seiner Garderobe von der Yamanaka finanziert worden und manchmal brauchte es auch überhaupt keinen Anlass für eines ihrer Geschenke. Chōji behandelte sie ebenso großzügig. 

 

Komisch.

 

Er spähte zum Fenster und legte die Stirn in Falten, während er an einer weiteren Tasse Kaffee nippte – die wie Spülwasser im Vergleich zu Nijis schmeckte. Er schluckte das Gebräu hinunter ohne es wirklich zu kosten und beobachtete, wie die Schatten über den Bürgersteig fielen, während Chōji weiter redete. 

 

„Und stell dir vor, es glitzert nicht mal.“

 

„Achja?“, fragte er abwesend. „Was ist es denn?“

 

„Ein Buch.“

 

„Ein Buch…“ Shikamaru blinzelte, während das Wort schlagartig in seine wirbelnden Gedanken aufgenommen wurde und seine Aufmerksamkeit zurück riss. „Ein Buch? Dein Ernst?“

 

„Ja. Sie wollte das wirklich haben.“ Chōji schob mit dem Fuß eine Tasche unter dem Tisch zu ihm herüber und das braune Papier raschelte laut in dem stillen Restaurant. „Schau es dir an.“

 

Shikamaru richtete sich etwas in seiner lümmelnden Pose auf und beugte sich vor, um die Tasche aufzuheben und sie beinahe schon wachsam neben sich auf die Bank zu stellen. Er warf einen trägen Blick auf Chōji, während er mit einer Hand in die Tüte griff.

 

„Also, was hast du ihr denn dann besorgt?“

 

Chōji grinste. „Was Glitzerndes.“

 

Das ließ Shikamaru schmunzeln. Seine Finger legten sich um einen dicken Buchrücken und zerrten einen meergrünen Wälzer aus der Papiertasche, bevor er das Handgelenk drehte, um ihn auf den Tisch zu legen. Auf dem Einband prangte ein großes Sternzeichenrad mit einem fetten Fragezeichen in der Mitte. 

 

Shikamaru legte den Kopf schief und hob den Deckel, um den Titel auf der ersten Seite zu lesen. 

 

DIE SPRACHE DER SYMBOLE: ERKENNE, WAS IN DEINEN STERNEN GESCHRIEBEN STEHT

 

Shikamarus Braue wanderte bis zu seinem Haaransatz. „Du hast ihr ein Buch über Astrologie gekauft?“

 

„Nein. Du hast ihr ein Buch über Astrologie gekauft.“, korrigierte Chōji und zuckte mit den Achseln, während er ein Glas Wasser hinunter stürzte. „Sie wollte es haben.“

 

Shikamaru schürzte die Lippen und linste auf den Buchrücken; sein Gesicht verzog sich aufgrund der kursiven, schnörkeligen Schrift. „Bist du die Summe deines Tierkreiszeichens? Gott, was für ein Bullshit.“

 

„Scheinbar bin ich ein Stier.“

 

Shikamaru grinste und schüttelte den Kopf. „Du hast das echt gelesen.“

 

„Naja, ich habe es durchgeblättert, um ein paar Ideen für Inos Geschenk zu bekommen. Ihr Sternzeichen ist Waage glaube ich oder sowas in der Art.“ Chōji blinzelte auf das Buch und brachte seine Erinnerung daran zurück in den Fokus. „Oh hey und du bist irgendwas Besonderes…uh…irgendwie in der Mitte oder eingeklemmt zwischen etwas.“

 

Widerstrebend fasziniert legte Shikamaru das Buch ab und weigerte sich vollkommen, es ganz zu öffnen. Er bemerkte nicht, wie jemand wieder ein paar Schritte rückwärts lief, nachdem sie am Fenster vorbei geschritten waren. 

 

Shikamaru hob eine Braue; eine klare Aufforderung für weitere Erklärungen. „Eingeklemmt zwischen etwas?“

 

„Yep.“ Chōji hielt seine Hände mit einigem Abstand in die Höhe. „Du steckst eben fest zwischen…uh…etwas…“ Er fuchtelte mit einer Hand und versuchte sich an die Namen der Tierkreiszeichen zu erinnern, bevor er vage mit der anderen Hand wedelte. „Und…etwas anderem.“

 

Shikamaru presste die Lippen aufeinander, um nicht zu lachen. „Wie ich gesagt habe. Bullshit.“

 

Neben Shikamarus Kopf klatschte eine Hand laut gegen die Scheibe. 

 

Beide Chūnin machten einen Satz und zuckten gleichzeitig von dem Fenster weg, wo Kotetsus Fingerspitze gegen das Glas tippte, als könnte er es durchbohren. Er deutete auf Shikamaru mit einer wahnsinnigen und entsetzlichen Art diebischer Freude, während er mit dem Mund ein deutliches „Buh!“ formte.

 

Idiot.

 

„Jo…eingeklemmt zwischen Hammer und Amboss.“, murrte Shikamaru leise und stierte Kotetsu vernichtend an. 

 

Unbeeindruckt wackelte der ältere Chūnin mit den Augenbrauen und mimte ein „Ich hab dich im Blick“-Zeichen mit Zeige- und Mittelfinger, offensichtlich mehr als zufrieden mit sich, dass er es geschafft hatte, das Nara-Genie erschreckt zu haben. Zumindest konnte Shikamaru die Tatsache, dass Kotetsu nichts von seinem Geburtstag wusste, als kleinen Segen deuten; wenn man daran dachte, was für ein massiver Fluch die Tendenz des anderen Ninjas war, ihn zu belästigen. 

 

Er sah zu, wie Kotetsu davon schlenderte und wandte seine Aufmerksamkeit wieder Chōji zu. 

 

„Du hast sie wieder geschlagen, oder?“, schätzte Chōji.

 

Shikamaru nickte und schob das Buch wieder zurück in die Tüte. „Das nervt.“

 

Ihr gemeinsames Nijū Shōtai Training hatte bereits begonnen und Shikamaru überlistete Kotetsu und Izumo auf taktische Weise jedes einzelne Mal, wenn er in Feindszenarien gegen sie antreten musste. Und Kotetsu hatte sich dazu entschlossen, es dem Schattenninja heimzuzahlen, indem er ihn öffentlich belästigte, wann immer sich ihm die Gelegenheit dazu bot. 

 

Shikamaru erhob sich stöhnend und rollte mit den Schultern, um die verkrampften Muskeln darin zu lösen. „Ugh. Sei froh, dass du und Ino zwei Jōnin zugeteilt bekommen habt.“

 

„Jo, aber dafür hast du Asuma-sensei.“

 

Shikamaru grinste und fischte das Geld aus seiner Tasche, um Chōjis Pfannkuchen und seine beiden ätzenden Kaffees zu bezahlen. „Jo und er lässt uns um halb sieben in der Früh zum Training antreten.“

 

Chōji verzog das Gesicht. „Deswegen bist du in letzter Zeit immer so müde, huh?“

 

Shikamaru schmunzelte grimmig und machte sich nicht die Mühe, näher auf die wirklichen Details einzugehen. Stattdessen klemmte er sich die Tüte unter den Arm und schob sich aus der Sitzecke, um träge zum Ausgang zu schlendern. 

 

„Yep, ich würde dafür töten, länger im Bett bleiben zu können.“

 

Chōji kicherte und machte seinem verstümmelten Pfannkuchen den Gar aus. „Ist ätzend, stimmt’s? Naja, man kann die Zeit nicht anhalten.“

 

Shikamaru zuckte zusammen, als wäre er erstochen worden. 

 

Man kann die Zeit nicht anhalten.

 

Er erstarrte und sein Herz hämmerte wild gegen sein Brustbein, als ihn diese Worte direkt in die Eingeweide trafen und einen kurzen Atemstoß aus ihm heraus rammten, den er etwas zu scharf wieder einsog. 

 

Chōji sah neugierig auf. „Bist du okay?“

 

„Jo.“ Shikamaru hob eine Hand in einem trägen rückwärtigen Winken. „Danke für das Buch.“

 

Er verließ das Restaurant in einem entspannten Tempo und versuchte, die Beschränktheit seiner Reaktion abzuschütteln, indem er sich an dämlich simpler Logik festhielt. 

 

Es war nur ein Traum.

 

Es brauchte einen energischen Marsch, um die Herbstkühle zu bekämpfen; zu dumm nur, dass die Kälte bis tief unter seine Haut ging. 

 

 

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So, mit einem etwas kürzeren Kapitel geht es weiter und es muss leider nochmal auf Neji verzichtet werden, aber im nächsten betritt er dann endlich auch mal die Bühne ;) 

Und joa...so viel passiert hier gar nicht, ABER: es gibt hier einen sehr kleinen aber SEHR wichtigen Hinweis auf das, was Shikamaru passiert ist, oder eher einen Trigger (oder wie Shikamaru es vielleicht eher nennen würde: eine 'ungute Erinnerung' ;)) dafür...ich bin unglaublich gespannt, ob jemand eine Idee hat, oder jemandem etwas aufgefallen ist ;) 

Vielen Dank auf jeden Fall für alle Kommentare, wie ihr wisst habe ich mich wieder wahnsinnig gefreut!!! <3

Back home

Der Herbst tauchte die Straße in blutige Schattierungen; zeichnete einen feurigen Pfad hinauf zu den breiten, verwitterten Toren Konohas. Blätter wirbelten über den Weg; ein Teppich aus zerknittertem Rot und fleckigem Gold, das unter den beständigen Schritten zweier Shinobi knirschte und raschelte, die sich dem Dorf näherten. 

 

Zwei Ninja aus unterschiedlichen Ländern, vereint durch ein gemeinsames Ziel. 

 

Frieden. 

 

Einer von ihnen trug die unverkennbaren Narben eines Kriegers; Narben, die sich eher in seinem Gesichtsausdruck zeigten, als auf seiner Haut. Ein junges Gesicht verhärtet und abgestumpft von Kämpfen, die viel zu nah der Heimat ausgefochten wurden. Etwas an seinem Gang ließ darauf schließen, dass Aggression Kopf an Kopf mit einem wilden Temperament ritt und beides spielte direkt unter der Oberfläche eines schiefen Lächelns, das langsam auch begonnen hatte, das wachsame Grau seiner Augen zu erreichen. Sein Haar war eine Mähne aus Feuer und im Nacken zu einem losen Pferdeschwanz zusammengebunden. Auf dem Rücken trug er ein monströses Schwert, das so lang war wie sein Körper; gezackt und bösartig aussehend. 

 

Er war in Schwarz und Grün gekleidet. 

 

Und an seiner Seite schritt das invertierte Bild einer ganz anderen Art von Ninja. 

 

Dieser Shinobi trug strahlendes Weiß. 

 

Sein Gesicht war in elegante ziselierte Neigungen geschnitten. Stolze und patriarchalische Züge und seine hohen Wangenknochen verengten sich hinunter zu einem scharfen, aber stolzen Kiefer. Dieses markante Gesicht wurde von Augen definiert und dominiert, die seine Blutlinie ebenso deutlich ausstrahlten, wie das, was unter dem Stahl seines Hitai-ate verborgen lag. Und sein majestätischer und instinktiv gemessener Gang hob sein blaublütiges Erbe klarer hervor als das elegante Gewand seiner Clansrobe.

 

Ein Clan von Macht und Prestige. In seinem Inneren kümmerte ihn keines von beidem, doch nach außen hin projizierte er die polierte Fassade einer herausragenden Erziehung. 

 

Doch da war etwas an seinem Gesicht, das zu still war. 

 

Eine Stille, die nicht zu der Art und Weise passte, mit der sich sein Körper unter den Roben bewegte. 

 

Bei diesem Ninja drohte das, was unter dieser kühlen und ruhigen Oberfläche lag, weit mehr Schaden anzurichten als jede Waffe, die er jemals führen würde. Er hatte sich selbst dazu getrieben, eine Stärke zu erlangen, die sich tief und schlummernd in jedem sich abzeichnenden Muskel hielt. Muskeln, die seinen Körper zu schlanken, hart erarbeiteten Ebenen formten, durchzogen von Sehnen wie Stahl; alles verborgen unter der stolzen Aura von Gefasstheit und Ruhe. 

 

Kontrollierte Macht, eingehüllt in Anmut. 

 

Die Art und Weise, wie sich Neji bewegte, hatte sich nicht verändert. 

 

Aber etwas in seinen Augen schon. 

 

Noch vor zwei Wochen waren sie bewölkt und verdunkelt gewesen von dem Sturm eines Zornes, über den er nach und nach die Kontrolle verloren hatte. Doch jetzt waren sie ruhig und klar, als hätte sich der Sturm endlich tief in diesen Mondsteinaugen niedergelassen und würde nun eher vor Überzeugung statt Blutrausch wirbeln. 

 

Er war auf eine Weise zentriert, wie er es seit einer sehr sehr langen Zeit nicht mehr gewesen war. 

 

Ich habe eine Richtung.

 

Und mit dieser Richtung kam der Trieb, sich vorwärts zu bewegen. 

 

Neji blinzelte langsam und konzentrierte seinen Blick auf sein derzeitiges Ziel.

 

Zuhause.

 

Hoch oben durchstach ein schriller Schrei die stillen Himmel und ein stolzer Steinadler zog in einer steten Umlaufbahn Kreise über dem wandernden Duo. 

 

„Große Tore.“, bemerkte der Rotschopf trocken. „Soll das irgendwie einschüchternd wirken?“

 

Neji hob eine Braue und warf dem anderen Ninja einen vielsagenden Blick zu, der direkt zu dem massiven Schwert glitt. 

 

Der Tsubasa Shinobi grinste. „Touché.“

 

Neji gab eine Art unverbindlichen Laut von sich, doch Belustigung zupfte ganz leicht an seinem Mundwinkel, der sich aber sofort wieder zu einer ausdruckslosen Linie glättete, als sie sich dem Eingang zum Dorf versteckt hinter den Blättern näherten. Die Brise in ihren Rücken war wie eine grüßende und führende Hand und schob sie sanft über die Schwelle der weiten Tore, die offen standen wie einladende Arme.

 

Es hat sich nichts verändert. 

 

Und es kam ihm in den Sinn, dass es auch überhaupt keinen Grund gab, aus dem sich Konoha irgendwie anders hätte anfühlen sollen, auch wenn er das erwartet hatte. Er hatte sich verändert. Er war der Fremde im eigenen Land. 

 

Heiße es willkommen.

 

Neji schloss ein Stück die Augen und atmete tief und leise ein, hielt die Luft lange und nachhallend in sich. Er dachte über die Dauer seiner Abwesenheit nach, die sich so viel länger anfühlte als die gerade einmal vierzehn Tage, die verstrichen waren, seit er gegangen war. 

 

Davon gelaufen…

 

Für den kürzesten Bruchteil einer Sekunde geriet Nejis glatter Gang ins Wanken. Ein Ausrutscher, der von seinem Verstand unbemerkt blieb und beinahe auch nicht von seinem Körper gefühlt wurde. Aber irgendwo tief im Zentrum der Ruhe, die er erschaffen hatte, spürte er eine flatternde Empfindung – wie das sanfte Schlagen rastloser Schwingen – eine Rastlosigkeit, wegen der er Konoha verlassen hatte, um ihr zu entkommen. 

 

Atme…

 

Er sog ein weiteres Mal tief die kühle Brise ein und der Geruch von brennenden Blättern versengte die Luft. Ein Hauch von Rauch traf auf seine Sinne und drohte, seinen Verstand zu der Erinnerung an einen wärmeren und heisereren Rauch zu ziehen, der sich auf Klängen verfestigte…eingehüllt in ein Murmeln…ein Murmeln einer Stimme, die er nicht aufgehört hatte zu hören…

 

Ein leises Pfeifen lenkte seine Aufmerksamkeit um.
 

„Fettes Schwert.“, rief eine Stimme. 

 

Neji blinzelte sich zurück in die Gegenwart und wandte sich den beiden Shinobi an dem Registrierungsposten zu. Kotetsu saß in einer entspannt lümmelnden Pose da und schielte über die Spitzen seiner Füße, die er gekreuzt auf einem Stapel Papierkram abgelegt hatte. Offenbar ignorierte er die Arbeit mit ebenso religiöser Hingabe wie die frustrierten Blicke, die sein Freund ihm ununterbrochen zuschoss. 

 

Izumo spähte zu den beiden ankommenden Ninja. „Willkommen zurück, Hyūga. Du weißt, dass dein Geninteam bereits her gebracht wu-“

 

„- her geschleudert.“, grinste Kotetsu.

 

„Her gebracht wurde von Sunas Botschafterin?“, korrigierte Izumo, während sein Finger auf der Suche nach Informationen über eine Liste wanderte. „Ja, sogar viel früher als ihr jetzt hier auftaucht. Wo warst du?“

 

Neji warf einen vielsagenden Blick auf den schwertschwingenden Ninja neben sich. „Ich wurde aufgehalten.“

 

Der Rotschopf zuckte mit den Achseln. „Ein großes Schwert zu haben bringt die Angewohnheit mit sich, es gegen Leute einzusetzen, die kleine Kinder bedrohen.“

 

„Das hast du auch eindrucksvoll demonstriert, aber ich vertraue darauf, dass du dich das nächste Mal lieber an Diplomatie statt Gewalt hältst, wenn du mit Sunas Botschafterin zu tun hast, Hibari.“ Neji gestikulierte vage durch das Dorf. „Sie ist eine Freundin einiger unserer Leute und wie es der Zufall will, ist sie aus demselben Grund hier wie du.“

 

„Was laut dieser Informationen hier Friedensverhandlungen wären.“ Izumo beäugte den Tsubasa wachsam und blätterte durch die Papiere, um nach dem Missionsreport zu suchen. 

 

Kotetsu tat so, als würde er auf das Buch linsen, das auf seinem Schoß aufgestellt war, beobachtete den Neuankömmling aber mit gleicher Vorsicht. „Du hast also Temari-san angegriffen?“

 

Hibari spähte kurz auf sein Schwert. „Wenn das das verrückte Mädel mit dem großen Fächer ist, dann würde ich sagen, dass das zutrifft, ja.“

 

Neji unterdrückte den Drang, mit den Augen zu rollen. Stattdessen brachte er ein würdevolles Flattern der Wimpern zustande. Und während es eine Überraschung gewesen war, Temari über den Weg zu laufen, war der Kampf, der zwischen ihr und Hibari entbrannte, ein absoluter Schock gewesen. 

 

Das war auf jeden Fall das letzte Mal, dass ich Mediator spiele…

 

Und es war alles andere als leicht gewesen, diesen Kampf zu beenden.

 

Er hatte sicher nicht erwartet, dass ausgerechnet zwei Friedensbotschafter sich dazu entschließen würden, dass der Wert einer Waffe daran gemessen wurde, sie gegen jeden einzusetzen, der behauptete, die eigene wäre größer. 

 

Es war von beiden Seiten eine absolut kindische und unerwartete Reaktion gewesen.

 

Doch gemessen daran, was diesen Streit ausgelöst hatte, war sich Neji sicher, dass es mehr mit einem Aufeinanderprallen persönlicher Werte zwischen Hibari und Temari zu tun hatte, wenn es darum ging, mit kindischen Mätzchen umzugehen – oder, wenn man dem Ganzen einen Namen geben wollte, Konohamaru.

 

„Ah ja großer Fächer. Yep, das wäre sie.“ Kotetsu grinste und ließ sein Buch mit einem lauten Klatschen zuschnappen. „Sie hat dein Geninteam ziemlich durch die Luft katapultiert, Hyūga. Sie hatten außerdem eine ganze Menge Gepäck dabei. Seltsamerweise bin ich mir sehr sicher, dass einer von denen gezwitschert hat.“

 

„Klar.“ Neji hielt kurz inne und etwas, das schon fast an Belustigung grenzte, schlich sich in seine Augen. „Ich wäre mit ihnen zusammen zurück gekommen, aber ich musste mich um die Schadensbegrenzung kümmern.“

 

Izumo runzelte die Stirn und hob scharf seinen Blick von den Papieren. „Schadensbegrenzung?“

 

„Ich habe mein Schwert geschwungen, sie ihren Fächer, ein paar Objekten waren im Weg.“, erklärte Hibari ohne eine Gefühlsregung, während seine grauen Augen über die Bürgersteige wanderten und automatisch das Dorf musterten. 

 

„Objekte, huh?“, drängte Kotetsu, sah dabei aber eher amüsiert als besorgt aus. „Naja, sie hat diesen Fächer auch weiterhin gegen das Geninteam geschwungen, das kann ich euch sagen.“

 

Hibaris Miene verdüsterte sich und seine grauen Augen wurden hart. 

 

Neji warf Kotetsu einen warnenden Blick zu; ein deutliches Signal, das Thema ‚Kinder‘ fallen zu lassen, vor allem wenn man den übermäßigen Beschützerinstinkt bedachte, den der Rotschopf ihnen gegenüber an den Tag legte. 

 

Izumo verstand den Wink sofort und trat Kotetsu heftig unter dem Tisch, wobei er das aufgeschreckte Jaulen seines Freundes geflissentlich ignorierte. „Es wurden keine Zivilisten verletzt, oder?“

 

„Niemand wurde verletzt.“ Neji machte eine kurze Pause. „Nur Stolz und Eigentum.“

 

Kami sei Dank.

 

In letzter Minute hatte er auf das Kaiten zurück gegriffen und beide Jōnin in entgegengesetzte Richtungen geschleudert, um sie anschließend auf diplomatische Weise wieder zurück zur Vernunft zu bringen.

 

„Richtig, Hanegakure.“ Izumo entrollte eine Schriftrolle, auf der die Details der Mission zusammen mit Temaris Unterschrift festgehalten waren, die die begleitete Rückkehr des Geninteams bestätigte. „Du musst noch unterschreiben.“

 

Neji schritt zu dem Tisch hinüber und prüfte den Text mit einem raschen Blick. „Das muss überarbeitet werden.“

 

„Nah.“ Kotetsu fuchtelte abweisend mit der Hand. „Lass die schmutzigen Details einfach aus, wir werden nichts sagen.“

 

Neji sah ihn tadelnd an. „Ich werde die Tatsache auslassen, dass du das gerade ernsthaft vorgeschlagen hast.“

 

„Meine Güte, wie prüde. Nur Arbeit und kein Vergnügen für euch Jōnin, huh?“ Kotetsu streckte die Arme mit einem Gähnen über den Kopf und warf seinem unberührten Stapel voller Arbeit einen verärgerten Blick zu. „Naja, außer du bist Asuma-senpai.“

 

Neji legte fragend den Kopf schief und nahm die Schreibfeder auf, um seinen Namen unter das ordentliche Gekritzel von Temaris Unterschrift zu setzen. „Asuma-senpai?“

 

Kotetsu seufzte in jammernder Manier und ruckte vorwurfsvoll mit dem Kinn. „Jo, ihr Jōnin liebt es einfach, eure Autorität auszunutzen, oder?“ Er spähte zu Izumo hinüber. „Warum hat Asuma die ganze Arbeit von dem Drückeberger überhaupt auf uns abgewälzt? Das ist ganz sicher kein Elitetraining.“

 

„Weil Shikamaru heute Geburtstag hat.“, erklärte Izumo. 

 

Neji erstarrte auf halbem Weg, als er gerade die Feder beiseite legen wollte. 

 

Niemand bemerkte es. 

 

„WAS?!“ Sofort schwang Kotetsu seine Füße fort von ihrer Ablage auf dem Papierstapel und ließ dabei ein paar Blätter durch die Luft fliegen. „Das darf doch nicht wahr sein! Dieser durchtriebene kleine Scheißkerl. Wann zur Hölle ist das denn passiert?“

 

„Vor siebzehn Jahren?“, erwiderte Izumo trocken und runzelte die Stirn, als er bemerkte, wie Neji blicklos auf die Schriftrolle stierte. „Hey, alles ok?“

 

Neji kehrte augenblicklich zu sich selbst zurück und sein Atem stockte hart. 

 

Er richtete sich von dem Tisch auf und seine Opalaugen waren dabei still wie ruhige Bergseen; unberührt von der Spannung, die durch seinen Körper wogte. „Temari-san hat eine Begleitung?“

 

Izumo blinzelte angesichts dieser seltsamen und völlig unzusammenhängenden Antwort. „Ja, es wurde sich schon um alles gekümmert.“ Er datierte und stempelte die Rückkehrbestätigung und reichte dem Hyūga die Schriftrolle. 

 

„Gut.“ Neji schob das Pergament in seine Robe und wandte sich von dem Tisch ab. „Hibari, ich habe einige Verpflichtungen, um die ich mich kümmern muss, aber ich werde dafür sorgen, dass du für die Dauer deines Aufenthaltes eine Begleitung hast.“

 

„Ist kein Problem.“ Hibari neigte leicht den Kopf und hob seinen Arm, als ein schrilles Kreischen den Sturzflug des riesigen Vogels ankündigte, der bis eben noch Kreise im Himmel gezogen hatte. 

 

Die Steinadlerdame beschrieb eine Kurve und segelte tief nach unten. Der scharfe Bogen ihrer Flügel fing die Wucht des Sturzflugs ab und mit einem langsameren Gleiten und ausgestreckten Klauen ließ sie sich auf dem Lederschutz nieder, den Hibari am Unterarm trug. 

 

Kotetsu grinste und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. „Großer Vogel.“

 

„Die beste Art.“

 

„Ich gehe davon aus, dass du sie bei dir behalten willst.“, vermutete Neji und wandte seine Schritte von dem Registrierungsposten ab, während er Hibari bedeutete, ihm zu folgen. 

 

Der Rotschopf nickte und strich mit einem Knöchel liebevoll über den Kopf des Adlers. „Ja, sie fühlt sich in Käfigen nicht wohl.“

 

Neji lächelte ein wenig und sein Blick richtete sich geradeaus, um seinen Fokus davon abzuhalten, sich zu sehr in sein Inneres und auf dieses rastlose Wirbeln in seiner Magengegend zu konzentrieren. „Verständlich, ich werde dafür sorgen, dass-“

 

„HEY!“ Ein heiserer Schrei explodierte auf der anderen Straßenseite und wurde von dem hektischen Schwingen eines Armes begleitet, der wild vor und zurück winkte. 

 

„Ihr habt ihn ja immer noch nicht an die Leine genommen.“, bemerkte Hibari und Belustigung wob sich in seine Stimme, als sich seine grauen Augen auf den Shinobi richteten, der auf sie zugetrabt kam. 

 

„Das würde ohnehin nur wenig nützen.“, erwiderte Neji mit dem leisesten Hauch eines Schmunzelns.

 

„Hey!“, rief Naruto noch einmal und winkte fröhlich weiter. Er trug Khakihosen und ein orangenes Shirt, das er über ein langärmliges schwarzes Oberteil gezogen hatte. Das Hitai-ate des Jinchūriki fehlte und ließ die sonnigen Strähnen frei nach unten fallen. „Neji!“

 

Langsam blieb der Hyūga stehen und blinzelte gegen die Sonne an. Sie warf einen ausgefransten Schein um Narutos Kopf und schimmerte in einem verschwommenen Funkeln von den goldenen Strähnen. Man hätte sich direkt fragen können, ob es sich dabei nicht um das unbezwingbare Licht des Uzumaki handelte, das hindurchschimmerte und immerzu nach außen explodierte; niemals eingedämmt und genauso wenig von irgend etwas abhängig. Genau wie Narutos Herz floss es ungetrübt in sein Lächeln und sein strahlendes Grinsen; die Sonne seiner Persönlichkeit stand immer im Zenit des lebhaften Blaus seiner Augen. 

 

Immer so gut gelaunt.

 

Was Neji dazu brachte, über die Dunkelheit nachzudenken, mit der Naruto gerungen hatte, um als Sieger aus seinem eigenen Kampf hervorzugehen; lebhaft und optimistisch bis zum Äußersten, um das Beste in anderen hervor zu rufen, wo auch immer er sich gerade befand. 

 

Wie finster war der Ort, an dem du dich befunden hast, um dieses unübertroffene Licht zu finden…allen Widrigkeiten zum Trotz…?

 

Trotz der Tiefe der Introspektion, die hinter seinen Augen ablief, blieb der Rest von Nejis Miene absolut bewegungslos. Doch der unausgesprochene Respekt, der sich in seinen Blick schlich, hielt lange genug an, um von Hibari bemerkt zu werden; allerdings nicht lange genug, um von Naruto registriert zu werden, als der Uzumaki zu ihnen herüber gesprungen kam.

 

„Naruto.“, grüßte Neji milde und nahm dabei denselben semi-warnenden Tonfall an, den er für gewöhnlich an übermäßig liebevolle Kinder oder Tiere richtete, die sich jeden Moment auf ihn stürzen könnten. 

 

Schlitternd kam Naruto auf dem Bürgersteig zum Stehen und wirbelte dabei einen Sprühregen aus Blättern auf, der von einer Brise erfasst wurde und spielerisch um ihn herum wogte.

 

„Whoa!“ Er deutete mit einem Finger auf Hibari und seine Aufmerksamkeit schwang sofort von einem Jōnin zum anderen. „Hibari! Das darf doch nicht wahr sein! Tsunade-baachan hat gar nicht erzählt, dass Neji dich mitbringen würde!“

 

Neji konnte angesichts dieser doch eher flegelhaften Begrüßung nur den Kopf schütteln. Normalerweise tadelte er Naruto wegen solcher Dinge nicht, vor allem, weil es erstens vollkommen sinnlos war und zweitens weil das Grinsen des Uzumaki ihn meistens davor bewahrte, dass sein Verhalten als ehrliche Unhöflichkeit aufgefasst wurde. Normalerweise hätte Neji akzeptiert, dass das einfach sein „Erst reden dann denken“-Wesen war. Doch leider sorgten zwei lange Wochen, während der er Konohamaru zumindest den Anschein von Anstand anerziehen musste, dafür, dass die herablassende Ader des Hyūga wie ein Kniesehnenreflex zum Vorschein kam. 

 

Wie ein Gen, das in ihn gezüchtet worden war, gewann der Drang, das tadelnd zu kommentieren, die Oberhand. 

 

Neji hob den Kopf und lange schwingende Mokkasträhnen fielen nach vorn, um seine vollkommen unbeeindruckte Miene einzurahmen. „So fremd dir das Konzept von Höflichkeit auch sein mag, Naruto; ein zivilisiertes ‚Hallo‘ hätte vollkommen ausgereicht.“

 

Naruto lachte nur und warf seinen Kopf in einer Parodie von Nejis erhabener Haltung nach hinten; seine Augen funkelten vor Schalk. „Ja klar und als nächstes erwartest du von mir, dass ich mich verbeuge und ein Suffix verwende.“

 

Neji hob eine Braue und seine tiefen Töne fielen noch etwas tiefer auf eine trockene, abwertende Note. „Ich bin mir sicher, dass du sowohl körperlich als auch verbal zu beidem nicht fähig bist. Akamaru hat mehr gesellschaftlichen Anstand als du.“

 

Naruto schob die Brust vor und zog eine Miene, die vermutlich Nejis hochmütiges Gehabe nachahmen und verspotten sollte, bevor er sich in dieser Pose so unbehaglich fühlte, dass er sich einfach damit begnügte, die Zunge heraus zu strecken. 

 

Wie unglaublich reif…

 

Mit einem unschlagbaren Selbstbewusstsein grinsend wandte sich der Uzumaki wieder Hibari zu und seine Augen flossen vor freudigem Strahlen über, bis sie sich auf den Adler richteten. 

 

„Gah!“ Sofort machte er einen Satz zurück und fuchtelte nervös mit den Händen. „Mann, musstest du einen Vogelmitnehmen?“

 

Hibari zuckte mit den Achseln und bewegte kurz den Arm, auf dem sein Adler saß. „Ich erinnere mich daran, wie zugeneigt du unseren Vögeln warst – und umgekehrt.“

 

Die Adlerdame legte den Kopf in Narutos Richtung schief und ihre Federn plusterten sich im Nacken, als sie mit einem hohen spielerischen Kreischen auf seine Aufregung reagierte. Narutos Gesicht verzog sich zu einer Grimasse. Energisch musste Neji ein Schmunzeln zurückbeißen, als er zusah, wie der Uzumaki noch einen weiteren Schritt zurückwich; seine himmelblauen Augen zuckten in einem paranoiden Suchen umher. 

 

„Uh, das ist der einzige Vogel, den du mitgebracht hast, oder?“

 

Ganz offensichtlich ist er noch nicht Konohamaru begegnet. 

 

Hibari spähte zu Neji hinüber und stellte schweigend eine Frage, die in etwa so was wie ‚soll-ich-es-ihm-sagen-damit-du-dich-dann-mit-der-hysterischen-Reaktion-rumschlagen-kannst?‘ kommunizierte.

 

Neji blinzelte rasch und lenkte das Thema um. „Naruto, ich muss mich um eine Begleitung für Hibari kümmern, weißt du, ob irgendwelche Chūnin verfügbar sind?“

 

Naruto hielt die Augen weiterhin auf den Adler gerichtet und kratzte sich die blonden Strähnen. „Uh, wir sind alle ziemlich eingespannt wegen Inos Plänen und so.“ Hier hielt er inne, blinzelte weitäugig und wirbelte wie ein Zyklon und wild grinsend zu Neji herum. „Hey! Ihr kommt doch auch, oder?“

 

Eine von Nejis Brauen wanderte nach oben, während er den Part des ignoranten Gesprächspartners spielte; und wenn nur, um sich davon abzuhalten, sich mit der Anspannung in seinem Inneren auseinander zu setzen. „Wohin?“

 

„Na dahin, wo Ino das gemeinsame Geburtstagsding mit Shikamaru feiern will.“, erklärte Naruto und fuchtelte mit einem Arm in irgendeine Richtung, nur um gleich darauf die Stirn in Falten zu legen und in die entgegengesetzte Richtung zu deuten. „Uh, ich bin mir ziemlich sicher, dass Sakura gesagt hat, dass es in einem dieser schicken Ryokans bei den heißen Quellen stattfindet.“

 

Nejis Stirn zuckte angesichts dieser Information.

 

Ein Ryokan?

 

Das kam unerwartet. Diese traditionellen, aber auch modernen Unterkünfte in der Nähe der heißen Quellen waren alles andere als billig, geschweige denn ein Ort, um Partys zu feiern – oder zumindest nicht die Art von der Party, von der Neji ausging, dass sie in der Planung war. Nach dem zu urteilen, was Shikamaru mal über Inos festliche Geschmäcker gesagt hatte, schien es der unwahrscheinlichste Ort für ein geselliges Geschöpf wie die Yamanaka zu sein, um dort zu feiern. 

 

„Ein Ryokan?“ Neji zog das Kinn zurück und sah den Uzumaki zweifelnd an. 

 

„Komisch, huh?“ Naruto vergrub seine Hände in den Taschen und zuckte mit den Achseln. „Aber ja, scheinbar. Hat wohl irgendwas damit zu tun, dass Shikamaru ein alter Mann ist und irgendwas Zurückhaltendes und Ruhiges braucht, oder was auch immer.“

 

Natürlich…

 

Nejis Lippen verrieten den leichtesten Hauch eines zärtlichen Lächelns und sein Blick wanderte zu dem Shogi Spielhaus weiter die Straße hinunter. 

 

Ein leises Seufzten, das sich tief in seiner Brust löste, lockerte die Anspannung in seinem Inneren. 

 

Er musste sich energisch gegen die einbalsamierende Wärme stählen, die in ihm aufzusteigen begann. 

 

Es war ein gefährlicher Ausrutscher, der ihn wahrscheinlich fiel zu schnell ins Abdriften ziehen würde, sobald sich seine Aufmerksamkeit auf den Schattenninja richtete. 

 

Nicht jetzt…

 

Doch die Anweisung trug wenig dazu bei, die instinktive Reaktion aufzuhalten. 

 

Erinnerungen wirbelten an der Rückseite seines Verstandes auf und krochen über die Grenze, die er zwischen zwei Teilen seines Selbst gezogen hatte. Sie drohten, ihn an eine Sehnsucht zu erinnern, von der er nicht versucht hatte, sie zu vergessen, die er aber dennoch unter Kontrolle halten musste. Eine Sehnsucht, die sich wie eine Rebe um sein Herz gelegt hatte und Dornen in Orte trieb, die niemals aufgehört hatten zu schmerzen; niemals seit dem Tag, an dem er davon gelaufen war. 

 

Hör auf.

 

Er schloss die Augen und räusperte sich. „Dann werde ich mit Tsunade-sama sprechen und jemanden finden, der meinen Platz einnimmt.“

 

„Eh?“ Naruto blinzelte eulenhaft. „Was?“

 

Neji neigte seinen Kopf in Hibaris Richtung und lenkte das Gesprächsthema damit wieder zurück auf sicheren Boden. „Begleitung.“

 

„Nicht nötig, auf Förmlichkeiten zu bestehen, Hyūga.“ Hibari hob eine Braue und strich mit einem Knöchel über den Kopf seines Adlers. „Ich habe die Augen, die ich brauche, um mich zurecht zu finden.“

 

Naruto schnitt eine Grimasse in Richtung des Vogels, doch gleich darauf erhellte sich seine Miene angesichts der Aussicht darauf, später etwas gemeinsame Zeit zu verbringen. „Also heißt das, dass du später vorbei kommst?“

 

Neji runzelte die Stirn; nicht sicher, ob er amüsiert oder verärgert über Narutos hartnäckige Fähigkeit sein sollte, sich fest an einen Punkt – oder ein Versprechen – zu klammern, ohne dabei die umgebende Realität mit einzubeziehen.

 

„Hibari ist wegen Friedensverhandlungen hier, Naruto; nicht für Geburtstagsfeiern.“

 

„Naja, aber Frieden zwischen unseren Dörfern ist doch ein Grund zum Feiern!“, argumentierte Naruto und streckte seine Hände aus, um Hibari stumm um Unterstützung zu bitten. „Ich meine, du wirst doch nicht ernsthaft zulassen, dass Neji dich die ganze Zeit über nur bei Tsunade-baachan und diesen alten Knackern des Rates ablädt, oder?“

 

„Baachan?“, echote Hibari und spähte zu Neji. 

 

Der Hyūga schüttelte sehr langsam den Kopf. Narutos Talent, ein Suffix geradezu abzuschlachten, war unübertroffen. Und es erstaunte den Jōnin immer wieder, wie jemand, der sich Konoha derart leidenschaftlich verschrieben hatte wie Naruto, die Reputation dieses Dorfes so unverfroren zunichte machen konnte, indem er Repräsentationsfiguren zu peinlichen Karikaturen herabstufte. 

 

„Naruto.“

 

„Jäh?“

 

„Sei still.“

 

„He!“ Naruto gönnte sich einen Moment, um beleidigt zu sein, doch dann wippte er auf seinen Fersen zurück und verschränkte die Arme, während sich ein verschmitztes Grinsen auf sein Gesicht schlich. „Ah ich hab’s kapiert, du bist einfach nur hochnäsig und sozial total unbeholfen.“

 

Neji blinzelte. „Wie bitte?“

 

Mein soziales Verhalten ist tadellos…

 

Dieser dämliche und defensive Gedanke ließ ihn die Stirn runzeln. 

 

Es gab eigentlich überhaupt keinen Grund, auf Narutos Worte zu reagieren, egal ob geistig oder auf andere Art. Immerhin war es eine lächerliche und völlig unbegründete Bemerkung. 

 

Naja, zum Großteil zumindest.

 

Lächerlich.

 

Nejis Stirnrunzeln zog sich noch etwas weiter zusammen, bis er bemerkte, dass Naruto ihn idiotisch angrinste und sich vermutlich gerade an der Vorstellung labte, dass er es vielleicht schaffte, den stoischen Jōnin auf die Palme zu bringen. Rasch bügelte Neji seine Miene wieder glatt und seine Stirn ebnete sich unter seinem Hitai-ate.

 

Naruto grinste noch breiter und nickte wild. „Oja, du weißt sehr wohl, dass ich recht habe.“, lachte er. „Du musst auf jeden Fall heute Abend mit uns abhängen.“

 

„Und wozu?“

 

„Spaß!“

 

Neji starrte ihn ausdruckslos an und kostete den Geschmack dieses Wortes ohne die Miene zu verziehen. „Spaß.“

 

Hibari kicherte leise. „Weißt du, euer Uzumaki hat vielleicht nicht unrecht bei einer Sache, von der du keine Ahnung hast, Hyūga.“

 

Innerlich zuckte Neji zusammen und blinzelte sich von seinem glasigen Blick zurück, der, ohne dass es ihm bewusst gewesen war, über Narutos Schulter hinweg zu dem Shogi Spielhaus gewandert war. 

 

Er schnaubte spottend und sah aus den Augenwinkeln zu Hibari. „Was?“

 

„Ja genau, was?“, echote Naruto in einem langsamen, argwöhnischen Sprechen und blinzelte zu Hibari; nicht sicher, ober er gerade beleidigt oder unterstützt wurde. Aber offensichtlich spielte das auch überhaupt keine Rolle, denn keinen Moment später lächelte er schon wieder. „Awww, komm schon, Neji.“

 

„Naruto.“, warnte Neji leise, doch seine Stimme schaffte es scheinbar nicht, Narutos Beharrlichkeit zu durchdringen. 

 

In einer kindischen Geste des Flehens, klatschte Naruto die Hände zusammen. „Komm schon! Wir bekommen niesolche Gelegenheiten. Und es wäre so toll, wenn alle dabei wären, weißt du? Es wäre das erste Mal, dass wir allezusammen sind und…“ Narutos Stimme stockte und verstummte plötzlich; das Licht in seinen Augen wurde von einem Schatten verschlungen, den Neji sofort erkannte. 

 

Uchiha.

 

Verstehen machte das drohende Funkeln weich, das er eigentlich auf den Jinchūriki hatte richten wollen und verwandelte seine Stimme in etwas Sanfteres, als er seufzte und den Ball wieder Hibari zuspielte. 

 

„Nach dem Treffen mit dem Rat wirst du noch einiges an Zeit haben; also falls du teilnehmen willst an diesem…“, er gestikulierte vage mit einer Hand in Narutos Richtung, fand aber kein adäquates Wort, um den ‚Spaß‘ zu beschreiben, den der Uzumaki hier gerade anpries. 

 

Vielleicht habe ich wirklich keine Ahnung, wenn es um diese…Festivitäten…geht.

 

Vollkommen ungebeten wogte Shikamarus Stimme durch seinen Kopf. 

 

‚Ist wahrscheinlich auch das Beste. Ich gebe selber nicht viel auf so einen Mist wie Geburtstage.‘

 

„Es wird auch gar nicht so wild oder sowas.“ Naruto grinste wieder ein bisschen, aber es war eine schwache Imitation seines strahlenden Lächelns. „Und außerdem bekommst du da auch noch umsonst was zu essen.“

 

Neji hörte ihm nicht zu. 

 

Aufmerksam sah Hibari zwischen den beiden hin und her; er bemerkte ganz offensichtlich, dass irgendetwas beider Stimmungen trübte. Doch da er nicht in der Lage war herauszufinden, um was es sich dabei handelte, zuckte er einfach nur mit den Achseln, um die Spannung zu lösen. „Ich würde die Gelegenheit nicht ablehnen, euren Strategen zu überraschen.“

 

Ein Schmunzeln zupfte an Narutos Lippen und hob sein eingebrochenes Gemüt sofort wieder zurück auf seinen sonnigen Zenit. „Klasse!“ Er boxte enthusiastisch in die Luft und zog die Faust gleich darauf wieder mit einem gewinnenden Lächeln an die Brust. „Also du kommst auch Neji, oder?“

 

Neji blinzelte langsam und richtete seinen abgelenkten Blick irgendwo neben Naruto, bevor er sein Gesicht zu einer vollkommen ausdruckslosen polierten Maske glättete und sich seine Augen zu einem gelassenen, aber distanzierten Starren verwandelten. 

 

„Ich muss anderswo sein.“

 

Narutos Brauen hoben sich interessiert zu seinem Haaransatz, bevor sie schwer enttäuscht nach unten fielen. Während er die Arme verschränkte, musterte er Nejis Gesicht mit einem Schmollen. „Schon wieder eine neue Mission, oder sowas in der Art?“

 

Oder sowas in der Art…

 

Der Jōnin legte den Kopf schief und bot keine weitere Erklärung an. 

 

Und dankbarerweise fragte Naruto nicht noch weiter nach, sodass Neji nicht lügen musste. Denn sein Zielort ‚anderswo‘ könnte einfach überall all sein; vorausgesetzt es war südlich, westlich oder östlich dieser unentrinnbaren Sehnsucht, die Shikamaru zu einem magnetischen Norden machte. 

 

Allein der Gedanke an den Nara war genug, um diese elementare und tief sitzende Anziehungskraft zu wecken. 

 

Nein…

 

‚Nein‘ war zu einem Wort geworden, das sich Neji immer wieder vorsagte. Er hatte sich ebenfalls eingeredet, dass Abstand und ein neues Ziel das Band geschwächt hatten, das ihn in die eine Richtung riss, während er sich in eine andere bewegte. In seinen gefasstesten Momenten hatte er angenommen, dass die Sehnsucht in den zwei Wochen, die er fort gewesen war, nachgelassen hatte. 

 

Er hatte sich selbst eingeredet, dass es so war. 

 

Und so lange er sich fern hielt – konnte er so tun, als würde er das auch wirklich glauben.
 

 
 

________________________

Awww und hier ist er endlich auch wieder...Neji's back ;) 

Dafür muss hier auf Shikamaru verzichtet werden, sorry :D Ich hoffe natürlich sehr, dass euch das Kapitel und auch das 'Wiedersehen' mit Hibari gefallen hat ;) 

Und natürlich ein riesiges Dankeschön an alle meine lieben Leser/innen und besonders Reviewer/innen!! <3

Stupid Bird

Was zur Hölle mach ich hier eigentlich?

 

Shikamaru würde es niemals glauben, wenn er es nicht bereits tun würde. Und mit diesem Gedanken im Kopf gab es nichts anderes zu tun, als weiter so vorzugehen wie geplant. 

 

„Dämlicher Vogel.“, murrte Shikamaru mit einer Hand in die Hüften gestemmt, während sich die andere um seine derzeitige Waffe der Wahl klammerte. 

 

Ein Netz.

 

Er hatte es in einer Ecke eines der Hirschgehege gefunden. Für einen flüchtigen Moment hatte er sogar eine Schleuder und einen dicken fetten Stein in Betracht gezogen, aber der Falke hatte es geschafft, ihn mit spielerischen Kreisen und Sturzflügen seiner Reizbarkeit und Verärgerung zu berauben. 

 

Und dann wäre es beinahe zu einer weiteren Runde gekommen, bei der er von dem Vogel durch den Wald gejagt wurde. 

 

Ich brauche ein größeres Netz.

 

Shikamaru senste mit dem Ende in ein paar experimentellen Kurven und Neigungen durch die Luft und beäugte das große, flatternde Gewebe, obwohl er es bereits auf Löcher überprüft hatte. Er hielt den Falken hin. Und der Vogel wusste das nur zu gut. Über ihm im Baum squawkte der Dämliche Vogel spöttisch und legte den Kopf mit jedem Schwung des Netzes in neurotischen kleinen Rucken von Seite zu Seite. 

 

Shikamaru stierte finster zu ihm hinauf. „Ugh. Du gehst mir so auf die Nerven.“

 

Unbeeindruckt begann der Falke, sein Gefieder zu putzen und breitete die Flügel aus, als hätte er gerade das wunderbarste Kompliment überhaupt erhalten. Shikamaru hatte ihm bereits mehr Beleidigungen entgegen geschleudert, als er wiederholen konnte. Doch wenn man bedachte, dass er ihr gemeinsames Spiel ‚Wegrennen-und-dabei-bombardiert-werden‘ immer verlor, war der Vogel einfach der König und er nichts weiter als ein Idiot mit einem Netz. 

 

„Scheiß drauf.“, grollte Shikamaru und bewegte sich vorwärts, während er das Netz wie eine Klinge hielt.

 

Er hätte sein Jutsu eingesetzt, wenn er nicht befürchtet hätte, dass es den Vogel ernsthaft in Angst und Panik versetzen würde. Sein Zögern war mehr als unpraktisch, wenn man die Tatsache bedachte, dass er ja eigentlich wollte, dass der Vogel verschwand. Ihm so Angst zu machen, dass er ohne Wiederkehr davon flog, wäre also die beste Lösung. Zu dumm nur, dass sich jedes Mal, wenn er sich die beste Idee zurecht gelegt hatte, wie er den Falken erschrecken könnte, ein seltsames Gefühl in seiner Magengegend breit machte, das seine Stimmung versäuerte und ihn immer wieder dazu brachte, die Strategie aufzugeben. 

 

Und er hatte niemals über die tiefere Ursache dafür nachgedacht.

 

Er wollte die Möglichkeit nicht in Betracht ziehen, dass ein Teil von ihm an dem verrückten Vogel und seinen nervigen Spielchen hing und ihn hier behalten wollte.

 

Handhabe das einfach wie eine Chūnin Mission.

 

Das sollte nicht allzu schwer sein. Team 10 hatte während der Genintage unendlich viel Zeit damit verbracht, in D-Rang Dramen Katzen ausfindig zu machen und Tiere zu retten. Und anders als Ino und Chōji hatte Shikamaru nie Mitleit gehabt, wenn es um Katzen ging, die idiotisch genug waren, um in Bäumen festzustecken, oder um Hunde, die dumm genug waren, an Orten festzuklemmen, die so unbequem und unmöglich zu erreichen waren, dass selbst die simpelsten physikalischen Gesetz ‚Du willst mich wohl verarschen‘ zu schrien schienen. 

 

Peinlicherweise überfiel ihn genau dieser Gedanke, als er damit begann, den mit Dornenranken umwickelten nervigen Baum hochzuklettern, auf dem der Vogel saß. Die Äste waren dicht verzweigt und krümmten sich auf eine Weise, die darauf schließen ließ, dass die Natur irgendwann während der Entstehung des Baumes mehr als verwirrt gewesen sein musste. 

 

Jo…so wie ich…

 

Shikamaru neigte den Kopf fort von der kratzigen Rinde. 

 

Ich sollte doch eigentlich clever sein…

 

Er schnaubte und brachte einen beeindruckenden Schlangenmensch-Trick zustande, der seine Rippen verkrampfen ließ, während er versuchte, das Netz durch die Äste zu fädeln und seine Füße prekär auf einem dünnen Zweig abstellte. 

 

Wirklich clever…

 

Der Falke ließ ein leises ‚Kee‘ hören, das sich in Shikamarus Verstand sehr nach Belustigung anhörte. 

 

„Schön, du hältst jetzt lieber mal still.“, befahl er grummelnd und fand einen festen Halt in einem Astloch. „Ich werde dir sicher nicht hinterher jagen wie der letzte Idiot.“

 

Vorher fall ich wahrscheinlich runter und brech mir meinen verfickten Hals.

 

Der Falke beobachtete ihn mit einer Ruhe, die ihn zur Weißglut trieb; beinahe neugierig – vielleicht sogar herablassend. Shikamaru funkelte das Tier zornig an, schwang das Netz herum und verfehlte so eindrucksvoll, dass der Falke ein hämisches Pfeifen ausstieß, während er spöttisch den Ast entlang hoppelte. 

 

Shikamaru warf ihm einen verärgerten Blick zu. „Verdammt.“

 

Herausfordernd legte der Vogel den Kopf schief und zwinkerte ihn an. 

 

Shikamaru verlagerte die Hüfte und drehte sich sehr sehr langsam. Mit derselben Vorsicht hob er das Netz an und achtete darauf, dass auch noch die kleinste Bewegung kalkuliert und ruhig war, während er den Chakrafluss beständig in die Ballen seiner Füße fließen ließ. 

 

Langsam.

 

Vollkommen gelangweilt von dem Schneckentempo des Schattenninjas und den vorsätzlichen Bewegungen, die sowieso zum Scheitern verurteilt schienen, verlor der Falke das Interesse und widmete sich wieder seinen Federn, ohne Shikamaru auch nur die geringste Beachtung zu schenken, als der begann, seinen Fang zu berechnen. 

 

Okay, los geht’s.

 

Shikamaru stemmte sich etwas hoch, justierte noch einmal seinen Griff an dem Netz und schätzte den Winkel ein. 

 

Das kann nicht schiefgehen.

 

Er atmete langsam ein, bereitete sich auf seinen Angriff vor – und erstarrte, als ein ersticktes Geräusch von unten ertönte.

 

Zur Hölle…?

 

Shikamaru reckte den Hals nach hinten, spähte auf den Boden und wäre erbleicht, wenn er stattdessen nicht vor Demütigung rot angelaufen wäre. 

 

Fuck.

 

Kiba stand unter dem Baum und hatte einen Arm als Stütze um Chōjis Schultern geschlungen. Eine Hand hielt er hart gegen seinen Mund gepresst und seine Wangen wurden in einem verzweifelten, hyperventilierenden Anfall nach innen gesogen und wieder aufgebläht, als er versuchte, irgendwie sein Lachen in sich zu halten. Chōji machte einen deutlich besseren Job darin, seine Belustigung im Zaum zu halten, auch wenn er so breit grinste, dass sich seine Augen zu zwei winzigen Halbmonden zusammengezogen hatten. 

 

Shikamaru stierte sie vernichtend an; nicht in der Lage, in seiner derzeitigen Position viel mehr zu tun. 

 

Und dieser Bastard von Hundeninja wusste das auch ganz genau. 

 

Kibas Gesicht hatte inzwischen die Schattierung seiner Tattoos angenommen und sein Körper schüttelte sich mit dem Beginn der heulenden Art von Lachen, das den Vogel ganz sicher auffliegen lassen würde. Und dann tat Kiba etwas, das Shikamaru wünschen ließ, der Inuzuka hätte nach einem Shuriken gegriffen, statt nach dem entsetzlichen Gegenstand, den er mitgebracht hatte. 

 

Kiba ließ eine Hand in seiner Jacke verschwinden und zog eine vertraut und klobig aussehende Kamera heraus. 

 

Shikamarus Augen weiteten sich. 

 

Oh fickt euch. Das darf doch nicht wahr sein.

 

Er schoss ein mörderisches und warnendes Funkeln auf den Hundeninja und seine tiefbraunen Augen verdunkelten sich zornig, während er den Kopf schüttelte. 

 

„NEIN…“, formten seine Lippen geräuschlos.

 

Kiba richtete sich etwas aus und nickte nachdrücklich; sein gesamtes Gesicht legte sich aufgrund der Anstrengung in Falten, sein hysterisches Lachen irgendwie in sich zu halten. Fast schon spastisch zuckte er auf der Stelle, während er sich bemühte, die Kamera zum Laufen zu bringen. 

 

Shikamaru überlegte ernsthaft, die Stange auf dem Kopf dieses Dreckskerls zu zerbrechen. 

 

Warnend hob er das Netz und sein Mund formte lautlos: „Ich mein‘ es ernst…“

 

Der Vogel hörte auf, sich zu putzen. 

 

Alle drei erstarrten. 

 

Shikamarus Griff um das Netz verstärkte sich, während er unbeholfen in den Ästen hing und noch immer die Arme gehoben hatte. Den Augenblick ausnutzend neigte Kiba seine Handgelenke, um die Kamera Stück für Stück nach oben zu richten; seine angespannte Miene ähnelte inzwischen einem Kugelfisch, der kurz davor war zu platzen. 

 

Shikamarus Auge zuckte. 

 

Gleich platzt mir `ne Ader…

 

Der Falke plusterte die Federn auf und neigte seinen Kopf zu Kiba und Chōji hinunter, bevor er etwas weiter den Ast entlang hüpfte und wieder mit der Pflege seines Gefieders anfing.

 

In dem beständigen Kampf mit seinem Stolz und dem Grund dafür, ihn zu opfern, ließ Shikamaru seinen finsteren Blick zu dem Vogel wandern. Er musste ihn einfangen. So nah wie jetzt war er noch nie mit einem Gegenstand an ihn heran gekommen, der dazu gedacht war, ihn zu fangen. Der Vogel war übermütig geworden. Und jetzt war die beste Gelegenheit, seinen Mangel an Wachsamkeit auszunutzen. 

 

Und sich dazu auch noch einen Schnappschuss einzufangen.

 

Sein Blick zuckte hinunter zu Kiba. Der Hundeninja bebte noch immer auf der Stelle und versuchte, die Kamera ruhig zu halten. 

 

Gott, wie peinlich…

 

„Kein Druck, Nara.“, zischte Kiba und trommelte mit den Fingerspitzen auf die Kamera. „Aber ich werde den Augenblick einrahmen.“

 

„Halt’s Maul.“, knurrte Shikamaru leise und richtete sein zorniges Funkeln auf Chōji. „Ich hasse dich.“

 

Chōji grinste und gab ihm ein ‚Daumen hoch‘.

 

Shikamaru presste einen Fluch zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und mit akribischer Anstrengung begann er, seinen Körper ein wenig weiter zu drehen, während er Chakra in seinen Füßen konzentrierte und sich durchdrückte; sein langer Oberkörper streckte sich, um seine Reichweite so weit wie möglich auszudehnen. 

 

Er könnte Kiba giggeln hören.

 

Ugh.

 

Naja, zumindest würde er direkt auf dem Idioten landen, sollte er wirklich runter fallen. Was für ein Glück, dass Naruto nicht auch noch dabei war; das hätte er niemals ertragen. Während er begann, sich langsam zum äußersten Ende des Astes zu schieben, bog er langsam seinen Arm und bereitete sich darauf vor, das Netz in einer Kurve zu schwingen, die dem Falken die wenigsten Fluchtwege lassen würde, indem er ihn gegen den Baum einkesselte. 

 

Und dann ging der Kamerablitz los. „Scheiße!“

 

Der Vogel ließ ein schrilles Kreischen hören und schoss himmelwärts; das Netz strich noch gegen die Klauen, als Shikamaru einen letzten Versuch unternahm, ihn zu fangen. Doch stattdessen verfing sich das Gewebe in einem Gewirr von Ästen und zwang Shikamaru dazu, sich scharf zu drehen, um zu verhindern, dass er in den Baumstamm krachte. Und diese neue Position ließ ihn halb an der Netzstange hängend zurück, während er am Rand eines dünnen Astes schwankte; mit Chakra und dem Netz als einzigen Halt. 

 

Fuck!

 

Ein weiteres Blitzlicht flammte auf. 

 

„Verdammt, Kiba, lass das!“

 

Ein heulendes Lachen explodierte unter ihm. „Beweg dich nicht Shikamaru! Bleib genau, wie du bist!“ 

 

„Red keinen Scheiß!“, knurrte Shikamaru und stierte vernichtend zwischen seinen Armen nach unten, während er versuchte, die Balance zu halten, obwohl sich mehrere Äste wie knöcherne spottende Finger in ihn stachen, wann immer er nach einer besseren Position suchte. 

 

„Ah was für ein Bild, Nara!“ Kiba ging an der Wurzel des Baumes in die Hocke, richtete die Kamera nach oben und seine Fangzähne zeigten sich in einem wilden Grinsen. „Oooh Mann, du bist echt gefickt!“, lachte er und schnappte hysterisch nach Luft. „Wenn du dich auch nur einen Zentimeter bewegst, dann musst du sowas von dran glauben!“

 

Shikamaru verdrehte den Kopf und spähte über die Neigung seines Schulterblattes zu den hervorstehenden Ästen und scharfen Zweigen, die alle dazu bereit schienen, ihn in all die peinlichsten und privaten Regionen zu stechen. 

 

Warum zur Hölle muss diese Scheiße eigentlich mir passieren…?

 

Oder eher, wie zur Hölle konnte diese Scheiße eigentlich passieren? Auf einmal schien es gar nicht mehr so simpel zu sein, sich über dämliche Katzen lustig zu machen; jetzt, da er sich in derselben blamablen Situation befand. 

 

Ein weiteres Blitzlicht ließ seinen Kopf heftig nach hinten rucken und weiße Punkte tanzten in seinem Sichtfeld. „Würdest du endlich mit dieser gott verfickten Kamera aufhören!“

 

Kiba wippte auf den Füßen vor und zurück; mit einer Hand winkte er mit dem klobigen Gegenstand, während er die andere mit einem süffisanten Grinsen an sein Ohr hielt. „Wie heißt das Zauberwort?“

 

Chōji kicherte und ignorierte Shikamarus mörderisches Funkeln. Der Akimichi umrundete den Baum und formte das Zeichen für sein Expansionsjutsu. Shikamaru nutzte die Gelegenheit, um eine Hand aus dem Griff zu lösen und Kiba seinen Mittelfinger entgegen zu strecken. 

 

Kiba macht ein Foto davon. „Es ist so cool, wenn du brillanten dämlichen Scheiß machst, Shikamaru. Das passiert einfach nie.“ Veranschaulichend wedelte er mit der Kamera. „Aber jetzt habe ich den Beweis, dass sogar ein Genie ein Hohlkopf sein kann.“

 

„Shikamaru!“ Chōjis vielfach vergrößerte Hand hob sich wie ein rettender Riese und bot eine Erlösung aus der Hölle der Demütigung an. „Du kannst loslassen, ich fang dich auf.“

 

Shikamaru warf seinem Kumpel einen flachen Blick zu. „Oh, also jetzt willst du mir helfen?“

 

Chōji kicherte. „Ich muss Kiba diesmal leider zustimmen, Shikamaru. Du machst nie dummes Zeug, also ist das gerade irgendwie surreal und auch ziemlich hammermäßig.“

 

„Wie die Schmerzmittel, auf die ich dank euch sein werde.“

 

„Nah, lass einfach das Netz los und ich fang dich auf.“

 

„Auf keinen Fall.“

 

Kiba sprang zurück und suchte nach einem Winkel, aus dem die Situation für Shikamaru noch peinlicher aussehen würde. „Ich glaube ja, dass Shikamaru auf eine Art Äste-Bondage steht!“, rief er und seine Augen schimmerten vor überflutender Belustigung. 

 

Shikamaru stierte ihn finster an. „Idiot.“

 

„Baumumarmer.“

 

„Halt’s Maul.“

 

„Komm schon, Shikamaru. Du weißt, dass ich dich nicht fallen lasse.“

 

„Ist es falsch, dass ich eigentlich überhaupt nichts dagegen hätte?“, knurrte Shikamaru und fragte sich ernsthaft, ob ein gebrochener Nacken weniger schmerzen würde, als mit der Kamera eingefangen worden zu sein.

 

„Beeil dich schon, ich warte!“, plärrte Kiba nach oben und hielt besagte Kamera bereit. 

 

Shikamarus Miene wurde noch düsterer, während er seine Optionen gegeneinander abwog und halb in der Luft baumelte. Vielleicht könnte er das, was er gemacht hatte ja auch rückwärts tun?

 

Pff..ja klar…

 

Mit den Zehen tastete er sich die dünne Rinde entlang, doch gleich darauf seufzte der Schattenninja und ergab sich in das Unvermeidliche. Er justierte seinen Griff und spähte nach unten auf die ausgestreckte Handfläche, die unter ihm schwebte. 

 

Und dann stürzte der Falke mit einem schrillen Kreischen herab.

 

„Scheiße!“ Shikamaru ließ aus reinem Instinkt das Netz los. 

 

Chōji fing ihn auf und schloss seine Finger schützend um seinen Teamkameraden. 

 

Doch der Vogel hatte es gar nicht auf Shikamaru abgesehen; er beschrieb eine Helixdrehung direkt an ihm vorbei auf Kiba zu. 

 

„Was zum…?!“ Der Hundeninja sprang auf die Füße und zog schutzsuchend den Kopf ein. Die Klauen des Falken gruben sich durch das zerzauste Chaos seiner Haare. „Hey! Shikamaru! Pfeif deinen verrückten Vogel zurück!“

 

Shikamaru linste grinsend durch Chōjis Finger. „Wie heißt das Zauberwort?“, rief er ihm nur zu. 

 

„Nicht witzig!“ Kiba fuchtelte mit der Kamera herum, um den Falken abzuwehren und ein weiteres Blitzlicht ging in dem Prozess los – direkt in sein eigenes Gesicht. „SHIT!“

 

Shikamaru lachte leise. „Was für ein Trottel.“

 

Die wilde Lichtexplosion versetzte den Vogel in kreischende Raserei. Rasiermesserscharfe Klauen klackten aufeinander und hakten sich in die Kamera, fanden einen festen Griff an dem Plastik und entrissen sie Kibas Fingern. 

 

„HEY!“, keifte der Hundeninja, und fuchtelte blind mit einer Hand durch die Luft. „Gib das wieder her!“

 

Shikamarus Augen wurden groß und seine Augenbrauen schossen vor Belustigung und Überraschung nach oben. Der Vogel hatte sich gerade ein paar ordentliche Pluspunkte bei dem Nara verdient. 

 

Trotzdem solltest du den Mist lieber stoppen, bevor es noch außer Kontrolle gerät.

 

Shikamaru klopfte mit den Knöcheln gegen Chōjis Handfläche, was den Akimichi dazu veranlasste, ihn abzusetzen und die Finger zu öffnen. Der Schattenninja schlenderte gelassen von der Hand seines Freundes, als wäre es der Normalste der Welt, auf diese Weise durch die Gegend getragen zu werden, während er sich Flocken aus Rinde von der Kleidung wischte. 

 

„Kiba, hör schon auf, ihn anzugreifen, dann lässt er dich auch in Ruhe.“

 

„Argh! Ich kann keinen verfickten Scheiß sehen!“, grollte Kiba und hüpfte über die Lichtung, während er versuchte, die gestohlene Kamera wieder zu fassen zu bekommen. „Bin ich überhaupt in der Nähe? Ich seh nur Punkte!“

 

Chōji begann mit wenig hilfreichen Kommentaren und dirigierte Kiba mit lauten Hinweisen aus „heiß, kalt, warm, wärmer, ‚uh, ganz knapp‘“ durch die Gegend. Derweil kreischte und flatterte der Vogel ununterbrochen im Kreis um Kibas Kopf, während die Kamera in hämischer Nähe von seinen Klauen baumelte; immer nur wenige Millimeter außerhalb der Reichweite des Inuzuka. 

 

„Hurensohn!“, grollte Kiba und drehte sich in engen Kreisen um die eigene Achse. „Shikamaru! Komm schon! Pfeif ihn zurück!“

 

„Tz. Selbst wenn ich das könnte, würde ich das nicht machen.“

 

Chōji lachte und klopfte Shikamaru auf die Schulter. „Alles vergeben oder? Also wie sieht’s aus, bist du jetzt nicht froh, dass ich ihn mitgebracht habe?“

 

Shikamaru schürzte die Lippen und rieb sich mit einer Hand über den Mund, als er versuchte, sein Schmunzeln fortzuwischen. „Ich hasse dich immer noch.“

 

„Und ich liebe diesen Vogel immer noch.“, lachte Chōji und brachte Shikamaru dazu, zumindest den Hauch eines Kicherns hören zu lassen. 

 

Ein lautes Bellen zog ihre Aufmerksamkeit fort von Kiba und auf die Ankunft eines großen weißen Hundes, der bereit war, sich mit in das Chaos zu stürzen. Ohne sich überhaupt über die Ursache des Problems bewusst zu sein, kam Akamaru mit einem wilden Kläffen zwischen den Bäumen angesprungen, das den Vogel mit der Kamera in den Krallen in die Baumkronen hinauf scheuchte. 

 

„NEEIIIIN!“, heulte Kiba dem Himmel entgegen, eine Hand ausgestreckt und die Knie gebeugt; es war wie eine Szene aus einer amateurhaft-dramatischen Tragödie.

 

Und das Beste daran war, dass es eben gar kein Schauspiel war.

 

Shikamaru lachte auf und das leise, raue Geräusch wurde von einem Lächeln verfolgt, das sich scharf und definiert über sein Gesicht legte. „Jo, alles ist vergeben.“, schmunzelte er und brach gleich darauf in weiteres Gelächter aus. 

 

Chōji sah ihn schief und fast schon fassungslos an; seine Augen waren weit und sein Mund hing in einem überraschten Lächeln offen. Als hätte er diese Reaktion von seinem Freund nicht erwartet.

 

Scheiße…ist es wirklich so lange her, seit ich das letzte Mal vor jemandem gelacht habe?

 

Energisch tat Shikamaru so, als hätte er Chōjis Blick nicht bemerkt und konzentrierte sich stattdessen auf Kibas verzweifelte Pose, während der Hundeninja seinen Verlust an Erpressungsmaterial beklagte.

 

„Nein, nein, nein…“, jammerte Kiba immer wieder und suchte das Blätterdach nach irgendeinem Zeichen oder einer Bewegung des Vogels ab. 

 

Endlich begriff auch Akamaru, dass keine unmittelbare Gefahr drohte und hörte auf, Kreise um Kiba herum zu ziehen. Er legte den Kopf schief und seine Schlappohren stellten sich aufmerksam auf, als er dem Blick seines Herrchens hinauf zu den Baumkronen folgte. 

 

„Das ist jetzt aber wirklich zu blöd, Inuzuka.“, sagte Shikamaru gedehnt und schüttelte den Kopf. 

 

„Arrgh! Verdammt!“ Kiba beschrieb einen engen Zirkel und fuhr sich fahrig mit den Fingern durch sein Haar, um frustriert die braunen Strähnen zu umklammern. „Er hat sie geklaut!“ Immer wieder fiel sein Mund auf und schnappte zu, während er hinauf in das Blätterdach stierte und dabei so gequält aussah, als hätte der Vogel ihm das Herz heraus gerissen. „Er hat die verfickte Kamera geklaut!“

 

„Jo, wirklich gut beobachtet.“ Shikamaru knickte die Hüfte gegen einen Baum ein und seine Stimme war heiser vor Lachen, als sein Blick zu etwas auf Kibas Schulter fiel; seine Augen leuchteten mit einer frischen Woge Belustigung auf. „Schätze mal, dass sogar dumme Genies einen Notfallplan haben.“

 

Kiba schüttelte den Kopf und starrte weiter aussichtslos in die Bäume, bis Shikamarus Worte zu ihm durchdrangen. Aus den Augenwinkeln warf er dem Schattenninja einen säuerlichen Blick zu. „Hey, halt die Klappe. Das hast du ganz sicher nicht geplant.“

 

Shikamaru presste die Lippen aufeinander und sein Magen verkrampfte sich gegen die Welle aus Lachen, die sich in ihm aufbaute. „Klar…“

 

 Kibas Augen verengten sich argwöhnisch. „Das ist absoluter Bullshit.“

 

Shikamaru zuckte mit den Achseln; sein Grinsen schlich sich beinahe auf seine Gesichtszüge. „Eher Vogelscheiße.“

 

Chōji brach in schallendes Gelächter aus und warf dabei den Kopf in den Nacken. „Du hast echt die mieseste Art von Glück, Kiba.“

 

„Was?“ Kiba runzelte die Stirn, bis ihm so langsam die Erkenntnis dämmerte und seine Augen weit aufflogen. Ruckartig drehte er den Kopf und sein Blick richtete sich schlagartig auf die Ursache ihrer Belustigung. „Oh, du willst mich wohl verscheißern! NEIN!“

 

Chōji kicherte und blinzelte mit Tränen in den Augen auf den dicken klobigen Fleck, der zähflüssig auf der Schulter von Kibas Flakjacke hing. „Oh hey, Shikamaru, ich glaube das ist dein Shogi Spielstein.“

 

Shikamaru legte den Kopf schief und kniff ein bisschen die Augen zusammen, um Vogelkot-Klumpen auf Kibas Schulter besser in den Fokus zu bekommen und seine Lippen bogen sich zu einem Grinsen. 

 

„Schachmatt.“

 

Kibas wildes Heulen schreckte die Nara Hirsche zu einem panischen Sprung auf, doch das Geräusch, der dem Schrei folgte, brachte einen Hirschbock dazu, sich wieder umzudrehen und den Kopf zu heben; die Ohren stellten sich hoch auf, als sie den aufwühlenden und sehr vermissten Klang auffingen. 

 

Shikamarus Lachen. 

 

Es wurde rauchig über Kibas Brüllen getragen und rollte warm und entspannt hinauf in die Baumkronen und zwischen den Bäumen hindurch; jagte einen Geist qualvollen Kummers und schmerzhafter Traurigkeit fort, der den Wald seit Tagen heimgesucht hatte.

 
 

oOo
 

 
 

Eine Aura aus Stille hing schwer im Herzen der Hyūga Residenz.

 

Wie ein ungesungenes Klagelied; erfroren in kalten Lungen. 

 

Atme…

 

Neji atmete scharf ein. Er spürte, wie sich sein Magen gegen einen verspäteten Tremor zusammenkrampfte, als er die Schwelle auf den Innenhof überschritt und augenblicklich die seltsame Stimmung bemerkte. 

 

Was ist hier passiert?

 

Eine schwere niederdrückende Statik schien in jedem Molekül der Luft zu hängen und seinen Atem zu verdichten. Die seltsame Empfindung von Spannung schien die Ruhe aus ihm zu ziehen wie ein Parasit und sonderte dafür eine ominöse Kälte ab, die ungesehen die Wände entlang und über seine Haut kroch; sie stellte seine Härchen auf und ließ seine Nerven straff ziehen. 

 

Chakra…

 

Neji nahm es wahr und aktivierte vollkommen automatisch sein Byakugan, um den Innenhof zu scannen. Seine unheimlich definierten Pupillen verjüngten sich wie zu scharfen Nadelspitzen und folgten dem Chakra, das in sein Sichtfeld kam; Flackern, Wirbelungen und die Flut einer blauweißen Aura bluteten in seinen monochromen Blick. 

 

So viel Chakra…

 

Der Hof schien damit förmlich aufgebläht zu sein. Eine kühle und stagnierende Ansammlung von verbrauchter Energie, die sich stellenweise ausbreitete, um die kuppelförmigen Strukturen des Kaitens zu formen; und weniger gefestigte Formationen von Jutsumustern, die ihm unbekannt waren. 

 

„Neji-niisan.“

 

Neji blinzelte und die zusammengezogene Oberfläche seiner Augen glättete sich zurück zu ihrem makellosen, opaleszenten Kristall. Die Byakuganvenen ebneten sich, als er sich umwandte und seinen ruhigen Blick auf seine jüngste Cousine richtete. Sie stand außerhalb der Reichweite der Sonne und ihr Gesicht wurde von einem langen Schatten verdeckt, der scharf darüber fiel; ein Spalt aus Schwarz, der ihre Gestalt zu halbieren schien. 

 

Neji neigte den Kopf. „Hanabi-sama.“

 

Sie stand nahe dem Trainingsraum auf der Veranda und hatte sich ihr Haar in einem festen Zopf nach hinten gebunden, der seine eleganten Wellen an ihrem Scheitel begann und über ihre Schulterblätter fiel. Unter einem blassen ärmellosen Oberteil mit V-Ausschnitt trug sie das Standard Ninja-Netzshirt und dazu passende weiße Hosen. 

 

Obwohl er sie gegrüßt hatte, antwortete sie ihm nicht sofort.

 

Sie kam auch nicht zu ihm. 

 

Sie blieb einfach nur gegen einen Pfosten der Veranda gelehnt und hielt sich in der Kühle der Schatten. Energisch versuchte Neji, sich nicht auf das Kribbeln auf seiner Haut zu konzentrieren und trat einen Schritt nach rechts, damit die Nachmittagssonne auf sein Gesicht treffen konnte. Sie tauchte seine hohen Wangen in goldene Pinselstriche. 

 

Doch die Wärme schaffte es kaum, den Chakradunst zu durchdringen. 

 

Neji spähte kurz umher, bevor er seinen Blick auf das beschattete Gesicht richtete. „Was ist hier passiert, Hanabi-sama?“

 

„Willkommen zuhause.“, grüßte Hanabi nur; ihre Stimme war hohl und leise.

 

Sie sagte kein weiteres Wort, sondern musterte ihn beinahe schon wachsam. 

 

Seltsam.

 

Neji senkte eine Schulter und ließ seine Ninjatasche in seine Armbeuge gleiten, während er nach vorn trat; seine Muskeln spielten und spannten sich an gegen den fast schon klaustrophobisch wirkenden Druck von Chakra. 

 

„Danke.“, antwortete er neutral und fing mit den Augen ein Funkeln von Stahl auf. Hanabi drehte ein paar Shuriken in ihren schlanken Fingern und schob sie immer wieder wie Spielkarten zusammen. 

 

Was zur Hölle ist hier los?

 

Neji zögerte für einen Moment, bevor er den tiefen Samt seiner Stimme zu seinem beruhigendsten Tenor formte. „Ist Hiashi-sama beim Rat?“

 

„Nein.“ Hanabi schlang in einem abrupten Zucken einen Arm um den Pfosten; flink wie ein Katzenschweif und zerrte die Shuriken wie eine Kätzin über das Holz, die ihre Krallen schärfte. 

 

Neji beobachtete dieses seltsame Verhalten mit dem leichtesten Zucken an seinen Augenwinkeln. 

 

Und dann traf die Sonne auf die Shuriken. 

 

Ein Schimmern frakturierten Lichtes fiel auf ihr Gesicht. 

 

Es flammte wie ein dünnes Blitzlicht über die bösartige Verbrennung, die die blasse Neigung ihres Kiefers zeichnete und sich wie roter Kalk über ihren Hals zog. 

 

Neji blieb vollkommen ruhig, doch eine Welle aus Kälte flutete seine Wirbelsäule hinunter und ließ seine Haltung noch starrer werden als sein Gesicht. „Was ist mit dir passiert?“

 

Hanabi stand schweigend da und beäugte ihn mit einer unlesbaren Flachheit auf dem Gesicht, die seltsam heimsuchend wirkte. Was aber noch viel schlimmer war, war die Tatsache, dass er diesen Ausdruck nur zu gut kannte. Er hatte einst mit demselben Geist in sich gelebt; er hatte zu ihm zurück gestarrt durch Augen, die einst seinem Vater gehört hatten. Augen, die er geerbt hatte; und eine Heimsuchung, die er mit ihnen geerbt hatte. Eine, die von der raschen Vergänglichkeit zischen Bestimmung und Entscheidung sprach – oder eher diesem gefürchteten Schwebezustand, der daher rührte, dass man zwischen beidem gefangen war. 

 

Stirnrunzelnd trat er einen Schritt näher. „Was ist mit dir passiert, Hanabi-sama?“

 

Einzig und allein das ruckartige Kratzen der Shuriken verriet ihm, dass sie ihn wirklich gehört hatte. Doch da war etwas, das er nicht sah – bis sie ihm in die Augen blickte. Und dann wurde es ihm so schnell klar, dass sich das kalte Unbehagen, das seine Wirbelsäule entlang kroch, auch in einem Aufblitzen in seinen blassen Iriden bemerkbar machte. 

 

Scharf zog er den Kopf zurück und sein Tonfall sackte tief ab. „Wo ist Hinata-sama?“

 

Hanabis Fingernägel gruben sich in den Pfosten und die Shuriken schnitten sich in ihre Handfläche. „Denkst du, dass ich schwach bin, Cousin?“

 

Neji blinzelte; von der Frage nur vage aus dem Konzept gebracht. Seine Aufmerksamkeit lag anderswo und seine Augen zuckten auf der Suche nach ihrer älteren Schwester scharf über den Innenhof. „Ich denke nicht, dass du schwach bist.“

 

„Nein. Du denkst überhaupt nicht an mich, oder?“

 

Was?

 

Nejis Blick schnellte zurück zu der jüngeren Hyūga und die Konturen seines Gesichtes spannten sich mit geübter Gefasstheit an, um dünn seine Besorgnis zu verschleiern. „Wo ist deine Schwester?“

 

Hanabis Augen flammten wie zwei eisige Juwelen auf; kalt und schneidend und viel zu hart. 

 

Doch Neji blieb von dieser Miene völlig unbeeindruckt; hätte sie ohne große Mühe und schlagartig zertrümmern können, wenn er sich dazu entschließen würde, diesen Ausdruck zu erwidern. Doch stattdessen begegnete er ihr noch direkter und das Sonnenlicht warf einen wilden Schein auf sein Stirnband – ein Glühen, das vollkommen im Vergleich zu dem verblasste, was damit drohte, sich gefährlich in seine Augen zu stehlen. 

 

„Was ist hier geschehen?“, wollte er wissen. 

 

Der Hauch eines Tränenstroms flutete die Winkel von Hanabis Augen. Rasch blinzelte sie sie fort und hob ein Stück weit das Kinn, während sie ihren Arm um den Pfosten zurückzog, um dabei schmale klauenartige Rillen in das Holz zu ritzen. 

 

Neji versuchte es mit einer anderen Herangehensweise und ließ den prägnanten Verschluss seiner Schultern etwas fallen, um eine weniger strenge Haltung anzunehmen. 

 

Seine Augen wurden weicher und sein Ton sanfter. „Hanabi, was ist mit dir passiert?“

 

Du hast ihr gezeigt, wie es geht.“ Hanabi spie das ‚Du‘ aus, als wäre es reinstes Gift und ihre Stimme bebte unter ihrem Schmerz. „Also solltest du die Antwort eigentlich wirklich wissen.“

 

Nejis Augen weiteten sich und seine Zunge zog sich in einer scharfen Kurve zurück, als sich seine Zähne hart aufeinander pressten und er einen Atem dazwischen hervor zischte. 

 

Diese Bastarde!

 

Kaum hatte ihn dieser Gedanke getroffen, als ihm eine schneidende Kälte den Rücken hinauf jagte und sich an seinem Nacken niederließ. Aus reinem Instinkt drehte er den Kopf und neigte den Kiefer, um durch seine dichten Strähnen über den Innenhof spähen zu können. 

 

Sein Blick richtete sich auf die ernsten weißen Augen von zwei Mitgliedern des Haupthauses, die ihn beobachteten. 

 

Neji presste hart die Lippen aufeinander, um sich davon abzuhalten, sie in einem Knurren nach hinten zu ziehen.

 

Diese ‚Züchtung‘ der Hauptfamilie nahm ohne zu übertreiben den Löwenanteil des Hyūga Stolzes ein. Doch für Neji waren sie nichts weiter als ein Schwarm Geier, der sich stets in Sicherheit am Rand aufhielt. Raptoren aus purer Tradition, die sich selbst mit makellosen Federn schmückten; Federn, die ihr verschlingendes und zerstörerisches Verlangen danach verbargen, dem grausamen und verdrehten Spiel zuzusehen, das zwischen Hyūga Geschwistern und Cousins in einem bösartigen Kampf darum ausgetragen wurde, wer der Stärkere war. Es war nichts anderes als ein primitiver Kampf ums Überleben.

 

Neji drehte seinen Kopf noch ein Stück weiter. 

 

Einer der Hyūga Ältesten hob das Kinn; seine blassen Augen waren von Falten an den Rändern wie vernarbt und die Ebene seiner zerfurchten Stirn hob sich erwartend. Doch es war der jüngere Mann, der Nejis Blick wie einen fixierten Scheinwerfer hielt; unerschütterlich und kalt. Herablassend, befehlend…

 

Kontrollierend…

 

Hyūga Hitaro.

 

Hiashi’s Cousin.

 

Hitaro hob seinen breiten Kiefer und eine dunkle Braue wanderte in einem weiteren von unzähligen unausgesprochenen Befehlen nach oben; Befehle, die Neji ebenso gut kannte wie jedes andere Zweigmitglied auch. Manchmal bestanden die Aufforderungen des Haupthauses schon aus kaum bemerkbaren Bewegungen. Doch Neji beherrschte die Sprache dieser tonlosen Erwartungen fließend. Und diese hier sprach sechs Worte ohne ein einziges Geräusch.

 

„Du wirst dich vor mir verneigen.“

 

Neji stählte seinen Kiefer, als jede Faser in ihm zum Leben erwachte wie Vipern, die angreifen wollten – aber diese Vipern könnten genauso gut Ketten sein; banden ihn nieder in verzweifelter Vergeblichkeit. Während er unbeirrt Hitaros Blick hielt, wog Neji die Konsequenzen ab, sollte er sich weigern. 

 

Doch dann wandte sich sein Blick Hanabi zu. 

 

Sie starrte aus verletzten und hart werdenden Augen zu ihm auf. Und auch ihr Ausdruck sprach ein wortloses Wispern. Eine Anschuldigung ohne einen einzigen Klang.

 

„Du solltest mich beschützen.“

 

Götter…wenn ihn das nicht hart an einem Ort traf, der immer noch viel zu empfindlich war, um dort einen Schlag einstecken zu können. 

 

Er schloss die Augen und atmete gefasst ein, bevor er sich tief vor Hanabi verneigte, Hitaro nichts weiter als seinen Rücken darbot und einfach fort lief.

 
 

oOo
 

 
 

Vierzehn Tage. 

 

Für Shikamaru war es aus vielen Gründen eine zeitliche Bewährungsprobe gewesen. Und die meisten davon bezogen sich vor allem darauf, eine Kluft zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu schaffen, die groß genug war, damit er sich von seinen Gedanken distanzieren und sie aufspalten konnte. In seinem Verstand, geschah die Vergangenheit nicht jetzt, also gab es auch keinerlei Grund, zuzulassen, dass sie die Gegenwart beeinflusste. 

 

Es bewahrte ihn vor der Schuld, der Trauer, der Reue.

 

Manchmal bewahrte es ihn auch davor, sich zu erinnern…

 

Doch leider wusste niemand diese brillante evasive Taktik jemals zu schätzen. 

 

Und niemand war hartnäckiger darin, sich dem zu widersetzen wie seine Mutter.

 

Also hätte es ihn eigentlich nicht überraschen sollen, als er mit einer unkooperativen Shojitür konfrontiert wurde, als er versuchte, sein Haus zu betreten; und mit einigen Splittern, nachdem er die automatische Taktik ‚Gewalt findet immer einen Weg‘ angewandt hatte. 

 

Es hätte ihn auch nicht überraschen sollen, dass diese Taktik fehlschlug. 

 

Shikamaru war sich ziemlich sicher, dass es daran lag, dass seine Mutter – und vermutlich die meisten Frauen - die schiere Definition und der Inbegriff der Frage „Was passiert, wenn man unbewegliche Objekte mit unaufhaltsamer Kraft trifft?“ waren. 

 

Sie gewinnt. Das ist es, was passiert. Verdammt.

 

Yoshino hatte das Haus vollkommen verrammelt und verriegelt. 

 

Schon wieder. 

 

„Lästige Frau.“

 

„Was ist los?“, fragte Chōji und schielte über Shikamarus Schulter. 

 

„Nichts.“, seufzte Shikamaru und ließ seine Stirn gegen die Tür sinken. Mit der Seite seiner Faust hämmerte er mit einem dumpfen Pochen gegen den Rahmen. „Mom!“

 

„Uh, Shikamaru…“, rief Kiba. 

 

Was?“

 

„Dieser verrückte Vogel…du hast ihn aus Hanegakure mitgebracht oder?“

 

„Jo.“

 

„Huh, klar.“ Der Hundeninja stand ein paar Schritte entfernt auf der Veranda und hatte die Hände in seinen Achselhöhlen vergraben. Er hatte eine finstere Miene aufgesetzt und bebte auf der Stelle, während er düster zu dem Nara Wald stierte. Er hatte seine zerfetzte Jacke ausgezogen und die Nase gegen den Gestank des Vogelkots und den dampfigen Geruch entfernten Regens gerümpft.

 

„Das erklärt es, weißt du.“, sagte Kiba. 
 

Chōji sah zwischen den beiden hin und her. „Erklärt was?“

 

„Er ist besessen.“

 

„Er ist nicht besessen.“, wies Shikamaru diese Aussage etwas zu vehement ab; besonders wenn man die Tatsache bedachte, dass Kiba hier durchaus einen plausiblen Punkt angesprochen haben könnte. „Du hast ihn nur angepisst.“

 

Kiba gab ein Geräusch von sich, das entweder Ausdruck einer Verdauungsstörung oder eine leise Beleidigung sein könnte. Doch Shikamaru konnte es ihm nicht wirklich verübeln. Wenn man alle Aspekte mit einbezog, dann hatte Kiba einen berechtigten Grund, verschreckt zu sein.

 

Denn der Falke war für eine zweite Runde zurück gekehrt. 

 

Und diesmal war er nicht zum Spielen gekommen. 

 

Sehr zur Beunruhigung des Nara hatte er einen sofortigen Angriff gestartet und war direkt auf den Hundeninja losgegangen. Er hatte das Oberteil des Inuzuka in Fetzen gerissen und das Gewebe in einen Zustand versetzt, der aussah, als wäre Kiba in ein Kreuzfeuer aus Kunai und Shuriken geraten. Jetzt stand er da; mit einem fasrigen Anschein dessen, was mal ein beigefarbenes Shirt gewesen war. Seine Jeans starrten vor Dreck und waren von Krallenspuren abgewetzt. Bloßgelegte Haut zitterte gegen die Kälte, die mit den Wolken heran rollte. 

 

„Ich hasse deinen Vogel.“

 

„Es ist nicht mein Vogel.“, grummelte Shikamaru und hämmerte erneut mit der Faust gegen die Tür. „Und ich habe dir gesagt, dass du ihn nicht anpissen sollst.“

 

„Du hast mit einem verfickten Netz nach ihm geschlagen und dich hat er trotzdem nicht angegriffen!“

 

„Ich habe Glück. Du nicht.“

 

„Oh, wirklich?“, fragte Kiba mit übertriebener Überraschung und vollführte eine ausladende Geste, die sein erbärmliches Aussehen von Kopf bis Fuß einfasste. „Er hat auf mich gekackt, mich angegriffen und meine Kamera geklaut!“

 

„Das ist nicht deine Kamera.“, bemerkte Chōji. 

 

„Das ist nicht der Punkt.“

 

„Und es ist auch nicht mein Problem.“, knurrte Shikamaru und versuchte noch einmal, die Tür zu öffnen. „Scheiße.“

 

„Sie hat nicht damit gerechnet, dass du wieder hierher kommen würdest, oder?“, fragte Chōji

 

„Ne…“

 

„Bist du dir sicher?“ Kiba legte die Stirn in Falten und ließ seine Tirade für einen Moment gut sein; aber auch nur deswegen, weil diese Verzögerung bedeutete, dass er noch länger in der Kälte rumstehen musste. Hüpfend gegen die kühle Luft kam er zu ihnen herüber. „Also warum ist das Haus denn so verriegelt?“

 

Shikamaru schürzte die Lippen und seine Faust verkrampfte sich gegen den Türrahmen. Wenn er die Frage einfach ignorieren würde, dann wäre das besser als zu lügen. Es wäre ohnehin zu viel Aufwand, sich eine Geschichte um eine Wahrheit herum auszudenken, von der er manchmal bezweifelte, dass sie jemals stattgefunden hatte. 

 

Sie war wie ein fragmentierter und surrealer Albtraum, den er zu vergessen versuchte. 

 

Doch die Erinnerung an diese Nacht kam immer wieder wie ein Aufblitzen zu ihm. 

 

Wie ein stroboskopartiges Flackern; grell und brutal, wie die Blitze es in der Nacht gewesen waren, als Neji höllisch versessen auf Vergeltung und wie ein Henker auf ihn losgegangen war.

 

Shikamaru presste seufzend seinen Kopf gegen die Tür. 

 

Stirnrunzelnd zog Chōji eine Tüte Barbecue Chips hervor, und das Knistern der Packung wurde von dem Rascheln von Blättern ertränkt, als Shikamaru in die Hocke ging, um sie vom Boden fort zu wischen. 

 

„Uh, Shikamaru, was machst du da?“

 

„Ich breche in mein eigenes Haus ein.“, murrte er nur halb sarkastisch, während er über die Schulter spähte. „Kiba, geh mal aus dem Weg, du blockierst das Licht.“

 

Kiba schlurfte grummelnd zur Seite und Akamaru winselte. Der Hund legte den Kopf in den Nacken und peitschte seinen Schwanz in einem beruhigenden Tätscheln zaghaft gegen die Beine des Inuzukas, während er sich näher kuschelte, um etwas Wärme zu teilen. 

 

Shikamaru ließ sich auf ein Knie nieder und faltete seine Finger in zwei raschen Zeichen. „Kage Nui no Jutsu.“

 

Eine schwarze Ranke löste sich von seinem Schatten und verbreitete sich zu einer spachtelartigen Form, die durch den Spalt unter der Tür glitt. Shikamaru schloss die Augen und zerrte die Karte seines Zuhauses vor sein inneres Auge. Dementsprechend dirigierte er den Schatten und konzentrierte genug Chakra, um das Ende zu verjüngen und den Kontaktpunkt zu der Tür flach und fixiert zu halten. 

 

Fast geschafft.

 

Das Türschloss klickte, bevor er es erreichen konnte. 

 

Mist.

 

Die Tür wurde zurück gezogen.

 

Aus reinem Instinkt duckte sich Shikamaru und rollte zur Seite weg; gerade so entging er dem Schwung der Katana Klinge. Mit einem zischenden Knacken traf das Schwert auf der Terrasse ein und sandte Holzsplitter in alle Richtungen. 

 

Chōjis Mund klappte auf, während seine Chipspackung zu Boden segelte. 

 

Kiba allerdings musste seine Kiefer zuschnappen lassen, um sich vom Lachen abzuhalten; vollkommen unbeeindruckt von der brutalen Reaktion einer wilden – und möglicherweise wahnsinnigen – Mutter. 

 

„Mom!“, bellte Shikamaru und sprang zurück auf die Füße, während er eine Hand nach außen hielt. „Was zur Hölle? Ich bin’s!“

 

Yoshino schob den Kopf aus der Tür und Shikamaru erhaschte den kürzesten Blick auf eine ängstliche Art von Wildheit, die er noch nie zuvor in ihren Augen gesehen hatte. 

 

Doch kaum richtete sich ihr Blick auf ihn, war es auch schon fort. „Im Ernst, warum hast du es nicht einfach mit der Vordertür versucht?“

 

„Das habe ich.“ Shikamaru ließ seine Hand sinken, hielt seine Stimme aber ruhig. „Sie war abgesperrt. Wie jede andere Tür und jedes verdammte Fenster im ganzen Haus.“

 

Yoshino schniefte und ihre Augen fielen hinab auf die Narbe auf seiner Wange, bevor sie an der Klinge zerrte und sie aus der Veranda löste. Seufzend sah sie auf den hässlichen Riss, den sie im Holz hinterlassen hatte. „Jetzt muss ich das irgendwie kitten und abschleifen.“

 

Shikamaru starrte sie für einen langen Moment an und seine Augen zuckten ungläubig. „Das hätte mein Kopf sein können.“

 

„Naja, du kannst froh sein, dass du die Reflexe deines Vaters hast, oder?“, wiegelte Yoshino ab und ihr Blick wurde ruhiger, als er auf Chōjis nervöses Gesicht fiel. „Macht mein Junge dir Ärger, Chōji-kun?“

 

Der Akimichi grinste verlegen und klopfte Shikamaru auf eine Schulter, als der Schattenninja seine Mutter fassungslos anfunkelte und die Hände in die Hüften stemmte, während er ein Bein einknicken ließ und den Kiefer anspannte. 

 

Chōji lächelte entwaffnend. „Kiba und ich kommen schon mit ihm klar, Nara-san.“

 

Shikamaru warf einen mörderischen Blick über die Schulter, als Kiba laut genug hustete, um sowohl sein Lachen zu verschleiern und gleichzeitig die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Kaum sah Yoshino zu dem Inuzuka hinüber, da verwandelte er seine Gesichtszüge zu dem Ausdruck eines getretenen Welpen. 

 

„Kami, Kiba-kun, was ist mit deinen Sachen passiert?“, fragte Yoshino gleichermaßen besorgt und argwöhnisch.

 

Kiba fuhr mit einer Hand über sein zerfetztes Oberteil und schüttelte den Kopf. „Shikamaru hat versucht, mich zu warnen, Nara-san.“

 

„Wiederholt.“, fügte Shikamaru hinzu. 

 

„Wiederholt.“, stimmte Kiba ein wenig zu entgegenkommend zu. „Aber ich konnte es einfach nicht. Ich konnte einfach nicht zulassen, dass dieser Hund ihn zerfleischt.“

 

Shikamarus Kiefer klappte nach unten und er würgte ein sprachloses Schnauben hervor. 

 

Du willst mich verarschen oder…?

 

Doch bedauerlicherweise war es das offenbar nicht der Fall. 

 

Und während Shikamaru nur zu gut wusste, dass Kiba ihn niemals bei irgendetwas überlisten würde und auch nicht überlisten könnte, wenn es um strategisches Denken ging, gab es dennoch eine Sache, die der Hundeninja deutlich besser verstand als er.

 

Frauen. 

 

Yoshino blinzelte skeptisch und ihr Blick zuckte auf der Suche nach einer List rapide zwischen den beiden Teenagern hin und her.

 

Shikamaru erhielt nicht einmal die Chance, seinen Mund auf zu machen. 

 

Kiba wechselte viel zu schnell die Taktik und umklammerte seine Seite, während Akamaru auch schon tief und laut zu winseln begann und die Flanke des Inuzuka mit einer nassen besorgten Nase anstupste. Kiba spielte seine Rolle makellos und wimmerte bei dem Kontakt, als würde es wirklich weh tun. 

 

„Ich bin schon ok, Junge…“ Er tätschelte nachsichtig den Kopf seines Hundes. „Du hast das auch richtig gut gemacht; hast Shikamaru beschützt, während ich das Vieh abgewehrt habe.“

 

Chōji schob sich hinter Shikamaru, um sein breites Grinsen zu verstecken. 

 

Und Shikamaru sah mehr als bereit dazu aus, Kiba zu ein paar echten Verletzungen zu verhelfen. 

 

Doch zum fassungslosen Schock ihres Sohnes, schmolz Yoshino beim Anblick des Köters, der sich schauspielhaft um den Inuzuka sorgte, geradezu dahin. Shikamaru machte sich eine dicke fette Notiz über tierische Taktiken und deren Auswirkungen. Vielleicht erklärte das auch, warum sein Vater sie immer wieder zu den Hirschen lockte, wenn sie an manchen Tagen seltsam still war. 

 

Und damit dämmerte ihm auch, wie still sie seit der Nacht gewesen war, in der Neji ihn angegriffen hatte. 

 

Für drei ganze Tage war sie mehr eine Fremde in ihrem Haus gewesen als das namenlose Gesicht, das ihr Zuhause verwüstet und ihren Sohn attackiert hatte. Daher auch die dramatische Abriegelung der Nara Residenz. Shikaku sagte nichts dazu und gab ihr nach; und bestand darauf, dass Shikamaru dasselbe tat, doch für den jungen Schattenninja war es nichts weiter als eine irritierende und mehr als lästige Überreaktion. 

 

Es geht mir gut. Sie könnte endlich über das, was passiert ist, hinwegkommen. 

 

Es war nichts im Vergleich zu dem, auf das sein verdammtes Leben tagein tagaus hindeutete. 

 

Jede einzelne Mission trug das Risiko in sich, niemals wieder nach Hause zurück zu kehren. 

 

Doch aus irgendeinem seltsamen Grund, hatte diese Sache seine Mutter sehr hart getroffen und sein Vater bot keinerlei Hinweise an – weder kryptisch oder andersartig – warum das so war. 

 

Seltsam…

 

Er blinzelte sich von seinen Gedanken zurück, als Yoshino Kiba ins Haus rief und Shikamaru auftrug, passende Klamotten für seinen ‚tapferen Freund‘ rauszusuchen, der ihn vor einem tollwütigen Hund gerettet hatte, der mindestens doppelt so groß wie Akamaru gewesen war. 

 

Ja klar…

 

Kiba humpelte zur Tür und entwickelte auf dem Weg Verletzungen, die Akamaru mit klagendem Winseln und besorgten Stupsern unterstützte. 

 

Un-fucking-fassbar.

 

Der Hundeninja warf Shikamaru ein schiefes Grinsen zu, als er an ihm vorbei wackelte. 

 

Shikamarus Mundwinkel fielen mit einem Stirnrunzeln nach unten. „Ich glaub’s nicht, dass sie darauf reingefallen ist.“

 

Chōji lachte auf. „Sieh zu und lerne, Kumpel. Ha und das ist eine weitere Sache, von der ich nie die Gelegenheit bekomme, sie zu dir zu sagen.“ Er seufzte zufrieden und seine runden Wangen verzogen sich zu einem Schmunzeln. „Yep, dieser Tag wird klasse!“

 

„Für dich vielleicht.“, grummelte Shikamaru kopfschüttelnd. „Irgendwas sagt mir, dass ich in Tränen aufgelöst sein werde, bevor das alles vorbei ist.“

 

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So und es geht wieder weiter mit Shikamaru und Neji ;) Ich hoffe ja, dass ich mich bei der ködiantischen Schreiberei ganz gut schlage und dass ich euch zum Lachen bringen konnte ;) Würde mich natürlich wieder sehr über ein paar Kommentare freuen! ;) 

Ja und zwischen drin war es dann wieder etwas ernster...und für alle, die vielleicht sogar ein bisschen enttäuscht waren, dass Hiashi in BtB nicht ganz so der Kotzbrocken ist, wie man es erwarten würde - hier habt ihr jemanden, den ihr aus tiefstem Herzen verabscheuen könnt und es wäre ja auch zu einfach, Neji jetzt einfach gar nicht mehr leiden zu lassen, deshalb stelle ich vor : Hyūga Hitaro -  quasi der Joffrey Baratheon der BtB Serie, wenn man so will, wenn es darum geht, wie sehr man einen Charakter hassen kann (zumindest bei mir) ^^

 

Ich hoffe auf jeden Fall sehr, dass euch das Kapitel gefallen hat!! <3 Vielen Dank auch an alle meine lieben Reviewer/innen und Leser/innen!! <3

Chains and burdens of the past

Shikamaru lief die Straße entlang wie ein Gefangener auf seinem langen Weg zu einem langsamen Tod. Und Chōji lief mit federnden, beinahe schon hüpfenden, Schritten direkt neben ihm; alles was jetzt noch fehlte, war ein gelegentliches aneinander Stupsen der Fersen und irgendein willkürliches Lied. 

 

„Klasse.“, seufzte Shikamaru, vergrub eine seiner Hände in die Tasche seiner schwarzen Hose und funkelte Chōji halbherzig an. „Du hast echt Spaß hierbei…“

 

„Mehr als das.“ Chōji grinste und die Haut um seine Augen kräuselte sich fröhlich. „Endlich bin ich mal derjenige, der genau weiß, was abgeht und du bist total ahnungslos. Das ist ziemlich lässig.“

 

Shikamarus Lippen hoben sich an einem Mundwinkel. „Klar.“

 

Es stimmte schon, dass er nichts von Inos Plänen wusste, aber er war bei weitem nicht ahnungslos. 

 

Auch jetzt und obwohl sie sich gerade einmal auf halbem Weg dorthin befanden, wo auch immer diese ‚Überraschung‘ stattfinden sollte, hatte er bereits eine ziemlich gute Vorstellung davon, auf was sich die Optionen zusammenziehen konnten. Es gab einige Orte, die er einfach aufgrund von Inos Vorhersehbarkeit festgepinnt hatte. Und bald genug würden sich diese Möglichkeiten auf einen einzigen Punkt reduzieren. 

 

Jo…Fegefeuer…

 

Und er war sich mehr als sicher, dass die Götter lachend zusahen. Er hoffte einfach nur, dass die Hölle, die er letztes Jahr hatte durchleiden müssen, ihm einige universelle Gefälligkeiten bei den Mächten eingebracht hatte, die diesmal ihre Finger mit im Spiel hatten. 

 

Ich werde das hier nichtmal verschlafen können…

 

Und vor diesem Hintergrund begann sein Schlafmangel ernsthaft seinen Tribut zu fordern. Selbst wenn er nicht von Natur aus eine Person gewesen wäre, die Schlaf so sehr genoss und sich danach sehnte wie er es tat, blieb da immer noch die Tatsache, dass er ihn brauchte. Er brauchte dieses besinnungslose Ausschalten für seine gottverdammte geistige Gesundheit, vor allem wenn man die Geschwindigkeit bedachte, mit der sich sein Hirn bewegte. 

 

Ich werde einfach meine Zeit absitzen und mich dann ins Bett verziehen…

 

Chōji kicherte und genoss offensichtlich das persönliche Leiden seines Freundes, als hätte er Shikamarus Gedanken gelesen. „Du flippst gerade aus, stimmt’s?“

 

Shikamaru schmunzelte und bewegte die Finger, um wieder etwas Blut in die tauben Glieder fließen zu lassen. Sie waren um den dünnen Riemen einer Kordeltasche gehakt, die über seiner Schulter hing und in der sich Inos Geschenke befanden. Er verlagerte das Gewicht der Tasche und spürte die Ecke eines eingewickelten Gegenstandes, der sich in seine Wirbelsäule grub.

 

„Ich werde mich an diesen Tag erinnern. Nur, dass du das gleich weißt!“

 

Chōji konterte den trockenen Kommentar mit einem Grinsen. „Du wirst mir vergeben.“

 

„Darauf würde ich nicht wetten.“

 

Im Kopf des Schattenninjas hatte sich eine kleine Punktetafel manifestiert – und sie war peinlich nah an der Art Tafel, die Ino für ihn und Chōji hatte. Allerdings hatte sich Shikamaru statt für eine Partie „Du schuldest mir was“ für einen defensiven Konter entschieden. Er begann damit, alle Gründe aufzuzeichnen, aus denen er eine angemessene Entschuldigung dafür hatte, in naher Zukunft niemandem auch nur noch eine verdammte Sache zu schulden. 

 

Dieses Spiel hieß „Daran werde ich mich erinnern“.

 

Und gerade, als er seinen besten Freund über die Grundregeln dieses Spiels aufklären wollte, erscholl ein wilder Schrei den Bürgersteig entlang, der an Shikamarus Hirn entlang kratzte wie ein Shuriken, das an der Innenseite seines Schädels rotierte.

 

„SHIKAMARU!“

 

Der Schattenninja hielt inne und hörte das scharfe Klacken hochhackiger Schuhe, die von Stein abprallten. Er hob den Blick und ein Wirbel aus Lila zog seine Aufmerksamkeit auf die sich nähernde Gestalt, die in Indigo und Flieder gehüllt war. Energisch hielt er sein Gesicht blank wie eine Maske, auch wenn sich ein belustigtes Grunzen tief in seiner Kehle verfing. 

 

Was zur Hölle macht sie da?

 

Ino fuchtelte mit einem langen Band durch die Luft, das wie ein Schal oder Obi Gürtel aussah, während sie sich ihren Weg zu ihnen bahnte; die flachsfarbene Peitsche ihres hohen Pferdeschwanzes wippte auf der Brise. Shikamaru blinzelte und nahm sich einen Moment, um die Tatsache zu bewundern, dass sie wirklich in Schuhen rennen konnte, die vermutlich dazu entwickelt worden waren, um Frauen zu verkrüppeln. 

 

Die Folter- und Verhörabteilung könnte die Dinger sicher gut gebrauchen…

 

Mit einer düsteren und schmerzerfüllten Miene hüpfte Ino die letzten Schritte zu ihnen hinüber. 

 

„Das war dumm.“, bemerkte Shikamaru. 

 

„Argh! Ich glaub’s nicht, Shikamaru!“ Ino ließ eine Hand nach außen schnellen, um sich an Chōji abzustützen und das Gleichgewicht zu halten. Sie hatte die Knie gebeugt und balancierte auf einem Bein nach dem anderen, um die Last von jedem misshandelten Fuß zu nehmen, während sie unter ihren Strähnen finster auf den Schattenninja stierte. „Ich habe Ewigkeiten damit zugbracht, sie zu finden und du behandelst sie wie Altkleider! Was sie definitiv nicht sind, du hast sie nämlich noch nie getragen!“

 

Shikamaru schielte hinunter auf ihre Füße und runzelte die Stirn angesichts der Rillen, die die schmalen Riemen in die Haut über ihrem hohen Rist geschnitten hatten. „Sollte ich wissen, wovon zur Hölle du gerade redest?“

 

Ino schnippte mit den Fingern, um seine Aufmerksamkeit wieder nach oben zu dirigieren und schwankte auf einem Bein. „Kiba. Er trägt deine Klamotten.“

 

„Ich weiß.“

 

„Die Klamotten, die ich für dich gekauft habe.“

 

Shikamaru starrte sie ausdruckslos an und war sich nicht sicher, ob es weise wäre, an dieser Stelle den Mund auf zu machen. Schweigend schätzte er den Ausdruck auf ihrem Gesicht ein. Aus irgendeinem nichtigen Grund, der sich vollkommen dem Verständnis seines männlichen Verstandes entzog, brachte sie das wohl zu irgendeinem anderen Zweck zur Sprache, als einfach nur lästig zu sein. 

 

Mit einer Schulter rollend seufzte Shikamaru und richtete einen ernsten Blick auf sie. 

 

Da er ihr keine Antwort gab, öffnete sich Inos Mund ein kleines Stück und sie verstärkte ihren Griff an Chōjis Arm, als sie sich empört aufrichtete. Ihre Nägel krümmten sich ein wenig zu aggressiv in das Gewebe seines Ärmels.

 

„Schön, dann sei eben ein Mistkerl.“ Mit einem scharfen Klacken des Absatzes rammte sie ihren Fuß wieder auf den Boden. „Es weiß sowieso niemand zu schätzen, was ich euch schenke.“

 

Shikamarus Braue wanderte in die Höhe.

 

Wo zur Hölle kam das jetzt her? Doch bevor die Frage ihn in eine Art unnachgiebigen Blickkonflikt mit ihr führen konnte, schob sich Chōji auf verbale Weise zwischen sie. 

 

„Ich dachte schon, dass du es nicht mehr rechtzeitig schaffst, Ino.“ Chōji stieß sie sanft mit dem Ellbogen an. 

 

Ino brauchte einen Moment, um zu antworten und ihre rasiermesserscharfen Augen waren noch immer auf Shikamaru gerichtet; suchend danach, eine schuldbewusste Miene in diese unbekümmerte Maske seines Gesichtes zu schneiden. Dann blinzelte sie – und die Zündschnur einer glühenden Verletztheit in ihren Augen erlosch sofort, um von einem sanfteren Funkeln ersetzt zu werden, als sie sich mit einem schmalen Lächeln von ihrer Verärgerung erholte. 

 

„Oh komm schon.“ Ino fuchtelte mit einer Hand durch die Luft und wischte damit die Anspannung fort. „Als würde ich zulassen, dass er dahinter kommt.“

 

Shikamaru blinzelte verwirrt; vollkommen aus dem Konzept gebracht von dem dramatischen Stimmungsumschwung. Unsicher suchte er ihr Gesicht ab, bevor er sich für den leichtesten Weg entschied und den Ausweg annahm, den sie ihm anbot. 

 

„Dahinter kommen?“, echote er und sprang damit auf den Themenwechsel an.

 

Ino lächelte ihr zuckersüßes Grinsen; es war die Art, die Shikamaru gut genug kannte, um einen Schritt zurück zu weichen, als sie mit der langen lila Schärpe in ihrer Hand herum wedelte. Langsam drehte sie die Enden um ihre Fäuste und zog das Gewebe mit einem drohenden Schnappen ruckartig straff.

 

„Du schuldest mir was.“

 

Shikamaru warf einen wachsamen und dubiosen Blick auf die Schärpe in ihren Händen. Eine von Inos geschwungenen Brauen wanderte nach oben und ihre Lippen teilten sich, als sich ihre Zunge auf eine Diskussion gefasst machte, von der sie nicht ansatzweise bezweifelte, sie zu gewinnen. Auch ohne irgendein Wort hörte er die Herausforderung allzu deutlich. Sie forderte ihn unmissverständlich heraus, ihr eine Ausrede dafür zu bieten, all die Gründe herunter zu rasseln, aus denen er in ihrer Schuld stand. All die kleinen Ereignisse, die sie sammelte wie kostbare kleine Shuriken; scharf und treffsicher und bereit dazu, auf ihn zu zu segeln. 

 

Shit.

 

Seufzend gab sich Shikamaru geschlagen, indem er eine Hand zurück in seine Tasche schob und sich von ihr fort neigte. „Was auch immer.“

 

Und in der Sekunde, als er die Augen schloss, ließ seine Wachsamkeit nach. 

 

In genau dieser Sekunde stürzte sich Ino auf ihn. 

 
 

~❃~
 

 
 

Neji wusste instinktiv, wo er nachsehen musste. 

 

Intuition führte ihn an einen Ort, den er seit Monaten nicht mehr besucht hatte. 

 

Sie wird hier sein…

 

Die gewundenen Linien des Pfades drehten sich in weichen, aber kontrollierten Kurven durch die Meditationsgärten der Hyūga Residenz. Lautlos glitt Neji die blassen Steine mit derselben langsamen und mühelosen Eleganz entlang wie die hochgezüchteten Koi Fische an der Seite des Weges; ein Regenbogenschwarm reinblütiger Karpfen, die in Achtern durch die flachen und ruhigen Teiche schwammen. 

 

Manche der Fische waren älter als die erfahrensten Hyūga Ältesten.

 

In diesen Gärten fühlte sich die Zeit so viel weniger temporal und vergänglich an als innerhalb der kalten hohen Wände des Hyūga Areals oder des geschäftigen Dorfes jenseits dieser Wände. Selbst der Weg, den Neji entlang schritt, wies nur wenige Risse auf und war leicht zerkratzt von dem Schwung sandalenbewährter Füße. 

 

Als Kind war er hier immer barfuß gelaufen; hatte versucht, die Spuren der Fußstapfen seines Vaters zu finden. 

 

Ein dumpfer Schmerz zog sich durch seine Brust. 

 

Die Ironie entging ihm nicht, doch sie fühlte sich weniger bitter an als noch vor zwei Wochen. Der Geist, dem er als Kind nachgejagt war, diente ihm jetzt als eine ernste Warnung. Er würde nicht dem Weg seines Vaters folgen. Er war auf glühenden Kohlen gewandelt, über Drahtseile balanciert und Pfade entlang gestapft, die übersät waren mit Dornen, bevor er die Sohlen seiner Füße in die Geister von Hizashis Schuhen gedrückt hatte. 

 

Ich werden den Frieden finden, nach dem du dich gesehnt hast…aber ich werde ihn auf meine Weise erreichen…

 

Neji blinzelte langsam und atmete tief gegen die Trauer ein, die sich letztendlich von einem scharfen kratzenden Schmerz in eine dumpfe und schwere Traurigkeit verwandelt hatte, die sich tief in seiner Brust hielt. Es war der Ort, an dem er die Erinnerung an seinen Vater aufbewahrte und bewachte; kostbar und persönlich und jenseits der Reichweite des Zornes, der sie einst befleckt hatte. 

 

Jetzt war es ein einsamer Schmerz des Verlustes, aber es war einer, den er lieber fühlte statt ihn zu verleugnen. 

 

Neji hob eine Hand, um mit den Fingerspitzen über das Hitai-ate auf seiner Stirn zu streichen. 

 

Das Stirnband seines Vaters; der einzige Gegenstand, den er vor vierzehn langen Jahren um vier Uhr morgens gerettet hatte. 

 

Hizashi hatte Weniges hinterlassen. 

 

Nur mich…

 

Das hohle Klopfen eines Bambustropfes zog Nejis Blick zurück aus der Vergangenheit und hinüber zu einem der vielen steinernen Wasserbecken, die den Weg säumten. Riesige Steinlaternen standen wie uralte Wachposten da und schützten den entfernten Pavillon. Er war umgeben von einem Bambushain und Neji wob sich zwischen den dicken beständigen Halmen hindurch wie ein Löwe zwischen gelblichen Käfigstäben.

 

Er brauchte sein Byakugan nicht, um ausfindig zu machen, wonach er suchte. 

 

Vermutlich hatte sie ihn bereits bemerkt. 

 

Neji atmete ein leises Seufzen aus und trat auf die Veranda des Pavillons. Bedächtig verlagerte er das Gewicht, damit das alte Holz nicht knarzte, als er sich der Shojitür näherte und eine Handfläche flach gegen das Paneel drückte. 

 

Er ließ eine Pause seine Anwesenheit signalisieren, bevor er die Tür aufschob. 

 

Lavendelaugen wandten sich ihm durch den Fall langer blauschwarzer Strähnen zu. 

 

Nejis Kiefer verkrampfte sich. Ruhig blieb er an der Türschwelle stehen und die Nachmittagssonne schimmerte über seine Schulter. Sie verwandelte Staubkörner in silberne und goldene Funken, die müßig wie Glühwürmchen in den alten Raum schwebten. 

 

„Ich wusste nicht, wo ich sonst hin sollte…“, wisperte die Kunoichi leise und senkte die Augen auf ihre Hände, die sie ordentlich in ihrem Schoß gefaltete hatte. „Hier ist es still.“

 

Sie kniete in formeller Haltung in dem leeren Raum; scheinbar tief versunken in einer Beratung mit ihrem Gewissen. Und sie war nicht die einzige. Nejis Gewissen wirbelte bereits in unbehaglichen Kreisen um die Situation. 

 

Wie soll ich euch beide beschützen…und dann auch noch voreinander?

 

Neji atmete lang durch die Nase aus. „Hinata-sama…“

 

„Ich habe es geschafft…“ Hinatas Finger drehten und krümmten sich in ihrem Schoß, bevor sie sich zu einem harten Griff versteiften. „Endlich habe ich es geschafft…es zusammen zu halten…“

 

Neji blieb stumm und beobachte das nervöse und zwiegespaltene Nesteln, während Besorgnis die äußersten Winkel seiner Augen leicht zucken ließ, als sich sein Fokus auf ihre Hände richtete. Sie waren dünn bandagiert und die Haut auf den Rücken ihrer Finger roh von Chakraverbrennungen. 

 

„Ich will es nie wieder tun.“

 

Solche Worte hatte er von ihr erwartet, aber der Tonfall, in dem sie sie aussprach schwankte mit einem bitteren zitternden Wispern. Bedacht schlüpfte er aus seinen Sandalen und betrat den Raum. Hinata hielt die Augen weiter auf ihre Hände gerichtet; erst als Neji vor ihr in die Hocke ging, hob sie die Handflächen, um damit ihre Augen zu bedecken. 

 

„Nicht.“, sagte Neji leise, aber bestimmt. 

 

Rasch korrigierte sie ihre Handlung und schob sich stattdessen Strähnen aus Schwarz hinter ihre Ohren. Doch ihr Kinn verblieb mehrere Grade unter der Linie, auf der sie es eigentlich halten sollte, so wie Neji es ihr aufgetragen hatte.

 

„Hebe dein Haupt, Hinata-sama.“

 

„Sie ist meine Schwester…“ Hinata hauchte die Worte verstohlen aus, als wäre es eine streng vertrauliche Information und ein verpöntes Gefühl. „Ich wollte ihr nicht weh tun…Ich wollte nur…sie hat einfach nicht aufgehört…“

 

„Hebe deinen Kopf.“, wiederholte Neji tonlos. 

 

Hinatas Finger krümmten sich zu Fäusten und die Ballen ihrer Hände pressten sich hart gegen ihre Schenkel; die Ellbogen blieben durchgedrückt und die Arme bis zum Zerreißen angespannt. „Ich habe sie verletzt…“

 

„Hebe deinen Kopf.“

 

Und diesmal tat sie es. Ihr Kinn hob sich ebenso schnell wie ihre Augen; lavendelgetönte Seen schwammen mit Schmerz und Scham. „Ich habe sie verletzt und sie waren stolz darauf…“

 

Neji zog die Schultern zurück und hielt sie steif verschlossen. Die Muskeln an seinen Kiefergelenken zuckten, als er sich bemühte, seine Miene im Zaum zu halten. „Ich weiß.“

 

Hinata verzog das Gesicht; getroffen von seiner knappen Antwort. „Du hast gesagt, dass ich den Willen brauchen werde, die Menschen zu be-beschützen…“

 

„Rivalität unter Geschwistern ist in unserem Clan unausweichlich. Der Wille zu beschützen hat damit nichts zu tun.“ Hier machte er eine Pause und drängte energisch den Geist seines Vaters zurück, als er vor seinem inneren Auge aufflackerte, bevor er wie eine sterbende Flamme erlosch. „Es geht um den Willen zu überleben. Das musst du akzeptieren. Hanabi hat das bereits vor Jahren getan.“

 

„Aber ich kann das nicht.“

 

„Du musst.“

 

Hinata schüttelte den Kopf und ihre Augen blitzten mit einer energischen und selten gesehenen Überzeugung und unerschütterlichen Entschlossenheit auf. „Ich will es ändern.“

 

Neji presste die Lippen zusammen, um ein grimmiges Lächeln zu ersticken. 

 

Narutos bleibender Eindruck…

 

Und mit dem Gedanken an bleibende Eindrücke kam die Erinnerung an einen solchen zurück, der roh und tief in den empfindlichen Muskel seines Herzens getrieben war. Und keinen Herzschlag später traf es seinen Kopf; Shikamarus Worte erschollen gedehnt und in einem rauen Murmeln in seinen Erinnerungen. 

 

‚Dein ‚bleibender‘ Eindruck. An diesem Zeitpunkt eher ein Abschiedsgeschenk.‘

 

„Ich werde es ändern, Neji…“, wisperte Hinata. 

 

Nejis Augen kehrten von ihrem glasigen Blick zurück und wurden hart. Seine Aufmerksamkeit schwang zurück zu seiner Cousine, als er eine mentale Tür zu dieser Erinnerung zuschlug und seine Stimme wiederfand, nachdem er schwer schluckte. 

 

„Du befindest dich nicht in der Position, irgendetwas ändern zu können.“, erinnerte Neji sie und seine Stimme nahm eine Kante an, um ihren Widerwillen zuzuhören zu durchtrennen. „Wenn du irgendwann in der Lage bist, den Ältesten die Stirn zu bieten, dann kannst du versuchen, diese Veränderungen durchzusetzen; aber bis dahin sind dir die Hände gebunden. Akzeptiere das.“

 

„Das hast du auch nicht.“, wisperte sie. 

 

Neji blinzelte und zog ein Stück den Kopf zurück. 

 

Resolut hielt Hinata seinen Blick. 

 

Für einen langen Moment antwortete Neji nicht und die Stille verriet die Anspannung, die er erfolgreich von seinem verschlossenen Gesicht fern hielt. Er glättete seine Stimme zu derselben neutralen Ruhe. 

 

„Das ist etwas vollkommen anderes, Hinata-sama.“

 

Hinata lächelte schwach. Es war die Art von traurigem und schwachem Lächeln, mit dem sie ihn bereits während der Chūninprüfungen bedacht hatte. Die Art, die sie immer dann trug, wenn sie sich einer ihrer größten Stärken zuwandte – ihrem Mitgefühl. Doch leider hatte Neji keinerlei Nutzen für eine Stärke, die eine Schwäche offenbaren würde und jetzt im Moment brauchte er es, dass sie stark war.

 

„Verstehe es.“, warnte Neji eindringlich und lehnte sich ohne irgendeine Aggression nach vorn. „Du hältst die Schlüssel zu dem Käfig in der Hand, der aus den destruktiven Traditionen unseres Clans besteht. Du bist die Hoffnung aller Zweigmitglieder.“

 

„Aber du bist-“

 

„Nein!“, schnitt er ihr harsch und mit einem ernsten Ausdruck das Wort ab. „Ich bin nichts weiter als ein Papiertiger in diesem Clan. Du kannst es dir nicht leisten, dieselben Risiken einzugehen wie ich.“

 

„Es ist deutlich mehr, als einfach nur Risiken einzugehen.“, konterte Hinata ohne die Stimme zu heben oder ihren Tonfall zu verändern. Sie musterte ihn mit dieser ernsten Sorge, die ihre Augen mit einer Aufrichtigkeit erfüllte, die so heftig war, dass er für einen Moment den Blick abwenden musste. „Hitaro-sama und unser Großvater…sie beobachten dich und-“

 

„Du musst dir um mich keine Sorgen machen.“, unterbrach Neji sie flach. „Ich weiß, was ich tue.“

 

Hinatas Erwiderung darauf war viel effektiver, als es irgendwelche Worte jemals hätten sein können. Sie senkte ihren Blick einfach nur hinunter auf seine Brust und ihre Augen verharrten bedeutungsschwer auf den Schlüsselknoten in seinen Tenketsu, bevor sie wieder zu ihm aufsah. 

 

Die Subtilität dieses Punktes machte ihn nicht weniger scharf. 

 

Neji sog angespannt die Luft ein. „Unabhängig von allem, was ich in der Vergangenheit getan habe; es ändert nichts daran, was ich jetzt tun muss. Oder was du tun musst.“

 

Hinata beäugte ihn ruhig und eine Mischung aus kindhafter Fragilität und aufkeimender Stärke jagte über ihr Gesicht. „Und was muss ich tun?“

 

Nejis Lippen bogen sich zu einem traurigen Lächeln und eine seltsame, beinahe reflektierende Undurchsichtigkeit berührte seine Augen, als er seine Antwort hauchte: „Was auch immer nötig ist.“

 
 

~❃~
 

 
 

„Warum genau ist das nötig?“

 

„Ist es einfach, also sei still.“

 

„Daran werde ich mich erinnern…“, knurrte Shikamaru und sein Gesicht zuckte vor Unbehagen, während er unter der Schärpe blinzelte, die über seine Augen gebunden war. „Wie lästig.“

 

„Ich fass es einfach nicht, dass du immer noch schwarz trägst.“, tadelte Ino und drehte Kreise um ihn, um die Ränder des Stoffes weit über seinen Nasenrücken zu ziehen. „Diese Schärpe ist die einzige Farbe an dir.“

 

„Sie ist knall-lila.“, grollte Shikamaru.

 

Chōji kicherte. „Und sie schimmert.“

 

Shikamaru stieß Inos Hand beiseite und stierte finster auf die drahtigen glitzernden Fasern, die in den Stoff gewoben waren und an seinen Wimpern und Lidern kitzelten. Er hakte einen Daumen unter den Saum, um den strammen Sitz des Gewebes um seinen Kopf ein wenig zu lockern. 

 

Eine schlug ihn tadelnd auf die Schulter. „Hör auf zu spitzeln!“

 

„Willst du mich verarschen?“ Shikamaru drehte sich in die Richtung, aus der Inos Stimme kam und deutete mit dem Finger auf die Augenbinde um seinen Schädel. „Du hast dieses dämliche Ding dreimal um meinen Kopf gewickelt. Ich kann überhaupt gar nichts sehen.“

 

„Muss wohl stimmen.“ Chōjis Hand legte sich auf die Schulter des Schattenninjas und drehte ihn ein paar Grade nach links, bis er Ino zugewandt war. „Hier, Kumpel.“

 

Shikamaru wandte seinen Kopf zurück zu Chōji und sein Gesichtsausdruck war unter der Schärpe unergründlich – nicht, dass es nötig gewesen wäre, seinen halb maskierten finsteren Blick vermitteln zu lassen, wie unglaublich unbeeindruckt er von der ganzen Situation und dem Part seines besten Freundes darin war. Schon wieder. 

 

„Das Ding steht dir fast schon, Shika.“, lachte Chōji. 

 

Alles in Shikamaru sträubte sich wie ein stacheliger Kaktus und die spitzen Enden seines Pferdeschwanzes erbebten, als er bei der Verkürzung seines Namens erschauerte. „Im Ernst, nenn mich nicht so!“

 

Ino kicherte und gurrte in Shikamarus Ohr. „Awww, errötet der mürrische, zombieäugige Shikamaru etwa? Rot passt so gut zu Lila.“

 

„Versuch es nichtmal! Ihr habt euch beide gegen das Team gestellt und ich werde mich dran erinnern.“

 

Er hörte, wie Chōji das Gewicht der Tasche verlagerte, die er dem Schattenninja abgenommen hatte. „Uh, wir sind alle Teil desselben Teams.“

 

„Ich gründe mein eigenes Team und keiner von euch wird dabei sein!“

 

„Oh entspann dich Drückeberger. Okay, Chōji!“ Ein lautes Klatschen signalisierte, dass Ino ihre Hände aneinander geschlagen hatte. „Dreh ihn!“

 

Shikamarus Kopf schnellte herum. „Moment! Was?!?“

 

„Lass dich einfach mit dem Strom treiben!“, ermunterte Ino ihn. 

 

Shikamaru erhielt nicht einmal die Chance, sich gegen den Strom zu wehren, bevor er von ihm getroffen wurde. Chōji schlug eine Hand auf seine Schulter und drehte ihn auf der Stelle wie einen Kreisel. 

 

„Hey!“ Shikamaru warf die Arme nach außen, um die Balance zu halten, taumelte aber trotzdem seitwärts in Ino. 

 

Die Konoichi schnaufte genervt, packte die Enden der Schärpe um seinen Kopf und ließ ihm keine Gelegenheit, das Gleichgewicht zu finden. Sie führte ihn noch ein paar Mal mehr im Kreis als wäre er ein Hund an einer Leine. 

 

„Dreh dich weiter!“

 

Als hätte er irgendeine Wahl.

 

Shikamaru seufzte, als er sich der Idiotie des Augenblickes ergab und erlaubte ihr, ihn noch etwas länger rotieren zu lassen, wobei jede Drehung noch schneller und schneller wurde, bis er die eine Schleife nicht mehr von der anderen unterscheiden konnte. Und zu seiner schlagartigen Überraschung, fühlte sich die schwindelerregende Empfindung, die Orientierung und das Gleichgewicht zu verlieren unerwartet…gut an. 

 

Sehr gut. 

 

Selbst seine Kopfschmerzen gaben ihr Spiel auf, denn im Moment pochte es nicht mehr in seinem Schädel, was seinen Verstand halb schwerelos zurück ließ. 

 

Perspektive verschwamm. 

 

Und für einen verrückten unkontrollierten Moment hörten die Gedanken auf, seinen Kopf zu verstopfen und verkamen zu einem verwaschenen Fleck, von dem er keine Hoffnung hatte, sich auf ihn fokussieren zu können. Alles wurde zu einer undeutlichen und unverständlichen Woge ohne einen Anker, um ihn am Boden zu halten oder einen Faden aus Stabilität, an dem er sich hätte festhalten können. 

 

Und in diesem harmlosen kindlich spielerischen Drehen geschah etwas mit dem makellosen kraftvollen Griff um seine Gedanken – er entglitt ihm.

 

Und das war der Moment, als es passierte. 

 

Urplötzliche, unerklärliche Furcht stieg schlagartig in ihm auf. 

 

Sie trat ihn so hart in die Eingeweide, das Galle in ihm hochkroch und ätzend in seiner Kehle brannte. 

 

Fuck…

 

„Lass das!“, knurrte er plötzlich und tief, während er seine Arme nach außen warf, um Ino von sich zu stoßen und landete in dieser ruckartigen Bewegung beinahe auf dem Hintern. 

 

Eine große Hand packte ihn an der Schulter und hielt ihn fest, während die schwarze Leere weiterhin um seinen Schädel wirbelte und sich anfühlte, als würde sich die Welt, die er nicht sehen konnte, immer noch in einer bösartigen Umlaufbahn drehen, als er blind auf der Stelle schwankte.

 

Ino giggelte. „Also, hast du irgendeine Ahnung, in welche Richtung du gerade schaust?“

 

„Stehe ich überhaupt noch?“, grummelte Shikamaru bebend und packte seinen Kopf, um seinen Fokus eher auf sein Hirn zu fixieren statt auf dieses unerwartete Hämmern seines Herzens. Nach und nach ließen sowohl Adrenalin als auch Angst nach, während er langsam wieder zur Besinnung kam. 

 

Glücklicherweise hatten weder Ino noch Chōji irgendetwas bemerkt. 

 

Weil es auch nichts zu bemerken gibt. Beruhig dich und reiß dich zusammen, Idiot.

 

Energisch zügelte Shikamaru das Adrenalin, das durch seine Glieder jagte, indem er es in Irritation kanalisierte, sich an dem hohen Grat seiner Wange kratzte und sich auf das scheuernde Kitzeln des Stoffes konzentrierte, der über seine Augen gebunden war. 

 

„Jetzt bist du bereit für die Überraschung.“ Ino drückte ihre Hände in seinen Rücken und schob ihn in eine Richtung, die er nicht benennen konnte; das scharfe Klacken ihrer Absätze hämmerte sich in seinen Kopf. „Viel Spaß beim Raten.“

 

Shikamaru schnaubte und sorgte sich mehr darum, einen Fuß vor den anderen zu setzen, ohne dabei auf die Schnauze zu fallen. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich es wissen will.“

 

Er hatte so ein Gefühl, dass Ino und Chōji einen Blick wechselten und sich vielleicht sogar ein High Five gaben. Vollkommen unfähig, den Drang zu schmunzeln zu bekämpfen, seufzte Shikamaru nur und lümmelte sich zurück in den Druck dieser lästigen Hände, die ihn die Straße entlang manövrierten – wobei er dabei minimale Eigenleistung betrieb. 

 

Ino ruckte kurz an der Schärpe um seinen Kopf. „Faul.“

 

„Ich entspann mich, wann immer ich kann.“

 

„Guter Plan, Genie.“, witzelte Ino in einer triezenden Warnung und schob ihn hart zu Chōji, der die Aufgabe der Steuerung des blinden Teamkameraden übernahm. „Chōji muss dich durch die Gegend schleifen, nicht ich.“

 

Da er überhaupt nicht die Energie besaß, das Unvermeidliche zu bekämpfen, schob Shikamaru einfach die Hände in die Taschen und vertraute darauf, dass Chōji ihn nicht gegen einen Laternenpfahl laufen ließ. 

 

Hn. Lass dich einfach mit dem Strom treiben…

 
 

~❃~
 

 
 

Eine schwarze Katze kreuzte Asumas Weg. 

 

Und obgleich er noch nie ein Freund von Aberglauben gewesen war, konnte er einfach nicht anders, als innezuhalten und eine kurze Bilanz zu ziehen, als er von Kakashis Ninken umrundet wurde, der der Katze nachlief, ohne sie zu jagen. Der Gang des Hundes war träge und er hatte den Kopf gesenkt, die Ohren nach vorn gestellt und seine dünne Rute schwang umher wie eine Antenne, die nach einem Signal suchte. 

 

Und dann wurde der Hund auf etwas Interessanteres aufmerksam. 

 

Er hob kurz die Schnauze, um in die Luft zu schnuppern und über die Straße zu spähen. Asuma folgte dem Blick des Tieres hinüber zu den beiden Jōnin, die vor einem der Shogi Spielhäuser standen. 

 

Perfekt.

 

Seine Lippen bogen sich um seine Zigarette zu einem Schmunzeln.

 

Kakashi lehnte sich auf eine Seite und hatte die Schulter gegen eine der mit Farbflecken besprenkelten Säulen gestützt, die die Markise der Veranda stützten. Der Blick des Kopierninjas war direkt neben den grüngekleideten Ninja gerichtet, der mit Begeisterung auf ihn ein gestikulierte und mit ausgeschmückter Prosa über ehrenhafte Rivalität und den ewigen Geist der Jugend predigte. 

 

Kakashi nickte lustlos und sein sichtbares Auge ermattete mit einer qualvollen Art von Geduld. 

 

Asuma lachte leise und trat hinüber zu dem Ninken, um das scharfe Triangel seiner Ohren zu kraulen. Sofort lehnte sich der Hund der Aufmerksamkeit mit einem zufriedenen Blinzeln entgegen und wedelte mit dem Schwanz. Die Bewegung brachte Kakashi dazu, leicht den Kopf zu drehen und das träge Grau seiner Iris glitt scharf in den Winkel seines Auges, als es sich auf Asuma richtete. 

 

Der Sarutobi zwinkerte. 

 

Der Ausdruck in Kakashis Auge blieb so flach wie es nur irgend möglich war. Dann hob der maskierte Ninja seine Handkante grüßend an seine Schläfe, was Gais Aufmerksamkeit effektiv auf Asuma lenkte. 

 

„Asuma!“, strahlte Gai und wirbelte dramatisch herum, um ihm ein ‚Daumen hoch‘ entgegen zu strecken. „Ich habe meinem ewigen Rivalen den Fedehandschuh zu Füßen geworfen! Und das alles dank dir, mein weiser Ratgeber!“

 

Asumas Augen weiteten sich.

 

Langsam ließ Kakashi die Hand sinken und seine sichtbare Augenbraue wanderte ach so langsam nach oben. 

 

„Oh? Aller Dank gebührt also dir, huh?“, fragte der silberhaarige Jōnin mit träger Stimme und wildem Blick. 

 

„Eine Shogipartie schien eine gute Idee zu sein.“, verteidigte sich Asuma mit offenen Handflächen und er winkte mit einer Hand in Richtung des Posters, das noch immer an der Fensterscheibe hing. „Vielleicht gewinnst du dabei sogar ein bisschen Geld.“

 

Kakashi legte den Kopf schief und der wilde silberne Haarschopf kippte noch weiter zur Seite. „Weil ich mir natürlich auch ganz sicher bin, dass du nichts anderes als mein Wohlsein im Sinn hattest, als du das vorgeschlagen hast.“

 

Asuma biss hart auf seine Zigarette, um sich vom Grinsen abzuhalten. „Aber selbstverständlich.“

 

„Natürlich.“, sagte Kakashi gedehnt und seine lockeren Töne trugen dieses luftige, fast schon musikalische Timbre in sich, das immerzu eine Messerspitze Sarkasmus enthielt. 

 

Asuma schmunzelte, ließ ein Bein einknicken und vollführte eine spöttische Halb-Verbeugung. 

 

Kakashi rollte mit seinem Auge, doch der Winkel zog sich amüsiert ein wenig zusammen. 

 

Glücklicherweise hatte ihr gleichartiger Sinn für Humor eine unauffällige und lockere Freundschaft zwischen ihnen gefestigt; eine, die sich stark und unerschütterlich hielt, seit sie sich das erste Mal begegnet waren. Sie hatte auch viel dazu beigetragen, die Dinge stabil zu halten, als die Rivalität zwischen Sakura und Ino am heftigsten gewesen war. 

 

Gai, der völlig ahnungslos von ihrem subtilen Schlagabtausch war, schnitt mit der Handkante flach durch die Luft, als würde er eine Schriftrolle ausbreiten, die Kakashi mit seinem Blut unterzeichnen sollte. „Also was sagst du, Kakashi? Bist du bereit für diese Herausforderung?“

 

„Natürlich ist er das.“, versicherte Asuma und kraulte dabei immer noch das Ohr des Ninken. „Schau dir doch bloß mal sein Gesicht an, er ist schon total aufgeregt und begeistert.“

 

Kakashis Miene flachte sich noch mehr zu einem schlitzäugigen Stieren ab. 

 

Gai lehnte sich nach vorn und examinierte das halb geschlossene Auge seines Rivalen mit einem argwöhnischen Schmollen. 

 

Asuma kicherte und Rauch wirbelte aus seinem Mundwinkel, als sein Grinsen noch breiter wurde. „Das ist nur sein Pokerface; achte einfach während des Spiels darauf.“

 

„Ah natürlich! Immer so cool und auf der Höhe der Zeit!“ Gai klopfte Kakashi hart auf den Rücken. 

 

Mit einem Grunzen rollte Kakashi die Schulter. 

 

Asuma lachte auf und das Rumpeln seiner Belustigung brachte ihm ein Funkeln von dem Kopierninja ein, das selbst Naruto hätte ruhig stellen können, während Kakashi den Kopf schüttelte. Und da Asuma Mitleid mit dem Hatake hatte, täuschte Asuma einen Ausdruck plötzlicher Erkenntnis vor. 

 

„Ach übrigens.“ Er wandte sich Gai zu. „Ich glaube, Hyūga ist von seiner Mission nach Hanegakure zurück.“

 

„Ist er?“ Sofort änderte Gai die Spur und dichte Augenbrauen schnellten wie aufgeregte Erdmännchen nach oben. „Ah selbstverständlich ist er das. Das ist genau die pünktliche Art meines ausgezeichneten Schülers. Die Pflicht ruft, Gentlemen!“

 

Gais Vorhersehbarkeit sorgte dafür, dass Asuma seine Brust aufblähen musste, um sein Lachen in sich halten zu können. Kakashi hingegen war weniger amüsiert und sein Frust verriet sich in einem Zucken seines Auges, als ihm der grüngekleidete Jōnin einen Flyer des Shogi Wettbewerbes hart gegen die Brust klatschte. 

 

„Du musst es nicht eintragen! Das Datum ist unauslöschlich, mein Freund. Nenn einfach die Zeit und wir werden es ausfechten, bis unsere Hirne schwitzen!“, brüllte Gai mit konkurrierendem Schneid.

 

Kakashi starrte ihn ohne irgendeinen Kommentar und möglicherweise sogar mit Besorgnis an – als würde er ernsthaft die Chance in Betracht ziehen, dass Gais jugendlicher Geist nichts weiter als ein Deckmantel für einen psychischen Zustand war, der vermutlich schwer anzusprechen war. 

 

Rasch presste Asuma die Lippen zusammen, um sich vom Lachen abzuhalten. 

 

„Er wird da sein.“, versicherte er Gai. „Kakashi macht nie einen Rückzieher.“

 

„Wie von meinem Rivalen erwartet.“ Gai grinste mit diesem verrückten Aufblitzen von Zähnen, bevor er die Straße entlang sprang und Dorfbewohner aufschreckte, während er sich einen Weg hinauf zu den Dächern bahnte. Und das mit Handstandsprüngen und beeindruckender Akrobatik, die so anstrengend aussah, dass sich Asuma direkt eine weitere Zigarette anstecken musste.

 

„Deine Arbeit ist damit für heute erledigt, nehme ich an?“ Kakashi seufzte mit übertriebener Verärgerung auf und zerknüllte das Wettbewerbsplakat in seiner Hand. 

 

Asuma sog den Tabak ein wie frische Luft und seufzte ebenfalls, aber mit ehrlicher Zufriedenheit über das Chaos, in das er den Kopierninja geschubst hatte. „Mein bester Tag ist gerade noch besser geworden. Danke!“

 

Kakashi beobachtete ihn schweigend unter seinem schläfrigen Augenlid und rieb träge mit den Knöcheln über den Kopf seines Ninken, als der Hund herüber trottete und sich an seine Füße setzte. „Bester Tag?“

 

Asuma nickte und sah zu, wie Kakashi das zerknüllte Papier auf der Nase seines Ninjahundes balancierte. Der Hund stieß es zurück in die Handfläche des Kopierninjas und wiederholte den Vorgang wie ein Ballspiel, als Kakashi das Papier wieder zurück prallen ließ.

 

„Ich gehe davon aus, das bedeutet, dass du dich entschieden hast, was du tun willst?“, fragte Kakashi beiläufig und sah dabei desinteressiert aus, während er seine Aufmerksamkeit auf seinen Hund gerichtet hielt. Aber Asuma kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass Kakashi niemals Fragen stellte, deren Antworten ihm nicht wichtig waren. 

 

Für einen langen Moment sah Asuma zu, wie das zerknüllte Papier hin und her hüpfte. 

 

„Das habe ich.“, sagte er letztendlich. 

 

Kakashi fing den Ball in seiner Hand auf und hielt ihn kurz. „Und?“

 

Asuma nahm die Zigarette von den Lippen und zerdrückte sie mit einem warmen, beinahe ungläubigen Lächeln an der nächsten Säule. „Das ist die Gelegenheit, von der ich niemals gedacht hätte, dass ich sie jemals erhalten werde, Kakashi.“

 

Mit distanzierter Neugier musterte Kakashi ihn und das dunkle Grau seines Auges war ebenso scharf wie das rote, das unter seinem Hitai-ate verborgen war. „Und die wirst sie ergreifen.“

 

„Mit beiden Händen.“

 

„Gut.“

 

„Jo, auch wenn es mich wahnsinnig macht, dass du es wirklich vor mir gewusst hast.“

 

Kakashi blinzelte unschuldig, während er den Kopf schief legte. „Habe ich das?“

 

„Jo, sowohl am Anfang, als auch am Ende, du selbstgefälliger Bastard.“

 

„Naja…“ Kakashis Auge bog sich ein wenig und das Gewebe seiner Maske deutete ein Schmunzeln an, als er tief summte. „Es ist die simple Mathematik des Lebens, Asuma.“

 

Asuma lachte leise und hob seine Brauen. „Simpel, huh? Bist du deswegen immer auf dem Pfad des Lebens verloren oder wie auch immer du es nennst?“

 

Kakashi spähte zur Seite weg, als würde er über diese Worte nachdenken. Und dann beendete er abrupt sein Ballspiel, warf das Papier in die Luft und fing es in einer angespannten Faust auf, um den ohnehin schon ruinierten Flyer zu einem noch kleineren Knoten zu quetschen. 

 

Mit einem Rucken seines Handgelenks segelte das Papier durch die Luft und fiel mit einem leisen Echo in einen nahen Mülleimer.

 

„Sind wir das nicht alle?“, murmelte der maskierte Ninja.

 

Kakashis Ninken sah zu ihm auf und seine seelenvollen Augen fixierten sich mit einem Blick auf den silberhaarigen Shinobi, der so nah an Besorgnis war, dass es Asuma überraschte.

 

Seltsam…

 

Der Sarutobi legte die Stirn in Falten und sah zwischen Meister und Hund hin und her, um eine Ahnung von dem zu bekommen, was der Vierbeiner wahrgenommen hatte. Doch bevor er den Kopierninja darauf ansprechen konnte, drehte Kakashi seinen Kopf mit einem jovialen Summen zurück. Sein zinnfarbenes Auge leuchtete mit dieser eigentümlichen Freude auf, von der Asuma der Meinung war, dass es ein bisschen zu schnell passierte, um irgendetwas anderes sein zu können, als eine weitere der geübten Masken des Kopierninjas. 

 

„Da wir gerade von Leben sprechen.“, begann Kakashi und ging sicher, dass er Asumas Aufmerksamkeit umgelenkt hatte. „Wenn Narutos steigende Hyperaktivität irgendein Indiz ist, dann bin ich mir fast sicher, dass du heute ein paar Geburtstage zu feiern hast.“

 

„Jo. Wo zur Hölle ist die Zeit eigentlich hin?“ Seine Worte verrieten keinerlei offene Gefühle gegenüber seinen Schülern, aber er wusste, dass sie sich so oder so in seiner Stimme bemerkbar machten.
 

Kakashi beobachtete ihn und der Halbmond seines Auges wurde etwas weicher. „Man vergisst schnell, wie jung sie noch sind.“

 

Asuma runzelte leicht die Stirn; wollte gar nicht darüber nachdenken. „Nun, zumindest eine Sache hat sich nicht geändert. Sie sind immer noch ein ziemlich kostspieliges Pack; besonders Ino und Chōji.“

 

„Du warst derjenige, der sich für die wagemutige Taktik ‚Belohnung führt zu Ergebnissen‘ entschieden hat.“

 

Asuma schnaubte und fragte sich, wie und warum er jemals gedacht hatte, dass das eine hervorragende Idee wäre. Und Kakashis weiteres Schweigen brüllte geradezu ein ‚Ich-hab’s-dir-gesagt‘.

 

Ihm blieb nichts anderes übrig, als den Punkt einzuräumen und so warf er dem Kopierninja einfach nur einen Seitenblick zu. „Na schön, Klugscheißer, was benutzt du denn, um bei deinem Los die Autorität durchsetzen zu können? Pornos?“

 

In spöttischer Nachdenklichkeit legte Kakashi den Kopf in den Nacken. „Naja, eine dramatische Schocktaktik sollte man besser nicht ausschließen. Wobei ich dafür das Chidori hab.“

 

„Jo und als Resultat davon sind deine Haare eine dramatische Schocktaktik.“ Asuma linste auf die silbernen abstehenden Strähnen. „Ich glaube wirklich, dass die Statik von all den Blitzen irgendeinen Schaden angerichtet hat.“

 

Kakashi schmunzelte unter seiner Maske und ein ehrliches Lachen erhellte sein Auge. „Sagt der Mann, der sich einen Busch im Gesicht wachsen lässt. Trimmt Kurenai ihn für dich? Wie romantisch.“

 

Asuma errötete heftig, lachte dann aber heiser, während er mit den Augen rollte und sich am Kiefer kratzte. „Richtig. Aber Haarwachstum beiseite; ich habe wirklich jede Glaubwürdigkeit als einschüchternder Sensei verloren.“

 

Kakashi tätschelte ausdruckslos die Weste des Jōnin. „Mein Herz blutet für dich, Asuma.“

 

„Pf, danke für die Unterstützung.“, erwiderte Asuma gedehnt. 

 

„Die brauchst du gar nicht.“

 

Asuma zuckte mit den Achseln und examinierte das Ende seiner Zigarette, bevor seine Augen zu dem Poster an der Fensterscheibe wanderten. „Wahrscheinlich brauch ich den Hauptpreis bis zum Ende des Tages.“

 

„Jo.“ Kakashis Maske blähte sich kurz mit einem leisen Lachen auf. „Zu blöd, dass du so mies im Shogi bist.“

 
 

~❃~
 

 
 

Die Tatsache, dass Shikamaru das nicht erwartet hatte, hatte wenig mit der Augenbinde zu tun. 

 

In der Sekunde, in der Chōji damit aufgehört hatte, ihn durch die Gegend zu schieben und ihre kleine Reise beendete, wappnete sich der Schattenninja bereits für was auch immer, was als nächstes kommen würde. Doch als sich Inos Finger in die Schärpe hakten, den Knoten lösten und das Gewebe von seinem Kopf wickelten, bekam er das Gefühl, dass er ihre Vorhersehbarkeit vollkommen falsch eingeschätzt hatte. 

 

Es ist viel zu still…

 

Ausgenommen von dem Murmeln und Plätschern von etwas, das sich nach Wasser anhörte. 

 

Die Luft fühlte sich schwül an. 

 

Die heißen Quellen?

 

Als der Stoff endlich von seinem Gesicht verschwand, zog er die Nase gegen das nachhallende Kitzeln kraus und öffnete dann einen Spalt breit die Augen. 

 

Vor Überraschung flogen sie weit auf. 

 

„Tada!“ Ino schwang ihren Arm in einer ausholenden Geste in Richtung des reich verzierten vergitterten Eingangs zu einem von Konohas teuersten Ryokans. 

 

‚HOTARU‘

 

Der Name des luxuriösen Gasthauses bedeutete ‚Glühwürmchen‘ und dementsprechend wurde der Ort von winzigen Glühbirnen betont, die zart in den Bäumen funkelten, die vor dem Eingang gepflanzt waren. Der Hof war gefüllt mit blutroten japanischen Ahornbäumen und ihre scharfen sternförmigen Blätter raschelten begrüßend, während scharlachfarbene Stämme im Wind bebten. 

 

Shikamaru starrte einfach nur; unfähig, eine Reaktion zu finden, während er all die Gründe analysierte, warum Erstens: Ino überhaupt diesen Ort ausgesucht hatte, Zweitens: wie zur Hölle sie sich das leisten konnte und Drittens: warum er sich wegen des Gedankens so unbehaglich fühlte, dass sie es vermutlich aus Rücksichtnahme auf seine mürrische Stimmung der letzten beiden Wochen getan hatte. 

 

Ino schob breit lächelnd ihren Kopf um seine Schulter. „Und?“

 

Der Schattenninja blinzelte ein einziges Mal; und dann nochmal, aber langsamer. „Ein Ryokan.“

 

„Ein Luxus-Ryokan.“, ergänzte Ino und ihr Lächeln wurde etwas schief, beinahe unsicher. 

 

Shikamaru spähte zu ihr hinüber. „Warum?“

 

„Ich hab‘ es dir doch gesagt. Du brauchst etwas Verwöhnung zu deinem Geburtstag.“

 

„Aber das ist-“

 

„Still, friedvoll, entspannend und langweilig.“, zählte Ino mithilfe ihrer Finger auf und seufzte dramatisch, als sie sich wie eine gepeinigte Seele an seinen Arm hängte. „Aber wirst du mit der diesjährigen Folter auch fertig werden?“

 

Shikamaru schmunzelte leicht und schüttelte sie zaghaft ab. „Die Frage ist eher, ob du damit fertig werden wirst.“

 

Ino schnaubte spottend, wedelte mit einer Hand und nutzte dieselbe Bewegung, um sich die Schärpe um den Nacken zu legen. „Ich schätze mal, dass ich meinen undankbaren Freund einfach dazu bringen werde, mir eine Massage oder so was in der Art zu buchen, denn das alles hier zu arrangieren war soooo stressig.“

 

Shikamaru grinste; sowas Ähnliches hatte er schon erwartet. „Klar.“

 

Chōji kicherte und trieb die beiden mit einem leichten Schubs weiter. „Kommt schon, ich bin am Verhungern. Und ich habe wegen des guten Essens nicht gelogen.“

 

„Achja? Woher weißt du das?“

 

„Ino hat mich das Menü aussuchen lassen.“

 

Shikamaru lachte leise. „Was auch sonst.“

 

Als sie den Eingangsbereich betraten, wurden sie sofort von einer Gruppe elegant gekleideter Frauen empfangen, die in lilane und rote Seide gehüllt waren. Eine war deutlich älter als die anderen. Shikamaru nahm an, dass sie die Leiterin des Gasthauses war. Die Begrüßung bestand aus einer höflichen Verbeugung, aber es lag etwas äußerst Entspanntes in der Formalität. 

 

„Ino-chan, Ino-chan.“, grüßte die alte Dame und ergriff Inos Hand mit Vertrautheit und Zuneigung, um sanft die Finger der Kunoichi zu drücken. „Vielen vielen Dank.“

 

Ino blinzelte rasch und ihre blauen Augen spannten sich kurz an, bevor sie ein hohes abgehacktes Lachen hören ließ, das sowohl Chōji als auch Shikamaru als den nervösen Auftakt zu ihren erzwungenen Allüren erkannten. Eine Braue des Schattenninjas wanderte nach oben und er war auf einen Schlag noch argwöhnischer wegen dem, was Ino wohl getan hatte, um sich eine solch hohe Gefälligkeit bei der alten Dame zu gewinnen. Eine Gefälligkeit, die – wie er sehr bald feststellen sollte – drei ausgezeichnete Tatami Suiten und Mahlzeiten mit genug Gängen einschloss, um Chōjis Augen vor Vorfreude funkeln zu lassen. Und zu dieser Sonderbehandlung kam auch noch die Information, dass das Ryokan die Personen einer Gästeliste für diesen Abend vollständig kulinarisch versorgen würde.

 

Wie zur Hölle hat sie das hinbekommen?

 

Als zwei Angestellte ihn und Chōji in das Foyer führten, ließ Shikamaru seinen Blick rasch über die elegante traditionelle Einrichtung wandern. Das Interieur rühmte sich selbst mit Mahagonifarben, sattem Ebenholz, tiefen Rottönen und Schattierungen royalen Lilas, was ein molasseartiges Sonnenuntergangsgefühl vermittelte, das sich zum Abend hin auf mysteriöse und magnetische Weise vertiefen würde. 

 

„Ziemlich eindrucksvoll, huh?“, sagte Chōji und nahm es mit einem Lächeln. „Sie hat wirklich alles gegeben.“

 

Shikamaru neigte leicht den Kopf. 

 

Sag bloß…

 

Durchsetzt mit dem schweren Gefühl von Aufwändigkeit und Verschwendung waren überall die subtilen und zarten Andeutungen von Glühwürmchen zu finden. Sie waren verstreut in Symbolen, Malereien, winzigen Glas- und Mosaikstücken, die das Licht auffingen oder sich in komplizierten Schnitzereien im Holz zeigten. 

 

Hn. Glitzernd.

 

Es gab keinerlei Zweifel an dem Luxus des Ortes oder der exzellenten Qualität des Service. Kaum hatte Shikamaru Platz genommen, da wurde ihm auch schon Tee eingegossen und Süßigkeiten serviert. 

 

Es war schon allein deswegen unangenehm, weil es so fremdartig war. 

 

Die Angestellten waren freundlich genug, darauf hinzuweisen, dass es keinerlei Erwartungsdruck gab, sich an die Etikette zu halten, die dieser Ort eigentlich einforderte. Shikamaru war sich nicht sicher, ob Ino hierbei den entscheidenden Ausschlag gab, oder ob sich das Personal immer so zuvorkommend gegenüber Gästen zeigte.

 

Seltsam.

 

„Danke.“ Er beugte leicht den Kopf in Richtung einer Bediensteten und spähte zu Chōji hinüber, während er die Stimme senkte. „Wie zur Hölle kann sie sich das leisten?“

 

Chōji zuckte mit den Achseln und schmunzelte, als er nach einem Dumpling-Spieß griff. „Wir haben alle zusammengelegt.“

 

Shikamaru hob eine Braue. „Selbst wenn ihr das wirklich getan habt, reicht das trotzdem noch lange nicht, um die Kosten von dieser Art Unterkunft decken zu können, die sie hier gebucht hat.“

 

„Meine Güte, kannst du dich auch mal entspannen?“, seufzte Chōji und legte leicht die Stirn in Falten. „Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul, weißt du?“

 

Shikamaru lehnte sich leicht zurück und war genervt von Chōjis Gesichtsausdruck. „Das mach ich doch gar nicht. Ich verstehe nur nicht, wie-“

 

„Oh hör endlich auf, alles durchblicken zu wollen.“ Inos Stimme trällerte über seinen Kopf, als sie sich vorbeugte, um eine sternförmige Süßigkeit von der Platte zu stibitzen und sie sich in den Mund zu schieben. „Entspann dich, Faulpelz.“

 

Shikamaru hakte seinen Daumen um die kleine Teetasse, machte aber keinerlei Anstalten, einen Schluck zu nehmen. Aufmerksam wanderten seine Augen umher, als sich Ino auf eines der großen Zabuton Kissen fallen ließ. Koto Musik schwebte im Hintergrund und die feinfühligen Streicher erschufen traditionelle Melodien, um die Atmosphäre zu beruhigen und zu besänftigen. 

 

„Warte, bis du unsere Zimmer siehst.“, begann Ino und schob sich die Schuhe von den Füßen. „Wenn du hier nicht schlafen kannst, Shikamaru, dann wirst du niemals wieder irgendwo schlafen können. Und die Aussicht ist so hübsch.“

 

„Hübsch…“, echote Shikamaru trocken. 

 

„Naja, das ist sie halt.“, bestand Ino. „Man sieht direkt hinaus auf die Gärten und sie haben die besten Betten. Futons wie Wolken. Du wirst schlafen wie ein Baby.“

 

Der Schattenninja zögerte, bevor er zu ihr hinüber spähte. „Kennst du diese alte Frau?“

 

Ino studierte die roten Rillen, die die Riemen ihrer Schuhe in ihre Füße gegraben hatten und ignorierte die Frage gekonnt. „Ich kann’s nicht erwarten, im Onsen zu baden.“ Rasch hob sie den Blick und schwang ihr Haar nach hinten. „Und bevor du ausflippst, Shikamaru; du hast auch ein privates Bad im Freien auf deinem Zimmer.“

 

Zerrissen zwischen ihrer makellosen Evasion und ihrer unzusammenhängenden Aussage, runzelte Shikamaru die Stirn. Doch Chōji schlug ihn bei einer Frage, die er selbst gar nicht stellen wollte und von der er eigentlich gehofft hatte, dass keiner seiner Teamkameraden sich darüber Gedanken machen würde. 

 

„Warum solltest du in einem Onsen ausflippen?“, fragte der Akimichi, während er einen Dumpling mampfte. 

 

Shikamarus Brust bekam eine Delle, als er einen lautlosen aber scharfen Atemzug nahm.

 

Rasch spähte er zur Seite weg und zuckte mit den Achseln. „Sie redet nur Blödsinn.“

 

Ino schnaubte und sah beide an, als wären sie nicht ganz dicht. „Uh, hallo-o? Na dann sag mir mal, Chōji. Wann war das letzte Mal, dass du mitbekommen hast, wie Shikamaru ein Onsen betreten hat?“

 

Chōji hörte auf zu kauen, legte den Kopf schief und schien angestrengt nachzudenken. „Oh hey, das stimmt. Das ist Jahre her. Und eigentlich mochtest du es doch auch immer, dorthin zu gehen.“

 

„Ja, also was ist passiert?“, fragte Ino, während sie die Süßigkeiten absuchte. 

 

„Nichts ist passiert.“, antwortete Shikamaru leichthin.

 

Er hielt seinen Blick stur durch den Raum fixiert und tat so, als würde er durch die offenen Shojitüren den Blick auf den Garten bewundern. Seine unerschütterliche Weigerung, sich mit diesem Thema oder Inos neugierigem Blick zu befassen, wurde als Verlegenheit missinterpretiert. 

 

„Awww.“, triezte Ino. „Ich wusste gar nicht, dass du schüchtern bist, Shikamaru.“

 

Schüchternheit hatte rein gar nichts damit zu tun. 

 

Shikamarus Kiefer verkrampfte sich unmerklich und Unbehagen wand sich quälend in seinem Innersten wie eine Viper. Rasch nippte er an seinem Tee und machte sich nicht einmal die Mühe, ihn mit seinem Atem abzukühlen, bevor er ihn schluckte. Er ließ das Gebräu über seine Zunge und seine Kehle hinunter brennen, um sich von der Übelkeit in seinen Eingeweiden ablenken zu können. 

 

„Du hast die anderen auch eingeladen?“, krächzte er und schluckte hart, um das Brennen zu lindern. 

 

Ino nickte und massierte sich mit verzerrtem Gesicht den Fuß. „Ja, zum Essen. Es wird alles entspannt und gesellig. Es ist ein fünfzehn Gänge Menü.“ Sie warf ihm einen kurzen Blick zu. „Wehe, du hast keinen Hunger.“

 

Shikamaru war sich ziemlich sicher, dass er seinen Appetit gerade komplett verloren hatte. 

 

Komm drüber weg und hör auf, dich wie ein Kind aufzuführen. 

 

Bedächtig legte der Schattenninja sein Kinn in einer Handfläche ab und presste den Ellbogen hart gegen den Tisch, während er ein halbherziges Lächeln zustande brachte. „Naja, dank dir wurde ich heute morgen nicht gefüttert.“

 

Ino streckte ihm die Zunge heraus. „Deine Mom ist klasse. Ich sag es einfach nochmal, oder? Ich glaube nämlich wirklich, dass sie mich und Chōji mehr liebt als dich.“

 

Chōji lachte. „Das war echt mega komisch, auch wenn es gruselig war. Nichts für ungut.“

 

Shikamaru vollführte eine abweisende Handbewegung. „Wenn es hier wirklich ein Bett wie eine Wolke gibt, dann ist euch beinahe verziehen.“

 

„Soll das heißen, dass es dir hier gefällt?“, angelte Ino nach Anerkennung und beobachtete ihn durch ihre dichten Wimpern. Sie verzog das Gesicht. „Nicht, dass du es jemals laut aussprechen würdest.“

 

Shikamaru zuckte mit den Achseln, doch sein träges Schmunzeln sagte, was er nicht aussprechen würde. Und offenbar reichte es Ino, denn sie kehrte dazu zurück, ihre misshandelten Füße massieren, während sie ihnen eine Pediküre und liebevolle Behandlung nach dem bevorstehenden weiteren Missbrauch durch Schuhe versprach. 

 

Shikamaru und Chōji tauschten einen belustigten Blick aus. 

 

Doch ihnen blieb keine Zeit mehr, sich weiter darüber lustig zu machen, denn eine Angestellte näherte sich ihnen und verbeugte sich mit einem Lächeln. „Wir wären dann soweit.“

 

Ino drehte sich rasch auf ihrem Kissen. „Weißt du, ob, erm…die Pakete unbeschädigt angekommen sind?“

 

Die Angestellte sah verwirrt aus. 

 

Shikamaru hob eine Braue und setzte seine Teetasse wieder ab, bevor sie überhaupt seinen Mund erreicht hatte. „Was für Pakete?“

 

Chōji erstarrte, hustete, geriet in Panik und schubste Shikamaru von seinem Platz. 

 

„Chōji!“

 

Abgelenkt bemerkte Shikamaru nicht, wie Ino ein paar seltsame Gesten in Richtung der perplexen Bediensteten machte, die aber irgendeinen Sinn in dem erkennen konnte, was die Blondine da mimte, denn die Frau lachte leise und nickte rasch. 

 

Shikamaru klatschte eine Hand auf den Tisch und funkelte Chōji über die niedrige Kante hinweg zornig an. „Was verfickt nochmal sollte das?“

 

Der Akimichi verzog das Gesicht. „Sorry, Reflex.“

 

„Reflex am Arsch.“, schnappte Shikamaru und packte die Tischplatte, um sich mit einem Knurren zurück auf seinen Platz zu ziehen. 

 

Doch er bekam keine Chance, sich voll niederzulassen, bevor sich Ino bei ihm einhakte und ihn auf die Füße zerrte. „Oh hör schon auf zu jammern, es war nur ein Geburtstagsklaps. Machen das Kerle nicht so?“

 

„Ich würde Shikamaru niemals schlagen.“, grollte Chōji; schon allein der Gedanke schien ihn zu beleidigen. 

 

„Ich würde dich schlagen.“

 

Chōji zeigte mit einem Lächeln deutlich, wie wenig überzeugt er davon war. „Ich würde dir niemals ernsthaft weh tun, das weißt du.“

 

Shikamarus Kiefer klappte ein Stück nach unten. „Nein, aber du schubst mich aus meinem Stuhl, lachst auf meine Kosten und verschwörst dich mit der hier gegen mich.“ Er schnippte gegen Inos Kopf und befreite effektiv seinen Arm aus ihrer Schraubstockumklammerung, fing sich dafür aber einen Schlag von ihr ein. „Ugh. Wie lästig.“

 

Ino bedachte ihn mit einem selbstgefälligen Grinsen, bevor sie weiter voran lief und immer wieder innehielt, um ihre Schuhe mit kleinen Hüpfern anzuziehen. „Beeilt euch ihr beiden!“

 

Shikamaru vergrub das Gesicht in seiner Handfläche. „Ich habe echt keine Energie hierfür.“

 

Chōji tätschelte seinen Rücken und schob ihn hinter der Yamanaka her. „Hey, jetzt komm schon. Sie versucht wirklich, das hier zu etwas Besonderem zu machen.“

 

Shikamaru rümpfte die Nase und seine Fingerspitzen gruben sich hart in die Haut. „Ich habe sie nie darum gebeten.“

 

„Naja, das musstest du ja auch nicht. Ist das nicht der springende Punkt?“

 

Das ließ Shikamaru zögern und er spähte durch die Spalten zwischen seinen Fingern zu seinem Freund, bevor er seine Hand sinken ließ und sie in die Taschen schob. „Jo.“

 

Chōji lächelte, doch in seinen Augen schwamm eine ernsthafte Sorge, von der Shikamaru so tat, als würde er sie nicht bemerken. „Wir wollen, dass du hier eine schöne Zeit hast. In den letzten Tagen warst du immer so müde. Dein Hirn macht ununterbrochen Überstunden und es ist, als ob…ich weiß nicht Shikamaru…es ist, als ob du nach der Mission in Hanegakure kein einziges Mal innegehalten hast.“

 

Sofort hörte Shikamaru auf zu laufen. 

 

Chōji kam neben ihm zum Stehen; absolut entschlossen. 

 

Verdammt.

 

Der Schattenninja drehte sich auf dem Absatz um und bedachte seinen Freund mit einem beständigen Blick, während er seine freie Hand mit einem festen Krümmen seiner Finger auf die Schulter des Akimichi legte. „Werde wegen mir nicht so paranoid, okay?“

 

Chōjis Brauen zogen sich scharf zusammen. „Shikamaru.“

 

Shikamaru bog seine Lippen in einer erbärmlichen Imitation seines üblichen Schmunzelns. „Es geht mir gut. Im Ernst, es ist nur der Schlafmangel. Ich brauche einfach nur ein paar Stunden Koma. Scheiße, du hast sogar meine ausdrückliche Erlaubnis, mir am Ende dieser Nacht die Lichter auszuknipsen, okay?“

 

Chōji runzelte schon wieder die Stirn. „Ja…okay.“

 

Shikamarus Grinsen erweichte sich zu einem Lächeln. „Es ist mein Geburtstag, also wird das anscheinend erwartet und ist auch erlaubt, wenn ich wegpenne.“

 

Glücklicherweise schaffte es der Humor, die Anspannung zu überwinden und da war nur noch das kleinste Schwanken auf Chōjis Gesicht, bevor sich seine Wangen zu einem breiten Grinsen verzogen. „Ist ja nicht so, als würde Ino eine Ausrede dafür brauchen, dich zu schlagen.“

 

Stöhnend rollte Shikamaru mit den Augen und ließ sich wieder in einen trägen Schritt fallen, um der lästigen Yamanaka zu folgen, die ihnen voraus rannte, in einem Raum weiter den Gang hinab verschwand und die Tür zuschob. 

 

Shikamaru hob eine Braue. „Warum die Eile?“

 

Chōji folgte ihm auf dem Fuße und kicherte mit einer Art Vorahnung. „Flippst du schon aus?“

 

Shikamaru überquerte den Tatami Boden mit einem Schlurfen und spähte über die Schulter, als er eine Hand nach der Schiebetür ausstreckte, hinter der Ino verschwunden war. „Na super, ist das eine Vorwarnung?“

 

Und ohne irgendeine Vorwarnung wurde die Tür zur Seite gerissen. 

 

Shikamaru fing sich selbst gegen den Türrahmen ab, nur um von einer Partytröte ins Gesicht getroffen zu werden, die sich wie eine Schlangenzunge entrollte und mit einem lauten Trompeten über seine Stirn kitzelte, das klang, als würde sich jemand die Nase schneuzen. 

 

„ÜBERRASCHUNG!“

 

Der Chor aus lauten Jubelrufen wurde von einem weiteren Klatschen gegen seine Stirn unterstrichen, als Naruto erneut in die Partytröte blies. Er traf Shikamaru direkt auf die schmale Linie zwischen seinen Brauen. Die Papierzunge rollte sich scharf zurück und das Mundstück tanzte zwischen Narutos Zähnen, als er grinste. 

 

„Alles Gute zum Geburtstag!“, plärrte er um den kleinen Lärmmacher. 

 

„Erwarte bloß keine Sonderbehandlung!“, brüllte Kiba durch den Raum. „Ich bin nur wegen des Essens hier!“

 

„Kiba-kun!“, keuchte Hinata und schämte sich ganz offensichtlich für ihren Teamkameraden. 

 

Doch Shikamaru registrierte die neckenden Worte kaum, die durch das Zimmer flatterten. Seine Aufmerksamkeit hatte sich abrupt auf das geradezu lächerliche Ding fixiert, das Naruto auf seinem Kopf trug. 

 

„Gibt es irgendeinen besonderen Grund, aus dem du eine Straßenpylone auf dem Kopf trägst?“

 

Naruto lachte laut auf und seine schnurrbärtigen Wangen erwärmten sich mit gut gelaunter Verlegenheit, bevor er ruckartig mit einem Daumen über seine Schulter und zu dem großen Tisch deutete. 

 

„Ino hat darauf bestanden.“

 

Shikamarus Augen wanderten zu den sitzenden Chūnin und scannten den vielfarbigen Wahnsinn. „Das ist ein schlechter Scherz, oder?“

 

Ino fing seinen Blick auf und hielt einen der lächerlichen Hüte hoch, den Sakura mit den Händen einrahmte, als wäre es ein hoch begehrter und wertvoller Siegerpreis. Beide jungen Frauen grinsten vielsagend. 

 

Shikamaru lachte leise und tief in der Kehle, während er energisch den Kopf schüttelte. „Nie im Leben!“

 
 

~❃~
 

 
 

Die Grenzen von Macht – so sadistisch es auch war – erstreckten sich so weit wie die Vorstellungskraft. 

 

Zumindest war das Nejis Eindruck, denn wenn das Hirn keine Schmerzrezeptoren oder Nervenenden besaß, dann hatte es der Hyūga Clan geschafft, durch das Fluchmal mehr als einfach nur Blut zu trotzen – sie trotzten grundlegender Biologie. 

 

Neji kannte diesen Schmerz. 

 

Was mit dem leisesten Stich an seiner Schläfe begann, wurde in dem Moment, als er aufhörte zu laufen, zu einer messerscharfen glühenden Qual. Und während der menschliche Körper eine Möglichkeit gefunden hatte, sich der Erinnerung an die meisten Schmerzen zu entledigen, war dies hier einer, den Neji niemals vergessen hatte. 

 

NEIN…

 

Bevor er gegen die Wand taumeln konnte, rammte er die Seite seiner Faust gegen das glatte Holz. 

 

NEIN.

 

Ein Beben ergriff die Länge seines linken Armes, doch er weigerte sich, sich fallen zu lassen, als er sich gegen das heiße weißglühende Aufflammen von Schmerz und Qual wappnete. Aber bevor es sich in seinem Kopf zu einer Grube brodelnder Lava sammeln konnte, stoppte der Schmerz. 

 

Fort.

 

So schnell wie es ihn getroffen hatte, verschwand es wie ein brennender Schürhaken, der aus seinem Schädel gezogen wurde. Nur der Phantomschmerz blieb zurück. Scharf sog Neji Luft ein und spähte durch das Zittern seiner Strähnen, während er heftig keuchte und kalter Schweiß sein Gesicht benetzte. Und dann überzogen sich seine Augen mit dem Frost von etwas, das noch kälter war und sein Atem bebte zischend zwischen seinen Zähnen hervor. 

 

Bastard.

 

Auf der anderen Seite des Innenhofes stand Hyūga Hitaro. Zwei Finger steif aufgerichtet und gelassen gegen seinen strengen, stets nach unten gebogenen Mund gelegt. Das Handzeichen war unverkennbar. Nejis Augen flammten auf, doch Hitaro krümmte einfach nur spöttisch einen Finger, um den verbliebenen weiterhin in einer auffordernden Geste des Schweigens gegen seine Lippen zu drücken.

 

Nejis Augen verengten sich, als er sich aufrichtete. 

 

Er wusste sehr gut, dass die Lektion hierin nicht daraus bestand, in Stille zu leiden; das hatte er bereits vor sehr langer Zeit gelernt. 

 

Das hier war weitaus bedrohlicher. 

 

Das hier war eine Mahnung. 

 

Hitaros Augen bohrten sich in den jungen Jōnin und das bleiche, blutlose Weiß des Starrens des Ältesten wurde immer kälter, als er beobachtete, wartete, warnte. 

 

Mögest du in der Hölle verrotten.

 

Die Sehnen in Nejis Hand zogen sich straff wie Drahtseile und seine Finger krümmten und bogen sich zu einer Faust. 

 

Wenn ich dich doch nur dorthin schicken könnte.

 

Seine Würde brüllte in ihm ihren Trotz heraus und Klauen aus Zorn gruben sich in seine Brust; wollten zerreißen und sich aufbäumen. Wollten wüten und sich auflehnen gegen diese Kette aus Kontrolle, die sich enger und straffer um ihn zog. 

 

Nein. Nicht jetzt.

 

Neji atmete tief und sog Luft ein, bis die Wut nachließ. Für einen Moment wurde er so still, dass es wirkte, als wäre er an Ort und Stelle zu einer Salzsäule erstarrt. 

 

Eingefroren – bis er sich bewegte, um sich zu verneigen. 

 

Und in der Sekunde, als er das tat, bekam etwas in ihm leichte Risse – wie jedes Mal – ungesehen unter der Rüstung einer ausdruckslosen Maske. 

 

Eines Tages werde ich diese Maske gegen eine andere eintauschen.

 

Und als er sich vor Hitaro verbeugte, ätzte er die Wunde in seiner Brust mit der Überzeugung dieses Gelübdes ab, ließ zu, dass es ihn tiefer brandmarkte als es das Fluchsiegel jemals könnte. 

 

Ich werde diese Ketten zerbrechen.

 

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Uuuund die Party geht los ;) Mal sehen, wie Shikamaru das wegstecken wird...und es gibt hier wieder Hinweise darauf, was mit Shikamaru passiert ist, oder zumindest, was damit in Zusammenhang steht ;) Hat es jemand bemerkt?? ;) 

Und ja, was soll ich sagen...hier kommt der klassische Hyūga Hitaro...Würde mich sehr interessieren, was ihr zu ihm sagt. Auf jeden Fall hoffe ich sehr, dass euch das Kapitel gefallen hat, vor allem auch mit dem kleinen Zwischenspiel mit Asuma und Kakashi ;) 

Vielen Dank an alle meine lieben Reviewer/innen und Leser/innen!! <3
 

Und da ich es bisher irgendwie versäumt habe, diese Frage zu beantworten und da ich denke, dass sie vielleicht alle Leser/innen interessiert: Wie entstand die Idee zu der BtB Serie und die Handlung? Witzigerweise - und ob ihr das jetzt glaubt oder nicht - war Break to Breathe als Oneshot geplant! Basierend auf einem Traum, in dem Shikamaru jemanden durch den Wald verfolgt.

It's always a game

Irgendwie war das Unmögliche passiert. 

 

Shikamaru schob das Ergebnis allen involvierten Spielern zu. Sie waren alle zusammen gekommen, um ihn innerhalb ihrer dämlichen Ränge zu krönen und jetzt saß er an der einen Seite des Tisches und hatte den Kopf leicht unter dem Gewicht des übergroßen Partyhuts eingezogen, der auf den langen Stacheln seines Pferdeschwanzes saß. 

 

„Ist ein interessanter Anblick von dir.“

 

Shikamaru linste aus den Augenwinkeln durch den Raum ohne den Kopf zu heben. „Du bist hier wegen des Essens, huh?“

 

„Darauf kannst du wetten.“ Asuma sah auf ihn hinunter, das Haupt auf eine Seite gelegt. Seine Lippe krümmte sich um eine unangezündete Zigarette, die sich ruckartig nach oben neigte, als sein Grinsen noch etwas schärfer wurde. „Aber das hier zu sehen, ist es absolut wert, selbst wenn ich nicht zum Essen hier wäre.“

 

Asuma starrte auf den Hut. 

 

Shikamarus Wimpern senkten sich zitternd. „Du solltest eigentlich auf meiner Seite sein.“

 

„Das bin ich.“, versicherte Asuma ihm und ließ sich auf den Platz neben dem Schattenninja nieder, während er schmunzelnd die Ballons beäugte, die an Shikamarus Stuhl gebunden waren. „Wenn ich das nicht wäre, dann hätte ich dir stattdessen gesagt, wie unglaublich affig du aussiehst.“

 

„Klar.“ Shikamaru richtete sich auf und ließ beinahe einen der Ballons mit der Spitze seines Hutes platzen. Energisch klatschte er beide Hände auf den Tisch. „Ino, das Ding kommt jetzt sofort runter!“

 

„Neiiiin!“ Ino schob ihren Stuhl in seinen und schlang einen Arm um seinen Hut, um ihn fest auf seinem Kopf zu halten. 

 

„Ino geh weg. Ich tick echt gleich aus.“

 

„Auf keinen Fall! Nach all dem Aufwand, den ich betrieben habe?“ Sofort rief Ino nach Verstärkung. „Chōji!“

 

Chōji streckte eine vergrößerte Hand über den Tisch, um seine Finger auf Shikamarus Schulter zu legen und ihn still zu halten. „Nah, wir leiden hier alle gemeinsam.“

 

Geschlagen sackte Shikamaru in sich zusammen und knallte seine Stirn mit einem dumpfen Aufprall auf die Tischplatte – rasch griff Ino nach vorn, damit sein Hut nicht von der Sitzstange seines Pferdeschwanzes fiel. 

 

„Warum…?“, stöhnte er genervt. 

 

Asuma blinzelte träge und Bänder aus Rauch kringelten sich von seiner Zigarette nach oben, als er seine Schachtel kichernd auf dem Tisch ablegte. „Ah und hier ist die Teamarbeit, von der ich so begeistert bin.“

 

Shikamaru schob eine Hand unter sein Kinn, um seinen Kopf etwas aufzustellen, während er aufmerksam die Zigarettenpackung beäugte. 

 

Asuma schob sie außer Reichweite. „Denk nichtmal dran.“

 

„Ich hasse Rauchen.“

 

„Dann bleib auch dabei.“

 

„Heuchler.“

 

Asuma atmete eine dichte Wolke aus und grinste. „Solange du dieses Ding trägst, kann ich nichts was du sagst ernst nehmen.“

 

„Das kotzt mich an.“

 

„Shikamaru.“, grollte Ino und drehte den Hut auf seinem Pferdeschwanz, als könnte sie ihn dadurch festschrauben. „Hör auf, so eine Spaßbremse zu sein.“

 

„Ich bekomm von dem Spaß nichts mit.“

 

„Lügner.“, kicherte Ino und schlug gegen die Ballons, die Naruto mit gekritzelten Gesichtern verziert hatte. „Du genießt das Essen.“

 

Stimmt.

 

Shikamaru stellte die Ellbogen auf dem Tisch ab und gestattete ihr, seinen Hut wieder an Ort und Stelle zu schieben, während er marginal den Kopf schüttelte; einfach nur, um ihr die Sache schwerer zu machen. Trotz dieses lästigen Beiwerks musste er zugeben, dass dieses entspannte Mahl genau die Art von Ablenkung war, die er gebraucht hatte – und es schadete ganz sicher nicht, dass das Essen genau der Genuss für seine Geschmacksnerven war, den Chōji versprochen hatte. Alle griffen kräftig zu und die Gerichte kamen ununterbrochen. 

 

Alle Neun der drei gleichaltrigen Teams waren anwesend – abgesehen von Sasuke natürlich. 

 

Gais Team musste erst noch auftauchen. 

 

Shikamaru blinzelte hart und zerrte seine Aufmerksamkeit angestrengt von dem zurück, wohin ihn dieser Gedanke wahrscheinlich führen würde. 

 

Stattdessen richtete er seinen Fokus auf die Versammelten. 

 

Die Teams saßen sporadisch und bequem auf gepolsterten Stühlen beieinander, die den langen Tisch flankierten. Hin und wieder wurden die Plätze getauscht, um neue Unterhaltungen zu beginnen oder den Tisch zu umrunden, um die verschiedenen Gerichte erreichen zu können. Die Beleuchtung des Esszimmers hielt sich wie Honig und der sanfte Bernstein der späten Nachmittagssonne schimmerte durch die Shojitüren. Unaufdringliche Musik spielte und die Atmosphäre blieb locker und ungezwungen, wurde von leisem Geplänkel, Lachen und dem gelegentlichen Heben von Stimmen erfüllt – normalerweise vor allem dann, wenn sich Naruto und Kiba zu einem Wortgefecht entschlossen, das mehrere Dezibel lauter war, als es höflich gewesen wäre; ganz zu schweigen davon, dass es gar nicht nötig war, dieses Geplapper überhaupt zu hören. 

 

Und wie aufs Stichwort plärrte Kiba über den Tisch: „Hey Ino, was hat’s mit diesen Hüten auf sich?“

 

Ino fuchtelte mit den Essstäbchen zu Shikamaru. „Ich wusste, dass Shikamaru niemals sein dämliches Haar offen tragen würde, also musste ich Messungen durchführen und irgendetwas finden, das passt.“

 

Kiba kaute auf einem Tempura herum und hob eine Braue. „Du hast diese Hüte extra wegen Shikamaru anpassen lassen? Aber nicht jeder von uns hat so dämliche Haare.“

 

Eine von Shikamarus Brauen wanderte nach oben. „Wer hat dich nochmal eingeladen?“

 

Kiba kaute wortlos und grinste. Und Akamaru ergriff die Gelegenheit, um sich etwas von dem Essen auf dem Teller des Hundeninjas zu genehmigen und verzog sich gleich darauf wieder unter den Tisch, um sich zu verstecken. 

 

Ino rollte mit den Augen und justierte ihren eigenen Partyhut. „Es gab ein Missverständnis bei der Bestellung und alle anderen von den Dingern waren dann genauso groß.“

 

„Ach ist doch kein Problem!“ Naruto lehnte sich über Ino hinweg, um Shikamarus Hut anzustupsen. „Du kannst immer noch so tun, als wäre es nötig wegen deines großen fetten Hirns, Shikamaru.“

 

Kiba giggelte. „Jäh, aber nicht jeder hat ein großes Hirn, oder, Nartuo?“

 

„Halt die Klappe, Scheißemagnet.“ Narutos Knurren verwandelte sich in ein Grinsen. „Chōji hat mir erzählt, was passiert ist!“

 

„Oh und hat er dir auch gesagt, dass Shikamarus Haustier ein verfickter Psychopathenvogel ist?!“, quäkte Kiba und stach mit einem Finger anklagend auf den Schattenninja, während sich beinahe Tränen über diese Ungerechtigkeit in seine Augen drängten. „Scheiß auf den Teil, als er mich vollgekackt hat, er hat mich verfickt nochmal zum Bluten gebracht!“

 

Shino fing Kibas rudernde Gliedmaße auf, bevor sie ihn im Gesicht treffen und seine Brille kaputt machen konnte. „Wenn du dich so benommen hast, dann ist das mehr als verständlich.“

 

„Ich habe überhaupt nichts gemacht. Es war vollkommen unprovoziert. Shikamarus Vogel hat einfach ein Rad ab.“

 

„Du hast einen Vogel?“, fragte Asuma und blies in einem Reifenspiel einen Rauchring zu der Spitze von Shikamarus Hut.

 

„Es ist nicht mein Vogel.“, knurrte Shikamaru und wedelte den Rauch fort. „Passivrauchen zählt immer noch, weißt du.“

 

Asuma versuchte, eine schuldbewusste Miene aufzusetzen und scheiterte kläglich. „Sorry, ich versuche es wirklich, aber ich kann dich immer noch nicht ernst nehmen.“

 

„Verdammt.“, murrte Shikamaru und schob seine Finger langsam zu dem Hut. 

 

„Lass das!“ Ino schlug nach seiner Hand, bevor sie plötzlich strahlte. „Asuma-sensei!“ Sie duckte sich, um unter dem Tisch herum zu wühlen. „Ich habe hier irgendwo noch deinen Partyhut!“

 

Sofort zerfiel Asumas Schmunzeln und er hielt eine Handfläche hoch. „Nein, nein. Mir geht’s gut, nicht nötig!“

 

Shikmaru schüttelte den Kopf und kicherte. „Feigling.“

 

„Clever.“, korrigierte Asuma ihn und tippte sich vielsagend an die Schläfe. „Ich werde mich nicht auf diese Dämlichkeit herab begeben, nur weil du so aussiehst. Ich empfinde Mitleid für dich, aber ich werde sicher nicht mit dir fühlen.“

 

Shikamaru lachte leise und streckte sich träge, um nach einem frischen Paar Essstäbchen zu greifen und damit ein paar gewürfelte Sushistücke aufzunehmen. „Wie gut, dass ich einen Scheiß auf mein Image gebe, oder?“

 

Asumas Augen folgten der faulen Bewegung und wanderten dann weiter durch den Raum, bis sie sich auf etwas richteten, das dazu führte, dass seine Antwort zu einem tiefen Kichern zerfiel. 

 

Shikamaru runzelte die Stirn und stellte einen Ellbogen auf dem Tisch ab, während er kaute. „Was?“

 

Aber Asuma grinste nur und neigte den Kopf in die Richtung, in die er sah, während er mit einem Lachen seine Zigarette an die Lippen führte. „Bist du dir da wirklich so sicher?“

 

Shikamaru zog die Brauen noch weiter zusammen, spähte über sein hängendes Handgelenk und hörte sofort auf zu kauen. 

 

Das Sushi blieb ihm im Hals stecken. 

 

So geschmeidig wie ein Panther schlüpfte eine Frau zwischen zwei Angestellten hindurch, um im Türrahmen stehen zu bleiben. Ebenholzfarbener Stoff schmiegte sich an die kräftigen, großzügigen Rundungen des Körpers der Kunoichi und floss weich wie Tinte über lange Tänzerbeine, die durch die beiden Schlitze, die sich an beiden Seiten ihre Robe befanden, leicht zu sehen waren. 

 

Shikamarus Blick zuckte weiter nach oben.

 

Seine dunklen, tiefbraunen Seen trafen sich mit einem Paar petrolgrüner Augen, die von dichten Wimpern gesäumt waren, die auf und ab schlugen wie Schwingen, als sie ihren Blick zu demselben Halbmast senkte wie er. 

 

In der Luft wurde ein Funke geschlagen; subtil wie ein Glühwürmchen, das zwischen ihnen schwirrte. 

 

Schmunzelnd lehnte die Frau ihre weite Hüfte gegen den Türrahmen und platzierte eine schlanke Hand an der tiefen Kurve ihrer schmalen Taille, um die eine karmesinrote Schärpe gebunden war, die zu dem blutroten Lack ihrer Nägel passte. 

 

Shikamaru nahm all diese Details ohne ein einziges Wort in sich auf. 

 

Seine Gesichtszüge blieben undurchschaubar, fast gelangweilt, aber seine Augen glühten und waren schwer beschäftigt, alle Kleinigkeiten zu verfolgen. 

 

Das Grinsen der Frau wurde tiefer und ihre Stimme schnurrte leise und kehlig durch den Raum; Belustigung machte sie schwer. „Nun, wie ich sehe, hat der Drückeberger-Clown endlich eine passende Kopfbedeckung bekommen.“ Sie beäugte aufmerksam die Länge des hervorstehenden Kegels auf seinem Kopf. „Wie entsetzlich symbolisch für so einen fragilen Mann.“

 

Shikamarus Braue hob sich träge. „Und da ist dieses Schandmaul, Weib, so schroff wie eh und je.“

 

Temaris Haar schimmerte, als sie lachte und der reiche aber trockene Ton ihres Gelächters kitzelte etwas an der Wurzel von Shikamarus Wirbelsäule; kleine Körner der Anziehung, die wie warmer Sand wirbelten und über seine Haut prickelten. 

 

Es zwang ihn dazu, sich auf seinem Stuhl aufzurichten. 

 

Himmelwärts blickend entließ er ein schwer leidendes Seufzen. 

 

Wie lästig…

 
 

~※~
 

 
 

Irgendetwas stimmte nicht.

 

Shikamaru spürte es wie eine säuerliche Wendung in einem zu süßen Lächeln. 

 

Nicht, dass Temari wirklich lächelte. Sie beobachtete ihn mit einem schmalen Grinsen und ihre Aquamarinaugen funkelten auf eine deutlich intrigante Weise. 

 

Nicht gut.

 

Und dann bogen sich ihre Lippen noch weiter zu einem bösartigen katzengleichen Schmunzeln; mit jedem Bisschen die sich anschleichende Kätzin, die lauerte und abwartete. Die Krallen bereit und darauf wartend, sich gleichzeitig auf den Sahnetopf zu stürzen und den Kanarienvogel zu zerfetzen. 

 

Sie ist immer noch angepisst.

 

Shikamaru versteifte sich in seinem Stuhl und war sich nicht bewusst, dass Asuma zwischen ihm und Temari hin und her sah wie der Beobachter einer interessanten Auseinandersetzung. Der Schattenninja befand sich überhaupt nicht in der Stimmung zu spielen, aber er bemerkte deutlich, dass diese Spiele begannen, als Temari geschmeidig auf den Tisch zuschritt; das Kinn hoch erhoben und die Lippen noch immer zu diesem schlauen Grinsen verzogen. 

 

Und es geht los.

 

Shikamarus Hirn begann sofort, den Modus zu wechseln und kalkulierte unablässig, während er beobachtete, wie sich die Suna Kunoichi näherte – bis Naruto sie auf halbem Weg abfing und ansprach. Bis über beide Ohren grinsend und grüßend und begierig danach, Neuigkeiten von Gaara zu hören. Temari gab dem Uzumaki nach und hatte die Hand noch immer an die Hüfte gelegt, während sich ihr Körper zu einem fixierten ‚S‘ bog, das ihre Kurven auf natürliche Weise und ohne irgendeine Absicht oder einen Aufwand betonte. 

 

Shikamarus Augen folgten der Neigung ihrer Hüfte.

 

Asuma räusperte sich und der Klang rasselte leicht mit einem unterdrückten Kichern. 

 

In einem trägen Gleiten zog es Shikamarus Blick hinüber. „Was?“

 

„Ach nichts.“, triezte Asuma und klopfte Asche auf einen leeren Teller. 

 

Shikamaru zog eine finstere Miene und spähte zurück zu Temari. Er stieß die Enden seiner Essstäbchen in einem rhythmischen Klacken aneinander, das dem beständigen Klicken und Wenden der Gänge in seinem Verstand entsprach. Obwohl es durchaus möglich war, dass sie sich auf eine Gelegenheit gestürzt hatte, um einen Ausgleich zwischen ihnen herzustellen, schätzte er doch, dass ihre Agenda in Konoha einen weit größeren Fisch beinhaltete. 

 

Die Friedensverhandlungen; das muss es sein.

 

Ino stieß ihn in die Rippen und zerrte ein gedämpftes Zischen aus ihm. 

 

„He!“, knurrte er.

 

„Ich kann quasi fühlen, wie dein dämliches Hirn brummt.“, sagte sie schnippisch und beugte sich zu ihm, um ihm gegen die Schläfe zu tippen. „Bring mich nicht dazu, da rein zu kommen.“

 

Shikamaru stieß sie mit seinen Essstäbchen fort, als sie eine Hand ausstreckte, um schon wieder seinen Hut zurecht zu rücken. „Du bist noch schlimmer als meine nörgelnde Mutter.“

 

Ino streckte ihm die Zunge heraus, bevor sie an ihrem Getränk nippte und hart über den Rand ihrer Tasse blinzelte, als sie einen wilden Blick auf ihn richtete; es trug unmissverständlich die Drohung einer gepfefferten Gardinenpredigt in sich. Da er bereits ahnte, wie viel Flakfeuer er einstecken müsste, spähte Shikamaru hilfesuchend zu Asuma, musste aber feststellen, dass die Augen seines Senseis quer durch den Raum fixiert waren. 

 

Beide Schüler des Sarutobi bemerkten es und sahen zur selben Zeit in die Richtung.

 

Ino verschluckte sich an ihrem Getränk und hielt sich rasch eine Hand vor den Mund.

 

Shikamaru konzentrierte sich auf den lästigen Grund ihrer Nervosität und schaffte es kaum, ein Augenrollen zu unterdrücken. 

 

Natürlich…

 

Im Türrahmen stand ein breitschultriger junger Mann, der unbeweglich genug wirkte, um in den Rahmen mit eingebaut zu sein. Er ließ sich kaum dazu herab, sich zur Seite zu begeben, um das Personal durchzulassen, das geschäftig in den Raum ein- und ausging.

 

Shikamaru hob eine Braue. 

 

Der Typ bemühte sich um einen erbärmlichen Versuch, lässig auszusehen. Einen Daumen hatte er steif in den Gürtel seines Yukatas gehakt, während er eine unbeholfen geneigte Haltung annahm, bei der sich Shikamaru fragte, ob er sie nicht sogar vor einem Spiegel geübt hatte, um die dümmste Pose auszuwählen, die ihm zur Verfügung stand. 

 

Was für ein Lackaffe.

 

Mit einem einzigen raschen Schwung seiner Augen nahm Shikamaru das komplette Paket schwachsinniger Selbstdarstellung wahr und bemerkte sofort den dreisten Blick, den der Kerl starr auf Ino fixiert hatte. Dreist genug, um eine sofortige Abneigung und Irritation in dem Schattenninja auszulösen – und umso mehr wegen der Tatsache, dass Ino wahrscheinlich auch noch auf diesen Schwachkopf ansprechen würde. 

 

Nur tat sie es nicht. 

 

Sehr zu Shikamarus Überraschung saß Ino steif und festgefroren in ihrem Stuhl. Kein Herausputzen, kein laszives Schwingen des Haares, kein subtiles Neigen der Schulter oder verführerische Seitenblicke. Wenn überhaupt, dann sah sie verlegen aus und ihre Mundwinkel zuckten in einer Grimasse.

 

Shikamaru katalogisierte dieses seltsame Verhalten schweigend und sorgfältig, doch Asuma reagierte darauf. 

 

Und alles, was er tun musste, war, seine Position leicht zu verändern. Ein subtiles Rollen von Muskeln und der Jōnin drehte sich ein Stück auf seinem Platz, während er den Handballen auf die äußerste Kante des Tisches legte; seine Zigarette festgehalten und rauchend zwischen seinen Fingern. 

 

Eine bewusst herbeigeführte und gefährliche Pause – die warnende Art. 

 

Shikamaru erkannte das Signal sofort. Es schrillte schärfer und lauter als das Klacken des schweren Metall Armbandes, das um das Handgelenk seines Senseis geschlungen war, als sich Asuma weiter in den Druck seiner Hand lehnte. Nur ein einziger Schub wäre alles, was für den Jōnin nötig war, um sich innerhalb eines Herzschlages über den Tisch zu stürzen. 

 

„Ino.“, begann Asuma beiläufig, nahm aber nicht für einen Sekunde die Augen von dem Fremden. „Ein Freund von dir?“

 

Ino ließ ein kleines überraschtes Quieken hören; vollkommen auf dem falschen Fuß erwischt, bevor sie angespannt lächelte. „Oh, er ist nur der Sohn der Leiterin hier.“

 

Mit geradezu klinischer Beobachtung lehnte sich Shikamaru ein Stück nach hinten und wog die verschiedenen Signale ab, die von seinem Sensei, seiner Teamkameradin und dem Sohn der Leiterin, den er in seinem Verstand schon als ‚Trottel‘ abgestempelt hatte, abgefeuert wurden. 

 

Und nach diesen Signalen zu urteilen, ging irgendetwas während der Übertragung verloren. 

 

Sicher, der Kerl hatte ein anzügliches Gehabe, aber Ino hatte ein Händchen dafür, diese Art von niederen Blicken von Männern auf sich zu ziehen; vor allem wenn man die Signale bedachte, die sie aussandte. Doch diese seltsame Nervosität, die sie jetzt ausstrahlte wie eine Schallwelle, hatte Asuma ganz offensichtlich an einem Ort getroffen, den Shikamaru nicht verstand. 

 

Sie ist kein Kind. Sie könnte den Hintern von dem Kerl bis nach Suna treten…

 

Was allerdings nicht erklärte, warum sie so flatterhaft wirkte. 

 

Komisch.

 

Shikamaru runzelte die Stirn und spähte zwischen seinem Sensei, Ino und Trottel an der Tür hin und her. Der Mann war ganz klar kein Shinobi, wenn der Gefahrenradar des Kerls – oder eher das Fehlen eines solchen – irgendein Indiz war. 

 

Nur Muskeln, aber kein Hirn.

 

Es brauchte ein paar weitere Sekunden, in denen er weiterhin Ino angaffte, bevor der Idiot endlich Asumas fixierten Blick auf sich bemerkte, der sich schneidend durch den Raum stach. Und in der Sekunde, in der Trottel die Warnung kapierte, richtete er sich aus seiner lächerlichen Haltung auf. Doch wie ein bekloppter Hund, der keinen Schimmer von Hierarchie hatte, verfiel er rasch in einen genervten Möchtegern-Alpha Modus. Sein anzügliches Grinsen verwandelte sich in ein Knurren. Er ging sogar so weit, eindrucksvoll zu beweisen, was für ein unglaublicher Idiot er war, indem er mit Blick auf den Jōnin eine Braue hob – eine Herausforderung. 

 

Shikamaru spähte zu Asuma. 

 

Asuma grinste ohne den geringsten Hauch von Belustigung und drückte sehr – sehr – langsam seine Zigarette aus. 

 

Trottel ist am Arsch.

 

Doch bevor sich Asuma erheben konnte, kam ihm Ino zuvor. 

 

Ruckartig kam sie mit einem hohen kleinen Lachen auf die Füße, während sie extravagante Kreise mit ihrem Handgelenk vollführte, als würde sie Fliegen verscheuchen oder versuchen, die Spannung fort zu wischen. 

 

„Ich bin gleich wieder da!“, verkündete sie, nahm ihren Partyhut ab und schob sich ihren Weg um das andere Ende des Tisches, um Asuma auszuweichen. 

 

Shikamaru beobachtete das Ganze durch seine dichten Wimpern; eine Braue hatte er wie die dunkle Kurve eines Fragezeichens auf seinem Gesicht erhoben. 

 

Seltsam wird nur immer noch seltsamer.

 

Die Blondine trottete auf ihren Stöckelschuhen durch den Raum und verwandelte nach und nach ihren Gang zu einem hüftschwingenden Stolzieren, als sie auf halbem Weg zur Tür war; als wäre hier irgendeine Art bizarres Jutsu am Werk. Asuma hielt seinen Blick unbeirrt auf Ino gerichtet, bis sie mit Trottel aus der Tür verschwand. Und dann erstarb sein Gesichtsausdruck, während er eine Hand nach seinen Zigaretten ausstreckte.

 

„Entspann dich, Shikamaru.“

 

„Dein verfickter Ernst? Du bist derjenige, der gerade Todesblicke ausgeteilt hat.“ Shikamaru senkte die Stimme. „Warum?“

 

„Du hast Geburtstag, du kannst also deine Denkerkappe endlich mal abnehmen.“ Er warf Shikamarus Hut einen vielsagenden Blick zu und erhellte seine Worte mit einem lahmen Scherz. „Buchstäblich.“

 

Gekonnt ignorierte Shikamaru das Geplapper und Lachen, das noch immer über den Tisch schwebte, doch er scheiterte darin, auf diesen Humor zu reagieren; seine Augen verengten sich fragend. 

 

Asuma benahm sich jedoch ebenso evasiv wie sein Schüler und ignorierte den stechenden und prüfenden Blick, verstaute seine Glimmstängel in der Tasche und schob sich von dem Tisch fort. „Mach dir noch einen schönen Abend. Ich komm morgen nochmal vorbei.“

 

„Klar…“ Shikamaru legte seinen Kopf leicht in den Nacken und dieser dämliche Hut neigte sich auf eine Seite, als er die Brauen zusammenzog. 

 

„Versuch, dich ein bisschen hierauf einzulassen.“, neckte Asuma und schob sich seine Zigarette zwischen die Lippen; die Augen fest auf die Tür gerichtet, während er den Tisch umrundete. „Das heißt aber nicht, dass du Alkohol trinken sollst.“

 

Shikamaru schnaubte und bot ein träges Schmunzeln an. „Ist das das Bild, das du von mir hast? Wie nett.“

 

„Hey, dir ist dein Image doch egal, erinnerst du dich?“ Asuma kicherte und hielt lange genug inne, um vielsagend zu Temari zu spähen. „Andererseits natürlich…“

 

Shikamaru schüttelte den Kopf und seine Miene war flach, als er den Blick abwandte. Asuma lachte leise wegen seiner Verlegenheit und vollführte eine abgelenkte Geste, die halb Winken, halb Salutieren war, bevor er auf den Ausgang zusteuerte, indem er sich zwischen den Angestellten hindurch schlängelte, die den nächsten Gang herein trugen. 
 

Shikamaru starrte der Spur des Rauches seines Senseis hinterher, der sich mit dem Wogen von Dampf vermischte, das mit den heißen Gerichten in den Raum getragen wurde.

 

„Wo geht Asuma-sensei hin?“, rief Chōji über den Tisch und spähte über die lange Tafel.

 

Shikamaru wies die Frage mit einem Handrucken ab. „Muss sich um was kümmern.“

 

Was hat es damit wohl auf sich?

 

Es machte überhaupt keinen Sinn. Ino hatte genug Idioten auf ihre Hintern befördert, um zu beweisen, dass sie durchaus in der Lage dazu war, allein zurecht zu kommen. Doch während sich sein Hirn durch all die Beweise für diese Denkweise wühlte, blieb da immer noch dieses nagende Fragezeichen, das über seinem Bewusstsein hing. Grüblerisch spähte er auf ihren abgelegten Hut. 

 

Lästiges Mädchen…

 

Seine Augen zuckten vor einer Besorgnis, die er energisch beiseite zu schieben versuchte. Und glücklicherweise zogen die Veränderung des Geschnatters und der Stuhlwechsel Shikamarus Aufmerksamkeit zurück auf den Tisch. Die Leute hatten erneut damit begonnen, die Plätze zu tauschen und rotierten sich ihren Weg zu den neuen Gerichten, während sie sich zu einem engeren Knoten um den Tisch zusammenzogen. 

 

Wie ein Reise nach Jerusalem Spiel.

 

Shikamaru weigerte sich stur, sich auch nur einen Millimeter zu bewegen. 

 

Mit minimalem Aufwand streckte er eine Hand über den Tisch und seine Finger strichen gegen Temaris, als sie ihm die Essstäbchen vor der Nase wegschnappte. Wie ein paar Senbons ließ sie sie über ihre Knöchel tanzen, als sie sich auf dem Stuhl ihm gegenüber niederließ. 

 

„Zu viel Anstrengung, sich etwas schneller zu bewegen, Shikamaru?“, schnurrte sie triezend. „Ich warte immer noch darauf, dass du mich mal überraschst.“

 

Shikamaru zog seine Hand zurück und legte sein Kinn in der Handfläche ab. „Mein Mangel an üblichem Chauvinismus reicht also nicht?

 

„Oh?“

 

Er warf einen Blick auf die geklauten Essstäbchen. „Ladys first.“, sagte er gedehnt.

 

Temari grinste und klimperte in falscher Mädchenhaftigkeit mit den Wimpern, das nur äußerst wenig dazu beitrug, Shikamaru von der Tatsache abzulenken, dass sie sich schon immer wie eine erwachsene Frau benommen hatte. Als Genin hatte er es an ihrem nervigen, viel zu selbstsicheren und überentwickelten Sinn für Reife und ihrer herablassenden Art festgemacht, mit der sie die meisten Männer behandelte.

 

Als wären sie minderwertige Kreaturen. 

 

Und mischte man zu ihrer Meinung über Männer Shikamarus – gelinde gesagt – nicht gerade schmeichelhaften Blick auf Frauen zu dieser Zeit, hatte das zu interessanten Unterhaltungen zwischen ihnen geführt. Und dennoch war in den frühesten Tagen ein Gespräch mit Temari eher deswegen ärgerlich und lästig gewesen, weil sie dazu neigte, auf eine Weise zu sprechen, die gleichzeitig unschuldig war und ebenso überaus clever dazu gedacht war, Blut zu vergießen. 

 

Ihre scharfen Kanten waren etwas zu scharf.

 

Bis zu dem Tag, an dem er sie ebenfalls geschnitten hatte. 

 

Und dann hatte sich ihre Dynamik verändert. 

 

Verbale Schläge hatten sich zu Geplänkel abgemildert. Hin und wieder wurden Egos verletzt, aber es wurde kein Blut mehr vergossen. 

 

Als Chūnin hatte er andere Seiten von ihr kennen gelernt; wie die Facetten eines Juwels, das von den heftigen Lektionen des Lebens hart und grob geschliffen worden war. Gelegentlich hatte er einen Blick auf etwas unterhalb der Frechheit und dem Sarkasmus erhascht, von denen er deutlich spürte, dass sie sie nutzte, um die Leute auf Armeslänge auf Abstand zu halten. Selbst jetzt betrieb sie einen unbewussten Aufwand, um sich nicht zu nah zu beugen; einen Arm hatte sie flach gegen die Kante des Tisches gepresst und schützte damit ihren Oberkörper. Für eine Frau, die keinerlei Probleme damit hatte, Drohungen auszuteilen, schien sie sich ununterbrochen selbst bedroht zu fühlen.

 

Müßig beobachtete Shikamaru sie, während er Asumas unbenutzte Essstäbchen aufnahm. „Ich hoffe sehr, dass du nicht auf der Suche nach Begleitung warst.“

 

Temari hob eine feine goldene Braue und ihre Lippen verzogen sich um das Tofustück, das sie an die Lippen führte, zu einem Grinsen. „Nur nach einer Revanche, aber dich an deinem Geburtstag zu verprügeln wäre nicht besonders höflich.“

 

„Wie-“

 

„Lästig…“, beendete Temari seinen Satz. 

 

„Typisch.“, korrigierte Shikamaru sie und setzte ein halbherziges Schmunzeln auf, während er eine Hand hob, um seinen ‚Straßenpylonenhut‘ abzusetzen. „Ich bin geradezu überwältigt von deiner Rücksichtnahme.“

 

„Nun, wenn man all den Ärger bedenkt, denn du mir verursacht hast, dann habe ich jedes Recht dazu, dich zu überwältigen, Nara.“, verwies Temari und eine raue Faser wob sich in die reiche Textur ihrer Stimme. „Und du weißt ganz genau, wovon ich spreche.“

 

Yep, immer noch angepisst.

 

Shikamaru schnaubte und spähte zu ihr hinüber. „Du machst Witze. Das ist Monate her.“

 

„Und sehr gut in Erinnerung.“, lobte Temari sarkastisch, bevor sie ihre Zähne in einem Grinsen zeigte. „Erinnerst du dich daran, dass ich dich bereits beim ersten Mal gewarnt habe, das nicht noch einmal zu tun?“

 

Zögernd spürte Shikamaru, wie seine Angewohnheit, sich sofort an diese Zeit zu entsinnen von dem ernsthaften Drang, sich ganz generell nicht zu erinnern niedergeschossen wurde. Wie ein stroboskopartiges Flackern blitzten die Erinnerungen auf und verblassten; kontrolliert von einer rapiden Veränderung in seinen Gedanken, als er sich auf etwas anderes konzentrierte und über den Tisch blickte. 

 

„Hn.“ Er zuckte mit den Achseln und griff nach einem frischen Paar Essstäbchen. „Komm drüber weg. Mir sind einfach die Salontricks für deine ‚Gäste‘ ausgegangen.“

 

„Ich werde drüber weg kommen, wenn du endlich erwachsen wirst.“, erwiderte Temari mit härter werdender Stimme. „Du hast mich einfach ins kalte Wasser geschmissen und mich da gelassen, um deinen faulen, unverschämten Arsch zu decken. Mächtige Leute können es nicht ausstehen, das Gesicht zu verlieren.“

 

„Das Gesicht verlieren?“ Shikamaru grinste bitter und seine Augen suchten ununterbrochen nach einer Ablenkung, während sich seine Eingeweide verkrampften. „Sie mögen es nicht zu verlieren. Punkt.“

 

„Und was? Es ist deine Aufgabe, ihnen eine Lektion zu erteilen?“, spottete Temari und handhabte ihre Essstäbchen wie dünne Klingen. „Du musst aufpassen, Nara. Nur weil du klug bist, macht es dich noch lange nicht überlegen.“

 

Diese Worte erwischten ihn eiskalt und ließen ihn augenblicklich erstarren. 

 

Seine dunklen Augen hörten mit ihrem Scannen auf und erfroren zu einem blanken Starren. 

 

Es macht dich nicht überlegen…

 

Shikamarus Blut kühlte sich ab und seine Knöchel erbleichten, als er die Essstäbchen hart umklammerte; nur zu zurückhaltend, um das Holz wirklich zu zerbrechen. Wie Splitter aus Eis schnitten sich diese Worte in einen Ort, von dem er gedacht hatte, dass er über die Zeit taub geworden war. 

 

‚Du besserwisserisches kleines Stück Scheiße, du denkst, du bist überlegen?‘

 

Die Erinnerung traf ihn so plötzlich und unerwartet, dass die Luft dünn wurde und sich seine Kehle zuschnürte. Heftig schluckte er gegen den Würgegriff einer unsichtbaren Hand an. Und dann spürte er es – die Schwärze eines lange unterdrückten Gefühls, das tief und wild in seinem Innersten schwärte und Steine schwerer Emotionen in ein Glühen heißer zischender Kohlen verwandelte.

 

Stop.

 

Die Hitze des Zorns erreichte beinahe seine Augen. 

 

Beruhige dich.

 

Er blinzelte hart.

 

Ändere deine Gedanken. Jetzt.

 

Vollkommen automatisch und mit einer Geschwindigkeit, die er über die Jahre hinweg perfektioniert hatte, verkabelte er sein Hirn sofort neu, bevor er die Erinnerungen zu fassen bekam. Langsam atmete er durch die Nase ein, als er den Griff um seine Essstäbchen lockerte. 

 

Temari beobachtete ihn aufmerksam und ihre Petrolaugen waren von einem Ausdruck beschattet, den er nicht einordnen konnte und es auch gar nicht wollte. 

 

Darauf abzielend, ihr in die Parade zu fahren, warf Shikamaru ihr einen scharfen Blick unter seinen Wimpern zu und seine Stimme wurde leicht rau. „Mach du nur und verstecke ein Messer hinter einem hübschen Lächeln, aber lass mich verfickt nochmal damit in Ruhe. Ich halte nichts von politischem Bullshit.“

 

Für einen Moment musterte Temari ihn ruhig. „Warum so verbittert?“

 

Shikamaru erholte sich elegant und bog seine Lippen zu einem Schmunzeln. „Weil Machtspielchen lästig sind.“

 

„Nicht nur für dich.“, bemerkte Temari. „Wir sind Verbündete, falls du das vergessen haben solltest und es rückt Suna in kein gutes Licht, wenn du dich in meinem Revier wie ein respektloser Bengel benimmst.“

 

Ihre Worte wurden nicht über das Geplänkel im Raum getragen, doch die Kante in ihrer Stimme schon. Chōji und Kiba spähten über den Tisch und Letzterer nahm die Spannung wahr, als könnte er sie wittern. Grummelnd bewegte sich Akamaru unter dem Tisch an seinen Füßen. 

 

Shikamaru beugte sich vor und senkte seine Stimme, sodass niemand außer die Kunoichi ihn hören konnte. „Dein Revier oder das von irgendjemandem sonst; ich schätze es nicht, behandelt zu werden, als wäre ich eine hochbegehrte Trophäe der strategischen Überlegenheit, die sich der Meistbietende einfach unter den Nagel reißen kann, indem er versucht, mich abzuwerben. Ich werde nicht ihre Spielchen mitspielen, Temari.“

 

Temari lehnte sich scharf nach vorn; sie war noch nie jemand gewesen, die sich zurück zog, wenn es darum ging, ihren Willen gegenüber jemandem durchzusetzen, der kühn genug war, sie herauszufordern. Doch es war kein Zorn, der in ihren Augen aufflackerte, als sie ihn anfunkelte. „Wenn es darum geht, welches Bild andere Dörfer von Suna haben, Shikamaru, dann ist es niemals ein Spiel.“

 

„Es ist immer ein Spiel.“, knurrte Shikamaru tief und dunkel. Sein Atem wirbelte den Dampf von der Schüssel auf, die die zwischen ihnen stand. „Spieler austauschen und Bauern schlagen. Was hast du erwartet?“

 

„Mach dir lieber Sorgen darum, was ich vermute.“

 

„Was?“

 

Ein Flackern von Argwohn und Wahrnehmung tanzte hinter Temaris Augen. „Mich hältst du nicht zum Narren, Drückeberger-Clown. Vielleicht einmal, vor drei Jahren; aber sicher kein zweites Mal. Du hast ein ernsthaftes Problem mit einem der Daimyos. Warum?“

 

„Was auch immer.“, erwiderte Shikamaru ausweichend, während ein Muskel an seinem Kiefer zuckte. Er spießte ein Stück des Essens auf und täuschte dabei Appetit vor. „Bist du ernsthaft hierher gekommen, um die Stimmung zu killen und mich über die Arbeit und machthungrige Würdenträger zu löchern?“

 

Temari lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. Ihr blitzartiger Konter kam nicht und eine kurze Stille deutete auf ihre eigenen Berechnungen hin, als sie seine Worte und seinen Gesichtsausdruck einschätzte. Sie sezierte sie geschickt und versah sie kühl mit Querverweisen, bevor sie das Thema auf sich beruhen ließ – warum auch immer. 

 

Langsam nahm sie sich ein dampfendes Stück Tofu aus dem brodelnden Topf. 

 

„Nein, ich bin nicht wegen der Arbeit hier. Hier geht es mir nur um mein Vergnügen.“ Temari summte und genoss den Bissen ihres Essens weitaus weniger als den Ausdruck auf seinem Gesicht. „Außerdem gibt es angenehmere Wege, um einen Ausgleich herzustellen.“

 

Shikamaru hörte auf zu kauen und hob eine Braue. „Ausgleich, huh?“

 

„Die Hölle selbst kann nicht wütend sein, Nara.“ Und wenn dieser bösartige intrigante Humor in ihren Augen nicht voller Versprechen gefunkelt hätte, dann hätte er vielleicht ernsthaft gehofft, dass die Wut der Hölle nur figurativ gemeint war. 

 

Hn. So ein Glück habe ich wohl nicht…

 

Aber wie Asuma ihm bereits gesagt hatte – Glück war eine Dame.

 

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Oh-oh...ein Kapitel voller Informationen zwischen den Zeilen, Seitenhieben und Hinweisen...

Und ja, Temari und Shikamaru treffen aufeinander, wie hat euch die Begegnung gefallen?? ;) Würde mich wieder sehr über Meinungen freuen! Und hoffentlich ohne zu viel zu spoilern und nur, um euch nicht panisch in eine falsche Richtung rätseln zu lassen - Nein, Temari weiß nicht, dass und vor allem auch nicht WAS Shikamaru zugestoßen ist und die Angelegenheit, die sie hier anspricht und über die sie sauer ist, ist auch nicht zur selben Zeit stattgefunden, sondern deutlich später. 

Auf Neji musste hier leider wieder verzichtet werde, aber er kommt im nächsten Kapitel wieder ;) 
 

Vielen vielen Dank wie immer an alle meine treuen und fleißigen Reviewer/innen und Reviewer und natürlich auch an alle Leser/innen <3

The last thing left to lose

Mord war simpel.

 

Ob es die Methode auch wäre, war immer fragwürdig. 

 

Zerstückelung war zum Beispiel eine äußerst chaotische Angelegenheit. Doch Asuma konnte nicht leugnen, dass er es ernsthaft in Betracht zog, während er den Drang niederkämpfte, jeden Finger einzeln und jede Gliedmaße abzuschneiden, die an dem Hurensohn befestigt war, der gerade mit einem anzüglichen Grinsen einen Knöchel über die Wange seiner Schülerin wandern ließ.

 

Diese Hand ist das Erste, was er verliert.

 

Der Mann hatte Ino in einen Ausstellungsraum mit Blick auf die Gärten getrieben. Und auch wenn sie keinerlei Gegenwehr leistete, wäre ihr Unbehagen für jeden Mann mehr als offensichtlich gewesen, der sein Hirn nicht zwischen seinen Beinen trug. Sie täuschte ein Schwingen ihres Haares vor, um der Hand an ihrer Wange zu entkommen und lachte ein bisschen zu bebend über was auch immer, das der Bastard ihr gerade ins Ohr murmelte. 

 

„Ich glaube nicht, da-“ Ihre Antwort wurde von einem abgehackten Keuchen abgeschnitten, als der Kerl sie gegen die Wand presste und ihr ununterbrochen Worte zu wisperte; Worte, von denen Asuma froh war, dass er sie nicht hören konnte, wenn Inos weitäugiger Gesichtsausdruck irgendein Indiz auf den Kontext war. 

 

Ok, das war’s.

 

Asuma tastete nach einem Grabenmesser.

 

Inos Hand hob sich, legte sich fest gegen die Brust des Mannes und schob, während sie die Geste mit einem zittrigen leisen Lachen abmilderte. „Sehr witzig, Yori-san.“

 

Yori ließ seine Hand hinunter zu ihrer Hüfte wandern. „Ich scherze nicht. Sieh es als Übung.“

 

Inos Brauen zogen sich tief zusammen und ihre blauen Augen blitzten auf, als sie schwer schluckte. „Nein.“

 

„Nein? Willst du mich ärgern?“ Der junge Mann zog sich weit genug zurück, um ihr in die Augen sehen zu können. „Ich kann ein böses Mädchen von einem guten unterscheiden.“, schmunzelte er. „Und außerdem ist ‚schwer zu kriegen‘ immer ein Ansporn und turnt mich an.“

 

„Kann mir nicht vorstellen, wie vorfreudig du über das Wort ‚Nein‘ sein kannst.“, schaltete sich Asuma gedehnt ein und seine Stimme schreckte den Mann so sehr auf, dass ruckartig sein Kopf nach oben schnellte. Seine Hände zogen sich schlagartig von Ino zurück, als würde sie auf einmal etwas Toxisches ausstrahlen. 

 

Asuma feixte und trat aus den Schatten an der Türschwelle. „Wenn ein simples Wort wie dieses schwer zu kapieren ist, dann muss das alltägliche Konversationen zu einem hormonellen Aufruhr für ein Stück Scheiße wie dich machen.“

 

Ino zupfte ihren Rock wieder nach unten, der über ihre nackten Schenkel nach oben gerutscht war und erstarrte gedemütigt gegen die Wand. Asuma sah sie nicht an; seine Augen blieben auf den Mann fixiert, der momentan zwischen ihnen hin und her sah wie ein minderbemittelter Idiot, der versuchte, irgendwie die Situation zu erfassen.

 

Und dann entschied sich dieser Dreckskerl auch noch dazu, so zu tun, als wären ihm gerade ein Paar Eier gewachsen und straffte aufplusternd die Schultern. „Wer verfickt nochmal bist du? Ihr Daddy?“

 

Asuma blinzelte sehr langsam und schob sich seine Zigarette zwischen die Lippen. „Ino. Geh.“

 

Ino versteifte sich gegen die Wand und schniefte, um ihre Fassung wieder zu erlangen und jedes Salz der Demütigung aufzuhalten, das ihren Augen zu entkommen drohte. „Sensei, ich-“

 

„Geh.“

 

Und sie ging; drehte sich auf hohen Absätzen, um den Raum mit raschen kurzen Schritten zu verlassen. 

 

Asuma wartete, bis er hörte, wie das Klacken ihrer Schuhe den Gang hinunter verhallte. Dann zündete er sich gelassen seine Zigarette an; bedächtig und langsam, während er die Schweißperlen auf Yoris Stirn beobachtete. 

 

„Was? Braucht sie einen Berechtigungsschein von ihrem Lehrer?“, knurrte der Kerl und wich nach hinten, kam dann wieder nach vorn und zog sich zurück, wie eine dieser winzigen Hunderassen, die nur aus Bellen und nicht aus Beißen bestanden. „Wach auf!“

 

Asuma atmete zwei Rauchströme aus der Nase aus und beobachtete einfach nur; wartend und eine todbringende Aura ausstrahlend ohne überhaupt ein Wort sagen oder sich bewegen bewegen zu müssen. Noch.

 

Der Schweiß auf Yoris Stirn wurde kalt. Warnend hob er eine Handfläche. „Du darfst mich nicht anrühren, Ninja. Ich bin unbewaffnet. Shinobi haben einen Kodex…und Regeln…!“

 

„Sicher haben wir das.“ Asuma begann langsam, den jüngeren Mann zu umkreisen, wobei er Stück für Stück näher kam. „Tatsächlich haben wir ganz spezielle Regeln, wenn es um Abschaum wie dich geht. Willst du wissen, wie sie aussehen?“

 

Der Mann drehte sich in ruckartigen Bewegungen und versuchte, Asuma in seinem Blickfeld zu halten. Seine Finger zuckten nervös. „Das ist Schwachsinn.“, fauchte er. 

 

Asuma brummte beiläufig und näherte sich immer weiter. „Diese Regel ist gar nicht so ‚schwer zu kapieren‘, selbst nach Idiotenstandards. Aber ich traue dir nicht zu, dass es dir einen Kick geben wird. Ich weiß allerdings, dass es mir ganz sicher einen geben wird.“

 

Yori erbleichte und seine Haut war weiß wie das Aufblitzen seiner Zähne, als er sie in einem Knurren bleckte und zischte. „Sie ist zu mir gekommen. Ihr könnt euch alle aus meinem Ryokan verziehen! Verschwindet!“

 

„Du redest zu viel.“ Asuma schüttelte den Kopf in spöttischer Enttäuschung und seufzte laut und lang. „Und ich habe auch nicht das Gefühl, dass ich gehört werde. Mann, das pisst mich wirklich an.“

 

„Fick dich!“, plärrte Yori und entschied sich in einem Augenblick idiotischen Macho Gehabes, dass Angriff die beste Verteidigung war. 

 

Er vollführte einen Schlag, der so weit davon entfernt war, irgendein Ziel zu treffen, dass Asuma sogar Zeit blieb, einen weiteren Zug seines Tabakqualms zu nehmen, bevor er sich unter dem Schwung hindurch duckte und sich hinter dem Trottel wieder aufrichtete. Er packte Yoris Hand, brach das Gelenk mit einem raschen Schnappen, drehte den Arm hinter dem Rücken des Bastards nach oben und rammte ihn mit dem Gesicht voran in die nächste Wand. Zahnschmelz flog durch die Gegend und das zufriedenstellende Knirschen von Knochen und der gedämpfte Schmerzschrei dienten nur dazu, das Jucken von Asumas Rage noch mehr zu kitzeln, statt es beruhigend zu kratzen. 

 

„Die Regel ist simpel.“ Seine Stimme rollte raunend gegen das Ohr des Mannes und bewölkte die Luft mit Rauch und Drohung. „Wenn es um Abschaum wie dich geht, dann gibt es keine Regeln.“

 

„FUCK!“ Schluchzend stieß Yori ein wässriges und blutiges Keuchen aus. „D-du hast m-mein Handgelenk gebrochen…du kannst nicht-“

 

„Du willst wirklich nicht wissen, was ich alles tun kann und werde, wenn du auch nur noch ein einziges Mal in ihre Richtung atmest.“ Asuma zog etwas härter an dem verdrehten Arm und zwang den Mann damit auf die Zehenspitzen. „Ich werde dich in so kleine Stücke schneiden, dass man keine einzige Gliedmaße mehr haben wird, die beerdigt werden könnte, wenn man damit fertig ist, dich vom Boden aufzuwischen.“

 

Yori wurde totenstill, während sich Blutblasen aus seiner Nase blähten. Starker Uringestank drängte sich direkt unter das saure Stechen von Schweiß. 

 

„Brauchst du es noch simpler, Kurzer?“ Asuma grinste und drückte den malträtierten Arm höher, um ein Jaulen aus dem Bastard zu wringen, während er noch mehr Druck aufbaute, indem er sich nach vorn neigte. „Kapierst du das?“

 

„Ja! Ich kapier’s, ich kapier‘s!”, kreischte Yori mit dem Gesicht gegen die Wand gequetscht. 

 

„Gut. Und kapiere auch das. Wenn du irgendeinem dieser Kids auch nur irgendeine Art von Ärger machst, heute oder morgen, dann werde ich das als ein Zeichen auffassen, dass du mich nicht gehört hast.“ Hier machte er eine Pause und neigte den Kiefer, um hinunter auf das Chaos des Gesichtes des Mannes sehen zu können. „Und wie wir bereits festgestellt haben, macht mich das nicht besonders glücklich. Oder?“

 

„Nein.“ Yori würgte einen bebenden Atem hervor und Klumpen aus Blut besudelten die Wand. „Nein…“

 

„Nein. Verstehst du das Wort jetzt etwas besser? Oder soll ich deine alte Dame her holen, damit sie es dir erklärt?“

 

„NEIN!“ Yori drehte den Kopf mit einem zerfetzten Schrei. „Bitte! Nein.“

 

„Das dachte ich mir schon.“ Asuma gab noch einen weiteren kleinen Stoß, der beinahe noch mehr Knochen brach, bevor er zurück trat und seine Hände an seiner Flakjacke abklopfte. „Tz.“

 

Yori sackte zu einem formlosen Haufen zusammen. Eine Hand umfasste seine eingedellte Nase und die gesplitterten Zähne, während er die andere gegen seine Brust presste und sich auf dem Boden zu einer Fötushaltung zusammenrollte. Ohne auch nur zu blinzeln, überließ Asuma den Idioten seinem Elend und schloss die Tür hinter sich. Draußen hielt er lange genug inne, um die Augen zu schließen und in seinem Geist ein buddhistisches Mantra zu rezitierten, um den Donner in seinem Blut zu beruhigen, während er darauf wartete, dass sein Zorn abebbte, bevor er die Lider hob. 

 

Aufmerksam spähte er durch den in Bernsteinfarben getauchten Korridor, der halb von Schatten bedeckt war, bis das Licht auf eine Mähne blassen Haares traf, das golden schimmerte und seinen Blick zu seiner Schülerin zog. Ino stand geduckt an der Wand und kaute auf einem Daumennagel, während leuchtend blaue Seen weit und nass auf den Boden stierten. 

 

Asuma seufzte und seine Augen wurden weich. 

 

Für einen Moment war sie wieder zwölf Jahre alt, zusammengekauert gegen die Wand und sich selbst dafür tretend, dass sie etwas nicht hinbekommen hatte, oder den verrückten Wettbewerbsstandards nicht gerecht wurde, die sie sich selbst gesetzt hatte. Sie jetzt so zu sehen rief eine Erinnerung an eine Unterhaltung wach, die ihn vollkommen überrumpelt hatte. 

 

‚Niemand interessiert sich für die Wurzeln einer Blume, Sensei, nur für die hübschen Blüten. Niemand mag eine hässliche Blume. Schau, ist diese hier nicht hübsch?‘

 

‚Sicher…aber sie wird nicht lange überleben ohne Wurzeln.‘

 

‚Das kümmert niemanden. Sie kaufen keine Blumen, um auf sie Acht zu geben, sie mögen einfach nur die schönen Blüten, solange sie halten.‘

 

‚Achja?‘

 

‚Mmn hmn. Und wenn die Blume auch nur ein bisschen welkt, dann werfen sie sie einfach weg. Wie diese hier. Siehst du?‘

 

‚Und was ist mit der hier?‘
 

‚Die ist noch nicht soweit. Ich muss sie erst abschneiden.‘

 

‚Warum darf sie ihre Wurzeln nicht einfach behalten? Dann müsste man sie auch nicht wegwerfen, denn sie würde irgendwann wieder blühen.‘

 

‚…niemand nimmt sich diese Zeit und bleibt so lange, Sensei.‘

 

Asuma zog sich zurück von dieser Erinnerung und verstaute sie sorgfältig und vorsichtig wie eine getrocknete Blume in dem mentalen Ordner, den er für jeden seiner Schüler führte. Er ließ sein anfängliches Unbehagen vergehen, atmete tief ein und machte sich keine Mühe, seine Ankunft zu verbergen. 

 

Shit. Wie gehe ich jetzt damit um?

 

In der Sekunde, in der Ino das Pochen seiner Schritte hörte, kehrte sie ruckartig aus ihrem glasigen Starren zurück. 

 

Rasch richtete sie sich auf und strich sich mit den Daumen unter die Augen, bevor sie die Hände sinken ließ. Ihre Lippen hatten sich zu einer angespannten Linie zusammengepresst, um ihre Gesichtszüge in Schach halten zu können. 

 

Bedächtig lehnte sich Asuma neben ihr mit dem Rücken gegen die Wand, steckte sich eine weitere Zigarette an und sog eine Lunge voll Teer und Nikotin ein, bevor er den Kopf nach hinten legte und einen dünnen Strom in Richtung Decke ausatmete. 

 

Er bekam nicht einmal die Chance, anzufangen. 

 

„Es war nicht was du denkst.“, wisperte Ino hektisch und stierte auf die gegenüberliegende Wand; ihr Gesicht blieb hinter ihrem langen Pony verborgen. „Und ich...ich hätte es sehr gut allein regeln können.“

 

„Ich weiß, dass du es hättest regeln können.“, stimmte Asuma zu und sah zu, wie der Rauch verschwand. 

 

„Ich hätte es auch getan.“, insistierte Ino, schrumpfte aber etwas in sich zusammen. „Ich bin eine Kunoichi, nicht irgendeine hilflose und nutzlose Geisha.“

 

Asuma hob eine Braue angesichts dieses Vergleiches. „Geisha?“

 

„Ich…“ Ino presste die Lider aufeinander und drehte die Finger in den Saum ihres Wasserfalltops. „Kann nicht schaden, ein paar Tricks auszuprobieren. Kunoichis lernen solche Dinge, weißt du.“

 

Ja…und ich wünschte, es wäre nicht so…

 

Ein dämlicher, selbstsüchtiger Gedanke, der vollkommen unpraktisch war. 

 

Kunoichi waren nicht selten doppelt so tödlich wegen ihrer Fähigkeit, zu bezaubern und zu verführen. 

 

Kurenai hatte ihn auf die Art von Training vorbereitet, dem sich Ino außerhalb seiner Fittiche und unglücklicherweise auch außerhalb seiner Kontrolle unterziehen würde. Alle Kunoichi lernten die Grundlagen, ihre weiblichen Listen als Waffen einzusetzen. Doch diese Fundamente waren nur der Grundstein einer weitaus intensiveren Art von Training. 

 

Asuma zog angesichts dieses Gedankens die Brauen zusammen. 

 

Mitarashi Anko war diejenige, die die ausufernden Etappen überwachte, die für ganz spezielle Kandidatinnen reserviert waren. Die Ninjakunst der Verführung. Und obwohl es Asuma schmerzte, es zugeben zu müssen, hatte Ino eine Tendenz an den Tag gelegt, ihre Tricks etwas zu überschwänglich auszuführen, was Ankos Aufmerksamkeit erregt hatte. Die junge Yamanaka hatte sich wie eine reife Frucht präsentiert, die bereit war, gepflückt zu werden. Anko hatte das ‚Potential‘ der Yamanaka sofort bemerkt und sie hatte auch überhaupt kein Problem damit gehabt, Asuma und die Godaime unmittelbar mit ihren Plänen zu konfrontieren, Ino zu rekrutieren.

 

‚Sie hat großes Potential. Und wenn man diesem Potential ihr fortgeschrittenes Wissen über Gifte und ihre exzellenten Prüfungsergebnissen an der Akademie hinzufügt, dann haben wir Hirn gepaart mit Schönheit. Sie wird eine herausragende Kandidatin sein.‘

 

‚Nein!‘

 

‚Warum? Sie hat das Selbstvertrauen und die Neigung dazu.‘

 

‚Du weißt verfickt nochmal gar nichts über meine Schüler. Geh und schlag deine Fangzähne in irgendjemand anderen.‘

 

‚Oh, komm mal über deinen übermäßig beschützerischen und ersetzenden Vaterfiguren-Bullshit hinweg, Sarutobi.‘

 

‚Na was denn? Etwa ein bisschen verbittert wegen Orochimaru?‘

 

‚Pass auf, was du sagst, Asuma.‘

 

‚Hokage-sama, als ihr Lehrer bin ich strikt dagegen. Und ich bin mir sicher, dass Inoichi-san Anko lebendig dafür häuten wird, das auch nur in Betracht zu ziehen.‘

 

‚Sie ist eine Frau, kein kleines Mädchen.‘

 

‚Sie ist vierzehn Jahre alt.‘

 

‚Wenn sie alt genug ist, um zu kämpfen und zu töten, dann ist sie auch alt genug, um zu lernen, wie man fic-‘

 

‚Ich warne dich! Beende diesen Satz, Mitarashi und du wirst es bitter bereuen!‘

 

‚Anko, Asuma, das reicht jetzt. Die Entscheidung wird einzig und allein bei ihr liegen, wenn die Zeit kommt.‘

 

Also hatte Asuma auf diese Zeit gewartet. 

 

Und kaum hatte er gemerkt, dass sie kam, da war er unverzüglich eingeschritten, um sicher zu gehen, dass das niemals passierte. 

 

Er hatte sie für die Nijū Shōtai eingeschrieben. 

 

„Es ist ohnehin alles nach Plan gelaufen. Er ist drauf reingefallen.“, sagte Ino plötzlich und zerrte ihn damit aus seinem Grübeln. „Zwei Nächte und eine Party auf Kosten des Hauses.“

 

„Ach wirklich?“, forderte Asuma sie leicht heraus und sah aus dem Augenwinkel auf sie hinunter. „Es sah eher danach aus, als wäre er hinter einer Bezahlung her gewesen.“

 

Ino errötete heftig und schlang sich die Arme um den Oberkörper, während sie den Kopf abwandte. „Naja, er hat es falsch verstanden. Ich habe seiner Mom gesagt, dass ich seine Escort Begleitung für ein geschäftliches Vertragsabschlusstreffen sein würde. Ich…ich sollte einfach nur an seinem Arm hängen und hübsch aussehen; keine große Sache.“

 

„Ino. Er wollte dich als Escort…“ Asuma ließ das letzte Wort mit einem ernsten Umschwung in seiner Stimme und auf seinem Gesicht fallen. „Du bist clever genug um zu wissen, was das für Idioten wie den heißt.“

 

„Ich bin kein naives kleines Mädchen.“ Sie ruckte kurz mit dem Handgelenk und schniefte, während sie den Gang entlang starrte. „Männer sind sowieso leicht auszuspielen. Ich hätte das gut hinbekommen.“

 

Asumas Stirn verkrampfte sich. „Du bist sechszehn Jahre alt, Ino. Und du spielst mit hormongesteuerten Halbstarken, nicht mit Männern.“

 

„Er war zwanzig und ab morgen bin ich siebzehn.“, betonte Ino ziemlich irrelevant und irritiert, bevor sie ihrer Argumentation rasch noch mehr Gewicht verlieh. „Und außerdem entwachsen Männer dem ‚hormongesteuerten Halbstarkenstatus‘ nicht.“

 

Das ließ Asuma schnauben und er rieb sich mit einem Daumen über den Mundwinkel, um sein Schmunzeln fort zu wischen. Er drehte sich ein Stück, um sich mit der Schulter gegen die Wand abzustützen und auf sie hinunter zu spähen, während sie den Kopf gebeugt und ihren Blick abgewandt hielt. 

 

Und dann wartete er. 

 

Ino drehte ihre Schulter stärker der Wand entgegen und wandte sich noch weiter ab. 

 

Jeden Augenblick…

 

Ihre Fingerspitzen gruben sich in ihre Oberarme, die sich noch fester gegen ihre steife Gestalt pressten. „Der Versager war nichtmal ein Ninja.“, grollte sie mit einem Zittern in der Stimme. 

 

Asuma erwiderte nichts, sondern beobachtete sie einfach nur schweigend. 

 

Jeden. Augenblick.

 

Eine angespannte und entsetzliche Stille verging. 

 

Asuma wartete ab. 

 

Und dann schniefte Ino erneut und ihre Schultern ruckten ein einziges Mal. 

 

„Sag es nicht Shikamaru oder Chōji…“, wisperte sie elendig, während sie sich härter gegen die Wand drückte. 

 

Asuma verzog das Gesicht, fühlte sich unbehaglich und überdimensioniert; wie ein Riese, der eine fragile Glasblume hielt. Und obwohl ‚fragil‘ ein Wort war, das niemals irgendjemand mit ihr in Zusammenhang bringen würde, hatte er mit der Zeit gelernt, dass Ino mit jeder Faser eine Kombination der fragilen und wilden Blumen war, mit denen sie arbeitete. 

 

Sie kam mit scharfen Dornen, schönen Blütenblättern und empfindlichen Wurzeln. 

 

Und unglücklicherweise beschnitt sie sich selbst vollkommen rücksichtslos; ganz ohne die sanfte Fürsorge und den Respekt, mit dem sie ihre Blumen behandelte. Sie blühte unter dem Sonnenlicht von Aufmerksamkeit und Zuneigung auf, verkümmerte aber qualvoll hart in den Schatten einer unerklärlichen Unsicherheit und Unzulänglichkeit.

 

Wo ist nur dieses selbstsichere Mädchen hin?

 

Irukas Berichte über sie als Akademieschülerin stimmten nur mit ein paar der Facetten überein, die sie jetzt erblühen und entfalten lassen wollte. Andere hingegen hatte sie brutal entwurzelt wie Unkraut oder sie hatte sie einfach durch Vernachlässigung verdorren lassen. 

 

Warum?

 

In dem Augenblick, in dem sie das Teenageralter erreicht hatte, hatte ihre übersprudelnde Motivation begonnen, sich wie ein Blatt im Herbst zu wandeln, bis das Feuer ausgeblutet war und sie an Orten verwelkt war, in denen sie früher stark gewesen war. Und unter der wankelmütigen Front, die sie für jeden um sich herum errichtete, spürte Asuma eine empfindliche Verletzlichkeit in ihrem Kern. Eine, die von einer selbstverursachten Art der Angst gereizt wurde, von der er nicht wusste, ob er wirklich qualifiziert genug dafür war, um damit umgehen zu können.

 

Scheiße. Was ist, wenn ich es nicht kann?

 

Aber wie bei allen seinen Schülern hielt ihn das nicht davon ab, es versuchen zu wollen. Sein unmittelbarer Drang war, ihr zu sagen, dass sie genau hier warten sollte, sodass er zu Kurenai sprinten konnte, um sich von ihr unterrichten zu lassen, wie er vorgehen sollte, um dann zurück zu spurten und dabei mentale Notizen zu rezitieren. 

 

Kurenai hatte ihm einmal etwas über den Einfluss anderer Frauen in ihrem Leben erzählt. 

 

Wenn das der Fall ist, warum sucht sie dann immerzu bei Männern nach Anerkennung und Akzeptanz?

 

Und dann auch noch von der übelsten Sorte Männer.

 

Soweit er wusste, hatte Inoichi sie immer abgöttisch geliebt, es machte also wirklich keinen Sinn. 

 

Shikamaru hat recht. Es ist verfickt nochmal ein beschissener Zauberwürfel.

 

Und er musste ihn lösen – oder das faule Genie und Chōji dazu bringen. 

 

Sie müssen wieder zueinander stehen. Sie haben begonnen zu vergessen, sich aufeinander zu verlassen.

 

Ino schniefte erneut und rieb sich mit dem Handballen in einem scharfen Schwung über beide Wangenknochen, um die Tränen fortzuwischen. „Versprich mir, dass du nichts sagst.“

 

Asuma legte sachte eine Hand auf ihre Schulter und drückte leicht. „Nicht ein Wort.“

 

„Hand aufs Herz?“, neckte Ino schwach und spähte über die Schulter. 

 

Asuma klopfte sich mit einer Faust gegen die Brust. „Ich schwöre es auf meine Zigaretten.“

 

Ino kicherte leicht und drehte sich, um sich aufzurichten und mit den Händen über einige imaginäre Falten in ihrer Kleidung zu streichen. „Gut. Kann ich dann jetzt mit meiner Mission weiter machen?“ Sie zwang sich zu einem Lächeln. 

 

Tapferes Mädchen.

 

„Mission?“

 

Ino rollte mit den Augen und wischte sich mit den Daumen über die Wimpern, um die Tränen fort zu streichen, die auf den dunklen Spitzen aufgespießt waren. „Pff, Shikamaru ist eine Mission. Ihn in letzter Zeit dazu zu bringen, ein bisschen lockerer zu werden ist, als wollte man ihm die Zähne ziehen.“

 

Das ist wohl wahr…

 

Asuma summte und kratzte sich am Kiefer. „Was du alles für ihn tust… Ich bin sehr stolz auf dich.“

 

Ino erstarrte kurz, bevor sie wie ein nervöses Schmetterlingsflattern mit einer Hand wedelte. „Oh komm schon, ist doch keine große Sache.“

 

„Doch. Das ist es. Du bist ein äußerst rücksichtsvolles Mädchen.“ Das Feststellen einer Tatsache; keine Schmeichelei. Und die ehrliche Bestätigung in seiner Stimme brachte Ino sofort zum Schweigen. 

 

Mit einem traurigen Lächeln zupfte sie an dem Stoff ihres Oberteils. „Achja? Sag ihm das mal.“

 

„Er weiß das!“, versicherte Asuma ihr und neigte den Kopf, um durch den Gang zu spähen. „Er hat nur Schwierigkeiten damit, es auch zu zeigen.“

 

„Als wüsste ich das nicht.“, schnaubte Ino, doch zumindest lächelte sie jetzt wieder ehrlich. „Jungs.“

 

„Du solltest sie um jeden Preis meiden.“, warnte Asuma sie neckend. „Jetzt geh schon, Geburtstagskind, bevor sie sich noch fragen, wo du bleibst.“

 

Er drehte sich auf dem Absatz um, doch sie hielt ihn mit einem raschen kleinen Ruck am Ärmel fest und zog sich hinter den Vorhang ihrer Strähnen zurück, als er über die Schulter linste.

 

„Asuma-sensei?“

 

„Hmn?“

 

Ino zog den Kopf ein und ihre Stimme wurde leise. „Danke.“

 

Asuma nickte sanft. 

 

Verlegen warf Ino eine Dosis Humor in den Raum, um die Stimmung aufzuhellen. „Wir haben den besten und knallhärtesten Sensei.“

 

Asuma errötete, lachte und schielte auf seine Füße, während er mit den Fingern durch die dunklen Strähnen an seinem Hinterkopf fuhr und irgendetwas Unintelligentes murmelte, das Ino zum Kichern brachte. Sich dafür entscheidend, dass das die Übertragung der Verlegenheit mehr als wert machte, lachte er grummelig und zündete sich rasch eine weitere Zigarette an. 

 

„Jetzt verschwinde schon und quäl den Faulpelz für mich.“

 

Inos Giggeln erblühte zu einem strahlenden Grinsen. „Als müsstest du mir das sagen.“ Sie wirbelte auf einem Absatz herum und rief noch über die Schulter: „Das ist doch meine Mission!“

 
 

~❃~
 

 
 

Der Gedenkstein. 

 

Konohas geteilter Grabstein für Ninjas, die in Ausübung ihrer Pflicht gefallen waren. Für Körper, die niemals nach Hause gebracht wurden. Sein steinernes Bruststück war, wohin die Lebenden kamen, um ihre Herzen daran zu hängen; schwer und schmerzend von Erinnerungen an die Toten. 

 

Aber du hast keine Ruhestätte…

 

Nejis Augen wanderten über den Schnitt der Namen, die in den Stein graviert waren; die Rillen tief und schwarz. Der Sonnenuntergang blasonierte die kunaiförmige Struktur und warf ihren Schatten weit voraus…ein Schatten des Todes, der einen Pfad wies, dem nur Geister folgen konnten. 

 

Haben sie dich begraben? Dich verbrannt? Dich zum Verrotten liegen gelassen?

 

Neji schloss langsam die Augen und schluckte hart.

 

Der Clan bietet nichts, um sich an dich erinnern zu können…obwohl du alles für ihn aufgegeben hast…

 

Er konzentrierte sich auf das sanfte Rascheln von Blättern, die seine Trauer mit einem Raunen linderten, als der Wind durch sein Haar spielte und die Mokkasträhnen aus seinem Gesicht strich. Der schwache Schmerz an seinen Schläfen und auf seiner Stirn ließ etwas nach; doch es war nichts im Vergleich zu der Pein in seiner Brust. 

 

Es ist so schwer geworden, Ruhe zu finden, Vater…hast du Ruhe gefunden…wo auch immer du bist?

 

Keine Antwort kam; nur die kühle Liebkosung der Brise. 

 

Und dann erschien das leiseste Flackern von Chakra. 

 

Nejis Lider hoben sich und sein Blick richtete sich auf den Schatten, der sich selbst über die Steinplatten warf, die das Monument umgaben. Eine Silhouette mit vogelscheuchenähnlichem Haar, das sich auf eine Seite neigte und vom Sog des Sonnenuntergangs akzentuiert wurde. 

 

Kakashi neigte leicht den Kopf. „Neji.“

 

„Guten Abend, Kakashi-senpai.“

 

Das Geräusch eines Buches, das zugeklappt wurde, illustrierte sich im Schatten des Kopierninjas. „Mn.“

 

Neji drehte marginal den Kopf; sein Profil wurde in ein ersterbendes Glühen von Gold geschnitten, das hinunter in die Mulde unter einem Mondsteinauge glitt und den hohen Grat seiner Wange badete. Er musterte den Kopierninja genau. 

 

Ihm war Kakashis linke Seite zugewandt, sodass Neji nur annehmen konnte, dass der andere Ninja auf die Namen auf dem Stein blickte. „Gai hat nach dir gesucht.“

 

Neji drehte den Kopf zurück und sein Hitai-ate blitzte in der Bewegung auf. „Ich habe bereits mit ihm gesprochen, danke.“

 

Kakashi nickte. Mehr sagte er nicht. 

 

Das Gras um das Monument wiegte sich in der Brise und veränderte seine Schattierungen wie einen umkehrbaren Mantel. Irgendwo hoch oben schrie ein Adler. Die Luft fing an, sich abzukühlen, als sich das Licht zu verändern begann. Für einen langen Augenblick standen die beiden Jōnin in vollkommener Stille da; versunken in ihren Gedanken und einen Frieden in der Ungestörtheit unausgesprochener Gebete findend. Einen geteilten Respekt wem auch immer zollend, den sie verloren hatten. 

 

Und dann begann Kakashi zu sprechen; seine Stimme so leicht wie der Lufthauch. „Es ist ein harter Weg.“

 

Neji blinzelte; das einzige Zeichen, dass er von den plötzlichen Worten verblüfft war. 

 

„Ist es?“, fragte er, während er sich nicht sicher war, ob er wirklich in der Stimmung für ein kryptisches Rätsel war. Doch aus irgendeinem Grund schien er eine unterschwellige Direktheit in diesen Worten wahrzunehmen. 

 

Kakashi neigte sich leicht; seine Bewegungen wurden durch seinen Schatten überspitzt, als er die Hüfte einknickte und seine Gewichtsverlagerung und die Schwere in seiner Stimme veränderte. „Und jedes Mal, wenn du die Maske trägst; wird es noch schwerer, sie wieder abzulegen.“

 

Neji sah zu ihm hinüber. „Verzeih mir meinen Bedarf nach Klarheit, Senpai, aber du bist ein Shinobi, der schon immer sein Gesicht maskiert hat. Dein Rätsel ist obskur.“

 

Kakashi drehte den Kopf und sein dunkles Auge bog sich in einem Lächeln. „Obskurität ist Sinn und Zweck eines guten Rätsels. Aber ich denke, dass du sehr gut weißt, von welcher Maske ich spreche.“

 

ANBU…

 

Den Blick abwendend richtete Neji seine Aufmerksamkeit wieder auf den Stein, um den Schriftzeichen von Namen zu folgen, ohne sie zu lesen. „Es ist schwerer, sich von Ketten zu befreien als von Masken, Kakashi-senpai.“

 

Kakashi nickte. „Beides kommt mit einem Preis.“

 

Nejis Lippen zuckten in einem schwachen Schmunzeln, als er summte. „Und als jemand, der darüber weiß, denkst du, dass es weise ist, mich wegen der Kosten zu warnen?“

 

„Hmn. Ich werde dir sagen, was ich denke und was ich weiß.“ Kakashi neigte das Kinn nach oben und blickte gerade so über die stumpfe Spitze des Gedenksteins hinweg. „Ich denke, dass du denkst, dass du weißt, was es kostet, aber ich weiß, dass was du denkst zu wissen nicht das ist, wovon du dir wünschen wirst, es gewusst zu haben, bevor du dachtest, gewusst zu haben, was du getan hast, nur um dann zu realisieren, dass du es nicht gewusst hast, bis zu dem Moment, an dem du es wirklich weißt. Das ist es, was ich denke. Weißt du?“

 

Neji blinzelte.

 

Was?

 

Vollkommen aus dem Konzept gebracht von diesem zerebralen Drehen und Wenden von Worten, erstarrte Neji; sowohl körperlich als auch geistig. Energisch versuchte er, die Balance zu halten, als er für einen Moment blind taumelte. 

 

Das hat absolut keinen Sinn gemacht…oder doch? Warte…nein…aber ich…verdammt…

 

Kakashis Auge bog sich erneut. „Jetzt hast du überhaupt keinen Plan mehr, oder?“

 

Nejis Kiefer zuckte und ausdruckslos spähte er zu dem Hatake. „Ich kann mir sehr gut vorstellen, das Gai-sensei denkt, dieser psychologische Trick wäre ‚cool und auf dem Stand der Zeit‘, aber ich würde es bevorzugen, wenn du direkt wärst.“

 

„Nichts.“, sagte Kakashi daraufhin – und die kalte, distanzierte Weise, mit er es aussprach, verwandelte sein lockeres und beschwingtes Timbre in etwas Angespanntes und Tonloses. 

 

Es machte Neji beinahe schon nervös. 

 

Der Hyūga drehte sich ein bisschen mehr. „Was meinst du – ‚nichts‘?

 

„Es kostet nichts. Denn du hast nichts mehr.“ Kakashi hielt sein graues Auge auf den Gedenkstein gerichtet und seine Stimme war ebenso stumpf wie die abgewetzten Kanten darin. „Du beschreitest diesen Pfad, wenn du nichts mehr zu verlieren hast.“

 

Direkt. 

 

Wie ein kräftiger Schlag in die Eingeweide. 

 

Nejis Magen verkrampfte sich. 

 

Kakashi hob den Kiefer und deutete damit an, dass er kurz himmelwärts blickte. „Nichts mehr übrig. Nichts zu übergeben. Nichts und niemanden aufzugeben. Wenn alles genommen oder verloren ist und es nichts mehr gibt, woran sich festzuhalten lohnt. Das ist der Zeitpunkt, wenn du es tust. Du gibst auf, was du nicht hast, um diesem Dorf und seinen Einwohnern etwas zurück zu geben.“

 

Neji zog die Brauen zusammen und suchte Kakashis Profil ab, während sich das Licht zu den übernatürlichen Schattierungen des Zwielichts zu verändern begann. Die letzten Spuren von Gold verschwanden in tiefer werdendem Lila und tintengleichen Falten. 

 

„Wenn deine Worte darauf abzielen, mich umzustimmen, dann verschwendest du deine Zeit.“, sagte Neji leise und wandte den Blick ab. „Ich habe etwas zu gewinnen, statt zu verlieren.“

 

Kakashi summte und das Geräusch war fragend, bevor er das Kinn senkte und erneut auf den Stein blickte. „Auf dem Rücken des Teufels zu reiten um dorthin zu gelangen wo du glaubst hingehen zu müssen, garantiert dir überhaupt nichts.“

 

Und was, wenn ich bereits in der Hölle bin? Was macht es für einen Unterschied?

 

„Ist es das, was ANBU ist?“, fragte Neji und fand es schwer, diese Art morbiden Vergleiches zu ziehen, wenn man bedachte, dass völlig egal wie dunkel die Zone war, sie diente immer noch dem Wohl des Dorfes. „Du lässt es klingen, als wäre es ein Fluch statt einer Wahl, die ein Shinboi trifft.“

 

Kakashis Maske erzitterte leicht; das leichteste Heben des Stoffes, das das einzige Indiz dafür war, dass er geseufzt hatte. Seine Augen blieben auf das Denkmal fixiert. „Es hat weniger etwas damit zu tun, was ANBU ist und alles damit, was ANBU mit denen macht, die sich der Illusion von Elitismus oder Ausflucht hingeben.“

 

Ausflucht…

 

Das Wort war wie eine Klinge in seinem Herzen. Neji stählte sich selbst dagegen und verriet nichts hinter der verschlossenen kalten Fassade einer Maske, die ebenso sehr ein Markenzeichen für sein Gesicht war, wie Kakashis eigene. 

 

„Wer sagt, dass ich mich einer Illusion hingebe?“, erwiderte Neji kühl und seine Stimme war dabei ruhiger als das Beben seiner Nerven. Er spürte, wie sie sich gegen das Zupfen von Kakashis Worten straff zogen, die geradezu dazu gedacht erschienen, Zweifel auszulösen. 

 

Testet er mich?

 

Das war eine Möglichkeit, die er nicht ausschließen konnte. Wenn er irgendeine Form psychologischer Evaluation bestehen musste, dann würde es nur Sinn machen, dass jemand wie Kakashi ihm vorab auf den Zahn fühlen würde. 

 

Neji hob das Kinn und senkte die Stimme. „Ich würde eine Entscheidung niemals aus einer Laune heraus oder aufgrund eines kindischen Ideals treffen. Und ich bin weder an Elitismus, noch an Ausflucht interessiert.“

 

Kakashi sah zum hinüber. „Was sind dann deine Motive?“

 

Motive…

 

Wie ein Phantom, das sich eiskalt durch seinen Verstand schlich, erwachte eine Erinnerung, die Nejis Hirn mit einem Ansturm von Worten traf, die er vor gar nicht allzu langer Zeit gesagt hatte – und dennoch fühlte es sich an, als kämen sie aus einem längst vergangenen Leben. 

 

‚Hast du jemals daran gedacht, dass mir deine Motive überhaupt nichts bedeuten würden, Shikamaru?! Handlungen sind was zählt – was du tust, nicht was du beabsichtigst!‘

 

Neji blinzelte langsam und seine Wimpern schwebten tief, um seine Augen vor dem grauen abzuschirmen, das aufmerksam auf ihn gerichtet war. 

 

Was sind meine Motive?

 

„Notwendigkeit.“, murmelte er. 

 

„Notwendigkeit.“ Kakashi sprach das Wort ohne die geringste Flexion zurück zu ihm. 

 

Es war wie ein Echo. 

 

Götter, vielleicht war es ein Echo.

 

Neji war sich nicht sicher. 

 

Ob es nun Kakashis oder seine eigene Stimme gewesen war, die das letzte Wort geformt hatte – es spielte keine Rolle…denn als es durch Nejis Verstand wogte, zerbröckelten die Buchstaben, wechselten, bebten und verschwanden, bis sie aus seinem Kopf fielen und seinen Fokus hart auf sein Herz senkten. 

 

Und in der Sekunde, in der sich sein Fokus veränderte, geschah dasselbe mit dem Wort.

 

Notwendigkeit.

 

Bedürfnis.

 

‚Vielleicht habe ich dich gebraucht.‘

 

Nara.

 

Neji sog einen zerfetzten Atemzug ein. Der leise Klang riss einen Bruch in die Luft und verfing sich heiser und tief in seiner Kehle. Er bemerkte es kaum, als sich Kakashi umdrehte und davon lief, um ihn damit zurück zu lassen, sich dem zu stellen, was sich schmerzhaft durch Muskeln und Knochen seiner Brust grub – suchend nach seinem Herzen. 

 

Begierde, Bedürfnis…Shikamaru. 

 

Die letzte Sache, die er noch zu verlieren hatte…

 

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Jaaa, ein etwas weniger humorvolles Kapitel für zwischen durch, das allerdings eine schwere Bedeutung hab. Aber ich verspreche: Im nächsten geht es wieder fröhlicher zu :) 

Ein paar haben ja schon gesagt, dass sie gerne gewusst hätten, was so bei Ino abgeht und Tada: hier habt ihre einen kleinen Einblick ;) 
 

Und ja...Neji und Kakashi...ich hoffe ja sehr, dass ich euch mit Kakashis 'Vortrag' ebenso aus dem Konzept bringen konnte wie Neji :D Ich hoffe auf jeden Fall sehr, dass euch das Kapitel gefallen hat und würde sehr gerne wissen, was ihr vor allem von dem Gespräch zwischen Kakashi und Neji haltet ;)
 

Vielen vielen Dank wie immer an alle meine lieben Reviewer/innen und Leser/innen <3

Humiliation and Torture

Zum Zeitpunkt der Niederlage waren Shikamarus Konditionen simpel gewesen. 

 

Kein Tanzen und kein Singen.

 

Das waren seine Kapitulationsbedingungen gewesen. Doch auch wenn Ino inzwischen das Feuer ihrer Versuche, ihn ins Rampenlicht zu zerren, eingestellt hatte, musste der Schattenninja feststellen, dass andere nur auf ihre Chance warteten und an vorderster Front standen. Bereit dazu, sie zu usurpieren und das Kommando über seine Folter zu übernehmen. 

 

Kiba war der Erste, der einen Angriff startete. 

 

Und der kam wie eine Kanonenkugel über den Tisch geflogen.

 

Shikamarus Reflexe retteten ihn. 

 

Sich drehend fing er das Objekt zwischen den Handflächen auf und die Wucht des Aufpralls vibrierte durch seine Gelenke. „Was zur Hölle machst du da?“

 

„Ich bombardiere dich mit einem Geschenk.“, giggelte der Hundeninja, bevor er seine Zähne in einer Schweinerippe versenkte. „Es wird auch nicht auf dich kacken oder dein Blut vergießen.“

 

„Ne, es wird mir nur den Schädel brechen.“, murrte Shikamaru mit finsterem Blick und starrte auf das sphärenförmige Geschenk, das so schlecht verpackt war, dass es vom Geschenkpapier scharfe Kanten hatte. 

 

„Mach es schon auf!“, ermunterte Naruto ihn und klopfte mit den Stäbchen in einem Trommelwirbel auf seinen Teller. „Ich will wissen, was Scheißemagnet dir besorgt hat.“

 

Verspätet bemerkte Shikamaru, dass sich das Geschnatter um den Tisch beruhigt hatte und sich das Rampenlicht in seine Richtung bewegt hatte, als er das Geschenk aufgefangen hatte. Unbehaglich legte er das Ding von einer Handfläche in die andere und mochte es überhaupt nicht, in dem Scheinwerferlicht zu stehen, das Kiba auf ihn geworfen hatte. 

 

„Es wird nicht explodieren.“, versicherte Kiba ihm, auch wenn er so aussah, als würde er jeden Moment in die Luft gehen; Belustigung flackerte wie eine Lunte hinter seinen Augen auf. „Mach es auf.“

 

Shikamarus Braue zuckte nach oben. „Du hast mir einen Ball gekauft, huh?“

 

Kiba rollte mit den Augen und nagte mit einem trägen Grinsen an der Rippe. „Du wirst jetzt nicht ernsthaft versuchen vorherzusagen, was deine Geschenke sind, oder? Mach das verdammte Ding einfach auf.“

 

Shikamaru stellte seinen Ellbogen auf dem Tisch ab und hielt den runden Gegenstand in einer Handfläche, testete aufmerksam das Gewicht mit einem leichten Neigen und Drehen seines Handgelenkes. „Es ist ein ‚Magic 8 Ball‘.“

 

„Scheiße, das darf nicht wahr sein…“ Kibas Kiefer klappte fassungslos nach unten; seine Schweinerippe war vollkommen vergessen und wurde sofort von Akamaru stibitzt, als sie auf dem Boden aufschlug. „Du verdammter Freak! Wie zur Hölle machst du das?“

 

„Du hast einen vorhersehbaren Sinn für Humor.“, sagte Shikamaru gedehnt, während er einen Daumen in das Geschenkpapier hakte, um es fort zu reißen. Gerade weit genug, um auf das schimmernde schwarze Plastik und die Kurve der Nummer ‚8‘ linsen zu können, die darauf gemalt war. „Punktlandung.“

 

Kiba grinste und seine Fangzähne blitzten auf. „Du musst dich mal auf die wilde Seite des Lebens einlassen, Shikamaru. Überlasse ein paar Dinge dem Zufall.“ 

 

„Achja?“ Shikamaru rollte sein Handgelenk und schwang den Ball umher. „Na schön. Dann werde ich dieses Ding benutzen, wenn wir das nächste Mal auf Mission sind. Dann überlasse ich es einfach dem Zufall, wie tot wir sein werden.“

 

„Das wäre vermutlich wirklich witzig. Naja, zumindest bevor wir so oder so drauf gehen würden.“, lachte Naruto und streckte mit zuckenden Fingern auffordernd eine Hand aus. 

 

Der Schattenninja rollte das Geschenk über den Tisch zu dem Uzumaki und die scharfen Enden des Geschenkpapiers machten die Reise etwas eigensinnig, als es hinüber in Narutos Besitz wackelte. 

 

„Whoa, wer hat das denn eingepackt?“

 

„Kiba.“ Shino schüttelte marginal den Kopf. „Ich habe ja vorgeschlagen, dass Hinata es verpackt, aber er hat sich geweigert. Warum? Weil das bedeutet hätte, dass er wirklich auf mich hören würde.“

 

„Shino-kun…“, flehte Hinata. 

 

„Hey, halt die Klappe.“, schnappte Kiba und funkelte den Insektenbeschwörer über Hinatas Kopf hinweg an. „Außerdem habe ich das mit Absicht so gemacht, um Shikamaru aus seinem Ratekonzept zu bringen.“

 

„Und du hast einen hervorragenden Job dabei gemacht.“, erwiderte Shino flach. 

 

Kiba zog eine finstere Miene und dachte darüber nach, ob er sich auf eine Diskussion einlassen sollte, spielte dann aber lieber die Mitgefühl-schlägt-Sarkasmus Karte aus. „Ich wurde von Shikamarus psychotischem Vogel zerstückelt, okay? Er hat es verdient, dass sein Geschenk ein paar scharfe Kanten hat.“

 

„Mann ich würde morden, um sehen zu können, wie Shikamaru in einem Baum festhängt.“, lachte Naruto auf. „Zu blöd, dass sein Vogel die Beweise geklaut hat.“

 

Shikamaru seufzte. „Es ist nicht mein Vo-“

 

„Oh magischer Ball!“, krähte Naruto und schüttelte das Ding mit all dem Enthusiasmus eines Zockers, der darauf hoffte, eine gewinnende Augenzahl zu würfeln. „Ist Kiba ein Scheißemagnet?“

 

„Halt die Klappe!“, grollte der Hundeninja und warf einen Arm nach außen, um ihn zu schlagen. 

 

Naruto schwankte auf seinem Stuhl zur Seite und ging hinter Sai in Deckung, der einfach nur mit ausdruckslosem Interesse dem Spiel und Kibas lebhafter Reaktion zusah. „Scheißemagnet? Das verstehe ich nicht.“

 

„Ist vermutlich auch das Beste.“, murrte Shikamaru zwischen seinen Fingern hindurch. Das Kinn hatte er in seiner Handfläche abgelegt, während er beobachtete, wie Naruto den Ball zu beiden Seiten seines Kopfes schüttelte und das Warten ausdehnte; einfach nur, um den Hundeninja zu verhöhnen. 

 

„Ein passendes Geschenk für dich, Drückeberger-Clown.“ Temaris Kichern ergoss sich wie schwerer Wein über den Tisch; der Klang jagte über seine Wirbelsäule und flutete in einem Kräuseln wieder nach unten. 

 

Er griff nach hinten, um sich den Nacken zu reiben. „Achja?“

 

„Natürlich.“, sagte sie. „Ist doch viel weniger ‚nervig‘, nicht die Verantwortung für das Ergebnis übernehmen zu müssen. So wie bei den Chūninprüfungen, hmn?“

 

Der Widerhaken in ihren Worten erregte Shikamarus Aufmerksamkeit und er spähte zu ihr hinüber. „Was willst du darauf wetten, dass dieser ‚magische‘ Ball mir zustimmen wird, dass du an jedem gottverdammten Tag der Woche viel lästiger bist als ich?“

 

Temaris Augen flackerten mit spielerischer Intriganz auf. „Ein Glücksspiel, Nara?“

 

„Wie ich gesagt habe; es ist immer ein Spiel.“

 

Sie hielt seinen Blick durch den Dampf ihres Tees und ein roter Daumennagel fing das Licht auf, als sie über die Keramik strich. „Na schön. Und was bekomme ich, wenn ich gewinne?“

 

Die Selbstsicherheit in ihrer Stimme weckte sein Interesse und rüttelte ihn aus seiner gelümmelten Pose, sodass er sich ein wenig in seinem Stuhl nach hinten lehnte. „Die Chancen stehen hier klar zu meinen Gunsten. Zehn von zwanzig Antworten sind bestätigend.“

 

„Dann werde ich meine Wetten auf die unverbindlichen und negativen Ergebnisse setzen.“, erwiderte Temari und lehnte sich ebenfalls zurück, um es ihm gleichzutun. „Wenn ich gewinne, dann schuldest du mir einen Gefallen.“

 

Argwöhnisch zuckten Shikamarus Lider. „Viel zu vage.“

 

Temari hob die Achseln. „Angst, in der Schuld einer Frau zu stehen, Nara?“

 

Shikamarus Mundwinkel bog sich nach oben. „Naruto?“

 

„Jäh?“

 

„Schmeiß das Ding rüber.“

 

„Eine Sekunde…“ Naruto hörte auf, den Ball zu schütteln und wartete darauf, dass der Würfel im Inneren an die Oberfläche schwebte. Mit einem triumphierenden „HA!“ schob er ihn unter Kibas Nase, als sich die Antwort als „HÖCHSTWAHRSCHEINLICH“ offenbarte.

 

„Wart nur, bis ich an der Reihe bin.“ Kiba schnappte sich die Kugel und warf sie über den Kopf zu Shikamaru. 

 

Der Nara fing sie geschickt auf, schüttelte sie ein einziges Mal und legte sie auf den Tisch vor Temari. „Wenn ich gewinne, dann hörst du auf, mich wegen dem zu belästigen, was passiert ist.“

 

„Du willst mir den Spaß verderben?“ Temari seufzte mit falscher Enttäuschung und senkte ihre Augen, um den Sehnen seiner Hand zu folgen, als er den Ball umfasste und die Antwort verdeckte. 

 

Shikamarus Finger zuckten. „Abgemacht?“

 

Temari verschränkte ihre Arme auf dem Tisch und nickte steif und wartend. 

 

Shikamaru atmete langsam ein, zog seine Hand zurück und legte den Kopf schief, um den auf dem Kopf stehenden Text lesen zu können, der an der Oberfläche erschienen war. 

 

Ah Shit.

 

„MEINE QUELLEN SAGEN NEIN“

 

Temari stieß einen kurzen Atem aus und ihr Feixen blitzte wie eine Klinge auf ihrem Gesicht auf; scharf und wild. „Na sieh einer an. Ich bin weniger lästig. Wie überraschend.“

 

Shikamaru blies die Backen mit einem leisen Lachen auf; unfähig, nicht den Kopf über dieses Ergebnis zu schütteln. „Nun, dann lass uns mal über die ‚Quellen‘ sprechen. Es ist ein dämlicher Ball.“

 

„Es ist nur deswegen dämlich, weil du verloren hast.“ Temari tippte mit den Fingerspitzen auf die Sphäre, um sie ihm zuzudrehen. „Lies es und heule, Shikamaru. Du hast verloren.

 

Er ignorierte das selbstgefällige Klacken ihrer Nägel auf dem Plastik und griff sich eines der dampfenden Getränke auf dem Tisch. „Dachte ich mir. Hatte zu den schlimmsten Zeiten noch nie wirklich Glück.“

 

Das ließ sie schmunzeln. „Kein Wunder, dass es dir so widerstrebt, die Dinge dem Zufall zu überlassen.“

 

Zögernd änderte Shikamaru die Richtung seiner Hand und streckte sie stattdessen nach dem Magic 8 Ball aus. 

 

„Etwas in der Art…“ Er packte die Kugel zwischen langen Fingern, warf ihr einen wachsamen Blick unter der dunklen Linie seiner Brauen zu und rollte das Geschenk zurück zu Naruto. 

 

Temaris Lächeln entglitt ihr.

 

„Etwas…“, murmelte sie.

 

Shikamaru runzelte die Stirn, beließ es aber dabei. 

 

„Also.“, begann er und versuchte, ihre Absichten einzuschätzen. „Was willst du?“

 

Temaris Augen schimmerten wissend in dem dämmrigen Licht. „Ich werde dir sagen, was ich will, wenn ich es will.“

 

Diese seltsame Empfindung, die einem Flattern in seiner Magengrube nahe kam, rührte sich in Shikamaru, doch er ignorierte es, um seinen Gesichtsausdruck vorsichtig ausdruckslos zu halten. Temari griff nach ihrem Tee und forderte seinen Blick heraus, indem sie ihn erwiderte. 

 

„In Ordnung.“, murmelte er, während er beobachtete, wie sich ihre Lippen um ihr Getränk herum zu einem Schmunzeln bogen; ganz offensichtlich sehr zufrieden mit sich selbst. 

 

Und sie hatte jedes Recht dazu, wenn man den verdammten Blankoscheck bedachte, den er ihr gerade überreicht hatte. Dummer Zug; besonders wenn sie unter ihrem hübschen Lächeln immer noch angepisst war. Er hatte sie zweimal in kaltes Wasser geschubst, sodass sie es gewesen war, die sich mit den Würdenträgern hatte auseinander setzen müssen, die ihre gierigen Hände nach ihm ausstreckten und ihn für sich beanspruchten. Und das in einem schmutzigen, höchstbietenden Wettrennen, um mit seiner Hilfe machtvolle politische Punkte in einem Spiel zu erzielen, von dem er kein Teil sein wollte.

 

Gottverdammte Chūninprüfungen…

 

Zweimal im Jahr versammelten sich die wichtigsten Akteure aus allen Dörfern und allen Ländern; Daimyō und Kage stiegen in einen halsabschneiderischen Sport ein, um sich die besten Kandidaten zu schnappen. Kandidaten, die auf einem Brett positioniert und gespielt wurden, das alle Länder umfasste. Und wenn man die Kosten von Macht bedachte, die dabei spitz auf Kopf standen, war dieses Spiel so korrupt und schmutzig wie jeder Sport, der mit Seelen feilschte. Er hatte es auf die harte Tour gelernt.

 

‚Der Feuer-Daimyō hat vielleicht ein Auge auf dich geworfen, aber das Angebot unseres Daimyōs wird dir wie angegossen passen. Erinnere dich an meine Worte. Du bist aus demselben Holz geschnitzt, Shikamaru.‘

 

Shikamaru schloss angesichts dieser Erinnerung die Augen und schluckte schwer. 

 

Das ist es nicht, was ich bin…

 

Gott, vielleicht war er etwas noch viel schlimmeres. 

 

Seine Finger krümmten sich auf der Tischplatte und seine Knöchel traten weiß hervor, als er seine Faust verkrampfte. 

 

Temari beobachtete ihn schweigend und stirnrunzelnd. 

 

Er bemerkte es nicht; sein Fokus schwankte an der Grenzlinie dieses massiven ‚Nicht übertreten‘ Schildes, das er in die Innenseite seines Schädels genagelt hatte, als er vierzehn Jahre alt gewesen war. 

 

Fünfzehn…, korrigierte sein Verstand und lieferte roboterhaft die Information.

 

Gerade fünfzehn geworden.

 

Shikamaru zog die Brauen zusammen und schob die Tatsache energisch zurück hinter diese Grenze in seinem Hirn. Alle Erinnerungen auf der anderen Seite dieser Linie waren strengstens verboten. Oder zumindest war es so gewesen, bis Tsunade ihn vor ein paar Monaten zurück in diese Kriegszone getreten hatte, indem sie ihn zu einem Leiter der Chūninprüfungen in Suna gemacht hatte. Das hatte ihn so nah an die Kante getrieben, dass das Risiko gefährlich nahe gekommen war, hinüber auf dieses Territorium zu stolpern, das er in sich verrammelt und verriegelt hatte. 

 

Denk an was anderes, Nara.

 

Mental sprang er auf einen anderen Gedankengang auf, der an einer geistigen Wand entgleiste, als Temari zu sprechen begann und seine Introspektive offenbar erraten hatte. „Ich kapier immer noch nicht, wie jemand, der so klug ist wie du, sich so dumm verhalten kann.“

 

„Und hier kommen die rückhändigen Komplimente.“, murrte er; seine Wimpern schwebten auf Halbmast. „Ich will nicht darüber reden.“

 

„Natürlich willst du das nicht, denn das wäre wahrscheinlich peinlich für dich.

 

„Temari…“

 

Temari hob ihr Kinn. „Dann entschuldige dich für den ganzen Ärger, den du mir verursacht hast.“

 

„Nein.“

 

„Dann wird dir das bis zum Ende dieser Nacht ziemlich leid tun.“

 

Shikamaru schnaubte. „Mach was du willst.“

 

Super…das war verfickt nochmal dumm.

 

Das hätte er nicht sagen sollen, doch es hatte bereits seinen Mund verlassen, bevor er überhaupt registrieren konnte, dass er gerade eine hirnlose Herausforderung ausgesprochen hatte. Als ob sie auch noch Ermunterung gebraucht hätte. Temari bemerkte seinen eingefrorenen Moment von ‚Scheiße, Scheiße, Scheiße‘ und feixte langsam, während sie sich in ihrem Stuhl zurück lehnte – als würde sie es sich für die nächste Runde bequem machen. 

 

Super, das wird richtig schmerzhaft.

 

Ein aufgeregtes Quieken auf der anderen Seite des Tisches schreckte beide auf.

 

Kaum hatte er seinen Blick auf die Ursache gerichtet, da begann Ino auch schon, mit einem vertraut aussehenden Buch herum zu fuchteln, während sie grinsend auf den Zehen auf und ab hüpfte. 

 

„Shikamaru!“ Sie drückte sich das Astrologiebuch an die Brust. „Das ist perfekt!

 

Der Mund des Schattenninjas verzog sich zu einem kleinen, aber ehrlichen Lächeln, das er Chōji zuwandte und dankbar den Kopf neigte. Der Akimichi salutierte ihm mit den Essstäbchen und verschluckte sich beinahe an seinem Bissen, als Ino ihm durch das rotbraune Haar wuschelte, bis die Spitzen wild abstanden. Sie ließ ein leises sanftes Quietschen hören und komplimentierte etwas Glitzerndes, das Sakura um ihren Hals befestigte. 

 

Chōjis glitzernde Überraschung, huh?

 

Shikamaru schmunzelte und sah zu, wie Ino die restlichen Geschenke auf eine Seite stellte. Hinata bot ihr an, die Geschenke des Schattenninjas von denen für die Yamanaka auszusortieren. 

 

Shikamarus Miene ernüchterte rasch, während er zusah. Er verstand nicht so ganz, warum sich jeder so eine Mühe wegen ihm machte. Er hielt nichts von Geburtstagen und wäre es nicht für Ino, dann hätte er vermutlich den ganzen Tag durchgeschlafen. Die Yamanka genoss jedoch die Gelegenheit, sich selbst zu verwöhnen und ihr derzeitiges Vergnügen war das seltsame Buch, das sie unbedingt hatte haben wollen. Sie flitzte damit um den Tisch, schlug es an relevanten Seiten auf, notierte sich Geburtsdaten und teilte dem Text entsprechende Schicksale aus. 

 

Zumindest hat sie Spaß…

 

Shikamarus Augen glitten zu der Tür und verengten sich. 

 

Asuma war nicht zurück gekommen. Und als Ino wieder gekommen war, war ihr Lächeln ein wenig zu strahlend und ihre Bereitschaft, ihre Konzentration auf alles und jeden zu richten, etwas zu eifrig gewesen. 

 

Was zur Hölle ist passiert?

 

Sie hatte ihn nicht einmal wegen des bescheuerten Hutes genervt, bis sie sich beinahe darauf niedergelassen hatte. Ohne nachzudenken schob er ihn noch ein Stück weiter unter den Tisch. Doch Akamaru stupste das Ding mit einem Knurren zurück und zwickte ihn in den Knöchel. 

 

Shikamaru machte einen Satz und knallte sein Knie dabei gegen den Tisch. 

 

Temari spähte argwöhnisch zu ihm herüber. „Wirst du schon flatterhaft, Nara?“

  

„Tz.“ Shikamaru stierte finster hinunter auf den Köter, der unter dem Tisch zu ihm hinauf schielte und nach Leckerbissen schnüffelte. „Wie lästig.“

 

Akamaru verschwand außer Sicht, als das Personal herein kam, um das Geschirr abzuräumen und Platz für den Nachtisch zu machen. Als sich die Farbe der Tischdecke veränderte, geschah dasselbe mit dem Licht und es vertiefte sich zu warmen Honigschattierungen, um die Illusion eines Sonnenuntergangs im Schoß des Zimmers zu erschaffen. 

 

Sonnenuntergang…

 

Der Gedanke machte Shikamaru nachdenklich. Doch dann brachte er ihm die Erinnerung an einen brennenden Sonnenuntergang vor zwei Wochen zurück; und an die darauf folgende Morgendämmerung, die ihn eiskalt zurück gelassen hatte. Blasse Augen flammten in seinem Verstand auf und zwangen ihn dazu, eine Tür zu dieser Erinnerung zuzuschlagen. 

 

Nicht jetzt…nicht hier…

 

Und als er sich darauf fokussierte, sich ‚im Moment zu befinden‘, fiel ihm plötzlich auf, dass er überhaupt keine Ahnung hatte, wie spät es war. 

 

Das war seit Wochen nicht mehr passiert. 

 

Zwei Wochen…

 
 

~❃~
 

 
 

„Er war zwei Wochen fort und will schon wieder eine neue Mission. Was denkst du darüber?“

 

Was dachte er darüber?

 

Nun, das war eine Frage, die das sichtbare Auge von Kakashi immerzu dazu brachte, in den Winkel abzudriften; nach etwas suchend, das sich direkt neben dieser Frage befand. Seine Wimpern senkten sich ein wenig und pressten sich dann aufeinander, als er an der Oberfläche schmunzelte, doch seine Lippen verkrampften sich unter seiner Maske. 

 

„Ich bin mir nicht sicher, ob ich qualifiziert bin, das zu beantworten.“

 

„Niemand ist qualifizierter dazu als du.“, argumentierte Tsunade und klopfte mit der Rückseite ihrer Finger auf die Schriftrolle, die ausgebreitet auf ihrem Tisch lag. „Hyūga steckt bis über beide Ohren in Missionen. Er schnappt sich die A-Ränge zu allen Seiten.“

 

„Er ist getrieben.“, fasste Kakashi zusammen und hakte seinen rechten Zeigefinger in den Saum seiner Maske, um sich die Nasenwurzel zu kratzen. „Frag Gai.“

 

„Ich frage dich.“

 

„Ich bin nicht sein Sensei.“

 

„Aber du warst ANBU.“

 

Kakashi hörte sofort auf, sich zu kratzen und schob seinen Finger den Rand seiner Maske entlang, bis er auf sein schiefes Hitai-ate traf. Er packte die Metallplatte und neigte sie, bis der Stahl das Licht auffing und greller als ein Blitzlicht aufflammte. 

 

„Nicht mehr.“, stellte er leise klar. 

 

Tsunade atmete schwer durch die Nase aus. „Kakashi.“

 

Oh, er kannte diesen Tonfall. Es war das Fallen einer Oktave, das Tsunade annahm, wenn sie ihr Temperament hart wie einen Schäferstab schwang; bereit, das schwarze Schaf zurück zur Herde zu treiben. 

 

Besagtes schwarzes Schaf blinzelte sie mit seinem grauen Auge teilnahmslos an. 

 

Tsunade seufzte erneut und ihr Frust übertrug sich in das steife Tippen ihrer Finger, als sie wieder auf die Schriftrolle spähte. Sie ließ ihren Blick über priorisierte A-Rang Missionen wandern; neben allen war der Name von Hyūga Neji eingetragen. 

 

Kakashis Auge verengte sich leicht. 

 

Hn. Auf jeden Fall sammelt er Punkte und Anerkennung…

 

Oder zumindest wirkte es so auf das untrainierte Auge. Kakashis Augen jedoch waren alles andere als untrainiert. Unter seinem Hitai-ate zuckte sein Lid und die Haut spannte sich um sein Sharingan an. Es hatte nicht immer etwas damit zu tun, was man physisch sehen konnte. Wenn es ANBU betraf, dann ging es immer um das, was unter der Oberfläche lag. 

 

Das Unbekannte und Ungesehene; das Unausgesprochene und Ungehörte. 

 

Das Darunterliegende.

 

Das war die Stärke der ANBU.

 

Bei den Black Ops war nichts für bare Münze zu nehmen. Die Masken waren ein klares Zeichen dafür. Und Kakashi erkannte todsicher eine Maske, wenn er eine sah und Nejis täuschte ihn nicht für eine einzige Sekunde. 

 

Du bist nicht bereit, Hyūga.

 

„Vielleicht habe ich meine Wetten zu früh gesetzt; wenn man alle Aspekte beachtet.“, sagte Tsunade plötzlich und zerrte den Kopierninja aus seiner Nachdenklichkeit. „Ich glaube nicht, dass er bereit ist.“

 

„Vielleicht solltest du Shikamaru fragen.“, sagte er. 

 

Scharf hob Tsunade den Blick und teilte den Diamanten auf ihrer Stirn mit einer dunklen Linie, als sie die Brauen zusammenzog. „Du weißt, dass ich das nicht tun kann. Du solltest eigentlich auch gar nichts über diese Angelegenheit wissen.“

 

Kakashi zuckte mit den Achseln und neigte seinen Kopf gegen den Winkel seines Haarschopfes. Es war nicht so, als hätte er darum gebeten, in dieses Geheimnis eingeweiht zu werden, wenn sie darauf anspielte. Ganz ehrlich hatte er überhaupt keine Beteiligung an dieser Verschwörung gewollt. 

 

Shikamaru war Asumas Schüler. 

 

Neji war bereits Jōnin. 

 

Die Mathematik war simpel und die Antwort eindeutig.

 

Ich habe absolut nichts mit der ganzen Sache zu tun. Und so sollte es auch bleiben. 

 

Allerdings hatte diese idiotensichere Logik Tsunade nicht davon abgehalten, ihn darum zu bitten, ein paar der Rätsel zu lösen, die er jedoch weit außerhalb seiner Zuständigkeiten als Jōnin erachtete. Als sie ihn vor zwei Wochen zu einer vertraulichen Besprechung gerufen hatte, da hatte er sich darauf vorbereitet, dass es irgendetwas mit Naruto zu tun hatte. 

 

Auf keinen Fall hätte er geahnt, dass es irgendetwas mit einer kürzlichen Mission nach Hanegakure zu tun haben würde. 

 

Oder mit Hyūga. 

 

Das hatte dann doch irgendwie Kakashis Interesse geweckt; vor allem, weil er es einfach nicht hatte kommen sehen. 

 

Neji hatte sich immer nur an der Peripherie von Narutos Welt aufgehalten und war Kakashi immer in etwa wie ein weit entfernter Planet vorgekommen; unerreichbar und kalt mit ein paar wenigen Anzeichen von Leben hinter diesen geschützten und heimgesuchten Augen. Doch auf der anderen Seite war die Welt des Hyūga auch so fremdartig im Vergleich zu denen der anderen Chūnin. Er war der einzige Jōnin unter ihnen und er hielt sich auf einer distanzierten Umlaufbahn; ganz anders als diejenigen in der Nähe von Naruto. 

 

Kakashis Auge wurde vor Nachdenklichkeit glasig und auch etwas weicher. 

 

Der Jinchūriki war eine Quelle der Wärme und des Lichts für die geworden, die sich zu ihm hingezogen fühlten. Er verweilte so konstant und spendend wie die Sonne; immer mit dem Versprechen, erneut aufzugehen, völlig egal, wie dunkel und hoffnungslos die Nacht erschien. 

 

Ich werde immer lyrischer, wenn es um meine Schüler geht…Gott, ich klinge schon wie Gai…

 

Und Scheiße; wenn das nicht ein verflucht verstörender Gedanke war. 

 

Kakashi wäre vielleicht erschauert, wenn sich seine Wirbelsäule nicht beim Klang sich nähernder Füße angespannt hätte. Anhand der Geschwindigkeit und dem lockeren Rollen des Ganges, wusste er, wer es war, noch bevor das Klopfen an der Tür erscholl. 

 

Rasch rollte Tsunade das Pergament auf und ihre Augen zuckten von der Tür zu Kakashi. „Ich will, dass du ihn im Auge behältst.“

 

„Beide Augen, oder nur das eine?“ Unschuldig legte er den Kopf schief. 

 

Tsunade warf ihm einen genervten Blick zu, bevor sie in Richtung der Tür brüllte. „Herein!“

 

Kakashi spähte über die Schulter, als sich der Knauf drehte. Die Tür öffnete sich gerade genug, um den Shinobi zu offenbaren, der sie mit der Hüfte aufstieß. Die Hände des Mannes waren damit beschäftigt, sich eine Zigarette anzuzünden.

 

Der Rauch schwebte in den Raum, aber Asuma machte keine Anstalten einzutreten.

 

Kakashi drehte seinen Oberkörper und gewährte Tsunade damit gleichzeitig einen besseren Blick auf den bärtigen Jōnin, der sich gegen den Rahmen lehnte. 

 

„Asuma.“, sagte sie. „Was gibt es?“

 

Kakashi wusste bereits, dass die Angelegenheit des Sarutobi nichts mit Tsunade zu tun hatte; allein die Art und Weise, wie Asuma dastand reichte aus, um den Mangel an Dringlichkeit auszudrücken. Doch als sich diese bronzenen Augen ihm zuwandten, bemerkte der Kopierninja etwas Angespanntes unter der lockeren Oberfläche. 

 

„Ich muss mir mal Kakashi ausleihen. Hoffe, dass ich nichts unterbreche.“

 

„Wir sind schon fertig.“, erklärte Tsunade und unterstrich diese Worte, indem sie energisch die Schublade ihres Schreibtisches zuschob. „Kakashi, ich zähle auf dich.“

 

Kakashi nickte und warf Tsunade aus dem Augenwinkel einen Blick zu. „Ich verstehe.“

 

Und es gefällt mir nicht…

 

Er wollte weder Asuma noch Gai auf die Füße treten, wenn es um ihre Schüler ging. Wegen Gai machte er sich zwar keine übermäßigen Sorgen – aber was Asuma betraf; der Sarutobi war alles andere als vorhersehbar, wenn es um sein Team ging. Es war eine merkwürdige Eigenart, mit der einzig und allein Kurenai den Sarutobi aufziehen durfte; jeder andere riskierte dabei eine Abtrennung der Eier mit einem Grabenmesser. 

 

Und ein Eunuch zu werden, stand definitiv nicht auf Kakashis ‚Was-ich-noch-tun-muss-bevor-ich-ins-Gras-beiße‘ Liste.

 

Mit diesem morbiden Gedanken näherte er sich der Tür. „Mich ausleihen?“

 

„Dein Hirn.“ Asuma neigte seinen Kopf in Richtung von Kakashis Hitai-ate und schmunzelte. „Nicht meine Schuld, dass der Rest von dir zwangsläufig dazu gehört.“

 

„Nein, das ist einfach nur dein Glück.“ Kakashi schloss die Tür hinter sich und hielt kurz inne, um sein Stirnband über dem Sharingan zu justieren, während er versuchte, den scharfen Stich in dem optischen Nerv zu ignorieren. 

 

Asuma bemerkte das unnötige Zurechtrücken und linste auf die Ursache. „Tut wieder weh, hm?“

 

Mit einem Schulterzucken wies Kakashi die Frage ab und seine Stimme veränderte sich zu etwas Kühlerem. „Es kommt und geht.“

 

Der flache Fall seiner Stimme reichte aus, damit Asuma den Wink mit dem Zaunpfahl verstand. Rasch führte der Sarutobi ihre Unterhaltung einen anderen Pfad entlang und nutzte dabei das leichteste Gefährt – Humor. 

 

„Achja? Wann wird die Zeit kommen, in der das Ninja-Zyklopen Aussehen endet?“, triezte Asuma und deutete mit einer Fingerbewegung über seinen Bart auf Kakashis Maske. „Einer dieser Tage, Kakashi…“

 

Kakashis graues Auge schimmerte vor Belustigung. „Das wird zu deinen Lebzeiten nicht passieren.“

 

Asuma lachte und schlenderte neben dem anderen Jōnin her, während sie den Korridor entlang zum Ausgang der Residenz schritten. „Zu blöd für dich, dass ich auf jeden Fall vorhabe, hier zu bleiben, bis du zu hässlich bist, um dich überhaupt noch darum zu scheren, es zu verstecken.“

 

Kakashi lachte leise und der Klang drang durch das dünne Gewebe seiner Maske, als sie hinaus in die kalte Nachtluft traten; der Biss von Frost war wie eine Klinge über Haut. Sie hielten an der Spitze des Weges inne und lehnten sich beide gegen das Geländer, während sie das Dorf betrachteten und die Aussicht genossen. 

 

Sterne hielten sich schimmernd wie Regentropfen in der Dunkelheit. 

 

Und stattdessen regnete es Frieden; eine ruhige, kameradschaftliche Stille, nur unterbrochen von dem Plätschern der Geräusche des Dorfes.

 

Kakashi drehte seinen Kopf erst, als Asche und Glut auf der Luft tanzten und wie sterbende Funken von Asumas Zigarette flogen, als der Sarutobi seinen Unterarm über das Geländer hängte. Sein Rauch wurde von dem Dampf ihrer beider Atem verfolgt und schwebte fort ins Nichts. 

 

„Also…“, begann Asuma und brach unbeholfen ab; seine Stimme war rau und unsicher. 

 

„Also…“, echote Kakashi.

 

Für einen Moment herrschte Schweigen. 

 

Asuma blies einen Rauchring gen Himmel. Träge sah Kakashi zu, wie er taumelte und zerbrach. 

 

„Ich glaube, wir werden hierfür was zu Trinken brauchen.“, entschied Asuma. 

 

Okay…

 

Kakashi drehte dem Dorf seinen Rücken zu und stützte die Ellbogen auf der Brüstung ab, während er hinüber spähte und Asuma aus dem Augenwinkel musterte. 

 

„So schlimm?“, fragte er beiläufig wie immer. 

 

Eine lange Pause und einen Strom aus Rauch später summte Asuma.

 

„Nun…es besteht die starke Möglichkeit, dass ich in etwa neun Monaten zu einem Massenmörder mutiere.“, sagte er. „Und ich brauche deine Hilfe, ein paar Leichen zu verscharren.“

 

Kakashi blinzelte und starrte für einen langen Moment geradeaus. „Was zu Trinken. Du zahlst.“

 
 

~❃~
 

 
 

Die Hüte waren wieder zurück. 

 

Kiba, Chōji und Naruto hatten sich diese dämlichen Dinger wieder aufgesetzt, um durch Kopfbewegungen ein ‚Lass den Ballon platzen‘-Spiel zu beginnen. Shikamaru hatte es irgendwie geschafft, diesem Wahnsinn zu entgehen, indem er zusammen mit Temari den Schiedsrichter gab. Doch er hatte rasch den Überblick darüber verloren, wer in Führung lag, denn seine Aufmerksamkeit teilte sich zwischen der Unterhaltung mit der Suna Kunoichi und Inos gegenwärtiger Fixierung auf Shino auf. 

 

Die Gesichtszüge des Schattenninjas deuteten auf ein Grinsen hin. 

 

Ino war vollkommen in ihrer Wahrsagerei versunken und klärte den Insektenbeschwörer über alle Aspekte seines altruistischen Aquarius-Wesens auf. Und zu Shikamarus Belustigung schien der Aburame wirklich an dem interessiert zu sein, was die Yamanaka zu sagen hatte, denn er vollführte seine ausführlichen Antworten mit wirklichen Gesten statt einfach nur mit einem roboterhaften Nicken. 

 

Shikamaru konnte gar nicht anders, als darüber zu schmunzeln.

 

Ino saß da wie eine Königin, gekrönt mit ihrem lila-gestreiften Hut und hielt nicht nur mit Shino Hof, sondern auch mit ein paar der Angestellten, denen sie angeboten hatte, ihre Zeichen für sie zu interpretieren. Im Hintergrund bemerkte Shikamaru Sakura und Hinata, die immer wieder aus dem Raum schlüpften. Letztere wies einen Mehlfleck auf dem Kinn auf.

 

Wenn es einen Kuchen gibt, werde ich nicht singen.

 

Temari folgte seinem Blick und sah gleich darauf wieder zurück zu dem laufenden Ballonspiel. „Wie geht es deiner Mutter?“

 

Die Frage brachte ihn dazu, wachsam zu ihr hinüber zu sehen. „Sie ist laut. Und gewalttätig. Wie die meisten Frauen, die ich kenne.“

 

Temari feixte, die Augen weiterhin auf die Ballons gerichtet. 

 

Er wollte gar nicht wissen, was sie dazu veranlasst hatte, diese Frage zu stellen und so ergriff Shikamaru die Gelegenheit, sich von dem Tisch weg zu schieben und seine Seite zu umfassen, während er so tat, als würde er sich strecken. Ein schmerzerfülltes Zucken zerrte an seinen Augenwinkeln, als er einen leichten Stich an den Rippen spürte. 

 

Verdammt.

 

Mehrere intensive Behandlungen mit kurativem Chakra hatten die Brüche in unter einer Woche geheilt und nicht mehr als einen empfindlichen Schmerz zurück gelassen. Doch manchmal – in seinen schwächsten Augenblicken – fragte er sich, ob er diesen Schmerz nicht eher hinter seinen Rippen spürte. Jedes Mal, wenn er um vier Uhr morgens erwachte, strich er mit den Fingern über die Narbe, während sein Verstand bei einer vollkommen anderen Wunde verweilte. 

 

Denk an was anderes.

 

Und die Ablenkung kam mit dem Nachtisch. 

 

Bedienungen schritten um den Tisch, luden Platten ab, die alle fachmännisch auf Handgelenken, Unterarmen und Fingerspitzen balanciert wurden. Das Angebot an Süßspeisen war ebenso bunt wie die Partyhüte, die Ino bestellt hatte. Ein Regenbogensortiment aus Delikatessen, das den Schattenninja sofort dazu brachte, sich nach einem Kaffee zu sehnen, der schwärzer war als der Blick, mit dem er Akamaru bedachte, als der Hund unter dem Tisch zu ihm herüber gekrochen kam und auf ein Leckerchen hoffte. 

 

„Nein.“ Shikamaru kreuzte die Arme auf dem Tisch und ignorierte den winselnden Dackelblick. „Geh und nerv Kiba.“

 

Glücklicherweise lockte Ino den Köter mit einem Reiskuchen fort, bevor sie ihren Platz neben dem Schattenninja einnahm und das Sternzeichenbuch wie einen heiligen Wälzer in Händen hielt. „Du bist dran, Shikamaru.“

 

Der Nara verzog das Gesicht und bemerkte die Aufmerksamkeit, die sich nach und nach veränderte, als jeder begann, sich näher um den Tisch zu versammeln; bereit dazu, sich auf die Desserts zu stürzen. Er wartete geduldig darauf, dass sich der Großteil des Fokus einzig und allein auf das Essen richtete, während Ino durch ihr Buch blätterte. 

 

Er schüttelte den Kopf. „Ich passe bei der Weissagerei, danke.“

 

„Auf keinen Fall.“ Ino fächerte mit dem Daumen durch die Seiten und blätterte vor und zurück, bevor sie das Buch auf ihren Schoß klatschte. „War ja klar, dass du ein Sonderfall bist. Du stehst an einem Scheitelpunkt, Faulpelz. Weißt du, was das bedeutet?“

 

Verzweifelt suchte Shikamaru den Tisch nach Kaffee ab. „Ich bin mir sicher, dass du es mir jeden Moment sagen wirst.“

 

„Es bedeutet, dass du eine Mischung aus beiden Tierkreiszeichen zu beiden Seiten deines Geburtstages bist.“, erklärte die Kunoichi, schob sich eine Süßigkeit in den Mund und klopfte ihre Finger aneinander, um sie von dem Puderzucker zu befreien. „Virgo und Libra.“

 

Das war es!“, plärrte Chōji und deutete mit plötzlicher Erkenntnis auf Shikamaru. 

 

Amüsiert spähte Shikamaru zwischen den beiden hin und her und schmunzelte unsicher. 

 

„Virgo und Libra…“, echote er mit so viel Desinteresse wie er zustande brachte, während er versuchte, seine vage Neugier über dieses dämliche Buch und den Mist zu maskieren, von dem er annahm, dass er darin stand. „Ja und?“

 

„Warte eine Sekunde und ich werde es dir sagen.“, murrte Ino, als sie mit dem Schnelllesen begann. Ein Daumennagel segelte über die Textzeilen und nährten ihre Aufregung, als sie die Informationen in sich aufnahm. Und dann begann sie, die Eigenschaften aufzulisten, während sie weiterlas. „Klug und analytisch; Check. Kritisch gegenüber anderen; Check. Suchtneigungen; hmmn…“ Ino brach für einen Moment ab und suchte nach etwas Interessanterem. „Oooh! Hier steht, wenn du etwas von einer Virgo hast, dann bedeutet das, dass du eine romantische Seite haben musst!“

 

Shikamarus Augen rollten sich bis in seinen Schädel, bevor sie sich schlossen. 

 

Von all den lästigen, unbehaglichen und peinlichen Dingen, die man hätte vorbringen können. 

 

Dämliches Buch.

 

Temaris Blick zuckte zu ihm und ein delikates Kichern taumelte in ihre Teetasse, als sie einen raschen Schluck nahm, um ihre Belustigung zu dämpfen. Shikamaru setzte eine vernichtende Miene auf, geriet innerlich in Panik und griff unmittelbar nach etwas – irgendetwas – um seinen Mund dagegen pressen zu können, bevor er sich in einer Grimasse nach unten biegen konnte. Er streckte seine Hand nach dem nächsten Tablett mit Getränken aus, um warme Keramik zu umklammern und sie so schnell aufzuheben, dass er beinahe den Inhalt verschüttete.

 

Mach langsam.

 

„Shikamaruuuu.“, gurrte Ino. 

 

Stirnrunzelnd neigte sich der Schattenninja von ihr weg. „Nein!“

 

„Oh doch. Alsoooo, du hast eine romantische Seite…“, begann sie und ließ ihre Stimme auf eine Weise auslaufen, die darauf hindeutete, dass sie wollte, dass er den Satz beendete. 

 

Das kotzt mich an.

 

Shikamaru schnaubte und nippte etwas Heißes und Süßes, das ihn dazu brauchte, die Nase zu rümpfen und seinen Magen aufwühlte. „Habe ich nicht.“, krächzte er und schob ihr das Getränk zu. „Das wird dir schmecken.“

 

Ino klappte das Buch zu, legte es auf dem Tisch ab und beäugte ihn aufmerksam. Irgendwie sah sie ernst und fixiert aus und sie ignorierte den Drink. „Also erzähl es mir.“

 

„Dir was erzählen…?“ Er leckte sich die Lippen und schmeckte Honig.

 

Ugh.

 

„Diese romantische Seite.“, drängte Ino und ihre Stimme nahm einen spielerisch träumerischen Tonfall an, als sie eine Wange in ihrer Handfläche ablegte und den Ellbogen auf dem Buch abstellte. „Gibt es da irgendjemand Besonderen, der diese Seite in dir hervor gekitzelt hat?“

 

Shikamaru zuckte innerlich zusammen; aber vor allem aus dem Grund, da er spüren konnte, wie Temari ihre Finger wie Klauen krümmte. Jederzeit bereit dazu, ihre Krallen und Zähne in dieses Thema zu graben, einfach nur um zu sehen, wie er sich wand und litt. Energisch suchte er nach einer weiteren Ablenkung, bis sich sein Blick auf etwas richtete, das wie grüner Tee aussah. 

 

Geschmacklos und klar, mit dem Hauch von etwas Bitterem. 

 

Wie passend.

 

Hinata bemerkte seinen Blick und füllte eine Tasse, um sie zu ihm hinüber zu schieben. 

 

Mit einem krampfigen Lächeln nahm er sie entgegen. „Danke.“

 

Ino stieß ihn in die Rippen. „Also?“, bettelte sie. 

 

„Lass es gut sein.“, murrte er. „Ich bin kein Mädchen. Du wirst sicher kein rührseliges Geständnis von mir hören.“

 

Ino zog einen Schmollmund und sah ihn mit etwas an, das beinahe schon Mitleid sein könnte. „Aaaw, keine Romanzen? Aber du hattest doch schon…“, sie brach langsam ab und senkte mit einem schiefen Grinsen die Stimme. „Naja…du weißt schon?“

 

Shikamaru erstarrte und seine Finger umklammerten krampfhaft die Tasse. „Ino…“, warnte er. 

 

„Aaaww, komm schon. Du kannst nicht wirklich eine ‚Virgo‘ sein, Virgo.“, wisperte sie. 

 

„Was zur Hölle ist eine ‚Virgo‘ Virgo?“, knurrte Shikamaru und fühlte sich unglaublich unbehaglich, während er sich selbst dafür verfluchte, dass er diese Frage überhaupt gestellt hatte. 

 

„Na eine Jungfrau.“, zwitscherte Temari und lächelte zuckersüß. 

 

Shikamaru bellte ein flaches humorloses Lachen hervor, das ihm sogar in den Lungen schmerzte, so erzwungen war es. „Darüber werden wir ganz sicher nicht reden.“ Rasch nahm er seinen Tee auf. „Themenwechsel.“

 

„Shikamaru…“, wisperte Ino und starrte ihn an wie ein Kind, das sich mitten in einer spannenden Geschichte befand und ihm bei jedem Wort, das er nicht sagte, an den Lippen hing. „Soll das heißen, dass du…du weißt schon?“

 

Shikamaru stierte kopfschüttelnd in seine Teetasse. Wie zur Hölle hatte sich die Konversation auf dieses Gebiet begeben können, ohne dass er diesen Weg voller Landminen bemerkt hatte, bevor sie in seinem Gesicht explodieren konnten? Steif saß er da; angespannt und gequält für die vollen fünf Sekunden, die es für Temari brauchte, eine weitere Antwort zu liefern. 

 

„Oh, aber selbstverständlich hat er.“, bestätigte sie mit samtigen Tönen. 

 

„Temari.“ Er senkte gefährlich die Stimme, während sich deutliches Unbehagen auf seinem Gesicht abzeichnete. 

 

„Ich mache was ich will, Nara, genau wie du gesagt hast.“

 

Scheiße.

 

„Warte…“ Ino schnappte nach Luft und ihr Finger schwang zwischen ihnen hin und her. „Nie im Leben! Du! Und du!“

 

Shikamaru seufzte und wirbelte sich selbst Dampf ins Gesicht, als seine Zähne gegen die Tasse klackten und er fast schon auf den Rand biss. Wenn der Tee doch nur toxisch wäre. Gift würde ihm einen schnelleren Tod schenken als dieser qualvoll langsame, der sich gerade abspielte. 
 

„Oh bitte, nein, nichts dergleichen.“, versicherte Temari und beobachtete ihn, während sie mit Ino sprach. „Ich schätze mal, ich bin nur die Verkupplerin.“

 

„Wie wäre es, wenn du mir nie wieder aushilfst?“, murmelte Shikamaru und ließ den bitteren Geschmack des Tees auf seiner Zunge tanzen. 

 

„Oh, ich glaube nicht, dass ich das musste, oder?“, feixte Temari und zog die Worte eher in die Länge, um Ino an den Haken zu bekommen, statt Shikamaru zu überrumpeln – ganz offensichtlich genoss sie ihre Rolle dabei, ihn leiden zu lassen. „Wenn ich mich recht erinnere, dann hast du dir selbst geholfen wie ein Kind in einem Süßwarenladen.“

 

Mit einem spöttischen Schnauben wandte er sich von ihr ab, während sich Hitze auf seine Wangen schlich. „Diese Unterhaltung wird nicht stattfinden!“

 

„Shikamaru!“ Ino versetzte ihm mit der Rückhand einen Klaps. „Hast du dich in Suna mit jemandem getroffen?“

 

Temari summte; ein weiteres durch und durch kalkuliertes Geräusch. „Oh er jemanden ordentlich rangenommen.“

 

Kiba sah auf, verstand die beiden Schlüsselworte „ordentlich rangenommen“ und machte mühelos seine ganz eigenen männlichen Berechnungen. „Oi, Shikamaru!“, grinste er. „Was höre ich da?“

 

Fuck.

 

Shikamaru warf Temari einen mörderischen Blick zu und sein Hirn blieb für einen Moment stehen, während er dieses schmutzige Spiel verarbeitete, das sie hier gerade betrieb. „Du begibst dich besser nicht dorthin!“
 

Geflissentlich ignorierte sie die raue Schneide in seiner Stimme und schlug mit einer Zunge so trocken wie Sand zurück, um die Körner aus Anspannung den Raum zwischen ihnen füllen zu lassen. „Lass uns doch mal sehen, ob sich Shikamaru noch an ihren Namen erinnern kann.“

 

Gott verdammt.

 

Energisch ignorierte er die warmen Ranken eines Errötens, das seinen Nacken erklomm und noch heißer über seine schlanken Wangen kroch; er warf Ino ein schlitzäugiges Funkeln zu.

 

„Ino. Lass es.“, warnte er. 

 

„Aber!“

 

„Lass. Es.“

 

Doch stattdessen rückte Temari noch näher und strich in langsamen Zirkeln mit ihren Fingerspitzen über den Rand ihrer Tasse. Ein Ausdruck der Erinnerung grub sich in ihr Gesicht; dazu gedacht, diesen Moment bis zum Äußersten zu überspitzen. 

 

„Ach sei nicht so schüchtern, Shikamaru. Es gab keinerlei Beschwerden, wenn du deswegen besorgt bist; im Gegenteil.“

 

„Shikamaru!“, bellte Kiba, donnerte seine Faust auf den Tisch und zerrte seinen Hintern über drei Plätze, ohne sich aufzurichten, um sich selbst in die Unterhaltung einzuklinken. „Du hast was Versautes mit einer in Suna getrieben?!“

 

Shikamaru schloss die Augen wie ein Mann, der sich in tiefen physischen Schmerzen befand. „Danke. Vielleicht willst du noch ein bisschen lauter plärren, um es dem ganzen Dorf kundzutun.“

 

Ino schlug ihn hart genug, dass sich seine Lider ruckartig hoben. „Du kannst dich nichtmal an ihren Namen erinnern!“

 

„Nah, sei nicht so streng mit ihm.“, verteidigte Temari ihn, bevor sie hinzufügte: „Er musste sich ein paar Namen merken.“

 

Shikamaru schloss schon wieder die Augen. 

 

Ich wusste verfickt nochmal, dass das wieder kommen würde, um mich in den Arsch zu beißen…

 

Kiba pfiff durch die Zähne. „Das darf nicht wahr sein!“

 

„Shikamaru!“ Ino schnappte nach Luft und schlug ihn schon wieder. „Mehr als eine?“

 

„Würdest du aufhören, mich zu schlagen?“, knurrte er und wünschte sich nichts sehnlicher, als selbst auf irgendetwas einzuprügeln – oder sich idealerweise eine Flasche starken Saké einzuverleiben.

 

Kiba lachte laut auf und würdigte Shikamaru mit blühendem Respekt – die Art, die daher rührte, dass ein Mann die Fähigkeiten eines anderen auf dem Schlachtfeld des Schlafzimmers anerkannte. 

 

„Heilige Scheiße, Nara. Hattest du deinen eigenen Harem oder was?“

 

Shikamaru rieb sich mit einer Hand durchs Gesicht und machte sich nicht einmal die Mühe, darauf zu antworten. Mit schlitzäugiger Verärgerung schielte er zu Temari. Sie würde diesen Moment bis zum letzten Tropfen ausmelken und es gab nicht das Geringste, das er dagegen unternehmen konnte. 

 

„Zufrieden?“, grollte er müde.

 

Temari summte und erschauerte gespielt. „Hmn, prickelnd.“

 

„Shit!“ Kiba schnippte mit den Fingern und seine Stimme wurde laut genug, um immer mehr Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. „Du leugnest es nicht! Ein Harem? Du versauter Bastard. Aber es ist irgendwie brillant.“

 

Shikamaru hielt seine Augen weiterhin auf Temari gerichtet. „So zahlst du es mir heim?“

 

Temari summte erneut; ein langer genießerischer Klang. „Absolut.“

 

„Heimzahlen?“, fragte Sakura und drehte sich auf ihrem Stuhl, als sie die Schwingungen bemerkte, die um das Ende des Tisches brummten, an dem Shikamaru saß. „Heimzahlung wofür?“

 

Anficken. Wortwörtlich…

 

Kiba legte einen Arm auf den Tisch und beugte sich mit wackelnden Augenbrauen vor. „Wie viele, Nara?“

 

„Wie viele was?“, plärrte Naruto.

 

„Shikamaru hatte in Suna einen Harem.“

 

Temari zog die Brauen zusammen. „Ich muss doch sehr bitten! Zufälligerweise kenne ich die Schwestern.“

 

Ino keuchte auf und ihr Kiefer fiel noch weiter auf als das Loch, von dem sich Shikamaru wünschte, es würde sich unter seinen Stuhl öffnen. Es half auch nicht gerade, dass Kiba den Kopf schüttelte und den Schattenninja mit ehrfurchtsvoller Sprachlosigkeit anstarrte, die so nah an Heldenverehrung war, dass es schon beinahe traumatisierend war, es sehen zu müssen. Er glotzte Shikamaru an, als würde er ihn in einem völlig neuen Licht sehen.

 

„Wie zur Hölle schafft es ein Faulpelz wie du, es mehr als einer zu besorgen?“

 

„Zur selben Zeit“, fügte Temari hinzu. 

 

„Und auch noch SCHWESTERN!“, schrie Ino in sein Ohr. 

 

Shikamaru ruckte mit der Schulter. „Warum zur Hölle plärrst du so? Ich bin direkt hier!“

 

„Ich glaub’s nicht!“ Sie versetzte ihm einen leichten Schlag, bevor sie nach ihrem Tee griff und dabei etwas davon über den Tisch verteilte. „Mehr als eine zur gleichen Zeit!“

 

„Wie seine Drinks.“, fuhr Temari mit dem Gespräch fort. „Obwohl er das mit den Frauen deutlich besser hinbekommen hat, wenn ich mich recht entsinne.“

 

Shikamaru setzte hart seine Teetasse ab. „Ich kann sehr gut einschätzen, wann ich meinen Pegel erreicht habe…“ Hier brach er ab und ruderte schnell zurück. „Wenn ich getrunken hätte…was…ich nicht getan habe…“ Er verstummte lahm.

 

„Weil das auch illegal wäre.“, fügte Sai wenig hilfreich hinzu. „Dasselbe gilt übrigens in vielen Ländern für Prostitution.“

 

Shikamaru stierte Sai mit einem Ausdruck an, der gerade zu ‚Dein Ernst?‘ brüllte und schüttelte den Kopf. 

 

„Was zur Hölle?“, lachte Kiba. „Wo kam das jetzt her?“

 

„Mein Buch.“, erklärte Sai und hob die Tasche auf, die er mitgebracht hatte. „Ich habe einige.“

 

„Über Prostitution?“ Kiba konnte einfach nicht widerstehen, Shikamaru mit einem aufziehenden Grinsen anzusehen. „Könnte sich bei deinem Harem als nützlich erweisen, Shikamaru.“

 

„Harem…“, echote Sai und schielte zu dem Nara. „Ist ‚Harem‘ ein Euphemismus für Prostitution?“

 

Shikamaru presste sich eine Faust gegen den Mund und flehte um die Stärke, nicht irgendjemanden ernsthaft zu verletzen, bevor er spürte, wie Temaris Augen über sein zorniges Gesicht wanderten. 

 

Sie kicherte bösartig. „Aww, tut es weh?“

 

„Willst du, dass ich mir den Leichensack schnappe, damit du mich darin einpacken kannst, wenn du schon dabei bist?“, knurrte Shikamaru und gestikulierte über den Tisch, um auf all das Publikum hinzuweisen, das seine Demütigung und Folter miterlebte. „Du kannst jetzt aufhören. Der Schaden ist angerichtet.“

 

„Aber sie sind noch nicht fertig damit, dein Grab zu schaufeln.“ Temari streckte eine Hand aus, um eine glasierte Haselnuss mit den Fingerspitzen aufzunehmen. „Ich habe ihnen nur die Schaufel gegeben.“

 

„Klar.“, sagte er gedehnt und sah zu, wie sie in die geröstete Nuss biss. „Du wäschst deine Hände in Unschuld.“

 

„Mmn.“ Temari strich Honigkleckse von ihren Lippen und saugte an jedem Finger, während sie mit den Achseln zuckte. „Naja, das nächste Mal wirst du dir zweimal überlegen, dich wie ein Gör zu benehmen und wegzurennen, um ungezogene, versaute und skandalöse Sachen zu machen, oder, Genie?“

 

Shikamaru spannte sich angesichts ihres schweren Kicherns an und das Geräusch ärgerte ihn noch so viel mehr wegen dieses irritierenden Wirbelns, das es tief und heiß in seiner Magengegend auslöste -  und auf keinen Fall half dabei das Streichen ihrer Zunge über ihre Fingerspitzen; katzengleich und rollend. 

 

Er wandte den Blick ab. 

 

Das kotzt mich auf so viele Arten an…

 

Und zu diesem Moment kamen auch noch all die frakturierten Erinnerungen an diese Nacht, die zurück kamen, um ihn heimzusuchen – und die jungen Frauen, mit denen er sie verbracht hatte. Vage erinnerte er sich an dunkles wallendes Haar und blasse olivgrüne Augen – zweifach. 

 

Schwestern? Scheiße…vielleicht habe ich auch nur doppelt gesehen und es war nur mit der einen…

 

„Shikamaru, ich hoffe wirklich für dich, dass Temari Witze macht.“ Ino sackte auf ihrem Stuhl zusammen und umfasste ihre Wangen, als versuchte sie dadurch, ihren Kopf gerade zu halten, während sie versuchte, Tatsachen von Fiktion zu trennen. Gleichzeitig versuchte sie, die Schwere des Skandals abzuwiegen, der aufgrund seines verrufenen Verhaltens verteilt wurde. „Warst du wirklich betrunken?“

 

Fürchterlich entsetzlich betrunken.

 

Der Schattenninja verzog das Gesicht; er wollte nicht einmal an diese Nacht und seine damals nicht vorhandene Moral denken. Auf keinen Fall war er bei klarem Verstand gewesen, noch bevor er die Saké Flaschen in sich hinein gekippt hatte – schnell und heftig. Zurück in das tiefe kalte Wasser gestoßen zu werden, das aus Daimyōs bestand, die ihn hetzten und umkreisten wie Haie, hatte das Fass zum Überlaufen gebracht. Sein Verstand hatte eine alarmierende Drehung vollführt, die beinahe zu einem Kontrollverlust geführt hätte. 

 

Jo…also hast du dich selbst ins Koma gesoffen…und dann mit zwei Mädels…Schwestern…Gott…

 

Der Kater war kein Spaß gewesen; besonders nicht, da er am nächsten Tag Schirmherr der Chūninprüfung hatte spielen müssen.

 

Idiot.

 

Ein weiterer brutaler Stoß brachte ihn zurück ins Hier und Jetzt und er stierte sehnsuchtsvoll auf den Ausgang. Er schätzte ab, wie viele Möglichkeiten er hatte, ihn zu erreichen, ohne von Ino von den Füßen gerissen, oder von Chōji platt gewalzt zu werden. 

 

Bitte…bringt mich doch einfach jemand um…

 

„Und? Warst du betrunken?“, presste Ino weiter. „Weil, wenn du es warst, dann-“

 

„Ich war nicht betrunken.“, log er. 

 

Ich war voll wie eine Strandhaubitze.

 

„Alsoooo…verfängt sich Sand wirklich an all den falschen Orten?“, witzelte Naruto und verzog eine Seite seines Gesichtes, um sich auf einen Schlag vorzubereiten, als Sakura drohend die Faust hob. 

 

„Mann, ich glaube eher, dass du sehr schnell alles über die richtigen Orte gelernt hast.“, lachte Kiba. 

 

„Und wie viele Orte?“, grollte Ino und schnappte zurück aus ihren wie auch immer gearteten Berechnungen, die sie anstellte. „Also lass mich das nochmal für meinen Kopf klarstellen und zusammenfassen. Du hast dich betrunken und dann hast du-“

 

„Also als Allererstes“, schnitt Shikamaru ihr das Wort ab und beäugte sie scharf, „geht euch das überhaupt nichts an. Zweitens. Nein. Ich habe mich nicht betrunken.“

 

Temari schnaubte. 

 

„Ja klar, stattdessen wurdest du flachgelegt!“, plärrte Naruto und hob damit den wichtigsten Punkt der Unterhaltung für jedes männliche Wesen an diesem Tisch hervor – obwohl Sai etwas verwirrt aussah. 

 

Kiba streckte eine Hand aus, um dem Schattenninja anerkennend auf die Schulter zu klopfen. „Das muss ich dir lassen, Shikamaru, du hast dich als mehr als fähig erwiesen. Sich besaufen und dann auch noch ein Schwesternduo vernaschen. Du bist noch mehr ein Hund als ich.“

 

„Duo? Was ist denn mit dem Rest von dem Harem?“, kicherte Naruto und schützte sein Gesicht mit den Armen, als Sakura versuchte, einen Treffer zu landen. 

 

„Oh richtig, wie viele waren es denn eigentlich insgesamt?“

 

Shikamaru seufzte, als er von ständigen Klapsen und Schlägen auf die Schulter von Seite zu Seite geschubst wurde. 

 

Unter seinen dichten Wimpern warf er Temari einen vernichtenden Blick zu. „Vielen Dank für diesen vollständige Rufmord. Bist du dann fertig?“

 

Temari ließ ihren Blick über die fassungslosen oder grinsenden Gesichter und die errötenden oder zornfunkelnden Frauen wandern, um das volle Ausmaß des Sturmes der Entrüstung in sich aufzunehmen, den sie in seine Richtung katapultiert hatte. „Mmn. So ziemlich. Hach, ich bin so froh, dass ich diese Mädels dir vorgestellt habe.“ Sie hob ihre Tasse und toastete ihm zu. „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.“

 

„Also ist es wahr! Ich fass es nicht!“ Ino schlug ihn heftig. „Das nächste Mal sagst du es mir, wenn du Drogen nimmst!“

 

„Ich nehme keine Drogen!“

 

Kiba lachte. „Mann, wen interessiert’s? Er nimmt halb Suna.“

 

„Vorsicht, Hunde-Junge.“, knurrte Temari.

 

Kiba rollte mit den Augen. „Was denn, nimmt er dich auch?“

 

Stille. 

 

Sehr langsam presste Shikamaru sein Gesicht in eine Handfläche und versank mit einem Seufzen noch tiefer in seinem Stuhl. Temari hingegen drehte sich ebenso langsam auf ihrem Platz, bis sich ihr Blick direkt auf Kiba richtete; so heiß und höllisch wie ein Sandsturm. 

 

Was hast du gerade zu mir gesagt?“, zischte sie.

 

Und als jeder die Aufmerksamkeit auf Kibas imminente Kastration richtete, richtete Shikamaru seine Aufmerksamkeit schweigend auf die Tür. Er lehnte sich zurück, hob die Hüften und begann, sich über die Stühle zu hangeln; darauf abzielend, sich davon zu stehlen. 

 

Rasch hakte Ino einen Arm in seinen und zerrte ihn zurück. „Oooh nein, das machst du nicht! Kein Davonschleichen! Also jetzt musst du mir es wirklich erzählen – mit wem hattest du deinen ersten Kuss?“

 

Naruto ruckte mit einem Daumen in Temaris Richtung. „Sicher nicht mit Temari, das ist ja mal klar.“

 

Sofort übertrug Temari die Drohung einer Kastration auf Naruto, indem ihr Blick zu dem Uzumaki zuckte. „Wenn du keinen Wert darauf legst, dass dein erster Kuss aus einer Mund-zu-Mund Wiederbelebung besteht, dann hältst du dein Maul.“

 

Naruto schluckte und lehnte sich zu Shikamaru, um ihm aus dem Mundwinkel zuzuraunen: „Uh, gruselig.“

 

„Hab ich dir doch gesagt.“, erinnerte Shikamaru ihn und entriss seinen Arm Inos Umklammerung. 

 

„Wäre sowieso zu spät.“, informierte Kiba. „Narutos erster Kuss war mit einem Kerl.“

 

Temaris Brauen schossen nach oben und wischten den Zorn aus ihrem Gesicht. „Ach wirklich?“

 

„W-was? Nein!“, stotterte Naruto und wedelte defensiv mit einer Hand. „Das war ein Versehen!“

 

Kiba schüttelte den Kopf und formte mit den Lippen: „Er hat es geliebt.“

 

Während Sakura Naruto davon abhielt, über den Tisch zu stürzen, verankerte Ino Shikamaru erneut auf seinem Stuhl, indem sie hart an seinem Arm ruckte. „Also lass endlich hören. Erster Kuss. Wann war es?“

 

„Hör endlich auf.“, knurrte Shikamaru und ließ seine Ellbogen mit einem Pochen auf den Tisch fallen. Resignation löschte jedes Aufflammen seines Temperamentes aus. „Ich löcher dich auch nicht über dein Privatleben.“

 

„Was?!“ Ino klatschte sich mit einer Hand auf die Brust, während sich ihr Gesicht mit Affront verdunkelte. „Ich erzähle dir alles!“

 

Shikamaru schmunzelte schief. „Und wir waren niemals einer Meinung darüber, dass das eine gute Sache wäre.“ Er neigte seine Schläfe gegen eine Faust und fixierte sie mit einem wissenden Blick. „Und außerdem stimmt das überhaupt nicht.“

 

Ino blinzelte rasch und wandte den Kopf ab, um über die Süßigkeiten auf dem Tisch zu spähen. „Schön, was willst du wissen?“

 

„Ich will gar nichts wissen.“, erwiderte er und schloss schläfrig seine schokofarbenen Seen. 

 

„Aber ich schon!“, argumentierte sie. 

 

Shikamaru presste die Lider aufeinander. „Bring mich um.“

 

„Nah, Shikamaru, entspann dich.“, kicherte Chōji, während er einen Reiskuchen mampfte. 

 

„Chōji!“, strahlte Ino und sah über die Schulter. „Du musst doch wissen, mit wem Shikamaru seinen ersten Kuss hatte!“

 

Shikamaru öffnete einen Spalt breit ein Auge. „Denk nicht mal dran! Ernsthaft!“

 

Chōji nickte feierlich, während er kaute. „Ich sage kein Wort.“

 

„Chōji!“, beschwerte sich Ino hitzig. „Das ist nicht fair! Wir sind ein Team!“

 

„Ino…“ Shikamaru seufzte und rieb sich die Augen. 

 

„War es in Suna?“, drängte sie weiter und linste unter seine Hand. 

 

„Darauf würde ich nicht wetten.“, spottete Temari. 

 

Ino richtete sich ruckartig auf ihrem Stuhl auf. „Oh mein Gott, schon vorher? War es, als du noch ein Genin warst?“

 

Shikamaru lachte leise und drehte das Gesicht in seiner Handfläche, um den Klang zu ersticken, während er sich die Lippen rieb. Vielleicht war die Absurdität von allem endlich angekommen, oder vielleicht war er einfach viel zu müde, um zornig zu werden.

 

„Ich werde es dir nicht sagen, also kannst du auch aufhören zu fragen.“

 

Ino blinzelte ihn kritisch an und schnippte ihm gegen die Wange. „Ich werde dich betrunken machen und dann wirst du aus dem Nähkästchen plaudern.“

 

„Besteche ihn mit Drogen.“, schlug Kiba vor. „Da würde er zuschlagen.“

 

„Zum letzten Mal, Idiot; ich nehme keine Drogen.“

 

„Jaaa, nur halb Suna.“

 

Shikamarus Kopf schaffte es niemals bis auf den Tisch.

 

„YOOOOOOOOOH!“

 

Der Schrei wurde von einem verschwommenen Wirbel aus Grün begleitet, der in einem dynamischen Startschuss durch den Raum fegte und die Ballons über Shikamarus Kopf mit einem lauten ‚PENG‘ zum Platzen brachte. Doch diese Explosion war ein Scheiß im Gegensatz zu Lees Stimme, als sie mit der doppelten Dezibelstärke in Shikamarus Ohr detonierte.

 

„HAPPY BIRTHDAY, SHIKAMARU-KUN! MÖGE DEIN JUGENDLICHER GEIST AB DIESEM TAG MIT DER FLAMME VON 6.205 SONNEN BRENNEN!“

 

Brennen-ennen-ennen-ennen…

 

Shikamaru saß stocksteif da, die Augen hart zusammengepresst, als er versuchte, etwas jenseits des explodierenden Echos dieses letzten Wortes zu hören, das gegen sein Trommelfell schwappte und dem das hohe Schrillen seines Hirns folgte, das sich langsam wieder auf das Lachen im Hintergrund einstellte. 

 

Vage registrierte er, dass Tenten etwas durch den Raum rief. 

 

Als er ein Lid öffnete, stierte ihm Lees Daumen ins Gesicht. Schielend sah Shiakamru auf den gebogenen Finger und schob ihn mit dem Handrücken genervt beiseite, was seine Augäpfel dem Aufblitzen von Licht aussetzte, das von Lees Zähnen reflektierte. 

 

„Lee!“, quietschte Ino grinsend. „Du und Tenten habt es noch zum Dessert geschafft!“

 

Shikamaru ruckte schlagartig nach hinten, als sich Lee über ihn stürzte, um die Blondine zu erreichen und ihr ein Bouquet aus Blumen mit einer tiefen Verbeugung unter die Nase zu schieben. Mit einem Grunzen sackte Shikamaru auf seinen Ellbogen zusammen. 

 

Super…sie bekommt Blumen und ich ein verficktes durchlöchertes Trommelfell…

 

Energisch drückte er einen Finger gegen das Gelenk seines Kieferknochens und bewegte ihn gegen das Schrillen in seinem Ohr. Er hielt jedoch inne, als Narutos Schrei wie eine Sirene erscholl und hoch und tief wogte wie eine sich verändernde Schallwelle, als er sich wie ein Wahnsinniger durch den Raum duckte.

 

„NEEEEIIIIN!“

 

„Naruto, was zur Hölle ist dein Prob-!“ Kiba brach mit einem hysterischen Auflachen ab und stieß mit einem Finger in Richtung des orangenen Farbflecks, der hinter dem Uzumaki her schwirrte wie eine übergroße Wespe. „Ach du Scheiße, ich glaub’s nicht! Es ist deine TURTELTAUBE!“

 

„NIMM IHN WEG!“

 

Sprachlos ließ Shikamaru seine Hand von seinem Kiefer fallen und seine Augen flogen weit auf. „Wie um alles in der Welt…?“

 

Abrupt sank ihm sein Magen bis in die Kniekehlen und seine Brust zog sich krampfhaft zusammen, als seine Aufmerksamkeit zur Tür schnellte. 

 

Sein Blick traf sich mit einem Paar Augen, das er ganz sicher nicht erwartet hatte. 

 

Doch es waren nicht die mondsteinhaften Seen, die seine Träume heimsuchten. Nein, diese Augen waren grau und schmäler und schimmerten mit unterdrückter Belustigung. 

 

„Was ist los mit dir?“, fragte Temari und spähte über ihre Schulter. 

 

Shikamaru blinzelte hart, während sich seine Lungen wie Blei anfühlten. 

 

Fuck, reiß dich zusammen…

 

Seine Brust verkrampfte sich und die Luft verließ ihn in einer heftigen Woge; taumelte mit einem leisen Beben von seinen Lippen. Hektisch suchte sein Verstand nach einem Weg, sich zu erholen. Glücklicherweise sah er überrascht genug aus, um von dem abzulenken, was seine Gesichtszüge gezeigt hatten, bevor er realisiert hatte, dass es nicht ein blassäugiges Phantom aus seinen Träumen war, das ihn ansah. 

 

Sofort rutschte seine blasierte Maske wieder an ihren Platz. 

 

Er sackte in seinem Stuhl zusammen und nahm eine schräge lümmelnde Pose ein. Er brachte sogar ein schiefes Grinsen zustande, während er den Kopf schüttelte und über Temaris Schulter spähte. „Du machst Witze, oder?“

 

Der Rotschopf schmunzelte auf der anderen Seite des Raumes und hob eine Hand. „Immer froh, die Pointe zu sein, Nara.“

 

Weiter den Tisch hinunter verschluckten sich sowohl Sakura als auch Ino zur selben Zeit an ihren Getränken – aber aus vollkommen unterschiedlichen Gründen. 

 

„Hallo Frischfleisch.“, schnurrte Ino leise und beäugte das Muskelprotein, das sich ihr zeigte. 

 

Shikamarus Miene verfinsterte sich und ohne den Kopf zu drehen, warf er ihr einen warnenden Blick zu. „Ino…“, knurrte er. 

 

Mit einem Peitschen flachsfarbener Strähnen neigte Ino eine Schulter und wiegte den Kopf, um die schlanke Kurve ihres Hasles und ihrer Schulter zu offenbaren. Shikamaru zog die Brauen zusammen und sah zu, wie ihr Blick über den sich nähernden Rotschopf wanderte, als wäre der Kerl irgendein Preispferd, das sie mit ihren Reizen aufsatteln und zu einem Ritt mitnehmen wollte. 

 

Dieser Scheiß muss echt aufhören…

 

Shikamaru funkelte sie wütend an, winkelte das Bein an und trat sie heftig unter dem Tisch. „Werd erwachsen.“

 

„Autsch!“, zischte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen, doch das Lächeln blieb unerschütterlich auf ihrem Gesicht festzementiert. „Mistkerl.“

 

Sie drehte sich kaum merklich, hob das Knie und rammte den Absatz ihres Schuhs mit all der sadistischen Kraft eines Vorschlaghammers auf seinen Fuß. 

 

Wie eine Gewehrkugel schoss der Schmerz Shikamarus Rist hinauf. 

 

Er zuckte heftig zusammen und die Sehnen in seiner Kehle zogen sich gegen ein Aufjaulen straff. 

 

Verfickt nochmal, gottverdammt, AU!

 

Mit zuckenden Augen und verkrampftem Kiefer setzte Shikamaru so ruhig wie möglich seinen Ellbogen auf dem Tisch ab und presste sich eine Faust gegen den Mund, bis seine Knöchel weiß hervor traten. Ino kicherte, als er ein angespanntes schmerzerfülltes Stöhnen gegen seine Hand hauchte und gleich darauf scharf die Luft einsog, um seine Reaktion unter Kontrolle zu halten. 

 

„Geschieht dir ganz recht, Idiot. Ich hoffe, dass es ordentlich weh tut.“

 

„Das wird es, wenn ich überhaupt wieder etwas fühlen kann.“, knurrte Shikamaru leise. 

 

Temari spähte zu Shikamaru, als Hibari zu ihm hinüber schritt. „Nach deinem qualvollen Gesichtsausdruck zu urteilen, gehe ich davon aus, dass du mit diesem rücksichtslosen Hitzkopf bekannt bist?“

 

Shikamaru wunderte sich über den verächtlichen Blick, mit dem sie Hibari bedachte, der aber an dem Rotschopf abzuprallen und direkt zu ihr zurückzukehren schien. „So wie du.“, bemerkte Shikamaru amüsiert trotz seines verkrüppelten Fußes.

 

Ich kann ihn nichtmal spüren…das kann nicht gut sein…

 

Rasch spähte er unter den Tisch und versuchte, seine Zehen zu bewegen. Akamaru beobachtete ihn interessiert und wedelte mit dem Schwanz, während er mitfühlend fiepte. 

 

Der Schattenninja richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf Hibari. 

 

„Tsubasa.“, grüßte Temari knapp. 

 

„Kinderschänderin.“, erwiderte Hibari und neigte seinen Oberkörper in einer spöttischen Verbeugung. 

 

Shikamaru sah zwischen beiden hin und her, setzte sich dann weiter nach vorn und richtete sich ein wenig auf, um zur selben Zeit wie Hibari einen Arm auszustrecken, sodass sie sich über Temaris Kopf hinweg die Hand schütteln konnten. 

 

„Schön, dich zu sehen.“

 

„Ebenfalls.“

 

„Du hast einen Freund mitgebracht?“ Shikamaru spähte zu dem Vogel, der mit Naruto kämpfte, während der Uzumaki versuchte, den Schnabel mit seinen Essstäbchen einzugittern. 

 

„Konnte nicht widerstehen.“

 

„Du bist hier wegen der Verhandlungen, huh?“

 

Hibari nickte. „Das ist der eine Plan. Vielleicht habe ich auch noch einen weiteren in der Arbeit.“

 

„Klar.“ Shikamaru hob eine mentale Braue, doch als Hibaris Aufmerksamkeit über den Tisch wanderte, wusste er bereits, wonach der Tsubasa suchte.

 

Der Mann war auf einer beabsichtigten Jagd; selbst dann, als er bekannte Gesichter grüßte. Und Shikamaru erkannte die exakte Sekunde, in der Hibari seine Beute in die Enge getrieben hatte, denn Sakura lief knallrot an, verschränkte die Arme vor der Brust und schwankte zwischen einem finsteren Blick und einem aufgebrachten Schnauben. 

 

Hibaris Schmunzeln erreichte seine Augen. 

 

Und dann kam der desaströse Moment, den Shikamaru vorausgeahnt hatte. 

 

Ino runzelte angesichts der mangelnden Aufmerksamkeit, die ihr zuteil wurde, die Stirn und folgte Hibari Blick – direkt zu Sakura. 

 

Die Blondine wurde vollkommen still auf ihrem Stuhl. 

 

Shit.

 

Shikamaru seufzte und rieb seine Brauen mit Daumen und Zeigefinger. 

 

Das wird eine lange lange Nacht…

 

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Hach ja, eins meiner absoluten Lieblingskapitel in dieser Geschichte :D Shikamaru muss auf jeden Fall einiges mitmachen und Temari schont ihn wirklich kein bisschen ;) 

Hihi, ja was soll ich da noch viel dazu sagen?? Ich hoffe sehr, dass euch das Kapitel gefallen hat und würde mich natürlich wie immer enorm über Meinungen und Kommentare freuen! <3
 

Vielen Dank wie immer an alle meine Reviewer/innen und Leser/innen! <3

Something's lurking in the shadows

Wenn es um Überraschungen ging, dann gab es bei Geburtstagen eine Faustregel.

 

Die Regel war simpel; erwarte das Unerwartete. 

 

Für Shikamaru waren unvorhergesehene Gesellschaft und ungewollte Gesprächsthemen nur zwei Beispiele auf einer langen Liste, die zu einer langen Nacht gehörten. Und tatsächlich hatte er sich inzwischen mit einer noch simpleren Logik abgefunden. 

 

Erwarte und akzeptiere das Unerwartete. 

 

Das konnte er auch tun und akzeptieren, denn diese unerwarteten Dinge waren ohnehin schon außer Kontrolle. Allerdings hatte er auf keinen Fall damit gerechnet, von etwas überrumpelt zu werden, das er immer unter strengster Beobachtung hielt. 

 

Seinem Verstand. 

 

Und der unerwartete Ausrutscher passierte so schnell, dass er es verpasste, etwas dagegen zu unternehmen. 

 

Er war gerade mitten dabei, Kiba und Naruto zuzuhören, wie sie Temari und Ino mit einer übertriebenen Version ihrer Mission nach Hanegakure unterhielten, als ihn die Veränderung schlagartig erfasste. 

 

Normalerweise schaffte er es immer noch zur rechten Zeit, sich zu fangen. 

 

Normalerweise hätte er auf seinem mentalen Radar ein warnendes ‚Ping‘ bemerkt und sofort seine psychologischen Grenzmauern hochgezogen, bevor die Angst in eine physische Reaktion ausbrechen konnte. 

 

Normalerweise würde die Angst von den Barrikaden in seinem Verstand abprallen und zurück geschleudert werden in die Schatten seines Unterbewusstseins. 

 

Er hatte es immer rechtzeitig erwischt; jedes Mal. 

 

Aber diesmal nicht. 
 

Es traf ihn wie eine Woge aus kaltem Schweiß in seinem Inneren. Und dann hämmerte sich sein Herzschlag so heftig in seine Kehle, dass er vollkommen erstarrte.

 

Was zur Hölle?

 

Shikamaru blinzelte hart und versuchte, sich auf das zu konzentrieren, was Kiba sagte. Energisch stierte er auf den Mund des Hundeninjas, um zu versuchen, irgendwie den Worten folgen zu können, doch ein weiterer eisiger Blitz durchzuckte ihn und zwang ihn dazu, seine Position zu verändern. So langsam wie möglich richtete er sich auf und senkte eine Hand auf seinen Schenkel; brutal packte sie zu. 

 

Seine Handflächen schwitzten.

 

Das ist verrückt…beruhig dich…

 

Shikamaru schluckte schwer. 

 

„Also hat Shikamaru diesen vollkommen abartig gestörten Plan zusammengestöpselt.“, erklärte Kiba den Mädels und ging geradezu darin auf, die Intensität der Mission auszuschmücken. „Und der war definitiv dazu gedacht, mein Gesicht neu anzuordnen.“

 

„Jo, Kiba hat in etwa fünfmal Nasenbluten bekommen, das Weichei.“, fügte Naruto hinzu und stopfte sich den Mund mit Dangos voll. 

 

„Oh halt die Klappe, ich musste mich durch Stein bohren. Alles, was du tun musstest, war herumzurennen wie ein Spatzenhirn mit deinen kleinen orangenen Kumpels – und ich rede nicht von deinen Schattendoppelgängern.“

 

„Ich habe mehr Ärsche aufgerissen als du.“

 

„Blödsinn. Shikamaru, unterstütz mich mal!“, flehte Kiba, sah aber kaum zu ihm herüber, da er davon ausging, die volle Aufmerksamkeit des Schattenninjas zu haben. 

 

„Jo…“, antwortete Shikamaru unbewusst, während er versuchte, sein Hirn wieder in richtige Bahnen zu lenken, um seinen Körper kontrollieren zu können. 

 

Beruhige dich. Atme.

 

„Also bei der ganzen Sache ging es um Gedankenübertragung.“, schaltete sich Ino ein, doch ihr Blick war stur auf Sakura und Hibari fixiert. Ihre blauen Augen waren kälter als die einer Wölfin, als sie beobachtete, wie der Rotschopf spielerische Drohungen aus ihrer pinkhaarigen Rivalin heraus kitzelte. 

 

„Scheiße ja, die ganze Sache.“, stimmte Naruto mit vollem Mund zu. „Aber sie haben auch noch Kinder gebrandmarkt und lauter so Zeug, es war echt ziemlich krank.“

 

Die Unterhaltung setzte sich fort und Shikamaru blinzelte abgelenkt von dem Dialog und war sich dabei schmerzhaft bewusst, dass sich sein Mund trockener anfühlte als eine Sanddüne. Seine Zunge war nichts weiter als ein nutzloser, dicker Wattebausch. Seine Lippen fühlten sich ausgedörrt genug an, um aufzuplatzen, sollte er sie bewegen. 

 

Er dachte daran, sich Wasser zu besorgen, nur um festzustellen, dass er das bereits getan hatte. 

 

Seine Finger krümmten sich so hart um das Glas, dass die Sehnen in seiner Hand straff gezogen waren und blass hervortraten; seine Fingerspitzen erbleichten unter der heftigen Umklammerung. 

 

Seine Augen weiteten sich ein Stück und alarmiert stockte ihm der Atem. 

 

Sein steif ausgestreckter Arm und seine Hand sahen aus, als gehörten sie zu einer Leiche, bei der bereits die Totenstarre eingesetzt hatte. 

 

Fuck…wie?

 

Kondenswasser perlte von dem Glas und tropfte kälter als sein Schweiß über aschfarbene Finger. Mit enormer Anstrengung schaffte es Shikamaru, seine Finger zu bewegen. Das Zucken durchbrach die Spannung in seinem Arm und löste ein Beben aus, das sich schlagartig in einen neuen Adrenalinrausch verwandelte und das Brüllen seines Pulses noch mehr in die Höhe schießen ließ. 

 

Abgehackt sog er einen verkrampften Atemzug ein. 

 

Ihm gegenüber lehnte Temari ihre Wange in eine Hand und streichelte ihr Ohrläppchen zwischen Daumen und Zeigefinger mit einem subtilen Blick in seine Richtung; Petrolaugen verengten sich fragend. 

 

Vollkommen ahnungslos davon nahm Shikamaru einen großen Schluck Wasser und die Muskeln seiner Kehle arbeiteten schwer, als er ein weiteres Mal hart durch die Nase einatmete. Der scharfe Klang wurde von Narutos Stimme ertränkt, die über etwas lachte, das vollkommen an Shikamaru vorüber gegangen war. Langsam setzte er das Glas ab und verkrampfte erneut seine Finger darum. 

 

Das ist so bescheuert…ich werde nicht angegriffen…ich bin nicht in Gefahr…atme…

 

Doch diese Logik schaffte es nicht, den immer weiter ansteigenden Druck in seinem Kopf zu durchdringen. 

 

Temari beobachtete ihn und drehte sich ein wenig weiter auf ihrem Stuhl; bedacht darauf, keine Aufmerksamkeit bei den anderen zu erregen. 

 

„Shikamaru.“ Sie senkte ihre Stimme, um sie ihrem milden Ausdruck von Besorgnis anzupassen. 

 

„Entspann dich.“, erwiderte er rau und seine Stimme war ein heiseres Krächzen, als er sich auf die Füße hochstemmte, um sich so beiläufig wie er es fertig brachte um den Tisch herum zu schieben. 

 

Sieh zu, dass du hier raus kommst. Beweg dich.

 

Das Brummen der Unterhaltung und der sanfte Strom von Musik schienen sich in seinem Hinterkopf zu einem weit entfernten Summen zu distanzieren; ertränkt von dem Brüllen seines Pulses und jeder Herzschlag wurde durch seine rapiden Schritte zur Toilette verstärkt. 

 

Das ist verfickt nochmal bescheuert…ich weiß, was das hier ist…

 

Seine Logik hatte unmittelbar den Grund identifiziert.

 

Beklemmung – Angst. 

 

Normalerweise war die Heilung dafür simpel; er neutralisierte das Problem, indem er seinen Fokus auf etwas anderes richtete. 

 

Dämlich simpel. 

 

Also warum VERFICKT nochmal funktioniert es nicht?

 

Er donnerte die Tür zur Männertoilette auf und bewegte sich direkt auf das Waschbecken zu. Seine Finger bewegten sich hektisch, um das kalte Wasser aufzudrehen. Tief beugte er den Kopf und ließ den kalten Strom über seine Lippen fließen, bevor er das eisige Nass mit den Handflächen auffing, um damit seinen Nacken zu benetzen und hart über die Haut zu reiben. 

 

Atme. Entspann dich. Konzentrier dich. Beruhig dich.

 

Er wusste, wie er das tun musste. Gemessen an der Menge an Übung, die er inzwischen darin hatte, hätte er es bis jetzt eigentlich perfektionieren müssen. Starr stierte er hinunter auf das Wasser, das wirbelnd im Abfluss verschwand und bespritzte sich die Stirn mit dem Nass, um die kühlen Tropfen die scharfen Konturen seines Gesichtes hinunter rinnen zu lassen, als er den Kopf in den Nacken legte. 

 

Ein bebendes Lachen verfing sich angesichts dieser Absurdität in seiner Kehle.

 

So bescheuert…

 

Heftig packte er die Kanten des Waschbeckens, ließ mit einem zitternden Seufzen den Kopf hängen, nahm tiefe Atemzüge und hielt sie, bis er bis fünf gezählt hatte, während er versuchte, seinen Herzschlag wieder unter Kontrolle zu bringen. 

 

Wer hätte gedacht, dass ich derjenige bin, der sich ans Atmen erinnern muss…nach allem, was ich zu dir gesagt habe, was du tun sollst…

 

Er schüttelte langsam den Kopf über diesen Gedanken und versuchte verzweifelt, sich von der Erinnerung an diese blassen, opaleszenten Augen zu lösen, die in Panik und Schmerz zuckten. Bedächtig blinzelte er und starrte stattdessen sein Spiegelbild an. 

 

Scheiße. Ich muss schlafen…

 

Die dunklen Flecken unter seinen Augen erschienen in dem gedämpften Licht noch ausgeprägter und die mageren Schatten unter seinen Wangen noch schwärzer. Er beugte sich vor, bis er fühlte, wie sein Atem das Glas benebelte und sich warm über den Spiegel ausbreitete. 

 

Atme…langsam…

 

Ganz langsam – nach und nach, begann sein Körper darauf anzusprechen. Das Adrenalin und Herzrasen beruhigten sich zu einem krampfhaften Pochen an der Basis seiner Kehle. Und ein paar Atemzüge später fand das nervöse, Übelkeit erregende Flattern in seinem Brustbein wieder zurück zu einem beständigen Schlag. 

 

Mit einem Seufzen presste er seine Stirn gegen den Spiegel. „Scheiße…“

 

Und während sich sein Körper beruhigte – raste sein Verstand. 

 

Es musste der Schlafmangel gewesen sein, der das letztendlich ausgelöst hatte. Erschöpfung führte immer zu verschwommenen Einbrüchen in seinen mentalen Grenzkontrollen. Gedanken schlüpften ungewollt über die Linie und die Reaktion darauf ging los, bevor er es aufhalten konnte.

 

Das muss es sein…aber was zur Hölle hat das ausgelöst?

 

Soweit es seinen bewussten Verstand betraf, hatte er sich auf Kiba und Naruto fixiert; es war ihm gar nicht klar gewesen, dass seine Gedanken abdrifteten. Zugegeben; dass Temari die Chūninprüfungen und die Daimyōs zur Sprache gebracht hatte, war auf keinen Fall hilfreich gewesen, aber inzwischen hätte er über solche Reaktionen die Kontrolle haben müssen. Seit dieser dämlichen betrunkenen Eskapade hatte er seinen Verstand bis zur Ähnlichkeit eines Katanas geschliffen, wenn es darum ging, ungewollte Gedanken und Erinnerungen zu zerschneiden. 

 

Doch ganz offensichtlich hatte Müdigkeit die Klinge abgestumpft.

 

Ich habe einfach nur viel zu wenig Schlaf…das ist alles…es bedeutet überhaupt nichts…

 

Es war schließlich nicht so, dass die Vergangenheit jetzt passierte. 

 

Begib dich nicht dorthin. Bleib hier.

 

Energisch nickte er ein einziges Mal, um sich zu bestätigen, dass er an dieser Schlussfolgerung festhielt, zog seinen Kopf von dem Spiegel zurück und starrte sich selbst ins Gesicht. Das tiefe, dunkle Sienna seiner Augen stierte zurück zu ihm und die Pupillen schrumpften und wuchsen in dem dämmrigen Licht. Schatten schienen lauernd durch seinen Iriden zu schleichen. 

 

Er blinzelte langsam und schirmte seinen Blick ab. 

 

Und dann sprach er zu einem Teil seines Selbs, dem er sich seit zwei Jahren nicht mehr zugewandt hatte. 

 

Du gehörst in die Schatten. Bleib dort.

 
 

~❃~
 

 

Sie weinte nicht, aber Neji bemerkte die Tränen dennoch. 

 

Sie waren direkt unter der Oberfläche ihrer Opalaugen; ein feuchter Schleier wie Wasser hinter Glas. 

 

„Schau nach oben.“, wies er sie sanft an. 

 

Hanabi hob das Kinn und schniefte gegen das Stechen in ihrer Nase. „Ich brauche dein Mitleid nicht.“

 

Neji ignorierte das gereizte Schnappen und richtete seine Aufmerksamkeit auf die Verletzung auf dem Kiefer und Hals seiner jüngeren Cousine. Zum Glück hatte sie es geschafft, einer Verbrennung dritten Grades zu entgehen. Die Haut war nicht geschwärzt oder aufgeplatzt, doch an der Unterseite ihres Kiefers hatten sich Blasen gebildet. 

 

Hätte Hinata nicht so eine hervorragende Chakrakontrolle, dann hätte das richtig übel ausgehen können. 

 

Neji drehte den Deckel von dem Salbentigel und der Geruch von Aloe erfüllte die kühle Luft. Hanabi wand sich unruhig auf dem Rand der Veranda und grub ihre Zehen in den Staub, der sich um den Innenhof gelegt hatte. 

 

Wachsam beäugte sie ihn, als er seine Hocke veränderte. „Sie hat dir vergeben, was du ihr als Genin angetan hast.“

 

Während er sich auf ein Knie niederließ, um die Balance halten zu können, legte Neji das Döschen beiseite und rieb die Salbe über seinen Daumen. „Deine Schwester hat einen Namen.“

 

„Erwartest du von mir, dass ich ihr vergebe so wie sie dir?“, verlangte Hanabi zu wissen. Ihr Ton nahm eine Kante an, die sich wie ein Senbon durch das Gewissen des Jōnins stach. 

 

„Ich erwarte überhaupt nichts.“, erwiderte Neji neutral und legte einen Finger unter ihr Kinn, um es etwas höher zu eben. „Halt still.“

 

Zaghaft strich er den Aloebalsam über die Blasen und ignorierte ihr unbehagliches Zischen. Mit voller Konzentration examinierte er die Haut im Licht der Laternen, die um den Hof verteilt waren und verschwommene Schatten in einen wabernden Tanz warfen. 

 

Das Zwielicht hatte angefangen, schwärzer zu werden; es passte zu Hanabis düsterem Gesichtsausdruck, als sie ihn musterte. 

 

„Ich werde nicht auch zu einem Zweighaustier werden.“, spiel sie aus. 

 

Nejis Daumen hielt mitten in der Bewegung an ihrer Kehle inne. Und als er auf die blasse dünne Säule ihres Halses starrte, realisierte er, wie beängstigend einfach es wäre, ihn in einer einzigen Bewegung zu brechen. 

 

„Wenn du mir etwas zu sagen hast, dann sprich gerade heraus.“, erwiderte Neji mit zielsicher ruhigen Tönen. „Du bist wütend, weil ich mit Hinata-sama trainiert habe.“

 

Hanabi packte sein Handgelenk. Ihre kleinen Finger spannten sich an, schafften es aber nicht ansatzweise, ihm Unbehagen oder gar Schmerzen zuzufügen. „Sie hat mir das angetan. Und du hast ihr beigebracht, wie.“

 

Neji rollte sein Handgelenk und die subtile Bewegung war scharf genug, um ihre Umklammerung an ihm zu durchbrechen. Hanabi zog ruckartig die Hand zurück und krallte sie stattdessen in den Pfosten neben sich; ihre Nägel gruben sich tief in das Holz. Er konnte sich gut vorstellen, dass sie diese Nägel lieber in seiner Haut versenkt hätte, ihm die Augen auskratzen und ihren Schmerz heraus fauchen wollte.

 

„Du hast es sie gelehrt.“, zischte Hanabi erneut. 

 

„Ja.“, gestand Neji und beugte sich zur Seite, um den Deckel wieder auf die Salbendose zu drehen. „Und was hat Hiashi-sama dir beigebracht?“

 

„Das ist es also, Cousin? Du bemitleidest sie, weil Vater mich statt sie trainiert?“, warf Hanabi ihm vor und drückte ihre Zehen noch tiefer in den Staub. „Du wirst ihr zeigen, wie sie mich besiegen kann, weil Vater mich über sie gestellt hat?“

 

„Nein.“

 

Warum dann?“, fauchte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen. „Wenn ich zuerst geboren worden wäre; hätte es dann irgendeinen Unterschied gemacht?“

 

Neji schloss mit einem festen Schnappen die Augen. 

 

Verdammt seien diese Worte und ihre Fähigkeit, sich in ihn zu graben wie Fangzähne durch Haut, die er normalerweise zäh hielt, statt sich zu verstecken. Er hatte die Ränder seiner Maske verhärtet, doch der Schutz um sein Herz brauchte deutlich länger, um sich wieder aufzurichten; gemessen daran, wer es vor Wochen geschafft hatte, all seine Defensiven kollabieren zu lassen. 

 

Nicht jetzt.

 

Neji atmete bedächtig ein, bevor er die Lider hob. „Einen Unterschied zu machen ist der Grund, aus dem ich es tue.“

 

„Du kannst überhaupt nichts ändern!“, grollte Hanabi und eine stechende Verachtung versuchte das Zittern in ihrer Stimme zu verbergen. „Wie kannst du nur, Niisan? Wie kann sie? Der Stärkste gewinnt!“ Hanabi kam ruckartig vor ihm auf die Beine und Staub wirbelte um ihre Knöchel, als sie die Hände zu Fäusten ballte. „Und der Schwächste wird als wertlos gebrandmarkt werden! Wertlos und ungewollt!“

 

Neji sah zu ihr auf und gewährte ihr diesen kleinen Vorteil der Höhe. Sie keuchte heftig gegen das Gewicht der Emotionen, die sich wässrig und wild in ihren Augen hielten. Ihr Zorn inszenierte deutlich wie eine Marionette ihre Bewegungen. 

 

„Es kümmert dich nicht, was mit mir passiert! Warum sollte es auch?“

 

„Das ist nicht wahr.“

 

„Doch das ist es! Schön dann geh und trainiere sie! Ich brauche keinen Beschützer. Ich werde aus eigener Kraft stärker werden!“

 

„Hanabi…“

 

„Denn ich werde nicht von Vater weggeworfen werden! Ich werde nicht enteignet werden!“ Tränen rollten wie winzige Diamanten über ihre Wanken und nahmen im Licht der Laternen die Farbe von Bernstein an. „Das werde ich nicht…ich werde nicht…

 

Ruhig sah Neji nach oben und zwang ihren Zorn mit Schweigen und Geduld zu einer unterwürfigen Pause. Er wartete, bis der Klang ihres aufgewühlten Keuchens begann, ruckartig aus ihrer Kehle zu brechen. Und es war dieses Geräusch, das ihn wortlos auf die Füße zog; ein Kräuseln weißer Roben und Schatten. 

 

Hanabi starrte mit schimmernden Seen zu ihm hoch. „Ich werde nicht weggeworfen werden…ich werde nicht zulassen, dass mich Vater zurücklässt.“

 

Neji neigte den Kopf leicht zur Seite und etwas, das stärker und älter war als Kummer und Traurigkeit, lag schwer in den Tiefen seiner Augen und senkte seine Stimme zu einem rauen Rollen in seiner Kehle. „Du wirst nicht zurückgelassen.“

 

„Lügner!“ Sie schüttelte den Kopf und schleuderte dabei Tränen zu allen Seiten, doch eine Grimasse verriet ihre Angst. „Eine von uns wird beiseite geworfen werden und es gibt nichts, was du dagegen tun kannst! Du kannst mich nicht beschützen!“

 

Ein Muskel zuckte in Nejis Kiefer, während seine Augen über sie wanderten, als würde er eine zersplitterte Reflexion seines Selbst betrachten. Sofort erkannte er darin eine Scherbe seiner Vergangenheit, die noch immer tief und blutig in seiner Brust vergraben war. Eins dieser vielen Fragmente, in die er vor zwei Wochen zerbrochen war. 

 

Er kannte den Ausdruck in Hanabis Augen.

 

Er kannte ihre Angst, ihren Frust und das qualvolle Gefühl von Vergeblichkeit und Schicksal. Er wusste genau, was diese Dinge taten. Wie sie sich zu einer Faust aus Emotionen zusammenballten, die mit jedem unterdrückten Zusammenziehen immer wilder und härter wurde. Und mehr als das kannte er die Art von Raserei, die aus diesen gefährlichen Gefühlen geboren werden konnte. 

 

Und deswegen kann ich dich nicht trainieren…ich würde dich in etwas verwandeln, das noch schlimmer wäre als alles, was ich selbst zugelassen habe zu werden…

 

Wenn er Hinata schon beinahe in seinem Zorn umgebracht hätte, dann war der Gedanke an das, was Hanabi ihrer Schwester wahrscheinlich während eines Kampfes um das Recht zu existieren und zu überleben antun würde, tief verstörend. 

 

Ich verstehe dich viel besser, als du denkst.

 

„Ich werde dich beschützen.“, sagte er leise. 

 

Hanabis Beine drückten sich durch, um sich davon abzuhalten, einzuknicken und ihre Fäuste wurden noch verkrampfter, als sie sie näher an ihre Seiten zog. „Du kannst die Dinge nicht ändern…“, wiederholte sie wispernd. „Du kannst es nicht besser machen. Du kannst uns nicht beide beschützen.“

 

Neji starrte auf ihre zitternden Fäuste und ein flüchtiger Schmerz stahl sich durch seine Augen; verloren hinter dem härteren Blick, der ihn ersetzte. „Ich kann es versuchen.“

 
 

~❃~
 

 
 

Der Kuchen war nicht die Wolke, die Shikamaru erwartet hatte. 

 

Es war ein Hirschbock und eine Rose. 

 

Hinata hatte die Präsentation des Kuchens bis zur ästhetischen Perfektion gestaltet; jedes einzelne Detail von dem Geweih des Hirsches bis hin zu den Dornen der Rose. Jede Einzelheit war ausdrucksstark und ließ Shikamaru glauben, dass sie irgendeine Art kulinarischer Berufung in ihren Karten hatte. Sie hatte das Design des Kuchens an den Affinitäten des Nara und der Yamanaka ausgerichtet. Sogar Inos Vorliebe für die Farbe Lila hatte sie durch eine Schleife fliederfarbenen Bandes am Ende des Kuchens bedacht. 

 

Es war beinahe tragisch, das verdammte Ding anzuschneiden. 

 

Doch nachdem die Kerzen ausgeblasen und der Kuchen aufgeteilt war, stürzten sich alle mit Begeisterung darauf. Shikamaru täuschte halbwegs erfolgreich Appetit vor, da er Hinatas Aufwand nicht beleidigen wollte; was gottverdammt viel mehr war als das, was er investiert hätte, wenn es darum ging, seine gastronomischen Fähigkeiten über das Kochen von Tee hinaus auszudehnen. 

 

„Frauen gehören in die Küche, hmn?“, neckte Temari ihn und knabberte an einer der Blütenblätter des Kuchens. 

 

„Ganz genau.“, erwiderte Shikamaru und stieg in das vertraute sexistische Geplänkel ein. Es war weitaus besser, als die scharfen Blicke, die Temari ihm zugeworfen hatte, seit er sich wieder auf seinem Hintern niedergelassen hatte. 

 

Und dankbarerweise hatte sich der Raum durch rote Lampen und flackernde Kerzen zu einem rauchigen Malventon verdunkelt. Es sorgte dafür, dass Gesichtsausdrücke in dem trügerischen Schein und den Schatten schwer zu lesen waren. Noch immer schwebte Musik aus dem Hintergrund herbei. Sanft und gemütlich mischten sich die lockeren Töne in die Stimmung. 

 

Ein Aufblitzen von Blond zog Shikamarus Aufmerksamkeit zur Seite, als Ino ihren Drink hinunter kippte und ihre Füße unter sich zog. Offensichtlich hatte sie ihre bösartigen Hacken ausgezogen. „Shikamaru…“

 

„Mn?“ Der Nara sah zu ihr hinüber und strich sich mit einem Daumen über den Mundwinkel, um eine Schokoflocke aufzufangen.

 

„Was hast du dir gewünscht?“

 

„Was?“

 

„Gewünscht.“, wiederholte Ino und zerteilte ihren Kuchen mit der Kante ihrer Gabel auf eine chaotische und unkoordinierte Weise, die irgendwie verstörend bei einer Medic-Nin wirkte. „Als du die Kerzen ausgeblasen hast.“

 

Shikamaru beobachtete, wie sie ihren Kuchen vergewaltigte und hob eine Braue. „Dein Ernst?“

 

Ino legte ihre Gabel ab und sah ihn an. Sie lächelte nicht. 

 

Okay…

 

„Du solltest dir an deinem Geburtstag schon etwas wünschen.“, sagte sie ernst. 

 

„Was denn, steht das auch in deinem Buch?“ Shikamaru ruckte mit dem Kinn in Richtung des Sternzeichenbuches, das sich Chōji geschnappt hatte und zusammen mit Tenten durchblätterte. 

 

Augenrollend griff Ino nach ihrem Glas. Es war ein Getränk, das während Shikamarus Abwesenheit auf mysteriöse Weise erschienen war und von einem der Angestellten immer wieder aufgefüllt wurde, als würde Ino ihn immer wieder psychisch dafür heraufbeschwören.

 

„Schön, was auch immer. Dann wünsch dir eben nichts.“, sagte sie gereizt und wandte ihre Aufmerksamkeit von ihm ab und zu Lee, während sie einen weiteren großen Schluck nahm. 

 

Shikamaru hob eine Braue und spähte zu Temari, als könnte sie die unterschwelligen Gründe für diesen Stimmungsumschwung verstehen. 

 

Grinsend vollführte Temari mit der Hand eine Geste beiläufiger Abweisung. „Oh schau mich nicht so an. Du gräbst dir dein Grab schon selbst.“

 

„Jo, wenn du nicht diejenige bist, die die Schaufeln austeilt.“, konterte Shikamaru und ließ seine Zähne über die Gabel kratzen, um ein paar der Zartbitter Schokostückchen aufzufangen, die zwischen den Zinken hingen. 

 

Temaris Augen senkten sich zu seinem Mund, während sich ihr eigener an einer Ecke nach oben bog. „Du bist nicht der Einzige, der etwas Schmutziges anstellen kann.“ Sie zog das Wort ‚Schmutziges‘ bis zu einem rauen Schnurren lang. 

 

Kopfschüttelnd wandte Shikamaru den Blick ab. „Subtil.“

 

„Du auch.“, murmelte Temari und ihre seidenen Töne trugen eine wissende Kante in sich. 

 

Ohne zu ihr zurück zu sehen, richtete Shikamaru seine Aufmerksamkeit durch den Raum und beobachtete, wie die Schatten in den Ecken waberten. Langsam fuhr er mit der Zunge über seinen Gaumen und fing die Spuren geschmolzener Schokolade auf. 

 

Er genoss den bitteren Geschmack unter dem Zucker. 

 

Aus dem Augenwinkel bemerkte er, wie Temaris Haar schwankte, als sie den Kopf mit einem trockenen sinnlichen Kichern schüttelte. Das Geräusch zog seinen Fokus zu sich, doch bevor er das Wesen ihrer Belustigung ausfindig machen konnte, lehnte sie sich unter dem Vorwand nach vorn, sich noch ein weiteres Stück Kuchen zu nehmen. 

 

Die plötzliche Bewegung zwang Shikamaru dazu, sich nach hinten zu neigen, doch er schaffte es nicht, bevor ihr Atem über sein Ohr strich. „Du hältst mich nicht zum Narren.“

 

Shikamaru atmete ein raues leises Lachen aus und schaffte es kaum, das Aufschrillen eines Alarms zu kontrollieren, der den Ausdruck in seinen Augen bedrohte. Er lehnte auf seinem Stuhl zurück und die Hälfte seines Körpers verschmolz mit den Schatten, die sich über ihr Ende des Tisches legten. 

 

„Ich weiß nicht, wovon du sprichst.“

 

Temari zupfte eine der Reispapierdornen von der Kuchenrose, doch ihre Augen verweilten unbeirrt auf ihm. 

 

„Die ‚Sich dumm stellen‘-Karte auszuspielen steht dir nicht zu Gesicht.“

 

„Willst du, dass ich stattdessen etwas anderes ausspiele?“, erwiderte er kühl, doch seine Augen waren wärmer als seine Stimme. 

 

Temari feixte und ein Hauch von Überraschung erreichte ihre Augen. „Musst du nicht betrunken sein, um diese ‚Großer Junge‘-Spiele zu spielen, Shikamaru?“

 

„Ich höre niemals auf zu spielen.“ Er lehnte sich noch weiter nach hinten und stützte sich mit dem Handballen gegen die Kante des Tisches ab – bestätigte damit die solide Barriere zwischen ihnen. „Aber in diesem Fall ist das Spiel vorbei. Du hattest deine Heimzahlung.“

 

„Hatte ich das? Du musst dich immer noch entschuldigen.“

 

Seine Augen wurden dunkel. „Ich muss überhaupt nichts.“

 

Eine von Temaris Brauen wanderte nach oben, als sie ihn mit einem rasiermesserscharfen Blick ansah. „Du hältst mich nicht zum Narren.“, sagte sie schon wieder. 

 

„Danke für deine Besorgnis.“, erwiderte er gedehnt und Zorn biss sich in seine Stimme. „Und jetzt lass es gut sein.“

 

Sie bedachte ihn mit einem gerissenen Senken ihrer Wimpern; die Bewegungen subtil und ruhig genug, um Aufmerksamkeit zu erhaschen. Sie ließ ihre Finger über Gläser und Tassen wandern, um die Nähe zwischen ihnen als nichts weiter als das Absuchen des Tisches nach einem falsch abgestellten Getränk zu tarnen. 

 

„Es ist keine Besorgnis, Shikamaru.“

 

„Ach nein?“, murmelte Shikamaru und seine rauchige Stimme wurde vollkommen automatisch tiefer und dunkler, je länger sie den Augenkontakt aufrecht erhielten. „Na dann danke für die Warnung.“

 

Aufmerksam maß Temari den Abstand zwischen ihnen ab; wie eine Spielerin, die die Positionen auf einem Spielbrett prüfte. 

 

Und dann zog sie sich zurück; langsam – wie eine Katze, die - eine Schulter nach der anderen - nach hinten schlich.

 

Er wusste genau, dass es kein Rückzug war. 

 

Ihre Stimme wurde zu einem selbstgefälligen Schnurren. „Du schuldest mir immer noch einen Gefallen. Betrachte dasals deine Warnung, Nara.“

 

Sie ließ die Worte wie eine Herausforderung in der Luft hängen, ruckte mit einem Handgelenk und ließ ihre Nägel wie Blutstopfen aufglimmen. Die Reispapierdorne landete an seiner Hand wie das Abschiedsgeschenk eines Assassinen. Mit einem listigen Blick auf ihn erhob sie sich langsam auf die Füße. Und mit dem exotischen Schwung einer Tänzerin schlängelte sie sich um ihren Stuhl herum und verließ das Zimmer mit geschmeidigen, selbstsicheren Schritten.

 

Shikamaru sah zu, wie sie ging und seine tiefbraunen Augen zogen sich zu flackernden Schlitzen zusammen. 

 

In seinem Kiefer bewegte sich abgehackt ein Muskel. 

 

Beruhig dich…

 

Seine Finger zuckten gegen die Kante des Tisches. 

 

Beruhig dich.

 

Sie krümmten und bogen sich und ballten sich zu einer Faust. 

 

Scheiß drauf.

 

Er zerknüllte die Dorne in seiner Handfläche, schob sich auf die Beine und folgte ihr. 

 

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So, zwischendurch mal wieder ein etwas kürzeres Kapitel sorry ;) und auch sorry für den 'Cliffhanger' xD

Jaaa, da passiert was zwischen Temari und Shikamaru...nur WAS? und WIE VIEL? ;) Antworten darauf gibt's im nächsten Kapitel ;) 
 

Vielen vielen Dank wie immer an alle meine lieben Reviewer/innen und Leser/innen <3

 
 

 
 


 

Can't drag a shadow into the light

„Es wird passieren…ich kann es quasi vor mir sehen…in jedem bildlichen Detail…“

 

Kakashi besah sich den zusammengesackten Jōnin neben sich mit gut verborgener Belustigung und sein Hitai-ate fing das Glimmen von Asumas Feuerzeug auf, als der Sarutobi versuchte, die Flamme irgendwie mit seinem unkooperativen Daumen am Leben zu erhalten. 

 

„Wenn sie ein Mädchen bekommt“, verkündete Asuma jetzt bereits zum dritten Mal, „dann werden Menschen sterben…Köpfe…Köpfe werden rollen…und falls sie einen Jungen bekommt…dann wird er so enden wie ich…und das ist…oh Gott, das ist grauenvoll…“

 

„Ich habe schon auf diese verzögerte Reaktion gewartet.“, erwiderte Kakashi und streckte eine Hand aus, um Asuma das Feuerzeug aus den Fingern zu pflücken und die Zigarette seines Freundes anzuzünden. 

 

Der Aschenbecher quoll bereits mit Stummeln über und Ascheflocken übersäten den Tresen, von dem es der Barkeeper inzwischen aufgegeben hatte, ihn sauber zu wischen. Asuma befand sich gerade in einer kettenrauchenden Dauerschleife und seine Hand-zu-Aschenbecher Koordination war inzwischen schon etwas beeinträchtigt. Kakashis Maske trug nur wenig dazu bei, den Rauch zu filtern, doch dankbarerweise gewährte diese Wolke eine Blase undurchdringlicher Privatsphäre, in die sich nicht einmal der Wirt hinein wagen wollte. 
 

„Ich bin nicht verzögert…“, war Asumas verzögerte Antwort.

 

„Natürlich bist du das nicht.“

 

„Ich bin kalkuliert…“

 

„Natürlich bist du das.“

 

„Ich bin ein knallharter Typ.“

 

„Klar, der ‚härteste‘, den es gibt.“

 

„Ino ist siebzehn ab morgen.“

 

„Ja, das ist sie.“

 

„Ich bring den Scheißkerl um. Er hat sich voll gepisst.“

 

„Vielen Dank für diese wiederholte treffliche Erinnerung.“

 

„Trefflich…treffen…sie ist inzwischen alt genug, um sich mit jemandem zu treffen, weißt du.“

 

„Ich weiß.“

 

„Das ist nicht gut…“

 

Kakashi schmunzelte und war marginal beeindruckt von der Fähigkeit des Sarutobi, zeitgleich zu sprechen und dabei austauschbar etwas im Mund zu haben. 

 

Eine Zigarette oder eine Sakeflasche.

 

Asumas Plan, sowohl seine Leber, als auch seine Lungen zu zerstören, war in vollem Gange. Es hatte einige Drinks gebraucht, bevor sich die Zunge des Sarutobi genug gelockert hatte, um zumindest schonmal um das Thema herum zu schwafeln, das er immer noch direkt ansprechen musste. Und er spielte dieses Vermeidungsspiel noch eifriger, als er es seinem Schüler vor gerade mal zwei Wochen vorgeworfen hatte. 

 

Du hast vom Besten gelernt, Shikamaru.

 

Kakashi sah zu, wie Asuma den Kopf wegen nichts schüttelte und schmunzelte unter seiner Maske. 

 

Soweit es ihn betraf, hielt er sein Hirn alkoholfrei. Er hatte immer noch dasselbe Getränk in Händen, das er vor zwei Stunden bestellt hatte. 

 

„Du denkst, ich scherze, Hatake…aber…ich hätte den Bastard echt killen können.“

 

„Ich weiß.“, versicherte Kakashi ihm. Bedächtig schob er das Feuerzeug in Asumas Flakjacke und tätschelte die Tasche. „Ich hätte dir geholfen, seine Leiche zu verscharren.“

 

Asuma lachte laut auf und stach mit der Zigarette in Kakashis Richtung, wobei Asche über die ganze Theke regnete. „Du bist lustig, wenn du Scherze machst…“

 

„Das ist normalerweise auch Sinn und Zweck davon.“

 

„Weil du ein klugscheißerischer Typ bist…und ich bin ein knallharter Typ…gutes Team…“

 

„Da bin ich mir sicher.“

 

„Team Typ…Gai könnte der ‚Tritt in den Arsch‘ Typ sein.“, lachte Asuma und warf die Arme weit nach außen, während er den Blick durch die Bar schweifen ließ; eifrig nach neuen Rekruten für sein Team suchend. „Wir brauchen nur noch einen Vollpfosten Typ.“

 

Kakashi schüttelte den Kopf. „Trink noch weiter, Asuma und du degradierst dich selbst.“

 

„Der Klugscheißer Typ hat gesprochen.“ Asuma nickte feierlich und toastete der Luft mit seiner Zigarette statt seiner Flasche zu. Und dann – ebenso schnell, wie er sich aufgeplustert hatte – sackte er nach vorn auf den Tresen und seine Augen beschatteten sich. „Shikamaru…er ist so klug.“

 

Kakashi nickte und war über diese Willkürlichkeit amüsiert. „Ja, das ist er.“

 

„Ihn werde ich auch umbringen…“

 

Das brachte Kakashis Verstand allerdings sofort dazu, eine Vollbremsung zu vollführen und das alles nochmal zurückzuspulen. 

 

Der Kopierninja blinzelte. „Was?“

 

„Ich bring ihn um. Bring ihn mausetot um.“

 

„Shikamaru?“

 

„Nein!“ Asuma zog eine finstere Miene und schüttelte seinen Kopf nachdrücklich genug, um den Halt seiner Zigarette zu lösen. Hart presste er die Lippen aufeinander, bevor er knurrte: „Er ist der Grund, aus dem ich ihn umbringen werde.“

 

„Und wer soll dieser ‚ihn‘ sein?“

 

„Ich habe nicht den blassesten Schimmer.“, gestand Asuma seiner Flasche, die vor ihm stand und stierte sie mit einer wilden Konzentration an, die darauf schließen ließ, dass er durch sie hindurch auf die verzerrten Formen dahinter sah. „Der verdammte Bengel wollte es mir nicht sagen. Also sage ich jetzt dir, dass ich gottverdammt nochmal herausfinden werde, wer ‚Er‘ ist und dann werde ich ihn umbringen…“

 

Nun, Kakashis Verstand arbeitete zwar oft auf eine exzentrisch brillante Art und Weise und normalerweise hatte er keine Schwierigkeiten damit, lose Enden aufzunehmen und sie aneinander zu knüpfen. Aber Pronomen ohne irgendeine Zuschreibung waren eine gefährliche Sache; vor allem gemessen an der Tatsache, dass sie die Tendenz hatten, sich selbst an gesichtslose Menschen zu heften. Was wiederum oft zu einem hässlichen Knoten von Komplikationen führte. Und als jemand, der sich nie an irgendetwas festhielt, geschweige denn an Menschen oder Komplikationen, wusste Kakashi nicht, ob er diesen zusammengebrochenen Gedankengang wirklich fördern oder weiterverfolgen sollte. 

 

Er hat mich wegen meines Hirns hierher geschleppt, oder? Schätze mal, dass ich dann wohl Zugführer spielen muss, während er sich unter die Gleise säuft…

 

Schwer seufzend musterte Kakashi für einen Moment sein Glas, legte dann aber seine Handfläche flach darauf und schob es von sich fort. Einen klaren Kopf zu bewahren war bei solch einer instabilen Unterhaltung unerlässlich.

 

„Jemand hat Shikamaru etwas angetan?“, vermutete Kakashi. 

 

Asumas Miene verfinsterte sich noch mehr und sein Mund verkrampfte sich. „Ich weiß es nicht. Es ist wie das letzte Mal…Ich konnte rein gar nichts tun. Nutzlos. Wusste es nie…weil er nie auch nur ein Wort gesagt hat…“

 

„Das letzte Mal?“, forschte Kakashi vorsichtig weiter und drehte sich ein wenig in seinem Stuhl. 

 

„Das letzte Mal…“, echote Asuma mit zuckendem Kiefer. „Das hätte auch das letzte Mal bleiben sollen…aber da ist noch etwas anderes.“ Er legte die Hände flach auf den Tresen und seine Daumen berührten sich, bevor er die Handflächen auseinander schob. „Er zieht sich zurück…warum tun sie das? Ich kann sie nicht beschützen, wenn sie das tun. Sich so weit fort zu ziehen…das bedeutet, dass man sie zurück zerren muss…und wenn ich das nicht kann…Scheiße…“

 

Kakashi hätte in diesem Moment vermutlich an Sasuke gedacht, er hätte vielleicht sogar zugelassen, darüber nachzudenken, welche Rolle er dabei gespielt oder nicht gespielt hatte, den Uchiha von dem Pfad seiner Rache fort zu ziehen. Es hatte Gelegenheiten gegeben; unzählige Male hätte er es härter versuchen können. Unzählige Male hätte er in wahrer Kopierninja-Manier versuchen können, die Art von Bindung nachzuahmen, die Asuma zu jedem einzelnen seiner Schüler entwickelt hatte. 

 

Doch noch zahlreicher als diese unzähligen Gelegenheiten waren die zahllosen Erinnerungen daran, warum er es nicht konnte. 

 

Er hatte seine Chancen vor Jahren verloren. 

 

Langsam blinzelte er mit seinem grauen Auge und die kohlschwarzen Flecken darin schimmerten, als er seinen Blick zu dem schummrigen Licht der Bar hob und ihn die Reihe aus alternden Flaschen entlang wandern ließ. „Du machst dir immer noch Sorgen um Shikamaru.“

 

Kopfschüttelnd ließ Asuma ein bitteres Lachen hören. „Es hört nie auf…es packt mich immer noch…drei…zwei…seit zwei Jahren…“

 

„Zwei Jahre?“

 

„Zwei Jahre.“

 

„Es ist etwas passiert, als er fünfzehn war?“

 

„Und es packt mich immer noch…und jetzt packt es mich wieder mit voller Wucht…kapierst du das, huh? Es ist das reinste Chaos.“

 

Kakashi griff nun doch wieder nach seinem Glas und fuhr den Rand mit seinem Daumen nach, während er dem Sarutobi deutlich mehr Aufmerksamkeit schenkte, als es erschien. „Ich verstehe…“

 

Und er macht sich Sorgen darum, Vater zu werden…es gibt keinen Jōnin, der besser dazu geeignet ist als er…

 

Asuma tippte mit den Fingern gegen den Schnabel seiner Sakeflasche und umklammerte den Hals, um das Ende müßig über den Tisch rollen zu lassen. „Vielleicht bin ich nicht der Richtige dafür…“

 

„Für was genau?“

 

Asuma winkte mit seiner Hand herum. 

 

Kakashi folgte der Bewegung aus dem Augenwinkel und hob eine Braue. „Das erklärt natürlich alles.“

 

„Weißt du, diese Kids und Kurenai…sie sind meine zweite Chance.“

 

„Ja. Das hast du schon gesagt.“

 

„Glück. Ich bin ein glücklicher Bastard.“ Asumas Stirn legte sich in tiefe, brütende Falten. „Es ist zu gut, um wahr zu sein. Ich warte ständig auf die ausgleichende Schreckensnachricht.“

 

Kakashi summte leise angesichts dieses Geständnisses und spähte zu seinem Freund hinüber. Aufmerksam beobachtete er, wie Asuma die Flasche noch ein paar Mal drehte und ihm die Zigarette von einem Mundwinkel hing. 

 

„Du warst immer ein Kind wie nach dem Lehrbuch.“, fügte der Jōnin zusammenhanglos hinzu. „Also ich spreche natürlich von Prä-Pornobüchern.“

 

„Ich habe die Regeln befolgt, wenn es das ist, was du meinst.“, gab Kakashi zu und strich mit dem Daumen über das feuchte Glas in seiner Hand, während er auf nähere Erklärungen wartete. 

 

„Ja. Ein gutes Kind, richtig?“ Prekär schob Asuma die Flasche zurück auf Position und atmete mit einem Schnauben Rauch aus. „Gott, ich war so ein dämliches Kind…“

 

„Du warst weit davon entfernt, dämlich zu sein, Asuma.“, widersprach Kakashi leicht vorwurfsvoll, aber mehr belustigt. „Du wurdest ein Elite-Wächter.“

 

„Und mit einem Schlag ist alles den Bach runter gegangen.“ Asuma klatschte seine Handfläche hinunter auf den Tisch. Und um besagten ‚Schlag‘ noch näher zu illustrieren zog er die Hand in einem Rucken über das Holz, dem Kakashi auswich, indem er roboterhaft sein Glas hob und wieder abstellte, nur um die Bewegung gleich darauf zu wiederholen, als Asuma den Arm zurück zog. „Hin und wieder zurück…alles abgefuckt…dafür braucht es wahre Dummheit…“

 

„Wir machen alle Fehler.“, sagte Kakashi milde und sein einziges Auge nahm all die Emotionen in sich auf, die über Asumas Gesicht huschten. „Und diese Fehler machen uns nicht dumm. Außer du wiederholst sie. Immer wieder.“

 

„Jo. Schätze mal, mein alter Herr ist etwas zu tot, um anderer Meinung sein zu können.“ Asuma sackte erneut gegen den Tresen und ein grumpliges, angespanntes Lachen rollte mit einer Rauchwolke aus ihm heraus. „Man sagt, dass einem die Toten nicht antworten. Aber wir haben niemals miteinander gesprochen…und wenn wir es getan haben…“ Er brach für einen Moment ab und seine Bronzeaugen bewölkten sich mit etwas Stärkerem als dem Rausch, bis er auf einmal müde und ausgelaugt aussah. „Scheiße…er hat sowieso nie auch nur ein einziges Wort gehört. War es meine Schuld? Oder seine? Väter können einen wirklich verhunzen.“

 

Darauf bot Kakashi keinerlei Erwiderung an. 

 

Ruhig drehte er sein Glas in der Hand. 

 

Familiendynamiken waren nun wirklich nicht seine Stärke, vor allem, wenn es um elterliche Beziehungen ging. Sein Blick glitt zur entferntesten Ecke der Bar und er spürte einen Phantomschmerz in einem Teil seines Selbst, dem er über die Jahre hinweg nur sehr wenig Beachtung geschenkt hatte. 

 

Ich weiß es besser, als das zu tun…

 

Es war ein Teil von ihm, der so von Akzeptanz und Resignation und einem Mangel an Verbundenheit abgestumpft war, dass er kaum auf irgendetwas oder irgendjemanden reagierte. Doch gelegentlich kam der Schmerz schnell und scharf; wie der Schnitt einer Klinge über einer Vene, die zu verrostet war, um noch bluten zu können. 

 

Da er die seltsame Tiefe seines Schweigens spürte, wandte Asuma ihm den Kopf zu. 

 

Vollkommen automatisch korrigierte Kakashi seine Haltung und sein Auge bog sich zu diesem kleinen Halbmond-Lächeln. 

 

Asuma blinzelte. „Mist. Wenn sogar ich bemerke, dass das eine Lüge ist…dann ernüchtere ich viel zu schnell.“

 

„Du nüchterst immer ziemlich schnell aus.“

 

Asuma nahm einen raschen Zug von seinem Sake und stieß das Ende seiner Flasche gegen Kakashis unberührtes Glas. „Auf eine drohende Tragödie und einen Massenmord.“

 

Kakashis Auge wurde etwas weicher und seine Stimme sickerte mit der Kante einer ruhigen Nüchternheit in die rauchige Luft. „Du wirst ein guter Vater sein, Asuma.“

 

Asumas Kiefer verkrampfte sich, während seine Finger vor und zurück über die Reihe aus Flaschen wanderten, die vor ihm stand. Die träge Bewegung täuschte Kakashi jedoch nicht. Er konnte die nüchterne Veränderung in der Stimmung des Sarutobi spüren, als sich dessen Verstand von dem betrunkenen Grübeln löste und er sich zu einem luzideren Gesichtsausdruck zwang.

 

Trotzdem sah er immer noch so aus, als wäre er bereit, sich direkt die nächste Flasche zu schnappen. 

 

Asuma streckte eine Hand danach aus, änderte dann aber die Richtung und nahm stattdessen seine Zigarette auf, um sie sich wieder zwischen die Lippen zu klemmen, als sie sich bogen. „Weil ich so ein unglaublich gutes Vorbild bin? Lass uns der Wahrheit ins Gesicht sehen. Ein super cooler Erwachsener zu sein ist einfach nicht mein Ding…“

 

Kakashi sagte nichts. 

 

Stattdessen gestattete er es Asuma, erneut in einer brütenden Pfütze aus selbstironischem Schweigen zu versinken. Seine dunklen Brauen waren in einem Ausdruck morbider Nachdenklichkeit tief zusammengezogen. 

 

Kakashi fühlte sich beinahe schuldig, weil er es amüsant fand. 

 

Und Asuma wartete darauf, dass er ihm durch Humor einen Rettungsring zuwarf. 

 

Doch Kakashi ließ beinahe schon sadistisch zu, dass sich die ertränkende Spannung immer weiter aufbaute. Und dann tauchte Asuma mit einem trockenen Grinsen aus seinem depressiven Tief auf und atmete einen langen dünnen Strom aus seinem gekräuselten Mundwinkel. 

 

„Und deswegen führe ich keine tiefsinnigen Unterhaltungen…“, kicherte Asuma widerwillig. „Ich versuche, mich selbst ernst zu nehmen und es ist nichts weiter als ein Witz…“

 

„Asuma.“

 

„Jäh?“

 

„Du bist ein Idiot.“

 

Asuma salutierte vage und griff nach der Flasche. „Darauf trinke ich.“

 

Kakashi packte sein Handgelenk – hart.

 

Zeit, um endlich auf den Punkt zu kommen.

 

Asumas Brauen zuckten nach oben und gleich darauf verengten sich seine Bronzeaugen gegen das Aufblitzen, das von der Metallplatte auf Kakashis Handschuh reflektiert wurde. Und dann stellte Kakashi eine Frage, die die Augen des Sarutobi greller und härter aufflammen ließ als den Stahl. 

 

„Als der Sandaime gestorben ist, wo warst du?“

 

Was?“ Asuma erstickte beinahe an dem Wort und ein erzwungenes Semi-Schmunzeln spielte über seine Lippen, um von dem Ausdruck von Verwirrung abzulenken, der sich über seine Miene stahl. „Was zur Hölle ist das denn für eine Frage?“

 

„Wo warst du?“, fragte Kakshi erneut und sein Griff war ebenso beständig wie seine Stimme. 

 

Asuma zerrte sein Handgelenk zurück und das schwere Metall seines Armbandes traf mit einem alarmierenden Klacken auf den Tresen. Sehr langsam wandte er sich Kakashi zu und seine Augen funkelten gefährlich. Und auch wenn der Zorn seine Iriden nicht erreichte, hätte Kakashi ihn in der aggressiven Veränderung von Chakra gespürt; wie ein Summen unter der Oberfläche von Asumas normalerweise entspannten und lockeren Aura. 

 

Naja, schätze mal, dass ich das hätte kommen sehen müssen.

 

Kakashi bot keinerlei Reaktion auf diesen Blick an, der einen vernünftigen Mann sofort dazu gebracht hätte, vor dem Sarutobi zurück zu weichen. Doch während Kakashis Vernunft vielleicht in Frage stand, waren es seine Instinkte nur äußerst selten. 

 

Asuma war wütend, ja, aber er war auch verwirrt. 

 

Kakashi hätte sich vielleicht auf letzteren Zustand gestützt, um ersteren zu neutralisieren. Aber vor allem zählte er auf ihre Freundschaft, um einen Kampf auf Abstand zu halten, der sehr schnell sehr hässlich werden würde. 

 

Asuma schien derweil die Schadensbegrenzung zu kalkulieren und ernüchterte mit jeder verstreichenden Sekunde noch mehr. „Was zur Hölle willst du damit bezwecken?“

 

„Beantworte meine Frage und du wirst ganz genau sehen, was ich damit bezwecke.“

 

Asuma starrte Kakashi direkt ins Auge und suchte die graue Iris nach irgendeiner Erklärung für diesen tief persönlichen Angriff ab, zu dem diese Frage zu werden drohte, sollte er seine Defensiven weit genug senken, um sie zu beantworten. 

 

„Ich denke, ich habe dich jetzt lange genug betrunken im Kreis rennen lassen.“, erklärte Kakashi und setzte seinen Ellbogen auf dem Tisch ab, um den Inhalt seines Getränks in hypnotischen Drehungen im Glas herum zu wirbeln. „Und ich weiß, dass das nicht der Grund war, aus dem du dir mein Hirn leihen wolltest, oder?“

 

Asuma runzelte die Stirn und nahm die Zigarette von seinen Lippen. Langsam klopfte er die Asche ab, nur um gleich darauf den Glimmstengel mit einem scharfen Stoßen und Drehen komplett auszudrücken. 

 

„Was hat der Tod meines Vaters mit all dem hier zu tun?“, fragte er dunkel. 

 

„Alles.“, antwortete Kakashi leise und schaffte es, seinen Tonfall sanfter werden zu lassen, ohne dabei weniger direkt zu sein. „Der Rest der Jōnin hat die Sunagakure Ninjas abgewehrt, während der Sandaime gegen Orochimaru gekämpft hat. Wo warst du?“

 

Asuma starrte hinunter auf die Zigarettenstummel und die Asche auf dem Tablett und schüttelte irritiert den Kopf über das, wovon er dachte, es sei eine vollkommen irrelevante Frage. „Ich bin Shikamaru hinterher.“

 

Kakashi beobachtete ihn ruhig und wartete darauf, dass die Bedeutsamkeit dieser Worte ebenso scharf in Asumas Hirn sank wie der Punkt, den er hier zu verdeutlichen versuchte. Doch Asuma stierte weiterhin taub auf den Aschenbecher. Der Alkohol hatte offenbar die Fähigkeit seines Hirns beeinträchtigt, in normaler Geschwindigkeit die Dinge zu erfassen. Also entschied sich Kakashi dafür, dem anderen Jōnin einen weiteren kleinen Schubs zu geben und legte den Kopf schief, um Asumas Blick auf sich zu ziehen. 

 

„Du bist Shikamaru hinterher.“

 

„Ja, das habe ich doch gerade gesagt.“

 

„Und warum bist du ihm hinterher?“, drängte der Kopierninja weiter. 

 

„Warum? Was meinst du mit Warum? Weil…“ Asumas Stimme erstarb mit einem Stirnrunzeln und wedelte erneut mit einer Hand herum. 

 

„Ganz genau.“ Kakashis Maske zog sich über seine Wangenknochen, als er lächelte und die scharfe Linie seines Kiefers damit akzentuierte. „Manche Dinge sind einfach. Du bist bereits, was du denkst, niemals sein zu können.“

 

Mit einer zornigen und verwirrten Falte nach der anderen glättete sich das harte V von Asumas Brauen und erweichte seine Augen, bis ein schwaches leises Lachen von seinen Lippen brach. „Klar, also in deinem genialen Hirn hebt es sich gegenseitig auf, dass ich ein mieser Sohn, aber ein übermäßig beschützerischer Sensei bin und irgendwie addieren sie sich aber auch wieder zu etwas, das mich zu einem potentiell guten Vater macht?“

 

„Du hast Shikamarus Leben über das von unzähligen Einwohnern und das des Hokage gestellt. Deines eigenen Vaters. Das sagt mir nur noch mehr, was ich bereits weiß. Also was denkst du?“

 

„Ich denke, dass es eine blöde Idee war, mir dein Hirn zu leihen.“

 

Kakashi zuckte mit den Achseln, hob sein Glas und setzte es mit einem nachdenklichen Klacken ab. „Leugne es so viel du willst, aber deine Handlungen – und dein betrunkenes Mundwerk – erzählen eine ganz andere Geschichte über deine elterlichen Fähigkeiten. Und es gibt noch mehr Fakten, die deine Versuche, diese Tatsache zu fiktionieren, ruinieren, Asuma.“

 

„Was; denkst du, du kannst mich lesen, Hatake?“

 

„Wie ein Buch.“

 

Asumas Lippen bogen sich etwas säuerlich. „Nun, dann ist hier eine witzige Tatsache für das Protokoll des Tages, Kakashi und die ist nicht exklusiv. Ich habe ein Auge auf meine Schüler und ich gehe sicher, dass sie nicht draufgehen oder sich in dämliche, unnötige Gefahr begeben.“ Er wandte den Blick ab und studierte die Aschereste auf dem Tresen, während er schnaubte. „Scheiße. Es ist doch das, was ich als Lehrer tun soll, oder etwa nicht?“

 

Kakashi bedachte den anderen Mann mit einem langen harten Starren. „Asuma. Du hast gerade in graphischen Details beschrieben, wie du einen Mann zerstückeln willst, mit dem Ino auch sehr gut ohne deine Einmischung fertig geworden wäre.“

 

Asuma zuckte grummelnd die Achseln. „Ich hatte miese Laune.“

 

„Vor zwei Wochen hast du mich aufgesucht, um einen meiner Ninken Shikamaru aufspüren zu lassen; innerhalb der Mauern unseres eigenen Dorfes.“

 

„Und?“

 

„Und?“, echote Kakashi ungläubig. Und ohne zu zögern spielte er seine Trumpfkarte aus. „Du hast es doch heute Nacht selbst gesagt. Du bist nie über das ‚letzte Mal‘ hinweg gekommen, als er sich so vor dir zurück gezogen hat.“

 

Stille. 

 

Asumas Kiefer verhärtete sich zu Granit und seine gesamte Gestalt spannte sich gegen den Tresen an. Eine Aura aus Ernsthaftigkeit legte sich um ihn wie ein Kraftfeld. Und Kakashi ließ zu, dass es sich noch einen Moment länger hielt, bevor er in die straffe Sphäre der Stille wisperte; unberührt von all dem Lärm, der durch den Rest der Bar schwebte. 

 

„Als du zu mir gekommen bist und mich gebeten hast, einen Ninken nach ihm suchen zu lassen – da stand Angst in deinen Augen.“ Kakashis Stimme wurde etwas sanfter. „Denkst du wirklich, dass Nara Shikaku und dein Vater nicht dafür gesorgt hätten, dass ein Kind und Teenager wie Shikamaru die Art Mentor bekommt, die er wirklich braucht? Sie haben dich aus einem Grund dafür ausgewählt.“

 

„Gönn mir `ne Pause, Kakashi.“, schnaubte Asuma, doch etwas Unbehagliches spielte unter seiner flachen Stimme. „Ich bin dafür nicht betrunken genug.“

 

„Du wolltest mein Hirn, um eins und eins für dich zusammenzuzählen und hier hast du das Ergebnis. Nenn es deine Fiktion oder nenn es deine Fassade, aber ob so oder so, deine Versuche, dich durch Appelle an deine Fehler aus deinen Tugenden herauszuwinden sind ein schlechter Scherz.“

 

Verscheißerst du mich?“ Asuma kicherte düster und befingerte den Hals von einer der Sakeflaschen, während er sie in scharfen kleinen Drehungen herum wirbelte. „Ich bin nicht so tiefsinnig, um ein Hütchenspiel mit meiner Persönlichkeit zu spielen. Was du siehst ist, was du bekommst.“

 

Kakashi senkte sein Augenlid, bis die Wimpern einen Schatten über den Grat seiner Wange warfen und das frustrierte Flackern in seiner grauen Iris verbargen. „Du hast mir gerade gesagt, dass dein Team und Kurenai das Beste waren, was dir jemals hätte passieren können.“

 

„Das waren sie.“ Eine unmittelbare Antwort. „Das sind sie.“

 

„Also, dann sage ich es eben nochmal: Es ist dir aus einem Grund passiert, Asuma. Und es hat überhaupt nichts mit Glück zu tun.“ Kakashi seufzte und eine müde Heiserkeit machte die Kanten in seiner Stimme rau. „Du bist bei weitem nicht der ungebundene Bastard, der du zu sein glaubst.“

 

Schweigend verdaute Asuma diese Worte und spähte kurz zu dem Silberhaarigen hinüber. Kakashi spürte den vorsichtigen Blick, tippte sich gegen sein Hitai-ate und deutete damit auf das rote Auge, das unter der Oberfläche lauerte. 

 

„Ich sehe alles.“, fügte er trocken hinzu. 

 

Asuma lachte ein wenig und neigte sich von ihm fort. „Ja klar, Mr. Inneneinsicht. Schätze mal, dass ich ja auch um diesen ganzen ‚Unter der Oberfläche‘-Bullshit gebeten habe.“

 

„Ja, das hast du.“ Kakashi fügte seiner Bemerkung einen vielsagenden Blick hinzu. „Und hoffentlich habe ich jetzt nicht einfach nur zwei Stunden meiner Nacht verschwendet.“

 

„Schon gut, schon gut.“ Während er schuldbewusst eine Hand hob, zog Asuma verlegen den Kopf ein. „Ich hätte auch gar nicht ausnüchtern sollen bis wir zum Punkt kommen. Eigentlich hätte ich so betrunken sein sollen, dass ich vergesse, dass ich überhaupt darüber sprechen wollte.“

 

„Aber das hast du.“, hob Kakashi hervor. 

 

Asuma seufzte und lümmelte sich auf seine Ellbogen, während er die Inhalte der Flaschen begutachtete, die vor ihm aufgereiht waren. Es dauerte ein paar Momente, die abgestandenen Überreste zu studieren, bevor er mit den Fingern trommelte und nach einer weiteren Zigarette griff. 

 

„Wenn ich mich schon wegen meiner Schüler so aufrege, wie zur Hölle werde ich dann sein, wenn es um mein eigenes Kind geht?“

 

„Du wirst sein wie du bist.“

 

Asuma spähte zu ihm herüber und hakte mit einem langsamen Kopfschütteln seine Lippen um die Zigarette, doch in seinen Augen schimmerte Humor. „Bitte sag mir, dass du schon wieder irgendwie tiefgründig bist, denn das war echt eine selten miese Antwort.“

 

Kakashi grinste, während er mit seinem Glas gegen eine von Asumas leeren Flaschen stieß. „Und ich habe noch nicht einmal angefangen zu trinken.“

 
 

~❃~
 

 
 

Zwei Schatten. 

 

Sie strichen wie Geister über die zarten Papierwände des Korridors. Stehlampen badeten die Fusama Paneele in ein trübes buttriges Licht, das Silhouetten deutlicher warf als Schattenmarionetten. 

 

An den Wänden verschmolzen die Schatten, doch die, die sie warfen, taten es nie. 

 

Sie spürte es kommen. 

 

Und er wusste, dass sie es bemerkte. 

 

Temari wirbelte in einer Welle aus Honig und Schwarz herum, schlug die Hand beiseite, die sich bewegt hatte, um sie zu packen. Shikamaru verdrehte ihren Arm; eine scharfe Drehung rollte sein Handgelenk über ihres. Es löste die Umklammerung, mit der sie versuchte, ihn zu fassen zu bekommen und endete in einem Zusammenprall von wilden schokofarbenen Iriden, die sich in das Aufflammen von dunkler werdendem Petrol bohrten. 

 

„Du verstehst es wirklich, wie man all die falschen Knöpfe drückt.“, knurrte er, während die Schatten über seine Wangenknochen schnitten wie Messer und den Ausdruck scharfen, kalkulierten Zornes akzentuierten, der sich in sein Gesicht ätzte.

 

„Das ist absurd.“, schnappte Temari zurück. „Und das kommt auch noch von dem Kerl, der während der Chūninprüfungen alle Arten von Knöpfen gedrückt hat. Warum?“

 

Gottverdammt, sie lässt das einfach nicht gut sein.

 

Er brauchte es wirklich, dass sie das endlich tat. 

 

„Was zur Hölle willst du von mir? Deine verdammte Entschuldigung?“

 

„Nein!“

 

Was dann?

 

„Was du mir schuldest.“, schnappte sie und ballte an den starken Neigungen ihrer Hüfte die Fäuste, während sie zu ihm hoch starrte. „Eine Erklärung.“

 

Shikamarus Braue schoss nach oben, doch in seinem Inneren spürte er, wie seine Eingeweide in sich zusammenfielen und sich verkrampften. Die Säure einer Übelkeit erregenden Spannung fraß sich durch seine Venen und zog seine Sehnen ruckartig straff. Heftig stemmte er die Hände an die Hüften, um sich davon abzuhalten, seine Finger schmerzhaft in ihre Arme zu graben. Sie ignorierte seinen harten Blick und spiegelte ihn nur zurück zu ihm. 

 

„Wenn du in Zukunft wieder so ausflippen solltest, dann wäre ich das nächste Mal gerne darauf vorbereitet.“, biss Temari hervor. 

 

Er erwiderte nichts, sondern funkelte sie nur unter dem dunklen Schwung seiner Wimpern zornig an.

 

Sie ahnte nicht, dass er versuchte, irgendwie Kontrolle über ein schwarzes öliges Gefühl zu erlangen, das in sein Blut sickerte. Etwas Fremdes und Faulendes, das sich anfühlte, als wäre es hoch entzündlich unter der Art von Hitze und Druck, die er unter allen Umständen zu vermeiden versuchte. Es war eine Empfindung, die durch seine Venen kroch und nach Flammen in seinem Zorn suchte, ihn aber eiskalt zurück ließ. Kalt mit der Angst davor, was es mit ihm machen würde, sollte er diesem schwarzen Strom zurück zu seinem Ursprung folgen. Das letzte Mal, als er das gefühlt hatte, hatte er panisch unter Neji um sich geschlagen; gefangen in einem Zustand von Blut und gebrochenen Knochen. 

 

Die Saiten in seinem Nacken zogen sich wie Stolperdrähte straff. 

 

Stop. Du reagierst über. Beruhige dich.

 

Doch unglücklicherweise interpretierte Temari sein Schweigen nur noch mehr als eine Herausforderung; etwas, dem sie immer eigensinnig und mit dem Kopf durch die Wand begegnete. „Also was ist es? Gestresst von all den hohen Tieren, die hinter deinem Blut her sind? Oder war es irgendeine Art feierlicher Höhepunkt, dich um den Verstand zu saufen? Gott weiß, dass du dich mit einem buchstäblichen ‚Knallen‘ verabschiedet hast. Zweifach.“

 

Shikamarus Kiefer verkrampfte sich und seine Augen waren dunkel und tief wie poliertes Mahagoni. Doch unter dieser harten Oberfläche glühten sie und die Iriden schwärzten sich um die Kanten herum mit einem Zorn, der so gut eingedämmt war, dass er kaum zu erkennen war. 

 

Eine giftgetränkte, juckende Stille senkte sich über sie und kontaminierte die Luft. 

 

„Ist es der Druck?“, wisperte Temari katzengleich und knickte ihre Hüfte mit einem frechen Grinsen ein, das ihn fuchsteufelswild machen sollte. „Brichst du zusammen, Nara? Denn wenn ja, dann musst du deinen Kopf reparieren lassen.“

 

Shikamaru schmunzelte und seine Mundwinkel schnitten sich in einer bitteren und erbärmlichen Imitation eines Lächelns nach oben. „Na aber sicher, denn wenn der zur Hölle fährt, dann bin ich nichts weiter als beschädigte Ware, oder?“

 

Temari blinzelte hart, getroffen von dem Gift in seiner Stimme. „Also was war es? Dachtest du, dass sie nicht länger denken, du wärst ein ‚Preisfang‘, wenn du dich aufführst wie ein Idiot?“

 

„So ein Glück hatte ich leider nicht.“

 

„Was zur Hölle hast du dann für ein Spiel gespielt?“ Fassungslos schüttelte sie den Kopf und ihre Wut flackerte und blitzte wie eine überladene Zündschnur hinter ihren Augen auf. „Die Hälfte der Daimyōs war da, um dich zu sehen, nicht die Genin-Gören. Du hast Gaara und mich in eine Position gebracht, deinen Hintern decken zu müssen, weil du dem Druck nicht standhalten konntest.“ Sie senkte ihre Stimme um eine todbringende Spur. „Und dann hast du sie mit deinen Klugscheißer Bemerkungen beleidigt.“

 

„Das nennt sich Zurückweisung.“

 

„So wie du das gemacht hast, hättest du ihnen genauso gut sagen können, dass sie sich ins Knie ficken sollen. Weißt du überhaupt, was Taktgefühl ist?“
 

Shikamaru bedachte sie mit einem flachen und trockenen Blick. „Kannst du es denn überhaupt buchstabieren?“

 

„Du ignoranter Bastard.“ Ihre Fäuste verkrampften sich, nur zu zurückhaltend, zu einem Schlag auszuholen. „Hast duirgendeine Ahnung, wie gefährlich diese Männer sein können? Hast du irgendeine Ahnung, was du hättest anrichten können!“

 

„Ja.“

 

Temaris Mund schloss sich ruckartig; diese leise aber durch und durch direkte und ernste Antwort hatte sie nicht erwartet.

 

Und etwas in seiner Stimme hielt sie schlagartig davon ab, noch einmal die Klauen in ihm zu versenken.

 

„Ja?“, echote sie nur tonlos und zog in einer Bewegung den Kopf zurück, die stark an Schock erinnerte. „Aber…warum hast du es dann getan?“

 

Die Muskeln in Shikamarus Kiefer spielten und zuckten, als er sie niederstarrte, doch seine Augen blieben verstörend blank und abgeschnitten vom Rest seines Gesichts. „Du denkst, du kennst mich. Aber du hast dich überschätzt, Temari. Dem hier bist du bei weitem nicht gewachsen und du bist schon lange ins Schwimmen geraten, ohne es überhaupt zu merken.“

 

„Ich glaube wirklich nicht, dass ich diejenige bin, die sich in tiefen Wassern befindet, Shikamaru.“

 

Sehr langsam neigte sich Shikamaru nach vorn und Temari versteifte sich, als sein Blick ihre Augenhöhe erreichte und er den Kopf schief legte. 

 

Ihre Nasen berührten sich beinahe. 

 

„Nun, du weißt doch, was man über Ertrinkende sagt, oder? Sie neigen dazu, dich mit sich in die Tiefe zu zerren.“ Sein Fokus fiel hinunter auf ihren Mund. „Und gemessen an der Geschwindigkeit, in der du dein Mundwerk bewegst, bezweifle ich, dass du so lange den Atem anhalten kannst.“

 

Temaris Schultern zogen sich steif nach hinten und ihr Kinn reckte sich trotzig, während ein kehliges Lachen wie Nebel gegen seine Lippen taumelte. „Und hier ist der höhnische Bastard, den deine Freunde nicht zu Gesicht bekommen.“

 

Das sollten sie auch nicht müssen. Nicht so.

 

Shikamaru blinzelte langsam und schluckte hart. 

 

Sie spielte auf ihm wie auf einem verdammten Klavier und die widersprüchlichen Töne, die in ihm abgefeuert wurden, waren im Begriff, deutlich mehr preiszugeben, als er jemals hoffen konnte, wieder zurück in die Schatten zu zerren. 

 

„Verschwinde, Temari.“, murmelte er. 

 

Sie rührte sich nicht und ihre Augen blieben suchend auf seinem Gesicht festgeklebt. „Warum? Bin ich nah dran, Shikamaru?“

 

„Ja, nah dran, mich gewaltig anzupissen.“

 

Das ließ sie feixen und sie legte den Kopf wie eine Katze schief. „Das ist doch immerhin etwas. Vielleicht hast du ja doch so etwas wie Impuls in dir.“

 

Seine Augen verengten sich so weit, dass sich seine Iriden zu Schlitzen zweier brennender Halbmonde zusammenzogen. „Schätze mal, dass es schlimmere Dinge gibt, die ich in mir haben kann.“

 

Temari wurde angesichts dieser Worte sehr still und starrte auf die Mulden in seinen Wangen und auf die Ringe unter seinen Augen. 

 

„Törichter Junge. Du solltest mit jemandem sprechen.“

 

„Vorsicht, du klingst besorgt.“

 

„Ich meine es ernst.“, knurrte sie und funkelte ihn ebenso zornig an wie er sie. „Du bist viel zu gefährlich um aus den Fugen geraten zu dürfen.“

 

Von all den Dingen, die er von ihren Kommentaren hätte vorhersagen können, gehörte das definitiv nicht dazu. Shikamaru zog ein wenig das Kinn zurück und hob langsam eine Braue, während er ihr Gesicht nach irgendeinem Zeichen für Sarkasmus oder Humor absuchte. Doch er fand keins von beidem. 

 

„Gefährlich?“ Seine Braue krümmte sich noch weiter. „Es mag dir ja vielleicht entfallen sein, aber ich habe das Hirnabbekommen, nicht die Muskeln.“

 

„Was dich nur doppelt so gefährlich macht.“, sagte Temari leise. „Mach dir nichts vor, Shikamaru. Daimyōs würden für das Level strategischer Intelligenz töten, das du innerhalb einer Minute abrufen kannst, oder eigentlich sogar in noch deutlich kürzerer Zeit, wenn du dich kooperativ verhältst. Du musst anfangen, darauf zu achten, was sich in deinem Rücken befindet! Mehr als jeder Elite-Shinobi mit dem zweifachen Chakralevel.“

 

‚Du achtest nicht darauf, was sich in deinem Rücken befindet. Oder vielleicht wolltest du ja sogar, dass jemand hinter dich kommt.‘

 

Shikamaru versteifte sich angesichts der Erinnerung und spürte, wie eine eisige Woge durch ihn rauschte. Rasch brachte er sie wieder unter Kontrolle, indem er sich auf Temaris Mund konzentrierte und der nach unten geneigten Kurve ihrer Lippen folgte. 

 

„Komplimente und Sorge?“ Sarkastisch schüttelte er den Kopf. „Das muss ja geradezu physisch schmerzhaft für dich sein.“

 

Doch Temari fiel nicht darauf herein und ihre Züge behielten die ernste Kante bei, während sie ihn musterte und die Chance verstreichen ließ, zurück zu beißen. „Du kannst nicht davor wegrennen, Shikamaru. Du bist einer der Hauptakteure in diesem großen, miesen Spiel aus politischem Bullshit; völlig egal, ob du das nun willst oder nicht.“

 

Mit flacher Stimme brachte er ein schwaches Schmunzeln zustande. „Danke für die Warnung. Ich werde versuchen, meine Seele nicht an den Höchstbietenden zu verschachern.“

 

Temari pinnte ihn mit einem starren Blick fest und ihre Augen glühten. „Mach über so etwas keine Witze.“

 

„Hn. Glaubst du wirklich, dass ich das tue?“

 

Ihre Lippen pressten sich mit dem leisesten Hauch von Zögern zusammen, bevor sie sprach: „Deine Vermeidungstaktik aus ‚Alkohol und Schlafzimmer‘ könnte sich als nichts weiter als ein Kinderspiel entpuppen im Vergleich dazu, wie du mit dem Druck umgehst, mit dem du in Zukunft konfrontiert werden wirst…“

 

„Versuchst du, meinen Verstand und meine Züge vorherzusagen, Temari?“

 

„Du hast recht; ich bin ins Schwimmen geraten und ich bin sogar so überfordert damit, dass ich an dieser Stelle gar nichts mehr vorhersehen will. Weder deinen Verstand, noch die Züge, die du machst.“ Sie blinzelte rasch; wachsam genug, auch nicht nur für den Bruchteil einer Sekunde die Augen von ihm abzuwenden. „Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was du vielleicht alles tun würdest, wenn du weiter getrieben wirst, als du rennen oder vorausdenken kannst.“

 

Genauso wenig wie ich…

 

Und diese Erkenntnis traf ihn mit der Wucht und der Kälte eines Eisregens. 

 

Und wie ein glaziale Skeletthand, die sich in seine lebenswichtigen Organe grub, spürte er eine Übelkeit erregende Veränderung in sich. Sein Puls nahm rapide zu, als eine Tür in den hintersten Winkeln seines Geistes unter dem Gewicht ungewollter Erinnerungen und unterdrückter Ängste zu ächzen und zu knarzen begann.

 

Begib dich nicht dorthin.

 

Der Drang zu fliehen drängte sich in ihm nach oben wie eine Flut aus Adrenalin durch seine Adern. Sie rauschte so schnell durch ihn, dass er einen zerfetzten Atem ausstoßen musste, den er kaum wieder erhaschen konnte, bevor sich Temari nach oben streckte, seinen Hinterkopf umfasste und ihre Lippen auf seine drückte. 

 

Shikamaru versteifte sich und seine Schultern zogen sich vor Schock nach oben. 

 

Seine Augen flogen weit auf. 

 

Verwirrung donnerte gegen die Welle aus Adrenalin und taumelte mit einer Verknotung aus Empfindungen durch ihn. Das Gewirr rollte sich wie eine Kette zusammen und hielt ihn bewegungslos an Ort und Stelle, die Hände noch immer in die eingeknickte Hüfte gestemmt und den Oberkörper immer noch in der Neigung, die er eingenommen hatte, als er sich nach vorn gelehnt hatte, um ihren persönlichen Bereich zu bedrohen. 

 

Und Temari hatte jeden Freiraum vollkommen ausgelöscht. 

 

Sie hielt den Kontakt beständig aufrecht, indem sie ihre Lippen sanft auf seine legte. 

 

Sanft?

 

Das war ein Wort, das er niemals mit ihr in Verbindung gebracht hätte. Er hatte immer angenommen, dass sie selbst bei Intimität scharfe Kanten aufweisen würde. Dass sie zu küssen mit Zähnen und aufgeplatzten Lippen und bissigen, ätzenden Kommentaren einhergehen würde. Dass es eine Leidenschaft wäre, die mit Schlägen kam und Zähne erschütterte. Etwas Lästiges und Reizbares und viel zu derb, als dass ein Mann sich wirklich darauf einlassen wollen würde. 

 

Nicht das hier…

 

Die Sanftheit des Kusses brachte ihn völlig aus dem Konzept. Und zur selben Zeit riss es eine Tür zu einem Verlangen auf, das er energisch unterdrückt hatte. Es waren nicht das Bedürfnis und die Begierde, die Temari erreichte. Das war zu tief in ihm verankert, blutete aus und brannte wie eine Wunde. Das könnte sie niemals erreichen und niemals berühren. Doch sie berührte einen Teil von ihm, der sich nach etwas sehnte, das den Schmerz zumindest linderte, der niemals vergehen würde.

 

Was auf der ganzen Welt würde er nicht dafür geben, dieser Art von Kummer und Qual die Schärfe nehmen zu können?

 

Was zur Hölle würde er nicht dafür nutzen? Sei es irgendetwas – oder irgendjemand. 

 

Shikamaru schluckte hart; es war ein hörbares Geräusch. 

 

Er spürte, wie sie gegen seinen Mund lächelte. „Das ist es, was ich wollte.“

 

„Einen Kuss, huh?“, krächzte Shikamaru hervor, ohne sich auch nur einen Millimeter zu rühren. 

 

„Dich zu erschüttern.“, korrigierte sie und zog sich ein winziges Stück zurück, sodass sich ihre Blicke treffen konnten. 

 

Für einen langen Augenblick sah er sie mit abgeschirmten Augen an. „Gratulation.“

 

Temari lachte leise und ihr honigfarbenes Haar schimmerte. Doch dann erstarb das Lachen in ihrer Kehle und ließ eine aufgeladene Stille zwischen ihnen zurück. Sie summte geradezu vor Aufforderung und Einladung. Und er wusste nur, dass es auch über den Bereich der Möglichkeiten hinaus gehen könnte, als Temari keinerlei Anstalten machte, den Augenkontakt zu lösen oder sich von ihm zurück zu ziehen. 

 

Klasse. Da gehen meine Moralvorstellungen dahin – und diesmal bin ich nichtmal betrunken. 

 

Er las ihr Signal zur selben Zeit, als er es erwiderte. 

 

Sein Blick fiel hinunter auf ihre Lippen. 

 

Langsam strichen ihre Münder übereinander und trafen sich erneut. 

 

Hitze kribbelte über seine Wirbelsäule und die harten Ebenen seiner Brust spannten sich an. Er spürte, wie sich ihre Handfläche gegen seinen Bauch drückte und ihre Nägel über das Gewebe seines Oberteils kratzten, um die angespannten schlanken Neigungen seiner Muskeln nachzuzeichnen. 

 

Beinahe biss er auf ihre Lippe und seine Zähne hielten kurz davor inne, sich darin zu versenken.

 

Und in diesem Moment hätte es ihn nicht interessiert, wenn sie unter seine Kleidung gegriffen, ihre blutroten Nägel in sein Fleisch gerammt und sich mit Krallen einen Weg in seine Brust gegraben hätte. Dieses Bedürfnis herausgerissen hätte, das ihn an einem Ort umbrachte, den er nicht erreichen konnte; das ihn auf eine Weise umbrachte, die er nicht aufhalten konnte. 

 

Fuck…

 

Shikamarus Lippen hielten gegen ihre inne und er zog den Kopf zurück. 

 

Temari machte keine Anstalten, ihm zu folgen, sondern beobachtete ihn nur schweigend. 

 

Mit halb geschlossenen Lidern erwiderte er den Blick. „Warum?“

 

„Vielleicht will ich dich einfach nur benutzen.“, wisperte sie und ihre Stimme war mit demselben sinnlichen Amüsement verfärbt wie ihre Augen. „Wie fühlt sich das für dein Männerego an?“

 

Shikamau hob eine Braue. „Mein Männerego schert das wirklich überhaupt nicht.“

 

„Also warum fragst du dann?“

 

Er dachte über diese Worte nach und als er sprach, enthielten seine Augen nicht den Humor seiner Antwort. „Ist das nicht einfach die angemessene Ritterlichkeit?“

 

„Ritterlichkeit?“, echote Temari und rollte das Wort wie etwas Süßsaures in ihrem Mund herum. „Ich glaube nicht an edle Ritter auf weißen Rössern, Nara.“

 

Schon wieder wanderte eine von Shikamarus Brauen angesichts dieser ätzenden Antwort nach oben. Aber da lag etwas Seltsames in ihrer normalerweisen so glatten Altstimme, verdrängte die Frechheit aus ihren Augen und wischte das Grinsen aus ihrem Gesicht. Doch er konnte nicht genau einordnen, was es war. 

 

Resignation? Bedauern? Ein Hauch von Verletzlichkeit hinter diesem Lächeln einer Füchsin?

 

Temari hob eine feine Augenbraue und forderte ihn damit wortlos zu einem Kommentar heraus. 

 

Doch Shikamaru weigerte sich, irgendeine Antwort anzubieten, sondern versuchte stattdessen energisch, seine Sinne und Skrupel irgendwie wieder zusammenzukratzen, ohne sie zu beleidigen. Nicht, dass er sich wirklich vorgestellt hätte, dass er zu diesem Zeitpunkt überhaupt dazu in der Lage wäre – sie sah viel zu zufrieden aus, als dass irgendein bissiges Wort sie aus der Fassung bringen könnte. Sie wusste ganz genau, wie sie ihn auf die Palme bringen konnte; auf mehr als nur eine Weise. 

 

Wie lästig.

 

Wenn er nicht gewusst hätte, dass sie sich zu ihm hingezogen fühlte, wäre die Situation vermutlich unglaublich peinlich gewesen. Sie musterten sich schweigend, was sie im Kreuzfeuer verschiedenster Signale zurückließ, die alle unausgesprochen blieben, aber dennoch geradezu überdeutlich waren. 

 

Langsam blinzelte Temari, während ein kleines widerwilliges Lächeln an ihrem Mundwinkel zupfte und sie summte. „Jung.“, murmelte sie. 

 

Verständnislos runzelte Shikamaru die Stirn. 

 

Sie schüttelte den Kopf. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich beeindruckt oder enttäuscht bin.“

 

„Hör jetzt nicht mit den Beleidigungen mir gegenüber auf.“, erwiderte Shikamaru leise. „Das hast du so gut gemacht.“

 

„Höhnisches Balg.“, murmelte sie und ihre vollen Lippen formten sich wieder zu dieser frechen Kurve. „Ich bin immer gut.“

 

Auch Shikamaru schmunzelte leicht. „Bescheidenheit, Temari; schlag es im Wörterbuch nach.“

 

„Ehrlichkeit, Shikamaru.“, konterte Temari und ließ ihre Hand über seine Brust wandern, bevor sie sie hart gegen das schlagende Herz drückte. „Versuch es damit.“

 

Shikamaru verlagerte das Gewicht auf sein rechtes Bein und zog die Schulter zurück, um sich von ihrer Berührung zu befreien. 

 

„Wie lästig.“

 

„Versuch es.“, forderte sie ihn erneut heraus.

 

Shikamarus Kiefer zuckte. Doch seine Hände blieben mit gekrümmten Fingern hart an seiner Hüfte verankert. Mit diesen Worten hatte sie ihn hinterlistig in eine Ecke gedrängt. Doch er hatte auch genug Erfahrungen darin, Ecken zu schneiden, um Wörter zu Handlungen zu manipulieren.

 

Temaris Finger pressten sich wieder gegen ihn – härter diesmal. „Trau dich!“

 

Seine Augen funkelten wie Onyx; dunkel und unergründlich in dem schummrig beleuchteten Korridor. 

 

„Man kann einen Schatten nicht ins Licht zerren.“, murmelte er. 

 

Temari zog angesichts dieser kryptischen Antwort die Brauen zusammen. 

 

Er zuckte unter ihrem forschenden Blick nicht mit einer Wimper und erwiderte ihn mit einer vollkommen neutralen Maske. 

 

Und dann schob sich ihr Handballen nach oben; legte den dunklen Stoff seines Oberteils in Wellen und Falten, die sich weich und erregend über seine Haut zogen. Sein Blick blieb starr auf die Petrolseen fixiert, die jeder noch so kleiner Reaktion folgten und das tintengleiche Aufwirbeln in seinen halb geschlossenen Augen studierten. 

 

„Du hast Angst.“, sagte sie schließlich. 

 

Sehr langsam atmete er durch die Nase ein, um sich davon abzuhalten, aus reinem Instinkt auf diese Worte zu reagieren. „Wenn du das sagst.“

 

Temari hielt inne. Und dann wanderte ihre spöttische Berührung zurück zum Zentrum seiner Brust und ihre Finger krümmten sich kurz, bevor sie ganz verschwanden. 

 

„Die Hölle ist ein Paradies, wenn man selbst der Teufel ist, Shikamaru.“, sagte Temari; es klang fast wie eine Warnung. „Verweile nicht zu lange in deinen Schatten. Denn ansonsten bekommst du vielleicht einen Geschmack von etwas noch Dunkleren.“

 

Freudlos bogen sich seine Lippen nach oben und er raunte: „Ich bin meine Schatten.“

 

„Was deine Dunkelheit wahrscheinlich nur noch gefährlicher macht als die von irgendjemandem sonst, solltest du zulassen, dass du fällst.“

 

Seine Augen zuckten heftig bei diesen Worten und die Luft schwoll schmerzhaft in seinen Lungen an, bevor er sie mit einem abweisenden Schnauben ausstieß. „Du bist etwas dramatisch, was?“

 

„Nein.“ Mit zusammengezogenen Brauen sah Temari hinauf in die tiefe Undurchsichtigkeit seiner Augen. „Ehrlich.“

 

Und ihre Ehrlichkeit war mit jedem Bisschen das gefahrvolle Licht. Shikamaru wich wie ein Schatten davor zurück; schrumpfte unbewusst zusammen und verschloss Bereiche seines Selbst - hüllte sie so finster und unergründlich ein, wie es seine Augen in diesem Moment waren. Wie zwei schwarze Steine, die überhaupt nichts reflektierten, sondern alles schluckten. 

 

„Verschone mich.“, hauchte er seine Worte durch die Zähne.

 

„Verschone dich selbst, Shikamaru.“

 

Er hörte ihre Worte nie. 

 

Schwärze ergoss sich über seinen Verstand wie Tinte auf einer Leinwand; ertränkte Geräusche und verdunkelte seine Sicht. 

 

Er hörte nicht das tiefer werdende Keuchen seiner Atemzüge oder das Brüllen seines Pulses. 

 

Für einen Moment war da nur – das Nichts. 

 

Nicht einmal dem Ruf seines Namens gelang es, das dichter werdende Schwarz zu durchdringen. 

 

Doch der nächste Klang schaffte es. 

 

Ein plötzliches lautes Lachen platzte durch den Korridor; eine aufdringliche Faust, die sich durch die Kuppel aus Anspannung hämmerte, die sich um ihn und in ihm hielt. Sie donnerte durch seinen Verstand und zerbrach die düstere Aura so plötzlich, dass er zusammenzuckte. 

 

Shit!

 

„Shikamaru?“

 

Für einen Moment wurde er stocksteif und blinzelte in rapiden Bewegungen, während er sich zu orientieren versuchte. Es fühlte sich an, als wäre er aus seinem Körper entwichen und brutal wieder hinein gestoßen worden. Mit einem erschauernden bebenden Atem rollte er die Schultern und kehrte beinahe benommen zu sich selbst zurück. 

 

Temari hatte sich etwas weiter nach vorn bewegt und den Kopf geneigt, um seinen Blick einfangen zu können. „Shikamaru, antworte mir!“

 

Was beantworten? Hatte sie etwas gesagt?

 

„Was?“, wisperte er. 

 

„Bist du okay?“

 

„Jo.“, antwortete er abgehackt und fuhr sich mit den Fingern über die Kopfhaut. „Mir geht’s gut.“

 

Schwachsinn. Er war sich ziemlich sicher, dass er gerade das Bewusstsein verloren hatte, ohne physisch in Ohnmacht zu fallen. 

 

Und da war diese seltsame Empfindung einer Leere, die sich irgendwo in seinem Hirn geöffnet hatte; als wäre er gerade in ein schwarzes Loch gesogen worden. Er schob seine Finger weiter nach hinten zu seinem Nacken und stierte ausdruckslos vor sich hin, während er vollkommen verstört wirkte. Als wäre er aus dem tiefen Zustand einer Trance erwacht, oder von einem Genjutsu erfasst worden. 

 

Was zur Hölle ist gerade passiert?

 

Temaris Blick spiegelte deutlich seinen Gedanken wider. Sie machte keinerlei Anstalten, ihn zu berühren, doch ihr Starren war so fixiert und wild, dass es in der Art und Weise, wie es über sein Gesicht wanderte, schon beinahe greifbar hätte sein können. Ihre eigene Miene hatte sich zu einem scharfen Stirnrunzeln festzementiert. 

 

„Shikamaru…“

 

Er rieb sich kopfschüttelnd über die Augen. „Ich muss nur schlafen.“

 

Keine Lüge und logisch genug.

 

Und das war auch alles, worauf er es festpinnen konnte; zu viel Kopfarbeit und nicht genug Zeit, sich zu erholen. Er war vollkommen am Ende und es forderte gnadenlos seinen Tribut. Er musste dringend abschalten. Wenn er sich wirklich an einem Scheitelpunkt von irgendetwas befand, dann eher an dem einer verdammten Migräne oder eines Wahnsinns, wenn er nicht bald etwas Schlaf bekam. 

 

Okay, das war’s…ist mir jetzt auch egal. Ich werde mir eine große verfickte Sakeflasche holen, sie mir ins Gesicht kleben und dafür sorgen, dass ich wirklich die Besinnung verliere…ich habe diese schlaflose Scheiße so satt…das macht mich noch zu einem gottverdammten Wrack.

 

Während er diesen Plan in seinem Verstand verfestigte, spürte er nicht, wie Temaris Blick aufmerksam und langsam über ihn wanderte. Und da lag etwas in ihren Augen, das seit drei Jahren nicht mehr in ihnen erschienen war. Ein Ausdruck, den sie oft als Kind auf ihrem Gesicht getragen hatte. Er hatte das Licht aus ihren Augen gestohlen und neugieriges Interesse und Staunen in blankes düsteres Wissen verwandelt hatte. Ein Ausdruck, der Unschuld vollkommen fortgewischt hatte und etwas Defensives und Trostloses zurückließ. 

 

Ein Ausdruck tiefer Besorgnis und ernster Wachsamkeit; alles eingehüllt in einem einzigen heimgesuchten Blick. 

 

Ein Blick, mit dem sie früher einzig und allein Gaara angesehen hatte. 

 

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Oh-oh-oh...what's going on mit Shikamaru??? Eins meiner persönlichen Lieblingskapitel ist da. Es war zwar auch sehr schwer, aber es war so interessant und hat so Spaß gemacht, diese Veränderung in Shikamaru zu schreiben. Es ist hier wirklich das erste Mal, dass seine dunklere Seite etwas durch kommt.

Ich hoffe sehr, dass euch das Kapitel gefallen hat und würde mich wahnsinnig freuen zu lesen, was ihr davon haltet!!! Natürlich auch in Bezug auf Asuma und Kakashi! ;) 
 

Vielen vielen Dank wie immer an alle meine treuen Reviewer/innen und Leser/innen! <3

Hate and Love

‚Wo ist Trickreich?‘

 

‚Er konnte mich nicht begleiten.‘

 

‚Aber ich habe Kekse für ihn.‘

 

‚Ich werde sie ihm von dir geben.‘

 

‚Und das habe ich für dich gemalt.‘

 

‚…Danke.‘

 

‚Das sind du und Trickreich! Er hat witziges Haar. Und du schläfst. Du hast sehr sehr lang geschlafen.‘

 

‚Das habe ich.‘

 

‚Das ist schon okay! Er gibt auf dich acht. Siehst du? Er ist traurig.‘

 

‚Traurig?‘

 

‚Yup. Als du geschlafen hast war er so traurig.‘

 

Neji blinzelte langsam und strich mit dem Daumen über die Kante des Bildes, das er zwischen seinen Händen eingerahmt hielt. Maki hatte die Details mit Buntstiften gezeichnet und das mit einer kindlichen Tendenz, die Welt in viel bunteren und kühneren Farbtönen zu sehen. Überspitzte Farben und Proportionen verliehen dem Leben, Erinnerungen und dem Augenblick, den sie eingefangen hatte, ein Gefühl von Bedeutsamkeit und Sentimentalität. 

 

Alles war in den Augen eines Kindes eine Farbexplosion und ein Wunder. 

 

Vielleicht lag es daran, dass ihre Farbpaletten breiter und die Pinsel ihrer Vorstellungskraft unbefleckt waren. 

 

Nejis Wahrnehmung war längst zu einem Grau verkommen. Selbst als Kind waren jede reiche Phantasie und Hoffnung zu dem klaren farblosen Schwarz und Weiß der Realität verwässert worden. 

 

Sein Blick wanderte langsam über Makis Bild. 

 

Während er an den Moment zurück dachte, den sie hier eingefangen hatte, fragte er sich, warum ihm die Welt nicht heller erschienen war, nachdem er es durch diesen gefährlichen schwarzen ‚Schlaf‘ geschafft hatte.

 

Ist es nicht eigentlich das, was passiert, wenn einem eine zweite Chance auf ein Leben gewährt wird?

 

Hätte er die Dinge anders sehen müssen? Eine tiefere Wertschätzung empfinden müssen für die Atemzüge, von denen er vergessen hatte, sie zu nehmen? Hätte er sich die Zeit nehmen sollen, diese Schattierungen und Farbtöne neu zu entdecken, die von der Säure dessen, was ihn beinahe umgebracht hätte, ausgebleicht worden waren?

 

Ist es denn überhaupt von Belang? Ich lebe.

 

Er hatte den Tod oft genug betrogen. Und dennoch, jedes Mal wenn er es tat, jedes Mal wenn er von dieser Kante des Nicht-Existierens zurückkehrte, verlor die Welt etwas mehr an Farbe.

 

Eines Tages…wird es anders sein.

 

Neji summte leise. Er war lebendiger als er es seit Monaten gewesen war – vielleicht sogar Jahren. Er hatte einen Sinn und eine Richtung und Kontrolle über den Zorn, der ihn immer weiter diesem Rand entgegen getrieben hatte. 

 

Niemals wieder.

 

Behutsam legte er die Zeichnung zwischen zwei Pergamentblätter und schob sie in das abschließbare Fach der Tansu Truhe, die in einer Ecke seines Zimmers stand. Elegant gefertigt wies die Kiste ein kompliziertes Blatt Design auf, das in die blasse Maserung des Kiri Holzes geätzt war. Hiashi hatte den Tansu für seinen Zwillingsbruder in Auftrag gegeben. Es war der einzige Gegenstand, den Neji besaß, der etwas von Wert enthielt. Teile der Vergangenheit wurden hier aufbewahrt; Teile, die sich zusammenfanden, um zumindest ein bisschen Farbe in seine Welt zu bringen. In den Augenblicken, wenn Erinnerungen entschwanden und fort gewaschen wurden. 

 

Seine Fingerspitzen strichen zärtlich über ein Stück Papier. Es steckte als Lesezeichen in einem Band mit Haiku Gedichten, die sein Vater immer gelesen hatte. Vorsichtig zog er das Papier heraus, warf einen raschen Blick auf das Gekritzel von Shikamarus Handschrift und steckte es rasch wieder zurück.

 

Er schob die Schublade zu. 

 

Es fühlte sich an wie ein vergeblicher Versuch, eine mentale Tür zu einer Erinnerung zu schließen – und all den anderen, die daran geknüpft waren. 

 

An ihn.

 

Neji ließ seinen Blick durch den Raum gleiten; milchige Seen verharrten auf seinem Futon. Sein Fokus richtete sich auf das Päckchen, das am Ende der Bettrolle lag. Er hatte es aus Hanegakure mitgebracht. Makis Kekse. Und er hatte vollkommen vergessen, das Geschenk Hibari mitzugeben und dem Rotschopf aufzutragen, es an Shikamaru weiter zu leiten.

 

‚Er gibt auf dich acht.‘

 

Neji starrte auf die grobe Kordel, die um das braune Geschenkpapier geschlungen war, folgte den Windungen in den Knoten und empfand eine merkwürdige Symmetrie mit den Sehnen seines Herzens. 

 

‚Er war traurig.‘

 

Neji schloss die Augen und wandte sich von dem Futon ab, während er krampfhaft die Kanten der Truhe umklammerte. Fast schon schmerzhaft spürte er, wie sich die Metallarbeit des eisernen Tansurahmens in seine Handflächen biss. Und er versuchte, eine ähnliche Eisenummantelung um die empfindlichen Ränder seines Herzens zu legen. 

 

Er konnte es nicht. 

 

Und das ist der Grund, aus dem ich mich fernhalten muss.

 
 

~❃~
 

 
 

Zahllose winzige Lichter. 

 

Sie funkelten über den Boden wie eingeschlossene Sterne. 

 

Die begehbaren Gärten von HOTARU fingen die Thematik des Glühwürmchens ebenso hingebungsvoll ein wie das Interieur des Ryokan. Kleine Teelichter schwebten an der Oberfläche flacher Teiche und das Wasser kräuselte sich in dem kurvenreichen Gleiten von Karpfen. Eine Reihe Laternen hing von den schlanken Armen gepflegter Bäume. Sie standen akkurat geschnitten entlang eines mit großen breiten Steinen gepflasterten Gehweges. 

 

Der Mond schimmerte herab, doch die Silberstreifen erschienen im Laternenlicht golden und silbrige Nebelwolken wurden von einer Brise zerfetzt. 

 

Energisch schüttelte Shikamaru den Gedanken an blutroten Nebel ab. 

 

Neben ihm verlangsamte Temari ihren Schritt. 

 

Der Schattenninja passte sich ihrem Gang an, als sie von dem steinernen Weg auf eine hölzerne Brücke traten. Die elegante Struktur bog sich tief über einen Seerosenteich. Halb versunkene Steinformationen erhoben sich aus den flachen Wassern und das Laternenlicht spielte funkelnd auf dem feuchten Stein. 

 

Die Kälte zwickte an Shikamarus Haut und grub sich tief. 

 

Träge drapierte seine Arme über die hölzerne Brüstung der Brücke und verschränkte die Hände mit einem festen Druck, der Gefühl zurück in seine tauben Finger zwang. Temari hielt neben ihm inne, doch er wandte sich ihr nicht zu. Er sah einfach nur hinunter auf den Teich und studierte das leichteste Wellenspiel, während er versuchte, zentriert zu bleiben. 

 

Roter Ahorn raschelte in der kalten Brise. 

 

Temari erschauerte ein einziges Mal. „Die Winde sind immer warm.“

 

Shikamaru drehte marginal den Kopf und spähte zu ihr hinüber. Temari hatte ihre Hüfte gegen die Brücke eingeknickt und einen Ellbogen auf dem Geländer abgestellt. Den anderen Arm hatte sie quer über die Brust geschoben, um die gegenüberliegende Schulter zu massieren. 

 

„Suna.“, sagte sie leise. „Trocken. Warm.“

 

Sie starrte hinauf zu einer kupfernen Regenkette, die dazu gedacht war, die Tropfen im Zentrum nach unten zu leiten und deren rostigen Schattierungen im schummrigen Licht bronzefarben wirkten. Aus dem Augenwinkel beobachtete Shikamaru sie ruhig. 

 

„Du reist morgen ab.“, erwiderte ebenso leise und hielt seine Intonation irgendwo zwischen einer Frage und einer Feststellung. 

 

Temari fuhr weiter fort, die Regenkette zu mustern und ihre Gesichtszüge wurden von den rußigen Tönen von Schatten und Flamme verschleiert. „Konohas Friede mit Hanegakure ist auch zu Sunas geworden. Es ist gut, Verbündete zu übernehmen. Du hast diese Mission sehr gut gemacht.“

 

Shikamarus Brauen zogen sich scharf zusammen und die Muskeln an seinen Kiefergelenken zuckten. 

 

Gerade, als sich Temari ihm zuwandte, drehte er den Kopf weg, erhaschte aber noch einen flüchtigen Blick auf diese karmesinroten Nägel, als sie die Arme auf der Brüstung kreuzte. „Wird Zeit, dass du endlich diese Beförderung bekommst.“

 

Shikamaru seufzte und widerstand dem Drang, seinen Kopf zwischen seine Arme hängen zu lassen. Er wollte wirklich nicht daran denken; geschweige denn darüber reden. 

 

„Kein Interesse.“

 

„Nein.“, stimmte Temari leise zu. „Das hast du wirklich nicht. Aber in deinem eigenen Revier sollte es ja auch sicher für dich sein, Angebote so unverblümt abzulehnen.“

 

Shikamaru grinste bitter und das Krümmen seiner Lippen war kaum bemerkbar. Als ob sein Interesse oder seine Versuche, eine Position der Verantwortung zu meiden, wirklich von Belang wären. Tsunade setzte ihn ohnehin schon ein, als würde er den Rang längst innehaben. Ein offizieller Titel hätte also keinen verdammten Unterschied gemacht.

 

„Allerdings.“, fuhr Temari fort und ihre Stimme senkte sich warnend. „Solltest du Gaara jemals wieder in eine solche Position bringen, dann verspreche ich dir, dass ich nicht zögern werde.“

 

Shikamaru presste die Lippen aufeinander und wrang die Hände zusammen, bis sich die Fingerknöchel hart genug zusammendrückten, um zu schmerzen. 

 

„Nicht zögern, was zu tun?“, köderte er und klang dabei gelangweilt. 

 

Aus verengten Augen warf sie ihm einen dunklen Blick zu. 

 

Einer von Shikamarus Mundwinkeln hob sich leicht. 

 

Temaris Nägel gruben sich in das Fleisch ihrer Arme, als sie sich von dem Geländer aufrichtete. „Willst du mich wirklich ködern?“

 

Shikamaru ließ die Frage in der Luft hängen und seine Gesichtszüge waren verschlossen; dunkle Augen wurden von seinen dichten Wimpern abgeschirmt, während er hinunter auf den Teich sah…auf den zerbrochenen Spiegel seiner Oberfläche. 

 

„Bin mir nicht sicher, ob du mich im Moment wirklich fragen solltest, was ich will.“ Er richtete die Frage an seine eigene Reflexion und beobachtete, wie sich die scharfen Winkel seines Gesichtes in Wellen kräuselten. 

 

Er fing das periphere Glimmen von Temaris Stirnband auf und schloss die Lider gegen das Aufblitzen eines ganz anderen Hitai-ate vor seinem inneren Auge. Und mit diesem Aufblitzen kam die Erinnerung an kalten Stahl und an diesen besonderen Augenblick, als das Konoha Emblem von seinem eigenen abgehackten Keuchen benebelt wurde. 

 

Und dann das Aufflammen tiefer opalhafter Iriden, die jeder noch so kleinen Bewegung seines Körpers folgten.

 

‚Gib dich mir hin, Shikamaru…‘

 

Shikamarus Lider flogen auf und er schluckte rau und schwer. 

 

Temari beobachtete ihn aufmerksam. 

 

„Wieso das?“, murmelte sie. 

 

Er hätte auf diese Frage dunkel lachen können.

 

Warum? Weil jetzt im Moment alles was er wollte, der schnellste Ausweg war, den er finden konnte. Das schnellste Mittel zum Zweck, um den Schmerz dieses Bedürfnisses und der Begierde zu betäuben, diesen zufälligen Fehlzündungen seiner eigenen Gedanken voraus zu sein und die Geister seiner Vergangenheit zu überwinden, die sich nicht aus dem Grab hätten erheben sollen, in dem er sie vor zwei Jahren begraben hatte. Wie zur Hölle es sein konnte, dass das alles ausgerechnet jetzt aufgewirbelt wurde, war jenseits seines Verständnisses; zumindest im Moment. Und er hatte auch nicht die geringste Chance, dahinter zu kommen, wenn er immer näher an sein Limit kam, was Schlafentzug anging. 

 

Wie zur Hölle kann es eigentlich sein, dass dein ‚Vier Uhr morgens‘ Mist zu meinem Problem geworden ist? Du bist fort und es hört verfickt nochmal nicht auf. Du hörst nicht auf…

 

Er stierte blicklos auf das Wasser und spürte, wie die Brise seinen Atem zerfetzte, als er in Nebelschwaden davon schwebte. Sein Kiefer verkrampfte sich und seine Zähne pressten sich hart aufeinander. 

 

„NARA!“

 

Der Ruf ließ Shikamaru zusammenzucken und sein Kopf schnellte nach oben, um über die Brücke zu spähen. 

 

Wie ein körperloser Kopf, der im Dunst schwamm, schwebte Kotetsus Gesicht über einer der Laternen und wurde durch das Licht in verrückte schädelähnliche Konturen getaucht. Er trug einen der Straßenpylonen Partyhüte. 

 

„Buh.“, wisperte er. 

 

Shikamaru legte die Stirn in Falten und richtete sich mit einem trägen Schwung auf. „Wie lästig.“

 

Kotetsus Gesicht spaltete sich zu einem breiten Feixen und seine Zähne blitzten in der Dunkelheit auf. „Ah, du hast mich sehr verletzt, Nara. Wir sind doch ein Team und alles.“

 

„Team?“, fragte Temari und hob eine goldene Braue. 

 

Shikamaru warf ihr einen halbherzigen Blick zu, der müde und wortlos ‚bring mich nicht dazu, das zu erklären, es ist ein gottverdammtes Drama‘ vermittelte. Und so zuckte sie nur mit den Achseln und verschränkte die Arme, während sie neugierig in Kotetsus Richtung spähte, als der Chūnin über die Brücke stolziert kam. 

 

„Ich unterbreche doch nichts?“ Er wackelte schmeichlerisch mit den Augenbrauen. 

 

„Nein.“, erwiderten Shikamaru und Temari wie aus einem Mund und beide sahen sich für einen Moment verlegen an, bevor sie den Blick abwandten. 

 

Kotetsu schielte kritisch zwischen ihnen hin und her und stemmte die Hände in die Hüften. 

 

Und dann schnaubte er mit spielerisch funkelnden Augen. „Klaaaar.“

 

Shikamarus Miene wurde mörderisch. „Ich kann mich nicht daran erinnern, deinen Namen auf der Gästeliste gesehen zu haben.“

 

Kotetsu krallte eine seiner Hände über sein Herz. „Ah, das hat weh getan.“

 

„Idiot.“, seufzte Shikamaru und rieb sich die Augen. 

 

„Sie haben quasi darauf bestanden, mich rein zu lassen. Ist es denn meine Schuld, dass ich einfach unwiderstehlich für die Ladys bin?“ Kotetsu zuckte mit den Achseln und tat so, als müsste er die Last seiner selbst verliehenen Unwiderstehlichkeit von einer Schulter auf die andere verlagern. 

 

„Hat denn auch eine Lady deine Nase neu sortiert?“, fragte Temari und hob etwas das Kinn, um damit auf die Bandage über Kotetsus Nase zu deuten. 

 

Der Chūnin lachte auf und strich mit dem Daumen über das weiße Gewebe. „Tja, dahinter steckt eine verdammt spannende Geschichte.“

 

„Hab Spaß dabei, sie damit zu erfreuen.“, murmelte Shikamaru, vergrub die Hände in den Taschen und begann, zurück über die Brücke zu schlendern. 

 

„Ich war gerade dabei, Ino zu erfreuen, bevor sie mich schamlos benutzt hat.“, seufzte Kotetsu und spähte wachsam zu Temari. „Weiber.“

 

Temari hob eine Braue. Doch Shikamaru hörte sofort auf zu laufen, ließ jeden Anschein eines Gesichtsausdruckes fallen und warf einen undeutbaren Blick über die Schulter auf den anderen Chūnin. 

 

„Dich benutzt?“

 

„Jo!“ Kotetsu wirbelte auf dem Absatz herum und sein Pylonenhut neigte sich zu einer Seite, als er sich mit scharfen Bewegungen gegen die Schläfe klopfte. „Sie hat sich total verrückt die Kontrolle über meinen Kopf gekrallt. Ich habe gegen meinen Willen für zwei Flaschen Sake bezahlt!“ Kotetsu machte eine Pause. „Mann, das ist wie Verstandvergewaltigung. Ich war bewusstlos und alles.“

 

„Bewusstlos?“ Shikamarus Brauen zogen sich ruckartig und scharf zusammen. 

 

„Jo, das soll einer verstehen, huh?“, schnaubte Kotetsu. „Und dabei ist sie diejenige, die besoffen ist. Das Jutsu hätte gar nicht funktionieren dürfen.“

 

„Was nicht besonders für dich spricht.“, schlussfolgerte Temari leichthin, doch ihre Augen blieben auf Shikamaru gerichtet und schätzten neugierig seine Reaktion ein. 

 

Während er Kotetsus empörte, aber spielerische Verteidigung vollkommen ignorierte, bekämpfte der Nara den Drang, sich zornig mit den Fingern durch das Haar zu fahren. Obwohl er sich eigentlich sogar mehr danach fühlte, seine verdammten Finger an der Innenseite seines Schädels entlang kratzen zu lassen, um nach all den nachhallenden Spuren einer möglichen Invasion zu greifen, die er nicht hatte kommen sehen. 

 

Gott, wenn sie…

 

Zorn und Anspannung stiegen rasant bis zu einer alarmierenden roten Zone in seinem Blut an und er fluchte innerlich. Als Kotetsu ihm hinterher rief, hatte er die Brücke bereits überquert. 

 

„He! Wo gehst du hin?“

 

Ino umbringen.

 
 

~※~
 

 
 

Ein blondes und lilanes Spektakel zog Shikamarus Aufmerksamkeit auf sich, kaum dass er das Esszimmer wieder betreten hatte. 

 

Ein Spiel von ‚Lass den Ballon mit den Dämlichen Hüten platzen‘ war in vollem Gange. 

 

Naruto und Hinata gegen Kiba und Ino. 

 

Allerdings schien Ino den Sinn des Spiels nicht ganz verstanden zu haben. Denn statt Kiba auf dem Spielfed zu unterstützen, schien der Inuzuka eher Ino auf ihren beiden linken Füßen zu stützen. 

 

Und im Grunde sah Ino so aus, als würde sie mit Kiba tanzen. 

 

Oder eher, Kiba antanzen.

 

Einen Arm hatte sie wie eine langjährige Geliebte um seinen Hals gelegt und sie schwang aufreizend ihre Hüften, während sie auf den Fersen schwankte um zu versuchen, die Ballons mit ihrem Hut platzen zu lassen. In ihrer anderen Hand hielt sie ein bauchiges Glas, dessen Inhalt über den Rand schwappte. 

 

Ihr glasigen blauen Augen blitzten immer wieder zu Sakura und Hibari, die am Tisch saßen. 

 

Während Kiba zwar lachte, schien er deutlich besorgter darum zu sein, Ino aufrecht zu halten, statt sich zu gestatten, auf die Aufmerksamkeit zu reagieren, die sie im körperlich zuteil werden ließ, als wäre sie eine läufige Hündin. 

 

Shikamarus Augen zogen sich gefährlich zusammen. 

 

Dämliches, leichtsinniges, lästiges Mädchen.

 

Mit langen Schritten begann er, die Distanz zu schließen und egal wie sehr er versuchte, sein Gesicht zu einem blanken Pokerface zu zwingen, etwas von seinem inneren Aufruhr sickerte hindurch.

 

Und Kiba bemerkte es sofort. 

 

Seine Nasenflügel bebten mit einem raschen Schnuppern und nahmen das wahr, was nichts anderes sein konnte als die Scheiße, die ordentlich am Dampfen war. 

 

Schlagartig hörte er auf, über das zu lachen, was auch immer Ino ihm ins Ohr gelallt hatte und richtete seine Aufmerksamkeit auf Shikamaru. Auch Hinata folgte dem Blick des Hundeninjas und schnappte hektisch den Ballon aus der Luft, womit sie wiederrum Naruto verwirrte, der überhaupt nichts anderes mitzubekommen schien als die Tatsache, dass das Spiel offenbar abrupt abgebrochen wurde. 

 

„Hey, was ist denn los?“

 

Kiba versuchte energisch, sich von Ino zu befreien, ohne sie aus dem Gleichgewicht zu bringen und die dunklen Schlitze seiner Iriden spannten sich immer mehr an, je näher Shikamaru kam. 

 

Glücklicherweise stürzte sich Ino auf ihn, bevor einer der Männer etwas Unüberlegtes tun konnte.

 

„Da bist du jaaaaa!“

 

Als wäre sie ein gelangweiltes Kind ließ sie Kiba links liegen und warf ihre Arme um Shikamarus Hals, um sie gemeinsam in einem Kreis herum zu drehen, der dem taumelnden Schwappen ihres Getränks entsprach. Es wirbelte in einem rubinfarbenen Schwall durch das Glas; rot wie der Zorn, der sich auf Shikamarus steifen Gesichtszügen auszubreiten drohte. 

 

Doch hier konnte er sie nicht konfrontieren. 

 

„Du hast mich nicht sitzen lassen!“ Ino grinste. 

 

Shikamaru schnitt eine Grimasse wegen des fruchtigen Atems, der ihm ins Gesicht schlug. Er musste einen Arm um ihre Taille schlingen, damit sie nicht umfiel, als sie auf ihren dünnen Absätzen schwankte. Kiba verließ schlagartig die Szenerie, indem er sich mit Naruto und Hinata an den Tisch zurückzog, um sich etwas mehr von dem Kuchen zu holen und der glazialen Spannung zu entgehen, die Shikamarus Gesicht überfrostete. 

 

„Ino…lass mich sofort los.“, knurrte der Schattenninja.

 

„Warum? Kiba mag mich.“ Ino folgte mit beschatteten Augen den Bewegungen des Hundeninjas und grinste, während sie sich über Shikamarus Arm hängte und ihn so dazu zwang, einen Fuß nach hinten zu setzen, um das Gleichgewicht für sie beide halten zu können. „Jemand mag mich.“

 

Ruckartig zerrte Shikamaru sie in die Aufrichtung. 

 

Ino jaulte auf und presste sich ihren Drink gegen die Brust. „Auuuu!“, wimmerte sie. 

 

Zornig zischte er ihr ins Ohr: „Reiß dich verfickt nochmal zusammen und stell dich hin.“

 

„Ich stehe doch, du…du blöder Arschhhh!“, lallte sie. 

 

Shikamaru grub tief in sich nach Geduld und blinzelte zweimal. „Hast du dein Jutsu bei Kotetsu angewandt?“

 

Ino nickte nachdrücklich und legte einen Arm um seine Schultern, um sich stützen. „Wo ist er hin?“

 

„Hast du es bei mir benutzt?“

 

Ino hörte ihm nicht zu. „Wo ist Temariiii?“

 

Shikamaru richtete seinen Griff an ihr neu aus und schob sie zurück zum entferntesten Ende des Tisches, während er versuchte, dem Stampfen ihrer Hacken auszuweichen. „Halt den Mund und setz dich hin.“

 

Ino schob schmollend die Unterlippe vor. „Awww, sie denkt, sie wäre zu gut für meinen Shikamaru?“ Ino giggelte und ihre Stimme lallte singsangartig in sein Ohr. „Hey, auf was achtest du denn eigentlich überhaupt bei einem Mädchen?“

 

„Abstand.“, blaffte er sie an, setzte sie auf einem der Stühle ab und schubste sie von sich, als sie versuchte, schon wieder ihre Arme um seine Schultern zu schlingen. „Lass das.“

 

„Awww, sei nicht so!“ Ino drehte schwunghaft ihr Handgelenk und verschüttete noch mehr rotes Zeug über die Glasschale und ihre Finger. „Du hast doch einen Harem, Shika!“

 

Shikamarus Miene wurde vernichtend, als er ihren Arm packte und das Glas aus ihren klebrigen Fingern zerrte, um es auf dem Tisch abzustellen. Energisch stieß er ihre Hände fort, als sie sich erneut nach ihm ausstreckten. 

 

„Hör auf damit.“ Er senkte die Stimme. „Du benimmst dich wie der letzte Idiot und es fängt an, mich wirklich anzupissen.“

 

Ino zog den Kopf zurück und Verletztheit machte sich auf ihrem Gesicht bemerkbar, bevor sich ein irrationales wildes Flackern in ihren berauschten blauen Augen verfing. „Oh? Bin ich dir peinlich?“, schnappte sie erhitzt. „Lass ich dich schlecht dastehen, Missster Schwessstern Bumssser?“

 

Shikamarus Kiefer verhärtete sich zu Stahl. „Nett. Wirklich nett.“

 

Ino feixte säuerlich und tastete den Tisch nach ihrem Glas ab, hielt die Augen aber weiterhin auf ihn fixiert. „Mach schon!“ Mit einem hochmütigen Rucken des Handgelenks winkte sie ihn davon. „Mach und geh Temari an die Wäsche. Das ist doch eh alles…alles, was ihr Kerle wollt.“

 

Shikamaru runzelte die Stirn und seine dunklen Augen suchten aufmerksam ihr Gesicht ab. Er konnte geradezu spüren, wie sie Rücksichtslosigkeit in Wellen ausstrahlte. Und wenn man dieser Rücksichtslosigkeit seinen Zorn hinzufügte, könnte selbst ein Magic 8 Ball das Ergebnis vorhersehen. 

 

Beruhige dich.

 

Bedächtig atmete er durch die Nase ein und glättete seine Stirn, um ihr mit einem kühlen Blick zu begegnen und ihr Pathos abzufangen, indem er nicht darauf reagierte. Hoffentlich würde sie diese Taktik zum Schweigen bringen. 

 

„Du bist betrunken.“

 

Ino schniefte spöttisch und klatschte eine Hand gegen seine Schulter, um ihn weg zu schubsen. „Ich bin nicht betrunken. Ich bin glücklich.

 

Shikamaru fing ihr Handgelenk ab und pinnte es an der Seite ihres Stuhles neben dem Tisch fest, während er ununterbrochen versuchte, keine Aufmerksamkeit auf sie zu ziehen. 

 

Er hielt seine Stimme leise und so ruhig wie möglich. „Und du kannst auch sitzen bleiben und glücklich sein.“

 

„Und du kannst mich an meinen hübschen Arsch lecken.“ Ino versuchte, ihm gegen das Schienbein zu treten und verfehlte ihn komplett. 

 

Shikamaru ging in die Hocke und beugte sich nach vorn. Seine Stimme verhärtete sich zu demselben Stahl seines Griffes, als er ihr Handgelenk festhielt, da er eine Ohrfeige vorhersehen konnte, sollte er sie loslassen. „Wenn du dich nicht beruhigst und den Mund hältst, dann werde ich deinen unerträglichen nervigen Arsch schattenbesitzen und dich hier raus zerren.“

 

Ino blinzelte eulenhaft und ihre Wangen erröteten, während sich ihre Lippen geschockt öffneten. 

 

Sie starrte ihn an wie ein verletztes, weitäugiges Kind und das für die vollen paar Momente, die es brauchte, bis seine Worte bis in ihren benebelten Verstand gedrungen waren. Und dann brach sie laut genug in Gelächter aus, dass sich Augen auf sie richteten und sich Köpfe drehten. Shikamaru verzog innerlich das Gesicht und ließ sie los, doch eine finstere Miene stand überdeutlich auf seinen Zügen, als er sich auf den Stuhl neben ihr setzte und außer Sichtweite verschwand. 

 

„Ino.“, warnte er leise, aber ohne irgendeinen Erfolg. 

 

„Du willst mich misshandeln, Mann!“, lachte sie, schubste ihn spielerisch und jede Spur ihrer Wut machte Belustigung Platz, als sie diese Worte hin und her drehte. „Du..du Mannmisshandler.“

 

„Mannmisshandler?“, fragte Sai perplex von der anderen Seite des Tisches. „Sind Frauen denn nicht deine Präferenz, Shikamaru-kun?“

 

Ein verheerendes Schweigen senkte sich über den Tisch. 

 

Stille – abgesehen natürlich von Ino. Sie begann unkontrolliert in ihren Arm zu prusten und ihr flachsfarbener Pony bebte unter ihrem Lachen. Shikamaru bewegte krampfartig den Kiefer gegen die Spannung, ergriff aber die Gelegenheit, die Aufmerksamkeit umzulenken. 

 

Aus den Augenwinkeln warf er Sai einen äußerst flachen Blick zu. „Es muss weh tun, du zu sein.“

 

„Sai!“ Naruto stieß ihn mit dem Ellbogen an. „Was zur Hölle? Du kannst doch nicht einfach so mit sowas kommen.“

 

„Aber so nennt man das doch.“, erwiderte Sai und rieb sich die Rippen. „Coming out.“

 

Kiba spähte von unter dem Tisch hervor und sprach um einen Mund voll Kuchen herum, den er sich mit Akamaru teilte. „Wer hat sein Coming-out?“

 

Narutos Miene verfinsterte sich. „Mann Kiba, ermutige ihn nicht auch noch.“

 

Währenddessen angelte Sai in seiner Tasche nach etwas und legte ein Buch auf dem Tisch ab, bevor er durch mit Eselsohren versehene Seiten blätterte. „Hier steht, dass es ein harter aber stärkender Weg ist.“

 

„Aus dem Kämmerchen zu kommen?“, kicherte Kiba, während er sich Hintern voran unter dem Tisch heraus wand, um sich wieder auf einen Stuhl zu setzen. 

 

„Kämmerchen? Ist das sowas wie ein Schrank?“ Sai legte die Stirn in Falten. 

 

„Mein Schrank ist lila!“, verkündete Ino und wedelte mit einem Strohhalm herum. Sie ließ ihn über ihre vollen Lippen wandern und warf Kiba einen verführerischen Blick zu. „So wie die Spitzen-Teilchen, die ich darin aufbewahre.“

 

Kiba verschluckte sich zur selben Zeit an seiner Zunge wie Naruto. 

 

Shikamaru dachte darüber nach, welche Strafe ihn wohl erwarten würde, sollte er seine Teamkameradin erwürgen und ließ hinter seiner Handfläche die Wimpern fallen. Sein Verlangen, Ino zu strangulieren, lenkte ihn jedoch nicht von der Tatsache ab, dass er sie von jedem Mann in der Nähe fernhalten musste, bevor sie sich vollkommen blamierte. 

 

Wo zur Hölle ist Chōji? Eigentlich sollte er derjenige sein, der sich um sowas kümmert.

 

Shikamaru rieb sich die Lider, nur um sie gleich darauf in weitäugigem Schock aufzureißen, als Ino begann, mit den Fingern über seine Haarlinie zu streicheln. 

 

„Awww, ist schon okay, Shikamaru.“ Sie tätschelte ihn sanft. „Ich werde schon ein nettes Mädchen oder Jungen für dich finden.“

 

Ruckartig zog er den Kopf von ihrer Berührung fort und stieß unwirsch ihre Hand beiseite. „Fass mich nicht an.“

 

Ino presste sich in einem bemitleidenden schmalen Schmunzeln die Lippen aufeinander. „Du kannst ruhig weinen. Ich werde dich nicht verurteilen.“

 

Shikamarus Augen fixierten sich auf ihren Mund und bemerkten die Flecken, die ihr Getränk dort hinterlassen hatte, bevor sich sein Blick auf das Glas richtete, das er ihr weggenommen hatte. „Was hast du getrunken?“

 

Ino grinste breit. „Irgendwas fruchtig-tuckiges.“

 

Auf der anderen Seite des Tisches blätterte Sai durch die Seiten seines Buches. „Hier steht, dass ‚tuckig‘ auch ‚homosexuell‘ bedeuten kann.“

 

Shikamaru suchte nach einer Flasche und überlegte, ob es sich besser anfühlen würde, sie an seinen Mund zu hängen, oder sie Sai über den Schädel zu ziehen. Doch Naruto reagierte für den ganzen Tisch. Sein Kiefer klappte fassungslos nach unten und sein Kegelhut neigte sich prekär auf eine Seite, als er auf seinem Stuhl herumwirbelte und seinen Teamkollegen entgeistert anstierte. 

 

„Sai!“

 

Kiba nickte nur weise. „Ich glaube, wir sehen alle ziemlich tuckig aus mit diesen dämlichen Hüten.“

 

„Kiba!“

 

Neugierig sah Sai auf Kibas Hut. „Ist es denn tuckig, Hüte zu tragen?“

 

„Sai, würdest du die Klappe halten?!“ Naruto schnappte sich das Buch aus den Händen seines Teamkameraden und pfefferte es wie eine Handgranate, die jeden Moment hochgehen konnte, durch den Raum. „Warum zur Hölle liest du sowas?“

 

„Ich glaube, Naruto hat Angst, dass du ihn versehentlich outest.“, erklärte Kiba dem kalkgesichtigen und tief verwirrten Sai. 

 

Naruto schnellte zu Kiba herum und der Rand seines Partyhutes verdeckte seine Sicht als er drohend mit einer Gabel in Shinos statt Kibas Richtung stach. „Nimm das zurück!“

 

Doch Kiba lachte nur wölfisch und ließ die Zähne aufeinander schnappen. „Bring mich doch dazu, Turteltaube.“

 

„Turteltaube?“, fragte Sai.

 

„Das ist der Kosename für ihre Liebhaber.“, zwitscherte Sakura über den Tisch und streichelte den kleinen orangenen Vogel auf Hibaris Schulter. 

 

Sai blinzelte. „Wirklich?“ 

 

„NEIN!“, bellten Kiba und Naruto wie aus einem Mund. 

 

„Doch!“, plärrte Ino und legte ihre hohen Hacken auf der Kante ihres Stuhles ab, als sie herum wirbelte und Shikamaru mit ihrem Haar ins Gesicht peitschte. 

 

Ugh.

 

Diese Nacht verwandelte sich in etwas, das surreal genug war, dass sich der Schattenninja ernsthaft fragte, ob ihm jemand etwas in seinen Kaffee gemischt hatte. Zu schade, dass das nicht der Fall war. Denn das hätte zumindest Sinn gemacht. Er lehnte sich von Inos tatschenden Fingern weg, als sie die Arme und ihren Rücken nach hinten bog, um ihm kopfüber eine Entschuldigung entgegen zu lallen. 

 

Stur starrte er auf die Tür und betete darum, das Chōji endlich auftauchte. 

 

Währenddessen war Naruto damit beschäftigt, mit einer Faust unter Sais Nase herum zu fuchteln. „Ich bin nicht Teil dieses Teams, Idiot!“

 

„Ich glaube nicht, dass du ein Team hast, Naruto.“, neckte Sakura. 

 

Und schockierender Weise erhob jetzt Shino die Stimme aus der gedämpften Dunkelheit seines Mantelkragens und ließ seine Worte ruhig über den Tisch schweben. „Vielleicht tendierst du auch zu beiden Teams, Naruto. Warum? Weil du eine Neigung dazu hast, überspitzte und defensive homophobische Qualitäten zu zeigen.“

 

„Stimmt.“ Kiba klopfte Shino auf die Schulter. 

 

Der Aburama nickte ein einziges Mal. „Und dazu kommt auch noch die Tatsache, dass deine Überreaktionen für gewöhnlich vollkommen unbegründet sind. Also frage ich, was das wohl bedeutet?“

 

„Das Offensichtliche.“ Tenten hob den Blick von dem Sternzeichenbuch und wirbelte Messer und Gabeln über ihre Knöchel als wären es Kunai. „Die Lady, dünkt mir, protestiert zu viel.“

 

Naruto blinzelte und richtete sich ruckartig auf seinem Stuhl auf. „Whoa, wie hast du mich gerade genannt?“

 

„Einen Ladydog!“, giggelte Ino und warf ihre Arme in die Luft wie eine Cheerleaderin, wobei sie gerade so Shikamarus Kiefer verfehlte, als er sich duckte. 

 

Er streckte einen Arm an ihr vorbei, ergriff ihr Getränk und die dazugehörige Flasche, um es außerhalb ihrer Reichweite zu schieben, ohne dass sie es merkte. 

 

„LADY WAS?“ Naruto donnerte seine Hände auf den Tisch und schob sich mit einem vor Beleidigung rotem Gesicht auf die Füße; seine Nasenflügel bebten zornig. „Ich bin niemandes Hün-“

 

„Lady, dünkt…“, korrigierte Lee und hob einen Zeigefinger. „Das ist archaisch, Naruto.“

 

„Lee hat dich gerade als alte Frau bezeichnet, Naruto.“, krähte Kiba und sein Grinsen wurde durch seine spitzen Fangzähne noch schärfer. „Weil du auch wie eine kämpfst.“

 

Schlagartig sprang Naruto mit geballten Fäusten auf seinen Stuhl. „Na los, komm her und sieh was passiert.“

 

Ino klatschte begeistert in die Hände. „Oh yeah, Hundekampf!“ Sie streckte ihre Finger nach ihrem Glas aus, ergriff aber nichts als Luft, woraufhin sie sich auf ihrem Stuhl umwandte. „Heeeee, wo ist mein Drink?“

 

„Weg.“, knurrte Shikamaru mit den Augen weiterhin auf den Ausgang gerichtet. „So wie ich innerhalb der nächsten fünf Sekunden.“

 

Inos Augen weiteten sich und sie drehte sich ihm zu, um sich in seinem Ärmel festzukrallen. Shikamaru starrte stur auf die Tür. 

 

„Bitte geh nicht.“ Sie stieß einen nach oben gerichteten Atemzug aus, um ihre Strähnen von ihren Augen weg zu pusten und blinzelte durch den Raum. „Wo ist mein Chōji? Ich will, dass meine Jungs zusammen sind!“

 

„Eh?“ Naruto hielt mitten in der übertriebenen Darbietung einer männlichen Pose inne und sah entsetzt auf Ino hinunter. „Du willst was?“

 

„Na dass ihre Jungs zusammen sind.“, echote Sai leise und blätterte durch ein anderes Buch. „Ich glaube, dass sie damit auf ein sehr beliebtes Genre in der Fiktion von Frauen anspielt. Hier steht auch, wie es genannt wird und zwa-“

 

„Würdest du es endlich gut sein lassen!“, plärrte Naruto und schwang seine Faust, wobei er Sais Hut mit einem lauten ‚PENG‘ in einen Ballon hämmerte. 

 

Shikamaru zuckte zusammen und kam abrupt auf die Füße. „So…das war’s.“

 

Ino klammerte sich an sein Handgelenk. „Lass mich nicht allein, es ist mein Geburtstag! Es ist uuunssser Geburtstag. Du hast es versprochen.

 

„Ino…“, fauchte er, doch das Grollen zerbrach angesichts des wässrigen Schleiers über ihren Augen. „Wag es ja nicht.“

 

Ino begann zu schniefen und biss sich hart genug auf die Lippe, um Shikamaru erkennen zu lassen, dass sie diese Wasserspiele diesmal nicht vortäuschte. Ihre blauen Seen begannen sich zu füllen und glitzerten mit einem Schein, der drohte, in einem schmalen Strom über die spitze Barriere ihrer Wimpern zu rinnen. 

 

„Ino.“, seufzte er durch zusammengebissene Zähne. 

 

Die Yamanka sackte auf ihrem Platz zusammen und starrte auf seinen verwaisten einsamen Stuhl. „Ich will doch nur, dass das Team zusammen ist.“

 

Wie ein geprügeltes Kind fiel sie mit einem gebrochenen Schluchzen nach vorn auf ihre Arme und machte diese kleinen ruckartigen Bewegungen, die Shikamaru zeigten, dass ihr emotionaler Damm näher am Brechen war als es der in seinem Verstand zu diesem Zeitpunkt war. 

 

Gottverdammt…

 

Er fluchte leise, scannte den Raum in einem vergeblichen Suchen nach Chōji und fing stattdessen Sakuras Blick auf. Mit einem leichten Heben des Kinns und einem vielsagenden Blick auf Ino winkte er sie zu sich. Die pinkhaarige Kunoichi bahnte sich ihren Weg um den Tisch herum auf ihn zu und sah mit einem Ausdruck peinlich berührter Entschuldigung auf die Yamanaka. 

 

„Sie ist wirklich durch.“

 

„Sag bloß.“, seufzte Shikamaru. „Weißt du, wo Chōji ist?“

 

Sakura gestikulierte zur Tür. „Ich glaube, er hat Hinata vorhin in der Küche geholfen.“

 

Ah…klar.

 

Shikamaru schüttelte den Kopf und ein leichtes Schmunzeln zupfte an seinen Mundwinkeln. „Klar. Danke.“

 

Sakura nickte und sah zu, wie sich der Schattenninja über eine wimmernde Ino beugte. Seine Hände schwebten unbeholfen an ihren Schultern und suchten nach dem besten Winkel, um sie zu fassen. 

 

„Shikamaru…“ Sakura beobachtete ihn unsicher und versuchte ihr Möglichstes, mit einem grimmigen Lächeln Unterstützung anzubieten, das sich rasch zu einer Grimasse verzerrte. „Vielleicht solltest du nicht…“

 

Ein weiser Rat. Gottverdammt richtig; er sollte nicht. 

 

Das wird weh tun.

 

Er ahnte bereits das Ergebnis voraus, das stark auf Inos Neigung beruhte, widerwärtig aggressiv zu werden, wenn sie sich derart weit in einen lästigen Winkel ihres inneren Zauberwürfels verirrte. Und dazu kam auch noch die Tatsache, dass sie mehr als nur ein bisschen bedient war. 

 

Sich vorsichtig voran tastend schnippte er gegen ihren Kopf. „Zeit zu gehen, Prinzessin.“

 

Ino versteifte sich angesichts dieses verabscheuten Spitznamens und grollte in ihre Armbeuge. 

 

„Ich hasse dich!“, blaffte sie und ließ eine Hand nach außen schnellen, um grob in seine Richtung zu schlagen; ihre Stimme zitterte und war schwer von Tränen. „Geh weg!“

 

„Ich wünschte“, knurrte er zurück, packte ihren herumfuchtelnden Arm und zerrte sie auf die Beine. „Komm schon, Bewegung.“

 

„Du bist so ein Mistkerl!“ Ino ballte eine Hand zur Faust und ließ sie auf seine Brust niederfahren, nur um gleich darauf ihre Stirn dorthin sinken zu lassen, während sie stöhnte und nach vorn schwankte. „Ich hasse dich.“

 

Shikamaru seufzte und begegnete Sakuras Blick über den blonden Bogen von Inos Pferdeschwanz hinweg. Die Lippen der Haruno pressten sich zu einem angespannten leichten Lächeln zusammen, doch Besorgnis schimmerte in ihren Augen. 

 

„Nicht gerade die klügste Idee, Shikamaru.“

 

Der Nara brachte ein erzwungenes schwaches Lachen zustande, dass zu einem bellenden Husten wurde, als Ino hart gegen seine Brust schlug. Ihre Faust donnerte wieder und wieder nach unten, als sie ihren Frust heraus hämmerte und jeder Hieb etwas schwächer wurde. 

 

Sakura verzog das Gesicht. „Brauchst du Hilfe?“

 

„Jo, morgen, wenn ich grün und blau bin.“, scherzte er schwach und schlang einen langen Arm um Inos Taille, um sie davon abzuhalten, sich zurück auf den Stuhl fallen zu lassen. „Könntest du Chōji rüber schicken?“

 

Sakura salutierte ihm mit den Fingerspitzen und nickte. „Na klar. Ich geh ihn sofort suchen.“

 

„Danke.“

 

„Ich hätte ihn haben können, wenn ich gewollt hätte.“, wimmerte Ino und ließ den Worten etwas folgen, das halb Grollen, halb Kichern war. „Wo ist Chōji? Chōji liebt mich.“

 

Shikamaru bedachte sie mit einem perplexen Blick. „Jo, er wird begeistert sein zu sehen, wie du dich wie ein Idiot aufführst.“

 

Ino versuchte, ihn von sich zu schieben. „Ich hasse dich.“

 

„Danke.“ Shikamaru wandte seine Aufmerksamkeit der Tür zu und holte entschlossen Luft, die ihn beinahe sofort wieder schlagartig entwich, als Ino ein erneutes Trommelfeuer ihrer Fäuste gegen seine Brust begann. „Hör auf, mich zu schlagen, oder ich-“

 

Ino heulte irgendetwas Klagendes und Bemitleidenswertes hervor, das wie ein weinendes Tier klang. 

 

Shikamaru seufzte in ihr Haar. 

 

Wie lästig.

 
 

~❃~
 

 
 

‚Wie zur Hölle machst du das? Wie zur Hölle kannst du das hier unterdrücken?‘

 

Die Worte suchten ihn noch immer heim. 

 

Sie hielten sich ebenso hartnäckig wie dieser törichte Zwang, der ihn jetzt antrieb.

 

Neji wusste das, doch nicht einmal dieses Wissen konnte die Sehnsucht aufhalten. 

 

Ich kann es immer noch nicht unterdrücken. 

 

Es zog sich wie ein wellenförmiges Heben und Senken durch ihn, trieb ihn vorwärts und zerrte ihn fort; alles in derselben Bewegung. Kleine Körner der Vernunft glitten vor und zurück, als ein dumpfer Schmerz mitten in seiner Brust strandete. 

 

‚Ich werde davon laufen. Einer von uns muss es tun.‘

 

Neji bog scharf nach rechts ab und änderte damit bereits zum siebten Mal die Richtung. Ununterbrochen feuerte sein Verstand einen tadelnden Schwall ab. 

 

Du hast versprochen, dass du davon fort laufen würdest. Das hast du getan. Jetzt halte dich fern.

 

Der Schmerz sank noch etwas tiefer in seine Brust. 

 

Er katapultierte sich auf ein höheres Level, als versuchte er, diesem Kummer zu entkommen und lief über den Rand eines Gebäudes, das nahe bei der Akademie stand. Bedächtig sprang er hinunter auf eine Dachterrasse. Während das Haus größtenteils leer stand, war dieser Teil von einem großen quadratischen Sitzbereich dominiert, der von einem Dach geschützt und beschattet wurde. 

 

Wer hätte das gedacht…?

 

Er hatte sich keinen Kurs vorgezeichnet, was dazu geführt hatte, dass er sich irgendwie willkürlich durch das Dorf bewegte und seine Route in mehreren Stops und Starts resultiert war. Doch im Grunde hatte er auch gar nicht vorgehabt, sein Ziel wirklich zu erreichen; nur, es zu umkreisen wie eine Feder, die im Griff eines unerschütterlichen Strudels gefangen war. 

 

Neji atmete einen Strom aus Luft aus und sah zu, wie sie vom Wind fort gejagt wurde. 

 

Morgen würde er einen Weg finden, dem nächsten kalten Windhauch aus Konoha hinaus zu folgen. Eine weitere Mission, ein weiteres Mittel zum Zweck, ein weiterer Schritt zu seinem finalen Ziel. Eine Mission mehr bedeutete immer eine Gelegenheit mehr, all die Teile zu finden, die so grob von dem Brett gezerrt worden waren, das er vor Wochen auf den Kopf gestellt hatte. 

 

Keine weißes Blatt Papier, nur eine Neupositionierung von Teilen…ist es nicht so, Nara?

 

Neji spürte, wie die Spuren eines Lächelns an der Gefühlslosigkeit seiner Lippen zupften. 

 

Er begab sich tiefer in die Schatten; ein dunkles Band über einem hölzernen Platz. Er kannte diesen Ort. Wusste, dass Shikamaru ihn immer wieder zu einem Zweck aufsuchte, den Neji einst überhaupt nicht nachvollziehen konnte. 

 

Doch ein brennender Sonnenuntergang und ein eiskalter Sonnenaufgang vor zwei Wochen hatten das geändert. 

 

Energisch versuchte er, die Kühle der Luft und den Griff der Erinnerung abzuschütteln und setzte sich, bevor er sich nach hinten auf das breite Holz legte, um hinauf in den Himmel sehen zu können. Seine Mondsteinaugen folgten den Wolken, die in einem unheimlichen Hauch gegen den Hintergrund aus endlosem Schwarz und unzähligen Sternen erleuchtet wurden.

 

Er würde auf den Sonnenaufgang warten. 

 

‚Sonnenaufgang, huh? Schätze mal, dass ich ein weiteres beschissenes Hallo aushalten kann…‘

 

Neji blinzelte langsam und kämpfte darum, die Augen nicht vollkommen zu schließen. 

 

Könntest du einen weiteren Abschied ertragen?

 

Er sah zu, wie eine Wolke über den Mond schwebte und lächelte traurig. 

 

Alles Gute zum Geburtstag…Shikamaru.

 
 

~❃~
 

 

„Zieh sie aus.“

 

„Nein.“

 

„Zieh sie aus!“

 

„Nein!“, plärrte Ino ungraziös zusammengesackt vom Boden hoch und ihre tränenüberströmten Wangen waren zornrot. Sie stierte zu dem abgespannten Schattenninja hinauf. „Mistkerl!“

 

Shikamaru wich einem Schlag aus, während er vor ihr in die Hocke ging. „Wenn du sie nicht ausziehst, dann lass ich dich hier liegen.“

 

„OooOooh!“ Mit dem spöttischen Ausdruck übertriebener Angst zog sie den Kopf zurück, schniefte ihre Tränen hoch und wedelte verscheuchend mit einer Hand in seine Richtung. „Na dann geh doch! Verzieh dich. Du bist so gut darin, zu verschwinden!“

 

Shikamaru spannte seinen Kiefer an und krümmte die Finger in die Haut zu beiden Seiten von Inos Hals, um sich davon abzuhalten, seine Hände unnachgiebig um ihre Kehle zu legen. Sie sank nach hinten gegen die Wand und streckte ihm die Zunge heraus. Er entschied sich für Abstand statt der Versuchung zu würgen und so rammte Shikamaru seine Fäuste hart gegen die Wand und schob sich auf die Beine. 

 

„Geh nur.“, höhnte sie. „Geeeeh.“

 

Er trat einen Schritt zurück und starrte durch den gelangweilten Halbmast seiner Wimpern nach unten. 

 

„Zieh sie aus.“, wiederholte er und leierte die Worte müde herunter.

 

Ino zog ihr Bein zurück und versuchte, ihn hart gegen das Schienbein zu treten. Shikamaru wich ihr mit Leichtigkeit aus und beobachtete den bösartigen Sporn ihres Absatzes, der die Luft durchstach und laut auf den polierten Holzboden krachte. Sie hatte seinen Rist bereits mehrmals durchlöchert und ein misshandelter Fuß war ohnehin schon mehr, als er bereit war zu erleiden. 

 

„Whoa, was ist denn hier los?“, rief eine Stimme den Korridor entlang. 

 

„Chōji!“ Ino winkte theatralisch mit dem Arm wie eine Maid in Not, die ihren Helden begrüßte. „Du bist hier! Du bist kein Arschloch! Du bist mein allerbestester Freund!“

 

„Uh, okay? Ino, warum hockst du so auf dem Boden?“ Der Akimichi beschleunigte seine Schritte und suchte Shikamarus Gesicht aufmerksam nach einer Erklärung ab. „Was ist denn los?“

 

Shikamaru ruckte mit der Hand verärgert in Inos Richtung, bevor er sie hinunter auf seine Hüfte senkte und sein Gewicht von einem weiteren scharfen Tritt fort neigte. „Willst du damit sagen, dass dieses Schaum vor dem Mund Drama nicht reicht, um dich ins Bild zu setzen?“

 

Ino fauchte und knurrte und ging auf ihn los. 

 

Rasch stellte sich Chōji zwischen die beiden, legte eine Hand an Inos Schulter und hob die andere, um Shikamaru auf Abstand zu halten – oder eher die schneidenden Worte des Schattenninjas. „Hey, mach es nicht noch schlimmer.“

 

Kopfschüttelnd lachte Shikamaru kehlig und freudlos. „Als ob ich das müsste.“

 

Ino versuchte erfolglos, über Chōji hinweg zu klettern, statt um ihn herum zu laufen und krallte sich mit lila lackierten Nägeln in seinen Rücken, die es nur danach juckte, sich in Shikamarus feixendes Gesicht zu graben. 

 

„Du bist so ein Bastard!“, zischte sie ihn an. 

 

Das ließ Shikamaru zögern und seine Eingeweide verkrampften sich. 

 

‚Und hier ist der höhnische Bastard, den deine Freunde nicht zu Gesicht bekommen.‘

 

Wenn sich der Hauch einer Emotion auf seinem Gesicht zeigte, dann nur für den Bruchteil einer Sekunde und er verlor sich sofort wieder hinter der Chamäleonhaften Veränderung zu seiner unberührten und trägen Miene. Er schüttelte den Kopf und seine mangelnde Reaktion machte Ino fuchsteufelswild. Chōji musste sie in einer bärengleichen Umarmung einschließen, um sie an Ort und Stelle halten zu können. 

 

„Komm schon Ino, beruhig dich.“, sagte der Akimichi sanft und warf Shikamaru einen frustrierten Blick zu. „Gott, würdest aufhören, sie noch weiter aufzuziehen?“

 

Mit einem langsamen Heben der Braue täuschte Shikamaru die pure Unschuld vor. 

 

Ino kreischte irgendetwas Unverständliches und wirbelte ihre Beine in einer rapiden Abfolge von Tritten herum, die Shikamaru irritiert beobachtete – und dann kalkulierend. Der Schattenninja passte ihre Bewegungen genau ab, packte ihren Knöchel und löste einen ihrer Schuhe, während der scharfe Absatz des anderen über seinen Handrücken schrappte. 

 

Chōji zuckte zusammen. „Au!“

 

Shikamaru grunzte etwas, das übersetzt wohl sowas wie ‚sag bloß‘ bedeutete, bevor er dieselbe Methode nutzte, um auch Inos anderen Schuh zu konfiszieren. Er hakte die Riemen über seine Finger und trat zurück, während er die Dinger wie einen Siegerpreis vor ihr hin und her baumeln ließ. 

 

„War das wirklich so schmerzhaft für dich?“, spottete er. 

 

Ino keuchte mit stetig steigendem Zorn und ihr Gesicht war rot gesprenkelt und von Wimperntusche befleckt. Ein ungezügeltes Verlangen zu verstümmeln verzerrte ihre Gesichtszüge zu der Wildheit einer Wölfin, die sie vorhin auch schon auf Sakura gerichtet hatte. 

 

„ICH HASSE DICH!“

 

Shikamaru blinzelte langsam. „Ja, das habe ich inzwischen mitbekommen.“

 

Sie ließ den schrillen Schrei einer Todesfee hören und stürzte sich in eine weitere Reihe vergeblicher Tritte, von denen jeder Chōji traf und ihn auf der Stelle schwanken ließ. Der Akimichi neigte sich nach hinten, bis ihre Beine nicht länger den Boden berührten und ihr weniger Freiraum blieb, um um sich zu schlagen. 

 

„Uh, wo sollen wir sie hinbringen?“, fragte Chōji.

 

„LASS MICH RUNTER!“, kreischte Ino und die Höhe ihres Schreis fühlte sich an wie Nägel, die über ein Trommelfell kratzten.

 

Shikamaru bewegte krampfartig den Kiefer gegen den Ohrenschmerz und zog einen Satz Zimmerschlüssel hervor, wobei er auf das in das Etikett gravierte Symbol spähte. „Folge den Glühwürmchen.“

 

Und das taten sie. 

 

Sie schritten die Korridore entlang und Shikamaru übernahm die Führung, indem er einige träge Schritte voraus lief. Sie kamen an Räumen vorbei, deren Türen weit genug auseinander lagen, um auf die luxuriöse Größe hinter jeder einzelnen schließen zu können. Alle waren mit unterschiedlichen Glühwürmchensymbolen markiert, die in rot oder lila auf die Holzmaserung gemalt waren. Shikamarus Blick glitt über die Schlüssel in seiner Hand, bevor seine Aufmerksamkeit auf der Suche nach Inos Zimmer zwischen den Türen hin und her wanderte. 

 

Sechs Türen weiter den Gang hinunter hörte Ino schließlich auf zu heulen und begann stattdessen zu singen. 

 

Sie hatte das Tretspiel aufgegeben, doch Chōji trug sie trotzdem weiterhin, da ihr räumliches Bewusstsein in etwa so gut funktionierte wie ihre Fähigkeit, eine Melodie zu treffen, geschweige denn den Text. Ihr betrunken gelalltes Lied verklang blubbernd im Hintergrund. 

 

Shikamaru ignorierte es die meiste Zeit über und hielt vor einer der Türen. 

 

Das gemalte Bild passte zum Etikett. Er drehte die Schlüssel über den Knöcheln und runzelte angesichts des Schmerzes in seinem Kopf die Stirn, der weniger mit Inos Gesinge zu tun hatte und viel mehr mit seiner eigenen Flut mentalen Geplappers. Sein Fokus teilte sich selbst in raue, unebene Segmente zwischen einem rapiden Zustrom von Gedanken auf; ein Ansturm verschiedenster Augenblicke, Erinnerungen und mentalen Notizen, die alle um seine Aufmerksamkeit buhlten. 

 

Fuck. Seid einfach still…

 

Er ließ seinen Kopf gegen das Holz sinken und presste die Lider aufeinander, bevor er bebend ausatmete. Chōji war derweil viel zu sehr von dem Arm voll Ino abgelenkt, um es zu bemerken. 

 

„Uh, ist das unser Zimmer?“, fragte der Akimichi mit hoffnungsvoller Stimme. 

 

„Ziiiiimmeeeer.“ Ino trällerte das Wort zusammenhanglos in ihr Lied. 

 

Während er den Schlüssel drehte, nickte Shikamaru. „Jo.“

 

Mit der Schulter schob er die Tür auf und trat sich mit den Zehen die Schuhe von den Füßen, um sie nach vorn in das Foyer zu kicken und Inos Hochhackige direkt hinterher zu pfeffern. Er trat ein und zur Seite, damit Chōji Ino über die Schwelle und weiter in den Hauptteil des Gästezimmers tragen konnte. 

 

„…sind all die Blumen hin…?“, sang Ino. 

 

Shikamaru strich mit den Fingern die Wand entlang und suchte nach dem Lichtschalter. Sein Daumen traf das Ziel. Ein dämmriges Pulsieren von kleinen Katzenaugenlichtern erglühte in dem Zimmer und retroreflektierendes Glas griff das Licht der bernsteinfarbenen Hauptbirnen auf, die hinter Shōji Schirmen und Fusama Paneelen platziert waren. Es war dieselbe honiggleiche Illumination, die auch im Restaurant genutzt wurde. 

 

Und die kleinen Katzenaugen Applikationen hielten die Glühwürmchen Thematik aufrecht. 

 

Dachte ich mir…

 

Shikamaru ließ seinen Blick durch den luxuriösen Raum wandern und nahm die Elemente des Interieurs in sich auf, die alle von Rot und Lila durchzogen waren und in eine irgendwie moderne Struktur eingehüllt waren. Aber es strahlte dennoch ein traditionelles Ambiente aus, das sich vor allem in den Rollbildern, dem dekorativen Alkoven und auch in dem Blumenarrangement deutlich machte. 

 

„Ino, setz dich einfach hier hin, okay?“

 

Shikamaru spähte zu seinen Teamkameraden hinüber. 

 

Chōji ließ Ino vorsichtig auf eine lange niedrige Couch sinken, deren Enden sich wie Stierhörner nach oben bogen. Es war ein elegantes und anmutiges Design, auf dem sich Ino schamlos ausbreitete und sich streckte wie eine Katze. Chōji zog ihren Rock nach unten und versuchte, sie dazu zu bringen, sich hinzusetzen. Doch stattdessen ließ sie ihre Arme von einem Ende des Sofas baumeln, ließ den Kopf hängen und brach abrupt in Tränen aus. 

 

Shikamaru sah Chōji an. 

 

Chōji blickte hilflos zurück. 

 

Und Ino gab ein Geräusch von sich, das Shikamaru noch nie zuvor gehört hatte. Es ordnete sich irgendwo zwischen einem Schluchzen, einem Schrei und einem strangulierten Husten ein. Beide Männer bewegten sich unbehaglich auf ihrem Platz. 

 

Shikamaru rieb sich den Nacken. „Wie lästig…“

 

„Was soll das heißen; ‚lästig‘?“ Chōji gestikulierte mit einer Hand in die Richtung der Yamanaka. „Was ist passiert?“

 

Achselzuckend ließ Shikamaru die Schlüssel um seine Finger wirbeln. Doch das Aufblitzen des Metalls konnte nicht von dem Schimmern von Inos Tränen ablenken. Sie schmierten sich wie glänzendes Schwarz über ihre Unterarme und waren von Wimperntusche befleckt wie verlaufene Farbe. 

 

Verdammt.

 

Shikamaru ignorierte weiterhin vehement die sich aufbauende Anspannung, bis Chōji die Stirn in Falten legte und ihn mit etwas ansah, das deutlich stärker war als bloße Erwartung. Letztendlich hörte Shikamaru auf, die Schlüssel umher zu drehen und fing sie mit einem leisen Rasseln in seiner Handfläche auf. 

 

„Was?“, blaffte er defensiv.

 

Chōji seufzte und zuckte bei einem besonders herzzerreißenden Schluchzer von Ino zusammen. „Ich suche ihr ein paar Taschentücher.“

 

Shikamaru schloss die Finger um die Schlüssel. „Taschentücher…“

 

„Für die Tränen, falls du das nicht bemerkt haben solltest.“, erklärte Chōji sarkastisch und bewegte sich auf seiner Suche durch den Raum. „Mann, was ist nur los mit euch beiden?“

 

Shikamaru blinzelte hart und verschluckte sich beinahe an seinem Atem. „Was zur Hölle soll das denn heißen? Euch beiden?

 

Ino hob ruckartig den Kopf. „Es ist nicht seine Schuld!“

 

Sprachlos wegen dieser vollkommen unerwarteten Verteidigung musterte Shikamaru sie argwöhnisch aus dem Augenwinkel. „Ist es nicht?“

 

Ino schüttelte den Kopf abgehackt von Seite zu Seite und spritzte Tränen in alle Richtungen, bevor sie sich auf dem dunkelbraunen Sofa zu einem Ball zusammenrollte und in das plüschige Gewebe weinte. 

 

„Es ist alles meine Schuld.“, heulte sie. „Es bin immer ich!“

 

Oh Gott…es ist ein verfickter Zauberwürfel…

 

Shikamaru konnte förmlich spüren, wie die scharfen, spitzen und komplizierten Ecken davon in sein Hirn stachen und von ihm verlangten, dieses große, lästige Mysterium zu lösen, das Yamanaka Ino war. In plötzlicher Panik stierte er zu Chōji und wirbelte auf dem Absatz herum, um sich rasch von dieser Szenerie zu entfernen. Er marschierte mit großen Schritten zu den Schiebetüren an der entferntesten Seite des Raumes. 
 

Ich hole Taschentücher und du kümmerst dich um das Drama hier.“

 

„Nein!“ Chōji trat ihm in den Weg und stach mit einem Finger in seine Richtung. „Du kümmerst dich darum.“

 

Shikamaru wich einen Schritt nach hinten, als hätte der Finger ihn geschubst. „Das ist ein schlechter Scherz. Sie weint.

 

Chōji rollte mit den Augen. „Hab ich schon irgendwie bemerkt.“

 

„Na dann bemerkst du ja vielleicht auch ‚irgendwie‘ unsere Rollenverteilung hierbei.“ Mit einem allumfassenden Armschwung, drehte sich Shikamaru halb. Als würde er einen Vorhang zu einem zerstörten Bühnenbild aufziehen. „Du bist der ‚allerbesteste‘ Freund und ich bin der Bastard.“

 

„Ja, das bist du.“, sagte Chōji leise. „Wann genau ist es dazu gekommen?“

 

Shikamaru zuckte zurück, als hätte er einen heftigen Schlag eingesteckt. 

 

Er wollte etwas darauf erwidern, musste aber feststellen, dass er es nicht konnte und schloss ruckartig den Mund. 

 

Eine schwere Stille packte ihn bei der Kehle; härter noch als der Blick, mit dem Chōji ihn ansah. Es war ein Funkeln zorniger Verwirrung, das so fremd auf dem Gesicht des Akimichi war, dass Shikamaru einen Moment brauchte, um zu bemerken, dass er die Kontrolle über seine eigenen Züge verloren hatte. Er stierte seinen ältesten Freund an und seine dunklen Augen zuckten gegen die Emotionen an, die er bereits vorhin vor Ino zu verstecken versucht hatte.

 

Er konnte hören, wie sie im Hintergrund leise schluchzte. 

 

Chōji unterbrach das Starren nicht. 

 

Und Shikamaru konnte es nicht länger halten. 

 

Nicht, wenn seine Augen drohten, mehr preiszugeben, als er bereit war zu zeigen. 

 

Er senkte den Blick. 

 

Und er sah nicht, wie Chōjis zorniges Funkeln auf eine tief traurige Weise weich wurde. Doch der Akimichi sagte überhaupt nichts, um der Spannung die Schärfe zu nehmen. Stattdessen ließ er sie einfach über Shikamarus Kopf hängen und drehte sich der Tür zu, in der der Schattenninja eine Fluchtmöglichkeit gesucht hatte. 

 

Sie schloss sich leise hinter ihm. 

 

Und Shikamaru ließ das sanfte Klacken des Holzes das Zeichen sein, um seinen Gesichtsausdruck zu lösen. Seine Lider pressten sich hart zusammen, bevor sie sich bebend öffneten und sich seine Augen auf die quadratischen Felder in dem Tatami Boden fixierten. Gedankenlos zeichnete er mit seinem Blick die Schatten nach, die von dem niedrigen Tisch in der Mitte des Raumes geworfen wurden. 

 

Es gab nicht viel, was er wirklich hasste.

 

Aber mit Chōji zu streiten war etwas, das er verabscheute.

 

Für Shikamaru war Chōji die einzige Person, bei der er sich niemals vorstellen konnte, ernsthafte Schläge auszutauschen, sei es nun verbal oder auf andere Art. Und wann immer diese Gefahr bestand, erschütterte es ihn an Ort und Stelle, innen und außen – als hätten sie bereits einen Kampf ausgetragen und sich währenddessen blutig geprügelt. 

 

Ino nuschelte irgendetwas. 

 

Shikamaru zuckte angesichts des Lautes zusammen, schluckte angespannt und wandte sich ihr zu. 

 

Sanft strichen die Sohlen seiner Füße über die Matten. 

 

Seine sich nähernden Schritte wurden von ihrem Schniefen übertönt. Mit sehr viel Anstrengung aber ohne den geringsten Erfolg versuchte sie, sich in eine Ecke der Couch zu verkriechen. Shikamaru war sich nicht sicher, wie sie es überhaupt schaffte zu atmen, doch ihre zerfetzten Schluchzer ertönten weiter hinter einem Gewirr blonder Strähnen und verschränkter Arme. 

 

„Ino.“, rief er leise. 

 

Doch Ino schüttelte nur den Kopf; oder zumindest sah es so aus. Shikamaru seufzte und ging in die Hocke, während er sich ausgelaugt fühlte und müde und…

 

Schuldig…

 

Er war sich ziemlich sicher, dass er dieses Wort mit der vollen Kraft seiner 6.205 Sonnen hasste.

 

Langsam hakte er seinen Arm über das kurvige Ende der Couch und seine Fingerspitzen schwebten nahe an Inos Scheitel. Er seufzte schwer – schon wieder – und bot ein unbeholfenes kleines Kraulen an dem Bogen ihres Pferdeschwanzes an. 

 

„Wirst du aufhören zu weinen?“

 

„Nein.“, nuschelte sie in das Sofa. 

 

Shikamaru versuchte es nochmal und tätschelte ihren Kopf mit einem erzwungen wirkenden Hüpfen der Finger. „Du bist lästig.“

 

Ino schniefte und drehte den Kopf, um durch geschwollene Pandaaugen und die verklebten Haare in ihrem Gesicht zu blinzeln. „Du bist ein Mistkerl.“, lallte sie. 

 

Achselzuckend brachte er ein schiefes Lächeln zustande. „Ja, wahrscheinlich.“

 

„Ich liebe dich.“

 

Shikamaru hörte sofort auf zu lächeln. 

 

Es hätte witzig sein sollen, diese Worte zu hören, wenn man ihre vehementen Hasserklärungen vor gerade einmal einer halben Stunde bedachte. Er summte ein leises ‚Hn‘ der Belustigung aus der Rückseite seiner Kehle hervor und schüttelte den Kopf. 

 

„Ich liebe dich sehr.“, fügte Ino hinzu. 

 

„Du bist betrunken.“, erwiderte Shikamaru ruhig, da er nicht wusste, was er sonst darauf antworten sollte – wollte auch gar nicht darüber nachdenken. 

 

Ino grinste albern und verzog das Gesicht gegen den Ansturm von noch mehr Tränen. „Ich will tanzen gehen.“

 

Eine von Shikamarus Brauen wanderte nach oben. „Kein Tanzen mehr.“

 

„Habe ich getanzt?“

 

„Oja. Über meinen Fuß.“

 

Und Kiba.

 

Der Gedanke legte seine Stirn in Falten, doch er verlieh diesem mentalen Nachwort keine Stimme. 

 

Ino schniefte und drückte ihre Wange in das Polster, während sie über die Kante schielte und versuchte, einen Blick auf besagten Fuß zu erhaschen. „Habe ich dir weh getan?“

 

„Mein Gang wird niemals wieder sein wie zuvor.“, antwortete er trocken und versuchte, damit ein Kichern aus ihr zu locken, das die Tränen auf Abstand halten würde. 

 

Ino grinste, doch fette Tropfen liefen aus den Winkeln ihrer wässrigen Augen. Sie zogen sich nass schimmernd über ihren Nasenrücken und sammelten sich in einer dunklen kleinen Pfütze auf dem Polster. Shikamaru zog die Brauen zusammen und krümmte einen Finger, um mit dem Knöchel der Spur zu folgen, unbeholfen die Tränen fort zu wischen und die verirrten und verklebten Strähnen aus ihrem Gesicht zu streichen. 

 

„Warum weinst du denn überhaupt?“, murmelte er und versuchte, dabei genervt zu klingen. 

 

Ino zog die Nase kraus und vergrub die Zähne in ihrer Unterlippe, um darauf herum zu kauen, während sich ihre Augen schon wieder mit dem salzigen Nass zu füllen begannen. „Weil mich niemand will…nur mich…um meinetwillen…“

 

Shikamaru blinzelte rapide. „Was?“

 

Ino stierte über seine Schulter und ihr glasiger Blick fokussierte sich auf etwas, von dem er wusste, dass er es nicht sehen würde, selbst wenn er sich danach umdrehen würde. Er konnte ihre Gedanken nicht lesen, aber er wusste, dass sie um die Ränder ihres inneren Zauberwürfels herum schlich. 

 

„Mom hatte recht.“, wisperte sie verbittert. „Niemand will mich…“

 

Shikamarus Augen wurden rund. „Deine Mom hat das zu dir gesagt?“

 

Ino schloss die Lider und vergrub das Gesicht in ihrer Armbeuge. Stirnrunzelnd zerrte Shikamaru seinen Fokus aus seinem mentalen erschöpften Taumeln und zwang ihn, sich dem zuzuwenden, was noch von seiner Konzentration übrig war. Eine solche Gelegenheit würde er vermutlich kein zweites Mal bekommen. 

 

Yamanaka-san. Inos Mutter. 

 

Denk nach.

 

Wie einen Steckbrief, der in irgendeinem zerebralen Schrank verstaut war, zerrte er hervor, was auch immer sein Hirn an Daten zu Inos Mutter zu bieten hatte und raste mental die Details entlang. 

 

Kein Ninja. Sehr dünn. Oberflächlich. Hübsch. Ist ausgetickt, als sich Ino als Genin die Haare abgeschnitten hat. Meine Eltern mögen sie nicht.

 

Naja, Shikaku benahm sich zumindest etwas taktvoller, was das anging. Yoshino hingegen hatte überhaupt keine Probleme damit, die geringwertigen Eigenschaften von Selbstbefangenheit der Frau aufzuzählen. Und Yoshinos Miniaturskizze von Inos Mutter war, dass diese Frau so seicht war ein Seerosenteich und Steine an ihren Fingern trug, die groß genug waren, dass Babys daran ersticken konnten. Und zu dieser Strichliste kam noch die Tatsache, dass sie offenbar überhaupt nichts zu essen schien, was mehr als einen Eierbecher füllte und jeden verachtete, der es tat – was sie auch bei den Akimichis nicht unbedingt in das beste Licht rückte.

 

Shikakus einzige Beschwerde bestand dahingegen eher in einer amüsierten Beobachtung. Eine, von der es ihm eine unbändige Freude bereitete, Inoichi deswegen zu sticheln. Und die drehte sich darum, dass Inos Mutter einen unerschütterlichen, aber völlig unbegründeten Verdacht hegte, ihr Ehemann würde hinter ihrem Rücken bei jeder sich bietenden Gelegenheit an brillanten Plänen der Untreue arbeiten und sie ausführen. 

 

Und wenn er jetzt so darüber nachdachte, dann erinnerte sich Shikamaru an eine beiläufige Unterhaltung zwischen seinen Eltern vor neun Jahren. Eine Konversation, die sein junges Hirn vollkommen automatisch in dem mentalen Yamanaka Schrank abgeheftet hatte. 

 

‚Sie denkt ernsthaft, dass er fremdgeht? Schon wieder?‘

 

‚Schon wieder.‘

 

‚Das ist nicht witzig, Shikaku. Diese Frau…‘

 

‚Inoichi hat schon immer gerne geflirtet und sie war schon immer paranoid. Es musste also so kommen.‘

 

‚Aber es ist vollkommener Schwachsinn. Nach dem zu urteilen, was du mir erzählt hast, war er ihr gegenüber noch nie etwas anderes als hingebungsvoll und…Shikamaru, hör auf, vor dich hin zu starren und iss deine Eier.‘

 

‚Ich mag sie nicht.‘

 

‚Iss sie. Der arme Mann. Inoichi hätte aufstehen und gehen sollen, bevor er…bevor der Storch gekommen ist.‘

 

‚Ich weiß, was das bedeutet, Mom.‘

 

‚Iss deine Eier.‘

 

‚Er liebt sie, Yoshino.‘

 

‚Warum? Weil sie wunderschön aussieht, wenn sie an seinem Arm hängt?‘

 

‚Nein.‘

 

‚Naja, ist auch egal, aber stell dir nur vor, was sie mit Ino machen wird. Das arme Mädchen.‘

 

Shikamaru blinzelte sich von der Erinnerung zurück in die Gegenwart. 

 

Und sofort richtete sich eine Reihe von Inos innerem Zauberwürfel korrekt aus. In einem einzigen ‚Klick‘ schoben sich die farbenfrohen Quadrate an die richtige Stelle und gestatteten es Shikamaru, dieser Logik auch unmittelbar zu folgen. 

 

Warum zur Hölle bin ich nicht schon viel früher dahinter gekommen?

 

Und am Ende dieser Frage kam die schlagartige Antwort. 

 

Weil du es nicht wissen wolltest.

 

Shikamaru biss hart die Zähne gegen das Schuldgefühl in seinen Eingeweiden zusammen. Verspätet bemerkte er, dass sich Inos Blick wieder auf ihn gerichtet hatte und ihre wässrigen Seen blinzelten, um ihn in den Fokus zu bringen. 

 

Ino schniefte. „Du bist ganz genauso…du denkst…dass ich nutzlos bin…“

 

„Nein. Das denke ich nicht!“, erwiderte Shikamaru ernst und ignorierte die Flecken von Wimperntusche, als er ihr seinen Ärmel anbot. 

 

Sie packte seine ganze Hand und zog ihn nach vorn, um ihren Kopf in seiner Armbeuge zu vergraben und erneut heftig zu schluchzen. „Es ist nicht fair…du hast Chōji…und ich habe…niemanden…“

 

„Das ist nicht wahr.“

 

„Meine beste Freundin…hat mich verlassen…wegen eines Jungen…Mom hat von Anfang an gesagt, dass sie das tun würde…hat gesagt, ich wäre…nur Konkurrenz…immer nur ein Wettbewerb…sie hatte recht…mit allem.“

 

Shikamaru runzelte die Stirn und beobachtete sie für einen Moment schweigend. „Sakura.“

 

Ino wurde vollkommen still und ihr Atem stockte ihr in der Kehle. 

 

„Was weißt du schon?“, zischte sie. 

 

„Mehr als ich will.“, gestand er und versuchte, die feuchte Wärme ihrer Tränen zu ignorieren, die seinen Ärmel tränkten. „Nicht, dass du auch nur die Hälfte der Zeit irgendeinen Sinn ergeben würdest.“

 

Inos Kopf schnellte nach oben und sie funkelte ihn zornig an. „Du…du bist so ein…ARGH!“

 

Shikamaru starrte sie ausdruckslos an. 

 

„Du kapierst es nicht! Du…du weißt es nicht…“ Erneut ließ sie den Kopf hängen und fauchte das letzte Wort hervor, bis ihr Atem durch das Gewebe seines Oberteils brach und beinahe seinen Arm versengte, bevor sie wieder anfing zu weinen. 

 

Stirnrunzelnd versuchte Shikamaru, seinen Arm zurück zu ziehen. Doch Ino klammerte sich hart genug daran, um seine Blutzirkulation abzuschneiden. 

 

Okay, das wird jetzt aber sicher nicht passieren.

 

Er gab es auf, sich zurück ziehen zu wollen und veränderte stattdessen seine Position, indem er sich hinkniete. Langsam lehnte er sich gegen das Sofa; es war nicht bequem, aber zumindest bekam er so noch keinen Krampf. 

 

„Niemand versteht es…“

 

„Ich versuche es.“, sagte er sehr leise. „Aber ihr Frauen seid so verdammt kompliziert…“

 

Ino hickste kopfschüttelnd. „Männer sind dumm.“

 

Das ließ Shikamaru schmunzeln. „Höchstwahrscheinlich.“

 

Du solltest aber eigentlich schlau sein…“, klagte Ino ihn mit bebender Stimme an, die immer noch schwer von Tränen war. 

 

„Scheinbar.“ Er spähte aus den Augenwinkeln zu ihr. „Kann ich jetzt meinen Arm wieder haben?“

 

Ino ruckte heftig verneinend mit dem Kopf, während salzige Ströme aus ihren Augen quollen. Es wurde langsam ziemlich schmerzhaft, sich das ansehen zu müssen. Und vor allem wegen der Tatsache, dass Shikamaru wusste, dass sie sich selbst am nächsten Morgen dafür hassen würde. Er hoffte inständig, dass sie sich einfach nicht daran erinnern würde. Und nach dem glasigen, leicht verwirrten Blick zu urteilen, den sie auf den Fußboden richtete, war es gar nicht so unwahrscheinlich, dass sie es wirklich vergessen würde. 

 

Aber er würde es nicht. 

 

Ich habe den Grund für das, was sie so durcheinander gebracht hat. Schätze mal, dass wir jetzt versuchen können, es wieder ins Lot zu bringen…

 

„Mir ist schlecht…“, nuschelte Ino. 

 

Sofort zuckte Shikamaru auf den Ballen seiner Füße nach hinten. „Wenn du auf mich kotzt, dann knallt‘s.“

 

Ino giggelte blöde. „Knallt’s…“

 

Shikamaru ignorierte das Echo und zerrte seinen Arm zurück, um ihre Schultern zu packen und sie vorsichtig auf die Füße zu hieven. „Komm schon.“

 

„Alles, was du sagst, klingt so schmutzig…“

 

Verlegen räusperte sich Shikamaru. „Das liegt nur an deinem verdrehten Verstand.“

 

„Deiner ist verdrehteter…“

 

„Das ist nichtmal ein richtiges Wort.“

 

„Ist es wohl.“, schimpfte Ino und schwankte unstet auf den Füßen, während sie ihre Arme um seinen Nacken schlang, um die Balance halten zu können. „Alles dreht sich…“

 

„Darauf möchte ich wetten.“ Langsam begann Shikamaru, sich nach hinten zu bewegen und verzog das Gesicht, als sie gegen ihn stolperte und ihre Knie einknickten. „Shit!“

 

„Lass mich nicht fallen, Dummerchen.“ Ein Kichern blubberte in ihr hoch und überholte ihre Tränen, bevor sie schlagartig ernüchterte. „Du lässt mich immer fallen…“, wisperte sie. 

 

Shikamaru erstarrte für den Bruchteil der Sekunde, den sein Hirn brauchte, um diese Aussage in den Kontext einzufügen. Kopfschüttelnd und mit einem leisen Grollen zog er sie wieder nach oben. 
 

„So ist das nicht.“

 

Ino verstummte plötzlich, stellte sich auf die Zehenspitzen und verstärkte den Griff ihrer Arme um seinen Nacken.

 

Für einen langen unangenehmen Moment stand Shikamaru einfach nur da. 

 

Und dann, statt sie von sich zu schieben, stemmte er widerwillig die Hände in die Hüften und neigte sich nach vorn, um den Druck von seiner Wirbelsäule zu nehmen, als sie sich wie ein Mühlstein um seinen Hals hängte. Im Ernst, diese betrunkenen Stimmungsschwankungen waren noch viel lästiger einzuschätzen als die üblichen Pendelbewegungen in ihrem Verhalten. 

 

„Es tut mir leid, Shikamaru…“

 

Shikamaru erstarrte vollkommen angesichts dieser leisen Entschuldigung. Das waren immer sehr gefährliche Worte in seinem Verstand, doch diesmal ging es um die Art und Weise, wie sie sie sagte; mit diesem leisen, zerknirschten Wispern. 

 

Stirnrunzelnd sah er hinunter auf ihren Scheitel. „Leid?“

 

Sie nickte und kitzelte mit ihrem Haar sein Gesicht. „Es tut mir leid.“

 

Er schüttelte den Kopf und wimmerte hörbar, als sich ihre Arme noch härter um seinen Nacken klammerten. „Okay, jetzt haben wir den Schmerz…“

 

Und aus irgendeinem Grund schienen diese Worte wie ein Messer durch Inos Herz zu sein und sie begann sofort wieder zu weinen. Da er vollkommen mit der Situation überfordert war und nicht wusste, was er tun sollte, ließ Shikamaru den Kopf nach hinten kippen und stierte an die Decke, während er ein müdes ungläubiges Kichern zustande brachte. 

 

Sie heulte noch heftiger gegen seine Brust. 

 

„Ino…“ Shikamaru reckte den Hals nach hinten, um wenigstens den schlimmsten ihrer klagenden Laute zu entkommen und fühlte sich zunehmend belästigt von den Tränen und seiner Unfähigkeit, herauszufinden, warum genau sie einfach nicht aufhören wollten. 

 

Bitte hör auf zu weinen…

 

Vollkommen ohne sein aktives Zutun hoben sich seine Hände, um sich an ihre bebenden Schultern zu legen. Doch schlimmer als ihre heftiger werdenden Schluchzer war diese reibende Empfindung in seiner Brust. Inos Kummer begann, empfindliche Schaltungen in ihm umzulegen; Schaltungen, bei denen er zwei Wochen damit verbracht hatte, sie im Rückwärtsgang zu halten. 

 

Er biss hart die Kiefer aufeinander und Panik durchfuhr ihn schlagartig. 

 

Ich kann das nicht…

 

Aus dem Augenwinkel erhaschte er eine Bewegung. 

 

Chōji stand am anderen Ende des Zimmers und hielt einen Stapel Geschenke im Arm. „Dein Zeug ist in deinem Zimmer den Gang runter.“

 

Shikamarus Kiefer klappte fassungslos nach unten. „Du bist gegangen?“

 

Chōji grinste leicht. „Jo, aber nur für `ne Minute. Sakura und Kiba haben die Geschenke hergebracht. Wie geht’s ihr?“

 

Shikamarus Augen weiteten sich flehend und er spähte vielsagenden auf Inos Kopf. Doch Chōji schmunzelte einfach nur und neigte seine Stirn den Korridor entlang, der jenseits des Tokonoma Alkovens lag. 

 

„Ich hab ihr Bett schon vorbereitet.“, sagte er. 

 

Shikamaru bedachte ihn mit einem äußerst flachen Blick. „Wirklich hilfreich. Also wie genau wollen wir jetzt…“, er brach ab und ruckte mit dem Kopf zu Ino und dann in Richtung des Schlafzimmers. 

 

Chōji blinzelte und wog die Optionen mit einem Ausdruck ernster Nachdenklichkeit ab. Und dann ruckelte er bedeutsam mit den Geschenken, drückte sie sich etwas näher an die Brust und nickte. Shikamaru stierte ihn ausdruckslos an; er verstand den Wink nicht. Chōji wiederholte das kleine Hüpfen und die Ummantelung seiner Arme. Mit weiten Augen machte es bei Shikamaru ‚Klick‘ und vehement kopfschüttelnd bellte er ein raues Lachen hervor. 

 

„Netter Vorschlag. Aber da bin ich raus. Du machst das.“

 

„Aber du schlägst dich so gut.“, lobte Chōji neckend und ließ seinen Blick zwischen den beiden Teamkameraden hin und her wandern. 

 

Ino hing noch immer an Shikamaru, als wäre er ihre Rettungsleine und ihre Schluchzer wurden von berauschtem Stöhnen und kleinen Hicksern unterbrochen, die ihre Arme zusammenzogen wie eine Fallschlinge. 

 

Shikamarus Augen verengten sich zu Schlitzen. „Wenn ich sie hochhebe, dann wird sie mich vollkotzen.“, zischte er zwischen zusammengebissenen Zähnen. „Und davon kann man sich nicht erholen. Das mach ich auf keinen Fall.“

 

„Du wirst mir dafür danken.“, versicherte Chōji. 

 

„Bevor oder nachdem sie auf mich gekotzt hat?“

 

„Nah komm schon, so betrunken ist sie nicht.“

 

Shikamaru funkelte ihn zornig an, stupste Ino mit der Hüfte an und schubste sie dadurch beinahe mit allen vieren von sich gestreckt auf den Boden, bevor er sie gerade noch rechtzeitig an der Taille auffing. Er warf Chōji einen bedeutungsschweren Blick zu. 

 

„Oh aber klar, sie hat sich total unter Kontrolle.“, stimmte er sarkastisch zu. 

 

„Warum hast du das gemacht?“, blubberte Ino und sah aus, als wäre er soeben über all die Teile des Herzens getrampelt, dass sie gerade ausheulte. „Warum? Du bist so gemein…

 

Chōji kicherte. „So gemein. Ich denke, du solltest sie tragen, weil du so ein gemeiner Mistkerl bist.“

 

„Ich liebe diese Logik.“ Shikamaru grinste und war in seinem Inneren mehr als erleichtert, dass Chōji wieder mit ihm scherzte – selbst wenn es auf seine Kosten ging. 

 

„Liebe euch alle…ich liebe dich, Chōji.“, plärrte Ino; überwältigt von der tiefen Liebe, die sie plötzlich für jeden entwickelte. „Ich liebe dich, Shikamaru.“

 

Shikamaru seufzte. „Hör auf, solche Sachen zu sagen.“

 

Chōji lachte auf und schielte um die Geschenke herum. „Warum denn? Ist doch süß.“

 

„Es ist nicht süß!“, knurrte Shikamaru und war sich nicht sicher, was zur Hölle er wirklich dabei empfand, dass diese drei Worte an ihn gerichtet wurden; völlig egal wie platonisch.

 

Äußerst vorsichtig ging er in die Knie und versuchte, den besten Winkel zu finden, aus dem er Ino greifen konnte. 

 

Das ist so bescheuert…

 

Er nahm einen bedächtigen Atemzug und entschied sich für die ‚Das Pflaster schnell abziehen‘ Methode statt Zögern und hoffte inständig, dass es auf diese Weise auch wirklich weniger schmerzhaft werden würde. Mit einem raschen Neigen der Schulter brachte er Ino aus dem Gleichgewicht, fing sie in den Kniebeugen auf und hob sie im Brautstil an, während er einen Arm um ihre Schultern legte. 

 

Ino ließ ein kurzes überraschtes Quietschen hören, schlang sich die Arme um den Bauch und stöhnte, als ihr Kopf gegen seine Schulter fiel. „Ich fühl mich gar nicht gut.“

 

Shikamaru funkelte Chōji vielsagend an. „Soll ich dir schonmal danken?“

 

Lachend lehnte sich Chōji gegen die Wand. „Das wird explosionsartiges Erbrechen zwar nicht aufhalten, aber du wirst dir dann weniger gemein vorkommen.“

 

„Wenn es explosionsartig ist, dann ziele ich mit ihr auf dich.“ Und Shikamaru illustrierte diese Drohung, indem er sich dem Akimichi zuwandte. 

 

Rasch duckte sich Chōji hinter die Geschenke und Kichern waberte über seinen behelfsmäßigen Schild. Shikamaru konnte das leise Lachen nicht in sich halten, das aus ihm stolperte und rollte aufgrund der Absurdität dieser Situation mit den Augen. 

 

Inos Kopf sackte von einer Seite auf die andere und sie kuschelte sich an seinen Hals. „Jetzt bin ich müde.“

 

„Das ist wenig überraschend.“, murrte Shikamaru sanft und zog den Kopf von ihr fort, als sie rührselige Zuneigungsbekundungen gegen seinen Kiefer nuschelte. Mit einer vorsichtigen Drehung wandte er sich dem Schlafzimmer zu. „Bettgehzeit für dich.“

 

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Sooo die Party ist wohl fürs erste vorbei :D Ein sehr emotionales und auch irgendwie dramatisches Kapitel und ja was soll ich sagen...mein Vorsatz von 'Kein Kapitel mehr, das länger als 6000 Worte ist', hat SUUUUPER geklappt -.-' xD

Naja wie auch immer, ich hoffe sehr, dass es euch gefallen hat und es würde mich SEHR interessieren, was ihr davon haltet, vor allem, weil hier etwas mehr über Ino verraten wird! :) 
 

Vielen vielen Dank wir immer an alle meine lieben und treuen Reviewer/innen und Leser/innen!! <3

 

 

 

 

 

The person to convince

Der fahle Schein von Gaslampen erhellte dämmrig die Dunkelheit; ein schwefelartiger Gelbton, der vor seinen Augen zu verrotten schien, je tiefer er in den Raum starrte. 

 

Ich kenne diesen Ort…

 

Die Lampen umstanden eine weite Grube und warfen abgestandenes Licht in ein plumpes Quadrat. Es war in das Zentrum eines riesigen unterirdischen Kellers gegraben worden. 

 

Oja, er kannte diesen Ort.

 

Nein…

 

Die Grube war tief und an den Rändern mit Planken schimmelnden Holzes verkleidet; die Risse klafften weit und tropften rot. 

 

So viel Rot. 

 

Es ist nicht real.

 

Shikamaru blinzelte gegen das Stechen von Rauch an. 

 

Ein Dunst hing über dem Loch; schwer und verdorben.

 

Moder – Shikamaru konnte ihn riechen, wie er verschiedene Arten von Gestank untermalte. Alle davon fluteten seine Nase und verstopften seine Kehle. Das saure Stechen von Schweiß, sowohl tierisch als auch menschlich, vermischt mit einem Hauch von Alkohol und etwas Chemischen und alles gesättigt in einer vollmundigen Wolke aus Rauch. 

 

Seine Augen brannten und seine Lungen schwollen mit der abgestandenen, ranzigen Luft schmerzhaft an. 

 

Er versuchte, sich zu bewegen, schaffte es aber nicht. 

 

Und dann war er in der Grube.

 

Fuck…

 

Etwas presste sich gegen seine Beine, kratzte an seiner Haut. Er versuchte, das Gewicht zu verlagern und etwas schmatzte und knackte und platzte unter seinen Füßen. 

 

Es ist nicht real.

 

Er sah nach unten. 

 

Seine Augen weiteten sich und seine Kehle verschloss sich krampfartig. 

 

Er stand bis zu den Knien in Leichen. 

 

Die verstümmelten Körper von Ratten und Hunden und Katzen…die Kiefer in grässlichen Grimassen verschlossen, Fangzähne gebleckt, die Gaumen schwarz, hängende Zungen, Körper verzerrt und verdreht in gebrochenen Winkeln…Maden krochen umher…Fellbüschel verklebt mit klumpig geronnenem Blut…Eingeweide verstreut wie dicke, aufgedunsene Würmer…verschrumpelte Kadaver bluteten aus…

 

„Wir fügen Brodifacoum hinzu…wringt sie aus, bis sie komplett trocken sind…“

 

Er gefror an Ort und Stelle zur Salzsäule, als er diese Stimme vernahm.

 

Alles…einfach alles in ihm verschloss sich und erstarrte…einzig und allein die Panik in ihm bewegte sich…der Druck stieg an der Rückseite seiner Kehle auf. 

 

Das ist nicht real…

 

Fangzähne und Klauen gruben sich in sein Schienbein…

 

Das ist nicht real.

 

Ruten und Körper schlangen sich um seine Knöchel…

 

Vergangenheit…es ist nicht real…

 

Über ihm tanzten Schatten und Gesichter glitten in und aus dem gelblichen Rauch; grotesk und verzerrt in diesem kränklichen Licht. Hände bewegten sich, Ryo wurden zwischen fetten, gierigen Fingern hin und her geschoben; Wetten wurden abgeschlossen und die Einsätze stiegen…Stimmen begannen zu einem Lärm anzuschwellen. 

 

Die Leichen begannen sich zu bewegen. 

 

DAS IST NICHT REAL!

 

Menschliche Zähne kratzten gegen sein Ohr. „Immer noch mit von der Partie, Junge?“   

 

WACH AUF!

 

Und das tat er. 

 

Shikamaru wurde mit einem strangulierten Schrei aus dem Albtraum gerissen und rollte sich scharf auf die Seite. Krampfartig packte er die Kante seines Bettes und senkte den Kopf, als müsste er sich übergeben. Doch nichts stieg seine Kehle empor oder verließ sie, außer einem zerfetzten zitternden Atem. 

 

Sein Herz hämmerte wie Donner. 

 

Schweiß tropfte seine Nase hinab. 

 

Scharfe Strähnen aus Schwarz hingen ihm in die Augen, da sie dem Chaos seines Pferdeschwanzes entkommen waren. Hatte er sich so sehr im Schlaf herumgewälzt? Sein Magen schien sich zu drehen und zwang ihn dazu, heftig die Augen zusammenzupressen. Er hielt sich am Rand des Bettes fest und sog die Luft ein, bevor er sich bebend aufsetzte. Mit den Fingern strich er durch die hängenden Strähnen seines Haares und schob sie von seinem Gesicht fort. 

 

Fuck…

 

Er zitterte am ganzen Leib; zumindest innerlich. 

 

Wachsam musterte er die Schatten und sah zu, wie sich die phosphoreszierenden Rinnsale des Mondlichtes am Ende des Gästebettes sammelten. 

 

Gästebett…Ryokan…Ino…Chōji…

 

Mit den Fingern strich er über die Seidendecke des Futons und seine schwitzige Handfläche blieb an den Laken kleben. 

 

Traum…

 

Shikamaru schälte sich aus seinem feuchten Shirt, während er sich aufrichtete; die Muskeln in seinem Oberkörper spielten und Rippen hoben sich, als er keuchte. Er stellte sich fest hin und krümmte die Zehen in den plüschigen Teppich. 

 

Hätte in mein eigenes Zimmer gehen sollen…

 

Er hatte nur das Glück gehabt, dass diese riesigen luxuriösen Suiten einen zusätzlichen Bereich für Gäste besaßen. Energisch ignorierte er die Kälte, die seine Haut abkühlte und Härchen aufstellte, während er den Futon umrundete und den Schrank nach einem Yukata durchwühlte. Eine von zwei burgunderfarbenenen Roben zerrte er heraus und versuchte sein Möglichstes, diese blutige Farbe mit nichts aus seinem Traum in Verbindung zu bringen. 

 

Albtraum…

 

Einen, wie er ihn seit zwei Jahren nicht mehr gehabt hatte.

 

Er band den Gürtel des Yukata fest und schlüpfte aus dem Gästebereich, um den Korridor zurück zum Hauptraum der Suite zu folgen. Schon von weitem konnte er das leise Brummen des Fernsehers hören und das schummrige Leuchten des Bildschirms war das einzige Licht, um darin die Bewegungen koordinieren zu können. Bedacht hielt sich der junge Nara in den Schatten und stützte sich mit der Schulter gegen den Schieberahmen; dunkle Augen richteten sich auf seine Teamkameraden. 

 

Chōji und Ino saßen beide auf der Couch. 

 

Ino hatte ihren Kopf gegen die Schulter des Akimichi gelehnt, die Beine unter sich gefaltet und sich eine dunkle Decke um die eigenen Schultern gelegt. Der Stoff floss zusammen mit ihrer gelösten flachsfarbenen Mähne hinunter über die Ränder des Sofas. 

 

Sie schien zu dösen. 

 

Chōji hingegen blieb vollkommen wachsam und folgte dem abgehackten Aufblitzen des Bildschirmes, die seine faszinierten Züge in ein scharfes Relief warfen. Geräuschvoll mampfte er eine Schüssel mit Tiercrackern, die auf Inos Schoß stand. Die Yamanaka nuschelte irgendetwas. Großzügig bot Chōji ihr einen Keks an und mit einem Stöhnen drehte sie ihr Gesicht weiter in seine Schulter. 

 

Shikamaru schmunzelte leicht und trat aus den Schatten. 

 

Und etwas bewegte sich mit ihm...

 

Es zog sich gegen den Stoff seines Yukata; eine seltsam statische Empfindung, die über seine Haut kribbelte. Beinahe wie Chakra. Stirnrunzelnd spähte er nach unten. Die Schatten um ihn herum schienen anzuschwellen und zurück zu schrumpfen; wie schwarze Wasser, die versuchten, ihn in sich zu ziehen. 

 

Oder war es ein Trugbild ausgelöst durch das Licht des Fernsehers? Oder durch seinen Verstand?

 

Energisch schüttelte er die Anspannung ab und durchquerte den Raum hinüber zum Sofa. Ino hob den Kopf und blinzelte schläfrig, während sie aus geschwollenen, geröteten Augen zu ihm aufsah. 

 

„Du sollst doch schlafen.“, tadelte sie immer noch ein wenig lallend. 

 

Shikamaru hob eine Braue und erwiderte mit müde-heiserer Stimme: „Du auch.“

 

Ino lehnte sich lächelnd gegen den Akimichi. „Chōji ist mein Kissen.“

 

Ohne die Augen vom Bildschirm abzuwenden, reckte Chōji den Kopf etwas nach oben. „Ich dachte, du wolltest ins Koma fallen.“, triezte er leicht. 

 

Kopfschüttelnd versuchte Shikamaru, die Bilder zu ignorieren, die sein Hirn ununterbrochen hoch würgte. Verzweifelt rammte er eine mentale Tür zu und verriegelte sie so gut er konnte.

 

Ablenkung; das war es, was er gerade dringend brauchte. 

 

Er setzte sich auf den Boden und stellte ein Knie auf, um seinen Unterarm darauf abzulegen. Seinen Fokus richtete er auf den Bildschirm und er gab sich Mühe, sich auch wirklich auf den Film zu konzentrieren. Hinter ihm veränderte Ino die Position und er beugte sich nach vorn, um einem Tritt auszuweichen, als sie ihre Beine unter sich heraus zog. 

 

Dann spürte er ihre Hand an seiner Schulter. „Deine Haare haben sich etwas gelöst.“

 

Shikamaru schüttelte sie ab. „Mn.“

 

„Darf ich sie wieder für dich zusammenbinden?“

 

Chōji schnaubte. „Niemand berührt die Ananas.“

 

„Halt die Klappe.“, seufzte Shikamaru, doch seine Lippen kräuselten sich leicht. 

 

Ino schnippte an ein paar der dichten scharfen Strähnen, die an seinem Kiefer hingen. Sofort zog Shikamaru auf defensive Art eine Schulter an sein Ohr und verzog zornig das Gesicht wegen der Berührung. 

 

„Ino…Nicht!“, murmelte er leise, aber nachdrücklich.

 

„Wir sind früher als Genin oft lange aufgeblieben und haben uns Gruselfilme angeschaut…“, sagte sie.

 

Shikamaru senkte seine Schulter leicht und ein beinahe schon liebevoller Ausdruck der Erinnerung huschte über sein Gesicht. „Ja…“

 

„Und du hast alle verschlafen.“, bemerkte Chōji kichernd. „Sogar das ganze Geschrei. Ich war irgendwie echt beeindruckt.“

 

„Sie gehen sowieso alle gleich aus.“, argumentierte Shikamaru und streckte einen langen Arm aus, um die Schüssel mit den Keksen zu finden, denn er brauchte dringend etwas, um das Rumoren in seinen Eingeweiden zu stoppen. 

 

Ino schlug seine Finger beiseite, sortierte alle Hirschförmigen Cracker heraus und legte sie ihm in die Hand. „Hier, dein Harem.“, giggelte sie. 

 

Shikamaru schnaubte. „Wie originell. Aber das sind keine Ricken.“

 

Schmollend schob Ino die Unterlippe vor und Chōji musste die Keksschüssel in Sicherheit bringen, als sie sich nach vorn lehnte, um über Shikamarus Schulter auf die Cracker in seiner Handfläche zu schielen. „Ricken?“

 

„Jo, das sind keine Hirschkühe.“, erklärte der Schattenninja und zeichnete mit einem Streichen seines Fingers die Details von Geweihen auf den Crackern nach. „Siehst du? Böcke.“

 

„Ooooh.“

 

Shikamaru schmunzelte und reichte ihr einen der Cracker, damit sie sich ihn genauer ansehen konnte. 

 

„Daaaw, es ist ein kleiner Shika.“

 

Chōji brachte sie mit einem genervten ‚Pssst‘ zum Schweigen. „Hey, hey, da ist ein Typ mir einer verrückt aussehenden Maske, jetzt kommt der beste Part.“

 

Shikamaru opferte einen weiteren Hirsch an Inos Inspektion und ließ einen Keks wie eine Münze über die Knöchel seiner Finger tanzen; vor und zurück, vor und zurück.

 

Und während er ausdruckslos auf den Bildschirm stierte, führte er diese Bewegung fort. 

 

Für volle zehn Minuten schaffte er es, der Handlung zu folgen, versunken in dieser abwesenden Zone aus träger Fokussierung…Fokussierung, die zu entgleiten begann…bis es so weit war, dass er den Schauspielern zwar zusah, wie sie sich bewegten, aber der Geschichte oder den Dialogen keinerlei Beachtung mehr schenkte. Seine Augen wurden glasig und die Figuren begannen zu verschwimmen, bis der Bildschirm zu etwas wurde, das nur ein verwaschener Dunst an der Peripherie seiner Wahrnehmung war.

 

Und dann begann sich eine ganz andere Szene in seinem Kopf abzuspielen. 

 

Eine, die er bis in die hintersten Winkel seines Verstandes gespult hatte und sie für Jahre auf ‚Pause‘ gehalten hatte. 

 

Zwei Jahre.

 

Und mit einem Schlag setzte sich der Film in Bewegung; eine Rolle verblichenes Filmband, das immer mehr Definition annahm.

 

Nein…

 

Immer wieder ein Aufblitzen des Albtraumes; Phantome der Vergangenheit.

 

Es ist nicht länger real.

 

Invertierte Bilder, deren Farben einst ausgewaschen worden waren…jetzt bluteten sie wieder zurück.

 

Stop.

 

Verzweifelt versuchte er, in seinem Hirn auf ‚Pause‘ zu drücken und kämpfte darum, das zurück zu spulen, was gerade in seinem Kopf abzulaufen begann. Er kannte die zerebrale Technik der Abkopplung. Er hatte sie erlernt, ausgeführt und perfektioniert; und das innerhalb von nur zwei Wochen als er fünfzehn Jahre alt gewesen war. 

 

Mach es nochmal. Du weißt, wie es geht…

 

Shikamaru begann, den Keks schneller über seine Knöchel wirbeln zu lassen und seine Atmung beschleunigte sich zu einem leichten Keuchen. Sein Kiefer verschloss sich und seine Augen verloren den Fokus. 

 

Fuck…ich kann nicht…

 

„Shikamaru…“

 

Der Nara zuckte heftig zusammen.

 

Mit einem lauten Knacken zerbrach der Cracker zwischen seinen Fingern. 

 

Als hätte man ihnen die Energiezufuhr abgeschnitten, schrumpften die Erinnerungen in seinem Verstand zurück zu einem Schwarz. 

 

Inos Finger lagen spinnengleich auf seinem Kopf und schoben ihn ein bisschen nach links, damit sie einen besseren Blick auf den Fernseher hatte, als sie sich anders hinsetzte. 

 

„Rutsch rüber, Shikaaaaa.“

 

Viel zu erschüttert, um die Verkürzung seines Namens überhaupt zu registrieren, lehnte er sich fort und schob sich auf die Füße; die kleinen Hirschkekse glitten durch seine Finger und fielen zu Boden. 

 

„Bist du okay?“, fragte Chōji und sah zu ihm auf. 

 

„Jo.“ Shikamaru nickte und schob seine Hand an den Nacken, während er sich der Tür zuwandte, die auf die Veranda führte. „Ich brauche nur etwas frische Luft.“

 

Langsam schritt er durch den Raum, zog die Papiertüren zurück und schlüpfte nach draußen, bevor er sie hinter sich zuschob. Der Wind traf wie zahllose winzige Nadeln auf seine Haut, hakte sich in den gekreuzten Saum seines Yukata und zog den Stoff beiseite wie kalte Finger, die nach seiner Brust suchten. 

 

Er machte sich nicht die Mühe, den Yukata wieder zurecht zu ziehen. 

 

Bedächtig trat er an den Rand des Balkons und stützte seine Ellbogen auf der hölzernen Balustrade ab, bevor er den Kopf tief hängen ließ und nach hinten griff, um seine Finger an seinem Nacken zu verschränken. Er drückte einmal zu; nahm und entließ einen langen, langsamen Atemzug durch die Nase. 

 

Ganz ruhig…

 

Während er die Hände sinken ließ, richtete er sich ein wenig auf. 

 

Atme…

 

Und als er seinen Herzschlag dazu lockte, sich zu beruhigen, musterte er die Laternen, die die Gärten beleuchteten, durch die er vorhin mit Temari spaziert war; mit abgeschirmten Augen zeichnete er den Steinpfad nach. Sein Blick folgte den Pflastersteinen auf und ab und irgendwie fand er eine Ablenkung in ihrer akkuraten Anordnung; aber keinen Frieden. Und dann glitt sein Blick himmelwärts, unausweichlich hinauf gezogen zu der glühenden Sphäre, die die Welt unter sich weißwusch. 

 

Der Mond war noch nicht ganz voll; ein schmaler Schatten hing an der einen Seite. 

 

Shikamaru sog scharf die Luft gegen den Stich in seiner Brust ein und kämpfte ihn nieder. 

 

‚Götter, du bringst mich dazu, nicht mehr kämpfen zu wollen…‘

 

Er presste hart die Lider zusammen, als die Erinnerung an diese tiefe volltönende Stimme durch seinen Geist rollte; sich kummervoll durch ihn zog. 

 

‚Du bringst mich dazu, mich nach einer Ruhe zu sehnen, von der ich mir nicht erlauben kann, sie zu brauchen, Shikamaru.‘

 

Bedürfnis. Er fühlte es. Es glühte auf wie Funken und versengte und durchstach das rohe Organ, das schwer und kummervoll schmerzend in seiner Brust schlug. 

 

Das Geräusch der Türen, die aufgeschoben wurden, riss ihn von der Erinnerung fort. 

 

Seine Wimpern hoben sich bebend.

 

„Ich habe dir Tee gebracht.“, sagte Ino leise und klang dabei immer noch etwas benommen. 

 

Er drehte sich ein kleines Stück und neigte seinen Kiefer von dem wabernden Dampf fort, als sie ihren Arm auf seiner Schulter ablegte und ihm die Teetasse unter die Nase schob. Das duftende Aroma von Jasmin wurde von dem warmen Nebel mit sich getragen. Langsam hob er die Hand und nahm das angebotene Getränk entgegen. Das warme Porzellan taute die Kälte seiner Finger auf.

 

„Danke.“, krächzte er und hob die Tasse an die Lippen. 

 

Doch er bekam keine Chance, einen Schluck zu nehmen. Seine Zähne klackten hart gegen den Rand, als Ino gegen seinen Rücken zusammensackte und ihren Arm in einer halben Umarmung über seine rechte Schulter gehakt hielt. Die langen Trompetenärmel ihres lilanen Yukatas flatterten in der Brise. 

 

Er hatte nicht einmal die Energie, sie abzuschütteln; er fühlte sich zu roh, um verärgert zu sein und war zu müde, um sich gegen lockere und unkomplizierte Zuneigung zu wehren, auch wenn sie ungerechtfertigt war. Langsam richtete er den Blick zurück auf die Gärten. 

 

„Du kannst schon wieder nicht schlafen?“, murmelte Ino gegen seine Schulter. 

 

Shikamaru presste die Lippen zusammen. „Nein…“

 

„Armer Shikamaru…Morgen wirst du furchtbar aussehen…“

 

Er grinste schief. „Danke.“

 

„Es liegt an deinem riesigen Hirn…“

 

Shikamarus Atem stockte für einen Moment und der Dampf seiner Tasse erzitterte. „Ino…“

 

„Mmmhmmm?“

 

Er richtete seine Aufmerksamkeit auf eine der Laternen unter sich und schätzte, dass jetzt vermutlich der beste Moment war, sie noch einmal zu fragen. Eine Lüge würde er leicht genug erkennen und in ihrem jetzigen Zustand hätte sie es ohnehin viel schwerer, sich eine auszudenken. 

 

„Hast du vorhin versucht, mich zu lesen?“

 

„Du glaubst doch nicht an Sternzeichen…“, seufzte sie. 

 

„Das meine ich nicht. Hast du versucht, in meine Gedanken einzudringen?“

 

„Pfft.“ Inos Schnauben streckte sich zu einem Gähnen. „Ich will auf gar keinen Fall in deinem Hirn verloren gehen…“

 

Er konnte keine Lüge entdecken – fand aber auch keine Antworten.

 

Verdammt.

 

Blicklos stierte Shikamaru auf die Silhouette eines Ahornbaumes und schob rabiat alle unmittelbaren Gedanken außer den kalten harten Fakten von sich, während er seine Reaktion auf ein Minimum beschränkte und einzig und allein die rationalen Schlussfolgerungen ansprach. 

 

Ich bin müde. Ich habe mein Limit erreicht. Ich habe die Kontrolle verloren. Ich habe genug über diesen Mist gelesen, um Bescheid zu wissen. 

 

Er hatte die Lektionen gelernt und begriffen, wie er dieses Wissen anwenden musste. Die Techniken, die über die letzten beiden Jahre hinweg wieder und wieder funktioniert hatten, waren inzwischen vollkommen unterbewusst und automatisch geworden. Also musste er einfach nur die Methoden erneut in einer Schleife in seinem Verstand ablaufen lassen und sicherstellen, dass sich die Muster diesmal noch tiefer in ihm verwurzelten. 

 

Mehr muss ich nicht machen.

 

Dämlich. Simpel.

 

Als sich etwas von seiner Anspannung löste, hörte er nicht, wie sich die Shojitür öffnete. Er bemerkte nicht einmal die semi-vergrößerte Hand, bis sie neben ihm schwebte – mit einer schäbig aussehenden Kamera zwischen die großen Finger geklemmt. Das Plastik hatte Risse und war zerkratzt, aber die Linse hatte überlebt. 

 

Shikamarus Blick glitt zur Seite und er schüttelte marginal den Kopf. „Nun, ich werde wohl verdammt sein.“

 

„Gelegentlich verblüffe ich mich selbst.“ Chōjis Stimme nuschelte durch die Shojitüren. „Allerdings ist dieser Winkel ziemlich beschissen.“

 

Schmunzelnd hob Shikamaru eine Braue, während er die Kamera musterte und seine Stimme etwas hob, sodass sie über seine Schulter rollen konnte. „Wo hast du sie her?“

 

„Der Vogel mag mich.“, sagte Chōji leichthin. 

 

„Wie lästig.“

 

„Ach komm schon. Nur ein Schnappschuss von den Geburtstagskindern.“

 

„Ich möchte eins.“, murmelte Ino schläfrig. 

 

Shikamarus Braue bog sich etwas weiter, als er aus dem Augenwinkel zu ihr spähte. 

 

Der Kamerablitz ging los. 

 

Und bis die explodieren Punkte aus Shikamarus Sichtfeld verschwunden waren, hatte sich Chōji bereits siegreich zurückgezogen und lachte etwas, dass verdächtig nach ‚Eins für das Buch‘ klang. 

 

Buch?

 

Ino gähnte. „Alles Gute zum Geburtstag, Shikamaru.“ Sie drückte ihn leicht. 

 

Als Antwort grunzte er nur, doch er zog sich nicht zurück. 

 

Eine entspannte Stille legte sich über sie und zerrte einen Kummer und eine Traurigkeit in Shikamarus Augen, die Ino nicht sehen konnte. 

 

„Dir auch.“, sagte er letztendlich.

 
 

~❃~
 

 

Der phantomhafte Geruch von Regen hing schwer in der Luft. 

 

Neji schritt wie ein Schemen durch den Nebel und schien durch den Dunst zu schweben, der wie ein Laken über Konohas Dächern lag. Die feuchten Roben des Hyūga schmiegten sich an die starken Konturen seines Körpers, klebten nass an seinem Rücken und pressten eine Kälte über seine Wirbelsäule. 

 

Doch er spürte es kaum. 

 

Die Enden seines Haares tropften noch immer und die scharfen, nassen Ecken seiner Ärmel waren von Tropfen durchtränkt, die wie funkelnde Nadelstiche herab fielen.

 

Der Regen war heftig in den frühen Morgenstunden nieder gegangen und der Nebel war von dem Hokageberg herab gerollt. In einer bleichen Kaskade war er über die Gesichter und Köpfe gezogen, die in den alterslosen Stein gemeißelt waren. 

 

Nejis Byakuganaugen kartierten die vernebelten Dächer und gestatteten es ihm, gefahrlos die Kante entlang zu laufen, die er schon seit einer halben Stunde beschritt. Vor und zurück, vor und zurück wie ein Panther, der zu einem rastlosen Gang getrieben wurde.

 

Über dem Geruch des Regens konnte er deutlich das steinsalzige Aroma der Heißen Quellen ausmachen. 

 

Er war viel zu nah gekommen. 

 

Die Nacht hatte er unter einem Laken aus Sternen verbracht und er hatte die weit entfernten Funken beobachtet, bis sich vollkommen ungebeten eine gähnende Leere in ihm geöffnet hatte. Er hatte sie vielen verschiedenen Dingen zugeschrieben; der Tatsache, dass er nichts gegessen hatte, der Unsicherheit seiner Zukunft oder der Müdigkeit in ihm, die den Drang verstärkte, einfach anzuhalten und sich für eine Weile auszuruhen. Und der Gedanke an Ruhe hatte sich in Augenblicke verwandelt, die in seiner Erinnerung eingerahmt waren; Fragmente, die an seinem Herzen hingen. 

 

‚Du bringst mich dazu, mich nach einer Ruhe zu sehnen, von der ich mir nicht erlauben kann, sie zu brauchen, Shikamaru…‘

 

‚Ja…und es tut mir nicht leid.‘

 

Diese Worte hatten ihn heimgesucht, bis der letzte Stern hinter den dunklen Wolken, die über das Dorf rollten, verloren gegangen war. Die Morgendämmerung hatte den Regen mit sich gebracht, doch statt zur Hyūga Residenz zurückzukehren, hatte er sich noch näher an den Ort begeben, um den er eigentlich einen weiten weiten Bogen schlagen sollte. 

 

Er hatte überhaupt kein bewusstes Verständnis dafür gehabt, wo er sich selbst hinführte.

 

Er hatte einfach zugelassen, dass ihn der Impuls leitete. 

 

Und sein Verstand hatte ihn bei jedem Schritt gewarnt, umzukehren. 

 

Doch jeder Schritt wurde mit diesem logischen Teil schwerer zu koordinieren. Er hatte mit seiner Vernunft gerungen, indem er es ignoriert hatte und war den Warnungen mit unzähligen Verleugnungen begegnet, die ihn zu zahllosen weiteren Schritten getrieben hatten. 

 

Er hatte keinen Zielort gehabt, also hatte es auch keine Rolle gespielt, wohin er lief. 

 

Oder zumindest hatte es keine Rolle gespielt, bis ihn seine Füße über Markisen und die eleganten Neigungen von Ryokandächern getragen hatten, bis er schließlich realisiert hatte, wohin zur Hölle er sich gezogen fühlte. 

 

STOP.

 

In seinem Hinterkopf war eine Reißleine gezogen worden und ruckartig war er zum Stehen gekommen, hatte einen Kreis der Verwirrung vollführt, seine Schritte zurückverfolgt und war hektisch auf das gegenüberliegende Gebäude gesprungen. 

 

Und das hatte ihn hierher geführt. 

 

Zu diesem Moment. 

 

Und für die letzte halbe Stunde war er hier und lief langsam auf und ab. 

 

Ich kann nicht hier bleiben…

 

Es war schockierend zu wissen, dass er, obwohl ihm ein ganzes Dorf zur Verfügung stand, in dem er bis zu seiner nächsten Mission ziellos umher wandern konnte, unterbewusst zu dem einen Ort, zu der einen Sache – zu der einen Person getrieben worden war, von der er sich fernhalten musste. 

 

Ich muss gehen…schon wieder…und nochmal…bis es aufhört…

 

Plötzlich hörte Neji auf zu laufen. 

 

Er hielt mitten in einer Drehung inne; der Ballen seines Fußes war auf die Kante gestützt und die Ferse erhoben. 

 

Aufmerksam hielt er sich starr, hatte den Kopf zur Seite geneigt – lauschte. 

 

Und dann hörte er es erneut. 

 

Das leise Kratzen und Klacken von Nägeln auf Ziegeln. 

 

Seine Byakuganaugen senkten sich und zogen sich zusammen, während sie das Dach scannten und durch den Nebel stachen. Er sah das sich nähernde Tier und entspannte sich, bevor er sich dem kleinen Hund zuwandte, gerade als das Tapsen der Pfoten von Kakashis kleinstem Ninken verhallte.

 

„Pakkun.“, grüßte Neji, während die Venen um seine Augen schrumpften und sich glätteten. 

 

Die kurzschnäuzige Nase des Mopses zuckte in einem kurzen Schnuppern und der Hund verzog das Gesicht, als er zu Neji hinauf spähte. „Hyūga. Du riechst toxisch.“

 

Eine von Nejis Brauen wanderte nach oben. „Wie bitte?“

 

„Ich habe dich einzig und allein anhand dieses Geruchs aufgespürt.“ Die Augen des Hundes senkten sich und die Falten zwischen seinen Brauen wurden noch tiefer, als er erneut in die Luft schnüffelte. „Zeig mir deine Hand.“

 

Neji ging vor dem Tier in die Hocke und legte einen Arm auf dem verschlossenen Muskel seines Schenkels ab, während er den anderen mit der Handfläche nach unten ausstreckte. Pakkun tapste etwas näher, wobei seine Pfoten auf dem glitschigen Rand des Gebäudes scheinbar mühelos Halt fanden.

 

Eine nasse Nase stupste Nejis Fingerspitzen an und die Schnauze des Hundes zuckte erneut. 

 

Und dann biss der Mops ihn. 

 

Neji zischte und zog ruckartig und mit einem finsteren Ausdruck auf dem Gesicht seine Hand zurück. „Und was sollte das?“

 

Pakkun schüttelte sich mit einem Knurren und das Beben lief über seinen kleinen Körper bis zum Ende seiner Rute. Hängende Lefzen zogen sich in einer Miene nach unten, die so nah an einem düsteren Blick war, wie es ein Hund zustande bringen konnte. Seine Zunge rollte und leckte durch die Luft, dann um seine Lippen und versuchte, den Geschmack von Nejis Blut loszuwerden. 

 

„Ugh. Du hast Gift in dir, Junge.“

 

„Ich weiß.“, erwiderte Neji knapp und sah zu, wie sein Blut über die Haut zwischen Daumen und Zeigefinger rann. „Brodifacoum. Es wird noch etwas dauern, bis es meinen Kreislauf vollkommen verlassen hat.“

 

Pakkun ließ ein bellendes Husten hören. „Schmeckt schlimmer als es riecht.“

 

„Charmant.“, murrte Neji und wischte das Rinnsal aus Rot an dem schwarzen Schurz seiner Roben ab. Zumindest begann das Blut inzwischen wieder, normal zu gerinnen. 

 

„Mein Biss ist schlimmer als mein Bellen.“, gab Pakkun zu und sein Hitai-ate blitzte auf, als er den Kopf nach oben neigte. „Man hat nach dir rufen lassen. Lass uns gehen.“

 

„Rufen lassen?“ Neji runzelte die Stirn und beäugte den Hund misstrauisch. „Die Godaime oder Kakashi-senpai?“

 

Pakkun blinzelte nur träge und wandte sich ab, um davon zu trotten. „Beeil dich.“

 
 

~❃~
 

 
 

Schmerz. 

 

Zorniger, qualvoller, lästiger Schmerz. 

 

Shikamarus Rücken gab die Beschwerde an sein Hirn weiter. Und sein Hirn rollte sich herum wie ein Hund, der sich tot stellte. Er versuchte, diesem Beispiel zu folgen, doch sein Nacken verkrampfte sich, seine Wirbelsäule verschloss sich und der Spasmus schoss unter sein Schulterblatt wie ein glühendes Messer. 

 

Verdammt…

 

Er knurrte ein krächzendes Stöhnen hervor und das Geräusch wurde von dem plüschigen Gewebe der Couch gedämpft, auf der er sich zusammengefaltet hatte. 

 

Nicht der beste Platz, um ein Schläfchen zu machen. 

 

Er grub sein Knie in die Lehne und versuchte, seinen Körper in einen anderen Winkel zu schieben, um die Knoten aus seinem Rücken zu lösen. Doch diese unbeholfene Position ließ ihm keinerlei Bewegungsfreiraum und so rollte er mit der Schulter und zischte gegen das protestierende Ächzen von Muskeln. 

 

Zu schade, dass es nicht der einzige Teil von ihm war, der schmerzte. 

 

Sein Fuß fühlte sich an, als hätte man einen Nagel hindurch gerammt – der Dank dafür war Inos Absätzen zuzuschreiben. Sein Wadenmuskel hatte sich verkrampft und der Arm, der unter ihm gefangen war, schien jedes Gefühl verloren zu haben. 

 

Klasse.

 

Während er all diese lästigen Beschwerden katalogisierte, streckte Shikamaru seinen freien Arm hinter sich und tastete blind nach dem Rand der Couch, um zu verhindern, dass er herunterrollen würde, wenn er sich umdrehte. Langsam ließ er sich auf seiner anderen Seite nieder und seine Wimpern sanken tief, als er mit trüben Augen durch die Ryokan Suite linste.

 

Wie spät ist es?

 

Ein rußiges düsteres Licht hielt sich wie staubige Holzkohle in dem Zimmer; es war ein lausiges Indiz auf die Zeit, aber eine gute Vorahnung auf das Wetter. Shikamaru schielte auf die Shojitüren, die zur Veranda führten. 

 

Immer noch bewölkt…

 

Es hatte während der Stunden der Dämlichen Uhrzeit heftig geregnet und das Wasser war härter als Hagel auf die Terrasse niedergegangen.

 

Trotz seiner Erschöpfung war Shikamaru zusammen mit seinen Teamkameraden auf geblieben.

 

Sie hatten sich gemeinsam irgendeinen Film angesehen, der eine ganze Menge Gekreische enthalten hatte, die von Inos gelegentlichen Besuchen des Badezimmers unterbrochen worden waren – was letztendlich dazu geführt hatte, dass Shikamaru ihr Haar zurück gehalten hatte, als sie ihren Mageninhalt hoch gewürgt hatte. Und Chōji hatte den Schattenninja vollkommen damit allein gelassen, sich um sie zu kümmern, indem er sich strikt geweigert hatte, irgendwie zu helfen. Da dieses Verhalten vollkommen untypisch für den Akimichi war, ging Shikamaru stark davon aus, dass es alles Teil des Plans von seinem besten Freund war. 

 

Er fragte sich ernsthaft, ob es vielleicht Asuma gewesen war, der ihn auf diese Idee gebracht hatte. 

 

Nachdem Inos explosionsartige Erbrechensepisoden vorüber waren, hatten sie es sich wieder gemütlich gemacht, um einen weiteren Film anzusehen, den sie allerdings bereits nach fünfzehn Minuten auf stumm gestellt hatten. 

 

Stattdessen hatten sie sich unterhalten. 

 

Und sie hatten gelacht. Sie hatten auf eine Art und Weise gelacht, wie es schon sehr lange nicht mehr vorgekommen war. 

 

Es hatte sich gut angefühlt; vertraut. 

 

Er hatte es vermisst. Und in der Erkenntnis, dass er es vermisst hatte, realisierte er auch, dass es nicht das Einzige war, was er vermisste. Es war dieselbe grausame Erkenntnis, zu der er gekommen war, als er versuchte hatte, Neji ‚wieder hinzukriegen‘. Die bittere Wahrheit, dass vielleicht auch er selbst fehlende Teile hatte. 

 

Verrückt…

 

Zwei Wochen, nachdem Neji den einen Weg eingeschlagen hatte und er einen anderen, dachte Shikamaru eigentlich, er hätte die vergangenen Teile seines Selbst begraben, die losgerüttelt worden waren. Er dachte, er hätte sie zurück in die Schatten gezerrt. 

 

Doch er konnte diese Kontrolle nicht in seinen Träumen aufrecht erhalten. 

 

Und jetzt sogar in meinen verdammten wachen Stunden…

 

Der Gedanke an die Panikattacke, die ihn mitten während der Party getroffen hatte, ließ seine Eingeweide heftiger zusammenkrampfen, als seine steifen Muskeln. Bei allem, was er bei Neji versuchte hatte, wieder zu richten, fühlte es sich an, als ob sich ein sadistischer, unterbewusster Drang durch seinen Kopf krallte und ihn dazu zwang, mal über die Löcher in seinem eigenen Herzen nachzudenken. 

 

Nein.

 

Shikamaru spürte, wie ein Schmerz an der Basis seiner Kehle anzuschwellen begann. 

 

Dir zu helfen hatte nichts damit zu tun, zu versuchen, etwas in mir selbst zu richten…

 

Scheiße, wie hätte es auch so sein können? Neji hatte ihn erneut vollkommen aufgebrochen. 

 

Erneut…

 

Energisch schüttelte er den Gedanken ab, indem er seinen Arm knetete und das Kribbeln von Nadelstichen linderte, nur um seinen Verstand davon abzuhalten, sich noch tieferen Schmerzen zuzuwenden, die er nicht erreichen konnte. 

 

Als wäre es von Belang. Es ist getan.

 

Er schloss die Augen. 

 

Die Vergangenheit war vorbei. Es war nicht von Belang. Es durfte nicht von Belang sein. 

 

Weil ich mich darum gekümmert habe.

 

Doch es war die eine Sache für ihn, das zu wissen; und eine vollkommen andere, es auch wirklich zu glauben.

 
 

~❃~
 

 
 

„Asuma…“

 

Der Ruf seines Namens rollte durch Asumas Hirn wie ein tonnenschwerer Stein und nahm schneeballartig an Lautstärke zu, als er begann, sich zu rühren. Sein Kopf pochte. Es fühlte sich an, als würde eine Abrissbirne von einer Schläfe zur anderen schwingen und ein Pendel nachahmen. Er war sich ziemlich sicher, dass seine Leber gerade eher Blut statt Galle ausstieß.

 

Super cooler Erwachsener am Arsch…

 

Eine Hand legte sich an seinen nackten Rücken; kühl gegen seine heiße Haut.

 

Stöhnend zuckte er auf dem Bett. 

 

Diese Hand glitt seine Wirbelsäule hinauf und weiche Fingerspitzen zeichneten eine große ausgefranste Narbe nach, die sich zickzackartig über sein Schulterblatt zog. Er spürte, wie ein Pinselstrich aus Haar über seinen Rücken kitzelte und dann warme Lippen, die sich gegen seine Schläfe drückten. 

 

„Asuma, es ist Zeit aufzustehen.“, wisperte Kurenai und schlang ihren Arm mit einem leichten Druck um ihn, als er erneut stöhnte. „Was für eine Schande, denn es war wirklich schwer genug, dich letzte Nacht in das Bett zu bekommen.“

 

„Das ist `ne Lüge…“, murmelte Asuma wimmernd.  Das schroffe Rumpeln seiner eigenen Stimme frischte den Kater auf, den er seit den letzten paar Stunden bekämpfte. 

 

„Du bist durch das Fenster gefallen, Asuma…“

 

„Bin ich das?“, grunzte er. „Wie zur Hölle bin ich überhaupt zum Fenster gekommen?“

 

„Auf kreative Weise.“, vermutete Kurenai und strich ihm gönnerhaft über den Kopf. „Du hast mir Geschenke gebracht und mir sogar ein Ständchen gesungen.“

 

Asuma öffnete einen Spalt breit ein Auge und erstarrte. „Oh Gott…“, krächzte er. 

 

„Es war grauenvoll.“, gestand Kurenai. „Aber sehr süß.“

 

„Ich kann nicht singen.“

 

„Der Hund meines Nachbars hat dir da zugestimmt.“

 

Asuma schnitte eine Grimasse und drehte mit einem lauten Seufzen das Gesicht in das Kissen, während er den Kopf schüttelte. Und während sich sein Ego zu einer Fötushaltung zusammenrollte, dachte er ernsthaft darüber nach, sich selbst zu erwürgen. Als das Bedürfnis nach Luft die Oberhand gewann, hob er den Kiefer und presste stattdessen knurrend seine Wange in das Kissen. 

 

„Kakashi ist ein toter Mann…“

 

„Aww, fühlst du dich ein bisschen matschig heute Morgen?“, triezte Kurenai und blies einen kühlen minzigen Atem über seine Haarlinie.

 

Der Geruch von Zahnpasta brachte Asuma dazu, seine Zunge über den Film wandern zu lassen, der seine eigenen Zähne bedeckte. Sein Mund schmeckte nach Asche und abgestandenem Sake. Langsam schluckte er ein Gähnen hinunter und tastete herum, um die Hand in Kurenais Kniebeuge zu haken und ihr Bein über die starke Mulde seines Rückens zu ziehen. 

 

„Du bist unmöglich.“, tadelte Kurenai und unternahm einen halbherzigen Versuch, sich zurück zu ziehen. 

 

Asuma grinste und zog sie sofort wieder zu sich. „Lass mich nicht mit mir allein…“

 

Sie überraschte ihn, indem sie sich rittlings auf seine Hüften setzte und sich auf seinen Rücken fallen ließ, was ihm mit einem plötzlichen Rausch die Luft aus den Lungen presste.

 

„Au…sei lieb…“, würgte Asuma hervor und versuchte, nicht zu grinsen. 

 

Kurenai küsste ihn zwischen die Schultern und kicherte, während sie seinen unteren Rücken mit geübten Fingern massierte. „Du musst aufstehen…“

 

Asuma öffnete ein Auge und feixte. „Oh, ein Teil von mir steht bereits.“

 

Kurenai hob eine Braue und grub ihre Finger in seine Rippen. 

 

Asumas Lider flogen auf. „NEIN!“, jaulte er mit einem strangulierten Lachen und wand sich auf dem Bauch hin und her, während er aussichtslos versuchte, den kitzelnden Fingern zu entgehen. Es war ihm peinlich, dass er wirklich durch etwas so Bescheuertes entwaffnet und gefoltert werden konnte. 

 

Und Kurenai kannte keine Gnade. 

 

Asuma befand sich im schlechtmöglichsten Winkel, um irgendwie gegen ihren Angriff angehen zu können. Seine kleinen Macken hörten niemals auf, Kurenai zu amüsieren. Keine noch so große Menge an Muskeln, Machogehabe, Maskulinität oder Kraft konnte diese Attacke abwehren. Kurenai empfand es als überaus liebenswert und urkomisch, daran zu denken, dass jemand, der körperlich so stark war, durch so eine kindische Taktik auf einen Haufen um sich schlagender Gliedmaßen reduziert werden konnte. 

 

„Kurenai!“

 

Doch sie lachte nur und ließ ihn für eine weitere qualvolle Runde unter ihren Händen leiden, die damit endete, dass er vor Lachen auf den Laken bebte und Tränen in den Augen hatte. Er sah nicht, wie Kurenais karmesinrote Seen schimmerten und sich mit Emotion füllten, die sie als Hormone abtat. 

 

Doch das war es nicht. 

 

Sie fuhr mit den Fingern durch das dichte dunkle Durcheinander seiner Haare und lehnte sich nach unten, um sich gegen die gerötete Haut zu kuscheln und seine Schulter mit Küssen zu übersäen. 

 

Asuma summte tief mit Zuneigung. „Das ist gut. Kümmere dich um den Schwerverletzten…“

 

Kurenai stach ihm in die Rippen, doch die Drohung verwandelte sich rasch in ein zärtliches Streicheln ihrer Hände, als sie sie unter seinen Körper schob, um sich noch fester an ihn zu pressen. 

 

Für ein paar Minuten blieben sie einfach so liegen.

 

Asuma entspannte sich und war sich vage der alltäglichen Aktivitäten bewusst, die sich jenseits der Wohnungswände abspielten. Trotz des miserablen Tages befand sich das respektable Konohavolk auf den Beinen und nahm den Morgen in Angriff; fleißig und unbezwingbar. 

 

Verantwortungsbewusst. 

 

Asuma konnte sich nicht einmal daran erinnern, die Bar letzte Nacht verlassen zu haben. Er hätte überall hingehen können; alles mögliche anstellen können. 

 

Ich frage mich, ob ich den kleinen Scheißkerl aus dem Ryokan um die Ecke gebracht habe…auf jeden Fall werde ich Kakashi umbringen…

 

Denn während er keinerlei Erinnerung daran hatte, sich von dem Kopierninja verabschiedet zu haben, konnte er sich sehr wohl ins Gedächtnis rufen, dass der silberhaarige Ninja Genma zu dem Trinkfest eingeladen hatte. Das letzte, woran sich Asuma außer an eine ganze Menge Lachen und ein paar tiefe suchende Blicke in seinen Sakebecher noch erinnern konnte, war der Drang, nach Hause zu gehen. 

 

Nach Hause.

 

Ein winziges Stückchen Nüchternheit hatte ihn zu Kurenai geführt. Wahrscheinlich hatte es bereits gedämmert, als er durch das Fenster gestolpert war. Er hatte keine Ahnung. Langsam hob er die Lider und warf einen spekulativen Blick auf die Vorhänge. Durch einen Spalt in den Gardinen fiel ein trister Lichtstrahl herein und tauchte den Raum in schattenhafte Farbtöne. 

 

„Wann bin ich durch das Fenster gefallen?“ Seine Stimme schreckte sie auf. 

 

Kurenai holte Luft, als wollte sie etwas sagen, doch stattdessen hielt sie den Atem. 

 

Asuma spähte über die Schulter und musterte sie aus dem Augenwinkel. „Mn?“

 

Kurenai zögerte, bevor sie sich noch näher an seine Wärme drückte und ihr Gesicht war nur noch gerade so sichtbar, als sie ihre Wange gegen sein Schulterblatt drehte. „Ziemlich früh morgens.“

 

„Scheiße…habe ich dich geweckt?“

 

„Ich bin froh, dass du das getan hast.“

 

Sonst sagte sie nichts und ließ stattdessen ihr Schweigen für sich sprechen. Es presste sich um die beiden, bis Asuma spürte, dass es nicht voll von unausgesprochenen Worten war, sondern viel eher mit Worten, an die er sich nicht mehr erinnern konnte. 

 

Für einen Moment beäugte er sie und rang mit sich selbst. „Ich habe dir nicht nur vorgesungen, oder?“

 

Kurenai blinzelte etwas zu schnell und zauberte ein wackeliges Lächeln auf ihre Lippen. „Du hast auch Regenwasser über meinem ganzen Teppich verteilt.“

 

Stirnrunzelnd zog Asuma die Ellbogen unter sich und fing an, sich umzudrehen. Kurenai rutschte auf den Knien zurück und gab ihm genug Freiraum, um sich gegen das Kopfbrett aufzusetzen. 

 

Ihre Lippen krümmten sich zu einem leichten Lächeln. „Also…Team Typ braucht noch einen Knackarsch-Typ, oder wie soll ich das verstehen?“

 

Asuma blinzelte weitäugig.

 

Team Typ?

 

Das brachte ein paar peinlich laute Glocken in seinem Hirn zum Klingeln. Er hatte keine Ahnung, wieso, aber er schaffte es irgendwie, eine entspannte Miene beizubehalten. Automatisch wanderte seine Hand auf der Suche nach seinen Zigaretten zum Nachttisch. Kurenai beobachtete ihn aufmerksam und sagte kein Wort; ihre eigene Hand strich über ihren Bauch. Sofort änderte Asuma die Richtung seines Armes und kratzte sich stattdessen den Kiefer. 

 

„Also…habe ich zwischen meinem Gesang auch noch ein paar andere Sachen gesagt, huh?“

 

Sie lächelte und tiefe Zuneigung machte ihre Stimme weich und den Ausdruck in ihren Augen sanft. „Du hast eine ganze Menge Dinge gesagt.“

 

Eine Grimasse zupfte an Asumas Mundwinkeln. „Wie zum Beispiel?“

 

Kurenai biss sich auf die Lippe, bevor sie wieder nach vorn rutschte, um sich auf seinen Schoß zu setzen. Liebevoll schlang er einen Arm um ihre Taille und ließ den Kopf nach hinten kippen, als sie mit ihren Fingern durch sein Haar fuhr, um dunkle Strähnen von seinen Augen fort zu streichen. 

 

Und dann richtete sie kopfschüttelnd einen suchenden Blick auf ihn. „Du bist ein guter Mann, Asuma.“

 

Die Augen des Sarutobi zuckten in reflexartigem Schuldbewusstsein. 

 

Was um alles in der Welt hatte er gesagt, um diesen Haken auf der Checkliste seines Charakters zu verdienen?

 

Vorsichtig drehte er die Worte in seinem Kopf herum, um den wahrscheinlichsten Kontext herauszufinden, in dem sie standen. Was auch immer er gesagt hatte, um sich dieses Kompliment zu sichern; es war ein Punkt zu seinen Gunsten, von dem er nicht sicher war, ob er ihn auch wirklich verdient hatte. Doch Kurenais Augen hielten dieses weiche zärtliche Glühen in sich. Ein Glühen, das einen unangenehm dumpfen Schmerz in Asumas Magengrube hervorrief…als könnte er welche Wunde auch immer spüren, die sich zweifelsohne geöffnet haben musste, damit er seine emotionalen Eingeweide herauf würgen konnte. 

 

„Ah Shit, sag mir nicht, dass ich geflennt habe.“, neckte er und versuchte, die Kante aus seinem Unbehagen zu nehmen. 

 

Doch seine Worte brachten sie nicht zum Schmunzeln und sie fuhr einfach nur fort, beruhigend mit den Fingern durch sein Haar zu streichen. Und diese Berührung war, was ihn am meisten beunruhigte. Er brauchte keinen Trost, oder? Scheiße…hatte er wirklich?

 

Asuma verzog das Gesicht. „Bitte sag mir, dass ich mit mehr Würde geheult habe, als ich gesungen habe.“

 

Kurenai schüttelte den Kopf. „Du hast nicht geweint.“

 

Oh Kami sei Dank!

 

„Aber ich weiß, dass es dich schmerzt.“, fügte Kurenai hinzu. 

 

Aus Gründen, die Asuma lieber nicht benennen wollte, versteifte er sich gegen den plötzlichen Drang, jeden Beweis auszulöschen, den sie hatte, um diese Aussage zu unterstützen. Stattdessen griff er nach oben, um seine Finger um ihre Handgelenke zu schlingen und ihre Bewegungen zu stoppen. 

 

„Mich schmerzt?“, echote er und spielte sein Unbehagen mit einem unbeholfenen Lächeln herunter, während er sie verwirrt ansah. 

 

Kurenai nickte und umfasste seine Wangen, als sie ihre Blicke verband. „Du hast niemanden im Stich gelassen.“

 

Das Lächeln fiel schlagartig aus Asumas Gesicht.

 

Seine Stirn legte sich in Falten und er zog den Kopf zurück, um ihn gegen das Brett sinken zu lassen. Brandyfarbene Augen fixierten sich auf ihr Gesicht, als Kurenai mit dem Daumen über seine Knöchel strich. 

 

Jemandem im Stich gelassen…?

 

Abgesehen von seinem Vater gab es nur eine einzige Person, bei der er das Gefühl hatte, sie wirklich im Stich gelassen zu haben.

 

Shit.

 

Ein eingezogener Atem und plötzlich konnte Asuma die Frage nicht mehr aufhalten, die aus ihm stolperte. 

 

„Was habe ich zu dir gesagt?“

 

Kurenai lächelte traurig. „Was du zu Shikamaru sagen musst.“

 
 

~❃~
 

 
 

„Du musst es ruhiger angehen, Hyūga.“

 

„Ruhiger…?“

 

An seinem peripheren Sichtfeld sah Neji, wie sich Kakashi mit den Fingerspitzen über seinen maskierten Mund fuhr. 

 

Ich bin froh, dass zumindest einer das hier so amüsant findet. 

 

Während er die Godaime anstarrte, spiegelte der Ausdruck auf Nejis Gesicht seine Meinung über ihre Aussage deutlicher wider als irgendein antwortendes Wort. Seine eleganten Brauen zogen sich scharf zusammen und seine Lippen wurden zu einer schmalen Linie, als sich die Haut über seinen Wangenknochen ebenso straff zog wie die Linie seines Kiefers. 

 

„Du bist gerade erst aus Hanegakure zurück gekommen.“, betonte Tsunade. 

 

„Von einer Gesandtenmission. Das ist wohl kaum anstrengend.“

 

„Du befindest dich immer noch in medizinischer Regeneration.“, argumentierte Tsunade. „Und zu dem kommt auch noch das.“ Mit dem Kopf nickte sie in Richtung der Schriftrolle auf ihrem Schreibtisch. „Du hast dich sofort für sechs neue A-Rang Missionen eingetragen, inklusive zwei, die dich viel zu weit ins Feld führen.“

 

„Ich habe mich genug erholt, um wieder auf dem Niveau zu operieren, auf dem ich immer gearbeitet habe. Und diese Missionen sind alle in Nachbarländern.“, begründete Neji. 

 

Eine von Tsunades feinen Brauen wanderte nach oben. „Das heißt nicht, dass sie weniger weit entfernt sind. Obwohl ich so ein Gefühl habe, dass dich das überhaupt nicht stören würde, oder?“

 

Mit steinernem Gesicht starrte Neji sie an. 

 

Tsunade klopfte mit den Nägeln auf das ausgerollte Papier auf ihrem Tisch und deutete damit auf die Missionsliste und den ordentlichen Schwung seines Namens daneben. Stur hielt Neji seine Augen auf sie gerichtet; nicht dazu bereit, auch nur einen Bruchteil seiner Aufmerksamkeit dem zukommen zu lassen, von dem sie versuchte, seine Zustimmung zu erhalten. 

 

Nein. Ich kann nicht hier bleiben.

 

„Erholung ist wichtig, Hyūga.“

 

„Wenn ich verwundet wäre.“, konterte Neji und passte seinen Tonfall seiner todernsten Miene an. „Das bin ich nicht.“

 

„Aber das warst du. Und genau aus dem Grund, weil du es übertreibst.“, erinnerte Tsunade ihn und setzte die Ellbogen auf der Kante ihres Schreibtisches ab. „Und jetzt bist du wieder mitten im Spiel. Ginge es hier um irgendjemanden sonst, dann wäre ich von diesem Enthusiasmus beeindruckt. Aber in deinem Fall ist es ein Anlass zur Sorge.“

 

Ein Spur Panik trieb sich wie eine Nadel in Nejis Herz. 

 

Nimm mir das nicht weg.

 

Er brauchte es, weiter voran zu kommen und nach mehr zu streben. Wenn er nicht bewies, dass er stabil war und fähig genug, um ANBUs Maske zu tragen, dann würde sie ihm weggenommen werden. Stillstand war keine Option. Er war so stolz auf diese Entschlossenheit, die ihn zu dem machte was er war und ihn so weit gebracht hatte. 

 

„Hyūga? Hörst du mir zu?“

 

Neji neigte leicht den Kopf; gerade weit genug um zu signalisieren, dass er sie gehört hatte, aber nicht, dass er dem zustimmte. 

 

Tsunade runzelte die Stirn und spähte zu Kakashi. Das kürzeste Lächeln machte sich auf Kakashis Gesicht unter der Maske bemerkbar, doch es war sofort wieder fort. Genervt verdrehte Tsunade die Augen zur Decke und schüttelte den Kopf. Als sie ihren Blick wieder senkte, legte sich eine lange und bedeutungsschwere Paus über sie. 

 

„Du drängst dich selbst zu sehr, Neji.“

 

Neji sah direkt neben Tsunades Kopf, um ihre Augen zu meiden und atmete bedächtig ein; zog die Luft langsam und stet durch die Nase ein, um sich vom Schnauben abzuhalten. 

 

Ich habe mich schon immer so hart vorwärts gedrängt. 

 

Er konnte es sich nicht leisten, sich nicht so hart zu drängen. 

 

Sich selbst zu strapazieren, um zu tun, was notwendig war, war viel besser, als einfach nur rumzuliegen und darüber nachzudenken, was getan werden müsste. Und Tsunade schien seinem Gedankengang ebenfalls zu folgen, denn sie seufzte leise und beobachtete ihn über ihre verschränkten Finger. 

 

Die Stille hielt sich für einen angespannten Herzschlag. 

 

„Was sind deine Motive, Hyūga?“, fragte sie letztendlich. 

 

Diese Worte erschütterten Neji bis ins Innerste. 

 

Schon wieder diese vermaledeite Frage!

 

Nach außen veränderte sich seine Miene nicht, die Richtung seines Blickes aber schon. Aus den Augenwinkeln sah er scharf zu Kakashi. Der Kopierninja verlagerte sein Gewicht und spähte mit einem gelangweilten Blick nach draußen, während er die Hüfte gegen das Fensterbrett lehnte. 

 

„Meine Motive sind dieselben wie immer.“, antwortete Neji und hob etwas die Stimme, um sie bis zu Kakashi tragen zu lassen und fügte einen spitzes Funkeln hinzu. 

 

Das graue Auge des Kopierninjas observierte ihn in der Scheibe, doch der silberhaarige Shinobi wandte nicht den Kopf um. Nejis Aufmerksamkeit wanderte zurück zu Tsunade. Die Hokage sah zwischen den beiden hin und her, als versuchte sie, die Signale zu entschlüsseln, die vermittelt wurden und was sie mit den gesammelten Informationen anfangen sollte. 

 

Sie zog die Brauen zusammen. „Erklär dich etwas näher.“

 

Neji senkte den Blick hinunter auf ihren Schreibtisch. „Diesem Dorf meinem besten Können nach zu dienen, Tsunade-sama.“

 

„Deinem besten Können nach zu dienen, hmn?“ Kakashis Stimme verharrte bei einem luftigen Tonfall mit nur dem Hauch einer herablassenden Belustigung. „Ich dachte, es hätte mehr mit Notwendigkeit zu tun.“

 

Neji sträubte sich gegen die lässige Art, mit der der andere Jōnin seine Worte abtat oder sie verdrehte – als wäre diese ganze Situation irgendein halbwüchsiges Spiel, das nur gewonnen wurde, indem man den Weisheiten seiner Vorfahren nachgab.

 

Er war von der ‚Weisheit‘ seiner Vorfahren sein ganzes Leben lang kontrolliert worden. 

 

„Diese Ziele bedingen sich gegenseitig, Senpai.“

 

„Tun sie das?“ Kakashi legte den Kopf in den Nacken und warf einen spöttisch-meditativen Blick zur Spitze des Fensters. „Notwendigkeit ist ein ideologisches Konzept, das mit Überleben assoziiert wird statt mit Dienstbarkeit.“

 

Neji biss die Zähne zusammen und die Kadenz seiner Worte veränderte sich zu etwas Knappem und Abgehacktem. „Mir war nicht klar, dass es ein festgelegtes ideologisches Skript gab, dem ich hätte folgen sollen.“

 

„Oh, ich denke, dass deine Vorstellung von Notwendigkeit weniger damit zu tun hat, dass du einem festgelegten Skript folgst, Neji.“ Kakashi fing seinen Blick im Fenster auf. „Und alles damit, deine festgelegte Rolle darin zu ändern.“

 

Clever.

 

Vor zwei Wochen hätte er wahrscheinlich darauf reagiert. Und zwar explosiv. Doch angesichts des Empfindens von Ruhe und Verständnis, das er unter der Führung des Tempelmönches erlangt hatte, war er inzwischen in der Lage, die Wellen des Zorns zu beruhigen, bevor sie nach außen brechen konnten. Seine Gesichtszüge verloren ihre angespannte Kante und glätteten sich zu etwas Gelassenerem, aber auch Kälterem. 

 

Kakashis Augen hielten die seinen im Glas. „Du glaubst wirklich, dass ANBU das Beste in dir zum Vorschein bringen wird?“

 

Neji neigte den Kopf. „Offensichtlich war das bei dir ja nicht der Fall, Senpai.“

 

„Neji.“, warnte Tsunade. 

 

Doch Kakashis Auge bog sich in einem ehrlichen Schmunzeln, während er ihn immer noch mithilfe der Reflexion musterte. „Er hat nicht unrecht.“

 

„Das war jetzt genug Gerede über ANBU.“, knurrte Tsunade. „Dieses Thema steht erst vollständig zur Diskussion, wenn du den notwendigen Beweis erbracht hast, dass du dich auf festem Boden befindest, statt dich an gefährlichen Abgründen zu bewegen, Hyūga.“

 

Neji schloss die Augen und beugte den Kopf. „Ich verstehe. Gewähre mir die Chance, die Missionen abzuschließen, für dich ich mich eingeschrieben habe und ich werde dir und Kakashi-senpai alle erforderlichen Bestätigungen liefern.“

 

Tsunades Augenbrauen wanderten nach oben und ein leises Lachen löste sich hinter ihren Händen und drehte sich, um nach ihrem Tee zu greifen. „Oh, du musst weder mich, noch Kakashi überzeugen, Hyūga.“

 

Nejis Lider flogen ungläubig auf und sein Blick zuckte nach oben. „Was?“

 

Kakashi spähte zu ihm hinüber; ein Sinnbild abgestumpften Desinteresses, als er in einem halben Achselzucken eine Schulter hob. „Täusch dich nicht. Das hier hat überhaupt nichts mit mir zu tun – als Ratgeber wider Willen, der ich bin.“

 

Tsunade schnaubte spottend und augenrollend in ihren Tee. 

 

„Ratgeber…“, echote Neji vage und mochte den Geschmack dieses Wortes überhaupt nicht; oder was es implizierte. 

 

Was zur Hölle ist das hier? Irgendeine Art Inquisition meiner psychischen Gesundheit?

 

Kakashis Auge verzog sich mit einem Lächeln zu einem Halbmond. „Der, den du überzeugen musst, steht im Rang weit über mir.“

 

Neji hob eine Braue. „Und wer wäre das?“

 

Kaum hatte er diese Frage ausgesprochen, fiel auch schon ein Schatten von außen und hinten über Tsunades Schreibtisch. Eine schlanke, drahtige Gestalt schwang sich an das Fenster, um einen Unterarm an dem oberen Rand des offenen Fensters abzustützen. Der Kopf des Shinobi senkte sich gerade weit genug, dass er von unter seinem Arm und durch halb geschlossene Augen in den Raum spähen konnte. 

 

Nejis blasse Augen weiteten sich und seine Lippen teilten sich zu einem scharfen angespannten Atemzug. 

 

Das vernarbte Gesicht des Ninjas fiel halb in die Schatten und die sichtbare Seite seines Mundes bog sich ein winziges Stück nach oben. Doch es lag nicht der geringste Hauch von Humor in diesen rasiermesserscharfen, nicht blinzelnden Augen. 

 

„Das wäre ich.“, sagte Shikaku gedehnt.

 

 

_____________________

Tja Neji...da hast du jetzt wohl ein...kleines...Problem...

Aber es war denke ich klar, dass Shikaku auch im Zusammenhang mit Neji nochmal die Bühne betritt. Und tada, hier ist er ;) 

Und Shikamaru, ja, er bekommt immer mehr Risse und die Vergangenheit sickert durch...

Ich hoffe natürlich wie immer sehr, dass es euch gefallen hat und würde mich sehr über Meinungen freuen! <3
 

Vielen Dank auch an alle meine lieben Reviewer/innen und Leser/innen! <3

I'm sorry

Diesmal weckte ihn die Kälte. 

 

Eine Kühle, die schärfer schnitt als eine Rasierklinge und über seine Haut kribbelte. 

 

Shikamarus Wimpern hoben sich flatternd und eiskalte Glieder spannten sich an, als er seinen Kopf in die kurvige Armlehne des Sofas presste und sich die Seite seines schmerzenden Schädels rieb. 

 

Ein Rechteck grellen Lichtes zog seinen halb verschlossenen Blick durch den Raum. 

 

Der Fernseher war an, aber Chōji hatte ihn auf stumm gestellt. 

 

Der Akimichi saß auf dem Boden und mampfte irgendetwas, das nicht knusperte. Gegen das Licht anblinzelnd verschränkte Shikamaru die Arme und rollte sich etwas mehr auf die Seite. 

 

„Hey.“, grüßte Chōji ihn, hielt den Blick aber weiter auf den Bildschirm gerichtet. 

 

Shikamaru brummte; seine Stimme war viel zu heiser, um mehr als ein Grunzen zustande zu bekommen. Und außerdem hätte er dafür seinen Kopf heben müssen und er wusste, dass sein Nacken um nichts in der Welt bei einer solchen Bewegung kooperieren würde. Sein Hals war heftiger verspannt als sein Gesichtsausdruck, als er es versuchte. 

 

Argh…

 

Während er seinen Kopf zurück gegen die Armlehne sinken ließ, wanderten seine schläfrigen Augen durch das Zimmer und registrierten etwas, das das letzte Mal, als er aufgewacht war, noch nicht da gewesen war. Fetzen aus flieder- und indigofarbenem Geschenkpapier lagen auf den Tatami Matten verstreut. Es sah aus, als hätte sich eine lilane Schlange auf dem Boden gehäutet. 

 

Seine träge Musterung folgte der Spur bis zu einem riesigen Nest aus Laken. 

 

Ino lag zusammengerollt auf einem Futon, den Chōji in die Mitte des Raumes gezerrt hatte und umklammerte ihren Bauch, als versuchte sie, ihr Inneres daran zu hindern, sich nach außen zu ergießen. Sie schlief.

 

„Warum?“, krächzte Shikamaru mit schwerer rauer Stimme. 

 

„Huh?“

 

Shikamaru ließ eine Braue nach oben wandern und knetete seinen Arm. „Ino…“

 

„Sie hat ihre restlichen Geschenke ausgepackt, während du im Koma warst.“, antwortete Chōji, wandte den Blick aber nicht von dem dramatischen Moment ab, der sich gerade auf dem Bildschirm abspielte. „Dann ist sie weggepennt. Ihr habt mich beide hängen lassen. Oh und sie hat gesagt, dass du das eine Geschenk nicht aufmachen darfst, bevor sie wach ist.“

 

Shikamaru spähte zu dem eingewickelten Gegenstand auf dem Tisch; er hatte Größe und Form eines Schuhkartons. „Wieso?“

 

„Das Beste soll bis zum Schluss aufgehoben werden.“, erklärte Chōji und raschelte mit seiner Snackverpackung. 

 

Shikamaru hingegen war sich ziemlich sicher, dass das letzte Geschenk, das er erhalten hatte, bereits das Beste gewesen war. 

 

Und es war kein Gegenstand gewesen.

 

Während Magic 8 Bälle, Ananasse, Kissen und irgendein schräges Buch über Narkolepsie von nützlichen Ninja Werkzeugen und einem atemberaubenden Sonnenuntergangsgemälde von Sai ausgeglichen worden waren, war für den Schattenninja nichts Materielles der Höhepunkt des Tages gewesen. Es stimmte schon, er war nicht der Typ, der großspurige Aussagen darüber machte, wie glücklich er sich fühlte oder was für eine tolle Zeit er gerade hatte, aber es gab eine unverkennbare Möglichkeit, zu erkennen, wenn er es war. 

 

Und zwar schloss er dann die Augen, wenn er lachte. 

 

Und wenn er sie wieder öffnete, dann würden seine schokoladenfarbenen Seen immer noch lächeln. 

 

Das war der Fingerzeig. Denn erzwungenes Lächeln und Lachen waren leicht zu erreichen, doch Shikamaru konnte nie diesen natürlichen Ausdruck erzwingen, der ihn überkam, wenn er wirklich glücklich war. Er bot ohnehin schon äußerst selten ein verwässertes Lächeln an. Schließlich war es viel zu anstrengend, eine vollständige Kaschierung des Mangels an ehrlichen Gefühlen zu erzwingen. Ein Grinsen genügte.

 

Sein Lachen war ein rarer Klang; aber ein vielsagender.

 

Und was ebenfalls vielsagend war, war seine Päsenz. Er war letzte Nacht präsent gewesenUnd das war höchstwahrscheinlich das beste Geschenk, das Chōji und Ino ihm gemacht hatten; sie hatten ihn aus seinem eigenen verdammten Kopf fern gehalten – und ihn dabei sogar dazu gebracht, zu lachen. 

 

Seine Lider glitten etwas weiter auf und er spähte zwischen seinen Teammitgliedern hin und her. 

 

Völlig egal, wie distanziert er sich in den letzten beiden Wochen verhalten hatte; er verlor den Kampf, sie weiterhin auf Armeslänge auf Abstand zu halten. Sie taten das, was Asuma unermüdlich versucht hatte. 

 

Sie versuchten, ihn zu erreichen. 

 

Und jedes Mal, wenn sie das taten, ließ es Shikamaru mit einem rostigen verknoteten Ball aus Schuldgefühlen zurück. Einer, der wie ein Metallschwamm kratzend in ihm herum rollte. 

 

Es zerriss ihn an einem Ort, den er mit aller Mühe verheilen lassen wollte, ohne dass irgendjemand in die Wunde bohrte. 

 

Er wollte nicht darüber sprechen.

 

Er wollte es vergessen. 

 

Zwei Wochen waren vergangen, doch die Zeit hatte nichts in dieser Richtung angeboten. Und genauso wenig hatte er noch etwas übrig, das er im Gegenzug anbieten könnte. Nichts mehr übrig an einem Ort in ihm, der sich schlafen gelegt hatte und sich selbst distanzierte. 

 

Ich will nicht geweckt werden…

 

Es war in der Sekunde passiert, als Nejis Finger vor zwei Wochen über seine Augen gegeistert waren, um sie zu schließen. Ein Teil von ihm war in einen komatösen Zustand abgedriftet, von dem er sich nicht frei rütteln konnte. Asuma, Chōji und Ino versuchten ununterbrochen, ihn daraus zu wecken. Doch er wollte nichts mehr, als diesen Teil seines Selbst in einen tiefen, unberührbaren Schlummer sinken zu lassen. 

 

‚Ich schaffe es nur auf diese Weise, das zu tun, Shikamaru…‘

 

Ich weiß…

 

Sich von dieser Erinnerung abwendend reckte Shikamaru mit einem Wimmern den Nacken nach hinten und spähte zu der Shojitür, die ein wenig aufgeschoben war. Jenseits der Veranda erblickte er Türme aus Grau; nicht ein einziger Streifen von Blau am Himmel. Das fahle Licht stahl der Welt jedwede Farbe und tauchte alles in äscherne Schattierungen. 

 

Shikamaru presste die Lider aufeinander, bis bunte Flecken in seinem Sichtfeld wirbelten. „Wie spät ist es?“

 

„So gegen vier?“ Chōji stellte ab, was auch immer er gegessen hatte und sah endlich zu ihm hinüber. „Hast du einigermaßen schlafen können?“

 

Shikamaru war dankbar für die Kälte in der Luft, denn sie gestattete ihm, sein Erschauern als nichts weiter als ein Frösteln abzutun. „Jo.“

 

„Warum hast du überhaupt auf dem Sofa gepennt? Ino hatte recht, weißt du? Die Futons hier sind wirklich wie Wolken. Da hättest du besser geschlafen.“

 

Leicht zog Shikamaru das Kinn nach unten und grunzte erneut, ohne eine Antwort zu geben. 

 

Zum ersten Mal seit zwei Jahren beunruhigte ihn der Gedanke an Schlaf; besonders, wenn es bedeutete, in etwas wie dem Albtraum von letzter Nacht eingeschlossen zu sein. Ein Gefangener zu sein, der in den Windungen des eigenen Verstandes in der Falle saß. 

 

Es ist nicht real…

 

Ein lautes Klopfen an der Tür schreckte ihn auf. 

 

Shikamarus Gedankengänge wurden abrupt unterbrochen und er hob den Kopf, um über Chōjis Scheitel hinweg in Richtung des Foyers zu spähen. Das Klopfen ertönte erneut; lauter. Ino rührte sich nicht und Chōji machte keinerlei Anstalten, sich aus seiner Position auf dem Boden zu erheben. Snackkrümel lagen wie ein Heiligenschein um ihn herum, als befände er sich gerade mitten in einem religiösen Ritual. 

 

Was nur dich übrig lässt…

 

„Mann, das nervt…“, seufzte Shikamaru. 

 

Der Akimichi grinste breit. „Deine Geburtstags-Sonderbehandlung hört heute auf. Jetzt ist Ino dran.“

 

Während er versuchte, die Knoten in seinen Gliedern zu lösen, krabbelte Shikamaru von der Couch und zerrte den roten Yukata, der ihm halb vom Körper hing, wieder an Ort und Stelle. Mit langen Schritten durchquerte er das Zimmer und streckte die Waden, als er das Foyer betrat und die Tür aufzog. 

 

Blutunterlaufene Bronzeaugen sahen zu ihm herab. 

 

Und für den kürzesten Augenblick versteifte sich Shikamaru gegen den Türrahmen und sein Atem geriet in seiner Kehle heftig ins Stocken. Im selben Moment stellte er sich vor, wie das Rot in diesen Augen die warmen Iriden vollständig verdunkelte. 

 

„Okay, ich weiß, dass ich aussehe, wie aufgewärmte Scheiße“, grummelte Asuma mit einer Zigarette zwischen den Lippen, „aber du kannst jetzt aufhören, mich anzustarren, als wäre ich etwas Ansteckendes.“

 

Shikamaru stierte ihn ausdruckslos an und brachte sein Hirn und seinen Mund irgendwie dazu, etwas zu antworten. „Du bist früh dran…“

 

„Jo, ich dachte mir, dass wenn ich die Zeit schon nicht anhalten kann, dann schlage ich sie zumindest, bevor ich im Shogi verliere.“

 

‚Man kann die Zeit nicht anhalten.‘

 

Shikamaru blinzelte hart; aufgeschreckt von dem Echo dieses Traumes. Des Traumes von roten Wolken, die um seinen karmesinäugigen Sensei herum schwappten wie blutgetränkter Nebel. Ausdruckslos starrte er vor sich hin, als Asuma ihm ein Shogi Spielbrett gegen die Brust schob und mit dem Beutel rasselte, in dem sich die Spielsteine befanden. 

 

„Du solltest hierfür lieber wach sein, denn ich habe mich extra deswegen von Schmerzmitteln und einem ausgiebigen Nickerchen weggezerrt.“ Asuma legte den Kopf auf die Seite und sein schiefes Grinsen schwenkte die Zigarette nach oben. „Mit von der Partie?“

 

Shikamaru hob eine Braue und brachte ein leichtes Schmunzeln zustande, das den erschreckten Ausdruck aus seinen Augen verjagte. „Immer.“

 
 

~❃~
 

 

Chakra flammte in dem kalten steinernen Bauch des Hyūga Areals auf wie ein Blitz und zweifache Schreie wurden von den hohen Mauern zurückgeworfen. 

 

„KAITEN!“

 

Zwei glühende Risse spalteten die feuchte Luft auf dem Innenhof und explodierten nach außen, bis sich der Helix aus Energie zu zwei Kuppeln aus blauweißem Chakra formte. 

 

Beide waren stabil, beide waren stark. 

 

Hinatas war stabiler. 

 

Aber Hanabis war stärker. 

 

Neji blinzelte und sein Byakugan zog sich gegen das Flimmern und die Spirale der Energie zusammen, als er zusah, wie sie sich ausbreitete und sich wie ein dichtes leuchtendes Miasma um die beiden kämpfenden Geschwister legte, während sie sich näher kamen…und noch näher…

 

Ihre Kaiten Schilde krachten aufeinander. 

 

Nasser Sand wurde wie ein illuminierter Kranz durch die Luft und in die Drehung von zwei Sphären katapultiert, die gegeneinander arbeiteten. Gefährliche, riesige Zahnräder, die sich unnachgiebig in entgegengesetzte Richtungen bewegten. Chakrafunken sprühten, verpufften und flammten wieder auf; greller, heißer. 

 

Nejis Kiefer zuckte. 

 

Unter dem lockeren Fall seiner Roben hielt er seine Glieder steif angespannt und die weißen Falten flatterten in der Böe, die ausgelöst von der Wucht des Kaiten Ninjutsus über den Innenhof fegte.

 

Die Kuppeln hielten und keine von beiden gab für volle zwei Minuten auch nur einen einzigen Zentimeter an Boden auf. 

 

Und dann begann Hinatas Sphäre dünner zu werden. 

 

Sofort ging Hanabi in die Offensive und trieb ihre Schwester nach hinten. 

 

Neji verkrampfte die Muskeln seiner Schenkel, um sich davon abzuhalten, vor bis an den Rand der Veranda zu treten. Er atmete  Nebelschwaden aus und die durchnässte Luft des Spätnachmittags wurde vom Chakra nur noch schwerer. Der Regen hatte aufgehört, doch die Wolken hielten sich weiterhin tief und dunkel. 

 

Die Kaiten Sphären flackerten heller. 

 

Langsam hob Neji das Kinn und die Venen um seine Augen spannten sich an. Aufmerksam beobachtete er, wie sich die beiden Kuppeln auf einer unsichtbaren Linie vor und zurück bewegten, die dem Durchmesser des Kreises entsprach, in dem sie kämpften. Bisher hatte er nie einen Kampf zwischen den beiden Schwestern miterlebt. 

 

Nur die Nachbeben…

 

Doch jetzt im Moment war es genau die Art intensiver Ablenkung, die er brauchte. 

 

Nara Shikaku zu sehen, hatte jeden einzelnen seiner Nerven bis zur Spannung einer Bogensehne straff gezogen. Er hatte vergessen zu atmen; und das für die vollen paar Augenblicke, die er gebraucht hatte, um die Bedeutung seiner Situation vollkommen zu verarbeiten und zu begreifen wie unglaublich viel komplizierter sie damit geworden war. 

 

Wie blind konnte ich sein zu denken, dass es wirklich so simpel sein würde?

 

Sein ganzes Leben lang hatte er nach seinem jetzigen Rang gestrebt und dabei kometengleiche Fortschritte gemacht. Doch er hatte auch geblutet, geatmet und sich selbst in die notwendigen Teile zerbrochen, um die physische Kraft und die mentale Fähigkeit zu erlangen, die Voraussetzung waren, um den Rang eines Jōnin erreichen zu können. 

 

Er hatte vorgehabt, dasselbe zu tun, wenn es um ANBU ging, denn es war ihm wirklich so simpel erschienen. 

 

Sie hatten ihn rekrutiert. Er hatte akzeptiert. Jetzt mussten nur noch die notwendigen Evaluationen bestanden werden. 

 

Wie ignorant anzunehmen, dass es wirklich auf so eine einfache Art vonstatten gehen würde.

 

Er hatte sich entsetzlich verkalkuliert.

 

Warum habe ich nie daran gedacht, dass der Jōnin Kommandant in einer solchen Angelegenheit natürlich auch ein Wörtchen mitzureden hat?

 

Ein essentieller Spieler, von dem er es vollkommen versäumt hatte, ihn in das Puzzle einzufügen, zu dem seine Zukunft geworden war. Er hatte all die Scherben in eine Reihe gelegt, alle Risse und Brüche berücksichtigt, aber vollkommen die Möglichkeit außer Acht gelassen, dass er einen ernsthaften Konflikt riskierte, der nichts mit den Ältesten der Hyūga Hauptfamilie zu tun hatte. Der Druck all dieser Stolperdrähte und Fallen seines eigenen verdammten Clans war schwierig genug zu ertragen – und jetzt wurde er auch noch von Augen beobachtet, die mindestens genauso scharf waren wie die eines jeden Hyūga.

 

Nara Shikaku. Von all den Shinobi, die ich hätte überzeugen müssen…Götter…

 

Neji schloss hart die Augen. 

 

Warum hat er mir diesen Weg nicht jetzt schon vollkommen versperrt; nach allem, was ich Shikamaru angetan habe?

 

Es war eine der vielen, vielen Fragen, die wie ein Mahlstrom in seinem Hirn wirbelten. Er presste die Lider noch heftiger gegen den Druck in seinem Kopf und in seiner Brust zusammen. 

 

‚Du drängst dich selbst zu sehr.‘

 

Vielleicht lag Wahrheit in diesen Worten, auch wenn er es nur widerwillig zugeben wollte. Er war noch nicht vollständig genesen, doch er hatte genug Zeit damit verbracht, seine Grenzen neu zu definierten, um zu wissen, wann er aufhören musste, sich jenseits des Punktes ohne Wiederkehr zu treiben. Glaubte die Hokage, dass er sich selbst erneut zurück an diese Kante stoßen würde?

 

Lächerlich.

 

Das würde bedeuten, sich rückwärts zu bewegen. Und so etwas tat er grundsätzlich nicht. Er war schon immer nur in eine Richtung getrieben worden. Vorwärts. Er hatte sich noch nie von sich selbst abgewandt. 

 

Ich werde nicht zulassen, dass mich meine Fehler meine Freiheit kostet. 

 

Und wenn er sich bis über den Punkt von Shikakus Zustimmung und Akzeptanz treiben musste, um Zugang zu ANBU zu erhalten, dann würde er das tun. 

 

Er musste. 

 

Sein eigener Clan zerrte ihn immer weiter nach unten wie ein Anker auf hoher See. Er war bereits ins Schwimmen geraten. Und wenn er jetzt aufhören würde, dann würde er ebenso untergehen, wie jedes andere Zweigmitglied vor ihm. 

 

Niemals!

 

Ein Ausbruch von Licht spielte über seine geschlossenen Lider. Seine Augen flogen auf, als seine Aufmerksamkeit von einer weiteren Drehung der Kaiten Kuppeln angezogen wurde. 

 

Konzentrier dich.

 

Erneut aktivierte er sein Dōjutsu und definierte Pupillen fokussierten sich auf die kämpfenden Schwestern. 

 

Hiashi war nicht anwesend, doch andere Mitglieder des Haupthauses sehr wohl. Für einen Moment scannte Neji aufmerksam die Peripherie des Innenhofes. Hyūga Älteste standen unter der Markise, die die umgebende Veranda bedeckte; mit steif aufgerichteten Rücken und gefalteten Armen unter dem Fall langer blasser Ärmel – formelle Betrachter bei einem Sportereignis. 

 

Ihre weißen Augen sahen teilnahmslos zu; glanzlos wie blind gewordenes Glas. 

 

So sehr Sklaven einer Tradition wie jedes Zweigmitglied…

 

Nejis Iriden zuckten mit einer Emotion, die er sofort erstickte, als sich eine dieser stoischen Gestalten aus der Gruppe löste und sich auf ihn zubewegte. Er musste den Kopf nicht drehen, um Hitaro wahrnehmen zu können. Seine Byakuganaugen folgten den Bewegungen des älteren Mannes mit Leichtigkeit, als der Älteste mit langsamen, vorsätzlichen Schritten die Veranda umrundete. 

 

Auf dem Innenhof zerrissen die Kaiten und lösten sich auf. 

 

Seine Cousinen stürzten sich stattdessen in Taijutsu. 

 

Stur hielt Neji seine Augen auf sie gerichtet und strahlte eine ruhige fokussierte Aura aus, als Hitaro an seiner Seite zum Stehen kam. Eine mangelnde Begrüßung bedeutete für diesen Mann auch immer einen mangelnden Respekt und so bewegte sich Hitaro nur noch näher zu ihm und drang in den persönlichen Bereich des jungen Hyūga ein, als er keine Anstalten machte, sich zu verneigen.

 

Neji hielt den Blick nach vorn gerichtet. 

 

Hitaro war ein hochgewachsener Mann, der die 1,80 m weit überschritt, hatte ein breites Kreuz und einen weiten Brustkorb. Sein Körper verjüngte sich zu einer schmalen Taille und Hüfte; wie ein auf den Kopf gestellter Triangel. Sein Gesicht war flach und sein Kiefer kantig. Und sein Mund kommunizierte alles, selbst wenn er nicht sprach. Jetzt im Moment waren seine vollen Lippen schon wieder nach unten geneigt; in diesem höhnischen Ausdruck der Missbilligung, mit dem er Neji schon sein ganzes Leben lang bedachte. 

 

„Du hast Hinata sehr gut trainiert.“, bemerkte Hitaro in seiner tiefen, irgendwie gestelzten Stimme. 

 

Neji blinzelte ein einziges Mal und bot keine Erwiderung auf diese Worte an. Die Aussage war rhetorisch genug – wenn auch auf eine gewisse Weise mit etwas aufgeladen. Hitaro verteilte keine Komplimente. Alles, was er verteilte, waren kalkulierte Einleitungen. Ein sadistischer, pontifizierender Bastard, der in all den weiten Spielraum vernarrt war, den seine Position ihm gewährte. Und nur um das zu bestätigen kam er noch näher, sodass sein Schatten über Neji fiel. 

 

„Es muss dir so an die Nieren gehen“, begann Hitaro und sein Blick richtete sich auf die kämpfenden Geschwister, „wenn man bedenkt, dass du nie die Chance hattest, um einen anderen Platz, als den, in den du geboren wurdest, kämpfen zu dürfen.“

 

Ein Muskel in Nejis Kiefer zuckte. Wie oft musste er heute noch daran erinnert werden? Als wäre es nicht genug, ein ganzes Leben lang jedes Mal daran erinnert zu werden, wenn er in den Spiegel sah. 

 

Hitaros Lippen schürzten sich in spöttischem Bedauern. „Es ist alles ziemlich unfair, nicht wahr? Nicht einmal Hizashi hatte die Chance, die Hanabi jetzt hat.“

 

Nejis Miene geriet nicht ins Wanken, aber die Sehnen in seiner Hand bewegten sich ruckartig und seine Finger krümmten sich hart gegen seine Handfläche, bis sich seine stumpfen Nägel in das Fleisch gruben und Blut vergossen. Hitaros Gift, das ihm ins Ohr geträufelt wurde, war wirklich das Letzte, was er jetzt brauchte. 

 

Konzentrier dich.

 

Auf dem Innenhof krachte Hanabis Ferse in Hinatas Kiefer. Die ältere Schwester stolperte rückwärts und wischte sich mit dem Handgelenk übers Gesicht. Blut tropfte ihr aus dem Mundwinkel. 

 

Langsam ließ Hitaro seine Zunge über seine Oberlippe wandern. „Und falls Hizashi jemals diese Chance gehabt hätte, wer weiß schon, ob es dann nicht Hiashi gewesen wäre, der gefallen wäre? All dieser Zorn hätte am Ende vielleicht doch gewonnen.“

 

Nejis Nägel bissen sich noch tiefer und seine Augen nahmen den eiskalten Ausdruck polierten Stahls an. Energisch zwang er sich dazu, den Blick auf die Schwestern gerichtet zu halten; dem verschwommenen Tanz ihrer Arme zuzusehen, als sie sie so schnell herum schwangen und zuschlugen, dass sie sich in einem rapiden Zusammenspiel bewegten – eine wilde Geschwindigkeit, die drohte, ihre Auseinandersetzung über die Grenzen eines schlichten Trainingskampfes hinaus zu treiben. 

 

Hitaro senkte ein wenig die Stimme. „Aber du weißt schließlich alles über solchen Zorn, nicht wahr; Neji?“

 

Doch Neji machte sich nicht Mühe, diese Behauptung zu widerlegen und genauso wenig reagierte er darauf. Seine Aufmerksamkeit blieb auf den Kampf fixiert und folgte der hässlichen Wendung, die er gerade zu nehmen begann. 

 

Hinata verlor die Kontrolle über die Distanz. 

 

Und Hanabi verlor die Kontrolle über sich selbst. 

 

Die jüngere Schwester ließ sechs Kunai fliegen und stürzte sich mit scharfen Stößen und angewinkelten Tritten in den Schatten ihres Angriffes. Es war unmöglich, ihr strategisches Repertoire einzuschätzen; ununterbrochen veränderte sie ihre Haltung. Keine Fluidität. Kein sinnhaftes Schema ihrer Attacke. Nur reine boshafte Reaktion. 

 

Neji runzelte die Stirn. 

 

Hinata hatte enorme Schwierigkeiten, dem entgegen zu wirken und versuchte, auf die traditionellen Lehren der Hyūga Techniken zurück zu greifen. Eine martialische Philosophie war im Taijutsustil des Clans unerlässlich. Es hielt die Balance aufrecht; genau wie bei dem Symbol von Yin und Yang, das so wichtig für die Hyūga war. Selbst die separaten Häuser, egal wie grausam in ihrer Dynamik, repräsentierten die zwei Hälften des Hyūga-Ganzen. 

 

Balance innerhalb einer Kluft. 

 

Doch unglücklicherweise begann das Gleichgewicht dieses Kampfes zu kippen. 

 

Neji schätzte, dass es zwei Minuten dauern würde, bis das Ergebnis schwer von Hinatas Fähigkeit, ihr Können zu steigern, abhängen und sie entweder Ninjutsu anwenden, oder sich zurückziehen würde. Denn Abstand war die beste Verteidigung gegen eine Nahkampfattacke von einem Hyūga. Ohne Distanz musste man sich einzig und allein auf Schnelligkeit verlassen, um sich zu verteidigen oder den Gegner zurückzudrängen – und während Hinata zwar schnell war, war sie einfach nicht wild genug. 

 

Wehr dich.

 

Es bestanden immer noch Chancen, den Lauf des Kampfes zu verändern. Hanabi fing an, sich immer mehr offen zu lassen, doch Hinata machte einfach keinerlei Anstalten, sie außer Gefecht zu setzen. 

 

„Man muss sich schon fragen, warum sie es überhaupt versucht.“, bemerkte Hitaro und hob eine Braue. 

 

Neji fluchte innerlich. 

 

Verdammt nochmal. Schlag zurück, Hinata.

 

Hinata stolperte zurück und Strähnen ihres Mitternachtshaares flatterten, als Hanabi mit einem Kunai in Richtung ihrer Kehle hieb und dabei ein paar dichte Locken der Mähne ihrer älteren Schwester abschnitt. 

 

Nejis Augen verengten sich und sein Körper neigte sich ein paar Grade nach vorn. 

 

Schlag zurück!

 

„Weißt du, welches Mittel unser Überleben am besten sichert, Neji?“, summte Hitaro ominös. „Angst. Auch darüber weißt du schon ein bisschen, hab ich recht?“

 

Neji warf dem Ältesten aus verengten Augen einen scharfen Blick zu, während sich die Muskeln in seinem Hals straff zogen. 

 

Bastard.

 

„Entweder ist es eine Frage des Verlangens zu überleben oder aber der Verzweiflung dazu.“ Hitaro feixte mit herabhängenden Wimpern. „Was glaubst du, was dein Vater am meisten gefürchtet hat zu verlieren? Kami weiß, dass es nicht du warst.“

 

Nejis Lider schlossen sich langsam gegen den Kummer und den Schmerz. 

 

Er versucht, dich zu reizen; lass es los.

 

Bedächtig fing er an, tief durchzuatmen. 

 

Hitaro machte eine Effektpause. „Verlangen oder Verzweiflung? Was hat dich angetrieben?“

 

In dem Sekundenbruchteil, den Neji brauchte, um seine Augen zu öffnen, steckte Hinata einen weiteren harten Schlag ein. Sie ging in die Knie und der Rückschlag traf sie quer im Gesicht, sodass Hinatas Kunai einen tiefen Schnitt von Kinn zu Wange hinterließ und die blasse Haut wie Papier durchtrennte. Die Wucht des Hiebes ließ sie herum wirbeln und sie traf hart, Regenwasser verspritzend und durch den glitschigen Schlamm schlitternd auf dem Boden auf. 

 

Leise fluchend verzog Neji minimal das Gesicht.

 

Schwer keuchend richtete sich Hanabi auf. 

 

Es ist vorbei.

 

Oder zumindest dachte er das. 

 

Hanabi schob ein Bein nach hinten und ein Rucken ihres Handgelenks löste ein weiteres Kunai aus dem Holster; sie gab Hinata nicht einmal die Gelegenheit, wieder auf die Beine zu kommen. Der Fuß der Jüngeren schnellte durch die Luft – ein direkter harter Tritt in das Brustbein ihrer Schwester, der Hinata heftig nach hinten katapultierte.

 

Verdammt.

 

Nejis Miene verfinsterte sich und gerade wollte er nach vorn treten, doch Hitaros Handfläche presste sich gegen seine Brust, um ihn einen Schritt nach hinten zu zwingen. „Verlangen oder Verzweiflung, Neji? Was ist es, was ein Zweighaustier antreibt?“

 

Scharf sog Neji die Luft ein; die Situation ging ihm durch und durch und seine Augen waren starr auf seine Cousinen fixiert. 

 

Hinata rollte sich auf die Seite und spuckte Blut. Mit dem Gesicht zu einer grotesk knurrenden Grimasse verzogen führte Hanabi einen weiteren harten Tritt aus, sodass Hinata auf dem Rücken landete. Und um den gesamten Innenhof herum machte nicht einer der Ältesten Anstalten, einzuschreiten.

 

Bastarde. Das reicht jetzt!

 

Neji bewegte sich erneut nach vorn, doch Hitaro blockierte seinen Weg; diesmal warf er seinen ganzen Arm nach außen. 

 

„Du wirst nicht einschreiten.“

 

Nejis Augen flammten auf. „Der Kampf ist vorbei.“

 

„Ist er das?“, konterte Hitaro.

 

Abrupt hob Hanabi das Messer und packte mit der anderen grob Hinatas Haar, um sich die blauschwarze Mähne um ihre Faust zu schlingen. Hinata schrie schrill auf und presste die Augen gegen den Schmerz zusammen, als ihr Kopf brutal in einen unnatürlichen Winkel gezerrt wurde.

 

Hanabis Augen waren wild, weit und ohne jede Kontrolle. 

 

Neji kannte diesen Blick. 

 

Mit wachsendem Entsetzen sah er zu, wie Hanabi das Kunai an Hinatas Nacken legte; bereit, das Haar ihrer Schwester von der Wurzel des Schädels aufwärts abzuscheren. 

 

„Ah…ja…“ Hitaro kicherte leise und tief in der Kehle; ein harter und gestelzter Ton. „Verzweiflung.“

 

Nein!

 

Ohne nachzudenken schlug Neji Hitaros Arm beiseite und stürzte nach vorn. 

 

Hanabi positionierte die Klinge, erhielt aber niemals die Chance, sie auch zu benutzen. 

 

Wie zwei Vipernköpfe schlugen Nejis hohle Hände zu, bevor die junge Hyūga reagieren konnte. Sie schossen unter Hanabis Armen hindurch, eine legte sich um ihre Kehle und die andere schloss sich um ihr Handgelenk. Sein Daumen grub sich hart gegen die feinen Knochen ihrer Hand und er packte zu, bis ihre Finger in einem Spasmus zuckten und sich das Kunai aus ihrem Griff löste.

 

Geräuschvoll schlug die Waffe auf dem Boden auf.

 

Fuchsteufelswild brüllte Hanabi ihren Zorn heraus. 

 

Doch Neji zog ihren Arm einfach nur zur Seite, ließ ihren Hals los und umfasste stattdessen ihren Kiefer. In einem festen Griff zog er ihren Kopf zurück und ahmte die Umklammerung nach, die sie an ihrer Schwester hatte; die Position war schmerzhaft genug, dass sie wimmerte. 

 

Langsam führte er seine Lippen an ihr Ohr. „Der Kampf ist vorbei. Lass deine Schwester los.“

 

Hanabi keuchte erstickt und stierte wütend in den Himmel. 

 

Sie machte keinerlei Anstalten, sich zu fügen. 

 

Neji streckte sein linkes Bein hinter sich aus und beugte das rechte Knie, um sich zu drehen und seinen ganzen Körper zu nutzen, um Hanabi unter sich zu einer gebeugten Haltung zu zwingen, während er ihren Arm noch immer nach oben und außen hielt. Das Neigen gestatte Hinata den Freiraum, den Kopf zu wenden. 

 

Hanabi versuchte energisch, gegen ihn anzukämpfen. 

 

Als Reaktion zwang Neji sie noch tiefer und sein langes Haar floss über ihre Schulter. „Lass deine Schwester los.“

 

„Lügner.“, hustete Hanabi, während ihr Arm in Nejis Griff bebte. „Beschützer…nur für sie…“

 

„Und für dich…auch wenn ich größeren Anlass dazu habe, dich vor dir selbst zu schützen als deine Schwester.“

 

Neji übte den leichtesten Auswärtsdruck gegen die Innenseite von Hanabis Handgelenk aus und nahm ihr immer mehr die Balance, bis er sie tief genug beugte, dass ihre Wange über Hinatas Schulter hinweg auf gleicher Höhe mit der ihrer Schwester war. 

 

Hanabi verzog das Gesicht und schloss die Augen. „Hör auf…“

 

„Nein. Sieh sie dir an. Du hast das Blut deiner Schwester vergossen und jetzt auch noch ihre Tränen; was willst du denn sonst noch?“, murmelte Neji in ihr Ohr. „Ihre Würde?“

 

Hinata warf einen Seitenblick auf ihre Schwester, während Blut aus dem Schnitt in ihrer Wange und über ihr Gesicht rann. Ihre Augen schimmerten. „Lass sie los, Neji-niisan…“

 

Doch Neji ignorierte Hinata und sprach erneut direkt in Hanabis Ohr. „Sieh sie dir an.“

 

Hanabis Augen öffneten sich flatternd und richteten sich auf die Wunde, die sie auf dem Gesicht ihrer Schwester hinterlassen hatte. „Ich…“

 

Langsam drehte Hinata ihren Kopf ein wenig mehr. „Hanabi…“

 

Und in der Sekunde, als sich ihre Blicke trafen, wurde Hanabis Miene schlaff und verängstigt; als wäre ihr eben erst bewusst geworden, dass sie diesen Schaden verursacht hatte. Sie begann zu zittern und ihr Atem bebte. 

 

Nejis Gesichtsausdruck wurde weich und die Kälte in seinen Augen taute auf. 

 

„Lass sie los, Hanabi-sama.“, wisperte er sanft und lockerte seinen Griff um ihr Handgelenk.

 

Hanabi streckte ruckartig die Finger aus, als hätte sie einen Schock erlitten. 

 

Hinatas Haar fiel frei nach unten und sie drehte sich auf den Knien, um hinauf in das gerötete Gesicht ihrer Schwester zu sehen, während sich Tränen in ihren Augen sammelten.

 

„Es tut mir leid…“, wisperte Hanabi rasch mit einer atemlosen und bis ins Innerste entsetzten Stimme. „Es tut mir leid…es tut mir leid…“

 

„Atme.“, wies Neji sie zaghaft an. 

 

Hanabi versuchte es, schluckte schwer und atmete stockend, bis sie viel zu stark zitterte, um sich selbst auf den Beinen halten zu können. Leise seufzend dirigierte Neji Hanabis Arm vorsichtig nach unten und innen und schlang seinen eigenen umarmend um sie, als er sie an seine Brust zog.

 

„Hanabi-sama.“ Er drückte sie kurz und das lange Weiß seines Ärmels legte sich wie ein schützender Flügel um sie. „Die Scham, die du fühlst. Sei dankbar dafür. Denn dadurch weißt du, dass das hier nicht das ist, wer du bist.“

 

Hanabi schluchzte auf und sackte zusammen. 

 

Und Neji ließ sie los, um sie in Hinatas ausgestreckte Arme sinken zu lassen, die Hanabi mit einer Intensität hielten, die sie nicht in ihren Kampf gelegt hatte. 

 

Der Wille zu beschützen...

 

Neji richtete sich mit kratzenden Sandalen über dem nassen Boden auf. Stumm sah er zu, wie Hinata ihre verletzte Wange gegen Hanabis Stirn legte, ohne auf ihren eigenen Schmerz zu achten und ihre Schwester in den Armen wiegte wie ein Kind. 

 

Sie ist ein Kind…

 

Neji trat einen Schritt zurück und atmete lange aus. 

 

Er spürte nicht die Präsenz, die sich ihm von hinten näherte, bis Hinatas Augen geschockt nach oben zuckten. 

 

Neji wandte sich um. 
 

Hitaros Rückhandschlag traf ihn so heftig im Gesicht, dass sein Kopf hart zur Seite gerissen wurde. 

 

„Hitaro-sama!“, kreischte Hinata und drückte Hanabi noch fester an sich. 

 

Doch Hitaro bedachte sie mit einem Blick, der so vor Verachtung triefte, dass sie schlagartig verstummte. Auf der Veranda versteiften sich die versammelten Zweigmitglieder, während die Angehörigen des Haupthauses einfach nur schweigend zusahen. 

 

Den Kopf immer noch zur Seite gewandt bewegte Neji seinen Kiefer in einer Kreisbewegung von Seite zu Seite und seine Miene war von den dichten Strähnen über seinem Gesicht verdeckt. Der Schlag hatte ihn in einem Winkel getroffen, der nur haarscharf davon entfernt gewesen war, seinen Kiefer auszurenken. Langsam fuhr er mit der Zunge über seine Lippen und fing Blut auf, als es sich an seinem Mundwinkel sammelte. 

 

Hitaro schnaubte. „Halte auch die andere Wange hin, Neji. Ich brenne darauf, dir deinen unverschämten Kopf wieder zurecht zu rücken.“

 

Energisch biss Neji die Zähne zusammen und Schmerz flammte auf, bis er das Stechen eines Brennens spürte, das sich wie heiße Asche über seine Kieferlinie zog. 

 

Hitaros Faust war in Chakra gehüllt gewesen. 

 

Bastard.

 

Nejis Kiefergelenk verkrampfte sich und Muskeln zuckten heftiger, als das ruckartige Schnappen seiner Finger, die sich zu zwei Fäusten ballten. Langsam atmete er ein und hielt die Luft tief in sich, bis sich sein Zorn beruhigte. Seine Finger lösten sich wieder; einer nach dem anderen – ein mentaler Countdown. Während er seine Kontrolle zusammensammelte, blinzelte er und drehte seinen Kopf mit tödlich ruhigen Augen zurück; und sie waren weißer und kälter als das Eis aller Hyūga Augen, die auf ihn gerichtet waren.

 

Doch er erwiderte nur einen einzigen dieser Blicke. 

 

Hitaro hob eine Braue und stierte auf ihn herunter. 

 

Und Neji starrte zurück; dichte Strähnen noch immer im Gesicht klebend, die die scharfen Neigungen seines Wangenknochens und Kiefers säumten. Hitaro wurde für einen Moment vollkommen regungslos und las das unausgesprochene ‚Fick dich‘ mit einem Kräuseln der Nase, das ein höhnisches Grinsen ankündigte. Langsam ließ er seinen Blick über Nejis kühn herausforderndes Antlitz wandern und hielt kurz an den Füßen des Jōnin inne, bevor er ihn wieder nach oben richtete, um in diese frostigen Augen zu starren. 

 

„Was auch sonst.“, spie Hitaro aus und seine Lippen bogen sich nach unten. „Es ist genauso wie damals als du ein Kind warst und nichts mehr wolltest als etwas zu beschützen, von dem du niemals auch nur hoffen konntest, es retten zu können.“

 

Neji blinzelte nicht; seine Miene war von undurchdringbarem Eis maskiert. Doch in seinem Inneren zog er sich einen bösen Bruch zu. Eine Erinnerung blutete durch den Riss; das Echo der Stimme seines Vaters…

 

‚Wer hat dir das angetan?‘

 

‚Hitaro-sama hat gesagt, dass ich die Hauptfamilie beschützen muss.‘

 

‚Warum hat er dich geschlagen?‘

 

‚Weil ich gesagt habe, dass ich dich zuerst beschützen würde.‘

 

Als hätte er einen heftigen Schalg gegen das Herz einstecken müssen, breiteten sich spinnennetzartige Frakturen schmerzhaft in Nejis Brust aus. Und dennoch blieb seine Maske fest und hart an ihrem Platz; hielt seine Gesichtszüge zu sturem Stein verhärtet. Er wollte verdammt sein, bevor er sich noch einmal vor diesem Bastard verneigte. 

 

Vom Boden schwebte Hinatas Wispern zu ihm hinauf. 

 

„Neji…“, flehte sie und bat ihn damit inständig, seinen Platz einzugestehen – um zu verhindern, gewaltsam dorthin verwiesen zu werden. 

 

Und wenn man der Wahrheit ins Gesicht sah, dann konnte er sich keinerlei Verletzung oder Unverschämtheit erlauben. Seine Zukunft war viel zu zerbrechlich. Sein Schicksal hing an einem seidenen Faden, von dem er es sich nicht leisten konnte, dass er ihm durch die Finger glitt. 

 

Und trotz dieses Wissens – hob Neji sein Kinn und verschloss den Kiefer. 

 

Gequält schloss Hinata die Augen. 

 

Belustigung schlich sich in den Abwärtsbogen von Hitaros Mund und krümmte ihn an den Winkeln nach oben. Es war ein Kräuseln, das viel zu hässlich und drohend war, um wirklich als Lächeln bezeichnet werden zu können. „Ah, ich hatte gehofft, dass du dich mir widersetzt.“

 
 

~❃~
 

 

„Was ist denn damit passiert, dass du es mir diesmal etwas einfacher machst?“

 

„Das mach ich doch.“

 

Na super, das ist echt peinlich.

 

Asuma grunzte und kratzte sich am Hinterkopf. „Und wie einfach genau?“

 

Shikamaru grinste; er hatte sein Kinn in einer Handfläche abgelegt, während er seinen Shogi Spielstein umdrehte und seinen Springer damit zu den Fähigkeiten eines goldenen Generals beförderte. „Dämlich simpel einfach.“

 

Asuma schnaubte und musterte das Brett, während er die Asche seiner Zigarette in seine Teetasse klopfte. „Und du wolltest mich ernsthaft einer öffentlichen Demütigung aussetzen.“

 

Achselzuckend schmunzelte Shikamaru hinter seinen Fingern. „Nah, ich wollte einfach nur das Preisgeld.“

 

„Ah, da ist wohl ein Spielsüchtiger in der Mache. Was zur Hölle fördere ich hier eigentlich?“

 

Shikamaru lachte leise, während seine Augen über das Spielbrett wanderten. 

 

Aufmerksam beobachtete Asuma ihn durch eine Rauchwolke und spürte deutlich, dass sein Schüler alle möglichen Züge kalkulierte, wobei ihm dabei weniger daran gelegen war, zu gewinnen, als viel mehr abzuschätzen, wie er das Spiel verlängern könnte. Der Sarutobi war sich ziemlich sicher, dass Shikamaru ihn bereits vor sechs Zügen hätte Schachmatt setzen können. 

 

Ein liebevolles und wissendes Lächeln schlich sich in Asumas Augen und erwärmte die brandyfarbenen Seen. 

 

Sie hatten sich von Inos Suite in die des Schattenninjas begeben. Im Grunde waren die Zimmer identisch was das Interieur anging, doch es fehlten die Blumendekoration und das Rollbild in dem Alkoven. Die beiden hatten eine der Shojitüren offen gelassen; mehr, um Asumas Rauch zu vertreiben, als Licht herein zu lassen und eine kalte Brise schlich über die Veranda herein. Der Sonnenuntergang war noch circa eine Stunde entfernt, aber durch die dichte Wolkendecke würden sie ihn ohnehin nicht sehen können. Stattdessen warfen Stehlampen ein bernsteinfarbenes sanftes Glühen über die Fusama Paneele in den Raum; Flecken aus hellem Karamell über Pergament.

 

Asuma schob seinen Springer ein Feld nach links. „Hattest du Spaß auf der Party?“

 

„Es war interessant.“ Statt einen von Asumas Spielsteinen zu schlagen, machte Shikamaru einen Zug auf die rechte Seite des Brettes. 

 

„Also nicht lästig?“

 

„Das habe ich nie gesagt.“

 

„Das hast du wirklich nicht. Und das bringt die Summe der Male, in denen du es in Situationen wie diesen nie gesagt hast immerhin zu einer Punktzahl von eins.“, bemerkte Asuma mit einem schwachen Lächeln. „Muss heute wohl ein ganz besonderer Tag sein.“

 

Der Schattenninja hob eine Braue. „Also technisch gesehen, ist das Ganze noch gar nicht vorbei, auch wenn Ino dieses Jahr diejenige ist, die alles verpennt. Wie steht es hierbei mit Ironie?“

 

„Karma.“, kicherte Asuma rumpelnd und nahm einen Zug seiner Zigarette, um den Rauch für einen langen Herzschlag in den Lungen zu halten. „Da wir gerade von schlafen sprechen. Schaffst du es denn, zwischen all dem Training auch mal die Augen zuzumachen?“

 

Shikamarus Mund zuckte in einem kaum wahrnehmbaren Schmunzeln, doch seine Iriden verharrten auf dem Brett. „Na klar. Wie witzig.“

 

Asuma summte und musterte aufmerksam die dunklen Ringe unter den Augen seines Schülers und die tieferen Furchen, die sich unter seine Wangenknochen gruben. „Nicht wirklich.“

 

Shikamarus Schmunzeln verschwand. Seine Finger gerieten ins Zögern und schwebten für einen Moment über seinem Shogispielstein, bevor sie fest nach unten drückten und einen Turm vertikal über das Brett schoben. 

 

„Du kennst mich. Schlaf ist nie ein Problem.“

 

„Ja…ich kenne dich gut genug, um zu wissen, dass Schlafmangel sehr wohl ein Problem für dich ist.“

 

Shikamaru hob den Blick; seine Augen waren scharf und suchend. „Ino hat dir was gesagt, huh?“

 

Das musste sie gar nicht.

 

Asuma richtete seine Aufmerksamkeit nach unten auf das Shogibrett und tat so, als würde er sein Hirn mit dem nächsten Zug anstrengen. 

 

Was für ein schlechter Scherz; denn er betrieb keinerlei Aufwand mit einem Versuch zu gewinnen. 

 

Alles, woran er denken konnte, waren Kurenais Worte – und die Worte, die er zu ihr gesagt hatte und an die er sich nicht mehr erinnern konnte. Nicht, dass er dafür ein mentales Protokoll benötigt hätte. Er kannte die Worte im Grunde in- und auswendig. Er wusste und bewahrte sie seit zwei langen Jahren. Und er hatte die letzten beiden Wochen damit verbracht, sich an sie zu erinnern und sie noch ein weiteres Mal festzuhalten. 

 

„Was ist los?“, fragte Shikamaru und wurde vollkommen still. 

 

Eigentlich sollte wirklich ich derjenige sein, der diese Frage dir stellt, auch wenn ich keine Antwort bekommen werde…vor zwei Jahren hätte ich diese Frage wieder und wieder stellen sollen…bis du mir eine gegeben hättest…

 

Kopfschüttelnd strich Asuma mit dem Daumen über die Spitze seines Bartes, während Rauch von seinen Lippen rollte. Eine Methode wäre auf jeden Fall gewesen, sich wieder zu betrinken. Sake in sich hinein zu schütten würde vielleicht dazu führen, dass er das, was gesagt werden musste, ausschüttete, ohne dass er sich dabei Sorgen machte, dass sich Shikamaru schlagartig aus dem Staub machte. 

 

Es gibt nicht genug Ninken, die ich mir ausleihen könnte, sollte er wirklich nochmal so einen Ausweichtick abziehen.

 

Shikamaru setzte sich etwas aufrechter hin. „Asuma-sensei…“

 

Langsam stützte sich der Jōnin mit dem Handballen an der Kante des Shogibrettes ab, seine Zigarette klemmte ihm zwischen den Fingern. Er hielt sein Schweigen lange genug aufrecht, dass die Asche zusammen zu schrumpeln begann und sich den Glimmstengel entlang zog. Deutlich spürte er, wie sich Shikamarus Blick in ihn bohrte.

 

Immer auf Zack.

 

Er entschied sich für einen indirekten Weg und ließ seine Worte fast schon beiläufig fallen. „Du hast mitbekommen, dass es in letzter Zeit immer wieder Angriffe in benachbarten Ländern gab, oder?“

 

„Jo…“ Shikamaru runzelte die Stirn. „Immer von einem Zweimannteam, stimmt’s?“

 

Asuma nickte langsam und sah zu, wie sich die Asche an seiner Zigarette sammelte, während er überlegte, wie er das Gespräch am besten steuern könnte. Unter dem Schirm seiner Wimpern konnte er spüren, wie Shikamaru sein Gesicht inspizierte und so viele Informationen wie möglich sammelte, um die Relevanz des Themas vorauszuahnen und wohin es wahrscheinlich führen würde. 

 

Da wirst du nicht hingehen wollen. Und diese Tatsache ist schlimmer für mich als der Gedanke, dich trotzdem dazu zu bringen.

 

Asuma streckte seine freie Hand aus und machte einen Zug, der seinem Springer einen Vorteil verschaffen würde. „Kakashi geht davon aus, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bevor sie auch das Land des Feuers ins Visier nehmen.“

 

„Sieht ganz danach aus.“, stimmte Shikamaru mit einem Tonfall zu, der sehr nah an Wachsamkeit oder Argwohn lag. 

 

„Könnte sich ziemlich sicher um Akatsuki handeln.“

 

„Das erklärt auf jeden Fall die Sklaventreiberei mit den Nijū Shōtai.“ Shikamarus Humor hielt sich kaum in seiner Stimme. 

 

Normalerweise hätte Asuma sofort nach diesem Strohhalm aus Humor gegriffen und ihn in sein Vorhaben mit einbezogen; völlig egal, wie schwach er war. Doch er schaffte es nicht, das leichter zu machen, was viel zu schwer auf seinem Herzen lag. Und als er nichts darauf erwiderte, erstarrten Shikamarus Finger über dem Shogiteil, das er gerade verschieben wollte. Asuma bemerkte es sofort und lächelte beinahe bedauernd. 

 

Shikamaru beobachtete ihn noch immer und Besorgnis grub sich in den verwirrten Knoten auf seiner Stirn. „Asuma…?“

 

Leicht verzweifelt kam es Asuma kurz in den Sinn, die „Kakashi Methode“ auszuprobieren. Eine Methode, die eine ganze Menge Wendungen und Drehungen beinhalten würde, die Shikamaru in einem Ablenkungsmanöver verschiedenste mentale Pfade entlang führen würden, bevor Asuma ihn mit dem eigentlichen Problem überrumpelte. 

 

Gott, wie ich diesen Psycho-Spielchen Bullshit hasse. 

 

Und wie zur Hölle er es schaffen wollte, dass diese Technik bei Shikamaru auch wirklich funktionierte, war geradezu lachhaft.

 

Und falsch.

 

Er hatte diese Art psychologischer Spielchen niemals mit dem jungen Nara gespielt, weil es eben auch nie Shikamarus Verstand war, den er ansprechen musste, sondern der Teil des Schattenninjas, der wegen seines überragenden Intellekts litt.

 

Was zur Hölle denke ich mir eigentlich dabei, seinen Kopf gegen ihn zu verwenden?

 

Er hatte dem Gedanken abgeschworen, jemals diese kalkulierten Seelenklempner Techniken anzuwenden. Allein die Tatsache, dass er es wirklich in Betracht gezogen hatte, traf seine Eingeweide wie ein Ziegelstein aus Schuldgefühlen, den er kaum verdauen konnte. Und da er feststellen musste, dass er vollkommen unfähig war, damit fertig zu werden, stolperten seine nächsten Worte aus ihm heraus, bevor ihm überhaupt bewusst wurde, dass sich sein Mund bewegte. 

 

„Es tut mir leid.“

 

Es war wie ein Schluckauf – plötzlich, ungeplant, unkalkuliert und unkontrollierbar.

 

Shikamarus Augen weiteten sich ein wenig. „Was?“

 

Asuma stierte auf seine Zigarette. Inzwischen war sie bis zum Ende abgebrannt. 

 

„Ich war nicht da. Aus welchem Grund auch immer. Was auch immer passiert ist. Und es tut mir leid.“

 

Shikamaru sagte nichts, doch seine Augen wurden noch größer. 

 

Kopfschüttelnd nahm Asuma einen langsamen Atemzug. „Du musst das Gefühl gehabt haben, als hätte ich es einfach nicht versucht. Dass ich es einfach habe verstreichen lassen. Als hätte ich dich einfach so verstreichen lassen. Ich hatte keine Ahnung, wie um alles in der Welt ich dich erreichen konnte…und ich habe es nicht rechtzeitig geschafft, herauszufinden, wie ich es hätte tun sollen. Und bis dahin hattest du dich bereits selbst zurück gezogen. Aber du hast das ganz allein getan. Und es hätte niemals so sein dürfen, dass du das alleine tun musst.“

 

Stille. 

 

Asuma hob den Blick. 

 

Jegliche Farbe war aus Shikamarus Gesicht gewichen und ließ ihn grau und ausgezehrt zurück. Das Weiß seiner Augen war um seine Iriden herum vollständig sichtbar, als er vor sich hin starrte wie ein panisch aufgeschrecktes Tier. 

 

Es war so qualvoll, das sehen zu müssen. 

 

Sorge traf Asuma noch härter als die Schuld und er zwang sich energisch dazu, weiter zu machen. „Dir vor zwei Wochen einen Ninken hinterher schicken? Ich hätte das vor zwei Jahren machen sollen. Ich hätte ein ganzes verficktes Rudel aussenden sollen und noch dazu eine Kavallerieeinheit, aber das habe ich nicht.“

 

Ausdruckslos stierte Shikamaru auf Asumas Brust; die Augen starr fixiert und ohne zu blinzeln. 

 

„Das habe ich nicht.“, wiederholte Asuma. „Es tut mir leid.“

 

Und beim letzten Wort schlossen sich Shikamarus Lider. Aufmerksam hielt Asuma die Aufmerksamkeit auf sein Gesicht gerichtet, da er Angst davor hatte, den Blick abzuwenden. Er hatte Angst davor, dass wenn er es täte, etwas entschlüpfen und er es verpassen würde. 

 

„Ich habe dir gesagt, dass es die schwerste Prüfung war, mit der ich jemals als dein Sensei konfrontiert wurde.“, murmelte Asuma mit einem Timbre, das zerfetzt war von Reue. „Deswegen habe ich es nicht geschafft. Ich habe dich im Stich gelassen.“

 

Der Schattenninja sagte nichts, machte nicht das geringste Geräusch und Asuma spürte das Gewicht jeder stummen Sekunde, das sich auf ihn legte und ihn nieder drückte. Es presste sich härter gegen ihn als der Verschluss von Shikamarus Lidern. 

 

Und dann schüttelte der Schattenninja den Kopf. 

 

„Du hast mich nie im Stich gelassen, Sensei.“, wisperte Shikamaru mit einer Stimme, die heiser kratzte und in seiner Kehle bebte. „Nicht ein einziges Mal.“

 

Asuma biss hart die Zähne gegen den Ansturm von Kummer zusammen, den er für seinen Schüler empfand. Als er Shikamaru jetzt so betrachtete, sah er nicht den siebzehn Jahre alten Chūnin, der seinem Alter so weit voraus war – stattdessen sah er den verängstigten zwölfjährigen Jungen, zu dem er einst erst noch Vertrauen hatte aufbauen müssen. 

 

„Aber warum kannst du es mir jetzt - nach zwei Jahren – immer noch nicht erzählen?“, fragte Asuma sanft und richtete sich etwas auf, um sich davon abzuhalten, eine Hand auszustrecken. Er wollte nicht zu sehr drängen und gab sich der utopischen Hoffnung auf eine Antwort hin. 

 

Es dauerte einen qualvoll langen Moment, bevor Shikamaru ein wenig die Augen öffnete. Die dunklen nassen Wimpern verbargen den flüssigen Obsidian seiner Augen. 

 

„Weil du mich hören würdest.“, raunte er heiser. 

 

Diese lebenswichtigen Worte. Der Grundstein des Vertrauens und des Bandes, das sie erschaffen hatten. 

 

Asuma schüttelte den Kopf und eine tief verzweifelte Sorge fraß sich in seine Stirn. „Shikamaru.“

 

Doch Shikamaru presste erneut die Lider aufeinander und kämpfte zurück, was auch immer so nah dran war, sich Bahn zu brechen. Vollkommen unfähig mehr zu tun, als einfach nur zu hoffen, saß Asuma regungslos und stumm da; beobachtete, wartete, und wünschte sich so sehr, dass er irgendetwas tun könnte. 

 

Doch alles, was er tun konnte, war, da zu sein. 

 

Und nach einem weiteren Moment strichen die Finger des Schattenninjas über ein Shogiteil und setzten das Spiel fort – und die ganze Zeit über hielt er die Augen von Asuma abgewandt. 

 

In der Stille, die folgte, machte Shikamaru keine Anstalten, aufzustehen und zu gehen, wie er es getan hatte, als er ein Genin gewesen war. 

 

Nicht, dass er es hätte tun müssen. 

 

Denn er musste nicht gehen, damit Asuma spürte, dass ein Teil von ihm bereits fort war. 

 
 

~❃~
 

 
 

Der Sonnenuntergang blutete wie ein dunkles Hämatom über die rollenden Wolken. Donner grollte etwas weiter entfernt und wogte über den Hokageberg. 

 

Und einen Herzschlag später; heulte die Rastlosigkeit in Neji auf. 

 

Er antwortete auf diesen Ruf. 

 

Es trieb ihn hinaus aus dem Hyūga Areal und zurück an einen Ort, an dem er oft seine Dämonen ausgelebt und den Zustand des eingesperrten Tieres angenommen hatte, als das er sich immer gesehen hatte. 

 

Meine Rolle. Mein Platz. Mein Gefängnis.

 

Die Bühne war immer dieselbe. 

 

Die Bambusheine. 

 

In der hereinbrechenden Dunkelheit veränderte sich das Ambiente der Hyūga Gärten; wie ein Bühnenbild, das wechselte. Und auf dieser Bühne trug Neji niemals eine Maske. Er durchlief einfach nur die Bewegungen einer Szene, von der er feststellen musste, dass er sie immer wieder wiederholte. Er fiel mit einer Nahtlosigkeit zurück in diese Rolle, die von dem Wissen rührte, wie es alles angefangen hatte; wohin es geführt und wie es geendet hatte. 

 

Und so bewegte er sich; hinein und hinaus zwischen den Reihen aus Bambushalmen. 

 

Es war gleitender Tanz durch ungesehene Käfigstäbe. 

 

Er sah sie jedes verdammte Mal. 

 

Denn der Bambus sah im Mondlicht immer wie Stäbe aus; die gelblichen Farbtöne wurden fortgespült, als die Welt zu einer weißgewaschenen Farce von Frieden verkam. Ein Käfig mit einem anderen Namen.

 

Wie ANBU…

 

Neji knurrte und erhöhte seine Geschwindigkeit; Hüften drehten und Schultern neigten sich scharf in glatten Winkeln, als er die Reihen entlang einen Zickzack Weg beschrieb. Vor und zurück, links und rechts, schnell und fließend, als er seine eigene Rastlosigkeit hetzte. 

 

Er ignorierte den Schmerz, der in seinem Rücken aufflammte. 

 

Wie soll ich sie beide beschützen, wenn ich an eine Leine ohne irgendeinen Freiraum gelegt bin?

 

Sein Kiefer verkrampfte sich und ein heißer Ausbruch von Schmerz sengte sich über die scharfe verletzte Neigung bis hinauf zu seiner Augenpartie und weiter bis zu seinen Schläfen, bevor er sich wieder nach unten über seinen Wangenknochen zog. 

 

Habe ich eine weitere Kette erschaffen, indem ich Beschützer spiele?

 

Er vollführte eine bösartige Drehung und wob noch schneller durch die Bambushalme. Die Worte, die durch sein Bewusstsein jagten und Hinata und Hanabi betrafen, waren wie Schreie aus Gräbern. Zahllose Gesichter von Hyūga Cousins und Geschwistern, die beiseite geworfen worden waren. Zweigmitglieder, die in ihren Käfigen gestorben waren; eingehüllt in den hohlen Komfort vertrauter Ketten, bei denen niemand auch nur daran gedacht hatte, sie zu zerbrechen.

 

Ich werde mich nicht den Reihen derer anschließen, die niemals ihren Frieden gefunden haben…

 

Neji wirbelte zu scharf herum und rammte dabei seine Schulter gegen einen Bambusstab. 

 

Der Schmerz in seiner Wirbelsäule schoss weißglühend bis zur Wurzel seines Schädels hinauf. 

 

Seine Augen flammten auf. 

 

Mit einem Knurren schnellte er herum und hämmerte seine Faust in den unnachgiebigen Stock. Der Aufprall bebte durch seinen Arm. Der Bambus zerbrach nicht, aber er knackte. Doch Neji wollte, dass er zersplitterte, barst und zu winzigen Fasern explodierte. 

 

Genug. Beruhige dich.

 

Neji nahm einen tiefen beständigen Atemzug und ließ den Zorn aus sich heraus sickern, bevor er in ihn sinken konnte. Er hatte gelernt, wie man es losließ. Doch dieses Wissen war ohne eine Anwendung nutzlos. Langsam atmete er einen Strom aus Nebel in die kalte Luft aus, bevor er die Lider hob. 

 

Der Zorn ebbte ab und ließ ein angespanntes Pochen zurück. 

 

Langsam atmend bewegte er die Finger und legte seine Handfläche flach gegen den frakturierten Bambus. Die aufgeplatzte Haut seiner Knöchel zog seine Aufmerksamkeit auf sich. 

 

Im Mondlicht quoll sein Blut schwarz aus der Wunde. 

 

Schwarz wie Schatten…

 

Neji neigte den Arm und sah zu, wie das Blut über seinen Handrücken lief. 

 

Die Erinnerung an Schattenranken, die sich um seine Handgelenke geschlungen hatten, flackerte vor seinem inneren Auge wie eine Flamme auf. Sie sandte einen Hauch von Hitze über seine Haut und zur selben Zeit legte sie sich um die Rastlosigkeit, die in ihm auf und ab tigerte. Und dann erschien das Wispern einer Stimme, die sich in seine Erinnerung gebrannt hatte. 

 

‚Lass einfach los…‘

 

Neji atmete tief ein. 

 

Er atmete tief genug, um es fühlen zu können; eine schwache Imitation des Friedens, nach dem er sich ebenso sehr sehnte wie nach seiner Freiheit. 

 

Dieser Frieden, der ihn dazu drängte, Ruhe zu finden. 

 

Ich kann nicht…

 

Denn diese ‚Ruhe‘ war zu einer Sehnsucht geworden, die in dunkle Siennaaugen und eine Stimme gehüllt war, die wie warmer Rauch um die Ränder eines trägen Lächelns glitt. 

 

Verdammt seist du, Nara.

 

Und diese Sehnsucht nistete sich tief in die Risse, die Neji nicht kitten konnte und ließ ihn zurück mit Teilen, die immer nur dann einen Sinn ergeben hatten, wenn sie sich in den Händen eines anderes Ninjas befanden. 

 

Törichterweise rief er sich diese Hände in Erinnerung.

 

Und für den flüchtigsten Augenblick fand ihn die Ruhe. Doch hinter dieser Ruhe kam der Kummer des Wissens, dass sie nicht real genug war. Diese Hände vor seinem inneren Auge zu sehen war nicht dasselbe, wie sie zu fühlen…an das Gefühl von ihnen zu denken…

 

Neji erschauerte und biss hart die Zähne zusammen. 

 

Und dann kam der Schmerz…und die Hitze…

 

Die Begierde, das Bedürfnis. 

 

Und in der Sekunde, in der sich Neji in Bewegung setzte, wusste er, dass er sich auf einer gefährlichen Linie bewegte. 

 

Solange ich sie nicht überschreite.

 

Es kam ihm nicht in den Sinn, dass er das bereits getan hatte. 

 

 

_________________________

Sooo, leider eine etwas 'größere' Pause, aber irgendwie war ich etwas ausgelaugt in den letzten Tagen...naja wie auch immer, jetzt geht es weiter mit Shikamaru und Neji und hier habt ihr wieder eine Szene, bei der ihr Hitaro aus vollem Herzen hassen könnt ;) 

Und ja, ich denke, wir wissen alle, wohin Neji unterwegs ist und damit kommt wohl auch ein Augenblick näher auf den ihr (vermute ich einfach mal) schon lange gewartet habt ;)

Ich würde mich wie immer sehr über ein paar Meinungen freuen! :)

Und danke natürlich an alle meine Leser/innen und vor allem an meine Reviewer/innen.

Happy Birthday, Nara


 

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Die Wolken zogen ihre mächtigen Türme zueinander und verwandelten den zwielichtigen Himmel in eine breite schwarze Schleuse, die niedrig über Konoha hing und begierig darauf wartete, sich zu öffnen. Donner grollte tief im Bauch der Wolken; hungrig nach einem Sturm.

 

Und wie immer konnten die Nara Hirsche es spüren.

 

Den Geschmack und den Geruch von Regen, der in der Luft hing und jeden Atemzug zu einer Anstrengung machte, die schwer in den Lungen verharrte. Doch es trug nur wenig dazu bei, die dämmerungsaktiven Gewohnheiten der Tiere zu stören. Die Hirschkühe sammelten sich in nervösen Reihen und ihre Flanken bebten, während große Augen und lange Wimpern hektisch und weit in das schummrige Licht blinzelten. 

 

Unter den zornigen Himmeln erfüllten das Krachen und Knacken von Geweihen den Nara Wald. 

 

Dichte Ströme aus Dunst explodierten geysirartig aus den Nüstern zweier kämpfender Hirschböcke. Die Natur hatte ihre Arena geschaffen – eine offene Lichtung. 

 

Die beiden Männchen trugen den Kampf mit einem brutalen Angriff und Aufeinanderprallen aus. 

 

Blut floss über das dichte Fell eines Bockes und die glatte Haut war vom Geweih seines größeren Rivalen aufgeschlitzt; ein königlicher Hirsch, der sich mit der vollen Rage seines Zwölfenders auf ihn stürzte. 

 

Rikumaru senkte seinen riesigen Kopf und galoppierte nach vorn. 

 

Die kämpfenden Männchen krachten aufeinander und verhakten sich. 

 

Feste Muskeln bebten und zuckten unter schwitzendem Pelz. Sie stießen vor und zurück, Köpfe hoben sich und fielen herab, bis sich Rikumaru löste, sein Geweih herum schnellen ließ und den jüngeren Bock direkt unterhalb der Kehle erwischte. Er schlug eine Wunde, die das andere Männchen dazu zwang, sich zurück zu ziehen. 

 

Und Rikumaru schwang sein Geweih in einem finalen Schlag wie Sensen durch die Luft. 

 

Die hörnern Zinken rissen sich durch die Flanke seines Rivalen. 

 

Blut spritzte. 

 

Der Bock stürzte in den Schlamm und bellte einen erstickten Schrei hervor. 

 

Der Kampf war vorbei. 

 

Rikumaru unterstrich stampfend seinen brutalen Sieg und das feste Horn seiner Hufe gepaart mit dem mächtigen Schwung seines Geweihs warnte andere Böcke eindringlich, die Weisheit zu überdenken, ihn herauszufordern. Er bäumte sich auf den Hinterläufen auf und die Vorderhufe boxten in Knochen zerbrechenden Tritten durch die Luft. Die Ricken zuckten zusammen und bebten nervös, als Rikumaru ein tiefes dunkles Röhren ausstieß.

 

Shikaku trat zwischen den Bäumen hervor. 

 

„Rikumaru…“ Leise ließ er den Namen über die Zunge rollen. 

 

Sofort hörte das Treten auf. 

 

Die kraftvollen Beine fielen zurück auf den Boden und zitterten angespannt vor Adrenalin. Der Hirsch schwang seinen Kopf mit bebenden Nüstern und einem angriffsbereiten Körper zu Shikaku herum. Ohne mit der Wimper zu zucken hob der Nara eine Hand; ein subtiles Zeichen, auf das der Hirsch ansprach, indem er seine Schnauze ausstreckte, um gegen die Handfläche des Schattenninjas zu schnuppern und zu schnauben. 

 

Shikaku nickte, legte seine Hand auf die Stirn des Hirsches und schob. 

 

Rikumaru machte kehrt und zog sich zurück. 

 

Kurz sah Shikaku ihm nach und wandte sich dann dem gefallenen Bock zu. Schatten glitten hinter ihm her wie gehorsame Schlangen und wickelten sich um seinen Körper, bevor sie sich in einem Rascheln von Ranken über das Laub ausbreiteten. Sie legten sich um die tretenden Beine des gestürzten Hirsches und hielten das Tier unten. 

 

„Ganz ruhig jetzt.“, beruhigte Shikaku mit einer rauchigen Stimme, die die Ohren des Hirsches zu einer verängstigten Rotation veranlasste. 

 

Er versuchte, den Kopf zu drehen und das Geweih wandte sich drohend dem Nara zu. 

 

Shikakus Lippen zuckten. „Lass das.“

 

Der Schattenninja ging neben dem keuchenden Tier in die Hocke und ließ seine Hand über das nasse kupferne Fell wandern, das mit Blut und Schweiß getränkt war. Die Augen des Hirsches rollten verzweifelt in den Höhlen und seine Nüstern waren weit und zitterten. 

 

Er brüllte seinen Schmerz heraus. 

 

Shikaku summte beruhigend und strich mit der Hand über den ruinierten Pelz, während er die Situation durch verengte Augen einschätzte. Langsam schüttelte er den Kopf angesichts der heißen nassen Flut, die viel zu schnell durch seine Finger quoll. 

 

Verdammt.

 

Als er die Hand zurückzog, war sie in rotes Nass getränkt. 

 

Leise seufzend griff er hinter dem Rücken nach seinem Tantō.

 

Er hasste diesen Teil.

 
 

 

~※~

 

 

Das Blut ließ sich schneller von der Klinge waschen als von Shikakus Fingern. 

 

Er drehte den Wasserhahn auf, spülte die eingeseiften letzten Spuren von Tod von den Fingern und trocknete sie ab. 

 

Es war im Laternenlicht und den Schatten zu einer Gewohnheit geworden, jeden Beweis auszulöschen. 

 

Langsam ließ er den Stoff sinken und machte eine stumme Bestandsaufnahme der Hütte. Sie bestand aus einem einzigen großen Raum, der für verschiedenste Zwecke unterteilt war. Regale standen in einer Reihe mit Kanistern und waren mit Kisten vollgestopft. Der hölzerne Unterstand hatte einst als Teehaus gedient und war in die hohen Gräser am Rand des Nara Waldes eingebettet. Doch letztendlich hatte Shikaku Praktikabilität über den originalen Zweck gestellt und das Teehaus in ein Lager für Veterinärbedarf und Hirschhorn verwandelt. 

 

Drei Hirsche diesen Monat…

 

Und als wäre dieser Gedanke ein Stichwort, griff Shikaku nach dem blutgetränkten Sack, der zu seinen Füßen lag. Er warf ihn sich über die Schulter und bewegte den Rücken gegen den Stich einer Geweihstange, bevor er zu einer großen Truhe hinüber schritt, die eine ganze Seite des Raumes dominierte. 

 

Das Hirschhorn würde für die Nara Laboratorien zu Pulver gemahlen werden. 

 

Selbst das Fell, die Hufe und die Knochen würden genutzt werden. 

 

Nichts wurde verschwendet. 

 

Doch unglücklicherweise würde es nicht der letzte Tod innerhalb der Herde für diesen Herbst sein. Die Nara gaben zwar ihr Bestes, die Todesfälle während der Brunftzeit so niedrig wie möglich zu halten, aber sie konnten nur sehr wenig tun, ohne der Natur ins Handwerk zu pfuschen. Und manchmal war alles, was man tun konnte, einen leidenden Hirsch zu erlösen oder ihn zusammenzuflicken, wenn sein Leben noch zu retten war. 

 

Etwas kratzte über das Fenster der Hütte. 

 

Shikakus Kopf schnellte herum und er erhaschte an der Peripherie seines Sichtfeldes einen flüchtigen Blick auf schlagende Flügel. Und dann bemerkte er einen Falken, der draußen auf dem Fensterbrett saß und ihn beobachtete. Dieser Vogel war im Nara Wald nicht heimisch, was ihn sofort als den identifizierte, den sein Sohn aufgepeppelt hatte. 

 

Shikaku hob eine Braue und richtete sich langsam auf, während er den Blick erwiderte.

 

Der Vogel legte den Kopf schief. 

 

Und Shikaku lächelte leicht und warm. „Bleib bei ihm.“

 

Der Falke ließ ein leises Squawken hören und verschwand, bevor er noch mehr sagen konnte. 

 

Draußen grollte Donner in der Ferne. 

 

Shikaku verstaute das Geweih, schloss die Hütte ab und begab sich auf den Heimweg. 

 
 

 

~❃~

 
 

 

 

 

Die Dachtraufe diente als Linie. 

 

Überschreite sie nicht.

 

Neji hämmerte die Worte in seine Schritte und lief über dasselbe offene Dach, über das er bereits am Morgen gewandert war. Eine klare, konkrete Grenze. Und auf dieser selbst definierten Linie bewegte er sich in meditativem Tempo. 

 

Konzentrier dich.

 

Er lief diesen Weg nun schon für einige Minuten und sein Blick scannte das gegenüberliegende Ryokan – suchend. 

 

Da.

 

Sofort blieb Neji stehen. 

 

Sein Dōjutsu nutzend durchbrach er die Dunkelheit, die von dem nahenden Sturm nur noch dichter wurde und fand, was er gesucht hatte. Doch in der Sekunde, als sein Fokus auf die Shogi spielenden Gestalten traf, drängte ihn ein mentaler Befehl, zurück zu weichen. 

 

Lauf fort.

 

Aber ein einziger Schritt, war alles, was er ertragen konnte. 

 

Seine Knie knickten ein und er sank hinunter in eine geduckte Haltung, sodass er am Rand des Gebäudes hockte; eingebettet in die Schatten unter einem großen Vordach. In anderen Bereichen des Ryokan spielten sich Aktivitäten ab; mit anderen Figuren und anderen Gesichtern – nebenan, darüber, darunter – doch Neji sah nichts davon. Nicht einmal die zarten blinkenden Glühbirnen des Außenbereichs von HOTARU schafften es, ihn auch nur eine Sekunde abzulenken. 

 

Nichts würde das schaffen. 

 

Er war viel zu sehr in jede einzelne Neigung von Shikamarus Profil versunken. Sein Dōjutsu gestattete ihm, mithilfe eines Blickes noch näher zu kommen, bis er sogar sehen konnte, wie der Stoff des Yukata, den der Schattenninja trug, in seinem Ellbogen Falten warf oder sich über seine Brust zog, wenn er seinen Arm etwas weiter über das Spielbrett streckte. 

 

Aber nicht einmal das war nah genug. 

 

Neji ließ zu, dass sein Blick über die Grenze, die er nicht übertreten würde, hinaus griff. Er dehnte und verfeinerte sein Dōjutsu so sehr, dass er selbst die subtilsten Bewegungen der Sehnen in Shikamarus Hand wahrnahm, jedes Mal, wenn sich seine Finger über einem Shogispielstein krümmten. Und Neji nahm sich einen Moment, um diese langen Finger zu mustern, die hart hervorstehenden Knöchel, die leicht schwieligen Kuppen, die in einem unschuldig müßigen Schwung über ein Shogiteil strichen. 

 

Shikamarus Daumen klopfte zweimal kalkulierend. 

 

Neji entging nichts. Doch indem er all das in sich aufsog, begann er, ein Bewegungsmuster zu bemerken, das er bei den wenigen Malen, wenn er mit Shikamaru Shogi gespielt hatte, nie erlebt hatte. Und zwar vermied der Schattenninja jede Gelegenheit, das Spiel zu beenden, oder sich einen Vorteil zu verschaffen.

 

Seltsam.

 

Widerwillig sah Neji prüfend zu Asuma hinüber.

 

Der bärtige Jōnin hielt zwischen seinen Zigarettenzügen inne und warf Shikamaru Blicke zu, die von dem ernsten Ausdruck von Besorgnis erschwert wurden. Das Gewicht von Unruhe in Asumas Miene sorgte dafür, dass Nejis Magen ihm bis in die Kniekehlen sackte. 

 

Was ist passiert?

 

Die Wirbelsäule des Hyūga richtete sich auf und er rutschte weiter nach vorn, während sich die Muskeln in seinen Schenkeln anspannten; jederzeit bereit dazu, ihn schlagartig vorwärts zu tragen. Und dann wurde ihm klar, was zur Hölle er gerade dachte – oder wie er eigentlich gar nicht mehr nachdachte. 

 

Verdammt sei das alles.

 

Offenbar waren ihm die Emotionen, die ihn trieben, immer noch viel zu fremd, um sie entschlüsseln zu können; selbst nach zwei Wochen, in denen er versucht hatte, sie zu verarbeiten. Allerdings war das auch leichter zu bewerkstelligen, wenn er fort von der Ursache blieb, die diese Gefühle überhaupt erst in ihm ausgelöst hatte. 

 

Du bist immer noch fort, vorausgesetzt, du hältst Abstand. Bleib weg. Du hast gesagt, dass du das tun würdest.

 

Unfähig sich zu bewegen, unternahm Neji nichts außer zu starren. 

 

Ohne zu blinzeln musterte er Shikamarus Profil und eine liebevolle Sorge grub sich in seine Augenwinkel. Vielleichtsah der Nara wirklich anders aus als das letzte Mal, als Neji ihn gesehen hatte, aber aus dieser Distanz war das schwer festzustellen. Sogar Nejis Augen waren trotz all ihrer herausragenden Fähigkeit immer noch durch eine subjektive Interpretation dessen, was sie sahen, eingeschränkt. 

 

Verblendet von meinem eigenen Zorn, hast du stets mehr gesehen als ich…

 

Ein schwaches Lächeln starb an Nejis Mundwinkeln, bevor es seine Lippen vollständig verformen konnte. 

 

Du bist noch immer dieser schwer fassbare Schatten in der Dunkelheit, Nara…

 

Shikamaru war niemals ohne seine eigenen Masken – in der Vergangenheit hatte der Schattenninja seine Gesichter viel zu subtil und viel zu schnell gewechselt, als dass Neji ihn jemals vollständig hätte erwischen können. 

 

Der Hyūga hatte das nur ein einziges Mal geschafft. 

 

Und was hat das mit dir gemacht, Shikamaru?

 

Es war wie eine Anklage seines Verstandes an ihn selbst.

 

Neji schluckte, während seine Augen hinunter zur Hand des Nara wanderten. 

 

Die Erinnerungen an das, was er getan hatte, als er es erst geschafft hatte, Shikamaru ohne Defensiven zu fassen zu bekommen, fraß sich noch immer wie Säure um die Ränder des Herzens des Hyūga. Er konnte sich noch immer an das Echo seiner eigenen Worte entsinnen; seine Stimme vertieft und verdunkelt von einem Zorn, den er schwerlich wiedererkannte. 

 

‚Es macht dir Spaß, meine Wunden aufzureißen, oder, Nara? Ich denke, es ist an der Zeit, ein paar von deinen aufzureißen.‘

 

Und das hatte er. Er war mit aller Macht auf Shikamarus Wunde losgegangen und hatte sie aufgerissen. Doch er war nicht geblieben, um den Schaden zu sehen. Er war fort gelaufen, bevor er noch mehr verursachen würde. Und die Wunde des Nara war nur zu einer weiteren Sache der unzähligen, unausgesprochenen, nicht verheilten und unbeachteten Dinge geworden, die wie Asche zwischen ihnen wirbelten. 

 

Wir sind in Flammen aufgegangen, oder nicht?

 

Mehrere Male. Doch andererseits hatte es auch nie viel gebraucht, um aus der Asche Funken erstehen zu lassen, wenn sie sich nahe waren. Ob es nun Zorn, Verlangen, Lust oder Schmerz war; irgendetwas würde immer anfangen, zwischen ihnen zu brennen. 

 

Es ist immer da…

 

Nejis Kiefer verkrampfte sich und seine Atmung wurde tiefer, während er zusah, wie sich Shikamarus Finger krümmten und falteten und federleicht über das Shogibrett geisterten. 

 

Neji spürte die Nähe dieser Hand mehr, als dass er sie sah. 

 

Und wenn ich dich sehe…auch wenn ich dich nicht spüren kann…beginnt es immer wieder von neuem…

 

Die Sehnsucht zog sich über seine Brust und eine heiße Spirale verkrampfte sich in seinem Magen. 

 

Energisch presste er die Lider aufeinander. 

 

Er sah nicht, wie Asuma seine Zigarette ausdrückte. Und er sah nicht, wie Shikamarus Finger zitterten, bevor er einen Zug machte, der das Shogispiel beendete.

 
 

 

~❃~

 
 

 

 

 

Der Himmel grollte und knisterte bereits, als Shikaku auf die Veranda trat und Spritzer von Regen begannen, dunkle Flecken auf den Steinen im Garten zu hinterlassen und Wellen über den flachen Teich zu jagen. 

 

Das entfernte Pfeifen und Röhren der Hirschrufe verstummte. 

 

Und nur wenige Momente später, öffneten sich die Himmel vollständig. 

 

Shikaku starrte vor sich hin und sah zu, wie der Wald jenseits des Gartens untertauchte. Er verschwand hinter einem undurchsichtigen Schleier aus Regen, der wie Glas gegen die Erde peitschte und einen feinen Dunst über den Boden wirbelte. 

 

Die Welt sah aus, als würde sie zerbersten. 

 

Für einen langen nachhallenden Augenblick stand Shikaku einfach nur da, bevor er sich letztendlich drehte, um hinein zu gehen. Doch er hatte nicht erwartet, dass sich die Tür auch wirklich öffnen würde, als er es versuchte, aber das Shoji Paneel glitt ohne Widerstand zur Seite. 

 

Auf der Türschwelle hielt er inne – lauschte. 

 

Die Lichter waren aus, aber Yoshino war zuhause. 

 

Er wusste es sofort und instinktiv. 

 

Leise schob er die Tür hinter sich zu, schloss sie ab und trat sich die Schuhe von den Füßen, bevor er weiter in das Haus schritt, um sich zu der einzigen Lichtquelle zu bewegen, die er ausmachen konnte. Sie erstrahlte weich und körnig unter ihrer Schlafzimmertür. 

 

Shikaku lief mit einem Drehen und Beugen der Hüften, führte mit der rechten Schulter und ließ die andere ein wenig hinter sich fallen. Es war vollkommen automatisch für Nara Männer, in solchen Neigungen zu ‚fließen‘, wenn sie sich bewegten. Für den ignoranten Betrachter sah es einfach nur nach einer faulen Pose oder einem unbeholfenen Herumhängen aus. Doch in Wahrheit beherrschten die Nara Shinobi einen der behändesten Stile von Nagare oder eben ‚Fließen‘ in ihren unbewusstesten Bewegungen. 

 

‚Achja?‘, hatte Inoichi ihn einmal geneckt. ‚Erzähl das mal einem Hyūga, Shikaku.‘

 

Shikaku hatte das getan – und es dann bewiesen. 

 

Hizashi hatte ihn zu einer Revanche herausgefordert. 

 

‚Ich werde dich schlagen, Nara.‘

 

‚Bis zum nächsten Mal, Hyūga?‘

 

Hizashi hatte gelacht. ‚Und jedes Mal danach, Shikaku.‘

 

Wie schade, dass sie es nie herausgefunden hatten. 

 

Energisch schüttelte Shikaku den Gedanken ab. Seine Finger strichen über die Schlafzimmertür und drückten sie mit einem beabsichtigten Knarzen auf, sodass sich Licht in den Korridor ergoss. Keine Reaktion. Er trat etwas nach vorne, um im Türrahmen stehen zu bleiben und lehnte sich gegen das Holz. 

 

Yoshino wandte sich ihm nicht zu. 

 

Sie stand beim Fenster und war in die goldenen Schattierungen der Lampe getaucht. Ihr Haar hing ihr gelöst von dem üblichen Band in einem glänzenden Strom über die Kurve ihres Rückens. Sie sagte nichts, aber er wusste, dass sie ihn gehört hatte. 

 

Sekunden verstrichen. 

 

In schimmernden Bahnen prasselte der Regen gegen das Glas. 

 

Etwas blitzte in Yoshinos Händen auf. Ein sauberes, glänzendes Rechteck. Es war ein Foto, das sie mit dem festen Griff ihrer Finger eingerahmt hatte. Unter dichten Wimpern beobachtete Shikaku sie – und wartete. Yoshino spürte deutlich, wie sein Blick über sie wanderte und schüttelte den Kopf. Ihr Haar schwang über ihren Rücken und wie eine Welle, die durch den Raum wogte, konnte Shikaku sofort den Duft von Farnen und Lilien riechen. 

 

„Yoshino.“, rief er. 

 

Seine Stimme schliff durch die Luft, ließ sie erschauern und löste eine Gänsehaut auf ihren Armen aus. Doch sie sah ihn immer noch nicht an; ihre großen dunklen Augen waren auf das Bild fixiert. 

 

„Ich habe die Tür offen gelassen.“, sagte sie mit sehr leiser Stimme. 

 

Aufmerksam beobachtete Shikaku, wie sie mit dem Daumen über das Foto strich und die Kante ihres Nagels ein Detail des Bildes nachzeichnete. Stirnrunzelnd sog sie heftig die Unterlippe zwischen die Zähne. 

 

„Hast du abgesperrt?“, fragte sie. 

 

Er antwortete nicht. Stattdessen trat er zu ihr und durchquerte den Raum mit einem Wispern von Bewegungen, das ihre Haut erneut prickeln ließ. Sie spürte die Nähe, bevor sie sich berühren konnten und trat einen raschen Schritt nach links, um das zu vermeiden, was vermutlich ein Umfassen seiner Arme gewesen wäre, oder vielleicht auch seiner Schatten. 

 

Sie zog eine Schublade auf und wollte das Bild verschwinden lassen. 

 

Doch Shikakus Berührung ließ sie erstarren. 

 

Seine Finger strichen über ihren Unterarm und paralysierten ihre Bewegungen, als befände sie sich in einem Schattenbesitz. Seine langen rauen Glieder folgten den Venen ihres Handgelenkes. Und vollkommen ohne ihr Zutun bewegte sich ihre Hand und zeigte das Bild. 

 

Es war ein Foto, das sie vor vielen Jahren gemacht hatte; eines von Vater und Sohn. 

 

Das Bild hatte sie bei einem Sonnenuntergang eingefangen. Shikaku lag auf dem Bauch im Heu für die Hirsche und hielt seinen neun Monate alten Sohn aufrecht, während Shikamaru döste; bereits in den frühen Stadien der Beherrschung der Kunst, im aufrechten Sitzen einzuschlafen. 

 

Shikaku lächelte und ließ seine Augen über das Bild seines Sohnes wandern.

 

Die Erinnerung verblieb klar wie ein Schnappschuss in seinem Geist. 

 

Er entsann sich, dass er den Rücken seines Kindes mit beiden Händen gestützt hatte; paranoid, dass wenn er seinen Griff lockern würde, Shikamaru nach hinten fallen würde. Auf dem Bild war Shikakus Mund in einem Murmeln geöffnet, während er mit liebevoller Zuneigung seinen schläfrigen Sohn betrachtete. 

 

Er erinnerte sich auch noch ganz genau daran, was er damals gesagt hatte. 

 

Shikakus Augen schlossen sich langsam und eine unmerkliche Spannung zupfte an seinen Brauen. 

 

„Hast du die Tür abgesperrt?“, fragte Yoshino erneut.

 

Er sagte nichts. 

 

Yoshino versteifte sich, als sich seine Finger um ihr Handgelenk schlossen, während sein Daumen Kreise über ihren Handballen zeichnete und sich die Fläche entlang drückte, bis er die Kante des Fotos erreichte und es aus ihrem Griff löste. 

 

Es fiel hinunter auf die Kommode. 

 

„Du musst sie absperren.“, trug sie ihm mit einer leisen, aber harschen Stimme auf. 

 

Shikakus Daumen rollte über ihre Nägel und seine Finger geisterten über Knöchel und die blasse Haut ihres Handrückens. Als seine Lippen über die Kante ihres Kiefers strichen, spürte er, wie sie erschauerte. 

 

Und dann wurde sie vollkommen regungslos. 

 

Na endlich.

 

Shikakus Lider hoben sich eine Nanosekunde, bevor sie zu ihm herum schnellte. 

 

Rasch fing er die Hand ab, die nach seinem Gesicht schlug und wehrte den Hieb gerade so vor einem Treffer ab. 

 

Er konnte die Wärme ihrer Hand gegen seine Wange spüren – doch es war nichts im Vergleich zu der Hitze in ihren Augen. Yoshinos dunkle Seen blitzten auf und ihr Gesicht war zur Hälfte in Licht und Schatten getaucht. Gold und Schwarz sanken in die Mulden ihrer Konturen und unterstrichen die Wildheit in ihren Zügen. 

 

Shikaku betrachtete diesen grausamen, erschreckend schönen Anblick durch abgeschirmte Augen. 

 

Seit zwei Wochen wartete er auf diesen brutalen Ausbruch. 

 

„Sag es mir.“, murmelte er, drückte seinen Daumen gegen die Adern ihres Handgelenks und spürte den rapiden Pulsschlag. „Das willst du schon seit Wochen.“

 

Yoshinos Finger krümmten sich zu Klauen und Nägel strichen seine linke Wange entlang ohne zu kratzen. Sie ritzte an unsichtbaren Wunden, die zu den Narben passten, die er auf der anderen Seite seines Gesichtes trug. 

 

„Sag du es mir, Shikaku!“, erwiderte sie, während Mahagonisträhnen um ihre Lippen schwangen. „Sag mir, dass du ihn niemals so siehst.“

 

Shikaku blinzelte langsam und zog den Kopf zurück. 

 

„So…“, echote er mit einer Stimme wie Nebel; auseinander gezerrt und ertränkt von dem zornigen Keuchen von Yoshinos Atem. 

 

Sie klatschte ihre freie Hand auf das Foto und presste es wie eine kostbare Blume zwischen ihrer Haut und dem polierten Holz der Kommode.

 

Shikaku hob eine Braue. „Wie?“

 

Parfumflaschen klapperten, als ihre Hand erneut niederfuhr – hart. 

 

So!“

 

Shikaku warf dem Foto nicht einmal einen Seitenblick zu. „Nein. Das tue ich nicht.“

 

Die Augen seiner Frau wurden rund und ein feuchter Schleier legte sich über sie. „Das tust du nicht…“

 

„Ich kann nicht.“, murmelte Shikaku. 

 

Ein fassungsloses Lachen verfing sich in Yoshinos Kehle. Heftig presste sie die Lippen aufeinander, um den Ton zu ersticken, während sie ungläubig den Kopf schüttelte. 

 

Sie riss ihr Handgelenk frei und wollte schon wieder zuschlagen – tat es aber nicht. „Sag es mir, Shikaku.“

 

„Du weißt, was ich sehe.“

 

„Erinnere mich.“ Weiche Lippen zogen sich straff, aber ihre Stimme bebte. „Erinnere mich daran, was du gesehen hast, als er von dieser Mission zurück gekommen ist. Erinnere mich daran, was du gesehen hast, als wir nach Hause gekommen sind, um ihn verletzt und blutend in seinem Zimmer zu finden! Was hast du verflucht nochmal gesehen? Denn ich habe dieses Kind gesehen!“ Energisch ruckte sie mit dem Kinn in Richtung des Fotos, hielt die Augen aber auf ihn gerichtet. „Mein Kind! Deinen SOHN, Shikaku!“

 

Shikakus Kopf neigte sich warnend. 

 

Doch Yoshino ließ sich nicht unterkriegen. Das tat sie nie. 

 

„Erinnere mich.“, spie sie aus. „Falls du zulässt, dich selbst zu entsinnen.“

 

Shikakus Kiefer verkrampfte sich und das Licht der Lampe traf hart auf die Ränder seiner Narben, um sie in Gold zu tauchen – wie straff gespannten Stacheldraht. Doch die Linien, die sich in seine Augenwinkel schnitten, waren noch schärfer. 

 

„Wag es nicht, mich so anzuschauen.“, fauchte Yoshino und ihre eigene Miene war fuchsteufelswild und ihre Zähne gebleckt. „Da draußen kann ich ihn nicht beschützen! Da draußen zwinge ich mich dazu, mich daran zu erinnern, dass er ein Shinobi ist, aber HIER ist er mein SOHN! UNSER SOHN!“

 

Ruckartig hob sie die Hand, ballte sie zur Faust und hämmerte sie hart genug gegen Shikakus Brust, dass sie spüren konnte, wie sich die Muskeln um ein angespanntes Ausatmen zusammenzogen. Sie hoffte, der Schlag würde sein Herz mit der doppelten Wucht treffen; hoffte, dass er etwas in ihm löste, das die Schatten aus seinem beständigen Blick vertreiben würde. 

 

Doch Shikaku wich nicht zurück, rührte sich nicht, blinzelte nicht. 

 

Er blickte einfach nur mit diesen dunklen unergründlichen Augen auf sie hinunter; seine Wimpern senkten sich so weit, dass er gerade noch etwas sehen konnte, ohne selbst gesehen zu werden. 

 

Aber Yoshino hielt sich für ihn nicht zurück. 

 

Sie funkelte ihn durch ihre großen Mandelaugen an, die mit zornigen Tränen und Verurteilung schimmerten. Die Qual in ihrem Blick zog Shikaku einen Schritt nach vorn. Sofort wich Yoshino zurück und schlang sich die Arme um den Oberkörper, als würde sie eine kalte Brise abwehren…den Schmerz abwehren. Götter, aber es schmerzte sie. 

 

Es schmerzte sie wegen des Leids, das Shikaku so energisch hinter den Schatten seiner Augen verbarg. 

 

Es schmerzte sie wegen der Entscheidung, die er vor langer Zeit getroffen hatte, die Qual vor ihrem gemeinsamen Sohn zu verbergen.

 

Es schmerzte sie wegen der Entscheidung, die er jetzt gerade traf, diese Qual auch vor ihr zu verbergen. 

 

Und es schmerzte sie mehr als alles davon, weil sie wusste, warum er es verbergen musste. 

 

Er tat es jeden einzelnen Tag; nur um die Tage überstehen zu können, wenn sie es nicht auch noch verbergen konnte. 

 

Shikamaru war viel zu intelligent und scharfsinnig, als dass er es nicht bemerken würde, wenn ihnen ein Ausrutscher passieren würde. Ein solcher Ausrutscher würde zu viel zu vielen Fragen führen; zu einem viel zu großen Bedauern und viel zu viel Reue. Viel zu viel, um es jemals wieder zurücknehmen zu können. Viel zu viel, um es jemals wieder gut machen zu können. 

 

„Das hier ist sein Zuhause…“ Sie presste Lider aufeinander, um sich davon abzuhalten, Shikaku anzusehen; um sich davon abzuhalten, zu ihm zu gehen und nach ihm zu greifen. „Ich sollte dafür sorgen, dass er hier sicher ist. Gott, niemals…er sollte hier niemals Angst haben müssen.“

 

Shikaku bedachte sie mit einem langen, verschlossenen Blick. „Ich weiß.“

 

„Nein, Shikaku, du kannst es nicht wissen. Du bist nicht seine Mutter.

 

Shikaku rollte hinter den Zähnen die Zunge ein. Vor Jahren hätte er sich vermutlich lange genug von seinem passiv-aggressiven Wesen gelöst, um diesen Worten in eine Auseinandersetzung zu folgen und – wenn er gedrängt wurde – sogar noch weiter bis zu der Art herzzerreißender Konfrontation, von der er wusste, dass sie sie wollte. 

 

Doch das würde sie nur auseinander treiben. 

 

Oder entzweien. 

 

Im besten Fall würde sie schreien und er würde sie einfach nur niederstarren oder es aussitzen; bewaffnet mit einem Arsenal an Geduld. Im schlimmsten Fall würden die Grenzen seiner Geduld vielleicht bis jenseits des klar definierten Punktes ausgedehnt werden, der ein gefährliches Ende markierte.

 

Nein. 

 

Niemals wieder wollte er seine Fähigkeit auf die Probe stellen, das zu kontrollieren, was passierte, wenn er zuließ, dass er über diesen Punkt hinaus getrieben wurde. In der Vergangenheit war es beinahe zu einer Einbahnstraße geworden. Und die Rückkehr von diesem Teil seines Selbst hatte ihm Narben eingebracht, die weitaus tiefer und dauerhafter waren als die auf seinem Gesicht. 

 

Niemals wieder.

 

„Ich bin seine Mutter.“, wiederholte Yoshino, allerdings etwas sanfter diesmal. „Vergiss, dich an irgendetwas anderes zu erinnern, Shikaku, aber wage es nicht, das zu vergessen. Ich bin seine Mutter.

 

„Vor siebzehn Jahren und während 39 Stunden, in denen du diesen Punkt auf biologische Weise bewiesen hast, hast du fünf Knochen in meiner Hand gebrochen.“ Shikaku krümmte einen Finger, um mit dem Knöchel auf der Suche nach einem Lächeln über ihren Mund zu streicheln. „Ich glaube nicht, dass ich diese Tatsache so leicht vergessen könnte, Yoshino.“

 

Vermutlich hätte Yoshino gelächelt, doch es schwankte und verließ ihre Lippen viel zu schnell, als dass er sich dessen sicher gewesen wäre. Langsam schloss er die Distanz zwischen ihnen und sie ließ eine Hand über seine Brust wandern, um den schwarzen Stoff seines Rollkragenoberteils zu packen und ihre Finger hinein zu krümmen – als wollte sie sein Herz drücken. 

 

„Jeden Tag frage ich mich, ob wir es richtig gemacht haben…“, wisperte sie und wand sein Shirt in ihrer Faust, bis sich das Gewebe zu einem Knoten verdrehte. „Ob ich es richtig gemacht habe…“

 

„Yoshino…“

 

„Ich dränge ihn zu sehr. Bis zu dem Punkt, an dem ich ihn fort aus meinen Armen treibe, wenn doch alles, was ich…“, sie brach mit einem bebenden Wispern ab. „Wenn doch alles, was ich will ist, ihn wieder halten zu können…“

 

Nach diesen Worten streckte Shikaku seine Hände nach ihr aus und zog sie an sich. Sein Schatten verschluckte den ihren, als sie sich in den Kreis seiner Arme begab und ihren offenen Mund gegen die Sehnen seines Halses presste, während sie lange und bebend seufzte. 

 

„Jeden Tag macht es mir so eine Angst…“

 

Shikakus Kehle hüpfte gegen ihre Lippen, als er schluckte; das einzige Zeichen, dass er auf ihr Geständnis reagierte. Diese Worte von seiner Frau waren unbekannte, fremdartige Klänge. Vorsichtig legte er eine Hand an ihren Hinterkopf und streichelte die seidene Mähne. 

 

„Es macht dir Angst?“

 

„Ich glaube nicht, dass er jemals wieder zulassen wird, dass ich ihn halte, Shikaku…und was mir noch mehr Angst macht als das, ist das Wissen, dass wenn er es jemals wieder zulassen würde…ich glaube nicht, dass ich ihn dann wieder loslassen könnte…“ Sie verschluckte sich an einem wässrigen Atem und schüttelte den Kopf. 

 

Shikakus Augen wurden weich, bevor sie sich schlossen. 

 

„Dann lass das hier stattdessen los. Weine und lass es raus.“, hauchte er in ihr Haar. 

 

Er spürte, wie sich ihre Hände über seinen Rücken krallten und ihre Finger gruben sich so hart in seine Schulterblätter, dass er jeden einzelnen ihrer Nägel fühlen konnte, die sich in sein Fleisch bissen. Und er konnte die Aufforderung in dieser Umklammerung spüren; wie sie verzweifelt von ihm wollte, mit ihr zu fallen. Das rauszulassen, was sie nicht allein durchleiden wollte. Und tatsächlich gruben sich ihre Nägel noch tiefer. 

 

„Ich brauche es, dass du es rauslässt, Shikaku…“, wisperte sie. 

 

Er lehnte sich gerade genug zurück, um mit rauen Handflächen über ihre Wangen zu streichen und ihren Kopf nach oben zu dirigieren, während er versuchte, ihren Blick einzufangen. „Du weißt, warum ich das nicht tun kann.“

 

Und wenn das heisere Kratzen seiner Stimme nicht genug gewesen wäre, dann drängte sie das zärtliche Streicheln seiner Lippen über ihre Wange dazu, sich ihm zuzuwenden – drängte sie dazu, zuzulassen, dass sich die Tränen aufbauten. Ihre Wimpern hoben sich zitterten und funkelten; dunkle Seen starrten zu ihm auf. 

 

„Du lässt mich dabei ganz allein…“

 

Shikakus Brauen zuckten, doch er schaffte es, den Ausdruck zu kontrollieren, der sich in seine Augen zu schleichen drohte. Yoshinos Verletzlichkeit hatte ihn tiefer getroffen, als es ihr Zorn jemals könnte. Langsam ließ er seine Finger über ihre gerötete feuchte Wange wandern und schob sie um ihren Hals zu dem babyfeinen Haar an ihrem Nacken. 

 

„Du bist dabei niemals allein.“

 

„Shikak-“

 

Er senkte den Kopf und küsste sie; brachte sie zum Schweigen und verführte ihren Mund dazu, weich zu werden und auf die Liebkosung anzusprechen. Sie öffnete sich ihm mit einem nachgebenden Keuchen und hob die Hände, um die vernarbte Seite seines Gesichtes zu umfassen. 

 

Er küsste sie härter, zog sie näher und drückte sie an sich.

 

Ohne sich zu wehren schmolz Yoshino zu einer exquisiten Sanftheit, von der niemand glauben würde, dass sie dazu fähig war. Es war dieselbe Sanftheit, die sie genutzt hatte, um Shikaku vor einer Finsternis zu retten, von der niemand glauben würde, dass er dazu fähig war; viele Jahre zuvor.

 
 

 

~❃~

 
 

 

 

 

‚Äußerst beeindruckend. Wer hat dir beigebracht zu spielen?‘

 

‚Mein Sensei.‘

 

‚Und hat er dir auch beigebracht, auf solch eine Weise zu denken?‘

 

‚Auf welche Weise?‘

 

‚Wie ein König statt wie ein Bauer.‘

 

‚Das ist nur Taktik.‘

 

‚Ja und du hast gerade meinen besten Taktiker geschlagen, der vierzig Jahre älter ist als du.‘

 

‚Ich spiele einfach nur das Spiel.‘
 

‚Um zu gewinnen.‘

 

‚Das ist Sinn und Zweck des Spiels, oder nicht?‘

 

‚Absolut, Shikamaru. Doch bedauerlicherweise mangelt es den meisten Köpfen an der Fähigkeit, sich synchron mit dem Spiel des Großen Ganzen zu bewegen. Aber offensichtlich bist du nicht wie die meisten Köpfe, nicht wahr?‘

 

Das Shogistück glitt durch seine Finger, traf auf das Spielbrett und zerschmetterte es. Reihen und Spalten explodierten und Quadrate flogen in alle Richtungen, teilten sich und kollidierten mit einem kosmischen Knall, bevor sie sich zerstreuten, in die Luft flogen und sich zu Universen von Möglichkeiten multiplizierten. 

 

Er konnte sie nicht alle voraussehen. 

 

Stop…

 

Aber es hörte nicht auf, sondern es beschleunigte sich nur noch mehr. Vervielfachte sich zu schnell und zu zu vielen; zu viele Figuren, zu viele frakturierte Teile regneten herab, trafen wie Hagel auf sein Hirn, wieder und wieder und…

 

STOP!

 

Er versuchte, die Hände zu heben, um seinen Schädel zu umklammern, aber seiner Bewegungen wurden schleppend und seine Glieder zogen sich durch die Luft, als wäre es Wasser. Dampf füllte seine Lungen, brannte auf seinem Gesicht und Schweiß begann sich auf seiner Haut zu bilden und perlte davon ab; tauchte seinen Körper unter und zerrte ihn in heiße Wasser. 

 

Das Onsen. 

 

Nein…

 

All die Quadrate des frakturierten Spielbrettes schwebten an der Oberfläche, Shogi Bauern versanken, Könige schwammen, Türme, Springer und Läufer wirbelten. 

 

Wirbelten wie eine Zunge, die in die Mulde seiner Kehle eintauchte. 

 

‚Du schmeckst immer noch wie Feuer…‘

 

Neji?

 

Ein dunkler Kopf hob sich und Haar glitt von der Kopfhaut, als die Gestalt Nejis Haut abwarf und ihr wellige schwarze Strähnen wuchsen. Hyūga-blasse Seen schwärzten sich zu Schlitzen; kalt und scharf wie Feuerstein – scharf wie das Feixen, das einen Mund verdrehte, der schäumte mit Blut, Speichel, Gift…

 

‚Das Spiel beginnt, Junge.‘

 

NEIN!

 

Mit dunklen Augen, die weit und wild waren, wurde Shikamaru ruckartig aus dem Schlaf gerissen. 

 

Heftig schlug er um sich, traf aber überhaupt nichts. 

 

Nichts…

 

Nach Luft schnappend zuckte Shikamaru auf dem Futon nach vorn und packte die Laken. 

 

Regen hämmerte gegen die Fenster, wurde in Strömen reflektiert und bemalte seine Haut und den Futon mit Rinnsalen. Sein Körper war feucht von Schweiß, der ihn jeder Wärme beraubte und seinen Yukata durchtränkte. 

 

Er sog scharf die Luft durch die Nase ein und atmete sie mit einem Beben aus. 

 

Beruhige dich.

 

Als Donner das Glas erschütterte, machte er einen leichten Satz, während das Grollen brutal über den Himmel rollte. Klang und Sicht durchdrangen seinen Kopf wie gellende Schüsse. 

 

Traum…Erinnerungen…Traum…ein Traum.

 

Shikamaru schloss die Augen und ließ sich auf den Rücken sinken, während er sich mit einer Hand durchs Gesicht fuhr und sich beinahe die Haut vom Fleisch schälte. Stumpfe Nägel gruben sich in seine Kopfhaut und er konzentrierte sich darauf, jedes Aufflackern des Albtraumes in ein einziges Standbild zu packen. 

 

Verschwinde…bitte…verschwinde…

 

Energisch fokussierte er sich darauf, dieses Standbild schrumpfen zu lassen, ihm die Farbe und Definition zu entziehen, bis seine mentale Leinwand selig leer und blank war. 

 

Atme…

 

Mit einem Beben ließ er die Hand sinken und blinzelte hinauf zu dem Regen, der sich an der Decke spiegelte. Er lauschte, wie das Wasser gegen das Glas peitschte und wie kleine Steine auf die Veranda hämmerte. 

 

Sein Herz verlangsamte sein zorniges Pochen gegen sein Brustbein. 

 

Das Atmen wurde leichter; leicht genug, dass er die Luft anhalten und sie langsam entlassen konnte, während er die Sekunden zählte. Fokussieren, einatmen, halten, ausatmen, den Prozess wiederholen. Und er machte auf diese Weise weiter, bis er sich genug beruhigt hatte, um seine Aufmerksamkeit auf die feuchte Kälte seines Körpers richten zu können. 

 

Es brachte ihn dazu, sich zu bewegen. 

 

Er rollte sich aus dem Bett und orientierte sich langsam in der Dunkelheit. Flackern von Licht illuminierte einen Pfad aus dem Schlafzimmer heraus und Shikamaru berührte jede Säule, während er durch das zentrale Zimmer der Suite strich. 

 

Hier herrschten die Schatten und verschluckten die Atmosphäre. 

 

Er machte sich keine Mühe, nach dem Lichtschalter zu suchen; fühlte sich wohl in der Finsternis. 

 

Die Shojitüren hatte er offen gelassen, nachdem Asuma gegangen war, sodass die großen weiten Fenster offenbart wurden. Der Panoramablick auf die Gärten verlor sich im Regen. Es war nur noch eine samtige Kulisse, die von dem Schimmer einer endlosen Flut unterbrochen wurde. 

 

Shikamaru schritt hinüber zum Fenster und suchte nach einer Ablenkung. 

 

Er starrte hinaus in die bebende Undurchsichtigkeit und senkte seine Stirn gegen das kalte Glas. Sein Atem geisterte über die Scheibe; wurde zu Nebel, verschwand, wurde zu Nebel, verschwand. Und letztendlich glitt seine Aufmerksamkeit zum angrenzenden Raum, der sich bis auf die Veranda hinaus erstreckte. 

 

Hn.

 

Ino hatte keinen Witz gemacht. 

 

‚Und bevor du ausflippst, Shikamaru; du hast auch ein privates Bad im Freien auf deinem Zimmer.‘

 

Tatsächlich umfasste die Suite auch ein Rotenburo. Ein eingefasstes Freilichtbad, das als Mini-Onsen für die Gäste diente, die es nicht so sehr mochten, öffentlich zu baden. Geschützt von einer großen Markise, Glaswänden und ein paar Shoji Paneelen, die Privatsphäre versprachen, würde dieser Raum an einem klaren Tag einen fantastischen Blick auf das Privatgrundstück von HOTARU bieten. 

 

Nicht, dass der Schattenninja ernsthaft darüber nachdachte, ins Wasser zu tauchen. 

 

Nicht an einem klaren Tag und auch nicht an einem beschissenen…

 

Shikamaru drehte sich ein Stück und runzelte angesichts der Anspannung in seinem Körper die Stirn. 

 

Und trotz aller Widerstände kroch der übermächtige Drang, sich zu reinigen über seine Haut und legte sich dicker als der kalte Schweiß um ihn, in dem er aufgewacht war. Nur ließ ihn die Vorstellung davon, sich in warmes Wasser sinken zu lassen, unglücklicherweise eiskalt zurück. Eine heiße Dusche; jederzeit. Aber ruhige dampfende Wasser waren für seine Psyche, als würde er in kaltes Wasser geworfen werden, völlig egal, wie seicht oder sicher die Badewanne oder das Onsen auch war. 

 

Er realisierte nicht, dass er die Fäuste geballt hatte, bis sich die Nägel in seine Handflächen bissen. 

 

Komm drüber weg.

 

Das hatte er doch geschafft. Oder? Während er auf das große Bad stierte, erinnerte er sich an das letzte Mal, als er sich in solch warme und reinigende Wasser hatte sinken lassen. Es war in dem Tempel gewesen, als sie von Hanegakure zurück gekehrt waren. 

 

Jo, aber da haben mich keine Fetzen der Vergangenheit in den Wahnsinn getrieben…

 

Nein, stattdessen hatte er nur eine Todesangst um Neji gehabt. Und vollkommen automatisch übertrug er den Gedanken an den Hyūga von der Vergangenheit in die Gegenwart; hielt ihn schwer in seinem Verstand und spürte, wie er immer tiefer in seine Brust sank. 

 

Scheiße, wann fängt es endlich an, leichter zu werden? Nur ein winziges bisschen leichter…

 

Shikamarus Stirn legte sich in Falten und Kummer zerrte an seinen Augenwinkeln, bis er sie schließen musste. Verdammt, was er nicht alles dafür geben würde, traumlos schlafen zu können. Sein Körper brauchte das so oder so. Was sein Verstand brauchte, war eine Ablenkung oder Distanzierung; idealerweise beides. 

 

Das Shogispiel mit Asuma hatte ihm einen gewissen Frieden gebracht, der dann sofort brutal von einer Erwähnung von etwas zerschmettert worden war, von dem Shikamaru keinerlei Ahnung hatte, wie er darauf reagieren oder antworten sollte. Er war nicht dazu in der Lage gewesen. 

 

‚Es tut mir leid.‘

 

Er schüttelte den Kopf gegen das Glas und klopfte mit den Fäusten gegen die Scheiben. 

 

Das Gewicht von Asumas Worten verstärkte nur die Schuldgefühle, die so schwer in seiner Brust saßen; die darin hin und her rieben, bis er spürte, wie sie wie ein gemeißelter Stein in seinen Magen sackten. 

 

Er hatte versucht, sich weiterhin auf das Spiel zu konzentrieren; versucht, unerreichbar zu erscheinen. 

 

Eine schwache Tarnung.

 

Asuma hatte sie rasch durchschaut; so wie er es immer tat und immer getan hatte. 

 

Doch der Sarutobi hatte das Schauspiel akzeptiert; die Fassade, die Shikamaru versuchte aufrecht zu erhalten, indem er so getan hatte, er könnte die Partie weiter führen, als wäre nichts passiert. Asuma akzeptierte den Bullshit, die Lügen, die Vermeidung. Und wie immer war es genau diese Akzeptanz von Asuma, die dafür sorgte, dass der Vorhang nach unten fiel. Als er gespürt hatte, wie die Defensiven seines Schülers bröckelten, hatte Asuma seine Zigarette ausgedrückt. Doch dann hatte Shikamaru das Spiel beendet – und jede Chance auf eine Unterhaltung, oder ein Geständnis.

 

Er konnte sich einfach nicht dorthin begeben. 

 

Weil es nicht mehr real ist. Es passiert nicht jetzt. Es ist beendet. 

 

Also warum zur Hölle suchte es ihn dann noch heim? Jetzt? Nach zwei Jahren, während denen es begraben geblieben war?

 

Ich werde es wieder dorthin zurück zerren…ich habe es schon mal getan.

 

Langsam hob er die Lider und starrte seine Reflexion an; sah nur für den Bruchteil einer Sekunde den Teil seines Selbst, den er in die bodenlosen Tiefen seiner Seele verbannt hatte – eingehüllt in die Fesseln seiner dunkelsten Schatten. 

 

Ja, er hatte es schon einmal getan. 

 

Und ich werde es wieder tun.

 

 
 

 

 
 

~❃~

 
 

 

 

 

Neji hatte sich nicht von der Stelle bewegt. Er hätte es tun sollen. Rückwärts, nicht vorwärts. 

 

Überschreite nicht die Linie.

 

Die Worte pulsierten durch Nejis Hirn und hielten ihn wie festgefroren direkt hinter dem Sims, während er beobachtete, wie die feste Linie erbebte, zerbrach und Regen in einem Sprühen ausspie. 

 

‚Ich glaube, dass die einzige Linie, auf der du dich bewegst, die zwischen Masochist und Sadist ist.‘

 

Auf einem inneren Grat des Zwiespaltes balancierend, musste sich Neji fragen, ob da nicht eine gewisse Wahrheit in Shikamarus Worten lag. Sie passten zu allen Arten komplizierten Kontextes im Inneren des Hyūga, doch vielleicht hatte das auch etwas mit seiner Schwelle des Schmerzes zu tun – oder einem tief sitzenden Glauben, dass er diesen Schmerz nicht länger fühlen konnte. 

 

Die größte Lüge, von der ich jemals zugelassen habe, sie zu glauben…

 

Es war eine arrogante Annahme von Selbstkontrolle, die ihn beinahe das Leben gekostet hatte. 
 

Und es überraschte ihn nicht, festzustellen, dass es ihn erneut teuer zu stehen kam. 

 

Und obwohl ich das weiß, stehe ich hier und bezahle für eine Verfehlung, die ich mir nicht leisten kann…

 

Vielleicht spielten sich auch mehrere Sünden in dem ab, was er tat. Und wenn man bedachte, wie lange er Shikamaru nun schon beobachtete, konnte er vermutlich ‚voyeuristischer Stalker‘ zu seiner Liste der Laster hinzufügen. Es musste einfach etwas maßgeblich Masochistisches in all dem gelegen haben. Sich selbst so nah an die Ursache von etwas zu begeben, dass ihm ebenso viel Kummer wie Frieden gebracht hatte, war…wahnsinnig…

 

Wahnsinnig genug, um auch noch die letzte Chance zu riskieren, ANBU beizutreten. Was denke ich mir bloß dabei? Jetzt den Fokus zu verlieren, ist das Letzte, was ich brauche. 

 

Nejis Brauen zogen sich zusammen und unterbrachen seine mentale Tirade, bevor sie wirklich anfangen konnte. 

 

Bedürfnis…

 

Seltsam, wie dieses Wort in seinem Verstand parallel zu Notwendigkeit verlief, nur um sich in einen heftigen lotrechten Winkel zu begeben, kaum dass es mit Shikamaru in Kontakt kam. 

 

Es gab keine logische Erklärung dafür. 

 

Und es würde auch nie eine geben. 

 

Du hast die grundlegende Zusammensetzung meines Wesens verändert…

 

Neji lächelte leicht, während seine Mondsteinhaften Seen über die Entfernung hinweg weiterhin auf die invertierte Gestalt des Schattenninjas gerichtet waren. Umgeben von einem Schleier aus Dampf hatte Shikamaru den Kopf nach hinten gegen die Kante des Bades gelegt, in das er vor etwa einer halben Stunde geglitten war. Seine Augen waren geschlossen und sein Haar fiel frei von seiner hohen Bindung nach unten. Er hatte sich nicht sehr viel bewegt, was, wie Neji annahm, nicht wirklich ungewöhnlich für den Nara war. 

 

Er sollte da drin besser nicht einschlafen…

 

Der Hyūga neigte den Kopf, während seine Byakugansicht wie ein Messer durch den Nebel schnitt. 

 

Bedächtig zeichnete er jede Kontur von Shikamarus graustichigem Gesicht nach und hielt den Blick seines Byakugan dabei energisch über der Wasseroberfläche. Er überzeugte sich selbst davon, dass es ein reiner Versuch von Rechtschaffenheit war – er wollte nicht zugeben, dass Rechtschaffenheit viel weniger damit zu tun hatte als der Drang danach, irgendwie seine Impulse unter Kontrolle zu halten. 

 

Und dieses Bedürfnis.

 

Mit Shikamaru hatte das Wort ‚Bedürfnis‘ eine vollkommen andere Bedeutung angenommen. Und Neji hatte diese Bedeutung an einem Ort außerhalb seines Verstandes erschaffen. 

 

‚Das hier ist keine Kopfsache…‘

 

Das konnte Neji nicht leugnen. Und er hatte vor Wochen aufgehört, es zu versuchen. Denn wann immer er ‚Nara‘ zu der ordentlichen Gleichung von „Bedürfnis + Notwendigkeit“ hinzufügte, wurde etwas davon abgezogen und eine andere Sache multipliziert. Die Formel veränderte sich so unerklärlich, dass sie einfach nicht mehr in Nejis Logik passte – was die Gleichung hinaus aus seinem Kopf und hinein in sein Herz trieb. 

 

Der dumpfe Schmerz verkrampfte sich in seiner Brust. 

 

Er hatte nicht die Kraft, diesen Teil seines Selbst auf der Suche nach einem Hinweis zu analysieren, von dem er wusste, dass er ihn nicht finden würde. Shikamaru mochte dort verwurzelt sein, aber es war nicht der einzige Ort, an dem er ihn fühlte. 

 

Du bist in meinen Venen; immer noch…nach allem…

 

Doch ganz anders als das Brodifacoum, das immer noch durch in floss, wusste er, dass er Shikamaru niemals aus seinem Netzwerk bekommen würde. Er hatte bereits akzeptiert, dass dieser kummervolle Schmerz etwas war, von dem er lernen musste, damit zu leben. 

 

Ich hätte ohne ihn nicht überlebt…

 

Und hier war der sadistische Sinn für Ironie des Schicksals. Er war geheilt, aber um die Menschlichkeit zu bewahren, die Shikamaru in ihn gemeißelt hatte, würde er immer eine Wunde in seinem Herzen tragen. 

 

Die Zeit wird die Narbe verhärten…

 

Und er gestattete sich, das auch wirklich zu glauben und ließ beinahe zu, über all die Möglichkeiten nachzudenken, wie er es versuchen und den Prozess beschleunigen könnte. 

 

Doch dieser Gedankengang startete nie. 

 

Denn alles in ihm stoppte abrupt zusammen mit seinem Herzen, als Shikamarus Kopf unter dem Wasser verschwand.

 
 

 

~❃~

 
 

 

 

 

Das Wasser pulsierte um ihn herum, als wäre es empfindungsfähig. 

 

Untergetaucht ließ Shikamaru die Basis seines Schädels den Boden des Beckens berühren. 

 

Sein Körper summte von der Hitze, die ihn wie eine zweite Haut einhüllte. Kleine Blasen entkamen seiner Nase, die gegen das Kitzeln der dichten seidenen Strähnen seines Haares zuckte. Er konnte spüren, wie die dunklen Locken umher drifteten; in der Schwebe gehalten von wässrigen Fingern. 

 

Seine eigenen Finger krümmten sich hart gegen den Boden des Beckens.

 

Und es geht los…

 

Er fokussierte sich vollkommen darauf, unter Wasser zu bleiben – noch nicht bereit dazu, jetzt schon wieder aufzutauchen. 

 

Noch nicht.

 

Er hielt seine Augen geschlossen und das Nass war wie siedendes Öl gegen seine Lider. Doch seine Lungen begannen heißer zu brennen als seine Haut. Die Grate seines Bauches zogen sich nach innen, die Muskeln zuckten und seine Brust wölbte sich verzweifelt nach Luft. 

 

Energisch blieb er weiterhin unter Wasser. 

 

Die Hitze durchtränkte seine Haut, ging aber nicht tief genug, um sein Blut zu versengen oder seine Knochen zu verbrennen. Nur eine Sache, eine einzige Person, hatte das jemals geschafft. Ein Aufflammen von Opalaugen in seinem Geist und die Erinnerung wurde auf einem Dunst davon getragen der so dicht war wie der Dampf, der schnell von der Oberfläche empor stieg . 

 

Doch er erhob sich nicht mit ihm. 

 

Noch nicht…

 

Er beugte die Wirbelsäule, um sich davon abzuhalten, in die Aufrichtung zu zucken und nach Luft zu suchen. 

 

Noch nicht!

 

Wie eine widerliche Mutation in seiner Brust hätte er schwören können, dass seine Lungen schrumpften und anschwollen und sich mit etwas anderem als Luft füllten. Er spürte, wie sich Panik in seiner Kehle aufbaute und seine Wirbelsäule anspannte. Mit aller Macht zwang er seinen Körper dazu, sich nicht zu verkrampfen, nicht um sich zu treten oder zu zucken.

 

Er suchte nach etwas jenseits der Panik. 

 

Etwas, das tief begraben war. 

 

Er versuchte, dieses ‚etwas‘ zu packen. 

 

Fast.

 

Und dann packte etwas seine Arme. 

 

Was zum!

 

Panik explodierte in jeder seiner Zellen und zerfetzte seine Kontrolle, sodass eine Woge aus Blasen aus seiner Nase getrieben wurde. Angst kochte säuregleich in seiner Kehle. Er versuchte, um sich zu schlagen, versuchte, um sich zu treten. Und dann veränderte sich der Griff und wurde fester, als wäre er von einer Urgewalt gepackt worden; ein Tsunami aus Stärke, der seinen Körper nach oben riss. 

 

LASS MICH LOS!

 

Mit einem abgehackten bellenden Husten durchbrach er die Oberfläche; desorientiert, bebend, nach Luft schnappend und sich daran verschluckend. Wasser wogte in heißen Wellen um ihn herum. Shikamarus Augen flogen auf, doch er konnte nichts durch den Dunst sehen, oder durch den Nebel, der seinen Kopf mit Erinnerungen füllte. 

 

FUCK!

 

Alles, was er spüren konnte, war der Griff von Fingern, die sich hart genug in seine Arme gruben, um seine Panik zu pulverisieren und etwas anderes zu wecken, das tief in seinem Geist vergraben war. 

 

Eine Sturzflut aus Gewalt explodierte durch ihn. 

 

Das Braun von Shikamarus Iriden begann, um die Ränder herum schwarz zu brennen. 

 

Durch den Dampf spürte er den Druck von etwas Festem. Knurrend durchbrach der Schattenninja die Umklammerung seines Bizepses mit einer geübten Drehung und einem Abwärtsstoß seiner Ellbogen, während er sich in derselben Bewegung nach vorn stürzte. 

 

Seine Schulter krachte in die seines Gegners; ein heftiger Aufprall von Muskeln und Knochen. 

 

Wasser schwappte über die Ränder des Beckens. 

 

Erneut versuchte Shikamaru, in die Offensive zu gehen, aber seine Stirn traf hart auf Stahl. 

 

Seine Zähne prallten schmerzhaft aufeinander und Weiß schoss durch sein Sichtfeld. 

 

Eine Hand schnellte nach oben, vergrub sich in der nassen Schwärze seiner Haare und zog seinen Kopf nach hinten, bis sein Gesicht direkt auf Höhe von dem seines Angreifers war. 

 

Atem, der heißer war als der Dampf, schlug gegen seinen Mund. 

 

„Hör auf, Nara!“

 

Die tiefe Stimme explodierte in seinem Kopf und fegte den Nebel schlagartig aus seinem Verstand. 

 

Shikamaru erstarrte.

 

Sein Inneres verwandelte sich in Wasser und jagte Wellen des Schocks durch jeden Muskel. 

 

Ausgeschlossen…

 

Seine Augen wurden unglaublich groß und starrten in geistweiße Iriden, die ihn ansahen; sie brannten wie zwei Opale, eingefasst in ein Gesicht, das noch viel kunstvoller gestaltet war als dieser Stein. 

 

Neji…

 

Shikamaru blinzelte und sein Atem verfing sich hart in seiner Kehle. 

 

Wie…?

 

Sein Verstand wühlte wie wild in seinem Schädel herum, unfähig auch nur einen einzigen kohärenten Gedanken fassen zu können. Er starrte einfach nur auf das Phantom, das vor ihm in Dampf ein- und wieder hinausglitt; hohe Wangenknochen und ein starker Kiefer eingerahmt von mokkafarbenen Strähnen. Die nassen Haare hingen schärfer als Klingen herab. 

 

Shikamaru blinzelte erneut. „Neji…“

 

Die Muskeln in Nejis Gesicht zuckten und seine Augen schlossen sich krampfhaft. Und dann fielen seine Finger zu Shikamarus Nacken und packten ihn hart; zwangen den Schattenninja, aufgrund des Druckes zu zischen. 

 

„Was zur Hölle machst du da, Shikamaru!“

 

Der wohlklingende Ton dieser Stimme traf Shikamaru wie ein Hammer zwischen die Augen und stieß seinen Kopf ein Stück nach hinten. 

 

Seine geschockte Miene bekam Risse und fiel von seinem Gesicht. 

 

Ruckartig bewegte er sich von Neji fort und sandte eine Woge aus Wasser aus, die heftig zwischen ihnen spritzte und sie auseinander trieb. Die plötzliche Bewegung verstärkte ein verzögertes Pochen in seinem Kopf. 

 

Ugh…

 

Schwindel schwamm durch ihn und seine Stirn verknotete sich vor Schmerzen. 

 

„Shit.“, wisperte Shikamaru und presste sich gegen das hinterste Ende des Beckens. „Schon wieder dieses Schädelhirntrauma…“

 

Neji starrte ihn an und seine mondgleichen Augen waren dabei verstörend intensiv. 

 

Und so erschreckend real…

 

Genauso wild, wie sie es in Shikamarus Träumen gewesen waren…

 

Der Nara schluckte und versuchte irgendwie, seine Kehle zu bewegen. Er schaffte es nicht. Die heftigen Empfindungen, die in seinem Blut abgefeuert wurden, trafen ihn mental vollkommen unvorbereitet und schlossen sein Hirn kurz. 

 

Ist das hier real? Es kann nicht real sein…

 

„Shikamaru?“

 

Der Schattenninja wandte den Blick ab und nahm einen angespannten Atemzug. 

 

Gott verdammt, diese Stimme – und was sie mit ihm machte.

 

Kopfschüttelnd gab sich Shikamaru alle Mühe, seinen verstreuten Verstand wieder zusammen zu kratzen, während er gleichzeitig versuchte, sich daran zu erinnern zu atmen. 

 

Atme.

 

Schmerz schoss durch seinen Schädel. Und er klammerte sich daran; es war etwas Konkretes und nichts so Verrücktes und Verwirrendes wie dieser unmögliche Moment, der sich gerade abspielte. Mit bebenden Fingern fuhr er sich über die Brauen und presste das Gesicht verziehend gegen seine Stirn. 

 

Na eine Sache ist glasklar – der Schmerz ist real…

 

Er überprüfte seinen Handballen nach Blut. 

 

„Was zur Hölle machst du, Neji?“, krächzte er.

 

Opalaugen weiteten sich fassungslos. „Was ich…? Was bitteschön zur Hölle hast du gemacht, Nara?!“

 

Shikamaru schmunzelte leicht, obwohl er sich vom Schock oder dem Schlag gegen seinen Kopf schwindelig fühlte – vielleicht auch wegen beidem. „Jetzt im Moment höre ich ein Echo. Sieht aber nicht danach aus, als würde einer von uns diese Frage beantworten, oder?“

 

Neji schnaubte spottend und der dickköpfige Klang war zu gleichen Teilen schwer angefressen und ebenso sehr schicklich. So kontrolliert, so herablassend – so vollkommen Hyūga.

 

Shikamarus Herz pochte. 

 

Zitternd schloss er die Augen und fuhr mit einer Hand durch seinen abgehackten Haarschnitt, während er dabei gleichzeitig durchtränkte Strähnen aus seinem Gesicht wischte und seine Stirn rieb. 

 

Unter dem Schirm seiner Hand ließ er seinen Blick so unauffällig wie möglich über Neji wandern. 

 

Das kann nicht real sein…

 

Er betrachtete die durchnässten Roben, die an den starken Schultern des Hyūga klebten und schwer nach unten hingen. Nasses Gewebe umriss jeden Muskel, schmiegte sich gegen jede einzelne kraftvolle Kontur. 

 

Und dann beging Shikamaru den Fehler, seine Augen höher zu heben. 

 

Ihre Blicke trafen sich. 

 

Beide sogen scharf die Luft ein und ihre Körper spannten sich ruckartig gegen die unmittelbare Anziehung zum jeweils anderen an. 

 

Fuck. Abstand. Jetzt.

 

Rasch sah Shikamaru zur Seite weg und legte einen langen Arm über den Rand des Beckens, um nach einem Handtuch zu tasten. Er stählte sich gegen die Rampenlichtempfindung, die Nejis Augen bei ihm verursachten, als sie jeder seiner Bewegungen folgten. 

 

Diese ganze Situation fühlte sich unwirklich an; wie eine bizarre Beschwörung in seinem Verstand. 

 

Vielleicht hatte er mit seinem kleinen Trick seinem Hirn ein wenig zu viel Sauerstoff entzogen. 

 

Doch dann hörte er, wie sich Neji bewegte. 

 

Wasser schlug gegen seine Brust und Dampf waberte davon, was es dem Schattenninja gestattete, aus dem Augenwinkel auf den Hyūga zu spähen. Neji erhob sich wie in Zeitlupe aus dem Wasser – geradezu verstörend langsam – als würde er von etwas Schwererem als dem Gewicht seiner durchtränkten Roben nach unten gezogen werden. 

 

Er sah lächerlich, amüsant und erschreckend gefährlich aus; alles zur selben Zeit. 

 

Und für den kürzesten Augenblick erinnerte sich Shikamaru an den Tag, an dem Neji versucht hatte, ihm einen Denkzettel zu verpassen, nur um bis auf die Knochen durchnässt zu werden und das dank einer manipulierten Falle, die einen riesigen Eimer mit Wasser beinhaltete. 

 

Das hier ist nicht wirklich dasselbe…

 

Shikamarus Finger strichen über das Handtuch. 

 

Er drehte sich um, um einen festen Griff am Beckenrand zu erhalten – und erstarrte. Sein Blick traf auf die kläglichen Überreste einer Shojitür. Holz und Glas lagen überall und in Scherben, Splittern und Fetzen auf dem Boden verteilt. Verspätet bemerkte er auch, dass Wind und Regen in den Raum peitschen und pfiffen, den Dampf fort stahlen und die Luft abkühlten. 

 

Schätze mal, dass das erklärt, wie er hier rein gekommen ist.

 

Mitten in der Drehung hielt Shikamaru inne und wandte sich wieder um. 

 

Neji stand wie ein gekreuzigter Mann mit den Armen nach außen gestreckt da und die triefenden Ärmel seiner Robe waren ausgebreitet wie tropfende Flügel. Sein Gesichtsausdruck war finster, während er stocksteif in der Mitte des großen Bades stand; fassungslos, aufgebracht und unglaublich angepisst hinter einer stählernen Miene.

 

Er sandte die Anspannung geradezu in Wellen aus. 

 

Shikamaru bedachte ihn mit einem schiefen Blick. „Meine Güte, das war vielleicht dramatisch.“

 

„Halt die Klappe, Nara.“

 

„Ich dachte eigentlich, ich hätte dir gesagt, dass du dich nicht mit riesigen Sprüngen in kalte Wasser stürzen sollst.“

 

„Götter, ich könnte dich umbringen.“, biss Neji zurück und stierte zu ihm hinunter. „Obwohl du das ja scheinbar schon bedacht hast.“

 

„Bitte was?“ Shikamaru verzog das Gesicht; amüsiert, verängstigt, zornig und zu viele andere Emotionen, um sie bewusst verarbeiten zu können, ohne dass sein Kopf erneut zu pochen anfing. 

 

„Tz!“, knurrte Neji und watete zum anderen Ende des Beckens. „Hast du wenigstens eine Nachricht hinterlassen, Nara? Das ist doch deine Art, bevor du etwas phänomenal Dummes anstellst, oder?“

 

„Was? Wie mich selbst zu ertränken? Machst du Witze?“

 

„Lache ich etwa?“, fragte Neji mit diesem eisigen Tonfall, den er in der Vergangenheit an Shikamaru gerichtet hatte. 

 

Gott, aber die Vergangenheit hatte heute einen ganz großen Tag und einen Heidenspaß mit seinem Kopf. Und jetzt wollte sie auch noch mit seinem Herzen spielen?

 

Stop…

 

Shikamaru zwang sich dazu, nicht zu reagieren und machte sich daran, die Szene zu verlassen, statt dem Drama noch mehr Nahrung zu geben. In einer fließenden Bewegung richtete er sich auf, drehte seinen Rücken Neji zu und schlang sich gleichzeitig das Handtuch um die Hüften, während scharfe Strähnen seines Haares nach vorn fielen, um sein Gesicht zu verschleiern. 

 

Es hätte sich unangenehm anfühlen sollen. 

 

Aber das war nicht der Fall. 

 

Es fühlte sich nur abstrakt und surreal an, als würde er aus weiter Ferne zusehen, was sich hier abspielte. Er fühlte sich körperlos und irgendwie losgelöst von der Realität. Und noch immer war er sich nicht sicher, ob es wirklich die Realität war; er würde es seinem Verstand durchaus zutrauen, ihn in seiner Erschöpfung völlig hochzunehmen. 

 

Gott, ich habe den Verstand verloren…

 

Er musste etwas in seinem Kopf verloren haben, denn auf keinen Fall war es möglich, dass er Neji gerade außerhalbdavon vorgefunden hatte. Diese Möglichkeit bestand nur in seinen Träumen – wortwörtlich.

 

Naja technisch gesehen, hat er mich gefunden…

 

Dieser rationale innere Dialog fühlte sich sicher an und hielt die Barriere aufrecht. Auch das Bad half dabei und selbst der Dampf und der Wind, die zwischen ihnen wogten, machten die Distanz klar und definiert. 

 

Er musste nicht hinüber sehen. 

 

Es war sicherer, es nicht zu tun. 

 

Es war klüger, es nicht zu tun. 

 

Und dann – wie ein Süchtiger nach Schmerzen – sah Shikamaru zu Neji und wie zwei Klingen, die aneinander abprallten, trafen sich ihre Blicke heftig; schlugen einen gleichartigen Funken in ihrer beider Augen. 

 

Der Kontakt hielt und die Distanz löste sich mit einem einzigen Blick auf. 

 

Keiner der Shinobi sagte etwas. 

 

Die Stille hielt sich für einen langen Moment und nur der laut rollende Sturm sprach. 

 

Und er konnte es versuchen, so sehr er wollte; Shikamaru konnte seine Augen nicht fort reißen. Er sog alles in sich auf wie ein Schwamm, unfähig, die Bedeutung seines derzeitigen Schockzustandes zu verarbeiten. Vollkommen unterbewusst speicherte er jedes Detail ab; wie das hässliche Hämatom an Nejis Kiefer, die veränderter Art und Weise, wie er sich selbst aufrecht hielt und wie etwas in seinen Augen anders zu sein schien. Sie waren ruhiger; selbst in ihrem Zorn. 

 

Nicht so wie in meinen Träumen…

 

Vierzehn Nächte lang war er wachgelegen und hatte sich schmerzhaft danach gesehnt, das zu sehen, was ihn jetzt anblickte. Danach gesehnt, das zu sehen, was sein Verstand ihm nur in einem grausam vergänglichen Spuk gewährt hatte. Doch die Träume waren nichts im Vergleich zur Realität – und nicht einmal das hatte ihn bisher ins Innerste getroffen.

 

Er konnte Neji sehen. 

 

Aber es fühlte sich nicht real an. 

 

Das kann es auch nicht sein.

 

Bis zur Hirnlosigkeit geschockt suchte Shikamaru nach etwas – irgendetwas – das er sagen könnte. 

 

„Ich habe nicht versucht, mich umzubringen.“, brachte er schließlich hervor und verzog sofort das Gesicht wegen dieses Gedankens und wie unglaublich dämlich sich diese Worte anhörten. 

 

So verfickt dämlich.

 

Neji hob eine Braue und spähte vielsagend zwischen Shikamaru und dem Becken hin und her. 

 

Der Schattenninja schnaubte. 

 

„Ich mag die Dinge ja vielleicht gerne langsam angehen lassen, aber ich mache eine Ausnahme, wenn es darum geht, so zu sterben.“, murrte Shikamaru trocken und trieb seine Wut in Sarkasmus. „Ertränken? Viel zu lästig.“

 

Doch Nejis Gesichtsausdruck veränderte sich nicht. 

 

Shikamarus finstere Miene schnitt sich noch tiefer. „Du glaubst wirklich, ich wäre blöd genug, sowas in Betracht zu ziehen?“

 

Neji hielt seine Hände an die Taille gestemmt und tropfte über den gesamten Boden, während er intensiv – suchend – auf Shikamarus Gesicht starrte. „Bist du das?“

 

Was?“ Shikamarus Kiefer klappte nach unten und eine Hand packte den Knoten des Handtuchs um seine Hüfte, während die andere sein Haar aus seinen Augen fern hielt. „Zoll mir etwas verdammte Anerkennung Hyūga. Ich durchdenke immer noch jeden Mist, bevor ich etwas mache.“

 

Nejis Brauen zogen sich nach unten, doch sein verletzter Kiefer hob sich ein Stück. 

 

Eine weitere so vertraute Geste. 

 

Sofort war Shikamarus Zorn wie weggefegt und seine Lippen formten sich zu dem Hauch eines Schmunzelns. 

 

„Dasselbe kann man übrigens nicht von dir behaupten.“, sagte der Schattenninja gedehnt. „Meinen Kopf zu stanzen…“ Er zögerte und seine Stimme wurde leiser, „…schon wieder.“

 

Nejis Züge wurden weicher; nur ein winziges bisschen. „Wenn du dich dann besser fühlst: ich plane es immer noch nicht.“, murmelte er. „Obwohl ich nicht enttäusche, oder?“

 

Noch mehr vertraute Worte, die noch mehr vertraute Gefühle nach oben zerrten. 

 

Gefühle, die Shikamaru zu vergessen versucht hatte. 

 

Fuck, ich kann das nicht…

 

Energisch zertrümmerte er den Kummer in seiner Brust und zwang sich zu einem Grinsen, während er den Kopf in Richtung der ruinierten Shojitür neigte. „Dramatisch wie immer, Hyūga. Ich sollte wirklich nicht überrascht sein.“

 

Nejis Lippen kräuselten sich und pressten sich zusammen, um ein Schmunzeln niederzukämpfen. Doch er konnte es nicht aus seinen Augen fern halten. „Ich schätze mal, dass eine Überraschung angebracht ist, auch wenn sie ungeplant und dramatisch war.“

 

„Angebracht?“, echote Shikamaru und hörte sich dabei heiser an. „Wie kommst du darauf?“

 

Nejis Gesicht verzog sich amüsiert und das warme neckende Glühen in seinen Elfenbeinaugen traf Shikamaru heftig. Mit einem erschauernden Beben verließ die Luft die Lungen des Schattenninjas. 

 

Lass das nicht real sein…

 

Der kummervolle Schmerz zog sich von seiner Brust direkt bis hinauf in seine Kehle. 

 

Ich ertrage das nicht nochmal…

 

Und welchen Atem auch immer er versucht hatte zu finden; er ging ihm verloren in der Sekunde, als Neji lächelte. 

 

„Alles Gute zum Geburtstag, Nara.“

 

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Hach ja, endlich treffen die beiden wieder aufeinander. Mich würde ja SEHR interessieren, wie euch das Wiedersehen gefallen hat!! ;) Habt ihr es auch in etwa so vorgestellt, oder euch etwas ganz anderes erhofft/vorgestellt? ;) 
 

Und ja, ich glaube, dieses Kapitel hat wieder einige neue Fragen - vermutlich vor allem in Bezug auf Shikaku könnte ich mir vorstellen - aufgeworfen?! ;) 

Ich hoffe, ich habe Yoshino und Shikaku als Eltern hier ganz gut rüber gebracht ^^ 

Über ein paar Meinungen würde ich mich auf jeden Fall wieder SEHR freuen! 
 

Vielen vielen Dank wie immer für eure Unterstützung, meine lieben Reviewer/innen und Leser/innen!! <3

How can it start...when it never stopped?

Verschwinde. Lauf davon. Geh. 

 

Die Worte tröpfelten wie dünne Rinnsale durch Neji; sie waren ebenso kalt wie der Regen, der im Glas über seine Reflexion strömte. Der Wolkenbruch spiegelte den Konflikt wider, der gegen jeden einzelnen Nerv in ihm hämmerte und nach und nach die Ränder seiner Zurückhaltung erodierte. 

 

Sich seiner Kontrolle zu rühmen hatte sich noch nie zuvor so heuchlerisch angefühlt. 

 

Als er seine Tenketsu blockiert hatte, hatte er zumindest noch die Entschuldigung gehabt zu glauben, dass er das Richtige tat, wenn man sein Ziel bedachte. 

 

Es ist überhaupt nichts ‚richtig‘ daran, dass ich hier bin…

 

Neji zog den Gürtel des schwarzen Yukata enger, den Shikamaru ihm gegeben hatte und sah an dem Geist seines eigenen Gesichtes vorbei, um in den von Blitzen erleuchteten Himmel zu starren.  Und er dachte über all die Gründe nach, warum es sicherer, klüger und vernünftiger war, die Glastüren zurückzuschieben und in den Regen zu verschwinden statt hier zu bleiben – im Auge eines weitaus gefährlicheren Sturmes. 

 

Das Aroma von Kaffee stieg ihm in die Nase und zog seinen Blick fort von dem Regen. 

 

Nejis Augen fokussierten sich zurück auf das Glas. 

 

Und dann versteifte er sich überrascht. 

 

Shikamarus Reflexion spiegelte sich in einem Schimmern in der Scheibe; eine bernsteinfarbene Silhouette eingeschlossen in vertraute Konturen. Neji prägte sie sich erneut in seinem Verstand ein und zeichnete bedächtig jede einzelne Neigung nach – ebenso schartig wie der spitze Pferdeschwanz. 

 

Wie lange stand Shikamaru schon dort?

 

Und was noch viel wichtiger war; warum hatte Neji ihn nicht bemerkt?

 

Während er keinerlei Anstalten machte, sich umzudrehen, beobachtete Neji den Nara durch das Glas und versuchte, in dem mageren Licht das Antlitz des anderen Ninjas einzuschätzen. Donner erschütterte die breiten Scheiben und hämmerte mit Knöcheln aus Elementen dagegen. Blitze schlugen zurück; ein brutales Aufflammen, das von Nejis Hitai-ate abprallte, dessen Metall wie ein Halsband an seiner Kehle hing. 

 

‚Zweighaustier‘

 

Der Stahl schimmerte und das Glühen verfing sich in seinen Augen. 

 

Langsam hob Neji die Hände, um sein Stirnband wieder über seine Brauen zu binden. Ein bedächtiges Rollen seiner Handgelenke schlang die Enden des Gewebes um seine Knöchel und mit einem wispernden Gleiten des Materials zog er den Knoten unter der langen feuchten Bahn seines Haares stramm. 

 

Deutlich konnte er Shikamarus Blick auf sich spüren und die Wahrnehmung kitzelte ihn an der Wurzel seines Schädels.

 

Doch eine Sache, die er nicht fühlen konnte, war das Chakra des Schattenninjas.

 

Unmöglich…

 

Neji zwang seine Miene dazu, neutral zu bleiben und versuchte energisch, das zu finden, was für ihn unmittelbar bemerkbar sein sollte. Doch die matten, rauchigen Ranken aus Energie, an die sich Neji so präzise erinnern konnte…sie waren fort.

 

Wie?

 

Nejis Blick wurde schärfer und Druck verknotete sich an seinen Schläfen. Mit Mühe kämpfte er den Drang nieder, sein Dōjutsu zu benutzen – eigentlich hätte er das Byakugan aber auch gar nicht brauchen sollen, um Shikamarus Chakra entdecken zu können. 

 

Auf keinen Fall hätte er es vor mir maskieren können.

 

Oder irgendeinem anderen Hyūga…oder doch?

 

Neji quälte all seine Sinne und suchte erneut angestrengt nach irgendeiner Spur des Chakras des anderen Ninjas. 

 

Vollkommen unbeirrt lehnte Shikamaru an dem Türrahmen, der zu der schmalen Küchenzeile führte. In einer Hand hielt er eine Tasse Kaffee und er hatte das Kinn gesenkt, sodass der Dampf über sein Gesicht rollte und über scharfe, halb verschlossene Augen geisterte. Die Schatten hinter ihm waren dicht und schwarz – nur zwei Schritte weiter nach hinten und die Finsternis würde ihn vollständig schlucken. 

 

Er bot gar nichts an, um die Stille zu durchbrechen. 

 

Nejis Suche nach Chakra war vollkommen vergeblich. Und statt zuzulassen, dass es ihn frustrierte, richtete er seine Aufmerksamkeit stattdessen auf Shikamarus Gesicht. Ein dumpfer Schmerz von Besorgnis stieg unaufhaltsam in seiner Brust auf. Vielleicht war er nicht in der Lage, Shikamaru zu spüren, aber er konnte ihn sehen.

 

Und der Schattenninja sah merklich dünner aus. 

 

Seltsamerweise hatten es nur zwei Wochen geschafft, Shikamarus Körper zu etwas Schärferem und Härterem zu schleifen – aber auch zu etwas Abgewetztem. Seine Wangenknochen waren prominenter und die Mulden darunter tiefer. Neji konnte seine Augen nicht sehen, nur die Schatten direkt darunter; die tiefbraunen Seen blieben hinter dem Schirm dunkler Wimpern und halb geschlossenen Lidern verborgen. 

 

Unmöglich zu lesen…

 

Energisch versuchte Neji, diese Augen mit seinem Willen allein dazu zu zwingen, sich weiter zu öffnen; nur für einen Moment. 

 

Doch das taten sie nicht. 

 

Sekunden verstrichen zwischen ihnen und die Spannung wurde schwer und aufgeladen. 

 

Jenseits des Fensters hämmerte der Regen blechern herab und hielt die Atmosphäre zumindest von einer vollkommenen niederdrückenden Stille fern. Während sie sich gegenseitig musterten, starrte Neji den Schattenninja direkt an, wohingegen Shikamaru unter seinen Wimpern hervorspähte; beide nahmen vierzehn Tage der Abwesenheit in sich auf und die Auswirkungen, die sie verursacht hatten. 

 

„Was ist mit deinem Gesicht passiert?“, fragte Shikamaru letztendlich und durchbrach das Schweigen mit einem Murmeln. 

 

Neji drehte leicht den Kopf und warf mit einer nonverbalen Frage einen schiefen Blick auf den Schattenninja.

 

Eine Braue hebend strich Shikamaru mit dem Daumen über die Kante seines Kiefers, um auf das große, gelblilane Hämatom auf Nejis Gesicht zu verweisen. Der Hyūga hatte seine vorherige harte Strafe durch Hitaro schon fast wieder vergessen. Wie bei den meisten Bestrafungen innerhalb seines Clans, lag der größte Schaden unter der Oberfläche, normalerweise handelte es sich dabei um innere Verletzungen oder Blutergüsse – vielleicht lag darin sogar eine Art morbider Poetik. 

 

„Kampftraining.“, log Neji. 

 

Shikamaru öffnete den Mund, zögerte und ließ dann seine Zunge über die Lippen wandern, bevor er sie einen Herzschlag später aufeinander presste. „Klar.“

 

Es war eher ein „Ja, klar“, das Neji nicht hören musste, um deutlich zu spüren, dass es impliziert war. Und es zupfte an einer der vielen Saiten aus Anspannung, die sich zwischen ihnen immer straffer zogen. 

 

Also mach es leichter. Dreh dich um und lauf davon.

 

Er schaffte es, die erste Aufforderung auszuführen und wandte sich – versehentlich – zu dem Schattenninja um. Und in der Sekunde, als er es tat, lehnte sich Shikamarus Körper fort; neigte sich weiter nach hinten in Richtung der Küchenzeile, bis er die Schwelle überquerte. 

 

Neji hielt inne und hob eine mentale Augenbraue angesichts dieser scheuen Reaktion. 

 

Halb in Schatten gehüllt nahm Shikamaru erneut seine lümmelnde Pose an und nippte an seinem Kaffee, während er zurück glitt in dieses Abbild träger, unberührter Vermeidung. Oder zumindest hätte er vielleicht so ausgesehen, wenn Neji nicht bemerkt hätte, wie sich diese langen Finger um die dampfende Tasse herum verkrampften. 

 

„So habe ich es mir nicht vorgestellt, dich wiederzusehen, Shikamaru…“

 

Ein schwaches Schmunzeln ließ den sichtbaren Mundwinkel des Nara kurz nach oben zucken. „Jo. Eine Mission wäre weniger lästig gewesen.“

 

Neji neigte dem Kopf eher in Bestätigung, statt in Zustimmung. Eine Mission hätte ihnen vielleicht Rollen verliehen, die sie verstanden; ein festgelegtes Skript, dem sie folgen mussten, eine sichere Bühne, um auf ihr zu interagieren – doch das berücksichtigte nicht, was hinter ihren Masken vorging. 

 

Und du hast immer unter meine gesehen…

 

Langsam ließ Neji seine Augen über die Falten des burgunderfarbenen Yukata wandern, der uneben über Shikamarus Brust gezogen war. Sein Blick folgte dem freigelegten ‚V‘ olivfarbener Haut bis hinauf zum Vorsprung des scharfen Schlüsselbeins und dann über Shikamarus Hals, bevor er ihn wieder nach oben zu dem ziselierten Profil hob. 

 

Der Nara sah ihn nicht an. „Abgesehen von dem Bluterguss…siehst du gut aus…“

 

„Du nicht.“, erwiderte Neji und realisierte zu spät, wie unverblümt er dabei klang. 

 

„Danke, Hyūga.“ Shikamarus Lippen zuckten hinter der Kaffeetasse schwach nach oben. „Zu schade, dass du meinen Pylonenhut verpasst hast. Du hättest einen Heidenspaß an der verbalen Misshandlungsfront gehabt.“

 

Die träge gedehnte Stimme wirbelte durch Neji und räucherte Gefühle aus, die er tief in seine Brust gestoßen hatte. Ihm fiel nichts ein, was er hätte sagen können, das ihn nicht verraten würde und nichts, was er hätte tun können, das sie nicht beide verraten würde. 

 

Und stets geistesgegenwärtig, eine langsame Folter zu vermeiden, ersparte Shikamaru ihnen den Schmerz eines weiteren Schweigens. „Wie sind die Friedensverhandlungen gelaufen?“

 

Eine völlig irrelevante Frage, aber eine, die sicher genug war; besser als alles, was Neji vermutlich gesagt hätte. Denn er erwartete eine Masse an Stolperdrähten außerhalb der sicheren arbeitsbezogenen Zone. 

 

Neji verlagerte das Gewicht nach vorn; musste sich bewegen. „Friedvoll genug alles in allem.“

 

Shikamaru summte und spannte sich in einer kaum wahrnehmbaren Veränderung an, als Neji von den Glastüren fort trat. „Gaara hat auch zugestimmt, oder? Temari hat etwas von wegen Verbündete übernehmen gesagt.“

 

„Die inzestuöse Welt der Politik.“, fasste Neji trocken zusammen, während er den Kopf neigte. „Aber ja, der Kazekage geht damit konform.“

 

„Konform gehen…“, sagte Shikamaru gedehnt und machte sich deutlich über die Formalität lustig. 

 

Und darin lag etwas ärgerlich und schmerzhaft Vertrautes. 

 

Neji musste zugeben – wenn auch widerwillig und stumm – dass seine kultivierte Art in dieser Situation schon fast lächerlich war. Hier waren sie und tauschten Nachbesprechungsdetails aus, als wären sie nichts weiter als Kameraden, die sich gerade erst kennen lernten.

 

Das IST alles, was ihr seid…Kameraden…

 

Es war schließlich nicht so, als wären sie Freunde. Nicht wirklich. Freundschaft? Sie waren mit einem höllischen Satz über diesen persönlichen Berührungspunkt und all die damit verbundenen sozialen Kennzeichen gesprungen. 

 

An dem Tokonoma Alkoven hielt Neji inne und bereitete sich darauf vor, die Reaktion auf seine nächsten Worte einzuschätzen. „Du schläfst nicht.“

 

‚Du hast Albträume‘, war das, was er eigentlich hatte sagen wollen. 

 

Shikamaru grinste freudlos und starrte mit leerem Blick in seinen Kaffee. „Die Nijū Shōtai halten mich auf Trab. Lee würde es lieben. Lässt Gai-senseis Trainingseinheiten wie ein lächerliches Aufwärmprogramm aussehen.“ 

 

„Ich bezweifle sehr, dass Asuma-senpai zulassen würde, dass dein Training deine Gesundheit beeinträchtigt.“

 

Und wie erwartet zogen sich Shikamarus Brauen bei der Erwähnung von Asuma scharf zusammen und der Schattenninja hob seinen Becher an die Lippen, um den Dampf von der Oberfläche zu blasen. Neji archivierte die Reaktion gewissenhaft. 

 

„Du bist gestern zurück gekommen?“, fragte Shikamaru und lenkte seinen Fokus zurück auf Neji. 

 

„Ja.“ Neji zögerte, bevor er hinzufügte: „Ich werde auch wieder gehen.“

 

Shikamaru nahm sich einen Moment, um diese Information zu verdauen, bevor er nickte. „Mission?“

 

„Das bleibt abzuwarten.“, antwortete Neji. Er war sich sicher, dass Shikamaru die versteckte Bedeutung in seinen Worten ableiten würde: ‚Ich werde jede Möglichkeit wahrnehmen, um Distanz zwischen uns zu halten, ob es eine Mission ist oder nicht.‘ 

 

Was allerdings überhaupt nicht erklärte, warum er immer noch hier war. 

 

„Es gibt eine ganze Menge A-Rang Aufträge, Hyūga.“ Shikamarus Augen schlossen sich in einem trägen Blinzeln, aber seine Knöchel blitzten knochenweiß gegen die Keramik der Tasse auf. „Was auch immer dir über den Weg läuft – nimm es.“

 

Neji reagierte nicht auf den Biss dieser Worte. Er wusste, dass er sie verdient hatte und sagte sich unaufhörlich, dass es auch besser so war. Dass es besser war, dass Shikamarus Verletztheit und sein Zorn Abstand zwischen ihnen schaffte, statt ihn zu überbrücken. Zumindest redete er sich das ein. 

 

Shikamaru nahm einen weiteren Schluck des Kaffees und die Muskeln seines Halses bewegten sich einmal. „Also wie ergeht es Hanegakure?“

 

„Es heilt.“, antwortete Neji. „Aber es gibt immer noch Narben in den Geistern der Menschen. Hibari hat einen langen Weg vor sich, das Blut von seinem Clansnamen zu waschen.“

 

„Jo, ich schätze mal, dass das anzunehmen war. Und die Kinder der Beschwörer?“

 

Neji zögerte. Sein Gesicht war wachsam ausdruckslos, während das Bild von Makis Kreidezeichnung und den herzförmigen Keksen in seinem Verstand auftauchte; begleitet von Visionen von Kindern, die aus ihren einstigen gespensterhaften Hüllen wiederbelebt worden waren. Jungen und Mädchen, die zähneblitzend grinsten, mit Grübchen auf den Wangen und leuchtenden, hoffnungsvollen Augen. 

 

Hoffnung auf eine Zukunft ohne die Ketten und Käfige von Traditionen. 

 

Langsam blinzelnd spähte Neji auf das Rollbild in dem Alkoven: es war das Bild eines Kranichs, der aufflog und die weißen Schwingen gegen die in Sonnenuntergang getauchten Himmel streckte. 

 

Seine Lippen erweichten sich zu einem flüchtigen, kaum vorhandenen Lächeln. „Sie sind frei.“

 

Shikamarus Kopf drehte sich. 

 

Und Neji spürte seinen Blick, erwiderte ihn aber nicht. Es gab keinerlei Garantie, dass ein weiteres Treffen ihrer Augen nicht eine Landmine auf prekärem Gebiet auslösen würde. Eine einzige Abschweifung könnte sie in diese Grauzone führen, der sie beide abgeschworen hatten. 

 

Bleib konzentriert.

 

Auf der Suche nach irgendetwas, das von dem Schweigen ablenken könnte, atmete Neji leise aus. „Da wir gerade von Kindern sprechen; wie es scheint hast du dir ein paar Fangirls geangelt, Shikamaru.“

 

Mitten auf dem Weg zu seinem Mund erstarrte Shikamarus Tasse. „Bitte was?“

 

„Du erinnerst dich doch bestimmt.“, mahnte der Hyūga. „Sie haben dich ‚Trickreich‘ getauft.“

 

Shikamarus Kopf ruckte leicht zur Seite, bevor er ein leises Lachen gegen den Rand seiner Tasse rollen ließ. „Ah, sicher, die Kletten.“

 

„Kletten…?“, echote Neji ausdruckslos. 

 

„Sie hängen.“

 

Verdutzt spähte Neji zu ihm hinüber. 

 

Da er den Mangel an Verständnis auf Nejis Gesicht spürte, ohne es sehen zu müssen, rollte Shikamaru mit den Augen und schwang eine Hand müßig vor seiner Hüfte hin und her, um imaginäre Arme anzuzeigen, die sich um seinen Torso klammerten. 

 

„Sie hängen sich an einen und bleiben haften.“, sagte er, während er eine weitere halbherzige Geste vollführte. „Kletten.“

 

„Ich verstehe.“ Belustigung flackerte in Nejis Augen. „Ich hätte sie darum bitten sollen, mal zu demonstrieren, warum genau sie dich Trickreich nennen.“

 

Leicht grinsend zog Shikamaru den Kopf ein und kratzte sich den Nasenrücken, während sich Verlegenheit in seine Stimme schlich. „Ja, naja, ich schätze mal, dass dieser dämliche Name irgendwie Sinn macht.“

 

„Natürlich.“ Neji schmunzelte. „Wenn du ein gut erzogener Hund wärst.“

 

Shikamaru ließ ein weiches leises Lachen hören. 

 

Und Neji schloss angesichts dieses Klangs die Augen; eine leichte Falte bildete sich zwischen seinen Brauen.

 

„Ich wünschte.“, murrte der Nara und ein Rollen seines Handgelenks sandte eine Wolke Dampf durch den Raum. „Das Leben eines Hundes ist einfach. Gib mir einen herzförmigen Keks und schon habe ich eine Entschuldigung dafür, mich einfach nur auf den Rücken zu rollen und mich tot zu stellen.“

 

Neji schnaubte spottend; nicht in der Lage, sich dieser spielerischen Stichelei zu entziehen. „Ich bezweifle, dass du eine Entschuldigung für diesen Trick brauchst, Nara; geschweige denn einen Anreiz durch Essensbelohnung.“

 

„Sag bloß.“ Shikamaru lehnte seinen Kopf gegen den Türrahmen und spähte aus dem Augenwinkel zu dem Jōnin. „Man kann einen Hyūga auch niemals dabei erwischen, sich wie ein Opossum zu benehmen, huh?“

 

„Nein.“ Ein Lächeln niederkämpfend zwang Neji seine Wimpern, sich zu heben. „Das ist nicht dramatisch genug für einen Hyūga.“

 

Ein weiteres leises Lachen. „Jo, weil du auch keine halben Sachen machst, oder?“

 

„Du musst es wissen.“

 

„Ist nicht leicht zu vergessen, selbst wenn ich es wollte.“

 

Willst du das?

 

Die Frage traf Nejis Hirn wie eine Blitzgranate und schreckte ihn auf. Beinahe stellte er sie, hielt sich aber zurück und schaffte es, sich an den Faden aus Humor zu klammern; darauf hoffend, den Augenblick zusammenhalten zu können, statt ihn zersplittern zu lassen. 

 

„Beständigkeit, Nara. Das ist der Effekt eines dramatischen, bleibenden Eindruckes.“

 

„Da bin ich mir nicht so sicher. Stanz dein Hitai-ate noch etwas öfter in meinen Schädel und ich werde äußerst dramatisch und permanent jeden Scheiß vergessen.“ 

 

Sie lachten zur selben Zeit und sahen in einem schlecht getimten Herzschlag hinüber. 

 

Es war alles, was es brauchte.

 

In der Sekunde, in der sich ihre Blicke trafen, wurde ein flirrender Funke tief in Nejis Magenhöhle geschlagen und warf eine Glut auf dieses graue, farblose Gebiet aus Asche und Staub, um Feuer hinauf in das geistgleiche Weiß seiner Augen zu schicken. 

 

Unmittelbare Hitze. 

 

Shikamarus dunkle Seen flammten weit damit auf. 

 

Und dann spürte Neji es. 

 

Das Bedürfnis, das an seiner Haut kitzelte und sich schmerzhaft danach sehnte, zu brennen. 

 

Shikamarus Lippen teilten sich und er sog einen Atemzug ein, der die Mulde seiner Kehle vertiefte und verdunkelte. 

 

Neji wandte sich ihm zu – und die Aura drehte sich mit ihm.

 

Schlagartig fühlte sich der Raum aufgeladen an; elektrisiert und summend mit der Statik tausender unbeendeter und ungelöster Spannungen. Einfach alles verdichtete sich zu einer Reibung, die selbst die feinsten Härchen aufstellte. Delikat und dunkel kroch sie durch Blut und über Haut, streckte sich über Körper, die sich zurück- und viel zu viel in sich hielten. 

 

Und dann schloss Shikamaru ruckartig die Lider. 

 

Es zerschnitt die Verbindung so abrupt, dass Neji beinahe zusammenzuckte. 

 

Die essentielle Saite dieses Bandes zog sich zu straff und schnappte zurück wie eine Geißel, die heftig über sein Herz peitschte. 

 

„Geh.“, krächzte Shikamaru kopfschüttelnd. „Du musst gehen.“

 

Neji blinzelte bedächtig und sein Atem wurde langsamer. 

 

Er machte keinerlei Anstalten, ein Zeichen zu geben, dass er die Worte gehört hatte, oder dass er sich ihnen fügen würde, selbst wenn er sie verstanden hätte. 

 

Shikamarus Lippen verzerrten sich zu einem Knurren. Urplötzlich zog er sich in die Küchenzeile zurück und seine Bewegung wurde von dem lauten Klacken seiner Tasse unterstrichen, die hart auf dem lackierten Tresen auftraf. 

 

Das Geräusch holte Neji aus seiner Benommenheit zurück. 

 

Mondsteinaugen fokussierten sich erneut auf das schwarze Rechteck des Türrahmens zu der Küchenzeile und suchten nach Bewegungen, von denen er eigentlich gar nicht annahm, dass sie passieren würden. 

 

Doch das hier war kein Vermeidungsakt.

 

Kaum war Shikamaru in der Küchenzeile verschwunden, da trat er auch schon wieder hinaus aus der Dunkelheit und hinein in die bernsteinfarbenen Schattierungen und fleckigen Schatten des zentralen Zimmers der Suite.

 

Und in der Sekunde, in der er an Neji vorbei lief, verschloss sich seine Miene vollkommen. 

 

Der Zorn wurde aus seinem Gesicht gesogen und sickerte in den Raum, wobei er eine ganz andere Art der Spannung in der Luft hinterließ.

 

Neji atmete tief ein und versuchte energisch, den Zunder in seinem Blut zu beruhigen. „Shikamaru…“

 

Doch der Nara schritt kopfschüttelnd und aufgewühlt in dem Raum auf und ab, bevor er sich letztendlich zu den Glastüren begab. Die ganze Zeit über hielt er einen gemessenen Abstand aufrecht und fuhr sich mit den Fingern fahrig durch das Haar. 

 

Und Neji blieb wie an Ort und Stelle festzementiert; der Kampf in seinem Inneren grenzte beinahe schon an Aussichtslosigkeit. 

 

Kämpfen.

 

Er wusste, wie man kämpfte – oder zumindest wusste er, wie man alles andere bekämpfen konnte. Aber er war sich nicht so sicher, ob er den Kampf diesmal gewinnen könnte. 

 

‚Neji…hör auf zu kämpfen.‘

 

In seinen Lungen verwandelte sich die Luft zu Blei. Götter, was war das Schicksal doch für eine wankelmütige und widerspenstige Gebieterin, die ihn zwang, einen Krieg gegen den einzigen Teil seines Selbst zu führen, dem er jemals gestattet hatte, mit dem Kämpfen aufzuhören – zumindest für eine Weile. 

 

Immer dann, wenn ich mit dir zusammen war…

 

Er sah zu, wie Shikamaru seine Stirn gegen die Glastüren presste und die regengezeichnete Oberfläche mit seinem Atem benebelte. 

 

Und dann kicherte der Schattenninja düster. „Fuck, ich hasse Ironie.“

 

Neji versteifte sich angesichts dieses hohlen Lachens – und des hellseherischen Wesens dieser Worte; ein Knoten aus Unruhe wand sich in seinem Inneren. 

 

„Ironie?“, echote er. 

 

Shikamaru atmete ein weiteres raues und freudloses Lachen hervor, das sich als Nebel auf dem Glas niederschlug, während er seine Stirn gegen die kalte Scheibe drehte. „Ich hasse Ironie wirklich abartig.“

 

„Du denkst, das hier ist ironisch.“ Neji formulierte es nicht als Frage. Vielleicht hielt er es sogar bereits für eine Antwort. Eine, die er sofort beiseite schob. 

 

„Was zur Hölle soll es denn sonst sein?“, wisperte Shikamaru mehr zu sich selbst. „Außer, ich bin nicht aufgewacht.“

 

Neji legte den Kopf auf die Seite. „Aufgewacht?“

 

Shikamaru presste die Lider aufeinander. Bedächtig strich er mit den Handflächen die Glastüren entlang und lehnte sich langsam nach vorn, nur um sich gleich darauf wieder zurück zu schieben. Seine Ellbogen verschlossen sich und seine Finger spreizten sich gegen das Glas. Für ein paar angespannte Sekunden verharrte er so mit abgestützten Armen. Und dann fielen sie nach unten; eine Hand stemmte sich in seine Hüfte, während er mit der anderen über seinen Mund fuhr, um seinen Kiefer zu umfassen. 

 

Schweigend sah Neji ihm zu und näherte sich behutsam auf kineastische Weise. 

 

Sein Verstand arbeitete noch immer in der Sprache von Shikamarus Körper – die Übersetzung war fest in Erinnerungen eingeschlossen. Erinnerungen, die in Stille und Symbole eingeschlossen waren. Ein Skript, dem er mit seiner Zunge gefolgt war und Shikamarus Haut mit einem sengenden Pfad gebrandmarkt hatte, über den er nur ein einziges Mal mit den Fingern streichen müsste, um sich wieder daran zu erinnern. 

 

Doch statt seiner Hände ließ er seinen Blick über Shikamaru wandern. 

 

Letztendlich öffnete der Schattenninja die Lider und starrte ausdruckslos auf seine Reflexion. „Hör auf mit der Begutachtung, Hyūga.“

 

Nejis Augen verschärften sich zu derselben Spannung wie sein Mund. „Dann gib mir ein paar Antworten, sodass ich nicht danach suchen muss.“

 

„Verdammt…“ Shikamaru schmunzelte freudlos. „Fühlst du die Ironie jetzt?“

 

Nejis Miene wurde noch flacher und überzog sich mit Frost. Er hatte keine Ahnung, was zur Hölle er gerade fühlte; er wusste nur, dass er es bekämpfen musste – und zwar schnell. „Nein.“

 

„Dachte ich mir. Dieser heuchlerische Mist kommt immer wieder zurück, um mich in den Arsch zu beißen.“

 

Heuchlerisch? Wovon zur Hölle redest du?

 

Inzwischen mehr als frustriert verkrampfte Neji seinen Kiefer und atmete langsam ein, um sich davon abzuhalten, nach vorn zu treten. Doch zurück zu weichen war ebenso wenig eine Option und so tat er die einzige Sache, zu der er imstande war; was darin bestand, stur seine Stellung zu halten, während er gleichzeitig die Distanz akzeptierte, die Shikamaru zwischen ihnen errichtet hatte. 

 

„Verwirrt, huh?“ Shikamaru ließ den Kopf in den Nacken kippen und starrte mit einem schmalen Grinsen hinauf zur obersten Kante der Glastüren. „Streng dich an Hyūga. Das könnte tatsächlich lustig sein, sobald du dich auf derselben Seite wie ich befindest…“

 

Sofort bemerkte Neji die Taktik und sein Frust verschwand, während sich sein Stirnrunzeln auflöste. „Du hast schon immer deinen Zorn zu Sarkasmus kanalisiert.“

 

„Sorry, dass ich so vorhersehbar bin. Ich sollte mein Spiel wohl verbessern.“

 

„Ist es das, was du hier tust, Shikamaru? Schon wieder Spielchen spielen?“

 

Shikamaru bellte ein heiseres harsches Lachen hervor. Auf dem Absatz wandte er sich um und schnitt direkt an Neji vorbei, während sich seine Schritte zu einem aggressiven inneren Crescendo aufbauten.

 

„Ist nicht die viel dringlichere Frage, was um alles in der Welt du hier machst, Neji?“
 

Panik katapultierte Nejis Puls zu einem wilden Galopp. 

 

Jede Wahrheit, die er vielleicht ausgesprochen hätte, wurde von einem verspäteten Aufflackern von Selbsterhaltung nieder geschossen. Es gab nicht die geringste Möglichkeit, Shikamaru eine Antwort zu geben, ohne dabei hunderte weitere begrabene Fragen nach oben zu zerren. 

 

Das war nicht der Grund, aus dem er hier war. 

 

Götter, warum BIN ich hier?

 

Eine weitere tief begrabene Frage; mit einer Antwort, die sich ihren Weg bis an die Oberfläche seines Gesichtes krallte. Und bedroht von dem akuten Risiko, dass diese unausgesprochenen und ungelösten Wahrheiten ans Licht kamen, legte sich schlagartig eine Rüstung um Nejis Miene.

 

Er hob leicht sein Kinn und senkte die Stimme; seine tiefen Töne waren von Eis wie verkalkt. „Sei vorsichtig, Nara. Gemessen an deinem kleinen Wasserabenteuers im Becken, bezweifle ich, dass du wirklich eine weitere Runde mit dieser Frage anfangen willst. Ich werde sie nur zurückgeben und ich glaube nicht, dass du dabei mit von der Partie bist.“

 

Shikamaru erstarrte ruckartig inmitten eines Schrittes; hielt wie eingefroren inne. 

 

Neji runzelte die Stirn; eine solche Reaktion hatte er nicht erahnt. Sie war ebenso unerwartet wie jedes andere Detail, das er bis zu diesem Moment erlebt hatte; von Shikamarus bösartigem Erwachen vor einigen Stunden über sein idiotisches Kunststückchen unter Wasser bis hin zu der Veränderung seiner Gesichtszüge und den Schatten, die sich dort hinein geätzt hatten. 

 

„Götter…was ist nur mit dir passiert?“, hauchte Neji und war sich dabei ganz und gar nicht sicher, ob er die Antwort wirklich wissen wollte. Er fühlte sich jetzt schon dafür verantwortlich.

 

Neji trat nach vorn. 

 

Sofort zogen sich Shikamarus Schultern nach oben. 

 

„Shikamaru…“

 

Der Schattenninja vollführte eine hektische Drehung und hielt ebenso schnell wieder inne, während er seinen Körper halb in Licht und halb in Schatten tauchte. Er warf Neji einen weitäugigen Blick zu und das mit einer seltsamen, wilden Emotion, die der Hyūga noch nie vor dieser Nacht in diesen Mahagoniseen gesehen hatte. 

 

Neji blinzelte überrascht und zog seinen Kopf verwirrt zurück. 

 

Was kann in zwei Wochen passiert sein, das das ausgelöst hat?

 

Der Ausdruck in Shikamarus Augen war unmöglich einzuordnen. Es war nicht wirklich Angst…oder Zorn. Vielleicht war es etwas, das aus beidem entstanden war. 

 

Nejis Stimme wurde zu einem unglaublich sanften Murmeln. „Shikamaru…“

 

Und angesichts der Veränderung in seinem Tonfall, geriet Shikamarus finsterer Blick ins Wanken, wurde weich und strich liebevoll über Nejis Gesicht. Und dann – als würde er merken, dass dieser Blick ihn verriet – ließ er eine Hand nach oben schnellen, um sich die Augen und über seine Brauen zu reiben. 

 

„Scheiße…“ Ein raues Seufzen drang aus seiner Nase. „Ich war mal sehr gut darin, die Dinge aufzuhalten, bevor sie anfangen…zumindest das Zeug, das jetzt gerade nicht passiert.“

 

„Was passiert jetzt gerade nicht?“

 

„Abtrennen und löschen. Ich bin gut darin…“

 

Neji legte den Kopf schief, während er auf etwas mehr Klarheit wartete. Doch sie kam nie. Shikamaru atmete lange und bebend aus, bevor er die Hand an die Hüfte sinken ließ und hart auf Nejis Hals stierte, ohne seine Augen zu heben. 

 

„Aber hierbei funktioniert es nicht…“, fügte er nach einem langen Moment hinzu. „Das hier passiert immer.“

 

Energisch widerstand Neji dem Drang, die Brauen zusammenzuziehen und stattdessen pulsierten die Muskeln in seinem Kiefer. „Was passiert?“

 

Du passierst!“, knurrte Shikamaru und warf eine Hand nach oben. „Jede verdammte Nacht! Nicht schlafen? Ich würde es mir verfickt nochmal wünschen.“

 

Ein scharf eingezogener Atem.

 

Neji wurde abrupt vollkommen regungslos. Es war ein schwacher Versuch, das aufzuhalten, was sich wie ein Beben durch sein Inneres rüttelte. 

 

Shikamarus Augen wanderten flackernd und in raschen, kalkulierten Bewegungen über sein Gesicht, während sie nach einer Reaktion suchten; nach etwas, an das sie sich klammern konnten. 

 

Doch Nejis Miene veränderte sich nicht. 

 

Shikamarus Lippen zogen sich zurück und entblößten seine Zähne in einem kurzen zornigen Aufblitzen. „Bevor du dich dazu entschlossen hast, den Lebensretter zu spielen, hast du mich beobachtet.“ Seine Augen verengten sich zu Schlitzen und die dunklen Seen funkelten. „Warum?“

 

Innerlich fluchte Neji. 

 

Verdammt.

 

„Du bist so gut darin, die Menschen zu lesen, Shikamaru, also sag du es mir.“, erwiderte er, doch die Kälte in seiner Stimme passte überhaupt nicht zu seinen Augen. 

 

Shikamarus Braue schoss nach oben. „Schwach, Hyūga.“

 

Schwach.

 

Das Wort traf Nejis Stolz mitten ins Zentrum und löste ein alarmierendes Spielen von Muskeln aus, bevor sich seine Wirbelsäule anspannte. Energisch kämpfte er um Kontrolle und richtete seinen Körper erneut zu einem Anschein von Ruhe auf, während sein Antlitz sofort wieder gefasst war. 

 

„Ich hatte nicht beabsichtigt, heute Nacht hierher zu kommen.“, sagte er leise. „Oder, dass das hier passiert.“

 

„Nein?“ Shikamaru legte den Kopf ruckartig mit angespanntem Kiefer schief. „Komisch, aber auf der anderen Seite ist es ja auch nicht so, dass du es so sehr mit Absichten hast. Handlungen sind eher dein Credo, nicht wahr?“

 

Nejis Augenwinkel zuckten hart. 

 

Gott…er erinnert sich an alles…

 

Und was Neji noch viel mehr schmerzte als diese Worte, die ihm zurück ins Gesicht geschleudert wurden, war der Gedanke daran, dass Shikamaru vermutlich zwei Wochen damit verbracht hatte zu versuchen, sie endlich zu vergessen – und entsetzlich gescheitert war. 

 

„Was man tut.“ Shikamaru hielt hier inne und schluckte ein zerfetztes Lachen hinunter. „Oder vielleicht geht es mehr darum, was man nicht tut.

 

Die Punktierung dieser letzten beiden Worte grub sich wie ein Kunai in Nejis Brustbein. Doch der übliche Drang, sich zu verteidigen oder anzugreifen, kam diesmal nicht. Ihm fehlte der Zorn, den es brauchte, um eines von beidem durchführen zu können. 

 

Und für eine zärtliche Sekunde verschwand die Rüstung um seine Augen. 

 

Dann verlor sein Gesicht jedweden Ausdruck und er schloss die Distanz in plötzlichen, beständigen Schritten. 

 

Überrumpelt von dieser unerwarteten Reaktion und der dazugehörigen Bewegung, zog Shikamaru den Kopf zurück – doch der Rest von ihm blieb, wo er war. Seine Fäuste waren geballt und seine Nasenflügel bebten, während sich Aggression in den drohenden Verschluss seiner Schultern fraß. 

 

Unbeeindruckt bewegte sich Neji frontal auf den Nara zu. 

 

Er hielt erst inne, kurz bevor sie sich Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden. 

 

Die Zeit verlangsamte sich, Realität zog sich bis auf den aufgeladenen Raum zwischen ihnen zusammen und verwischte Linien in Neji Geist zu verschwommenen Flecken. Sein Fokus wurde schärfer und richtete sich einzig und allein auf Shikamarus Augen, die sich sofort abschirmten; doch der Schattenninja war nicht schnell genug, um das tiefer werdende Schwarz geweiteter Pupillen verbergen zu können. 

 

Es schlug Funken in Nejis Blut.

 

Energisch ignorierte er die urtümliche Grenze zwischen Aggression und Erregung, zwang eine eingeübte Ruhe durch jeden seiner prickelnden Nerven und flutete sie in seine Muskeln wie Chakra. 

 

„Und was tue ich nicht, Shikamaru?“, fragte Neji langsam mit einer tiefen und leisen Stimme. 

 

Shikamarus Augen zogen sich zu Schlitzen zusammen und spannten sich in einem inneren Kampf an. 

 

Und dieser Anblick trieb diesen rasiermesserartigen Schmerz noch etwas tiefer in Nejis Brust. 

 

Mit sich selbst ringend beobachtete der Jōnin ohne irgendeinen Ausdruck auf den Zügen und versuchte, mit seinem Willen und seinen Augen allein eine Antwort zu erzwingen, während er Shikamarus Gesicht absuchte. Und für den Brauchteil einer Sekunde erhaschte er beinahe diese Antwort, die sich in das Zentrum von Shikamarus Brauen ätzte und sich in die entferntesten Winkel seiner Augen grub. 

 

Doch sie war gleich darauf wieder fort. 

 

„Es spielt keine Rolle.“, murmelte Shikamaru und zuckte kaum wahrnehmbar mit den Achseln. „Nicht dass es abgedroschen klingen soll, aber es ist nicht so, als hättest du es begonnen.“

 

Ein Muskel in Nejis Kiefer zuckte. „Ich habe es heute Nacht begonnen.“

 

„Als könntest du das.“, erwiderte Shikamaru und versuchte sich ein einem bitteren Lächeln. „Das kannst du nicht.“

 

Nejis steinerner Blick vertrieb das Kräuseln von Shikamarus Lippen, doch statt sein Grinsen wieder aufleben zu lassen, wurde das Gesicht des Schattenninjas plötzlich weich. Es war der leiseste Verrat dessen, was seine Augen bereits vorhin preisgegeben hatten.

 

„Denn wie zur Hölle kann es beginnen…wenn es niemals aufgehört hat?“

 

Und wenn irgendetwas in diesem Moment aufhörte, dann war es Nejis Herzschlag.

 

Sein Herz hielt an…

 

Nur für einen Augenblick. 

 

Und dann nahm es taumelnd seinen Schlag mit einem unregelmäßigen Pochen wieder auf, gegen das er an schlucken musste, nur um irgendwie wieder Luft zu finden. Schmerzhafter Kummer und dieses Bedürfnis strömten durch ihn und der schlagartige Ansturm von Gefühlen war beinahe unmöglich zu bekämpfen, unmöglich zu kontrollieren.

 

Kontrolle…

 

Fast hätte sich Neji nicht mehr beherrschen können, doch er zügelte den Drang, nach vorn zu greifen, indem er noch tiefer in sich selbst griff. Gott, wenn es irgendetwas gab, das er tun konnte und gut tun konnte, dann war es, die Kontrolle zu behalten. 

 

Shikamaru zog sein schwaches Schmunzeln wieder auf die Lippen und schirmte seine Augen ab. „Und du kannst mir nichtmal den Gefallen tun, über diese Ironie zu lachen. Danke, Hyūga; du bist immer noch ein verklemmtes Ärgernis.“

 

Jede Irritation oder Wut, die Neji vielleicht verspürt hätte, wurde sofort von etwas überschattet, dass er nicht aufgehört hatte zu fühlen, seit dem Tag, an dem er davon gelaufen war. Und für einen flüchtigen Moment stahl sich dieses Gefühl auf sein Gesicht und durch seine blassen Seen. Es verwandelte seinen Blick in einen Ausdruck, den er niemals auf irgendjemanden sonst gerichtet hatte; und er wusste instinktiv, dass er es auch niemals tun würde. 

 

Nicht so…

 

Shikamarus Augen weiteten sich bei diesem Anblick und rasch schloss er die Lider. 

 

Vorsichtig wollte Neji nach vorn treten. 

 

Sofort schnellten dunkle Augen auf und Shikamaru versteifte sich; sein ganzer Körper spannte sich in der Bereitschaft wegzurennen an. 

 

Die Reaktion ließ Neji schlagartig innehalten. Wenn sie ihn doch nur überrascht hätte. Aber von all den Erinnerungen, die ihn heimsuchten, stand die ungezügelte Gewalt, die er an Shikamaru vor zwei Wochen entfesselt hatte, ganz oben auf der Liste unauslöschlicher Reue, die keine noch so lange Zeit jemals tilgen konnte. 

 

Vielleicht war es das Beste so. Sollte er es vergessen, dann riskierte er, es zu wiederholen. 

 

Doch diese Lektion beinhaltete nicht den Teil des ‚Loslassens‘.

 

Und gehalten von diesem Verständnis kam der Zug, den Neji vielleicht gemacht hätte, nie. Stattdessen ließ er sich einen Schritt zurückfallen; es war nicht nötig, von irgendetwas anderem als der Reaktion des Nara auf ihn zu etwas gedrängt oder veranlasst zu werden. 

 

Wachsam hielt sich Shikamaru steif aufgerichtet, während er Nejis Zug sezierte und analysierte, als wäre es eine Pause in einem Spiel, bevor seine Stimme hervorkratzte. „Wer hätte gedacht, dass du dieses Mal deinen Kopf benutzen würdest?“

 

„Und wer hätte gedacht, dass du diesmal derjenige bist, der den Atem anhält…“, erwiderte Neji leise. „Wenn das die Ironie ist, Shikamaru, dann verzeih mir, dass ich daran scheitere, den Humor darin zu sehen.“

 

„Das ist zu schade, Hyūga.“, murmelte Shikamaru und sein Schmunzeln war nun vielmehr müde als vorsichtig. „Nimmt der Vergangenheit den Biss; gerade lange genug um sich einzubilden, man könnte sie vergessen.“

 

Vergessen…

 

Das Wort grub seinen bitteren Stachel wie ein Skorpion in Nejis Brust; flutete Gift in einer heißen Woge aus Zorn durch ihn, die aber gleich darauf zu stählernen Neigungen seines Gesichts abkühlte und beruhigte. Es verhärtete seine Augen, um sie geschützt zu halten. 

 

Vergessen…?

 

Hatte Shikamaru ihm nicht gesagt, dass er das nicht tun sollte? Und selbst, wenn er das nicht getan hätte, es war nicht so, dass irgendetwas von Neji auch nur den Hauch einer Hoffnung darauf hatte, diese Erinnerungen auslöschen zu können. Es spielte keine Rolle, dass die Erinnerungen zerbrochen oder verletzt oder blutig waren. Denn tief, tief unten, wo niemand sie berühren oder beschmutzen oder sie ihm wegnehmen konnte, riskierte er den Schmerz und den Kummer, nur um diesen Frieden zu finden, der um all die Teile herum verstreut lag. 

 

Er brauchte diesen Frieden. 

 

Denn wenn die Nächte jenseits von lang waren und an Endlosigkeit grenzten und wenn die Tage mit einer Monotonie von Pflicht und weit entfernten Zielen ineinander bluteten, dann waren es diese Erinnerungen, zu denen er zurück kehrte. 

 

Sie waren alles, was ihm in einem Teil von ihm noch geblieben war, den er beinahe verloren hatte. 

 

Ich kann es nicht vergessen.

 

Und dann ergriff Shikamaru erneut das Wort; seine Stimme driftete in einem schwebenden entfernten Murmeln in den Raum. „Es ist ein abartiger Placebo Effekt, wenn man es schafft, sich selbst davon zu überzeugen.“

 

„Zu vergessen…“, klarifizierte Neji und ein abgrundtiefes Gefühl des Verlustes drohte, sich in ihm zu öffnen. 

 

„Ja.“, wisperte der Schattenninja. „Zu vergessen…“

 

Neji bedachte ihn mit einem langen suchenden Blick und zog jeden Muskel in sich straff, um sich davon abzuhalten, genau den Zug zu machen, den er gerade eben vermieden hatte. „Und hast du das?“

 

„Mich selbst überzeugt?“, fragte der Schattenninja absichtlich evasiv. „Man sollte meinen, dass es zu versuchen zwei ganze Wochen der Schadenskontrolle irgendwie ein bisschen leichter machen würde.“

 

Nejis Brauen zogen sich zusammen; er bezweifelte ernsthaft, dass ‚leichter‘ in irgendeinen der Kontexte passte, die jemals von diesen paradoxen Welten des Chaos und der Ruhe, die sie gegenseitig in sich geweckt hatten, erschaffen worden waren. Was die Schadenskontrolle anging – war das nicht genau der Grund, aus dem er davon gelaufen war?

 

„Ist es denn leichter?“, fragte er sanft. 

 

„Nein…“, hauchte Shikamaru und schaffte es kaum, seine Stimme eben zu halten. 

 

Schweigend hielt Neji seine Augen auf Shikamaru gerichtet und jede Faser fokussierte sich auf den Versuch, auch nur die geringsten Ranken des Chakras des Schattenninjas zu finden. Er konnte es beinahe wieder spüren; eine Haaresbreite außerhalb der Reichweite. 

 

Die Stille zog sich lang. 

 

Und dann schloss Shikamaru die Lider, schluckte mit einer Anstrengung und entließ bebend einen angestauten Atem. „Nein…“, wiederholte er heiser. „Und eine weitere Erinnerung daran, zu versuchen, dich zu richten…nur um uns beide dabei zu zerbrechen…ist in etwa so viel, wie ich noch ertragen kann…“

 

Nejis Kehle zog sich zusammen und zertrümmerte seinen Atem. „Shikamaru…“

 

„Nicht.“, sagte Shikamaru rau und hob die Arme mit den Handflächen nach außen gerichtet, während er zurückwich und in seine Chamäleonhaut schlüpfte; Neji hatte gespürt, dass es so kommen würde. „Ich habe den Schaden verursacht, Hyūga…ich vertraue darauf, dass du den Kontrollteil händeln kannst.“

 

Und selbst wenn Neji die Fähigkeit besessen hätte, seine Kehle zu bewegen, um eine Erwiderung hervor zu krächzen; Shikamaru wartete nicht auf seine Antwort. Ohne einen Blick zurück zu werfen, schmolz der Nara in die Schatten des Korridors und ließ Neji in einer Stille zurück, die nur vom Regen durchbrochen wurde. 

 

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Sooo, wieder eine etwas größere Pause, Entschuldigung dafür und dann auch noch mit einem deutlich kürzeren Kapitel als das letzte, auch dafür sorry! Aber das nächste wird wieder schneller hochgeladen, versprochen! ;) 
 

Jaaa, ich bin mir nicht so ganz sicher, ob ihr euch es wirklich so vorgestellt/gewünscht hat, dass das Wiedersehen von Shikamaru und Neji so abläuft, aber naja, ich hoffe sehr, dass euch das Kapitel trotzdem gefallen hat ;) 

Über ein paar Meinungen würde ich mich natürlich wieder sehr sehr freuen! <3

Vielen Dank wie immer an alle meine lieben Reviewer/innen und Leser/innen <3 Ach und an dieser Stelle noch: Ich habe nicht vergessen, auf die Kommentare zu antworten, ich bin nur noch nicht dazu gekommen und ich dachte mir, dass ich lieber erstmal das Kapitel mache, bevor ich mich an die Antworten setze, die kommen also auf jeden Fall noch! :)

Some things belong in the shadows...

Es kann nicht real sein. 

 

Doch alles in ihm wusste, dass es das war. 

 

Shikamaru saß auf dem Schlafzimmerboden und hatte die Ellbogen auf den abgestellten Knien abgelegt, während er mit dem Rücken an der Wand lehnte. Die Ärmel seines Yukata hingen in tiefen dunklen Triangeln an seinen Armbeugen, während seine olivfarbene Haut in der Kühle kribbelte, die in den Raum schlich. 

 

‚Ich habe es heute Nacht begonnen‘

 

Jede Nacht…vielleicht ist das hier auch nur ein weiterer Traum…

 

Zu schade, dass seine Intelligenz dazu neigte, seine Vorstellungskraft zu sabotieren. Würde sie das nicht tun, dann wäre er vielleicht dazu in der Lage gewesen, sich davon zu überzeugen, dass alles, was gerade geschehen war, wirklich einfach nur ein weiterer Traum war, der sich in seinem Kopf abspielte. 

 

Dass es alles nur eine Phantasie war. 

 

Dass Neji nicht real war…nichts weiter als eine Einbildung, die so flüchtig war wie Rauch. 

 

Shikamaru inhalierte ihn auf passive Weise; machte noch keine Anstalten, einen wirklichen Zug zu nehmen. Er hatte die Zigarette wegen des Dunstes, der Obskurität und des Komforts eines vertrauten Geruches angezündet. Es beruhigte seine Nerven anstelle von Asumas Anwesenheit. 

 

Gemessen an seinem Geisteszustand hätte er die erdende Gesellschaft seines Senseis im Moment sehr gut brauchen können. 

 

Glücklicherweise half es, einfach nur zu wissen, dass Asuma in der Nähe war. Immer direkt hinter der nächsten Ecke, in die sich Shikamaru verkroch, wenn er sich zurück zog. Das machte es ihm möglich, wegzurennen ohne sich jemals Sorgen machen zu müssen, den Weg zu verlieren. 

 

Hiervor kann ich nicht wegrennen…

 

Shikamaru schluckte und beobachtete, wie sich die Asche die Zigarette entlang fraß. Sie hing zwischen den Knöcheln seiner langen, schlaffen Finger und strömte ihr Leben in Rauchfäden aus, die wie weiße Tinte in schwarzem Wasser drifteten, als warteten sie darauf, gedeutet zu werden. Doch es gab nichts zu prophezeien; keine nebulösen Antworten oder einen weisen Rat – oder wenn etwas in dieser Art doch da war, dann konnte Shikamaru es nicht sehen. 

 

Es war auch nicht so, dass er an Wahrsagerei, Schicksal oder Träume glaubte.

 

Es ist nicht rational. Es ist nicht real. 

 

Draußen brüllte der Donner wie Kanonenfeuer. 

 

In einem plötzlichen Blitz flammte das dünne Papier der Zigarette blauweiß auf. 

 

Shikamaru blinzelte nicht und sein leerer Blick war starr auf den Rauch fixiert, der sich spiralförmig vom Ende nach oben kräuselte und in der Brise wirbelte, die unter der Tür in das Zimmer herein zog. Doch die Kühle war nichts im Vergleich zu der Empfindung, die sich durch das Innere des Schattenninjas fraß; ebenso hungrig wie das Brennen, das die Zigarette beständig in Asche verwandelte.

 

Das ist es, was du mit mir tust…

 

Diesmal hatte dieses Bedürfnis Fangzähne und biss sich tiefer als es jemals in seinen Träumen der Fall war. Er konnte es nicht bekämpfen. Und er konnte auch nicht das leise Raunen von Asumas Stimme ausblenden, das durch seinen Verstand hallte. 

 

‚Dann tust du das Einzige, das bei einem solchen Bedürfnis möglich ist.‘

 

Shikamarus Augen begannen zu stechen, aber es lag nicht am Rauch. 

 

Langsam rollte er die Zigarette von seinen Knöcheln bis in die sichere Umklammerung zwischen seinen Fingern und Daumen. Er presste sie sich gegen trockene Lippen, während seine dunklen glasigen Augen geradeaus gerichtet waren. Ein langer Zug zerrte den Tabak tief in seine Lungen und der Hustenreiz verstärkte noch mehr den Druck, der sich in einem feuchten Brennen hinter seinen Augen aufbaute.

 

Öl auf Feuer, Benzin auf Flammen – so fühlte es sich unter seiner Haut an. 

 

‚Du lebst damit.‘

 

Der Rauch verließ seine Nase in einem heftigen Rausch und während er die Zigarette ausdrückte, wandte er seine Aufmerksamkeit der Tür zu. Der Schleier löste sich von seinen Augen und ließ sie schimmernd, aber scharf zurück. Shikamaru ignorierte die Asche, die den Teppich einstaubte und stemmte sich auf die Beine. 

 

Damit leben…?

 

Er würde damit leben, bis nichts mehr übrig sein würde, das noch zu Asche verbrennen könnte.

 
 

~※~
 

 
 

Die Ryokan Suite nahm in der Dunkelheit eine höhlenartige Gestalt an. Türrahmen gähnten wie offene Mäuler und atmeten einen kühlen Luftzug durch das Hauptzimmer. Schatten hingen an den Wänden und tauchten in den Alkoven ein; die bernsteinfarbenen Lampen waren am Fuße der Fusama Paneele verloschen. Regen wurde über allem reflektiert und ließ die Böden, die Säulen, das Glas und die Shoji Leinwände erscheinen, als würden sie wässrige Häute abwerfen. 

 

Shikamaru strich durch die Dunkelheit; machte sich keine Mühe, den Lichtschalter zu betätigen. 

 

Er hatte den Grundriss der Suite bereits in dem Moment abgespeichert, als er sie früher am Abend betreten hatte. 

 

Langsam passierte er den niedrigen lackierten Tisch und ging geradewegs auf die Glastüren zu, während er vollkommen unterbewusst die sicherste und strategischste Position auswählte, aus der er alles beobachten konnte. Es gestatte ihm, alles hinter sich wahrzunehmen, als würde er in einen Bildschirm blicken. Es war wie eine seltsame, einseitig verspiegelte Darstellung, die die Distanzierung leichter erscheinen ließ. 

 

Er würde diese Sicherheit brauchen, selbst wenn sie eine Lüge war. 

 

Denn er brauchte keinen bewussten Hinweis darauf, dass er nicht alleine war. 

 

„Du bist immer noch hier…“, wisperte er mit rauer Stimme. 

 

Für einen sehr langen Moment war das einzige Geräusch, das Shikamaru ausmachen konnte, das Prasseln des Regens auf der Veranda und das Pochen seines eigenen Herzschlages, der in seinen Ohren rauschte und seinen Kopf mit Druck füllte. 

 

Und dann erklang eine Bewegung von der anderen Seite des Zimmers. 

 

Ein Rascheln von Stoff, das in einem sanften Wispern über die Wand strich und die ungesehene Präsenz verriet. Shikamaru verstand die nonverbale Erwiderung sofort: Ich bin immer noch hier. 

 

Nerven verknoteten sich an der Wurzel von Shikamarus Schädel und er schluckte schwer. „Du gehst niemals…“

 

Regen rann die Scheiben hinab und formte sich zu wässrigen Fragezeichen, die sich gegenseitig in Verwirrung hinterher jagten. Shikamaru berührte mit den Fingerspitzen das kühle Glas und sah zu, wie es um die Ränder seiner Haut herum benebelte. 

 

„Ich sehe dich jede Nacht…“ Langsam presste er seine Hand flach gegen die Scheibe und verschmierte dabei die Kondensation seines Atems, bevor er zusah, wie sie entschwand. „Also ist das vielleicht auch nur ein weiterer Traum.“

 

Mehr Schweigen. 

 

Der Regen fiel nieder, füllte und überflutete die Veranda.

 

Und dann ergoss sich Nejis tiefe, melodiöse Stimme in die Stille wie schwerer Wein über Seide. „Vielleicht ist das alles, was es jemals sein kann, Shikamaru. Alles, was es jemals war.“

 

Shikamaru biss hart die Zähne aufeinander, als diese Stimme über ihn strich. Der Puls in seiner Kehle schlug heftiger. 

 

Ein Traum…

 

Falls das wirklich alles sein sollte, was es jemals war, dann hatte er niemals wieder die Augen geöffnet, nachdem Neji sie vor zwei Wochen geschlossen hatte. An dem Tag, an dem der Hyūga davon gelaufen war, war auch ein Teil von Shikamaru gegangen. Er war fort gewandert, hatte sich nieder gelegt und war nie wieder aufgestanden. Jetzt war er an einem Ort verloren, den er nicht erreichen konnte. Und stattdessen war etwas anderes erwacht. 

 

Die Vergangenheit…

 

Er atmete langsam und benebelte erneut das Glas. „Warum bist du immer noch hier?“

 

„Ich beuge mich deinem Sinn für Ironie, Shikamaru.“

 

„Dann solltest du wegrennen. Das würde ich nämlich tun.“

 

„Nur hast du das nie wirklich getan, nicht wahr?“

 

Shikamarus Kehle zog sich zusammen. „Und was? Du denkst, das würde dafür sorgen, dass das hier richtig ist? Dass wir dann gleichauf sind?“

 

„Ich wusste nicht, dass wir jemals einen Wettbewerb geführt haben.“

 

Das haben wir auch nicht…

 

Vielleicht hatten sie das am Anfang getan, als es um Stolz und Prioritäten gegangen war und darum, auf Ausreden zu drängen. Ausreden dafür, zu rechtfertigem, warum sie überhaupt damit begonnen hatten, dieses gefährliche Spiel zu spielen. 

 

Spiel…

 

Shikamarus Kopf hob sich und sein unfokussierter Blick glitt über das Glas und folgte der Vergangenheit, als würde sie in seinem Verstand ablaufen. 

 

Das ist nicht der Grund, aus dem ich es getan habe…

 

Nein, denn vollkommen unabhängig von den anfänglichen Lügen hatte er die Wahrheit lange vor dem Ende gewusst: es war niemals ein Spiel gewesen. Und selbst wenn es das gewesen wäre, dann waren sie niemals die Spieler; nur die Teile, die Spielsteine. Denn auf keinen Fall hätte er jemals zugelassen, dass es sich auf diese Weise abspielte. Rationales Denken hätte es verboten. 

 

Rationales Denken: wie unglaublich nützlich ihm das in der letzten Zeit doch gewesen war. 

 

Shikamaru seufzte und das Beben seines Atems ging bis in seine Knochen. Es zitterte hinaus in die Luft und zog Neji aus den Schatten. Shikamaru bemerkte im Glas eine Bewegung, folgte ihr aber nicht. 

 

Er konnte es nicht. 

 

Wenn er es täte, dann wäre er kein Außenstehender mehr, der nach innen blickte. Er würde in den Moment gestoßen werden; ins Hier und Jetzt. Und wenn er sich im Hier und Jetzt befand, dann würde es kein Wegrennen davor geben. Keine Möglichkeit, so zu tun, als wäre Neji nichts weiter als ein Trugbild. Ein Traum. Eine Illusion. Er würde nicht länger zersplittern oder entschwinden, sollte sich Shikamaru umdrehen um zu nehmen, zu berühren, zu schmecken und ihn greifbar zu machen. 

 

Ihn real zu machen.

 

Eine einzige Berührung würde ausreichen. 

 

Vielleicht sogar ein einziger Atem. 

 

Er hörte, wie Neji die Richtung änderte; ein Streichen nackter Füße über den quadratischen Tatamimatten. In Shikamarus Geist beschwor es das Bild eines Shogistücks herauf, das diagonal über das Brett geschoben wurde. Und wenn man so darüber nachdachte, dann sah der Boden tatsächlich wie ein Schachbrett aus; das Design war simpel, quadratisch, definiert und klar umrissen. 

 

Etwas, dem er folgen konnte, das er klassifizieren und verstehen konnte. 

 

Mit einiger Anstrengung fand er seine Stimme wieder. „Willst du wissen, was sonst noch ironisch ist?“

 

„Sag es mir.“, drängte Neji ihn zaghaft. 

 

Der Tonfall des Jōnin brachte Shikamaru aus dem Konzept – und zwar hart. Er zögerte und warf beinahe einen Blick auf den Geist, der im Glas stand. Doch stattdessen konzentrierte er sich darauf, seine Kehle zu bewegen und heisere Worte zu formen. 

 

„Ich kann ein höllisches Spiel mit der Wahrheit spielen. Ich kann lügen und sie überzeugend genug gestalten, sodass andere sie glauben. Aber mich selbst kann ich nie überzeugen. Ich kann mich nicht selbst täuschen.“ Kopfschüttelnd sah er zu, wie sich Muster in den Regentropfen bildeten. „Nicht einmal als Kind.“

 

„Warum?“

 

„Habe nie den Sinn darin verstanden, so zu tun, als würden Dinge, die nicht real sind, wirklich existieren…“

 

„Und dennoch tust du es die ganze Zeit, wenn du Strategien entwirfst.“

 

Shikamaru schmunzelte bitter und bemerkte in einem abgetrennten Winkel seines Verstandes, dass sich das hier zu einer Unterhaltung entwickelte. In seinen Träumen führten sie niemals Unterhaltung. Nicht die sprechende Art zumindest. 

 

Gott, er hatte ihre Unterhaltungen vermisst…

 

Seine Augen fokussierten sich wieder auf das Glas, während er sich dazu zwang, sich erneut an die Worte zu klammern. 

 

„Das ist es nicht, was ich tue. Ich berücksichtige Möglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten. Das ist Kalkulation, keine Kreativität. Das sind keine Scheinszenarien, sondern mögliche Resultate.“ Er legte den Kopf schief und sah zu, wie der Regen herab tröpfelte, während er nicht ihre Muster bewunderte, sondern all ihre Möglichkeiten. „Realistische, logische und durchführbare Resultate.“

 

„Und wie ist irgendetwas daran ironisch?“

 

„Die Ironie ist, dass ich es schon immer anders herum bewerkstelligen konnte.“

 

„Was meinst du damit?“

 

„Es anders herum bewerkstelligen.“, wiederholte Shikamaru und klopfte mit einer Faust gegen die Scheibe, bevor er mit einem Schwung seiner Knöchel den Regentropfen entgegen ihrer Laufrichtung folgte. „Ich kann das Imaginäre nicht real machen, aber ich kann das Reale imaginär machen. Ich kann etwas, das passiert ist in etwas verwandeln, dass jetzt nicht passiert und einfach weiter machen. Ich kann es zu einem bedeutungslosen Traum machen, aus dem ich aufgewacht bin.“

 

„Beinhaltet das auch die Albträume, Shikamaru?“

 

Die Frage sank direkt bis hinunter in die Eingeweide des Nara. 

 

Seine Faust an der Scheibe erstarrte. 

 

Er blinzelte hart und krächzte: „Was?“

 

„Ich habe mich das schon immer gefragt…“, begann Neji mit einer Stimme, die eine resonante Qualität annahm, sodass es unmöglich einzuschätzen war, aus welcher Richtung sie kam – sie schien einfach von den Wänden abzurollen. „Ich habe mich gefragt, wie es sein kann, dass du ganz genau wusstest, was zu tun war, wenn ich um vier Uhr nachts aufgewacht bin. Wie du jedes einzelne Mal – egal ob bewusst realisiert oder nicht – exakt wusstest, wie du meiner Panik begegnen musst.“

 

Shikamarus Zunge presste sich gegen seinen Daumen, während seine Kehle schlagartig staubtrocken und heiß wurde. 

 

Draußen flammten Blitze auf und tauchten sein Profil in Silber. Die Explosion aus Licht wusch sein Hirn mit einem Aufflackern von Erinnerungen weiß – flüchtig und plötzlich wie ein Kamerablitz. 

 

„Übung macht den Meister.“, sagte er leise und blinzelte hektisch. „Weißt du, was Schadenskontrolle schlägt, Hyūga? Grenzkontrolle.“ Er hob eine Hand und tippte sich mit den Fingern gegen die Schläfe. „Halte das hier klar und aufrecht und der Rest wird an seinen Platz fallen. Scheitere darin und alles wird auseinander fallen. Ich habe dir schon einmal gesagt, dass ich alles verhunze, wenn ich aufhöre zu denken.“

 

Er hatte es auf die harte Tour gelernt. Hatte früh gelernt, dass Gedanken – und Erinnerung – Emotionen auslösten. Eine Tatsache des abgefuckten menschlichen Gehirns: es bestand alles aus neuronalen Verkabelungen. Und Shikamaru hatte sein Hirn neu verkabelt, als er fünfzehn Jahre alt gewesen war, sodass er sich mit dieser Scheiße nicht mehr herumschlagen musste. Er hatte Tage tauben und posttraumatischen Schocks in eine Zeit autistischen, aber auch enorm beschleunigten Lernens verwandelt. Er hatte in vollkommenem Autopiloten gearbeitet, um die mentalen Techniken zu meistern, die nötig waren, um sich in seinem Inneren flicken zu können, bevor die Apathie nachließ.

 

Er hatte niemals zugelassen, dass der Schmerz Wurzeln schlug.  

 

Und in seinem Verstand war das keine Verleugnung – es war Loslösung. 

 

Shikamarus Allheilmittel war simpel: loslösen, trennen, diagnostizieren und löschen. 

 

Einfache Vermeidung, rasche Ergebnisse; nur Preis, kein Fleiß. 

 

Er war nicht wie Neji. 

 

Er konnte Emotionen nicht einfach hinunter in tiefe hässliche Wunden drücken, die niemals verheilt waren. Inzwischen hatte er genug Leute dabei beobachtet, um zu wissen, wie das endete. Ihr Schmerz erlöste sie entweder aus ihrer Finsternis, oder aber er zerstörte sie. Und er wollte es nicht wissen, sollte er zu letzterer Kategorie gehören. Er hatte ohnehin schon genug in den Schatten zu tun. 

 

‚Was deine Dunkelheit wahrscheinlich nur noch gefährlicher macht als die von irgendjemandem sonst, solltest du zulassen, dass du fällst.‘

 

Energisch schüttelte er Temaris Warnung ab: eine dämliche, anmaßende, unnötige Warnung. 

 

Die Vergangenheit war vorbei. Nichts weiter als eine verblasste Narbe in seinem Verstand. 

 

Also warum sucht sie mich dann heim?

 

Und falls sie verblasst war, wie zur Hölle hatte Neji sie dann sehen können? Sie aufreißen und real machen können? Warum bekam diese Narbe jetzt – nach zwei Jahren – Risse und tränte und blutete, wenn Asuma sie erwähnte?

 

‚Ich war nicht da. Aus welchem Grund auch immer. Was auch immer passiert ist. Und es tut mir leid.‘

 

Emotionen brannten wie Säure in Shikamarus Kehle und hinter seinen Augen. 

 

Mir nicht…mir tut es nicht leid…

 

Die Angst krallte sich kalt seine Wirbelsäule hinauf und wieder hinunter und Shikamaru sog scharf die Luft durch die Nase ein. Er prügelte mit mentalen Peitschen auf sein Hirn ein, doch es war ein vergeblicher Versuch, seinen Mund davon abzuhalten, sich zu bewegen. 

 

„Manche Dinge gehören in die Schatten…“, murmelte er seiner Reflexion zu. 

 

„Ist das der Ort, an dem du dich versteckst, Shikamaru? In deinen Schatten?“

 

„Ich verstecke mich nicht.“

 

„Tust du das nicht?“

 

Als sich Neji erneut bewegte, spürte Shikamaru es diesmal viel eher, als dass er es sah. Gravitationsgesetze, die sie vor Wochen erschaffen hatten, begannen zwischen ihnen zu zerren und zu reiben. Es fühlte sich real genug an, aber wenn man es logisch betrachtete, dann traf das auch seine derzeitigen Träume zu. 

 

Sie sind nicht real…

 

Und dennoch wachte er brennend mit einem Fieber auf oder bis ins Innerste eingefroren von einer Furcht, über die er nicht nachdenken wollte. Vielleicht machte es nur Sinn, dass er das nicht kontrollieren konnte. Neji hatte diese Furcht geweckt. Und nichts, was Neji jemals in ihm geweckt hatte, sprach auf Logik an.

 

Weil es auch nicht in meinem Kopf ist…

 

Ein zerbrochenes Lachen rasselte aus ihm heraus und seine Zähne prallten ruckartig aufeinander. 

 

Fuck…ich bin so ein Heuchler…

 

Energisch verkrampfte er den Kiefer gegen ein Erschauern und die Muskeln zuckten an den Gelenken. 

 

„Shikamaru…“ Nejis Stimme fiel zu einem leisen Raunen hinunter, das von einem Grollen des Donners jenseits der Fenster beantwortet wurde. 

 

Doch Shikamaru fühlte eine ganz andere Art von Beben, das durch ihn hallte; jede seiner Fasern nahm die Präsenz wahr, die sich ihm von hinten immer weiter näherte. Jeder Sinn wurde schärfer und fokussierte sich auf das Zittern von Vibration, Energie, Statik. Er reagierte auf die Nähe. Sie war gerade noch so außerhalb der Reichweite. Nur ganz kurz davor, real zu sein. 

 

Und dann spürte Shikamaru es: die sinnliche Hitze von Nejis Atem.

 

Eine feuchte, verheerende Liebkosung seines Nackens, die Härchen aufstellte, Haut straff zog und eine raue Spannung seine Wirbelsäule auf und ab jagte, während sie heiße Wogen durch jeden anspannenden Muskel pulsieren ließ. Die Sehnen in Shikamarus Hals spannten sich an und beinahe bog er den Nacken nach hinten. 

 

Und das war einfach nur Nejis Atem auf seiner Haut. 

 

Nicht einmal eine Berührung. 

 

Fuck…

 

Mit einem Zischen erholte sich Shikamaru und seine Wimpern flatterten schwer, als er in einer Verdammnis bringenden Sekunde der Schwäche die Augen hob. Und diese Sekunde besiegelte sein Schicksal; legte es mit einemeinzigen Blick fest. 

 

Ein einziger Blick in elfenbeinfarbene Iriden und er war verloren. 

 

Neji…

 

Nejis Augen hingen wie Monde im Glas; blasse, lunare Seen, die diese Anziehungskraft ausstrahlten, die sich durch Shikamaru zerrte, bis er spürte, wie sein Körper von der Anspannung, sich zurückzuhalten, brannte. 

 

Seine Augen wurden glasig, um sich irgendwie davon abhalten zu können, sich zu sehr zu fokussieren und das feuchte Stechen in ihnen machte es etwas leichter. „Was willst du, Neji?“ Er versuchte sich an einem Lächeln, scheiterte kläglich und seine heisere Stimme wurde so rau, dass sie noch leiser als ein Wispern wurde. „Eine weitere Erinnerung, die man dann zu vergessen versucht?“

 

Neji neigte den Kopf, während sich seine Wimpern senkten, bis diese opalhaften Seen nichts weiter waren als Halbmonde. Ein langsames Blinzeln später und sie wuchsen wieder, bis sie weit und suchend waren. Shikamaru starrte zurück und blinzelte sich durch seine verschwommene Sicht; vollkommen ahnungslos, wonach Neji Ausschau hielt – wollte es auch gar nicht wissen. 

 

Ich kann nicht…

 

Doch genauso wenig konnte er wegsehen. 

 

Aufgespießt und abgelenkt von der Intensität dieser Augen machte er beinahe einen Satz, als sich die Handflächen des Hyūga zu beiden Seiten von ihm gegen das Glas pressten, um ihn zwischen den starken und festen Stäben seiner Nejis Armen einzusperren. 

 

Shikamaru erstarrte mit weiten Augen, während Chakra in ihm anfing, köchelnd Blasen zu werfen und zu sieden, als es über Nervenenden kroch und Feuer fing. „Neji…“

 

Nejis Atem geriet gegen seinen Nacken ins Stocken. „Da bist du…“, wisperte er. 

 

Shikamaru blieb keine Zeit, aus diesen Worten irgendeinen Sinn zu machen, denn Nejis Chakra wusch in einer dichten satingleichen Welle über ihn, flutete drogengleich sein Netzwerk, verschleierte seine Sicht und trieb ruckartig die Luft aus seinen Lungen. Geschockt rammte Shikamaru seine Hände gegen die Scheibe neben Nejis gespreizten Händen und bemühte sich um irgendeinen Halt. 

 

Erstickt atmete er aus. „FUCK!“

 

Sofort beruhigte der Ansturm von Nejis Chakra seine heiße Flut zu einem kühlen Fließen; abebbend, überlappend und knetend. Es schmiegte sich um die rauchigen Ranken von Shikamarus Chakra und formte Muster an Orten, denen sein Körper nicht folgen und die sein Hirn nicht finden konnte.

 

„Genau hier…“, murmelte Neji. 

 

Die Worte gingen an Shikamaru verloren; verloren unter dem heftigen Keuchen, das aus seiner Kehle gerissen wurde. Sein Herz verlor seinen Rhythmus und nahm einen Schlag an, zu dem sein Blut zu schreien begann. Tenketsu pochten in winzigem Aufflackern. Benommen ließ er seine Stirn gegen das Glas sinken, um seinen Kopf davon abzuhalten, nach hinten zu fallen, während ein Tremor durch seine Schenkel jagte und sich seine Finger gegen die Scheibe krümmten. 

 

„Ngh! Shit…“, zischte er. „W-was machst…du…“

 

„Vertrau mir…“

 

Shikamaru hätte daraufhin vermutlich zornig geknurrt, wenn er sich nicht in einem Zustand milder Inkohärenz befunden hätte.

 

Ein weiteres plötzliches Pulsieren von Nejis Chakra und Shikamaru spürte, wie seine Handflächen brannten und seine Fußsohlen schmorten, als würde er auf glühenden Kohlen stehen. Auf seinem gesamten Körper brach Schweiß aus, doch eine Kühle kam direkt danach; ein wahnsinniger Kreislauf, aus dem er keinen Sinn machen konnte – Heiß und Kalt wüteten durch ihn wie in einem Fieber. 

 

Was zur HÖLLE macht er mit mir…?

 

Shikamaru hatte es kaum geschafft, diesen Gedanken zu Ende zu formen, bevor die Intensität der Energie, die durch ihn wogte, ruhiger und langsamer wurde. Nachlassend umspülte sie in weichen trägen Strömen die Ränder von Shikamarus Chakra und verwandelte das ungestüme Rauschen in ein verschleiertes Kräuseln. 

 

Beruhigend, sinnlich, südwärts wirbelnd…

 

Shikamaru stöhnte. 

 

Er spürte, wie sich die Klammer von Nejis Armen anspannte. Nur ganz knapp davor, seine Schultern zu berühren: sie stützten ihn, ohne ihn anzufassen. Er erschauerte und der geringe Raum zwischen seinem Rücken und der Brust des Hyūga knisterte mit etwas Stärkerem als Chakra; füllte sich mit einer Intensität, die ihn seiner Fähigkeit zu atmen beraubte. 

 

Und dann wisperte Nejis Stimme liebevoll gegen sein Ohr und hielt seine Atmung vollkommen an: „Ich bin nicht hier für eine Erinnerung, Shikamaru…nur für einen Augenblick…“

 

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Soooo, wie versprochen ein schnelleres Update, dafür aber leider ein etwas kürzeres Kapitel (zumindest für meine Verhältnisse).

Na zumindest mit Neji kann Shikamaru einigermaßen sprechen, mal sehen, was da noch so alles kommen wird ;) 

Würde mich wieder sehr sehr freuen, ein paar Meinungen von euch zu lesen!! :) 
 

Vielen vielen Dank wie immer an alle meine lieben Reviewer/innen und Leser/innen!

Bodies don't lie


 

~❃~
 


 

Oh dear bewailer, weary soul

To move on you must drive out

All your ghosts

Now the bravest thing to do

To start anew and leave old hopes behind
 


 

All the pain and sorrow

That are haunting your dreams

Are the vast unknown that will set you free

Down the road devils weep
 


 

Tonight they’ve risen from the deep

The ghosts and wraiths that haunt your sleep 

Between a nightmare and a dream

They’re stretching out from worlds unseen
 


 

Deep down the bottom of the well

There's solid ground your feet must find

To stand

So delve into the darkness that's your own

It won't possess you anymore

If you're one
 


 

All the pain and sorrow

That are haunting your dreams

Are the vast unknown that will set you free

Specters of sorrow

That are haunting your dreams

Are the vast unknown that will set you free

Down the road devils weep
 


 

Let it go
 


 

~❃~

 

 

„Ich bin nicht hier für eine Erinnerung, Shikamaru…nur für einen Augenblick…“

 

Einen Augenblick…?

 

Es brauchte mehr als einen Augenblick, bis Shikamaru diese Worte verarbeitet hatte. Sein Hirn hatte sich in eine Blockade begeben und die Grenzkontrolle um seinen Verstand weigerte sich, irgendwelche rationalen Gedanken hindurch zu lassen. 

 

Logik? Außer Betrieb. 

 

Notfallplan? Nichts passierte. 

 

Und das ließ ihn der Gnade seines Körpers ausgeliefert zurück; und den Beben, die durch ihn wogten. Es fühlte sich an, als würden Korpuskel aus Chakra durch sein Blut driften. Winzige aufgeladene Partikel, die den Ley-Linien seines Körpers folgten und sich durch Chakrapfade zogen, die jedes Organ und jeden Muskel durchquerten. Sie kitzelten Tenketsu, bis sie pulsierend flackerten und verwandelten jedes Nervenende in einen Leiter. 

 

Shikamaru biss die Zähne zusammen, während sich seine Finger krampfhaft gegen das Glas krümmten. 

 

„Lass…los…“, keuchte er hervor. 

 

Das Quietschen von Nejis Handflächen schreckte ihn auf. Seine benebelten, halb geschlossenen Augen mühten sich ab, sich zu fokussieren und kaffeefarbene Seen blinzelten, bis seine periphere Sicht schärfer wurde und sich auf die Bewegungen dieser starken schlanken Hände konzentrierte. Sie schoben sich über die Scheibe, bis die Handflächen des Hyūgas flach am Glas zu beiden Seiten von Shikamarus Fingern lagen – sehr nah, aber ohne sich zu berühren. 

 

Das Fenster beschlug von der Hitze, die von ihrer Haut ausgestrahlt wurde. 

 

„Loslassen? Ich halte nicht fest, Shikamaru. Du hältst zurück.“, murmelte Neji mit tiefer Stimme, die über Shikamarus Nerven glitt wie heißer Stahl, der in kühlen scharzen Satin gehüllt war. „Du versteckst dich hinter deinen Schatten.“

 

Shikamarus Stirn drehte sich gegen das Glas. „Nein.“, knurrte er. 

 

„Ich weiß nicht, wie du gelernt hast, dein Chakra so maskieren zu können, aber es wird mich nicht davon abhalten, dich zu finden.“

 

Shikamaru zog die Brauen zusammen und versuchte energisch, durch die schwere Empfindung zu schneiden, die seinen Kopf bewölkte; versuchte, sich zumindest lange genug fokussieren zu können, um diese Worte zu fassen zu bekommen. 

 

Mein Chakra maskieren?

 

Seine Augen wurden groß, doch er verlor sofort den Griff an diesem verstörenden Gedanken, als sich Nejis Daumen neigten und seine Handgelenke entlang geisterten. Die kaum vorhandene Berührung sandte ein statisches Knistern über die Unterseite seiner Arme. Als hätte er einen Schock erlitten, zuckte er zusammen und seine Finger ruckten hart, während sich seine Zähne noch härter um ein Zischen zusammenbissen. 

 

„Veradmmt…stop…“

 

Nejis Lippen strichen über seine Ohrmuschel. „Lass mich dich finden, Shikamaru…“

 

Shikamarus Augen weiteten sich ruckartig, bevor er sie heftig gegen das feuchte Stechen zusammenpresste, das an die Oberfläche stieg. Emotionen, verwirrt und schwer, verdrehten sich in ihm und zertrümmerten seinen Atem zu einem heiseren Knoten in seiner Kehle. 

 

„Warum?“, krächzte er. „Es ist nicht so, als hätte ich dich jemals gefunden.“

 

Neji erstarrte und seine Arme versteiften sich zu Shikamarus Seiten. „Was?“

 

Der Ball in der Kehle des Schattenninjas brannte härter und heißer, bis sein Atem vollkommen verdampfte und er qualvoll den Kopf schüttelte. 

 

„Nicht ein einziges Mal…“, wisperte er, während er zaghaft mit den Lippen über den blassen Geist im Fenster streichelte und Nejis Reflexion benebelte. „Und jede Nacht…verliere ich dich aufs Neue…“

 

Nejis Chakrafluss erstarb schlagartig. 

 

Nach Luft schnappend sackte Shikamaru gegen das Glas zusammen und bebte von den Nachwirkungen. Der warme Atem an seinem Nacken verschwand und ließ eine beißende Kühle zurück. 

 

Fort…

 

Keuchend presste Shikamaru die Lider aufeinander. 

 

Fuck…es ist vorbei…lass es vorbei sein…

 

Es war Zeit aufzuwachen. 

 

Wach auf…

 

Regen rann über die Scheiben; kalt wie die Furcht, die seine Wirbelsäule hinunter tropfte. 

 

Wach auf…

 

Shikamaru schluckte schwer und fühlte Nejis Nähe nur noch als phantomhafte Präsenz, da er den Atem des Hyūga nicht mehr spüren oder hören konnte. Ihre Körper waren nur ein einziges geringes Zucken davon entfernt, sich zu berühren – aber keiner von ihnen bewegte sich. Keiner von ihnen atmete. 

 

Der Traum würde aufhören…jede Sekunde…

 

Wach auf…

 

Doch die Illusion zog sich sadistisch in die Länge. Hitze fuhr ununterbrochen fort, sich gegen Shikamarus Rücken aufzubauen, während Schweiß ausbrach und seine samtige Haut gleichzeitig zitterte. Eine vertraute Empfindung von Kälte und Verlust stahl sich über ihn. 

 

Gott, lass mich aufwachen…

 

Zu warten war schlimmer als Geistern nachzujagen. Zu warten war der Schwebezustand zwischen dem Himmel und der Hölle seiner Träume. Zu warten war ein Fegefeuer. Zu warten war verfickte Folter. 

 

Seine Fäuste rammten sich gegen das Glas. 

 

WACH AUF!

 

Und dann strichen warme Handflächen über seine Knöchel. 

 

Shikamarus Augen flogen weit und wild auf. Er erstarrte ruckartig und sein Bauch zog sich nach innen, während sich seine Brust verkrampfte. Gebannt beobachtete er, wie sich Nejis lange blasse Glieder zwischen seine eigenen steifen Finger schoben und olivfarbene und elfenbeinfarbene Haut langsam miteinander verwoben. 

 

Shikamarus Lippen teilten sich, während er gefangen in Schock einfach nur starrte. 

 

Er sah zu, wie sich Nejis Finger um seine eigenen herum anspannten und zudrückten, bis sich die Stränge von Sehnen aus den Handrücken des Hyūga hoben. Der Druck nahm zu. Ein Spasmus aus Schmerz wurde von ihren aufeinander pressenden Knochen ausgesandt. 

 

Schmerz…real…

 

Nejis Daumen krümmten und falteten sich über denen des Schattenninjas. 

 

Real…

 

Real genug, dass eine feine Narbe silbern auf Nejis rechtem Handrücken schimmerte; ein ordentlicher Schnitt vom mittleren Knöchel bis hinunter zur Rückseite seines Handgelenks. 

 

Shikamarus Augen weiteten sich. 

 

In seinen Träumen gab es diese Art von Details nie.

 

Seine Träume waren bar menschlicher Unvollkommenheiten von Fleisch und Gefühl und ließen nur verschwommene Umrisse zurück, die von leuchtenden Opalaugen definiert wurden. In seinen Träumen war Neji niemals real genug. Niemals rau genug um die Kanten herum, um irgendetwas mehr zu sein, als eine aufpolierte Erinnerung; fragil wie feines Porzellan. Und sich dieser Fragilität nur allzu bewusst, behandelte Shikamaru diese Träume mit äußerster Sorgfalt. Er suchte niemals nach den Rissen, denn er wusste, dass alles zerbersten würde, sollte er sie finden. 

 

Warum danach Ausschau halten? Warum nach mehr Gründen suchen, um anzweifeln zu können, dass es real war?

 

Die Träume waren so real, wie es jemals werden würde. Selbst wenn sie nichts weiter waren als eine konstante Lüge, aus der er aufwachen musste.

 

Das hier ist keine Lüge…

 

Shikamaru studierte weiterhin Nejis Hände und sein Blick zeichnete die Täler und Neigungen der gebleichten Knöchel nach, wanderte über das Zickzack Muster ihrer ineinander verschränkten Finger und bis hinunter zu den harten kantigen Knochen des Handgelenkes des Hyūga. 

 

Kein Traum…

 

Es war so weit entfernt von einem Traum, dass es verrückt war. Und noch verrückter war, wirklich gedacht zu haben, er könnte sich selbst davon überzeugen, dass es nicht real war. Darauf gab es jetzt keine Hoffnung mehr. Jeder Drang, den er verspürt hatte, das hier in etwas Imaginäres zu verwandeln, einfach nur, damit es weniger schmerzhaft war, es loszulassen, ging hinter einem weitaus stärkeren Bedürfnis verloren. 

 

Dem ungezügelten, perplexen Glühen, das in Shikamarus Augen zurück blieb. 

 

Seine Miene wurde weich, schwach und unglaublich traurig, als sie einen Ausdruck annahm, den er nicht erkannt hätte, wenn er seine eigene Reflexion im Glas angesehen hätte. 

 

Unfähig, seine Stimme zu finden, drückte er forschend seine Finger. 

 

Das kürzeste Zögern und dann erwiderte Neji den Griff – hart. Er presste ihre Knöchel aneinander, bis ihre Hände bebten. Shikamarus Wimpern zuckten angesichts des aufblitzenden Schmerzes, doch seine Sinne nährten sich davon. Die Pein in seinen Fingern löste Funken auf seinem Arm aus und eine frische Woge aus Hitze spannte seine Haut an. 

 

Real…

 

Eis berührte seinen Nacken. 

 

Er zuckte zusammen und zog die Schultern kurz nach oben, nur um sich gleich darauf wieder zu entspannen, als er den vertrauten Biss von kaltem Stahl erkannte. Nejis Hitai-ate. Das kühle Metall legte sich wie die flache Seite einer Klinge an seine Haut und gab Shikamaru eine düsterere Perspektive der gefährlichen Position, in der sie sich befanden. 

 

Ein einziger Schubs in die falsche Richtung und er würde vollkommen den Kopf verlieren. 

 

Wenn ich das nicht bereits habe…

 

Er drückte mit seinen Fingern gegen Nejis und seine Stimme wurde so leise, dass sie nur noch der Schatten eines Geräusches war, das seine Lippen verließ. „Lästiger Hyūga…“

 

Shikamaru spürte, wie sich der kalte Stahl an seinem Nacken noch härter gegen ihn presste. Doch bevor er daran denken konnte, den Kopf zu drehen, bewegte sich Neji. Die Handgelenke des Hyūgas neigten sich nach außen und schoben ihre verschränkten Finger in einem langsamen Gleiten über das Glas. Shikamaru löste die Spannung in seinen Armen; versuchte nicht, der Bewegung zu folgen oder sie zu kontrollieren, er ließ sie einfach geschehen…ließ sich einfach nur selbst auf der Strömung von etwas Stärkerem treiben…wie eine Wolke auf einem warmen Wind…

 

Nur für einen Augenblick…

 

Seine Lider schlossen sich vollständig, als er seine Stirn gegen das Glas sinken ließ. 

 

Draußen erschütterte der Sturm die Welt. 

 

Drinnen war die Stille absolut. 

 

Und für einen gestohlenen Augenblick legte sich die Stille wie Schnee auf Shikamaru. Leise und sanft schmolz sie in diese Bereiche seines Selbst, die diese Ruhe brauchten. Und als sie diese müden, empfindlichen Orte erreichte, verwandelte sich die Stille in Frieden. 

 

Ein gestohlener Friede…aber nichtsdestotrotz Frieden…

 

Ein Frieden, der sich über die Bedeutungslosigkeit von Jahren hinweg stahl und das immer größer werdende Gewicht des Alters milderte, das Shikamaru in sich trug, seit er ein Kind gewesen war – ein Gewicht, das sich verdreifacht hatte, als er die fünfzehn erreicht hatte. Es hatte ihn mit einer zynischen Müdigkeit des Herzens und einer Abgestumpftheit des Geistes gebrandmarkt, von denen Ninjas im Spätwinter ihrer Jahre hofften, sie niemals ertragen zu müssen.  

 

Und bis jetzt war es ihm nicht einmal bewusst gewesen, dass er diese Last getragen hatte. Er hatte gedacht, er hätte sie vor zwei Jahren abgelegt. 

 

Doch der Frieden trug die Vergangenheit fort und versuchte, sich selbst in ihm wiederzubeleben. Der Frieden überwältigte die Albträume und überwand die Angst. 

 

Und nur für einen Augenblick tat er so, als würde es von Dauer sein. 

 

Es hielt solange an wie das Gleiten ihrer Hände, die letztendlich an den Seiten von Shikamarus Kopf inne hielten und den Frieden zu einem sanften Abschluss brachten. Mit einem zaghaften Ausatmen presste Neji die Hände des Schattenninjas unter seinen eigenen flach gegen das Glas, bevor er ihre Finger wieder ineinander schob. 

 

„Sag es mir.“, murmelte Neji und sein heißer Atem sickerte durch das Gewebe von Shikamarus Yukata, um die Haut darunter zu kitzeln. „Sag mir, was los ist.“

 

Die Worte streichelten über Shikamarus Verstand, zogen aber eine Klinge aus Furcht über diese Narben, die tief in ihm begraben waren. Nadelstiche aus Gefühlen stiegen wie Blut in ihm auf. Er hegte keinerlei Absicht, den Schorf aufzureißen. 

 

„Shikamaru, sag mir, was das Problem ist…“

 

Shikamaru bewegte in einem sanften Drücken die Finger. „Das hier. Das hier ist falsch.“

 

Neji summte mit einem Klang, der Shikamarus Wirbelsäule hinunter vibrierte und die Waden des Schattenninjas dazu zwang, sich anzuspannen. „Ich weiß…“, wisperte Neji. „Ich würde mich entschuldigen…wenn ich es bereuen würde.“

 

„Nicht.“ Shikamarus Lider hoben sich und ohne Fokus starrte er auf sein eigenes Spiegelbild. „Ich hasse dieses Wort…“

 

„Reue?“

 

„Nein. Leidtun.“

 

Nejis Kopf hob sich. „Warum das?“

 

Shikamaru sog scharf und ruckartig die Luft ein. 

 

Warum?

 

Nun; und hier war jetzt eine Frage, der er ebenso vehement auswich wie dem Wort selbst: Leidtun. Leidtun, Reue, Bedauern, Schuld. Nutzlose, wertlose, unpraktische Worte, die an nutzlose, wertlose, unpraktische Gefühle geknüpft waren. Schuld löste gar nichts, Reue änderte nichts und Bedauern warf eine Mitleidsparty. Aber Leidtun war das riesige schwarze Loch, das jedes Synonym für ‚Leidtun‘ und jede Bedeutung, die damit verbunden war, in eine Leere ohne Wiederkehr saugen würde, aus der er niemals entkommen könnte, wenn er zuließ, dass er fiel. 

 

Auf keinen Fall.

 

Shikamaru atmete langsam aus und seine Stimme nahm dieselbe verstörende Ausdruckslosigkeit an wie sein Gesicht. „Es tut mir nicht leid…“

 

Gemessen an den zahllosen Kontexten, auf die sich diese Worte beziehen konnten, ging er nicht davon aus, das Neji die Bedeutung hinter ihnen greifen könnte. Und er hoffte, dass der Jōnin auch nicht danach suchen würde. Als Antwort darauf griff Neji auf die einzige Weise zu, die ihm im Moment zur Verfügung stand und die bestand darin, seine Umklammerung härter werden zu lassen, bis Shikamarus Finger erneut flach gegen das Glas gezwungen wurden. 

 

„Wäre es dir lieber, wenn es mir auch nicht leidtun würde?“, fragte Neji.

 

Shikamaru zog die Brauen zusammen. „Was?“

 

Der kalte Stahl verschwand von seinem Nacken und wurde von der Wärme von Nejis Worten ersetzt, die seine Haut streichelten. „Diese Nacht…was ich dir angetan habe…“

 

Shikamarus Finger zuckten und seine Muskeln spannten sich an. „Vergiss es.“

 

„Ich kann es nicht vergessen.“

 

„Das solltest du. Ich habe es.“

 

„Hast du?“, erwiderte Neji und seine Lippen glitten direkt hinter Shikamarus Kiefer entlang. „Albträume kom-“

 

„Nein, das tun sie nicht, aber das ist es nicht.“, schnitt Shikamaru ihm kopfschüttelnd das Wort ab, während er sich auf die Worte zu konzentrieren versuchte, statt auf die Hitze von Nejis Atem. „Das ist es nicht.“

 

Damit würde ich klar kommen…

 

Während die Nacht, die Neji meinte, zwar durchaus immer wieder in Nachtmahr ähnlichen Flashbacks zurückkehrte, suchte sie ihn dennoch nicht ansatzweise so sehr heim, wie sie es vermutlich hätte tun sollen. Manchmal machte es ihm eine Heidenangst, daran zurück zu denken und über all die Möglichkeiten nachzugrübeln, wie diese Nacht hätte enden können. Doch es hatte keinen Sinn, all die ‚Was wäre, wenn…‘ zu berechnen. Seine Träume von Neji beinhalteten nie die Gewalt und die Rachsucht dieser Nacht – wäre es so gewesen, dann wäre es wahrscheinlich soviel leichter gewesen, sich zum Vergessen zu zwingen. 

 

„Es liegt nicht an dir.“, murmelte Shikamaru. „Auch wenn das zumindest Sinn machen würde…“

 

Die einzige Sache, die Shikamaru mit unumstößlicher Sicherheit wusste, war, dass Neji vielleicht diese Albträume in ihm geweckt hatte, aber der Hyūga war kein Teil von ihnen. Und in den letzten paar Nächten waren es die Albträume, nicht Neji, gewesen, die Shikamaru ruckartig aus dem Schlaf und in einen Wachzustand der Panik gerissen hatten. Neji war der Auslöser gewesen, nicht die Falle. Die Falle war die Vergangenheit. Und jetzt im Moment waren ihre eisernen Kiefer wie ein Schraubstock um sein Hirn geklammert. 

 

Ich muss es nur wieder neu verkabeln…meinen Kopf zurecht rücken…

 

Ehrlich gesagt hätte er es jetzt gerade versuchen sollen, das zu tun.

 

Jetzt sofort. 

 

Nejis Handflächen fühlten sich zu warm gegen seine Haut an und sein Atem war zu heiß gegen die angespannte Linie von Shikamarus Kiefer. Und obwohl sie sich immer noch nicht an Rücken und Brust berührten, fühlte sich der geringe Raum zwischen ihnen wie eine magnetische Wand an, die seinen Körper anschob und an seinem Blut zerrte. 

 

Verrückt…

 

Allein die Hitze, die Nejis Haut ausstrahlte, drohte, die kühlen und rationalen Gedanken fort zu brennen, die darum kämpften, einen Halt in Shikamarus Kopf zu finden. Er konnte spüren, wie sein Verstand abrutschte, spürte das Aufwühlen einer tiefen urtümlichen Begierde wie eine Gegenströmung in sich. Und mit jedem Herzschlag nahm sie gefährlich an Voltzahl und Spannung zu, die über seine Wirbelsäule kribbelte. 

 

So verrückt…

 

Kopfschüttelnd sprach er seine nächsten Worte laut aus, ohne es zu realisieren. „Schätze mal, dass Sinn nie zur Debatte stand.“

 

„Nein…“, stimmte Neji sanft zu. „Wie du mir einmal gesagt hast, sind nicht all unsere Sinne rational.“

 

„Jo. Und du hilfst mir dabei nicht gerade.“

 

Nejis Finger geisterten über seine Knöchel und zerrten seinen Herzschlag in einen Rhythmus, den er zu bekämpfen versuchte. Verdammt seien diese Hände…und ihre Fähigkeit, ihn zu stimmen wie ein Instrument, das auf jede Saite reagierte, an der Neji zupfte, ohne es überhaupt versuchen zu müssen. 

 

Und als würde er seine Gedanken spüren, legten sich Nejis Lippen an seine Schulter, bevor die tiefen Töne des Jōnin von dem geringsten Hauch von Humor umspielt wurden. „Für einen Verstand wie deinen muss das zum Verrückt werden sein. Lasse ich dich besinnungslos zurück, Nara?“

 

Du lässt mich verfickt nochmal nutzlos zurück, Hyūga, das ist es, was du tust…

 

„Bin mir nicht so sicher, ob du wirklich gelernt hast, den ‚gehen‘ Part zu beherrschen.“, knurrte Shikamaru. 

 

Neji wurde still. 

 

Seine Finger erstarrten gegen Shikamarus Hände und gefroren zu Regungslosigkeit. 

 

Aufgeschreckt von der plötzlichen Stille hob Shikamaru seinen Blick zum Glas – und zuckte zusammen. Es war nicht das Eis auf Nejis Gesicht, das ihn traf – es war die Intensität dessen, was in seinen Augen schwelte. Ein Sturm opalen Feuers, das roh und heftig mit Emotionen glühte…aber es waren Emotionen die so schmerzhaft kontrolliert waren…Emotionen, die dazu bestimmt waren, tief begraben und entfernt zu bleiben…wie die Hitze in den Herzen sterbender Sterne. Es war ein Anblick, der so voll von vergeblichen Gefühlen war, so voll von einer wissenden Traurigkeit, dass es qualvoll den Atem aus Shikamarus Brust riss. 

 

Und dann riss Nejis Lächeln geradezu sein Herz heraus. „Es gibt schlimmere Dinge, die ich nicht beherrschen könnte, sobald ich in deiner Nähe bin, Shikamaru.“

 

„Gott, nicht.“, hauchte Shikamaru und begann in seinem Innersten zu beben. „Wage es verfickt nochmal ja nicht, Neji.“

 

„Es ist die Wahrheit.“

 

„VERDAMMT SEIST DU, HYŪGA!“, brüllte Shikamaru, riss seine Hände zurück und wirbelte herum, um Neji von sich zu schieben; verängstigt, dass sich das Brennen in diesen Augen direkt durch ihn hindurch sengen würde. „Halte dich VERFICKT nochmal fern von mir!“

 

Das Starren erwidernd zog sich Neji keinen Millimeter zurück, gab nicht nach oder reagierte. Er richtete einfach nur wieder seine Gelassenheit auf. Und er erlangte sie mit dieser verdammten, hassenswerten Anmut wieder, die ihn noch ein Stückchen weiter außer Reichweite brachte, ohne dass er körperlich gehen musste. 

 

Traurigkeit und Kummer zerrten unbarmherzig an Shikamaru und zerfetzten ihn wie ein gezacktes Messer. 

 

Seine Lippen verzogen sich zu einem Knurren. „Verschwinde!“

 

„Werde zorniger.“, konterte Neji leise. „Du hattest niemals zuvor die Gelegenheit dazu. Vielleicht ist es das, was du brauchst.“

 

Shikamarus Augen wurden rund, zornig, fassungslos. „Brauchen?“, echote er. 

 

Vollkommen ruhig sah Neji ihn an. „Ist es denn das, was du brauchst, Nara?“

 

Die Frage brachte etwas in Shikamarus Verstand zum Reißen. 

 

In der Spanne eines Herzschlages verlor er seinen Stand auf den mentalen Drähten, auf denen er balanciert war. Mit einem blutroten Aufflammen schlossen sich die Kabel kurz und die Grenzkontrolle in seinem Kopf legte den Schalter von ‚Hirn‘ auf ‚Körper‘ um. 

 

Intellekt trat nach hinten. 

 

Impuls stürzte nach vorn – direkt in seine Faust. 

 

„Du sadistischer, selbstsüchtiger Hurensohn!“, brüllte er. 

 

Opalaugen flogen weit auf. 

 

Neji warf sein gesamtes Gewicht nach hinten, um dem Schlag zu entgehen und seine Wirbelsäule bog sich durch wie bei einem Limbotanz, während er sich in den Knien zurück beugte, ohne dabei seinen Stand zu verlieren. Er fing sich auf der rechten Hand ab und sein linkes Bein schnellte nach außen in Richtung des inneren Schenkels des Schattenninjas. 

 

Shikamarus Reflexe retteten ihn. 

 

In einem geschickten Sprung zog er die Füße nach oben und riss sofort die Faust nach hinten, als sein Körper wieder nach unten kam. Er spürte das raue Knacken seines Knies, das auf dem Boden aufschlug, als er von dem Hieb seiner Faust nach vorn gezogen wurde, die an die Stelle hämmerte, an der sich Nejis Kopf noch wenige Sekunden zuvor befunden hatte. 

 

„VERDAMMT!“, schrie er. 

 

Shikamaru schnellte herum. 

 

Nejis Handfläche schoss auf sein Gesicht zu, der Ballen stieß dabei nach oben und außen. 

 

Den Kopf in den Nacken werfend fühlte er, wie das Handgelenk des Hyūga über seine Kehle kratzte und sein Kinn streifte. Shikamaru folgte dem Momentum und floss nach hinten in eine Rückwärtsrolle, die ihn auf seine Fußballen brachte und ihm genug Halt gewährte, um springen zu können. 

 

Er stürzte vorwärts. 

 

Und Neji traf ihn auf halbem Weg seines Ausfalls. 

 

Ihre Schläge trafen aufeinander, blockten sich aber gegenseitig ab und trieben Shikamaru in eine Reihe scharfer Hiebe. Jeder einzelne wurde nahtlos von den Kurven und Neigungen von Nejis Händen pariert und die Handgelenke des Hyūga rollten in einem vollkommen mühelosen und flinken Tanz über Shikamarus.

 

„Fühlt sich das besser an als wegzurennen, Nara?“

 

„Tz!“ Frustriert stieß sich Shikamaru von dem lackierten Tisch ab und schwang sein Bein in einem Rundumkick herum. 

 

Neji duckte sich, floss nach rechts und erhob sich rasch wieder mit einem Schlag nach außen. Der Hieb zischte durch die Luft nahe an Shikamarus Kiefer, doch der rollte sich bereits davon weg. In einer hockenden Haltung kam er wieder auf die Füße und dunkle Augen scannten Nejis Ebenholz- und Elfenbeinfigur. Er sah zu, wie die Enden des Yukata zusammen mit dem Haar des Hyūga durch die Luft drifteten, als er pantherartige Kreise schlich. 

 

„Vor zwei Wochen hättest du mich so bekämpfen sollen.“, sagte Neji. „Endlich hast du genug Verstand, mich anzugreifen, als würdest du es wirklich ernst meinen.“

 

„Halt’s Maul!“, fauchte Shikamaru mit scharfen Augen, die durch die Dunkelheit schnitten. 

 

„Dann solltest du stattdessen lieber reden, oder? Obwohl dieses vertauschte Rollen Spiel viel besser zu deinem Sinn für Ironie passt, nicht wahr?“

 

Shikamarus Augen verengten sich zu Schlitzen; die Worte schnitten sich tief und brutal in sein Herz und rissen wie überspannte Drahtseile in ihm. „Na sicher, denn dank dir beherrsche ich die Vier Uhr Morgens Albträume inzwischen verfickt nochmal perfekt. Gib mir noch einen Kontrollkomplex und dann muss ich nur noch an dem Bluthusten arbeiten.“

 

„Gut. Gib mir deinen Zorn.“

 

„Zorn?“, zischte Shikamaru vor Wut überschäumend, angespannt und bebend, während er einen Arm nach hinten ausstreckte, um die Balance halten zu können. „Ja, ich möchte wetten, dass du dir darauf einen runterholst.“

 

Neji blieb nahe dem Alkoven stehen und seine eisweißen Augen funkelten gefährlich. „Du denkst, dass mir dein Schmerz gefällt? Dass er mir Vergnügen bereitet?“

 

„Und das fragt der verkappte Sadist.“

 

Ein leises Lachen. „Ich habe deine scharfe Zunge vermisst, Shikamaru.“

 

Und dennoch schien seine scharfe Zunge einzig und allein in sein eigenes Herz zu schneiden; mit einem hasserfüllten Wort nach dem anderen kratzte sie an dem Schorf und den Narben. Energisch biss sich Shikamaru auf die Zunge und schmeckte den kupferartigen Stich von Blut. 

 

„Ich bin fertig damit zu reden.“

 

„Nun, Körper sprechen auch. Und sie lügen nie.“ Neji hörte auf, seine Kreise zu ziehen und wandte sich mit ausgestreckten Armen seitwärts, während sich seine Finger einladend krümmten. „Also lass uns eine ehrliche Unterhaltung führen, Nara.“

 

„Ich werde dir deinen gottverfickten Kiefer brechen, Hyūga…“, knurrte Shikamaru zähnefletschend. 

 

„Ach wirklich? Das ist eine großspurige Drohung.“, grinste Neji und stachelte die Situation mit derselben Ruhe weiter an, die Shikamaru fuchsteufelswild machte. „Na dann lass uns mal sehen, ob du sie auch untermauern kannst. Mit Sicherheit haben dir die Nijū Shōtai etwas beigebracht.“

 

Shikamaru erhielt nicht einmal die Chance, etwas darauf zu antworten. 

 

Neji stieß sich urplötzlich von seinem rechten Bein ab und katapultierte sich in einem Scherentritt durch die Luft nach vorn. 

 

Fluchend sprang Shikamaru einen Schritt vorwärts, duckte sich unter dem Kick weg und wirbelte in einer Schraube über dem lackierten Tisch herum. In der Hocke landend fühlte er, wie Nejis Fuß über seine Wirbelsäule strich und an seiner Schulter vorbei schoss; nur eine Haaresbreite von seiner Wange entfernt. 

 

Shit!

 

Den Kopf drehend warf Shikamaru einen vernichtenden Blick auf Nejis angespanntes Bein, das wie eine Klinge über den Tisch ausgestreckt war; hart wie Granit und mit verschlossenen Muskeln. Und dennoch sah der Hyūga gefasster aus als ein Mönch, der eine Kata vollführte.  

 

„Hn.“ Neji hob das Kinn und blickte durch dichte Wimpern und über die Länge seines ausgestreckten Beines hinweg nach unten, während er eine Braue hob. „Wird schwer, von dahinten meinen Kiefer zu brechen, Shikamaru.“

 

„Nur dein Knie.“, spie Shikamaru aus und drehte sich auf dem Rücken, um seinen Fuß in den Tisch zu rammen, als er darauf zielte, Nejis stehendes Bein unter ihm wegzureißen. 

 

Doch Neji war weg vom Boden, bevor der Schlag treffen konnte. Als der Tisch an ihm vorbei schoss, donnerte Neji seine Handfläche auf die sich nähernde Oberfläche; sein gesamter Körper bog sich in einem einhändigen Radschlag, der ihn direkt über Shikamaru und zurück auf einen Fuß schleuderte. 

 

Das andere Bein schlug nach hinten aus. 

 

Shikamaru wehrte den Tritt ab und zog seinen Oberkörper an den Hüften nach hinten, während seine Schulterblätter wie Hacken aneinander stießen und er die Handflächen bereit für den nächsten Hieb nach oben und vor sich hielt. Nejis Kicks kamen wie ein Schnellfeuermagazin, als immer derselbe Fuß in einer abartigen Geschwindigkeit um sich schlug, die Shikamaru mit Ellbogen, Unterarm, Handgelenk und Hand abwehrte. 

 

Ihre Bewegungen waren verschwommene Blitze in der Dunkelheit.

 

Die Tritte kamen noch schneller. 

 

Fluchend konnte Shikamaru spüren, wie Schweiß auf seiner Haut brannte. 

 

Und Neji gab keinen Ton von sich; war nicht einmal angestrengt. 

 

Ein Schlag traf härter als die anderen, glitt von Shikamarus überkreuzten Armen ab und trieb ihn zurück auf die Knie, bevor er in einem harschen Ruck über den Tatami Boden schlitterte. Heftig keuchend funkelte er zornig hinauf zu Nejis ihm zugewandten Rücken. 

 

Mit unheimlicher Besonnenheit neigte Neji wenige Grade den Kopf, um durch ein von Byakuganvenen umgebenes Auge über die Schulter zu spähen. Eingehüllt in den Schein der Blitze, nahm er ein geistgleiches Antlitz an, das beinahe dafür sorgte, dass Shikamaru die gesamte Realität, die sich gerade vor ihm abspielte, hinterfragte. 

 

„Du bist schneller als früher.“, bemerkte Neji mit einer vollkommen neutralen Stimme. „Obwohl ich bezweifle, dass Asuma-senpai dir beigebracht hat, ohne irgendeinen Fokus zu kämpfen. Wo ist deine Strategie? Und was noch viel wichtiger ist; wo ist dein Chakra?“

 

Grollend stürzte sich Shikamaru über die Couch und wurde dabei einzig und allein von Instinkt getrieben. Er schwang sein Bein hoch nach oben, sodass die Ferse in einem Axe-Kick auf Nejis Schädel niederging, doch er bemerkte viel zu spät, dass die Polster ihn nicht ausreichend stützten. 

 

Sein Tritt verlor an Kraft. 

 

Geschickt – quasi ohne es überhaupt wirklich versuchen zu müssen – fing Neji das Bein zwischen dem Kreuz seiner Handgelenke ab. „Du bist nicht wirklich näher dran, meinen Kiefer zu brechen, Nara, eher dein eigenes Bein.“

 

„Fick dich!“, blaffte Shikamaru, stieß sich mit einem Spielen schlanker Muskeln von seinem abgestellten Fuß ab und ließ sein Knie in Richtung Nejis Gesicht schnellen.

 

Doch Neji war bereits wieder in Bewegung und Shikamaru fühlte, wie sich die Welt in einer Übelkeit erregenden Woge neigte und ihn komplett aus dem Gleichgewicht brachte. Mit dem Kopf voran flog er über Nejis Schulter und landete so hart auf dem Rücken, dass ihm sämtlicher Atem aus den Lungen gepresst wurde und er heftig nach Luft schnappen musste. 

 

Doch ihm blieb keine Zeit, sie wieder zu finden. 

 

Neji kam über ihn, während sich blasse Finger um seine Handgelenke schlangen. 

 

Shikamaru bockte heftig nach oben. „GEH RUNTER VON MIR!“

 

Neji zog den Kopf zurück, um einer gebrochenen Nase zu entgehen. „Wenn du mich schon so kopflos angreifst, dann setz deine Wetten wenigstens auf dein Chakra, Shikamaru, nicht auf dein Glück. Das ist dir gerade ausgegangen.“

 

Shikamaru erstarrte und Eis flutete in einer Woge der Erinnerung durch ihn. 

 

‚Dir ist das Chakra ausgegangen, Shika-kun, und noch dazu all dein beschissenes Glück.‘

 

Panik jagte durch Shikamarus Augen und Schwärze kroch in sein Sichtfeld. 

 

Nein…

 

Tief in seinem Inneren glitt sein Chakra wie Öl durch ihn; verdunkelte und verdichtete sich entlang der Ley-Linien seines Chakranetzwerkes. Es sammelte sich in Tenketsu wie Tinte, die Schlaglöcher füllte, bevor es überlief und sich weiter ausbreitete, bis es völlig außerhalb irgendeiner Kontrolle rutschte. 

 

Neji versteifte sich und zog sich zurück. Seine Byakuganaugen waren weit, als er seinen Kopf auf eine Seite legte. 

 

Shikamaru starrte zu ihm hinauf, sah aber auch nicht nur eine verdammte Sache; spürte nicht, wie diese lunaren Augen seinen Körper scannten oder wie kalte Hände seinen Kopf einrahmten. Er hörte nicht einmal wirklich die Worte, die Neji gegen seinen Mund hauchte. 

 

„Ich werde dich weiter bekämpfen, wenn ich das tun muss, um dich finden zu können.“

 

‚Hätte nicht gedacht, dass ich dich im Onsen meines alten Herren finden würde, Shika. Kann nicht sagen, dass ich enttäuscht bin.‘

 

Shikamarus Herz donnerte. 

 

Blitze wuschen den Raum weiß und rissen die Schwärze fort. 

 

Nejis Augen flammten in dem Glühen auf. „Bekämpfe mich, nicht dich selbst!“

 

Bebend kehrte Shikamaru ruckartig in sich selbst zurück. Ihm blieb keine Zeit, irgendwie zu reagieren. Neji zerrte ihm vom Boden hoch und schob ihn nach hinten; gewährte ihm genug Abstand, um seine Konzentration wiederzuerlangen, aber nicht genug Zeit, um sie zu festigen. Er konnte keinen Griff daran erhaschen. Der Fokus entglitt ihm und rutschte aus seinem Verstand. 

 

Er sah auf und Neji war nichts weiter als ein Schemen, der erneut nach vorn stürzte. 

 

Und entgegen allem, was er jemals gelernt hatte, bewegte sich Shikamaru keinen Millimeter. 

 

All sein Training war vollständig aus seinem Kopf geflohen. 

 

Hätte er seinen Verstand genutzt, um die nächste Phase des Kampfes zu choreographieren und zu kalkulieren, dann hätte er auf die Taijutsu Taktik ‚Aus dem Gleichgewicht bringen‘ zurück gegriffen. Hätte sein Hirn seinen Körper gesteuert, dann hätte er Geschwindigkeit, Distanz und Einkeilen dazu genutzt, Neji in eine Position zu manövrieren, die ihm die Balance rauben würde. Diese Taktik gab ihm die sicherste, klügste und erfolgreichste Chance auf einen Sieg. Er hätte es sofort und vollkommen automatisch getan, wenn sein Kopf ihn leiten würde. 

 

Doch sein Kopf war aus dem Spiel. 

 

Und das ließ Shikamaru das absolut Dümmste tun, was er hätte tun können, wenn er mit einem angreifenden Nahkämpfer konfrontiert wurde. Er stürzte sich direkt in die kommende Attacke; wie ein Geschoss, das völlig unabhängig von den Kosten in die Luft gehen würde.

 

Nejis Augen flogen Sekundenbruchteile vor dem Aufprall weit auf. 

 

Und dankbarerweise waren Sekundenbruchteile alles, was der Hyūga brauchte, um seinen Körper zu neigen. 

 

Sie krachten schräg ineinander, sodass ihre Schultern heftig bebten

 

Die Kollision ließ Shikamarus Zähne hart aufeinander klacken, der Aufprall vibrierte seinen Arm entlang und seinen Nacken hinauf. Sie schlugen zu, wirbelten herum und schlugen wieder zu; Unterarme kreuzten sich wie Schwerter, während sie sich gegenseitig vor und zurück schoben, nach Halt und Überlegenheit suchten und auf Schmerz und Position drängten. 

 

Draußen flammten Blitze aus. 

 

Shikamaru veränderte den Winkel seines Stoßes und zwang Neji damit in eine Drehung. Und durch irgendeinen blendenden Glücksfall ließ Nejis Kraft nach. Im kleinsten Augenblick zerrte Schmerz an den Winkeln seiner blassen Augen und er krümmte sich mit einem Keuchen, als hätte er einen heftigen Hieb von hinten einstecken müssen. 

 

Sein rechtes Bein knickte ein. 

 

Shikamaru hielt nicht inne, um sich zu fragen, was zur Hölle gerade passiert war; er reagierte einfach nur. Sofort nutzte er die Öffnung und stürzte mit einem Knurren nach vorn, schubste Neji zurück und nahm dem Hyūga das Gleichgewicht. Er folgte dem Stoß mit einer Bewegung wie ein Rammbock und erwischte den Jōnin direkt auf dem Brustbein. 

 

Nejis Rücken prallte mit voller Wucht in einem brutalen Knacken gegen die Wand. 

 

Shikamaru trat einen kleinen Schritt zurück, zog einen Arm zurück und war bereit, den Schmerz mit einer Faust ins Schwarze treffen zu lassen. 

 

Sein Arm schwang herum, gerade als sich ihre Blicke trafen. 

 

Und etwas veränderte sich. 

 

Shikamarus Faust krachte in das Fusama Paneel neben Nejis Kopf, zerriss Papier, zersplitterte Holz und zerschmetterte das Gitter, bevor sie in einem markerschütternden Schlag in die Wand dahinter donnerte. Schmerz explodierte in einem heißen Ansturm und jagte Shikamarus Arm mit derselben Macht entlang, wie der Klang, der sich unaufhaltsam seine Kehle hinauf drängte. 

 

Er konnte ihn nicht ihn sich halten…

 

Konnte ihn nicht kontrollieren…

 

Er schloss krampfhaft die Augen, presste seinen offen fallenden Mund gegen Nejis Hals…und schrie.

 

 
 

~TBC~
 

________________________

Sooo und es geht (hoffentlich) spannend weiter bei Shikamaru ;) ich habe euch am Anfang einen Text mit eingefügt, der mich irgendwie extrem an Shikamaru und irgendwie auch an Neji erinnert. Ich habe das Lied sehr oft beim Schreiben dieses und des nächsten Kapitels gehört und finde einfach, dass es die Stimmung wahnsinnig gut einfängt!

Und ja, das nächste Kapitel ist schon fertig, ich habe mir sogar überlegt, es als ein großes hochzuladen, habe mich dann aber doch dagegen entschieden. Der Liedtext gehört aber zum nächsten Kapitel auch noch mit dazu :D
 

Ich hoffe sehr, dass euch das Kapitel hier gefallen hat, es kommt ja wieder ein bisschen was zu Shikamarus Vergangenheit ;) 

Über Kommentare würde ich mich wie immer riesig freuen! <3

Und ich habe natürlich nicht vergessen, auf die bisherigen Kommentare zu antworten, bin nur noch nicht dazu gekommen...Schande über mein Haupt!
 

Vielen Dank wie immer an alle meine lieben Reviewer/innen und Leser/innen für all eure Unterstützung und dass ihr ShikaNeji die Treue haltet!! <3

 

Make it real

Der Klang von Shikamarus Schrei stach sich wie eine Klinge aus Eis durch Neji. 

 

Sie schnitt sich aufwärts durch sein Brustbein und grub sich mit der zweifachen Wucht von Shikamarus Faust zerfetzend in sein Herz. Der Klang erschütterte ihn, schockierte ihn, machte ihn vollkommen bewegungsunfähig. Seine Finger gruben sich in das Paneel an seinem Rücken, während sein Körper zu Stein erstarrte. 

 

Wieder und wieder explodierte der heisere Schrei in seinem Kopf. 

 

Fassungslos starrte Neji blicklos und mit weit aufgerissenen Byakuganaugen über Shikamarus Schulter. 

 

Der heftige Schmerz in seiner Niere – eine der Gefälligkeiten von Hitaro – war fort. Er spürte nichts mehr davon. Denn alles, was er fühlte, war das erschütternde Trommeln seines Pulses unter dem Mund des Schattenninjas, das Kratzen aufgesprungener Lippen gegen seinen Hals und das heiße Brüllen, das sich wie Feuer seinen qualvollen Weg nach außen brach. Und es brannte direkt durch Neji hindurch; versengte seinen Atem zu einem Ball aus Asche in seiner Kehle. 

 

Für einen entsetzlichen Moment konnte er nicht atmen, nicht denken. 

 

Bis ein weiterer blauweißer Blitz jenseits der Fenster flackerte. Donner krachte und rollte und erstickte das Echo von Shikamarus Schrei. Es reichte aus, um Neji aus seiner Schockstarre zu befreien und ihn aus dem Alarmzustand zu zerren, der seinen Fokus vernebelte. 

 

KONZENTRIER DICH!

 

Ruckartig kehrte die Luft zu ihm zurück. 

 

Hektisch blinzelnd ließ er seinen Blick über Shikamarus Arm wandern. Die ganze Hand und das Gelenk des Nara waren in das zersplitterte Paneel eingebettet. Venen traten entlang der schlanken Muskeln seines Unterarms und Bizeps hervor und seine olivfarbene Haut war schweißnass, mit Blut besprenkelt, zuckte und bebte. 

 

Neji blinzelte erneut.

 

Götter…

 

Sehr langsam und bedächtig atmete er ein und wehrte sich gegen den unmittelbaren Drang zu wüten und zu reagieren. Und die Ruhe kam schnell, milderte das Feuer in seinem Blut und beruhigte den gewaltbereiten Wirbel seines Chakras. 

 

Chakra…

 

Die Venen um seine Augen spannten sich an und seine Byakuganpupillen wuchsen und schrumpften, während er aufmerksam Shikamarus Körper scannte. Das schwarze Netzwerk, das er vorhin gesehen hatte, wie es entlang von Shikamarus Chakrapfaden vollkommen außer Kontrolle geraten war und sich in pures Chaos gestürzt hatte, war verschwunden; es war zurückgekehrt zu seinem trägen gleichmäßigen Mäandern.

 

Was zur Hölle war das? Es schien ihm nicht einmal bewusst gewesen zu sein.

 

Und Neji hatte noch niemals zuvor gesehen, dass Chakra so seltsam gerann, nur um sich dann sofort wieder zurück zu einem Zustand müßiger Zirkulation zu verflüssigen. Es bestürzte ihn. Aber was noch viel stärker war als seine Verwirrung, war seine Sorge. 

 

Denk nach. Begegne dieser Sache, reagiere nicht darauf.

 

Doch jede logische Antwort wies ihn an, Shikamaru von sich zu schieben. Er bereitete sich darauf vor, genau das zu tun, nur um sofort festzustellen, dass er es nicht konnte. Die Befehle, eine unmittelbare Distanz herzustellen, wollten einfach nicht ausgeführt werden und so verharrte er in einem Zustand der Paralyse, bis er aus irgendeinem instinktiven Willen heraus eine Hand hob und sie an Shikamarus unterem Rücken schweben ließ. 

 

Zögernd hauchte er einen kühlen Strom über die Schläfe des Nara. „Shikamaru…“

 

Shikamaru zuckte zusammen und gab einen angespannten erstickten Ton von sich und die Sehnen in seinem Hals waren steif und straff gezogen. Die Muskeln in seinem Arm verkrampften sich zu einer heftigen Beule und Neji senkte seinen Blick hinunter auf den geringen Raum zwischen ihren Körpern. Shikamarus Yukata war auf eine Seite gefallen und offenbarte einen Teil der sich heftig hebenden Brust und des bebenden Torsos, der in dem mageren Licht schimmerte. Sein zerfetztes Keuchen brach unregelmäßig aus ihm heraus und gegen Nejis Kehle; lauter als der hämmernde Regen an den Scheiben. 

 

„…tut mir nicht…“, krächzte er wieder und wieder. „Tut mir nicht…tut mir nicht…“

 

Nicht? Nicht was?

 

Etwas sagte Neji eindringlich, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt war, um diese Frage zu stellen – oder überhaupt irgendeine Frage. Ein Verhör schrie geradezu nach einer Katastrophe. Und er hatte bereits mehr als genug Schaden angerichtet, indem er eine evasive Persönlichkeit wie Shikamaru in eine Konfrontation gedrängt hatte, von der er gedacht hatte, er könnte sie unter Kontrolle halten. 

 

Ein klarer Fall von arrogantem Genie, oder nicht?, höhnte Nejis Verstand. Kami, du Narr.

 

Den selbstverspottenden Gedanken vertreibend, schöpfte er langsam aus einem tiefen Reservoir der Ruhe. Aber er musste nicht lange warten. Shikamarus Atmung stabilisierte sich rasch und das leise Skandieren seiner Worte wurde zu einem gehauchten Wispern gegen Nejis Kehle.

 

‚Tut mir nicht…‘

 

Ganz langsam und mit unendlicher Fürsorge strich Neji mit der Handfläche Shikamarus Rücken hinauf, folgte der Kurve der Wirbelsäule des Nara, zog sie über blutroten Stoff und ließ sie weiter über ein bloßgelegtes Schulterblatt wandern, bis er Shikamarus Nacken erreichte. 

 

Er drückte sanft. „Shikamaru…“

 

Und Shikamarus Körper erschlaffte bemerkbar bei der Berührung, während die Luft in einer weiteren heißen Woge seinen Mund verließ. Defensiv zog er die Schultern nach oben, aber er begann nicht zu kämpfen. Stattdessen klatschte er seine andere Hand gegen die Wand neben Nejis Kopf, erbebte ein einziges Mal und stützte all sein Gewicht auf seine Arme, um ihre Hüften auseinander zu halten. 

 

Wenn auch unbewusst, war das wahrscheinlich ein kluger Zug. 

 

Stirnrunzelnd hörte Neji das Knacken und Knarzen von Holz und das Rascheln von Papier. Rasch spähte er auf die immer noch vergrabene Hand. Er musste dafür sorgen, dass Shikamaru den Druck davon nahm. 

 

Zärtlich drückte er erneut den Nacken des Schattenninjas. „Lehn dich an mich…“, sagte er leise. 

 

Beinahe sofort ließ Shikamaru seine Stirn in Nejis Halsbeuge sinken und sog einen langen tiefen Atemzug durch die Nase ein. Er presste sich zwar nicht weiter nach vorn, aber er zog sich auch nicht zurück. Und das ließ Neji auf Messers Schneide einer Entscheidung zurück, die er nicht treffen wollte; eine Wahl, entweder die Kontrolle zu übernehmen oder alles vollkommen unvorhersehbar entfalten zu lassen – eine qualvolle Welle nach der anderen.

 

Instinkt brüllte ihn an, die Kontrolle zu übernehmen. 

 

Kontrolle.

 

Götter, er hatte sie bereits vollständig verloren, indem er hierher gekommen war, indem er hier blieb und indem er zuließ, dass sich Bedürfnis über Notwendigkeit stellte. Es widersprach jeder Regel, die er hätte aufstellen müssen. Doch selbst die hartnäckigsten und tiefsitzendsten Bedürfnisse wurden von etwas Stärkerem überwunden. 

 

Das Bedürfnis, unter Kontrolle zu bleiben, wurde von dem Bedürfnis ersetzt, einfach nur zu…

 

Bleiben…bleib.

 

Neji presste die Lider aufeinander und versuchte, all die Ängste abzuwehren, die dieses Wort auslöste. Die Zähne zusammenbeißend wandte er seinen Mund der so vertrauten Zickzack Haarlinie zu, während seine Finger von Shikamarus Nacken nach oben wanderten, um den Kopf des Nara zu streicheln. 

 

Das war genug Denken. Tu etwas.

 

Was denn tun? Shikamaru derselben Kante entgegen schubsen, von der der Schattenninja ihn zurück gezogen hatte?

 

Lass ihn allein. Das ist es, was du tun musst. Lass ihn vergessen…

 

Was für eine grausame Pointe der Ironie – erneut davon zu laufen, nicht weil es ihn nicht länger kümmerte, sondern weil es ihn zu sehr kümmerte. 

 

 Viel zu sehr…mehr als ich-

 

„Shit…“, wisperte Shikamaru plötzlich und schreckte Neji damit aus seinen Gedanken auf. 

 

Er neigte leicht den Kopf, um zu signalisierten, dass er gehört hatte und stupste zaghaft Shikamarus Wange mit der Nase an, um zu versuchen, das Kinn des Nara nach oben zu locken. „Rede mit mir, Shikamaru.“

 

Nichts. 

 

Neji hielt den Atem an und in seinen Ohren rauschte es, als er sie spitzte, um eine Antwort zu erhaschen, die nicht kam. 

 

Verdammt.

 

Finger aus Anspannung krallten sich hart in seinen Magen. Da er eigentlich Stille erwartet hatte, zuckte Neji leicht zusammen, als Shikamaru ein gebrochenes bebendes Kichern hören ließ, dem ein verspätetes Wimmern und ein reflexartiges Rucken seines Armes folgten. Holz ächzte und klapperte hinter dem Paneel. 

 

Shikamaru grollte leise: „Wie lästig…“

 

Das leise Schlagwort löste bei Neji einen plötzlichen Atemzug aus. Doch der kalte Griff in seinen Eingeweiden ließ ihn nicht los; denn trotz Shikamarus fragilem Versuch an Humor, konnte Neji deutlich das Spielen und Zucken von jedem Muskel fühlen, die sich im Kiefer des Schattenninjas bewegten. 

 

Körper lügen nicht.

 

Nejis Augen wurden weich. Zumindest so viel war an Shikamaru vorhersehbar. Er versuchte, erneut seinen Chamäleonakt aufzurichten und seine Sinne zusammen zu kratzen. 

 

Kontrolle wiederzuerlangen.

 

Hätte Neji das Wesen von Kontrolle nicht so gut verstanden und das Bedürfnis danach, sich zu verteidigen und sich aus jedem möglichen Winkel abzuschirmen, hätte er sich vielleicht überfordert und ratlos gefühlt. Doch alles, was er fühlte, war der überwältigende Drang zu beschützen. Und es hatte rein gar nichts mit Verpflichtungen, Befehlen oder objektivem Denken zu tun. Es fühlte sich instinktiv, angeboren und unausweichlich an. 

 

Das ist nicht meine Rolle…oder mein Recht.

 

Jetzt im Moment bestand seine Rolle darin, sich um die Schadensbegrenzung zu kümmern.

 

Wie passend…

 

Auf der Suche nach dem schnellsten Weg, die Situation so sicher wie möglich zu gestalten, folgte Neji Shikamarus Beispiel und klammerte sich an die Rettungsleine aus Humor. Zaghaft berührte er mit seinem Mund das Ohr des Nara und wog seine Worte sorgfältig ab, bevor er leise sprach. 

 

„Nicht gerade dein klügster Zug.“

 

„Sag bloß.“, murrte Shikamaru mit einer Stimme, die von Nejis Schulter gedämpft wurde. „Schreib das mit auf die Liste der Vandalismus-Bilanz…“

 

Neji hob eine Braue, erinnerte sich dann aber wieder an seine vorherige Einbruchstaktik. Doch ehrlich gesagt hätten ihn das zerstörte Eigentum oder die Erstattungskosten nicht weniger kümmern können. Das war eine Sache, die sehr leicht behoben werden konnte – es gab deutlich schlimmere Dinge, die hier im Argen lagen. 

 

Das Kratzen zertrümmerten Holzes erklang lauter hinter dem ruinierten Paneel und es rieb in der Bewegung von Shikamarus Faust übereinander, als er forschend seine Finger ausstreckte und krümmte. 

 

„Yep…“, wimmerte Shikamaru das Gesicht verziehend. „Das ist auf jeden Fall gebrochen…“

 

„Deine Hand?“

 

„Die auch.“

 

Die trockene Antwort lenkte Neji nicht von dem Zittern in Shikamarus Stimme ab; als würde sein Körper immer noch von dem Schrei taumeln, den er losgelassen hatte. Und Neji wusste, dass er das Echo dieses Schreis für Wochen hören würde – zusammen mit all den Worten, die an dessen Schmerz geknüpft waren. 

 

‚Manche Dinge gehören in die Schatten…‘

 

Was für Dinge? Vor was versteckte er sich? Die Fragen brachten das Bild von Shikamaru zurück, wie er im Becken um sich schlug; zerfressen von Furcht, während er sich trotzdem unbarmherzig unter Wasser hielt. 

 

Warum?

 

Neji hatte gesehen, wie das Herz des Nara raste, hatte durch Haut und Muskeln bis in den panisch hämmernden Kern gesehen. 

 

Was zur Hölle sucht dich heim, Shikamaru? Und warum jetzt?

 

Die Fragen jagten einen kalten Schauer über Nejis Wirbelsäule und weckten einen noch viel verstörenderen Gedanken. Hatte der brutale Exorzismus seiner eigenen Vergangenheit und ihrer Geister zu einer Wiederbelebung von Shikamarus geführt?

 

Dank dir beherrsche ich die Vier Uhr Morgens Albträume inzwischen verfickt nochmal perfekt…‘

 

Die Luft schwoll in Nejis Lungen an und hielt sich krampfartig darin. Beinahe hätte er einen Satz gemacht, als er den sanften Druck von Shikamarus Hand an seiner Hüfte spürte, dem ein zaghaftes Klopfen des Daumens des Schattenninjas folgte, der einen wohlvertrauten Rhythmus anschlug. 

 

Neji übersetzte die Nachricht in dieser Berührung ohne Umschweife: Atme.

 

Kummer und das Gewicht von Erinnerungen stürzten durch ihn und die Anspannung in seiner Brust erreichte seine Kehle. Er spürte, wie Shikamarus Lippen langsam über seinen Kiefer strichen, bevor sie sich zärtlich an seinen Pulspunkt legten. 

 

„Wie lästig…“

 

Neji schluckte rau, während sich seine blassen Augen schlossen. „Sehr.“

 
 

~※~
 

 
 

Such weiter…

 

Neji durchkämmte die kleine Küchenzeile und suchte die Regale im Schein einer einzigen Wandlampe gewissenhaft ab. Das ambiente, aber nervig schummrige Licht frustrierte ihn in seinen Bemühungen, oder zumindest schob er es darauf, statt auf den steten Strom aus Gedanken und Warnungen, die ihn ablenkten und seine Konzentration stahlen. 

 

Geh. Geh jetzt.

 

Kopfschüttelnd hielt er die manuelle Form der Suche bei und weigerte sich strikt, sein Dōjutsu dafür zu nutzen. Eine Verzögerung gab ihm Zeit nachzudenken, Zeit, die Situation einzuschätzen.

 

Zeit, sich zu konzentrieren.

 

Seine Finger schlossen sich um eine kleine Box, die hinter eine Tüte Tiercracker verborgen war. Langsam zog er sie hervor und spähte auf das Erste Hilfe Symbol. Mission abgeschlossen. Auf dem Absatz machte er kehrt, um den leisen Flüchen und dem Geruch von Kaffee zu folgen, während er sich ununterbrochen darauf vorbereitete, den Schaden einzuschätzen, der sich auf der anderen Seite der Schlafzimmertür befand. 

 

Leise schob er das Paneel zurück und blieb im Türrahmen stehen. 

 

Shikamaru saß auf dem Futon und stierte mit genervter Miene in seine Kaffeetasse. Ein paar dunkle Strähnen waren seinem hohen Pferdeschwanz entkommen und rahmten die angespannte Neigung seines Kiefers wie scharfe schwarze Pinselstriche ein. Sein Yukata hing schief über seiner Brust und legte ein hervorstehendes Schlüsselbein und einen Teil seiner nackten Brust bloß, die sich in einem kontrollierten Rhythmus hob und senkte. 

 

Seine verletzte Hand ruhte auf seinem Schenkel. 

 

Nejis Augen folgten dem Faltenwurf des Yukata, wanderten über die skulpturierten Linien von Schenkel und Knie und senkten sich dann hinunter zu einer verkrampften Wade, in der sich ein Muskel in einem unruhigen Zucken anspannte. 

 

Konzentrier dich.

 

Neji blinzelte sich von dieser ablenkenden Richtung seiner Gedanken zurück und beschäftigte sich wieder mit der Angelegenheit, die auf der Hand lag – buchstäblich. Seine Aufmerksamkeit richtete sich auf Shikamarus Verletzung. 

 

Bring das schnell hinter dich.

 

Es begann mit einer hirnlosen, schwachsinnigen Frage, die sich so automatisch von seinen Lippen löste, dass er sich selbst für die Fähigkeit beglückwünschte, sie ohne das Gesicht zu verziehen stellen zu können.

 

„Hast du Schmerzen?“

 

Shikamaru warf ihm einen äußerst flachen und abgeschirmten Blick zu. „Nein Hyūga, es fühlt sich richtig gut an.“

 

Neji starrte zurück und weigerte sich vehement, sich wie der letzte Trottel vorzukommen. „Auf einer Skala von eins bis zehn.“

 

Eine von Shikamarus Brauen wanderte nach oben. „Eins wäre richtig gut?“

 

Das Schmunzeln, das sich auf Nejis Lippen zu stehlen drohte, erstarb an seinem Mundwinkel. Es war nichts weiter als ein kurzes Zucken, ungesehen in dem dämmrigen Licht. Beide Shinobi sahen sich für einen Moment einfach nur an. Und dann blinzelte Shikamaru und durchbrach den Kontakt auf dieselbe Weise, wie er es bereits vorhin getan hatte. 

 

Er senkte den Blick hinunter auf seinen Kaffee. 

 

Die ursprüngliche Frage blieb unbeantwortet und ließ Neji seine eigenen Schlüsse ziehen. Er schätzte, dass der Schmerz entweder tolerierbar war oder aber, dass es viel zu nervig für Shikamaru war, ihn auszudrücken, ohne dass dabei eine dritte Partei involviert werden würde. Shikamaru hatte bereits die Option ausgeschlossen, Ino für eine provisorische Behandlung zu wecken.

 

Viel zu lästig, hatte er gesagt.

 

Neji ging schwer davon aus, dass er auf das Verhör anspielte, das er anstelle einer Behandlung ohne neugierige Fragen erhalten würde. Kopfschüttelnd schob der Hyūga die Tür zu und schloss die Distanz, wobei er den Tic in Shikamarus Kiefer ignorierte und sich stattdessen auf den derzeitigen Zustand der Monoplegie des Schattenninjas konzentrierte. 

 

„Heb sie hoch.“, instruierte er und ging in die Hocke, während er das Medizinpäckchen auf dem Bett ablegte. 

 

Shikamaru stellte seinen Ellbogen auf das Knie und hob seine verletzte Hand ohne aufzusehen. Vorsichtig griff Neji nach dem Handgelenk des Nara, als die Venen seines Byakugans seine milchigen Augen umrahmten. Aufmerksam scannte er die verletzte Hand mit einem langsamen Blick. Er hatte bereits ein oder zwei Frakturen, aber keine Nervenverletzungen vermutet. 

 

Er hat Glück gehabt.

 

Trotz all dem Gemecker von Shikamaru über sündhaft teure beschädigte Einrichtung, war es dem hochwertigen Lack und dem biegsamen Adlerholz zu verdanken, dass der Schattenninja dem Risiko einer Nervenverletzung durch kleinere, viel bösartigere Splitter entgangen war. 

 

„Deine Nerven sehen gut aus, ebenso die Phalangen. Keine eingesunkenen Knöchel.“

 

„Gut zu wissen.“

 

„Du hast Knochenfissuren am dritten und vierten Metakarpalknochen.“

 

„Super.“

 

Neji strich zaghaft mit dem Daumen über Shikamarus Handgelenk; eine vollkommen unschuldige und unbeabsichtigte Berührung. Er spürte, wie der Puls einen Satz machte und bemerkte, wie sich Shikamarus Finger um die Tasse, die er in der anderen Hand hielt, anspannten. 

 

„Du musst bitte eine Faust machen.“

 

Shikamaru streckte mit einem Stirnrunzeln die Finger aus, bevor er sie zu einem lockeren Ball krümmte. Aufmerksam beobachtete Neji, wie die Knochen arbeiteten und prüfte, dass sich die Finger auch wirklich korrekt einrollten, ohne dabei zu überlappen. Keine Probleme.

 

„Es passt schon.“, murmelte Shikamaru und seine abgeschirmten Augen hoben sich, als Nejis Finger die Knochen auf seinem Handrücken nachzeichneten. „Morgen gehe ich einfach zu Ino oder Sakura, sodass sie mich ein bisschen mit Grün beglühen können.“

 

Neji blinzelte, während sich die zusammengezogene Haut um seine Augen wieder glättete. Akribisch machte er sich daran, die Hand des Schattenninjas zu verbinden; eine Aufgabe, die er mit automatischer Präzision bewerkstelligte, da er es bereits unzählige Male mit seinen eigenen Händen getan hatte. 

 

Shikamaru nippte an seinem Kaffee und schien ein intensives Interesse an dem schwarzen Inhalt zu haben. Das Aroma schwebte warm und kopflastig zwischen ihnen. Doch es konnte den Geruch nicht verschleiern, den Neji bereits vorhin wahrgenommen hatte. 

 

„Du hast wieder geraucht.“

 

Shikamaru zuckte mit den Achseln und schwenkte seine Tasse kreisend herum. „Asuma.“

 

Nicht für eine einzige Sekunde kaufte Neji ihm das ab und hob eine mentale Braue. Gewissenhaft beendete er das Verbinden der Hand des Nara und legte das Erste Hilfe Set beiseite. Das ‚Klick‘ des Deckels erklang aufdringlich laut in dem stillen Raum. 

 

Shikamaru legte seine Hand auf dem Schenkel ab und krümmte den Daumen mit einem finsteren Blick. 

 

Neji begutachtete den genervten Ausdruck, während seine Lippen zuckten, ohne das Lächeln erscheinen zu lassen, das er eigentlich für seine nächsten Worte beabsichtigt hatte. „Wenn es dir irgendein Trost ist; ich bin mir sicher, dass du meinen Kiefer ausgerenkt hättest.“

 

Shikamaru erstarrte kurz und hob den Blick zu ihm. „Zu blöd, dass ich keinerlei Trost aus dem Wissen schöpfen kann, dass jemand anderes das beinahe getan hat.“

 

Nejis Gesicht spannte sich an. 

 

Dieser Kommentar traf auf einen viel zu empfindlichen Nerv. 

 

Er versuchte, den bedeutungsschweren Blick zu ignorieren, den Shikamaru auf seinen verfärbten Kiefer richtete. Energisch weigerte er sich, darauf zu reagieren und stattdessen legte sich eine ausdruckslose Maske über Nejis Züge. Doch sein Verstand stürzte sich sofort auf die Erinnerung an seinen Trotz gegenüber Hitaro und was es ihn gekostet hatte. Der Schmerz, den er verdrängt hatte, stach sich plötzlich warnend in seinen unteren Rücken. Seine Nieren taten weh und Übelkeit wogte durch ihn. Nichts davon zeigte sich auf seinem Gesicht; seine Miene blieb glatt und kontrolliert. 

 

Shikamaru summte und die Beiläufigkeit in seiner Stimme wurde von der Berechnung in seinen Augen ausradiert. „Mit wem hast du trainiert?“

 

Neji sagte nichts, doch sein Kiefer verkrampfte sich. Kurz richtete er seinen Fokus auf das Fenster und sah zu, wie der Regen über die Scheiben rann. Für eine lange Weile musterte Shikamaru ihn einfach nur, bevor sich seine Brauen mit einer sanften Falte zusammenzogen. Es war ein Ausdruck von Sorge, den Neji in seinen Erinnerungen eingerahmt hatte; zusammen mit all den anderen subtilen Nuancen von Shikamarus Mienen. 

 

„Schau mich nicht so an, Nara.“, seufzte Neji. „Es soll nicht deine Sorge sein.“

 

Shikamarus Braue zuckte nach oben. „Sagt der voyeuristische Heuchler, der seinen Hintern auf Rock Lee Art direkt durch eine Mauer in meine Angelegenheiten gebracht hat.“

 

Überrascht von diesem raschen Konter schnaubte Neji und suchte verblüfft nach einer Erwiderung. 

 

Erneut wandte er den Blick ab. 

 

Verdammt.

 

Shikamaru schmunzelte schief. „Na super. Wenn ich gewusst hätte, dass dich das zum Schweigen bringt, dann hätte ich mir selbst eine ganze Menge Ärger ersparen können.“ Um seine Worte zu unterstreichen, hob er seine bandagierte Hand. 

 

Neji versuchte, nicht darauf zu reagieren und bemühte sich energisch um Kontrolle über sein Gesicht, bevor seine Maske abrutschen konnte. Doch die stoische Miene bekam an den Mundwinkeln Risse, die ein leichtes Kräuseln verrieten. Es war nicht wirklich ein Lächeln. Als er zurück zu den dunklen Augen sah, die ihn beobachteten, verschwand es wie ein Geist.

 

„Ich habe vorschnell gehandelt.“, sagte Neji widerwillig, das zugeben zu müssen. „Aber ich hatte Grund dazu.“

 

„Achja?“, forderte Shikamaru ihn mit einem misstrauischen Blick heraus. „Ist das derselbe Grund, aus dem du mich beobachtet hast?“

 

Nejis Lippen spannten sich an, während sich sein Körper nach hinten neigte und sich seine Defensiven aufrichteten. Doch es trug nichts dazu bei, das grelle Rampenlicht abzuwehren, das Shikamarus Worte auf seine Schwäche geworfen hatten. Seine größte Schwäche. Aber er konnte es nicht leugnen. 

 

„Du kennst meinen Grund.“

 

Shikamaru senkte den Blick und schluckte schwer, bevor er seine Hand zwischen ihnen nach oben warf, als wollte er die Worte fortwischen. „Ich weiß einen Scheiß, wenn es um deine Beweggründe geht, Neji. Deinen Verstand verstehen zu wollen kostet mich beinahe meinen eigenen.“

 

„Beinahe?“, erwiderte Neji, während er rücksichtslos seinen Stolz an die Kandare nahm und darum kämpfte, seine Stimme sowohl ruhig, als auch kontrolliert zu halten. „So sah das von meiner Position nicht aus.“

 

Schnaubend und mit einem reumütigen Kichern kam Shikamaru auf die Beine und zwang Neji dazu, sich in einer fließenden Rückwärtsbewegung aufzurichten. Aufmerksam sah er zu, wie der Nara durch den Raum glitt, während seine Tasse zwischen seinen langen olivfarbenen Fingern hing, bevor er sie auf die verzierte Kommode neben dem Fenster stellte. 

 

Das entschiedene ‚Klack‘ der Keramik rang laut durch das Zimmer. 

 

„Von deiner Position aus.“, plapperte Shikamaru nach und Spott tropfte aus jedem gedehnt gesprochenen Wort. „Wo genau war das doch gleich? Hinter dieser unsichtbaren Linie, über die du dich entschieden hast, einen riesigen Sprung zu machen?“

 

Neji steckte den verbalen Hieb ohne irgendeine Reaktion ein. Doch in seinem Inneren traf der Sarkasmus hart und das vor allem wegen der Tatsache, dass Shikamaru diese zielsichere und unerschütterliche Fähigkeit besaß, sich an jedes von Nejis Worten zu erinnern und sie zu regenerierten Waffen zu verdrehen.  Es trieb die Widerhaken nur noch tiefer. 

 

Die Lippen des Nara bogen sich säuerlich. „Und der Grund für das Übertreten der Linie? Um alter Zeiten Willen? Oder stehst du so sehr auf Schmerzen?“

 

Neji spannte sich an, als die Worte tief in seinen Stolz schnitten – und in noch weit weniger geschützte Bereiche. Dennoch legte er seine Hände vollkommen gelassen an seine Seiten. „Du kennst meinen Grund.“

 

„Nicht wirklich.“

 

„Genauso wie du weißt, dass ich es nicht getan habe, um letztendlich hier zu stehen und Beleidigungen mit dir auszutauschen.“

 

Shikamaru stieß ein raues bitteres Lachen aus und strich ruckartig und zornig die losen Strähnen seines Haares aus seinem Gesicht, während er die Hüfte gegen die Kommode einknicken ließ. „Was denn? Hast du dein Tagespensum etwa schon erreicht, Hyūga?“

 

Nejis Lippen pressten sich zu einer flachen Linie zusammen. „An dieser Stelle hast du mehr als genug Gift für uns beide.“

 

„Gift?“, echote Shikamaru, als seine Braue schon beinahe grausam nach oben schoss. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass du derjenige bist, der die Bordifacoum-Impfung bekommen hat.“

 

Oh, wie leicht es gewesen wäre, darauf einzusteigen. Nejis Wirbelsäule versteifte sich gefährlich und sein Stolz brüllte ihn an, den Köder zu schlucken und Shikamaru in diesem bitteren Spiel blutig zu prügeln. Kami wusste, er hätte den Nara von seinem hohen Ross holen können. Er hätte sie auf ein Spielfeld bringen können, auf dem er in der Vergangenheit nicht das geringste Problem gehabt hatte, es gewaltsam zu erobern. 

 

Nein.

 

Neji sog langsam Luft ein und atmete sie ruhig aus; reinigte seinen Körper mit einem einzigen Atemzug von dieser toxischen Gewalttätigkeit.

 

Shikamaru feixte mit eisharten Augen angesichts dieser Darstellung von Gefasstheit. „Gratulation, Hyūga. Was hat das deinen Stolz gekostet?“

 

Der Sarkasmus rollte von Nejis Defensiven ab wie Rauch von Stahl. Er bedachte Shikamaru mit einem langen, beständigen Blick, bevor er sanft zu sprechen begann: „Und was war der Preis, den du gezahlt hast, Shikamaru? Hast du deinen Frieden für die Hoffnung eingetauscht, dass ich den meinen finden würde?“

 

Shikamarus Augen wandten sich so schnell ab, dass sein Kopf der Bewegung folgte und er sein Gesicht wegdrehte, um verstecken zu können, was über seine Miene huschte. Mit seinen Fingern strich er über eine Reihe winziger Glasflaschen, die auf der Kommode neben einer Öllampe standen. 

 

„Frieden…Bruchstücke, Teile…“, murmelte er abgelenkt, hakte Flaschen zwischen seine Knöchel und schob sie umher wie Shogiteile, um die Anordnung zu einem Quadrat zu verändern. „Das ist es, in was wir handeln, oder?“

 

Neji sah ihm schweigend zu. Worte schwebten und kitzelten auf seiner Zunge, doch er schluckte sie hinunter. Sein Schweigen zog Shikamarus Aufmerksamkeit zu ihm, wobei der Seitenblick verschlossen und abgeschirmt war – aber etwas weit weniger Definiertes flackerte direkt unter der Oberfläche. 

 

„Sind schon ein gutes Team, oder? Ich bin kalkuliert und du bist kontrolliert.“ Ein weiteres Tanzen seiner Finger und die Flaschen standen wieder ordentlich in ihrer ursprünglichen Anordnung. „Wir machen schon einen ziemlichen Aufstand mit diesem ganzen Spiel, huh?“

 

„Das ist nicht wahr.“

 

„Schwachsinn!“, spie Shikamaru mit aufblitzenden Augen aus und ein Schwung seiner Hand sandte die Flaschen schmetternd und klirrend durch das Zimmer. „‘Unsere Schicksale sind hierin festgelegt!‘“ Er wirbelte zu Neji herum und lachte in sardonischem Erstaunen. „Du bist ein gottverdammter Lügner, genauso wie ich. Na, wie ist das für deine kostbare Entwicklung, Hyūga? Es kann gar nicht mehr rückwärts gehen.“

 

Neji sagte gar nichts zu seiner Verteidigung, was dafür sorgte, dass sein Stolz ihn vollkommen zerriss. Doch hier stand weit mehr auf dem Spiel als der Stolz, der ihn fast das Leben gekostet hatte. 

 

Und so schmerzhaft es auch war, besagten Stolz zu opfern; die stille Taktik funktionierte. 

 

Shikamaru starrte ihn in bitterer Verwunderung an und Emotionen huschten viel zu schnell über sein Gesicht, um sie einordnen zu können; etwas, das nah an Zorn war und von Alarm und Furcht zu Fall und direkt wieder zu Wut gebracht wurde. 

 

Gut.

 

Zorn konnte Neji verstehen, denn er hatte sich oft genug in dessen Gesellschaft befunden. Er wusste, wie man ihn unterhielt, ihn nährte und Wirt für die Rage spielte. Und mit diesem Wissen beobachtete er mit nichts als ruhigen Verständnisses. Er nahm sich einen bedächtigen Moment, um Worte aneinander zu knüpfen, die Shikamaru nicht packen, verdrehen und in Waffen verwandeln würde. 

 

Ich weiß, wie es ist zu kämpfen…und warum du es tust…

 

Traurig schüttelte Neji den Kopf. 

 

„Bei all den Lügen zwischen uns, Shikamaru, sind keine annähernd so beleidigend für mich, wie die Wahrheiten, die du verdreht hast.“, intonierte Neji sanft und fuhr fort, als Shikamaru stumm blieb. „Und ich wäre zornig, wenn ich nicht wüsste, dass du solche Angst hast.“

 

Die Reaktion darauf kam unmittelbar. 

 

Shikamarus Augen wurden mit einem aufgeschreckten Aufblitzen rund und die Muskeln in seinem Hals zogen sich ruckartig straff. Neji nahm diese panische Reaktion mit einem empfindlichen Schmerz hinter seinen Rippen in sich auf. Er ließ nicht zu, dass seine Augen diesen Kummer preisgaben und sah den Schattenninja weiterhin mit unlesbarer Regungslosigkeit an. 

 

Und da sich Shikamaru von dieser Regungslosigkeit bedroht fühlte, zog er sich davor zurück. 

 

Er entfernte sich von der Kommode; hingezogen zu den Schatten in den Ecken des Raumes, während er mit langsamen Schritten in ihre dunklen Vorhänge ein und aus lief und sich mit den Handflächen über seine mageren Wangen rieb. 

 

Neji musterte ihn wie das Epitom von Kontrolle, wenn nicht Ruhe. Doch der Drang, etwas zu tun trieb ihn in den Wahnsinn. Allerdings hoffte er, dass seine Worte an diesem Punkt lauter sprachen, als irgendeine Handlung, die er vielleicht in Betracht gezogen hätte.

 

Warte es ab…

 

Und das tat er. Geduld schlug in ihm Wurzen und er sah zu, wie Shikamaru zwei ziellose Umlaufbahnen in dem Zimmer beschrieb, die letztendlich wieder bei dem Futon endeten. Dort drehte sich der Schattenninja und sank kraftlos und kopfschüttelnd auf den Rand des Bettes. 

 

Neji wartete einen Herzschlag, bevor er sich ihm zuwandte und vorsichtig die Spannung testete. 

 

Shikamaru reagierte darauf, indem er jede Chance auf Konfrontation blockierte. Er schloss die Augen, stützte die Ellbogen auf seine Knie und fuhr sich mit den Händen übers Gesicht, während er schwer hinein seufzte. Als er weiter beobachtete, konnte Neji deutlich an dem glasigen Starren des Schattenninjas erkennen, dass sich seine Konzentration nach innen gerichtet hatte. 

 

Ein Rasseln aus Regen und Wind, die gegen die Scheiben schlugen, durchbrach den Bann. 

 

Kurz schniefend schüttelte Shikamaru den Kopf und griff weiter nach oben, um seine Fingerspitzen gegen seine Haarlinie zu pressen, während sich seine Daumen in die Schläfen gruben, als könnte er sie durchstechen. 

 

Neji konnte nur erahnen, in welcher Geschwindigkeit sein Verstand gerade raste. 

 

Eine Meile in der Minute…so wie immer…

 

Stress schien lauter als der grollende Sturm aus ihm zu rollen. 

 

Und Neji stand im Zentrum von allem; vollkommen gefasst im Angesicht von etwas, das wie ein Zyklon um die Ränder seiner Kontrolle peitschte und ihn in einem Tauziehen zwischen ‚Stellung halten‘ und ‚Distanz schließen‘ vor und zurück zerrte. In den entgegengesetzten Gefühlen, die der Nara in ihm auslöste, war keinerlei Versöhnung zu finden. 

 

Und der letzte Zug kam, als Shikamaru den Blick hob. 

 

Neji stockte der Atem. 

 

Diese dunklen Augen sahen ihn direkt an und schimmerten dabei wie lackiertes Ebenholz. 

 

Ohne nachzudenken setzte sich Neji in Bewegung. Ein einziger langer Schritt brachte ihn in Reichweite und er ließ sich auf ein Knie sinken, bis er Shikamaru auf Augenhöhe begegnete. Schlaff fielen die Hände des Nara zwischen seinen Knien nach unten, während dunkle Augen über Nejis Gesicht wanderten. 

 

Keiner der beiden Shinobi sagte etwas. 

 

Schweigend musterten sie sich gegenseitig und Zeit versank in eine Art unheimlichen Stillstand. Auf der anderen Seite des Zimmers begann der wabernde Dampf von Shikamarus Tasse abzukühlen und löste sich im Nichts auf. Draußen verstummte das Rollen des Donners und das Prasseln des Regens auf der Veranda verschwand unter rhythmischem Herzschlag und dem Summen von Blut. 

 

Ein Hauch von Licht wurde von Nejis Hitai-ate reflektiert. 

 

Shikamarus Augen richteten sich zur selben Zeit nach oben, als sich seine bandagierte Hand hob. Mit den Fingerspitzen strich er zaghaft über den kalten Stahl des Hitai-ate, bevor er seinen Daumen unter die Metallplatte hakte und aufwärts schob. 

 

Neji versteifte sich. 

 

Shikamaru bemerkte die Reaktion und lenkte seine Berührung um. Mit einem leicht schwieligen Daumen fuhr er unter einem mondsteinhaften Auge entlang, dann hinunter über den hohen Grat von Nejis Wangenknochen und bis zu seinem Mundwinkel. 

 

„Ich brauche deinen Grund nicht.“, raunte Shikamaru. „Und ich will es niemals wissen.“

 

Neji blinzelte langsam um zu signalisieren, dass er verstanden hatte. 

 

Ein trauriges Lächeln berührte einen Mundwinkel des Nara. „Was zur Hölle macht mich das? Heuchlerisch?“

 

Neji neigte mit einem leichten Kippen des Kiefers seinen Kopf in Shikamarus Berührung. „Menschlich.“

 

Und das war genug. Genug, um die Veränderung in Shikamarus Atmung zu spüren. Neji und Shikamaru lehnten sich zur selben Zeit nach vorn und legten ihre Stirnen aneinander, wie sie es in der Vergangenheit unzählige Male getan hatten. Im Tandem bebten Atemzüge aus ihnen; warm und wortlos und dennoch lauter und wahrer sprechend als es Gewalt oder Gift jemals könnten. 

 

Sie packten den Nacken des jeweils anderen und verankerten sich nah beieinander. 

 

Beinahe zu nah. 

 

Shikamarus Körper verschloss sich, als wollte er sich davon abhalten, nach vorn zu fallen. Doch nichts auf der Welt konnte Neji davon abhalten, zurück zu fallen – zurück in ein Fühlen, das er nicht bekämpfen konnte. Es rasselte und zerrte heftig an den Ketten um sein Herz; ließ ihn glauben, dass er alle Bande zerbrechen konnte außer das eine, das ihn genau hier hielt. 

 

Wie kann ich an dich gekettet sein…und mich dennoch so frei fühlen?

 

Und dann spürte er, wie Shikamarus Finger nach unten glitten und unschuldig seine Haut massierten, bevor sie unter den Kragen seines Yukata tauchten und jedem einzelnen Wirbel folgten, bis ihr Zielort Neji Sekunden zu spät bewusst wurde. 

 

Sie strichen liebevoll über seinen Chakra geladenen blinden Fleck. 

 

Die Reaktion erfolgte sofort. Lust erblühte und rollte über Nejis Schulterblättern und seinen Rücken hinunter, knisterte durch verletzte Muskeln und wirbelte über Haut wie Staub und Asche, die ein Brennen androhten. 

 

Neji biss die Zähne zusammen und bog sich mit einem Zischen nach hinten. 

 

Shikamarus Atem spielte gegen seinen Mund. „Sag mir, dass du das fühlst…“

 

Götter im Himmel, er fühlte es. 

 

Es nährte diese urtümliche Sehnsucht tief in der Magengegend des Hyūga und drohte, einen Hunger zu wecken, der in seinem Bedürfnis viel zu gierig war, um so einfach kontrolliert zu werden. 

 

Kontrolle…

 

Kopfschüttelnd atmete Neji langsam durch die Nase und seine Opalaugen flatterten zu einem Halbmast auf. „Schubs mich nicht, Shikamaru.“, raunte er zurück. 

 

Shikamaru knurrte gegen seine Lippen und grub seine Finger, die an den Nacken des Hyūga zurück gekehrt waren, hart in die Haut. „Sag mir einfach nur, dass du es fühlst.“

 

Neji spannte sich angesichts der rauen Kante in seiner Stimme an. Er zog sich etwas zurück, um die Augen des Nara zu suchen. Doch er erhielt keine Gelegenheit, einen Blick auf das zu erhaschen, was in ihnen stand. Shikamarus Wimpern senkten sich wie eine Tür, die Neji vor der Nase zugeschlagen wurde und jeden Zutritt verwehrte. 

 

„Verstecke dich nicht vor mir, Shikamaru.“

 

„Sag mir, dass du es fühlst.“

 

Neji legte den Kopf zur Seite und strich mit seinem Daumen über Shikamarus Kiefer, bevor er das Kinn des Nara nach oben neigte, sodass ihre Lippen aneinander stupsten. Es war nur der Hauch einer Berührung, aber in der Sekunde, als ihre Lippen übereinander strichen, spürte Neji, wie Shikamarus Atem heftig stockte und zitterte. 

 

„Es fühlen…“, murmelte Neji, während er Shikamaru durch dichte Wimpern musterte. „Oder dich fühlen?“

 

Shikamaru antwortete nicht. 

 

Verwirrung und Besorgnis wuschen eiskalt über Neji hinweg und milderten die Hitze in seinem Blut. Er blinzelte und zog fragend den Kopf zurück. Sein Körper zitterte vor Anspannung und Erregung und die Luft war so schwer mit beidem, dass es sich anfühlte, als würde Elektrizität über seine Haut tanzen. 

 

Gott, wie kannst du mich nur fragen, ob ich das fühle?

 

Ihm blieb keine Zeit, seine Gedanken auszusprechen. Shikamarus Lider hoben sich und das leichte Kräuseln seiner Lippen war sowohl zynisch als auch müde; doch der Ausdruck war von der tiefen Traurigkeit in seinem Blick verwässert. Und es war diese Traurigkeit, die dafür sorgte, dass sich Nejis Augen mit Verstehen weiteten.

 

„Dieser Verstand von dir…“ Mit den Fingern strich er über die markante Kante von Shikamarus Wangenknochen und folgte der verblassenden Narbe. „Denkst du, dass du hiervon aufwachen wirst, Shikamaru?“

 

Den Kopf abwendend schloss Shikamaru kummervoll die Augen. 

 

Die Reaktion schmerzte Neji. Er schluckte die Enge in seiner Kehle hinunter, fuhr mit seinen Lippen über das freigelegte Ohr des Schattenninjas und erwärmte dabei den kühlen Stecker, der dort hinein gepierct war. 

 

„Das hier ist kein Traum. Sieh mich an Shikamaru…“, wisperte Neji. „Sieh mich…“

 

Shikamarus Körper spannte sich gegen ein Erschauern an und Neji hakte einen Daumen hinter den Kiefer des Schattenninjas, um das Flattern seines Pulses zu spüren. 

 

Körper lügen nicht…

 

Shikamarus Atmung halbierte sich und seine Worte waren noch leiser als ein Wispern; nicht dazu gedacht, von irgendjemandem gehört zu werden. „Ich sehe dich immer; die ganze Zeit.“

 

Nejis Gesicht verzog sich qualvoll. Sehnsucht und Verständnis stiegen in ihm auf und sickerten wie Blut durch die Risse, die sich in sein Herz brachen. „Aber du fühlst mich nicht immer, oder?“

 

Ein erstickter Klang verfing sich hinter Shikamarus Zähnen, während er den Kopf schüttelte. „Nicht, Neji.“

 

„Nicht was?“ Neji senkte seine Lippen hinunter zu der Mulde am Hals des Nara und hauchte seinen Atem in die flache Senke, die sich vertiefte, als der Schattenninja schluckte. „Es real werden lassen?“ Zaghaft kratzte er mit den Zähnen über ein bloßgelegtes Schlüsselbein. 

 

Shikamaru zischte und der Klang schoss scharfe dunkle Erregung Nejis Wirbelsäule hinunter. Süchtig machendes und pures Verlangen begann in seinem Blut zu kribbeln. Es schrie nach dem heftigen Kick eines Gegenmittels, das von demselben Gift kam. Diese drogenähnliche Begierde, zu der ihn schon allein der Geruch von Shikamarus Haut lockte. 

 

Selbst meine Erinnerungen an dich…sind nichts weiter als Geister…im Vergleich hierzu…ich will, dass es real ist…

 

Neji strich mit den Lippen über die straffen Sehnen in Shikamarus Hals. Mit offenem Mund hauchte er langsame phantomhafte Küsse über jede Seite seiner Kehle und liebkoste die Haut mit nichts weiter als dem feuchten Rollen seiner Atmung und dem leichten Zwicken seiner Lippen in eine erregte Rötung, bis er hörte, wie der Nara durch die Nase keuchte. 

 

Neji knurrte angesichts der hektischer werdenden Atemzüge. 

 

Ich will es…

 

Und dann fühlte er es. 

 

Verlangen. Bedürfnis. 

 

Sie stiegen unaufhaltsam in ihm auf, fluteten sein Netzwerk in Wellen schwerer Hitze und schickten eine pulsierende Empfindung wie warmen Honig in einem harten Pochen zwischen seine Beine. Es verschlang Angst und drohte, Bewusstsein und Kontrolle fort zu sengen und stattdessen eine fleischliche, dominante und glühende Begierde in Flammen zu setzen. 

 

Ich will, dass du unter mir brennst…

 

Nejis Mund hielt mit bloßen Zähnen gegen die Unterseite von Shikamarus Kiefer inne und seine Zungenspitze zog einen heißen nassen Pfad über den Pulspunkt. 

 

„Shikamaru.“, schnurrte er und liebkoste jede einzelne Silbe mit einem tiefen sinnlichen Murmeln. „Gott weiß, ich werde dafür sorgen, dass du das hier fühlst…“

 

_________________________

Oh yeah, ich denke, ihr wisst alle, was als nächstes kommen wird ;) 

Nochmal ein paar sehr intime Momente zwischen Shikamaru und Neji, die wieder sehr viel über diese tiefe Verbindung der beiden aussagen, finde ich. Ich hoffe sehr, dass euch das Kapitel so gut gefallen hat, wie mir, als ich es geschrieben habe :)

Freu mich natürlich wie immer riesig über ein paar Kommentare und möchte mich ganz herzlich für das zehnte Sternchen bedanken, ich habe mich abartig gefreut! <3
 

Vielen vielen Dank wie immer an alle meinen lieben Reviewer/innen und Leser/innen <3

Dreams don't feel like this

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Lie to me

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Burn for me, Shikamaru

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Detachment, not denial

Es lag ein gewisser Trost in den Schatten. Die Art von Geborgenheit, die sich gestohlenen Augenblicken beugte; Augenblicke, die in die Erinnerung gehörten, reduziert auf ein Schattenspiel an den Wänden des Verstandes. 

 

Erinnerungen…Augenblicke…das ist alles, was wir jemals haben. 

 

Neji blinzelte langsam, während er die Schatten von Regentropfen beobachtete, die über Shikamarus Haut spielten. Sie rannen in bebenden Strömen über die Mulde der Wirbelsäule des Schattenninjas, strichen über die scharfen Abhänge seiner Schulterblätter und die skulpturierten Ebenen seines Rückens entlang. 

 

Als würde Tinte eine atmende Leinwand hinunter laufen. 

 

Neji seufzte leise durch die Nase und schluckte schwer in die Stille. Er hatte keine Ahnung, wie spät es war, oder wie viel Zeit vergangen war. Er hatte Augenblicke einzig und allein an Herzschlägen gemessen, mit seinem Atem tief und regelmäßig; beinahe meditativ. 

 

In völliger Ruhe…

 

Die Art von Ruhe, die er einzig und allein bei dem Ninja gefunden hatte, der neben ihm schlief. 

 

Shikamaru lag ausgestreckt auf dem Bauch, ein Arm verschwunden unter den Kissen, während der andere neben seinem Körper ausgestreckt war. Sein Gesicht war von Neji abgewandt und die Zacken seines Haares verteilten sich in dichten Scherben, schärfer und glatter als schwarzes Glas, über die weißen Laken des Futons. 

 

Über ihnen grollte Donner. 

 

Neji hielt den Atem an und lauschte. 

 

Nichts. 

 

Während sich Shikamaru fü eine ruhelose halbe Stunde immer wieder herum gedreht hatte, hatte er doch endlich eine Position gefunden, die bequem genug war, um in einen komatösen Schlaf zu fallen. 

 

Seitdem hatte er sich nicht mehr bewegt. 

 

Nicht einmal der Sturm hatte ihn aufgeweckt, obwohl er auf Konoha eingeprügelt hatte. Wind hatte Regen gegen Glas geschmettert, Donner hatte gebrüllt und die Himmel erschüttert, während Blitze in einem grellen Aufflammen zurück geschlagen hatten. Die Welt hatte all ihren elementaren Zorn herausgeschrien, doch Shikamarus Welt war nichts weiter als Ruhe und Stille, eingehüllt in Schatten und Schlaf. 

 

Nejis Lippen zuckten in einem schwachen Lächeln. 

 

Er hätte nicht überrascht sein sollen. Immerhin hatte er selbst erlebt, wie Shikamaru in der Lage war, seinen Verstand abzuschalten und seine Sinne herunterzufahren, wenn es darum ging, dass irgendetwas seinen Schlaf beeinträchtigte. 

 

Aber deine Albträume kannst du nicht abschalten, nicht wahr?

 

Vorsichtig veränderte Neji die Position seines Ellbogens auf dem Kissen und neigte den Kopf, um seine Schläfe gegen seine Faust zu lehnen. Durch dichte Wimpern spähte er auf den schlafenden Schattenninja hinunter. 

 

Du wusstest immer, was du zu mir sagen musst…und was du tun musstest, um mich zu beruhigen. 

 

Und geblendet von seiner Wut und Rücksichtslosigkeit, war es Neji niemals in den Sinn gekommen, dass Shikamaru aus eigener Erfahrung so genau gewusst und verstanden hatte, was er tun musste.

 

‚Übung macht den Meister.‘

 

Das gedehnte Sprechen dieser Worte kroch eiskalt durch Nejis Verstand, ließ seine Haut kribbeln und sandte ein fröstelndes Schauern durch sein Blut. Vollkommen arrogant hatte er angenommen, dass Shikamarus Verständnis, einer solchen Panik und solchem Schmerz zu begegnen von Praktikabilität und Vorahnung herrührte. Nicht von der Vergangenheit des Schattenninjas. 

 

Ich war so blind…habe ich dich überhaupt jemals wirklich gesehen?

 

Nejis Starren wurde leer und verlor den Fokus. Seine Aufmerksamkeit wandte sich von den Schatten der Regentropfen auf Shikamarus Haut den Gedankenfetzen zu, die sich in seinem eigenen Kopf abspielten. Fragen, die im Stillen eine einseitige Konversation aufwühlten und ausspuckten.

 

Hast du jemals wirklich geglaubt, was du mir in Hanegakure gesagt hast? Dass die Träume nicht real sind?

 

In Träumen nahm die Realität eine völlig andere Dimension an. Und Neji kannte das verdrehte Wesen von Albträumen nur zu gut. Er wusste, dass die Mächte, die sie heraufbeschworen, weitaus bedrohlicher und grausamer sein konnten als die Kräfte der Natur und, manchmal, ebenso zerstörerisch. Diese Art von Dämonen, ob nun real oder erinnert, entglitten nicht einfach so ohne einen Exorzismus oder ein Begräbnis. 

 

‚Es ist begraben. Es ist nichts.‘

 

Shikamaru musste diese Lüge bis zu einem gewissen Level glauben. Oder zumindest hatte er das für eine bestimmte Zeit. 

 

‚Ich komme jetzt seit zwei Jahren bestens klar.‘

 

Zwei Jahre? Neji zog die Brauen zusammen, während sich eine tiefe Besorgnis in seine blassen Augen ätzte. 

 

Was ist dir zugestoßen?

 

Sich jetzt diese Frage zu stellen erschien überhaupt nicht weiser zu sein, als es noch vor einigen Stunden der Fall gewesen war. Und das Letzte, was Shikamaru brauchte, war jemand, der in seiner Vergangenheit herum wühlte, um nach den Skeletten zu suchen, die in welchem Sarg auch immer eingeschlossen waren, den er sechs Fuß tief unter seinen Lügen begraben hielt. Was die Wahrheit anging? Sie war zerbrechlich. Neji besaß nur wenige Fragmente einer Tatsache. Der Rest war pure Erfindung, im schlimmsten Fall Einbildung und sinnloses Rätselraten. 

 

‚Begib dich nicht mit mir dorthin. Du wirst verlieren.‘

 

Verlieren? Bei Shikamaru konnte man darauf vertrauen, dass er etwas, das er als viel zu persönlich oder schmerzhaft erachtete, auf ein Spiel reduzierte. Doch Neji konnte in seinem Herzen keinerlei Zorn deswegen finden. Wie könnte er auch? Vor zwei Wochen hatte auf brutalste Weise das kostbare Bisschen, das er über Shikamarus Vergangenheit wusste, als Waffe gegen ihn eingesetzt. Es war nicht überraschend, das Shikamaru tat, was auch immer nötig war, um sich jetzt selbst zu schützen. 

 

‚Was für Wahrheiten auch immer ich verdrehe…was für Lügen auch immer ich lebe…ich tue es…weil ich irgendetwas brauche, um es leichter zu machen…nur für eine Weile…zwei Wochen…weitere zwei Jahre…was auch immer nötig ist…‘

 

Was für ein Recht hatte Neji, ihm diese Lügen – diese Defensiven – zu nehmen?

 

Was für ein Recht habe ich, überhaupt hier zu SEIN? Dir deinen Frieden zu nehmen, nur weil ich den meinen einzig und allein dann finden kann, wenn ich in deiner Nähe bin?

 

Dafür war er die schlimmste Art von Bastard, die es gab. Er zeigte in etwa so viel Entschlossenheit, sich zusammenzureißen, wie ein rückfälliger Abhängiger, sein Herz und sein Kopf eingefangen und süchtig nach etwas, von dem er endlich die Stärke finden sollte, es loszulassen – um ihrer beider Willen. 

 

Das hier wird dir nichts weiter als Kummer und Leid bringen und dennoch kostet es mich alles…

 

Wenn er zugelassen hätte, etwas länger bei diesem Gedanken zu verweilen, dann hätte ihn das vielleicht davon abgehalten, seine Hand auszustrecken. Zaghaft strich er ein paar Strähnen aus Schwarz von Shikamarus Schulterblatt und fuhr mit den Fingerspitzen über die Erhebung von Knochen und hinunter über die warme Haut. 

 

Shikamaru rührte sich nicht. 

 

Langsam wiederholte Neji die Geste und ließ seine Hand nach oben wandern, um seine Finger in das dunkle Haar zu fahren und es von dem beschatteten Gesicht fort zu schieben. Mit einem Knöchel streichelte er über den Grat des sichtbaren Wangenknochens. 

 

Keine Reaktion. 

 

Wie hast du auf Feldoperationen überhaupt überlebt, Nara? Ein Feind würde dich im Handumdrehen ausschalten.

 

Der Gedanke war belustigend, wenn nicht sogar ein wenig unfair. Neji wusste bereits, dass Shikamarus Verstand auf einem ganz anderen Level des Bewusstseins operierte, wenn er sich ‚in seinem Element‘ befand. Es machte nur Sinn, dass wenn er sich sicher genug fühlte, um vollkommen loszulassen, einfach alles verschlafen würde, das nicht als Bedrohung klassifiziert wurde. 

 

Ein Lächeln geisterte über Nejis Lippen und seine Belustigung wurde von Traurigkeit verdunkelt. 

 

Du vertraust mir, nicht wahr? Das solltest du nicht…

 

Blitze erhellten den Raum wie ein Schnappschuss und prägten den Augenblick in fotografischem Detail in Nejis Verstand ein. Er rahmte ihn ein und verstaute ihn zusammen mit all den anderen Bildern und Teilen, die in seinen Erinnerungen hingen. 

 

‚Was willst du Neji? Eine weitere Erinnerung, die man zu vergessen versucht?‘

 

Ein heftiger Stich verdrehte sich in Nejis Brust und er presste fest die Lider zusammen, während er das Gesicht abwandte. Und als sie sich wieder hoben, richtete sich sein Blick auf das kalte Schimmern von Stahl am Ende des Futons. 

 

Sein Hitai-ate. 

 

Was auch immer ihn dazu gebracht hatte, es abzunehmen, es war dasselbe Ding, das ihn davon abhielt, es wieder aufzunehmen. Er wollte, dass es fort war, völlig ungeachtet dessen, was es immer für ihn bedeutet hatte. Den Schorf über seiner eigenen Wunde, die Rüstung, die er nicht hätte fallen lassen sollen. 

 

Und du bringst mich immer noch dazu, nicht mehr kämpfen zu wollen…

 

Ein weiterer törichter und gefährlicher Gedanke. 

 

Ich hatte so viele davon diese Nacht…und ich habe entsprechend jedem gehandelt…

 

Vielleicht war das ein Teil und gehörte einfach dazu, wenn man ein „Macher“ war und zuließ, dass Instinkt alles andere übersprang. Oder vielleicht war das auch die bisher schlechteste Ausrede. Er hatte keinerlei Überzeugung, die diese Erklärung untermauert hätte.

 

Weil es eine Lüge ist.

 

Eine, die ihn nicht davon abhielt, für seine Taten zur Rechenschaft gezogen zu werden. Taten, die er niemals hätte begehen sollen. Wegen Gedanken, die er niemals hätte haben sollen. Wegen Worten, die er niemals hätte aussprechen sollen. Und wegen Gefühlen, die er niemals hätte empfinden sollen. All diese Dinge dienten als vernichtendes Zeugnis in einem Prozess, für den sein Verstand bereits das Urteil vorbereitet hatte.

 

Schuldig im Sinne der Anklage…

 

Für Vergehen des Herzens.

 

Er hatte sein Geständnis bereits in Taten abgelegt, oder nicht? Und in Lügen, die die Wahrheit heraus geschrien hatten. 

 

Neji blinzelte langsam, während sich bewölkte Opalaugen wieder auf den Körper fokussierten, der neben ihm ruhte. Für einen langen Moment sah er Shikamaru einfach nur an und Zeit entschwand wie der Regen, der von den Scheiben rann. Ein Teil von Nejis Verstand drängte ihn, ebenso zu entschwinden; den Ort des Vergehens zu verlassen, sodass der Schattenninja ihn abriegeln und alle Beweise auslöschen könnte. 

 

Lass ihn endlich vergessen…

 

Neji besaß nicht die Fähigkeit, es alles rein zu waschen, wie es Shikamaru tat. Er war die Art von Mensch, die festhielt, auch wenn es so viel mehr schmerzte, als loszulassen. Er würde daran festhalten, bis es ihn vollkommen ausblutete und bis auf die Knochen aufschnitt. Vielleicht lag wirklich eine masochistische Tendenz darin – doch auf der anderen Seite war es schon immer so gewesen, dass ihn Kummer und Schmerz vorwärts trieben. Kein Wunder also, dass sich die einzige Sache, die ihm jemals Frieden und Vergnügen gebracht hatte, als ein zweischneidiges Schwert herausstellen würde. 

 

Das reicht jetzt. Geh. 

 

Ein paar Sekunden mehr verstrichen, sammelten sich zu Minuten, die schwerer und schwerer auf seinem Gewissen lasteten.

 

Geh!

 

Neji strich sich sein Haar mit einem rauen Schwung zurück und krallte sich in die Mokkasträhnen, während sein Ellbogen nach unten fiel. Er vergrub das Gesicht in der Armbeuge und knurrte einen leisen Fluch hervor. 

 

Du schwächlicher Bastard.

 

Die Augen fest zusammengepresst atmete er lange durch die Nase und tauchte tief in dieses Reservoir innerer Stärke, das ihm durch die anstrengendsten Kämpfe geholfen hatte. Doch einen Feind zu bekämpfen war etwas vollkommen anderes, als sich selbst. 

 

Ich weiß immer noch nicht, wie ich das hier bekämpfen soll…

 

Ein scharfes Luftschnappen erscholl und das Bett ruckte. 

 

Nejis Augen flogen auf und sein Kopf schnellte nach oben. 

 

Shikamarus Körper hatte sich auf den Laken wie eine Sprungfeder angespannt und der Arm, der an seiner Seite gelegen hatte, hatte sich aufgestellt, als würde er sich jeden Moment darauf hochstemmen. 

 

Doch er tat es nicht. 

 

Neji runzelte die Stirn und beobachtete wachsam, wie Shikamarus Ellbogen zitterte und sich die Finger in das weiße Laken gruben. Erneut verkrampfte sich der Schattenninja, wodurch sich olivfarbene Haut über den bebenden Muskeln seines Rückens straff zog. Ein feiner Schimmer aus Schweiß brach schlagartig auf seinem Körper aus. 

 

Doch er gab keinerlei Laut von sich. 

 

Neji legte den Kopf auf die Seite und spitzte die Ohren, um die Atmung des Nara über dem hämmernden Regen hören zu können. Er schaffte es jedoch nicht. 

 

Verdammt.

 

Statt sich näher zu lehnen, hielt sich Neji zurück, sah einfach nur zu und wartete; vorsichtig genug, auf Abstand zu bleiben. 

 

Gib ihm einen Moment…

 

Wenn Shikamaru gerade zwischen Albtraum und Realität gefangen war, dann war er bereits desorientiert genug. Sich dort hineinzustürzen, um ihn aus diesem flüchtigen Zustand heraus zu zerren würde eine ähnliche Reaktion riskieren, die Neji bereits erlebt hatte, als er ihn aus dem Wasser gezogen hatte. 

 

Gewalt und Furcht. 

 

Nach einem qualvollen Moment, der sich nach mehreren Minuten anfühlte, schien Shikamaru von sich aus an die Oberfläche zu gelangen. Die Anspannung in seinen Muskeln brach und seine Rippen hoben sich einmal, bevor sein Körper erschauerte. 

 

Sein Atem entfloh ihm bebend und stoßartig und wurde mit einem erstickten Schlucken wieder eingesogen. 

 

Dann war Stille. 

 

Neji zählte bis fünf und richtete sich dann auf seinem Ellbogen auf. 

 

Der Futon neigte sich leicht.

 

Shikamaru versteifte sich angesichts der Bewegung, verschleierte die Anspannung aber rasch in einer seiner Chamäleonbewegungen und sein Körper lockerte sich sichtbar; vielleicht sogar absichtlich. Neji konnte sein Gesicht nicht sehen, doch er ging schwer davon aus, dass der Ausdruck des Nara seine entspannten Bewegungen Lügen gestraft hätte. 

 

„Shikamaru…?“, murmelte er.

 

Shikamaru zog seinen Arm unter dem Kissen hervor und hakte eine Hand über den Rand, während er seinen Kopf hob, um sich mit bebenden Fingern über die Augen zu fahren und sein Gesicht abzuschirmen. Er ließ ein leises krächzendes Summen in den Tiefen seiner Kehle hören. Und dann wurde er sehr still und sehr leise – genug, um jeden anderen davon zu überzeugen, er wäre wieder ins Land der Träume hinüber geglitten. 

 

Doch Neji fiel nicht darauf herein.

 

Opalaugen wurden weich mit Verständnis. 

 

Langsam blinzelnd wurde sein Blick auf Shikamarus Rücken härter, bis er ihn intensiv anstierte. Eine Sekunde später pochten die Venen des Byakugans an den Schläfen des Hyūga und das Pulsieren von Chakra traf seine Augen. Blasse Seen wurden weit und nahmen die nadelstichartigen Pupillen seines Dōjutsus an. 

 

Und dann sah er es. 

 

Shikamarus Herz. 

 

Der Muskel donnerte in seiner Brust wie eine Bombe, die jeden Moment in die Luft ging. 

 

Neji ließ seinen Blick hinunter über den Rest des Körpers des Nara wandern und prüfte dabei aufmerksam die Tenketsu. Das verschwommene Wabern von Shikamarus Chakra sah wieder einigermaßen gesund aus, wenn auch ein wenig grau und fleckig an manchen Stellen. Das könnte durch eine ganze Reihe von Dingen verursacht worden sein, obwohl Neji diesmal nichts Bösartiges entdecken konnte. 

 

Zumindest kann ich ihn jetzt wieder wahrnehmen…

 

Neji deaktivierte sein Dōjutsu, blinzelte langsam und fokussierte sich wieder auf die feuchte Haut von Shikamarus Rücken. Vor seinem geistigen Auge konnte er noch immer das Abbild des Herzens des Naras sehen, das seine Panik heraus hämmerte. Und gemessen daran, wie aufgeregt Shikamarus Körper war, hätte es eigentlich nur Sinn gemacht, wenn er um sich schlagend oder vor Schreck aus dem Schlaf gerissen worden wäre; doch der Schattenninja hatte kaum irgendein Geräusch von sich gegeben. 

 

Du hast wirklich Übung darin, oder?

 

Eine ausweidende Besorgnis ließ Neji mit einer Ahnung zurück, die sich fremdartig anfühlte…aber heftig…

 

Für eine weitere lange Sekunde glitten seine Augen über Shikamarus Rücken. Dann, ohne nachzudenken, lehnte er sich nach unten, um seine Lippen in das Tal zwischen den Schulterblättern des Nara zu drücken. Liebevoll küsste er eine beruhigende Spur über die salzige Haut. 

 

Sein Gewissen trat ihn gnadenlos für diese Aktion. 

 

Die Küsse hätten wahrscheinlich genauso gut ein Messer in Shikamarus Rücken sein können. Hatte er den Nara nicht bereits genug verraten? Er hatte sein Versprechen unzählige Male gebrochen und das nur, um einen selbstsüchtigen Augenblick zu stehlen. 

 

Shikamaru atmete leise durch die Nase aus. 

 

Das Geräusch schreckte Neji auf und er hob den Kopf. Seine langen Mokkasträhnen streichelten wispernd über Shikamarus Haut. Die Rückenmuskeln des Schattenninjas spielten in einem wohligen Erschauern. Vollkommen fasziniert von der Reaktion streichelte Neji mit der Handfläche die warme Haut entlang, um dem Erschauern aufwärts nachzujagen, bis er den Nacken des Nara liebkoste. 

 

„Shikamaru?“

 

„Immer noch hier“, wisperte Shikamaru mit schläfrig schwerer Stimme. 

 

Neji hielt inne; nicht sicher, ob es sich hier um eine Frage oder eine Aussage handelte. 

 

Hast du gedacht, ich wäre fort?

 

Er stellte die Frage nicht. Stattdessen reagierte er, indem er höher griff, um Shikamarus Hinterkopf zu streicheln und einzig und allein mit dem sanften Druck seiner Finger zu kommunizieren. 

 

Berührungen sprachen auch. 

 

Shikamaru neigte leicht den Kopf nach hinten und rieb sich die Augen. „Zeit…?“

 

„Ich weiß nicht“, gestand Neji leise und fuhr mit den Fingern nach unten, um seinen Daumen zaghaft direkt unter Shikamarus Kiefer zu haken, wo er den rapide donnernden Puls fühlte. „Wenn ich dich frage, was es war…wirst du es mir erzählen?“

 

Shikamarus Kiefer zuckte, ansonsten gab er aber keinerlei Reaktion von sich – oder Erwiderung. 

 

Die Frage hing schwer und unbeantwortet in der Luft. 

 

Das einzige Geräusch war der Rhythmus des Regens, der sich von der brutalen Sturzflut zu einem dumpfen Trommeln gegen die Scheiben abgemildert hatte…beständig…beruhigend.

 

„Es ist keine Verleugnung, keine Ablehnung.“, sagte Shikamaru letztendlich. 

 

Neji blinzelte angesichts dieser plötzlichen und unerwarteten Worte und seine Finger verlangsamten ihr Streichen durch die tintendunklen Strähnen. „Ablehnung?“

 

„Es ist Abtrennung. Das ist ein Unterschied.“

 

Ist es das?

 

Neji dachte über diese schmale Unterscheidung nach. Bewältigungsstrategien waren gewaltige und mannigfaltige Dinge. Sie erstreckten sich über ein psychologisches Spektrum, in dem sich er und Shikamaru vielleicht an unterschiedlichen Enden befanden. Neji drängte diese Dinge nach unten und erstickte sie bis zur Taubheit, während Shikamaru sie hinauf in seinen Kopf zerrte und sie mit Analyse betäubte. 

 

Und es führte beides zum selben Ende. 

 

Vermeidung. 

 

Gab es wirklich einen Unterschied zwischen seiner Verleugnung und Shikamarus Abtrennung?

 

Kopfschüttelnd kam Neji zu dem Schluss, dass seine Gedanken in dieser Sache vollkommen irrelevant waren. Was von Bedeutung war, war, dass Shikamaru den Dämonen, die er eingesperrt hielt, eine Stimme gab, vollkommen gleichgültig, ob er sie nun in seinem Schädel oder in seiner Brust gefangen hielt. 

 

Neji wog seine nächsten Worte sorgfältig ab, bevor er mit hypnotisch leiser und ruhiger Stimme sprach: „Es ist eine sehr schmale Linie zwischen Beidem, Shikamaru.“

 

„Na klar, wenn du derjenige bist, der sie zieht“, raunte Shikamaru und ein Hauch von Groll machte seine Stimme rau. „Du liebst schmale Linien, nicht wahr?“ Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, da schüttelte er auch schon seufzend und entschuldigend den Kopf. 

 

Nejis Gesichtsausdruck blieb neutral. Er hatte bereits Zorn und schneidenden Sarkasmus erwartet, daher war er weder wütend, noch überrascht davon. Wenn überhaupt, dann bestätigte es nur, was er bereits vermutet und gesehen hatte; dass unter der faulen und apathischen Fassade, Shikamaru vollkommen aufgewühlt war. 

 

Verängstigt.

 

Und dieser Gedanke trieb eine tiefe Falte zischen Nejis Brauen. Er neigte den Kopf weit genug, um Shikamarus Hand erspähen zu können, die noch immer über seine dunklen Augen drapiert war und sie abschirmte. Die Finger des Schattenninjas waren verkrampft vor Anspannung, obwohl der Rest seines Körpers vollkommen locker erschien. 

 

Neji hatte das bereits schon einmal in Hanegakure gesehen. 

 

Langsam rutschte er näher, begann eine sanfte Massage der Kopfhaut des Schattenninjas und fand empfindliche Bereiche mit völlig intuitiven Berührungen. Und auch wenn er nur Zugang zu einer Seite von Shikamarus Kopf hatte, dann war es dennoch genug, um etwas von der Anspannung des Nara zu lösen. 

 

Shikamarus Finger entspannten sich nach und nach, doch sie bewegten sich nicht von seinen Augen fort. Seine Atmung veränderte sich, wurde tiefer und ruhiger. Er schien einzudösen, während Nejis Finger umherwanderten und kneteten. Gelegentlich schniefte oder schluckte er, als er seinen Nacken durchbog, um sich fester Nejis Berührung entgegen zu drücken.

 

„Diese Position kann unmöglich bequem sein“, sprach Neji sanft in die Stille; widerwillig, den anderen Ninja zu stören. 

 

Shikamaru grunzte. „Kann ich nicht wirklich sagen…“

 

Nejis Stirn legte sich in Falten. „Huh?“

 

„Ich habe vor fünf Minuten einen Krampf bekommen und jedes Gefühl verloren.“

 

Ein plötzliches Lachen rollte warm durch Nejis Brust und stolperte mit einem sonoren Klang von seinen Lippen. „Ich nehme an, dass sich diese Taubheit bis in dein Hirn ausgebreitet hat, bevor du daran denken konntest, dich anders hinzulegen?“

 

Shikamaru schnaubte. „Bin mir ziemlich sicher, dass das ganze Blut schon viel früher aufgehört hat, in mein Hirn zu fließen.“

 

„Ist das ein Kompliment oder eine Beschwerde, Nara?“ Neji schmunzelte, während er zaghaft mit den Fingern durch das Haar des Schattenninjas fuhr und einen kurzen Blick auf den schwachen Hauch von Röte auf Shikamarus Wangenknochen erhaschte, auch wenn er immer noch nicht die Augen des Schattenninjas sehen konnte. „Auch wenn ich immer noch der Meinung bin, dass dein Körper für sich selbst spricht.“

 

Shikamaru schnaubte erneut, doch widerwillige Belustigung machte seine Stimme weich. „Ich würde dir darauf eine nonverbale Erwiderung mit meinem Mittelfinger geben, wenn das nicht voraussetzen würde, dass ich meine Hand bewegen muss.“

 

„Wie unvorhersehbar faul von dir.“

 

„Wohl eher, dass ich kein Problem damit habe, kein Gefühl darin zu haben.“

 

Neji blinzelte und ernüchterte leicht. Sein Blick folgte dem langen Arm, der unter den Kissen verschwand und versuchte einzuschätzen, wo genau die bandagierte Hand des Nara ruhte. 

 

„Und du wirfst mir vor, durch Wände zu brechen“, murrte der Hyūga trocken. „Zumindest habe ich keine Knochen gebrochen.“

 

„Dann ist es ja gut, dass ich dir nicht auf den Schädel geschlagen habe. Das hätte höllisch weh getan.“

 

„Ganz sicher; wahrscheinlich hättest du meinen Kiefer gebrochen.“

 

„Scheiß auf deinen Kiefer, Hyūga, ich rede von meiner Hand.“

 

Neji kämpfte hart darum, nicht zu lachen, doch dieses so stark vermisste Geplänkel zerschmetterte jeden Versuch, eine kühle Mauer gegen die Wärme in seiner Brust zu errichten. Verzweifelt versuchte er, das Gefühl zu ersticken, da er wusste, dass es ihn nur eiskalt mit einer unentrinnbaren Sehnsucht zurücklassen würde. 

 

Hör auf, das noch härter zu machen.

 

Energisch hielt er die Gedanken in Schach und hob eine Braue, während ein leichtes Schmunzeln an einem seiner Mundwinkel zupfte. „Ah, also war dieser misskalkulierte Schlag zu deinem Schutz gedacht und nicht zu meinem?“

 

„Darauf kannst du wetten.“

 

„Ist ziemlich nach hinten losgegangen, findest du nicht?“

 

„Was auch immer. Ich bin mir trotzdem sicher, dass dein Schädel noch viel härter gewesen wäre.“

 

Nejis einseitiges Lächeln wanderte hinüber zu der anderen Seite seines Mundes und komplettierte einen Ausdruck, von dem niemand denken würde, dass der Hyūga dazu fähig war. „Und jetzt wirst du es niemals sicher wissen. Du hast deine Chance verstreichen lassen. Nicht viele kommen so nah an mich ran.“

 

Shikamarus Finger krümmten sich und verschwanden langsam von seinem Gesicht. Er drehte den Kopf und warf Neji einen Seitenblick aus dem Augenwinkel zu. „Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Hälfte deines Kopfes aus steinhartem Ego besteht?“

 

Neji hielt mit dem Streicheln von Shikamarus Haar inne und sein Lächeln verzog sich zu einem Grinsen. „Und wenn man dann noch daran denkt, dass du die Gelegenheit verpasst hast, einen Treffer zu landen und mich von meinem hohen Ross zu holen. Oder zumindest hättest du es versuchen können.“

 

Ihre Blicke trafen sich. 

 

Shikamarus Augen flackerten auf. 

 

Es war die einzige Warnung, die Neji bekam. Der Rest geschah so schnell, dass wenn Neji das Funkeln von Absicht in den Augen des Schattenninjas verpasst hätte, er blitzschnell festgepinnt worden wäre.

 

Shikamaru schnellte herum. Sein linker Arm schwang in einem rückwärtigen Bogen nach außen, der Nejis Brust treffen und ihn aus dem Gleichgewicht bringen sollte. 

 

Das glaube ich eher nicht.

 

Schmunzelnd und mit spielenden Muskeln duckte sich der Jōnin unter dem Angriff hinweg. Rasch kam er wieder in die Aufrichtung und zielte darauf ab, den Spieß umzudrehen, indem er auf den Knien für einen Gegenschlag herumwirbelte.

 

Doch es war ein misskalkulierter Zug. 

 

Ein taktischer Fehler seines ‚steinharten‘ Egos. 

 

Er hatte nicht erwartet, dass es Shikamaru wirklich ernst meinte. 

 

Noch bevor Neji blinzeln konnte, parierte der Schattenninja seinen Hieb und warf sich wie ein Blitz in die nächste Attacke. Flink folgten Shikamarus Hüften dem Momentum seiner Bewegung. Mit einem scharfen Drehen zog sich sein Knie gerade dann nach oben, als Neji Anstalten machte, sich umzuwenden und schnellte auf den Rücken des Hyūga zu. 

 

Der Tritt war wie ein Hammerschlag und donnerte in Nejis verletzte Niere. 

 

Schmerz flammte mit einer weißglühenden Woge durch ihn. 

 

Opalaugen pressten sich hart aufeinander und Zähne bissen heftig zu. 

 

FUCK!

 

Shikamarus Hand legte sich um seine Kehle und drückte ihn nach unten. Nejis Rücken traf mit einem Flattern von Laken auf dem Futon auf und der Schattenninja saß rittlings auf ihm, bevor er ein Husten herauf würgen konnte. Ein Übelkeit erregender Schmerz schwamm wie ein Schwarm Stachelrochen durch Neji; Tentakel scharfer, beinahe elektrischer Pein, getragen von Wellen aus Übelkeit und dem heftigen Drang, sich zu übergeben.

 

Hitaro hatte einen grausamen, aber klugen Punkt als Ziel ausgewählt. 

 

Bastard.

 

Neji blinzelte, als er spürte, wie Shikamarus Finger von seiner Kehle verschwanden und durch sein Haar fuhren, um es von seiner verschwitzten Stirn fort zu schieben. Und dann ummantelten warme, raue Hände sein Gesicht. Rapide blinzelnd sah Neji hinauf in die dunklen Seen von Shikamarus Augen, die weit und wild vor Adrenalin waren. Er sah grimmig und erhitzt aus – fast schon wild. 

 

Neji spürte, wie sich eine Grube aus Feuer in seiner Magengegend öffnete und sowohl Übelkeit als auch Schmerz schluckte. 

 

Urtümliche sexuelle Hitze. 

 

Ein gieriger und animalischer Hunger. Einer, der von dem primitiven Drang ausgeblutet wurde, seine eigene Dominanz gegen die von Shikamaru zu werfen, nur um zu sehen, wer von ihnen gewinnen würde. Nur um zu sehen, wie weit sie sich gegenseitig in dieses Feuer treiben könnten, bis einer von ihnen –

 

HÖR auf damit…

 

Neji erschauerte und zügelte sich selbst. 

 

Shikamaru runzelte die Stirn und Strähnen aus Haar wippten, als er heftig keuchte. 

 

„Scheiße. Bist du okay?“, krächzte er. 

 

Neji nickte abgehackt und schluckte die Galle hinunter, die seine Kehle hinauf gekrochen war. „Gut ausmanövriert, Nara. Du fängst an, dich zu bewegen wie du denkst.“

 

Seine vorherige Aussage über Shikamarus Geschwindigkeit waren keinesfalls leere Worte gewesen. Und abgelenkt von diesem Gedanken folgte Neji ihm und wenn nur, um seinen Verstand von dem Feuer in seinem Blut fernzuhalten. Ganz offensichtlich hingen die Nijū Shōtai mit Shikamarus Stärke zusammen. Und während Ausdauer im Ninjutsu und schiere Kraft niemals auf Shikamarus Seite sein würden, hatten sich seine Taijutsu Geschwindigkeit und seine Reflexe erheblich verbessert.

 

Asuma-senpai hat deine Entwicklung sehr gut voran getrieben.

 

Für einen Fernkämpfer und Strategen wie Shikamaru war es die perfekte Verbesserung, seinen Körper mit der Geschwindigkeit seines Hirns in Einklang zu bringen. 

 

Du bist wirklich viel schneller geworden.

 

Sogar das Tempo, in dem Shikamaru seine Miene änderte und seinen Gesichtsausdruck verschleierte, machte es noch härter, ihn zu lesen. 

 

So wie jetzt im Moment. 

 

Der Ausdruck auf dem Gesicht des Nara war schwierig einzuschätzen. Linien aus Anspannungen ätzten sich in seine Züge und verschwanden gleich darauf wieder, zuckten an seinen Augenwinkeln und zupften an seinem Mund und zwischen seinen Brauen. Mit einem raschen Schwung seines Blickes musterte er Nejis Konturen und letztendlich richteten sich die dunklen Seen auf die Hämatome entlang des Kiefers des Hyūga. 

 

„Du hast Schmerzen.“ Es war keine Frage. 

 

Und auch keine Aussage, der Neji aus dem Weg gehen konnte. Die beste Lösung hierbei war diejenige, von der hoffte, dass Shikamaru sie zu schätzen wusste und darauf reagieren würde. Humor. 

 

„Nicht jeder schätzt die Knochen in seiner Hand mehr als die Stärke des Schlags, Nara“, neckte Neji schwach. 

 

Und Shikamaru ließ einfach nur eine angespannte Pause in der Luft hängen. Ohne die Augen von Nejis Gesicht abzuwenden ließ er seine bandagierte Hand über die Seite des Hyūga wandern und schob sie unter Nejis Rücken. Vorsichtig drückten sich Fingerspitzen höher über die Haut, bis sie auf die empfindliche Stelle direkt über seiner Niere trafen. 

 

Der Schmerz biss sich tiefer, als sich diese Finger graben konnten. 

 

Stur verkrampfte sich Nejis Kiefer, doch er konnte die Qual nicht aus seinen Augen fernhalten. 

 

Shikamarus Lippen pressten sich zu einer dünnen Linie zusammen. „Wie?“

 

„Jemand hat seine Chance genutzt, als sie sich geboten hat“, murmelte Neji und die Verbitterung in ihm wurde von dem verzweifelten Drang abgemildert, seinen Verstand von Hitaro und seinem Clan fernzuhalten. „Das hättest du auch tun sollen.“

 

Shikamaru runzelte die Stirn und zog seine Hand zurück. Der Hyūga konnte praktisch spüren, wie er darüber nachdachte, diese indirekte Befragung weiter zu führen oder nicht. Eine, die zu einem Kampf führen würde, für den Neji nicht den Zorn hatte, ihn zu befeuern. 

 

Lass es gut sein, Shikamaru…

 

Das waren die Dinge, die er vergessen wollte. Die Mahnungen, die er nicht brauchte. Der Schmerz, den er mit gestohlenem Frieden linderte. Die bitteren Erinnerungen, die er mit all den zerbrochenen Augenblicken zu ersetzen begonnen hatte, die er nicht vergessen konnte. 

 

Und selbst wenn dieser Augenblick zerbricht wie all die anderen zwischen uns…ich werde die Teile aufbewahren…

 

Neji nahm einen langsamen Atemzug; er atmete durch den Schmerz in seinem Rücken, bis er sich zu einem tolerierbaren Level abstumpfte und ließ ein leises bebendes Seufzen hören. Angesichts des Klanges wurden Shikamarus Augen weich und seine Handflächen drückten sich zu beiden Seiten von Nejis Kopf in die Kissen. 

 

Ihre Blicke trafen sich und verschmolzen zu einem Starren, das Haut kribbeln ließ. 

 

Jeder einzelne Sinn in Nejis Körper wurde schärfer. 

 

Er spürte, wie sein Puls heftig in seiner Kehle pochte. 

 

Shikamaru beugte sich nach und nach weiter nach unten. „Ich habe gerade eben eine Chance genutzt, oder?“ Seine gehauchte Stimme geisterte über Nejis Lippen. „Also sag mir. Hat es dich getroffen?“

 

Du triffst mich härter, als du es dir jemals vorstellen könntest, Shikamaru.

 

„Ein flüchtiger Schlag, Nara“, erwiderte Neji leise, atmete tief und bemühte sich, die Dinge auf dem sicheren Gebiet von Humor zu halten; bemühte sich, den Drang an die Kandare zu nehmen, sich nach oben zu lehnen und seine Zunge und Zähne über die Unterlippe des Nara wandern zu lassen. „Nicht genug, um mich aus dem Spiel zu bringen. Auch wenn ich sehen kann, dass du deines verbessert hast.“

 

Shikamaru zögerte und legte dann den Kopf mit einem schiefen Lächeln auf eine Seite. Die dunklen Zacken seines Haares umrahmten ihrer beider Gesichter. „Nun, du kannst dich entspannen. Mein nächster Zug wird nur darin bestehen, Opossum zu spielen.“

 

„Ich gehe stark davon aus, dass du das bei jeder sich bietenden Gelegenheit spielst.“

 

„Und ich bin wirklich gut darin.“

 

„Erwiesenermaßen.“ Neji schmunzelte und neigte seinen Kopf auf die andere Seite, um ihre Blicke in einem spielerischen Winkel auf eine Ebene zu bringen. „Willst du, dass ich bei deinem Bluff mitgehe, Nara?“

 

„Nur zu. Wenn es um Nahkampf geht, bin ich ein ziemlicher Fachidiot.“

 

„Mit lauter Tricks im Ärmel“, sagte Neji und versuchte, dabei nicht allzu amüsiert zu klingen. 

 

Shikamarus Lächeln wurde schärfer und schnitt ein Grübchen in seine schlanke Wange. „Ich bin alle Arten von Trickreich.“

 

Der dämliche Spitzname war genug. 

 

Ein atemloses leises Lachen stieg auf und Nejis Lächeln zeigte ein kurzes Aufblitzen seiner Zähne, während sich das Lachen seine Augenwinkel zusammenzog. Und dieser Ausdruck verursachte eine seltsame Veränderung auf Shikamarus Gesicht. Der Kopf des Nara neigte sich etwas weiter auf eine Seite. Das Glimmen trockenen Schalkes entwich aus seinen Augen und sie weiteten sich etwas mehr, als geweitete Pupillen in die Dunkelheit seiner Iriden bluteten. Sein Blick wanderte langsam über Nejis Gesicht – als würde er eher etwas sehen, als danach suchen. 

 

Die Wärme in diesen Augen zerrte an Neji wie ein Magnet. 

 

Sein Puls donnerte heftig und hämmerte sich zu einem Rhythmus, den Shikamaru vor zwei Wochen in sein Herz getrieben hatte. 

 

Du hast mich an einem Ort getroffen, von dem ich gedacht hatte, er wäre viel zu hart, um irgendetwas fühlen zu können. 

 

Und ganz sicher war es nicht sein Kopf gewesen.

 

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Sooo und es geht wieder weiter :) Ich denke, einige von euch werden erleichtert sein, dass Neji nicht einfach so abgehauen ist, oder? ;) 

Und ich denke, dass es einigen von euch wahrscheinlich schon bewusst ist, denn diese Geschichte nähert sich langsam aber sicher auch schon wieder ihrem Ende...Ich weiß noch nicht, wie viele Kapitel genau noch kommen werden, aber es werden (denke ich) höchstens noch acht...Wahnsinn, wie die Zeit vergeht.

Ich hoffe wie immer sehr, dass euch das Kapitel gefallen hat! :)
 

Vielen Dank auf jeden Fall wie immer an alle Reviewer/innen und Leser/innen!! <3

 

Because scars don't bleed

Shikamaru fuhr fort, Neji mit dieser vertrauten rasiermesserscharfen Intelligenz zu mustern, doch die genaue Untersuchung war weicher als die schneidenden Blicke, mit denen er Neji vorhin bedacht hatte. Die zynische Kante war fort, ersetzt von einer neugierigen Zärtlichkeit, von der Neji ernsthaft bezweifelte, dass Shikamaru überhaupt wusste, dass er sie zeigte. 

 

„Wachst du immer noch um vier Uhr morgens auf?“, wisperte Shikamaru. 

 

Neji blinzelte angesichts der unerwarteten Frage, nickte aber. 

 

Shikamaru zog die Brauen zusammen. „Albträume?“

 

„Manchmal“, gab Neji zu, auch wenn sie während der letzten beiden Wochen enorm nachgelassen hatten. Die psychosomatischen Auswirkungen verblassten – genau wie der Geist seines Vaters.

 

‚Neji, du musst leben.‘

 

Neji schloss die Augen und Bedauern verfestigte sich wie ein Fels in seiner Kehle. Er spürte, wie Shikamarus Atem über seine Stirn geisterte und Lippen über seine Nase glitten. 

 

„Auch Schmerzen?“

 

„Nicht mehr“, murmelte Neji, während seine Lider auf einen Halbmast aufflackerten und ein vorsichtiges Lächeln an seinen Lippen zupfte. „Nur tiefes Atmen, wie du weißt.“

 

Shikamaru lächelte beinahe, doch der Versuch wurde von dem angespannten Ausdruck ruiniert, der über sein Gesicht huschte. Er senkte den Blick. „Ich stürze mich nicht in kalte Wasser, Neji.“

 

Nejis Miene verzog sich überrascht, bevor sie zu einem Stirnrunzeln zusammenfiel. Langsam legte er den Kopf schief und versuchte, diese abgewandten Augen wieder zurück zu sich zu ziehen. „Shikamaru?“

 

Shikamaru verlagerte sein Gewicht auf den linken Ellbogen und hob seine bandagierte Hand, um mit den Fingern über die harte Linie von Nejis Wangenknochen zu fahren und ihm bis zur Schläfe des Hyūga zu folgen, wo sein Daumen den entferntesten Winkel eines Mondsteinauges zu streicheln. 

 

„Tiefes Atmen“, sagte Shikamaru. „Ich verstehe das.“

 

Neji blinzelte langsam und schloss die Augen, während er mit einem trägen Schwung Shikamarus Haar von dessen Gesicht fort schob. „Was hat das damit zu tun, dich in kalte Wasser zu stürzen?“

 

„Es bedeutet, dass du mich nicht daraus rausziehen musst. Ich befinde mich nicht darin. Es ist nicht da.“

 

„Du machst gerade überhaupt keinen Sinn.“ Das stimmte zwar nicht vollkommen, aber das musste Shikamaru nicht wissen. Und außerdem wollte Neji Klarheit. 

 

„Was ich vorhin getan habe…ich…“ Shikamaru brach ab, saugte kurz an seinen Zähnen und presste die Lippen aufeinander, während er sich einen Moment abmühte, bevor er abgehackt kicherte, ohne den Blick zu heben. „Das Schädelhirntrauma war es beinahe wert zu sehen, wie du in das Becken springst.“

 

Neji ignorierte den Humor vollkommen mit kühlen und ruhigen Augen. „Was hast du getan, Shikamaru?“

 

Shikamarus Gesicht verkrampfte sich. 

 

Und Neji wusste nur zu gut, dass diese Frage zu stellen ein hohes Risiko barg. 

 

Doch er sagte sich selbst, dass er eher eine Gelegenheit wahrnahm. 

 

Shikamaru antwortete nicht sofort; nicht, dass Neji das von ihm erwartet hatte. Ehrlich gesagt, hatte er erwartet, dass er jeden Moment mit einer Evasion konfrontiert werden würde: einem Themenwechsel, einem physischen Abwenden, einem lahmen Scherz oder – 

 

„Ich habe das vor zwei Jahren immer wieder getan.“

 

Nejis Finger hielten an Shikamarus Hinterkopf inne. „Warum?“

 

Für eine Weile herrschte Schweigen. Eine Weile, die Shikamaru damit verbrachte, an die Stelle direkt neben Nejis Kopf zu stieren und die Muskeln in seinem schmalen Gesicht zuckten, als versuchte er, seine Züge unter Kontrolle zu bringen und seine Miene glattzubügeln. 

 

„Weil es geholfen hat“, seufzte Shikamaru mit gehauchter und heiserer Stimme. „Es ist psychosomatisch…wenn man es schafft, sich durch die Panik zu treiben, durch die Angst…dann kann man manchmal etwas finden.“

 

Neji beobachtete ihn genau und zog die Brauen zusammen. „Und was genau findest du?“

 

Shikamaru presste die Lippen zusammen und schüttelte kaum merklich den Kopf. „Es findet mich.“

 

Nejis Stirnrunzeln wurde tiefer. „Was findet dich?“

 

Ein Zucken zupfte an Shikamarus Augenwinkeln, bevor sie sich schlossen. Langsam legte er seine Stirn in Nejis Halsbeuge und stützte sein Gewicht auf seine Ellbogen. 

 

„Was auch immer funktioniert, oder?“

 

Bedächtig dachte Neji über diese ausweichende Antwort nach, während Besorgnis und Vorsicht in ihm brodelten. Schließlich entschied er sich dazu, die Frage anders zu formulieren. „Wie funktioniert es?“

 

„Ich weiß es nicht, ich denke nicht darüber nach…“ Shikamaru atmete lange durch die Nase aus und die warme Luft kitzelte Nejis Schlüsselbein. „Es…passiert einfach…“

 

Sachte drückte der Jōnin Shikamarus Nacken und neigte sein Handgelenk, um zu versuchen, den Kopf des Nara wieder nach oben zu dirigieren. „Also so läuft deine Abtrennung ab? Du lässt etwas es fort ziehen, statt die Dinge zu unterdrücken?“

 

Shikamaru versteifte sich – ein sofortiges Zeichen. 

 

Nah dran.

 

Vorsichtig die Spannung abtastend bog Neji seine Hüften nach oben und schob sich rasch seitwärts, um sie in einem sanften Taumeln herum zu rollen, sodass er am Ende über dem Nara war. „Ist es das, was du tust?“

 

Shikamarus Miene verdüsterte sich angesichts des Positionswechsels und sein Atem wurde etwas heftiger. Ein weiteres unmittelbares Signal. Er versuchte, seine Ellbogen unter sich zu ziehen und knurrte tief, als Neji ihm nicht den Freiraum für Bewegungen gewährte. 

 

„Lass das, Neji.“

 

„Wieso? Damit du es wegwischen kannst, als wäre es nicht von Bedeutung?“, konterte Neji. 

 

„Wie ich bereits gesagt habe: Was auch immer funktioniert.“

 

„Aber das tut es nicht, oder?“

 

„Es hat für zwei Jahre ganz wunderbar funktioniert. Ich habe es losgelassen.“

 

„Wir bekommen keine Albträume von Dingen, die wir losgelassen haben.“

 

Shikamarus Augen verengten sich zu Schlitzen und seine scharfe Zunge war wie ein Peitschenhieb. „Du musst es wissen, nicht wahr?“

 

„Ich wünschte, ich hätte es früher gewusst“, wisperte Neji zurück und die leisen Worte wuschen den Zorn augenblicklich aus Shikamarus Gesicht. „Du hast es immer gewusst…und ich habe niemals aufgehört, darüber nachzudenken warum.“

 

„Mach dich nicht selbst fertig, Hyūga“, murmelte Shikamaru und der genervte Ton seiner Stimme wurde von seinen weich werdenden Augen verraten. „Das hast du damals schon mehr als genug getan; hast Blut gehustet und all das.“

 

Da war eine feine Linie zwischen Scherz und Stich in diesen Worten; die zweischneidige Klinge von Shikamarus scharfer Zunge. Vollkommen automatisch wanderte Nejis Blick zu der sinnlichen Kurve der Unterlippe des Schattenninjas, bevor er wieder nach oben zu den dunklen Augen zuckte. 

 

„Meine Vergangenheit und mein Zorn haben eine Wunde geschlagen, die mich beinahe umgebracht hat, Shikamaru. Blut war der Preis für meine Verleugnung“, erklärte er leise. „Sei vorsichtig, dass es nicht der Preis für deine Abtrennung wird.“

 

Diesmal bot Shikamaru keine bissige Erwiderung an. Tatsächlich sah er ernst durch dichte Wimpern auf und nahm einen Atemzug, der langsam und kontrolliert durch seine Lippen strömte, bevor er seine Antwort hervor seufzte. 

 

„Das wird es nicht.“

 

„Wie kannst du das wissen?“

 

„Weil Narben nicht bluten, Neji.“

 

Und was liegt unter diesen Narben, Shikamaru?

 

Neji schluckte die Frage hinunter, nachdem er sich selbst rücksichtslos darauf geprüft hatte, wie tief er graben würde, bevor er auf den Sarg traf, in dem Shikamaru seine Vergangenheit begraben hatte. 

 

Weiter als bis hierher kann ich nicht gehen…

 

Noch weiter zu graben, barg das hohe Risiko in sich, Wahrheiten ans Licht zu bringen, denen sich Shikamaru nicht stellen wollte. 

 

Und ich habe keinerlei Recht, dich dazu zu bringen, dorthin zu gehen.

 

Neji presste die Lippen aufeinander und schnitt alle Worte ab, die er vielleicht ausgesprochen hätte. Doch er gab sich keinerlei Mühe, den Ausdruck tiefer Besorgnis zu verbergen, der sich in seine Augen drängte. 

 

Shikamaru neigte den Kopf und bedachte ihn mit diesem trägen, schiefen Lächeln. „Mach dir keine Sorgen um mich, Hyūga. Ich bin gut darin, vor lästigem Mist wegzurennen.“

 

„Und wenn du zu weit vor dir selbst wegrennst, Shikamaru?“

 

Der Schattenninja starrte ihm für einige Sekunden in die Augen. Neji konnte geradezu spüren, wie sich die Gänge in diesem komplexen Verstand umschalteten, um die Worte und die verstörenden Sackgassen zu verarbeiten, in die sie führten. 

 

„Das ist ein schlimmster Fall, der nicht eintreten wird“, sagte Shikamaru.

 

Neji lehnte sich nach unten und legte ihre Stirnen aneinander. „Also ist es das nicht einmal wert, in deinen zweihundert Möglichkeiten bedacht zu werden?“, erwiderte er und schaffte es sogar, die Schwere seiner Frage mit Humor abzumildern. 

 

Und Shikamaru musste diese Anstrengung zu schätzen wissen, denn er belohnte Neji mit einem kratzigen Lachen, während er mit den Augen rollte. „Na schön, wenn du deswegen jetzt mit Haarspaltereien anfangen willst. Aber es wird trotzdem niemals passieren.“

 

Neji sah nicht überzeugt aus.

 

Shikamaru seufzte und fuhr mit seinen Fingern durch das Haar des Jōnin, um die langen dichten Strähnen nach hinten zu streichen und so Nejis Kopf etwas nach oben zu ziehen, sodass sich ihre Blicke trafen. 

 

„Entspann dich, Hyūga“, sagte Shikamaru gedehnt. „Ich habe immer jemanden, der mir nachjagt und mich wieder zurück zieht.“ Er hielt kurz inne, bevor er hinzufügte: „Ob ich das nun von ihm will oder nicht.“

 

Gesichter jagten durch Nejis Verstand; die Gesichter von Shikamarus Freunden und Familie, bis sich eine Gestalt, die nicht so wirklich in keine dieser Kategorien passte, nach vorn drängte. Und Neji sprach den Namen aus, bevor er überhaupt darüber nachdenken konnte, ihn in Frage zu stellen. 

 

„Asuma.“

 

Shikamaru sah beeindruckt aus und nickte. „Ja.“

 

Neji schmunzelte leicht, amüsiert über Shikamarus Gesichtsausdruck. Es stimmte schon, er verstand vermutlich nicht das Band, das Asuma-senpai mit seinen Schülern geknüpft hatte, aber das bedeutete nicht, dass er blind dafür war. Andere Jōnin machten Witze darüber. Doch Neji hatte vor einigen Stunden einen flüchtigen Blick darauf erhascht und zwar in der Art und Weise, wie Shikamaru und der Sarutobi Shogi spielten. 

 

„Er hat dir das Shogispielen beigebracht, nicht wahr?“, fragte Neji und hob eine Braue, als Shikamaru mit den Augen rollte und ein leichtes Schmunzeln an seinen Mundwinkeln zuckte. 

 

„Jo, er hat mich damit reingelegt, um seine Theorie über meinen IQ zu beweisen“, grummelte Shikamaru, aber Neji bemerkte die Belustigung und Zuneigung in der Genervtheit. „Was für eine lästige Wendung der Dinge. Ich hätte weiterhin alle glauben machen können, dass ich einfach nur ein fauler Dummkopf bin, der sich seine Kicks im Wolkenbeobachten holt.“

 

„Aber ihn konntest du nicht täuschen, oder?“

 

„Wie ich schon sagte: lästig.“

 

„Und ist das auch jetzt der Fall?“

 

Shikamaru warf ihm einen schiefen Blick zu. „Jetzt?“

 

„Weiß er von deinen Albträumen, Shikamaru?“, fragte Neji. 

 

Shikamaru wurde sehr still und seine Brauen zogen sich langsam, aber scharf zusammen. Er legte den Kopf auf eine Seite und wandte die Augen ab, um seinen Fokus auf den Sturzbach mokkafarbener Seide zu richten, der über eine von Nejis starken, geneigten Schultern hing. Das Ende der dichten Mähne sammelte sich auf Shikamarus Bauch und Brust. Liebevoll krümmten sich die Finger des Nara durch die schokoladenbraune Masse und er runzelte mit einer Konzentration die Stirn, die sich vollkommen nach innen richtete. 

 

„Er muss nichts davon wissen.“

 

Neji beobachtete ihn genau; neugierig, aber vorsichtig. Er murmelte seine nächsten Worte leise, während seine Fingerspitzen über Shikamarus Schläfe strichen. „Brauchst du es, dass er es weiß, Shikamaru?“

 

Shikamarus Augen zuckten hart und seine Finger krallten sich in Nejis Haar, bevor er die dunklen Strähnen mit einem bebenden Atem glattstrich. Und das schien gerade so viel Antwort darauf zu sein, wie er willens war zu geben. Neji nahm es als die Bestätigung, von der er wusste, dass es das war. 

 

„Du solltest mit ihm reden“, riet Neji ihm und machte sich bereits auf den Rückschlag dafür gefasst, dass er Ratschläge verteilte, obwohl er überhaupt nicht darum gebeten worden war. Ehrlich gesagt hatte er kein Recht, auch nur ein einziges verdammtes Wort zu sagen. 

 

„Ich weiß“, krächzte Shikamaru – und diese unerwartete Antwort schien sie beide zu überraschen. „Ich weiß das.“

 

„Dann mach es.“

 

„Klar, weil das auch genau das ist, was du tun würdest, huh?“, erwiderte Shikamaru schelmisch und sah durch verengte Augen zu ihm auf. „Du würdest gegenüber Gai-sensei und jedem anderen Jōnin mauern und das wissen wir beide.“

 

Neji zog den Kopf zurück und pinnte Shikamaru mit einem harten Blick fest. 

 

Doch es hatte nicht den geringsten Effekt. 

 

Die Brauen des Schattenninjas hoben sich zu einem spöttischen Bogen und warnten Neji damit davor, ihm irgendeinen Bullshit aufzutischen. Neji wusste nur zu gut, dass das nicht funktionieren würde. Es gab keinerlei Puffer gegen das, was für sie beide mehr als offensichtlich war. Und so räumte er Shikamarus Punkt mit einem Neigen seiner Stirn ein, aber er ergab sich nicht. 

 

„Wohl wahr“, gab Neji zu, auch wenn er diese Tatsache missbilligte. „Aber hierbei geht es nicht um mich. Und bei all meinem Mauern, tust du nicht genau dasselbe, wenn du in deine Schatten rennst?“

 

Shikamarus Augen flammten auf; ein warnendes Flackern. „Pass bloß auf, Hyūga.“

 

„Ich passe auf und beobachte dich, Nara“, erwiderte Neji und nutzte die Worte zu seinem Vorteil. „Aber ich sehe dich nicht immer, oder?“

 

Der Zorn blutete aus Shikamarus Augen und die Spannung verschwand aus seinem Gesicht, sodass seine Züge schlaff mit Unsicherheit zurückblieben. „Neji…“

 

„Zumindest für diese Tatsache bin ich nicht blind. Aber Asuma sieht dich, Shikamaru.“

 

„Er hört mich.“

 

„Hört dich?“ Neji blinzelte angesichts dieser raschen Korrektur und war sich nicht sicher, was er aus diesen Worten machen sollte. Er spürte allerdings sofort, dass in ihnen sowohl eine subtile als auch immense Signifikanz lag. „Also versteht er dich?“

 

Ein schwaches Schmunzeln huschte über Shikamarus Lippen. „Um es dämlich simpel zu machen, ja, etwas in der Art.“

 

Neji sezierte diese Aussage schweigend und kämpfte darum, das Konzept vollständig greifen zu können. Doch leider konnte er es nur unter dem Mikroskop aus Erfahrung analysieren. Ausgehend von seinem eigenen Verständnis, erschien ihm der Gedanke, den eigenen Schutz so weit zu senken, um gesehen oder gehört – geschweige denn verstanden – zu werden weder als sicher oder sinnhaft. Oder vielleicht hatte er einfach nur niemals irgendjemandem genug vertraut, um es zu versuchen. Er hatte niemals irgendjemanden so nah an sich heran gelassen; nicht Gai, nicht sein Team, nicht seinen Clan. 

 

Niemanden. 

 

Lügner.

 

Bebend sog er die Luft ein und musterte Shikamaru durch seine Wimpern. 

 

Niemanden?

 

Alle Beweise lagen plötzlich auf der anderen Seite. Etwas zog in ihm und energisch verhärtete er die Rüstung um seinem Herzen in dem vergeblichen Versuch, den Kummer in Schach zu halten. 

 

Und du bleibst weiterhin die Ausnahme zu all meinen Regeln, Shikamaru…

 

Shikamaru bemerkte den widersprüchlichen Blick nicht, den Neji ihm zuwarf. Er schien über seine eigenen Gedanken nachzugrübeln. 

 

„Ein Sensei sollte seine Schüler verstehen, oder nicht? Aber ich bin mir nicht sicher, ob ich ihn verstehe.“ Shikamaru schüttelte den Kopf. „Er ist ein schwer fassbarer Lehrer.“

 

„Wie das?“

 

Shikamaru zuckte mit den Achseln und warf Neji einen abgeschirmten Blick zu. „Könnte an der wortwörtlichen Nebelwand liegen.“

 

Neji schmunzelte und ein leises Lachen verfing sich hinter seinen Zähnen. „Sei dankbar, dass sich Asuma nicht in Trainingsanzüge kleidet und dich zu der Regel ermuntert – oder eher zwingt – seiner jugendlichen Führung zu folgen. Als Kind hatte ich Albträume von meinem Sensei.“

 

Shikamaru lachte auf und der rauchige Klang traf Nejis Herz mit voller Wucht. Es hämmerte seinen Schlag wie ein Presslufthammer in seine Kehle und Wärme erblühte empfindlich wie eine Prellung in ihm. 

 

Götter, er hatte diesen Klang so vermisst.

 

Und was er ebenso sehr vermisst hatte, war der Ausdruck, der damit einher ging. 

 

Der Ausdruck, den der Nara in diesem Augenblick trug. 

 

Shikamaru lachte mit geschlossenen Augen und diese prominenten Wangenknochen hoben sich höher, während sich Grübchen tief in die Haut gruben. Seine Brauen senkten sich, ganz so, als wollte er das atemberaubende Lächeln verbergen, das sich scharf und verführerisch auf seinem Gesicht ausbreitete.

 

Neji sog dieses Bild in sich auf; sein Atem stockte hart in seiner Kehle. Er hatte kaum Gelegenheit, nach Luft zu schnappen, bevor sich diese dunklen Wimpern mit einem trägen Lächeln hoben und Obsidianaugen mit Belustigung funkelten. 

 

„Gott, man muss das Karma bei dieser Sache einfach lieben“, lachte Shikamaru und versuchte, das rumpelnde Kichern in seiner Stimme zu glätten. „Ein Schüler wie du und ein Sensei wie Gai? Ich wünschte, ich hätte den Ausdruck auf deinem Gesicht gesehen, als du ihm zugeteilt wurdest.“

 

Neji schmunzelte, viel zu versunken darin, Shikamarus offenes Lachen zu genießen, um an seinem eigenen Stolz festzuhalten. „Der Sandaime hatte einen interessanten Sinn für Humor. Wie zuvorkommend von dir, ihn auf meine Kosten zu teilen.“

 

Ein weiteres rauchiges Lachen. „Hey, ich kann dir alle Arten von Dämpfern verpassen, ohne irgendetwas außer meinem Mund bewegen zu müssen. Es funktioniert.

 

Neji schnaubte spottend, konnte ein weiteres Lächeln aber nicht unterdrücken. 

 

Und Shikamaru lächelte zurück. 

 

Sie sahen sich an und lachten leise in die entspannte Stille. 

 

Der Regen hatte sich zu einem Nieseln gegen die Scheiben beruhigt und das Glas bewölkte sich mit Kondensation. Im Moment war es das einzige Geräusch, sanft und beruhigend. Der Sturm war vorüber und die Stakkatoblitze hatten nachgelassen, um eine unterbelichtete Illumination zurückzulassen, die die dunkle, raue Textur von Holzkohle annahm und um die Ränder herum verschwamm. 

 

Es fühlte sich flüchtig und unheimlich an.

 

Aber friedlich. 

 

Frieden…

 

Neji trank ihn hinunter, ließ ihn durch all seine Sinne sickern: der balsamartige Geruch von Körpern und Moschus, der Klang von Atem, der sanfte Schlag des Regens, der Geschmack von Shikamarus Haut, der immer noch auf seiner Zunge nachhallte. Doch es war das Gefühl von Shikamarus Fingerspitzen, die die Narben auf seinem Rücken nachzeichneten und der weiche, faszinierte Ausdruck in den dunklen Augen des Nara, die diesen kostbaren Frieden in all den Löchern in Nejis Herz verwurzelten. 

 

Die Löcher von all den Schlägen, die er eingesteckt hatte. 

 

Löcher, hineingebohrt in einen Teil seines Selbst, von dem er sich geschworen hatte, ihn nie wieder offen zu lassen. 

 

Du findest mich immer noch…

 

Neji schluckte schwer und seine Stimme war weich wie zerknitterter Samt. „Jedes Mal.“

 

Shikamarus Kopf legte sich fragend schief und die dunklen Zacken seines Haares verteilten sich in alle Richtungen wie tintendunkle Sternschweife, als sie über die knittrigen Kissen strichen. Er blinzelte zu Neji hinauf, während seine Finger über die Wirbelsäule des Hyūga wanderten und träge Spiralen auf seiner Haut zeichneten. 

 

„Hmn?“

 

Erneut schluckte Njei schwer und seine Kehle war wie zugeschnürt. 

 

Shikamarus Finger hielten inne. „Neji?“

 

Kopfschüttelnd strich Neji mit blassen Fingern über Shikamarus Mund und folgte der schiefen Kurve der Lippen des Schattenninjas. „Ich werde unsere Bruchstücke aufbewahren, Shikamaru, all unsere Teile. Du kannst sie loslassen.“

 

Shikamarus Lächeln entglitt ihm zusammen mit seinem Atem und seine Augen weiteten sich langsam. Der zerfetzte Ausdruck zerriss Nejis Herz und sein Gewissen zog unbarmherzig die Haut von allem, was noch übrig war. Langsam lehnte er sich auf den Knien nach hinten, doch bevor er sich dazu zwingen konnte, sich fort zu ziehen, zog ihn etwas zu sich. 

 

Und es war der Blick in Shikamarus Augen. 

 

Ein Blick, der ihn einfing, ihn hielt und sie beide traf – heftig. 

 

Beide spannten sich an. 

 

Vielleicht fühlten sie es zur selben Zeit. 

 

Der dumpfe Kummer zerrte zwischen ihnen vor und zurück; das Band, das sie zusammengebracht und zerbrochen hatte. Die Kraft davon zog an Blut und Knochen, ließ das Bedürfnis dieses Bandes über die volle Länge ihrer Körper rollen und brachte sie immer näher zueinander, als sich Neji nach unten beugte und sich Shikamaru auf seinen Ellbogen nach oben drückte. 

 

Ihre Münder strichen übereinander.

 

Es war elektrisierend. 

 

Shikamaru zuckte zusammen, als hätte er einen Schock erlitten und seine Lippen teilten sich um einen zerfetzten Klang. Nejis Atem taumelte, während sein Herz hämmerte. Langsam strich sein Daumen über die Sehnen in Shikamarus Hals, fühlte, wie sie sich in einem flüchtigen Zucken und einem scharfen Einatmen straff zogen.

 

Stop.

 

Neji zog sich leicht zurück, sodass ihre offenen Münder nur wenige Millimeter voneinander entfernt übereinander schwebten; gerade so zögernd davor, sich zu berühren. Nur ihr Atem berührte sich…warme Luft liebkoste in rauen, sinnlichen Strömen…wanderte zwischen geteilten Lippen hin und her. 

 

„Kann nicht ohne die Teile spielen“, hauchte Shikamaru mit einer Stimme in Nejis Mund, die ebenso angespannt war wie sein Lächeln. „Zu dumm, dass es niemals ein Spiel war.“

 

Ich weiß.

 

Und diese Wahrheit machte es auch nicht einfacher als die Lügen, damit zu leben.

 

Es ist niemals einfach. Aber ich werde es tun. Immerhin habe ich mein Versprechen gebrochen…oder nicht?

 

Erschauernd schloss Neji die Augen. 

 

Shikamaru lehnte sich zurück und neigte das Kinn nach oben, um einen liebevollen Kuss über das Fluchmal des Hyūga zu streichen. Seine Lippen verharrten lange genug, dass er etwas gegen die gebrandmarkte Haut hauchen konnte. Und dann griff er mit seiner bandagierten Hand nach oben, um damit über Nejis Hinterkopf nach unten zu seinem Nacken zu streicheln. 

 

All unsere Lügen haben uns zu diesem Augenblick geführt…

 

Neji spiegelte die Berührung und lehnte ihre Stirnen aneinander. 

 

Und ich vertraue mir selbst nicht dabei, dass ich dich nicht noch einmal belüge…nur für einen einzigen weiteren Augenblick…

 

Denn genau wie er es immer gewusst hatte, waren Augenblicke alles, was sie jemals hatten.

 
 

~※~
 

 

Jenseits des Dunstes schien die Sonne buttrig-gelb mit einem verschwommenen Lichthof. Mit der Dämmerung war Nebel gekommen und legte sich wie milchiges Glas über die Dächer Konohas, um die Straßen darunter zu verschleiern. 

 

Ein Vogel sang und sein helles Lied durchstach die Stille. 

 

Neji stand auf der Veranda und starrte hinaus über die satten und schimmernden Gärten des Ryokans bis zu dem Dorf, das dahinter lag. Eine kleine Tasse Jadetee dampfte in seiner Hand und der süßliche Duft des Gebräus schwebte auf der Brise. Die Kühle wehte an Nejis Sandalen vorbei, während sie dünne Schleier aus Nebel in das Gästezimmer zerrte. 

 

Der Vogel rief erneut und andere fielen in den Chor mit ein. 

 

Zeit zu gehen…

 

Neji schloss die Augen und legte mit aufblitzendem Hitai-ate den Kopf in den Nacken. Tief atmete er die kühlen, taufeuchten Gerüche ein, die von unten herauf schwebten – bis er das Aroma von Kaffee wahrnahm, das von hinten zu ihm driftete. 

 

Seine Lippen hoben sich an einem Mundwinkel. „Gekommen, um einen Sonnenaufgang zu erleben, Nara?“

 

Ein leises Schnauben erklang. „Sadist.“

 

Neji schmunzelte und drehte den Kopf, um über die Schulter zu spähen. 

 

Shikamaru stand gegen die offenen Türen gelümmelt und lehnte sich an den Rahmen, während er eine Kaffeetasse in seiner bandagierten Hand hielt. Beinahe sofort bemerkte Neji, dass das Haar des Nara wieder in seinem üblichen Zopf zusammengebunden war; scheinbar war es das Einzige, von dem sich der Schattenninja die Mühe gemacht hatte, es zu befestigen. 

 

Neji ließ seinen Blick über den Rest des Schattenninjas wandern. 

 

Der dunkelrote Yukata wirkte wie ein nachträglich und nachlässig durchgeführter Einfall; faul und schief über die Schultern drapiert und den Gürtel lose zusammengebunden. Er offenbarte den harten Grat eines Schlüsselbeins und eine gezeichnete Halsbeuge. Shikamaru wirkte schlaftrunken und etwas mürrisch, ein bisschen rau um seine scharfen Ränder herum. Dennoch schaffte er es irgendwie, seine düstere Aura auf eine ausgesprochen rohe und sexuelle Weise zu tragen. 

 

Und das Anziehendste daran war, dass er sich dessen überhaupt nicht bewusst war. 

 

Neji lächelte. 

 

Eine dunkle Braue schoss nach oben. „Was?“, krächzte Shikamaru, während er seine Tasse an die Lippen hob. 

 

Der Hyūga schüttelte den Kopf. „Du siehst-“

 

„Wie Scheiße aus“, beendete Shikamaru den Satz und nippte an seinem Kaffee, der schwärzer war als der Blick, den er dem heller werdenden Himmel zuwarf. „Ich habe dir doch gesagt, was diese Uhrzeiten mit mir machen.“

 

„Ich kann mich an etwas über ‚dämliche Uhrzeiten‘ erinnern.“ Neji wandte sich um und senkte einen Arm, um seine Teetasse auf den lackierten Balkontisch abzustellen. Der weiße Ärmel seiner Robe strich über die Pfützen aus Regenwasser, die sich auf der Oberfläche gesammelt hatten. „Geh wieder schlafen.“

 

„Kann ich nicht.“ Shikamaru hob in einem trockenen Gruß seinen Becher in Richtung der Sonne. „Ich werde nur Zeit verschwenden und ich habe noch lauter Mist zu erledigen.“

 

Neji richtete sich auf und trat nach vorn. „Also ist dein Geburtstagsurlaub vorbei?“

 

„Bevor er überhaupt angefangen hat“, murrte Shikamaru mit den Augen fest auf Nejis Brust fixiert. „Zurück an die Arbeit.“ Er hielt inne und nuschelte seine nächsten Worte in seine Tasse: „Und was ist mit dir?“

 

Gute Frage. 

 

Neji war sich nicht sicher, wie er sie beantworten sollte. 

 

Irgendwie hielt er ‚ANBU mit allem, was nötig ist‘ nicht für eine sinnvolle Antwort. Er könnte immer noch sagen: ‚Ich werde den Tag damit verbringen, darüber nachzugrübeln, auf wie viele verschiedene Weisen dein Vater wahrscheinlich versuchen wird, meine Freiheit zu sabotieren und mich in einen Sarg zu befördern – und gemessen daran, wie clever ihr Nara Bastarde seid, bin ich mir sicher, dass es beinhalten wird, dass ich mir mein eigenes Grab schaufle und er mich dort hinein schubsen wird, ohne auch nur einen einzigen Finger krumm zu machen…nur eine Augenbraue. Wie wundervoll.‘

 

Neji zuckte innerlich zusammen. All das musste achtsam verarbeitet werden, ganz zu schweigen davon, dass es ein heftiger Brocken war, wenn man ihn wirklich würde aussprechen wollen. Außerdem glaubte er nicht, dass sich Shikamaru über diese Neuigkeit freuen würde, vor allem wegen all des Ärgers, den es in seinem genialen Hirn auslösen würde. 

 

„Ich werde dorthin gehen, wohin auch immer mich die nächste Mission bringt“, sagte Neji leise und entschied sich für etwas Vages, aber Plausibles. „Mit der wachsenden Bedrohung durch Akatsuki ist alles möglich.“

 

„Erinner‘ mich nicht daran“, seufzte Shikamaru und rieb seine Schläfe gegen den Rahmen der Shojitür. „Ich habe ein kleines weißes Buch bekommen, aber auf all die lustigen Details muss ich selbst kommen.“

 

Nejis Interesse war geweckt. „Ein kleine Hausaufgabe nebenbei, Shikamaru? Das muss sich negativ auf deine Nickerchenzeit auswirken.“

 

Shikamaru verzog das Gesicht. 

 

Neji schmunzelte. „Ich bin mir sicher, dass es nichts ist, was du nicht händeln kannst.“

 

Eine feine Linie erschien zwischen den Brauen des Nara und sein Blick wandte sich zur Seite ab. „Es ist, wie ein Puzzle zu lösen, obwohl man die Teile nicht hat.“

 

„Stell dir nur vor, wie lohnend dann erst das Ergebnis sein wird“, neckte Neji und versuchte energisch, sein eigenes Gefühl von Unbehagen herunter zu spielen, als er die Sorge auf Shikamarus Gesicht erspähte. 

 

Genervt zu sein war ein Markenzeichen von Shikamaru – aber Verängstigung?

 

Er versuchte nicht einmal, den Humor zu erwidern. 

 

Neji runzelte die Stirn. „Was ist los?“

 

Ohne aufzusehen hob Shikamaru seinen Kaffee an die Lippen und trank die Hälfte davon in einem einzigen langen Schluck, bevor er eine Grimasse schnitt. Doch Neji war sich sicher, dass der säuerliche Ausdruck nichts mit dem Getränk zu tun hatte. 

 

„Etwas, das Asuma-sensei über benachbarte Angriffe gesagt hat“, erklärte der Nara. „Es kommt alles etwas zu nah an Zuhause.“

 

„Du glaubst, dass es sich dabei um Akatsuki handelt?“, fragte Neji und richtete all seine Instinkte auf die Antwort.

 

Der Schattenninja zuckte mit den Achseln und stieß sich von dem Rahmen ab. Langsam und barfuß trat er hinaus auf die Veranda, während er seine andere Hand in die tiefe Tasche seines Yukata vergrub. Eine launische Brise wehte zwischen ihnen, wirbelte Nejis Strähnen auf und spielte mit den losen Falten von Shikamarus Robe. 

 

Der Wind fühlte sich kälter an, als es hätte sein sollen. 

 

„Selbst wenn das nicht der Fall ist, es ist nur eine Frage der Zeit“, murmelte Shikamaru, als er seine Hüfte gegen die Balustrade einknickte. Seinen Blick richtete er auf einen weit entfernten Punkt und runzelte die Stirn. „Man kann die Zeit nicht anhalten, nicht wahr?“

 

Neji beobachtete ihn aufmerksam aus dem Augenwinkel. „Shikamaru…“

 

Shikamaru blinzelte rapide und schüttelte sein Stirnrunzeln ab, während er seinen Kaffeesatz herum schwenkte. Er warf Neji einen reumütigen Blick zu und ein halbherziges Lächeln spielte auf seinen Lippen. „Bin nicht gut in diesem Part. Normalerweise knockst du mich aus und machst dich aus dem Staub.“

 

„Aus dem Staub machen…“, echote Neji und kostete den Jargon mit einem Schmunzeln. 

 

„Tun, was ich tue“, klarifizierte Shikamaru. „Wegrennen.“

 

„Ich renne nicht weg“, erwiderte Neji und Stolz lag unmissverständlich in seinen tiefen Tönen. 

 

„Wie lästig.“ Shikamaru schüttelte mit sardonischer Verwunderung den Kopf, bevor er träge eine Schulter hob, was simultan seine Tasse an seine Lippen brachte. „Schön. Dann entschwindest du eben im Äther. Würdevoll genug für dein Ego, Hyūga?“

 

Neji hätte gelacht, wenn er nicht gespürt hätte, wie diese Sehnsucht drohte, alle Luft in seiner Brust zu schlucken und alles zu zerstören, was von seiner Entschlossenheit noch übrig war.

 

Er neigte leicht den Kopf und kämpfte ein Lächeln nieder. „Du hast dich niemals darum geschert, mein Ego zu unterhalten.“

 

Schnaubend setzte Shikamaru seine Tasse auf der Balustrade ab. „Viel zu lästig, außer du nutzt den ‚steinharten‘ Teil davon, um mich auszuknocken.“

 

Der Humor schwankte wie eine Seifenblase und zerbarst auf der kalten Brise, die sich zwischen ihnen hindurch stahl und Vogelgesang und bebende Atemzüge mit sich trug. Neji hielt seinen Blick mit diesen dunklen Augen verankert und suchte nach etwas, von dem er nicht davon ausging, dass es einer von ihnen konfrontieren würde. Zumindest nicht mit Worten. 

 

Aber Körper sprechen auch.

 

Ohne zu zögern schloss Neji die Distanz zwischen ihnen und seine Schritte waren dabei ruhiger als die Emotionen, die in seinen Augen wogten. Shikamaru sträubte sich nicht oder wich zurück, doch seine Braue hob sich in diesem subtilen Bogen, von dem Neji niemals gedacht hätte, dass er es vermissen würde, ihn zu sehen. Der trockene Ausdruck hatte in der Vergangenheit niemals darin versagt, ihn zu provozieren und zornig zu machen. Doch wie so vieles anderes auch an Shikamaru, auf das er sich hätte fokussieren sollen, um es zu vergessen oder es zu hassen; am Ende erinnerte er sich dennoch daran und er vermisste es. 

 

„Das war keine Einladung“, murmelte der Schattenninja trocken, doch Neji konnte deutlich den Kummer und die Traurigkeit in seinem Schmunzeln sehen. 

 

Neji trat zu ihm und legte seine Hand zärtlich an Shikamarus Halsbeuge, um mit dem Daumen über das Mal zu streicheln, das er auf der olivfarbenen Haut hinterlassen hatte. 

 

Mit der Zeit würde es verschwinden. 

 

Ganz anders als du…

 

Shikamaru spannte sich nicht an und machte auch keine Anstalten, die Berührung abzuschütteln. Er musterte Neji ohne seine Augen hinter dem üblichen Halbmast seiner Lider zu verstecken und versuchte nicht einmal, einen wachsam kalkulierenden Blick aufzusetzen. 

 

Denn wie sie beide nur zu gut gelernt hatten; war das hier auf keinen Fall eine Kopfsache. 

 

Neji ummantelte Shikamarus Kiefer und fuhr mit dem Daumen über kaffeewarme Lippen. 

 

„Du weißt, warum ich gekommen bin“, sagte er leise mit einer Stimme, die nur wenig mehr war als ein Wispern.

 

Und diesmal verbarg Shikamaru seine Augen. Er lehnte sein Gesicht in die Berührung und sein Atem geisterte in einem Seufzen gegen Nejis Handfläche. „Ich kann mir ein paar Möglichkeiten vorstellen.“

 

„Und ich bin mir sicher, dass du sie auf den eigentlichen Grund reduzieren kannst.“

 

„Kann ich nicht“, hauchte Shikamaru und zuckte mit einem zitternden Lächeln mit seiner anderen Schulter. „Ich will es niemals wissen, erinnerst du dich?“

 

Erinnern? Neji hatte es niemals vergessen – war das nicht das eigentliche Problem?

 

Langsam ließ er seinen Blick über Shikamarus Gesicht wandern und rang mit sich selbst über seine nächsten Worte, sich wohl bewusst, dass der Schattenninja sie hören und die darunter liegende Bedeutung verstehen würde. Und bei diesem Wissen hätte er sie nicht aussprechen sollen. Aber sie stolperten dennoch über seine Lippen. 

 

„Ich werde mich immer daran erinnern, Shikamaru.“

 

Shikamarus Augen weiteten sich, bevor sie sich schlossen und sein Kiefer heftig zuckte. „Lästiger Hyūga“, lachte er leise. „Du kannst es einfach nicht dämlich simpel halten, oder?“

 

„Es war schon immer simpel, Shikamaru. Nur niemals einfach.“

 

„Weil Schicksal ein Miststück ist, das sich nicht zurückhält.“

 

„Ganz anders als du.“

 

Das ließ Shikamaru leise kichern und er hob die Lider, um ihre Blicke zu verbinden. „Hätte dich heftig treffen sollen, als ich die Gelegenheit dazu hatte.“

 

Das hast du.

 

Neji schob seine Hand an Shikamarus Hinterkopf und legte seine Stirn an die des Nara. „Bis zum nächsten Mal, Nara?“

 

„Verlass dich drauf.“

 

Und diesmal wurde ein gegenseitiges tiefes Verständnis zwischen ihnen vermittelt; ausgesprochen mit einem Blick, aufgenommen in einer Berührung. Sie atmeten es unzählige Male in den jeweils anderen. Es blieb auf vielerlei Weisen unausgesprochen und unvollendet. Auf nicht fassbare Weisen. Auf mehr Weisen, als Neji benennen oder Shikamaru vorausahnen konnte. Aber auf der anderen Seite war das einfach das Wesen von Dingen, die undefiniert blieben – auch dann, wenn es, in gestohlenen Augenblicken, irgendwie verstanden wurde. 

 

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Uuuuund scheinbar schaffe ich es langsam wieder, meinen alten Uploadrhythmus wieder aufzunehmen, ich hoffe, das freut euch?! :) 

Ahja dieses Kapitel ist wie ein kleiner Vorbote...der Titel "Because scars don't bleed", Nejis Gedanke "Und was liegt unter diesen Narben, Shikamaru?" - zur Erinnerung: Der letzte Teil der Serie heißt "Under these Scars" ;) 
 

Ich hoffe auf jeden Fall sehr, dass euch dieses Kapitel gefallen hat, auch wenn es mit einem Abschied endet. Vielleicht ist euch bei dem Abschied ja sogar etwas aufgefallen? Oder eher...kam er euch vielleicht ein bisschen bekannt vor? ;) Über ein paar Worte von euch würde ich mich auf jeden Fall wieder mega freuen *-* 
 

Vielen lieben Dank wie immer an alle meine lieben und treuen Reviewer/innen und Leser/innen <3

One day...

Das Wispern zarter Füße und das Rascheln der Yukatas von Frauen fielen wie Pinselstriche um die Kanten einer tiefen andauernder Stille. Es war eines von HOTARUs teuersten Luxusartikeln. Gefertigter Frieden. Gäste bezahlten einen hübschen Preis dafür und das Ryokanpersonal bewahrte es mit größter Sorgfalt und Liebe zum Detail. Sie waren Frauen, die darauf trainiert waren, sich so gewandt zu bewegen, dass alles, was sie störten, die schwachen Weihrauchwolken waren, die die Korridore reinigten. 

 

Sie schwebten auf zierlichen Füßen über die polierten Holzböden; gesehen, aber kaum gehört. 

 

Wie ähnlich das einem Hyūga Haushalt ist…

 

Nejis Lippen zuckten leicht angesichts dieses Gedankens. 

 

Er schritt durch einen sanften Lichtstrahl, als das Gold des Morgens durch die Shoji Paneele schimmerte, um die Gänge des Ryokans in ein sanftes Glühen zu baden. 

 

Irgendwie erschien es viel wärmer als ein Hyūga Haushalt. 

 

Neji neigte höflich den Kopf vor einem vorbeilaufenden Mädchen. Die junge Frau errötete heftig und umklammerte einen dampfenden Becher Kaffee fester in ihren Händen, während sie sich tief verbeugte und sich ihre Füße in raschen und effizienten kleinen Schritten bewegten. 

 

Das Aroma von Kaffee wehte hinter ihr her. 

 

Nejis Geist ging gemeinsam mit dem Duft auf Wanderschaft und wand seine Gedanken um Shikamaru. 

 

Lass los…

 

Kopfschüttelnd atmete Neji lange aus. Er passierte einen Schleier aus Weihrauch und sog tief den schweren Geruch rauchiger Rosen ein, um ihn durch seine Sinne wirbeln zu lassen. 

 

Er konnte den Kaffee immer noch riechen. 

 

Verdammt sei das…

 

Da er davon ausging, dass eine Verlagerung seines Ganges auch eine Verlagerung seines Verstandes nach sich ziehen würde, veränderte er seine Richtung und schritt einen der angrenzenden Korridore entlang. Er führte ihn fort von den luxuriösen Suiten und nach draußen durch einen Bambusgarten, einen von Bäumen gesäumten Pfad entlang, wieder hinein und vorbei an einem riesigen Konferenzraum, der gleichzeitig als Veranstaltungsort für gesellschaftliche Treffen diente. 

 

Neji verlangsamte sein Tempo, als er Schritte vernahm. 

 

Die Türen zu dem Raum schwangen hinter einer Kellnerin auf, die einen Stapel weiß lackierter Teller trug. Der Luftstoß der sich schließenden Türen traf Neji mit dem schweren Geruch des Morgenbuffets. 

 

Sein Magen drohte ihm mit einem Knurren. 

 

Später. Finde die Lobby.

 

Er lief weiter den Gang entlang, hielt aber inne, als seine Instinkte innerhalb eines Herzschlages zum Leben erwachten. 

 

Irgendwas stimmt nicht…

 

Ein lautes Geräusch hinter den Türen ließ Neji zurückspringen, nur Sekundenbruchteile, bevor die Tür erneut aufflog. Doch eine verhinderte Kollision milderte die Wirkung überhaupt nicht ab, dabei zuzusehen, wie Kiba durch die Türen brach und in die Fusamawand krachte, bevor er benommen und schwerfällig auf den Boden sackte. 

 

Sprachlos stand Neji da. 

 

Was um alles in der Welt?

 

Er erhielt keine Gelegenheit, nach vorn zu treten. 

 

Die Türen schwangen schon wieder auf. 

 

Naruto und Sakura kamen in einem Knoten aus Gliedmaßen heraus gestolpert und rangen heftig um den Besitz von etwas Schwarzem, Schimmernden und Rechteckigem, das wie eine heiße Kartoffel zwischen Narutos Händen hin und her hüpfte. 

 

Sakura kreischte aus voller Lunge in sein Ohr: „NARUTO!“

 

Neji zuckte angesichts der Lautstärke zusammen.

 

Schweigend beobachtete er, wie auch die anderen beiden neben Kiba in die Fusamawand krachten, wobei Naruto das meiste des Aufpralls abbekam. Doch zu Nejis Verwunderung lachte Naruto einfach nur. Sich vehement weigernd aufzugeben, hinter was auch immer Sakura her war, krümmte der Jinchūriki den Oberkörper, um das mysteriöse Objekt an seinen Bauch zu pressen. Die pinkhaarige Kunoichi kletterte quasi seinen Rücken hinauf, als sie versuchte, um ihn herum zu greifen und das Ding wieder zurück zu schnappen.

 

„Gib mir die Kamera!“, brüllte sie. 

 

Auf dem Boden stöhnte Kiba auf. „Ich kann mein Gesicht nicht spüren…“

 

Naruto lachte nur noch heftiger. „Du solltest es mal sehen.“

 

Kiba funkelte ihn durch ein geschwollenes Auge zornig an, das lila umrandet war und rasch dunkler wurde. „Lach dich ruhig kaputt, Turteltaube. Ich werd‘ dir das Gesicht eindellen und dir so heftig in den Arsch treten, dass…“

 

Naruto grinste. „Mach doch! Du siehst sowieso schon potthässlich aus.“

 

Neji schüttelte nur den Kopf und spähte über die Schulter. Zurückzugehen würde riskieren, Shikamaru über den Weg zu laufen, besonders dann, falls sich der Nara und seine Teamkameraden auf die Suche nach Essen machen sollten. Seufzend richtete er seine Aufmerksamkeit zurück auf die Szenerie und seine Augen weiteten sich, als Sakura die Faust hob. 

 

Ihm blieb überhaupt keine Zeit, einzuschreiten. 

 

Sie hämmerte ihre Knöchel so heftig in Narutos Schenkel, dass die Gliedmaße augenblicklich einen heftigen Pferdekuss davontrug. Der Uzumaki plärrte einen schrillen Ton hervor, der einem Chorknaben Konkurrenz machte und sein Knie knickte ein. Doch statt aufzugeben, presste er den Gegenstand nur noch fester gegen seinen Bauch, während er immer noch lachte. 

 

Neji verstand überhaupt nicht, was so amüsant war. 

 

Weiter den Gang hinunter sah eine Traube aus Personal geschockt zu; Hände flogen zu Mündern und Hälsen. 

 

Wunderbar…

 

Neji zog die Brauen zusammen und nahm sich eine kurze Sekunde, um die Situation zu analysieren. Während Kiba und Naruto zwar Wiederholungstäter in der Abteilung für Delinquenten waren – völlig unabhängig davon, wo sie sich befanden – deutete die Tatsache, dass Sakura in einer solch würdevollen Umgebung auf diesen Zug aufsprang, klar darauf hin, dass sie diesmal zum Opfer geworden war. 

 

Durch eine Kamera?

 

Auf einen Schlag wollte Neji gar nicht wissen, worum es hier ging – oder darin verwickelt werden. Er hätte ohne einen Blick zurückzuwerfen einfach weiter laufen sollen. Und wenn ihm sein militantes Kontrollgefühl nicht befohlen hätte, Ordnung in das Chaos zu bringen, wäre er einfach über Kiba hinweg gestiegen, an den sich kabbelnden Teamkameraden vorbei marschiert und hätte sie einfach so ihrem Wahnsinn überlassen. Gott, dieses Drama einfach nur mitzuerleben verpasste ihm schon ein schlechtes Gewissen. 

 

Sakura vollführte einen weiteren heftigen Hieb und Naruto jaulte auf wie ein getretener Hund. 

 

Das Personal des Ryokans schnappte nach Luft. 

 

Neji seufzte. Er gab sich Mühe, seine eigene Verlegenheit über diese Situation zu überspielen, indem er seine Miene blank wischte und seine Stimme zu dem kalten Ton von Tadel senkte. 

 

„Was glaubt ihr eigentlich, was ihr da macht?“, verlangte er zu wissen. 

 

Naruto blinzelte durch die sonnigen Strähnen seiner Haare nach oben und strahlte. „Neji!“

 

Da er nicht wusste, wie er auf diese Begeisterung in Narutos Stimme reagieren sollte und da er auch nicht in der Lage war, sie zu erwidern, richtete Neji seinen kühlen Blick auf Kiba. „Steh auf, Inuzuka. Das hier ist ein Ryokan und kein Schlägerschuppen.“

 

„Dachte ich mir doch, eine saure Stimmung gerochen zu haben, die in diese Richtung kommt“, kicherte Kiba und ließ sich nicht einmal dazu herab, aufzusehen. „Dieses Nasenupgrade ist wirklich etwas, an das man sich erst noch gewöhnen muss.“

 

„Steh auf.“

 

„Willst du einem Kumpel keine helfende Hand geben?“ Der Hundeninja ließ den Kopf nach hinten kippen, um zu Neji hoch zu spähen. „Oder du kannst natürlich auch einfach da stehen bleiben, während ich auf dem Boden jedes Gefühl verliere.“

 

Neji machte keinerlei Anstalten, ihm aufzuhelfen. 

 

Kiba sträubte sich wie ein Kaktus gegen den stoischen Blick. „Was? Würde das bedeuten, dass sich Seine Hyūga Hoheit zu tief verbeugen muss?“

 

Nejis Augen funkelten wie polierter Stahl und seine Lippen bogen sich in einem grausamen Schmunzeln an einem Mundwinkel nach oben. „Es ist auf jeden Fall ein langer Weg nach unten, um dein Level zu erreichen.“

 

„Oder vielleicht zerbricht es auch einfach nur den Stock in deinem Arsch, wenn du dich vorbeugen musst?“

 

„Für jemanden, der jedes Gefühl in seinem Gesicht verloren hat, machst du einen bemerkenswert guten Job darin, deinen Mund zu bewegen, Inuzuka.“

 

Kibas höhnisches Grinsen kräuselte sich so weit, dass es schon beinahe ein Knurren wurde. „Leck mich, Hyūga.“

 

„Hey Leute, seid doch nicht so.“ Naruto zog die Brauen zusammen und die Schultern an seinen Kiefer, um Sakura davon abzuhalten, ihn in einen Würgegriff zu bekommen. „Sakura-chan!“

 

„ARGH!“ Mit einem Grollen schwang sich Sakura ihr Haar nach hinten und ihre schlanken Arme und Beine wanden sich in einem Huckepack-Schraubstock um Naruto. „Gib mir die Kamera!“, fauchte sie.

 

„Auf keinen Fall!“, weigerte sich Naruto und bemühte sich zusehends, gleichzeitig zu atmen, zu sprechen und nicht von der überschäumenden Kunoichi zu Boden gerissen zu werden. „Es ist nicht deine Kamera. Es ist Kibas!“

 

„Lüg doch nicht.“ Kiba setzte eine Miene auf, die viel zu unschuldig aussah, um glaubhaft zu sein. „Es ist Shinos.“

 

„Es ist mir schnurzegal, wem sie gehört!“, brüllte Sakura. „Was darauf ist, gehört MIR!“

 

„Nicht nur dir“, warf Kiba vom Boden aus ein. Er hob seine Hände und formte mit Fingern und Daumen ein Herz, mit dem er Sakuras Gesicht einrahmte, als würde er damit ein Foto schießen wollen. „Du und Hibari könnt es für die Kinder in einen Rahmen stecken.“

 

Neji hob eine mentale Braue. 

 

Und Sakura errötete bis zu den Haarwurzeln, während ihre grünen Augen vor Entsetzen rund wurden. 

 

„Hibari. Moment. WAS?“ Narutos Kopf ruckte nach oben und legte dabei seinen Hals für Sakuras Würgegriff frei. 

 

Sie umklammerte seine Kehle mit ihrer Armbeuge und zischte ihm ins Ohr. „Gib mir JETZT sofort diese Kamera!“

 

„Was hat Kiba da mit Hibari gemeint?“, würgte Naruto hervor. 

 

Neji schloss die Augen und rieb sich den Nasenrücken. 

 

Gratuliere, Tsubasa…du bist für Frieden hierher gekommen und hast soeben einen Krieg angezettelt…

 

Weiter den Gang hinunter teilten sich die wispernden Ränge des Personals zu zwei Linien entlang des Korridors, um einem Mann Platz zu machen, der die Größe eines heraufbeschworenen Giganten hatte. 

 

Kiba pfiff warnend durch die Zähne, erhob sich aber immer noch nicht vom Boden. „Achtung. Hier kommt das Muskelpaket des Hauses.“

 

Neji sah auf und war schon drauf und dran, eine hitzige Erwiderung hervor zu schnappen, bis er Kibas Blick folgte. 

 

Die finstere Miene fiel von seinem Gesicht und seine Augen weiteten sich. 

 

Der Sicherheitsmann des Ryokans war gebaut wie ein Ochse auf Steroiden. Und genau so sah er auch aus. Sein riesiger kahler Kopf rundete sich nach unten hin zu zwei Kinns ab, wobei eines davon mit einem dünnen goldenen Zopf geziert war. Ein fetter Rubin glitzerte blutgleich an einem Ohrläppchen und ein Septum schimmerte an seiner gepiercten Nasenscheidewand. Sein plattes Gesicht sah aus, als hätte es mehrere Male Bekanntschaft mit dem praktikablen Ende einer Bratpfanne gemacht – was vielleicht an Kopfnüssen oder entsetzlichen Genen lag – und saß auf einem Bullennacken, der wie mit Kabeln von hervorstehenden Sehnen und Venen durchzogen war.

 

„Woah. Der sieht mal richtig madig aus“, observierte Kiba. „Viel Spaß mit dem Kerl, Neji.“

 

„Steh auf.“

 

„Ich werde meinen Arsch ganz sicher nicht bewegen, nur um ihn dann nach allen Regeln der Kunst versohlt zu bekommen.“

 

Neji warf ihm einen vernichtenden Blick zu. „Beweg dich!“

 

Kiba schwang graziös und einladend einen Arm nach außen. „Nach Euch, Eure Hoheit.“

 

Neji atmete lange aus und hielt dem sich nähernden Wachmann eine Hand entgegen, um ihm zu versichern, dass alles unter Kontrolle war – abgesehen von Naruto, der unter Sakuras Fäusten immer mehr grün und blau wurde. Doch die gelbbraunen Brauen des Ochsenmannes zogen sich wie Blitze über seine tiefsitzenden und blinzelnden Augen zusammen. Augen, die ihren stürmischen Blick über die Szenerie schweifen ließen, bevor sie sich auf den Hyūga konzentrierten. 

 

Neji versteifte sich, als der Mann näher kam.

 

Kiba stieß ein grimmiges Kichern aus. „Oh yeah, das hat ihn wirklich beeindruckt“, bemerkte der Hundeninja vom Boden aus und ließ scharfe Fangzähne in einem Grinsen aufblitzen. „Er wird dich durchkauen und ausscheißen, Hyūga.“

 

„Halt den Mund, Inuzuka.“ Unverwandt hielt Neji den Blick des Sicherheitsmannes, während er die Wahrscheinlichkeit berechnete, dass sich diese Sache noch friedlich lösen ließ. Der Mann war ein Shinobi. Das konnte Neji deutlich an der Art und Weise erkennen, wie er seinen massigen Körper ausbalancierte; in perfekter Kontrolle über das immense Gewicht, von dem er ganz gewiss wusste, wie er es zu seinem Vorteil herumwerfen musste. 

 

Kiba summte leise im Takt der schweren Schritten. 

 

Neji warf ihm einen genervten Blick zu. 

 

Ganz offensichtlich hatte der Hundeninja jede Absicht, das hier einfach auszusitzen. Und was Naruto und Sakura anging; sie verblieben vollkommen ahnungslos von dem sich nähernden Goliath und fuhren unbeirrt fort, sich um den Besitz der Kamera zu zanken und um das, was sich darauf befand. 

 

Und das ließ Neji mit der Aufgabe zurück, den massiven Muskelprotz abzufangen. 

 

Typisch…

 

‚Schicksal ist ein Miststück, das sich nicht zurückhält…‘

 

Hn. Es scheint wohl so, Nara.

 

Als vollkommener Inbegriff von Ruhe trat Neji um Kiba herum und stellte sich zwischen den Wachmann und die sich kabbelnden Teamkameraden. Doch kaum hatte er einen Schritt auf den Hünen zugemacht, da schwebte eine Rauchwolke über die Schulter des Glatzkopfes und ließ ihn innehalten. 

 

„Packen dich die Kids bei den Hörnern, Oushi?“, rief ein entspannter Bariton und durchbrach munter die Spannung. „Oder findest du nur seltsame Wege, ein paar Pfunde abzubauen?“

 

Der riesige Mann wandte sich blinzelnd dem Sprecher zu. Und dann zerbrach seine grimmige Miene zu einem Lächeln, das sein Gesicht vor absoluter Hässlichkeit bewahrte. „Du kennst diese Rabauken?“

 

Rabauken?

 

Das hätte Neji vermutlich gekränkt, wenn seine Aufmerksamkeit nicht von der Beleidigung auf den Jōnin umgelenkt worden wäre, der lässig an der Wand lehnte und eine Zigarette in der Hand hielt. Die Augen des Hyūga weiteten sich überrascht. 

 

„Senpai…“

 

Inzwischen hatten sogar Naruto und Sakura lange genug aufgehört, sich gegenseitig zu attackieren, um zu realisieren, dass sie sich unter der Bedrohung einer höherrangigen Autorität befanden. Eine freundschaftliche Umarmung vortäuschend hielt Sakura ihre Huckepack-Position aufrecht und schlang die Arme weiterhin wie Schraubstöcke um Narutos Hals, während sie zuckersüß lächelte und ihn dabei mehr oder weniger mit ihrer Zurschaustellung von „Zuneigung“ strangulierte. 

 

Narutos Augen quollen langsam aus ihren Höhlen und Schweiß rann über sein Gesicht, doch er streckte ein zittriges ‚Daumen hoch‘ aus und brachte ein gequältes Lächeln zustande. „Hey…hey…Sensei…“

 

Asumas Lippe kräuselte sich und Rauch strömte aus seiner Nase. „Jo, die kenne ich.“

 

Oushi gab ein verärgertes Geräusch von sich und spähte mit zusammengekniffenen Augen zu Neji hinüber. „Wie gut kennst du sie?“

 

„Gut genug um zu wissen, dass dich der da in unter 24 Sekunden und mit 64 Schlägen zu einem querschnittsgelähmten Krüppel verwandeln wird.“

 

Unsicher, ob Asuma nun einen Scherz machte oder nicht, führte Oushi eine doppelte Überprüfung durch und musterte Neji aufmerksam vom Scheitel bis zur Sohle. Er runzelte die Stirn, zögerte und griff dann in die Tasche seiner riesigen Haori Jacke, um eine Brille hervorzuziehen. Er spähte kurz auf die Linsen, benebelte sie mit seinem Atem und wischte sie mit dem Ende seines Obigürtels sauber. 

 

Neji starrte ihn ausdruckslos an; nicht sicher, wie er darauf reagieren sollte. 

 

Er konnte quasi fühlen, wie Kiba versuchte, sein Lachen in sich zu halten, widerstand aber dem Drang, dem Hundeninja einen heftigen Tritt zu verpassen, während er noch auf dem Boden saß.

 

Die ungläubigen Blicke vollkommen ignorierend, platzierte Oushi die Hornbrille auf seiner Nasenspitze und vergrößerte damit seine kleinen Augen zu zwei massiven Sphären. Blinzelnd sah er erneut Neji an und sein Kopf ruckte geschockt ein Stück nach hinten. 

 

„Ah…ein Hyūga? Na schön.“ Oushi hustete laut und zog rasselnd Schleim aus seiner Kehle, als wollte er jeden Moment ausspucken. „Gibst du mir Rückendeckung, Sarutobi?“

 

Asuma grinste um seine Zigarette; es war ein Aufblitzen von Weiß in seinem sonnengebräunten Gesicht. „Nah.“

 

„Um der alten Zeiten willen?“

 

„Das ist ein längst vergangenes Zeitalter für dich, Kumpel.“

 

„He, in mir befindet sich immer noch ein wenig Ninjutsu“, grummelte Oushi und nahm seine Brille ab, da er das Interesse an einem Kampf verloren hatte, dessen Ausgang signifikant davon abhing, sich schneller zu bewegen als die Hände des jungen Hyūga.

 

Er wich vor Neji zurück. 

 

„Früher warst du mal für Spaß zu haben, Sarutobi.“

 

„Tja, ich bin den Rängen derer beigetreten, die sich Verantwortung wie einen Klotz ans Bein binden“, neckte Asuma schmunzelnd.

 

„Jo, genau wie ich“, grunzte Oushi und hob eine Hand, um auf den goldenen Ehering hinzuweisen, der seinen Finger erwürgte. 

 

Neji sah zu, wie die beiden gemeinsam lachten, bevor Oushi seinen Muskelberg-Körper den Korridor hinunter wuchtete, während er die Brust vorschob, um die herrenlosen Frauen zu beeindrucken, die um ihn herum flossen wie Wasser und sich schweigend ihren Weg zu ihren Aufgaben schlängelten. 

 

„Danke, Senpai“, sagte Neji und sah zurück zu Asuma. Im Grunde war er viel dankbarer für die Tatsache, dass er dieses Problem nun einem anderen Jōnin übergeben konnte und er seinen Weg wieder aufnehmen könnte. 

 

„Kein Problem.“ Asuma zog lange an seiner Zigarette und die Belustigung in seinen Augen ernüchterte rasch. „Hast du Kotetsu oder Izumo irgendwo gesehen?“

 

Neji schaffte es, nicht allzu überrascht auszusehen und schüttelte den Kopf. „Hier nicht.“

 

„Klar. Shikamaru?“

 

Beinahe zögerte Neji. „Ja. Ich glaube nicht, dass er schon ausgecheckt hat.“

 

Asuma wandte den Blick ab und atmete eine Lunge voll Rauch eher nach unten als nach oben aus; seine Augen folgten bedächtig der Wolke. Neji zog die Brauen zusammen, erhielt aber keine Gelegenheit, die Miene des Sarutobi auseinander nehmen zu können; Asumas introspektiver Ausdruck hielt nicht länger als wenige Sekunden an – er war da und gleich darauf wieder fort wie sein Rauch. 

 

‚Er ist ein schwer fassbarer Lehrer…‘

 

Das schien auf jeden Fall so zu sein. 

 

„Naja, ich denke, ich überlasse diese Sache dann mal deinen fähigen Händen.“ Asuma grinste und nickte in Richtung des Chūnintrios, das genau da weiter machte, wo es aufgehört hatte.

 

Neji warf dem älteren Jōnin einen angestrengten Blick zu und setzte zu sprechen an.

 

Doch Asuma winkte mit einer Hand über seinen Kopf, während er sich bereits umdrehte, um den Weg zurück zu schlendern, den er gekommen war, ein rumpelndes Kichern hören ließ und eine Rauchwolke ausstieß. „Klotz am Bein, Neji.“

 

Nejis Auge zuckte. Deutlich konnte er die Zügel seiner Geduld spüren, die ein Tauziehen zwischen der Hand aus Kontrolle und der Hand vollführten, die irgendetwas ziemlich heftig schlagen wollte. Oder irgendjemanden. 

 

Naruto stieß ein Keifen aus. „SAKURA-CHAN!“

 

Scharf wirbelte Neji herum und warf seinen Arm in einem kontrollierten Schwung nach außen. „Das reicht jetzt!“

 

„Oi, oi, Hyūga“, zwitscherte Kiba vom Boden nach oben. „Ich will sehen, wer gewinnt.“

 

„Feigling!“, hustete Naruto und schwenkte die Kamera in Richtung des Hundeninjas. „Du bist doch derjenige, der das Bild damit eingefangen hat.“

 

„Ach was du nicht sagst.“ Ruckartig kam Kiba auf die Beine und stieß in Nejis steifen Rücken. Er schob seinen Kopf über die Schulter des Jōnin und deutete vielsagend mit einem Finger auf sein Veilchen, während er finster Naruto anstierte. „Ich habe es direkt mit meinem Gesicht eingefangen.“

 

Neji drehte marginal den Kopf. „Außer du willst eine weitere Faust in deinem Gesicht, rate ich dir dringend, von mir wegzugehen. Jetzt.“

 

Kiba grinste höhnisch und lehnte sich weiter nach vorn, um seinen Kopf um Nejis Schulter zu schieben, bis ihre Blicke auf gleicher Höhe waren und er die Zähne bleckte. „Du bist immerzu von Kopf bis Fuß eitel Sonnenschein, nicht wahr, Hyūga?“

 

„Was dich definitiv zu meinem verregneten Tag machen würde.“

 

„Und was willst du schon dagegen unternehmen?“

 

Ihre Blicke trafen sich in einer unnachgiebigen Blockade. 

 

Anspannung schäumte bis zum Rand hoch. 

 

Und Neji spürte, wie eine altbekannte Gewaltbereitschaft durch seine Venen kroch. 

 

Naruto hob seine Hände. „Hey, Leute?“

 

Kiba erstarrte mitten in einem Grollen und drehte seinen Kopf zur selben Zeit wie Neji. 

 

„WAS?“, blafften sie wie aus einem Mund. 

 

Ein Klicken erscholl. 

 

Der Kamerablitz explodierte in einem grellen Aufflammen, reflektierte von Nejis Hitai-ate und ließ das Licht direkt in Narutos Augen zurückprallen. Alle drei Männer rissen die Köpfe zurück. 

 

Kiba heulte auf und presste die Hände auf die Augen. „Was ZUM!“

 

„Naruto, du Vollidiot!“, schrie Sakura sicher verborgen hinter seinen goldenen Stacheln. „Das ist echt gefährlich für Inuzuka Augen!“

 

Naruto schob die Kamera unter sein Shirt und lachte auf. „Aber es hat ihnen das Maul gestopft!“ Er blinzelte und beugte sich zu dem schockstarren Jōnin. „Und außerdem; sieh dir Nejis Gesicht an!“

 

Neji schaffte es nicht einmal, eine Erwiderung darauf zu formulieren. 

 

Er war sich nicht einmal sicher, ob er immer noch in die richtige Richtung sah.

 

Narutos war in einem grellen Block aus Licht verschwunden – was bedeutete, dass er höchstwahrscheinlich verfehlen würde, sollte er zu einem Schlag gegen diesen Trottel ausholen. Ein ‚blinder Glückstreffer‘ war hier nicht angebracht und er bezweifelte ernsthaft, dass er wirklich einen Glückstreffer landen würde. Wahrscheinlich würde er stattdessen irgendwie Kiba treffen. 

 

„Whoa, Neji, bist du okay? Du siehst völlig weggetreten aus.”

 

Weggetreten? Hatte Naruto denn überhaupt keinen Plan?

 

Ich. Bring. Dich. Um.

 

Stirnrunzelnd blinzelte Neji weiterhin eulenhaft und versuchte energisch, die schwebenden Punkte aus seinem Sichtfeld zu verbannen, bevor seine Augen so groß und rund wurden, dass es aussah, als hätte er gerade ein Halluzinogen inhaliert.

 

Nein, das würde sich befreiend anfühlen und vermutlich so, als würde ich fliegen…

 

Alles, was er im Moment fühlte, war der übermächtige Drang zu verstümmeln. 

 

Und Naruto war davon vollkommen ahnungslos. „Kakashi-sensei redet immer davon, Konflikte mit friedlichen Mitteln zu lösen und hey, diese Methode funktioniert!“

 

Oh, ich kenne noch eine andere Methode, die funktioniert…

 

Obwohl ‚friedliche Mittel‘ nicht unbedingt darin vorkamen. 

 

Während Neji weiterhin das Rechteck aus Farben anblinzelte, das vor ihm mitten in der Luft hing, dachte er darüber nach, ob er nicht den roten Nebel des Wahnsinns dieser friedens-freien Methode hinzufügen sollte. Vielleicht könnte er dann nicht für seine Taten zur Rechenschaft gezogen werden. Vielleicht würde er bestätigen, was Tsunade über seine mentale Stabilität dachte, wenn er hier und jetzt Naruto und Kiba ermorden würde. 

 

Zumindest könnte er sich bei seiner Verhandlung auf Unzurechnungsfähigkeit berufen. 

 

Atme…

 

Neji atmete bedächtig ein. Er unterdrückte den Drang, auf die Chūnin loszugehen und lobte sich selbst dafür, dass er die Fassung wahrte. Das Schicksal hatte ihn wieder einmal mit einer weiteren Gelegenheit konfrontiert, sie zu verlieren. 

 

Ein paarmal blinzelte er noch, bevor die Welt wieder zurück in seinen Fokus kam. 

 

Sakura hatte es geschafft, einen von Narutos Armen auf seinen Rücken zu drehen und drohte ihm mit einem Bruch. Sie plärrte irgendetwas darüber, dass Kiba ein sehr empfindliches ‚Tapetum Lucidum‘ besaß und warf dazu noch medizinisches Geplänkel darüber ein, dass eine Überbelichtung für seine Augen äußerst schmerzhaft war. 

 

Neji spähte über die Schulter. 

 

Kiba hörte offensichtlich nicht ein einziges Wort, war vollkommen ahnungslos von Sakuras Erklärung über die okularen Gene seines Clans. Den Rücken ihnen zugewandt hatte der Inuzuka seine Hände über das Gesicht gelegt und den Kopf in den Nacken geworfen, als versuchte er, seine misshandelten Augäpfel davon abzuhalten, aus dem Schädel zu fallen. 

 

„Dreckiger Hurenso…aaah….direkt in die verfickten Augen…“

 

Und Naruto fasste das Ausmaß seines Mitgefühls in zwei Worten zusammen: „Drama Queen.“

 

„Du hast mich gerade geblendet, du Schmock.“

 

„In ein paar Minuten ist alles wieder okay, Kiba“, versicherte Sakura ihm. 

 

„Am Ende sehe ich wie Shino aus, mit dieser dämlichen Blindenbrille.“

 

„Kiba, es wird alles wieder okay.“ Sakura klatschte ihre Hand über Narutos Mund, um seinen nächsten altklugen Spruch zu unterbinden. „Ich habe das schon öfters bei Inuzuka Shinobi gesehen, die zu nahe an einer Blitzbombe standen. Es dauert etwas länger, bis das zurückgebliebene Netzhautbild verblasst, aber es wird verschwinden.“

 

Naruto befreite mit einem Rucken des Kopfes seinen Mund. „Ach stell dich nicht so an, es war nur das Blitzlicht einer Kamera!

 

Kiba knurrte tief über seine Schulter. „Ich habe hier echt Schmerzen.“

 

Genau wie ich, dachte Neji. Es war sehr schmerzhaft – seine Faust zurückzuhalten, wenn doch alles was er momentan wollte, war, sie zu schwingen. 

 

„Sind nicht die Augen von Hyūgas sowieso viel empfindlicher?“, argumentierte Naruto und blinzelte mit einer Grimasse zu Neji. „Hey, wie fühlst du dich, Neji? Alles okay?“

 

Ich fühle mich mörderisch…

 

„Mir geht’s gut.“

 

„Oh, na klar, markier den Harten, Hyūga.“ Kiba schnaubte der Decke entgegen und ließ seinen Kopf noch weiter nach hinten kippen, wobei er die Hände immer noch auf die Augen presste. „Scheiß auf Punkte und Sterne sehen, dusolltest eigentlich schwarze Löcher und Supernovae sehen.“

 

„Nein.“ Neji rieb sich die Augen und atmete tief durch. „Anders als du, habe ich keine Tapeta Lucida.“

 

Kibas Kopf ruckte nach vorn. „Was verfickt nochmal ist Tapeta Lucida?“

 

„Klingt ziemlich übel, wenn du mich fragst“, stichelte Naruto und grinste Kibas stocksteifen Rücken an. „Wie eine Krankheit.“

 

„Hör auf damit“, fauchte Sakura. „Es ist einfach nur die Pluralform.“

 

Kiba wirbelte herum. „Plural von WAS?“
 

„Einer Krankheit.“

 

„Halt die Klappe!“ Sakura schlug Naruto auf den Hinterkopf und wandte ihre Aufmerksamkeit dann dem wimmernden Kiba zu. „Tapetum Lucidum, Kiba, hast du denn nicht zugehört? Ugh. Einige Inuzuka Shinobi verfügen über diese Gewebeschicht hinter oder in der Retina von beiden Augen. Wie bei Hunden oder Katzen. Genau wie bei diesen Tieren, können deine Augen sehr sensibel auf Veränderungen im Licht reagieren.“

 

Kibas Kopf hob sich mit einem Hauch Begeisterung. „Sagst du mir gerade, dass ich eine Art raffiniertes Dōjutsu habe, von dem ich gar nichts wusste?“

 

„Nein“, schaltete sich Neji ein. „Du hast einfach nur eine verbesserte Nachtsicht.“

 

„Was für eine schöne Art, auf meine Fähigkeit zu pissen, Hyūga“, murrte Kiba gedehnt und sackte sichtlich zusammen. 

 

Sakura rollte mit den Augen und bot als einzige eine Stimme des Mitgefühls an, die sie als Kompliment verpackte. „Wenn es irgendwie dafür sorgt, dass du dich besser fühlst, Kiba, auf allen Fotos wird dieses schöne goldene Augenschimmern zu sehen sein.“

 

„Hast du das gehört, Turteltaube?“, grinste Kiba und seine Augenbrauen wackelten über seinen Händen. „Schön.“

 

„Hyūga Augen gehen viel mehr ab“, lachte Naruto und sein Mund bewegte sich schneller als sein Hirn. „Also sind die von Neji viel schöner.“

 

Neji wurde vollkommen regungslos. „Was hast du gerade gesagt?“

 

Naruto erbleichte. 

 

Und Kiba pfiff leise durch die Zähne. „So eine Scheiße, ich wünschte, ich könnte jetzt sein Gesicht sehen…“

 

Doch der Inuzuka wäre schwer enttäuscht gewesen. 

 

Nejis Miene war hart und kalt wie Eis, seine Stimme ein tiefes, gefährliches Echo. „Wie hast du mich gerade genannt?“

 

Naruto schluckte und setzte ein nervöses Grinsen auf, das mehr nach einer Grimasse aussah. Langsam zog er den Kopf ein, als würde er einen heftigen Tritt erwarten. Und Sakura überbrachte ihn direkt in seinen Hintern, als sie ihr Knie nach oben rammte. 

 

Narutos Augen flogen weit auf. „AU! Warum?!“

 

„Ich habe dich gerade gerettet“, knurrte sie.

 

„Um Haaresbreite“, sagte Neji sehr leise. 

 

„Wird dich nicht vor dem Schmerz retten, den ich dir verpassen werde.“ Kiba ruckte mit seinem Kinn in Narutos Richtung und linste durch die Spalten seiner Finger. „Hoffe und bete lieber dafür, dass ich aufhöre, tanzende Punkte und schimmernde Sterne zu sehen.“

 

„Weichei“, grummelte Naruto und fing sich dadurch eine Tirade medizinischer Fachtermini ein, die sich direkt über seinen Kopf ergoss. 

 

„Im Ernst“, zischte Kiba und rieb sich mit finsterer Miene über die inneren Augenwinkel. „Wenn du meine Tappus Looda-“

 

„Tapeta Lucida“, seufzte Sakura. 

 

„Jo, genau das. Wenn du meine Augen verhunzt hast, dann werde ich dafür sorgen, dass du deinen eigenen Hintern nichtmal mit einer Karte finden würdest.“

 

„Wie soll das denn überhaupt-“

 

„Ruhe, alle beide!“, blaffte Neji, während er sich überhaupt nicht an den winzigen Punkten erfreute, die noch immer durch seine Sicht schwebten. Erneut ließ er seinen Arm warnend nach außen schnellen. „Naruto, rück die verdammte Kamera raus und lass es zumindest für einen einzigen Tag einfach mal gut sein. Du hast Glück, dass du in dieses Ryokan eingeladen wurdest und ich bezweifle stark, dass Shikamaru oder Ino darüber erfreut wären, dass sich ihre Gäste wie wilde Tiere aufführen.“

 

„Das war kein Kompliment, Kiba“, giggelte Naruto. 

 

Kiba wirbelte herum. 

 

„Naruto“, warnte Neji eindringlich.

 

Doch unerbittlich dickköpfig wie er war, weigerte sich der Uzumaki vehement, die Kamera aufzugeben, schaffte es aber auch nicht, einen wirklichen Kampf zu seiner eigenen Verteidigung abliefern zu können, da er nicht willens war, Sakura noch weiter zu provozieren, wenn ihre Faust immer noch über seinem Kopf schwebte. 

 

„Unglaublich“, seufzte Neji und die Rage verließ ihn mit einem langen Ausatmen. 

 

„Also warst du bei Shikamaru, huh?“, fragte Kiba plötzlich.

 

Im Inneren erstarrte Neji, hielt seinen Blick aber weiter auf Naruto und Sakura fixiert, um nicht aufgeschreckt zu erscheinen. „Was?“

 

„Shikamaru“, wiederholte Kiba, während er vorsichtig mit den Fingern um seine Augen tastete, bevor er eine Hand darüber schirmte, als würde er sie vor Sonnenlicht schützen. „Du warst bei ihm?“

 

Neji neigte in neutraler Bestätigung den Kopf. „Naruto hat erwähnt, dass er Geburtstag hatte. Ich war in der Nähe und hielt es für angemessen, ihm zu gratulieren.“

 

„Zu dieser Uhrzeit? Ich wette, er hat sich wahnsinnig bei dir für dieses Kikeriki bedankt“, triezte Kiba und musterte Neji für einen Moment mit bebenden Nasenflügeln, als er in die Luft schnupperte. „Du riechst nach ihm.“

 

Nejis Herz taumelte schockiert. 

 

IMMER NOCH…?

 

Unmöglich. Er hatte unter der heißen Dusche gestanden und sich geschrubbt, bis seine Haut roh und gerötet war. Er war extra durch eine ganze Wolke Weihrauch gelaufen. Er war auf Nummer sicher gegangen, das Risiko der Entdeckung durch irgendeine Nase zu vermeiden – sei es nun durch einen Ninken oder einen Inuzuka.

 

Und dann dämmerte es ihm. Kibas vorherige Worte.

 

‚Dieses Nasenupgrade ist wirklich etwas, an das man sich erst noch gewöhnen muss.‘

 

Energisch biss Neji einen Fluch zurück. 

 

Was für ein unglaublich schlechter Zeitpunkt für Kibas Weiterentwicklung seiner olfaktorischen Stärke. Gott, er wollte gar nicht daran denken, was der Hundeninja wahrscheinlich wahrgenommen hätte, wenn Shikamaru hier stehen würde. 

 

„Nach ihm riechen?“, echote Neji und versuchte energisch, dabei beleidigt zu klingen. 

 

„Jo, Ma sagt immer, es wären die Vorteile und Eigenarten der Inuzuka Pubertät. Ich sage, es ist mein Ticket zum Tokujō.“ Kiba setzte ein breites Grinsen auf und tippte sich an die Nase. „Meine Nase ist momentan schärfer als die von irgendeinem Ninken.“

 

Fuck…

 

„Gratuliere“, murmelte Neji leise und musste feststellen, dass es ihm sehr schwer fiel, Luft in seine Lungen zu ziehen. „Wie höflich von dir, sie dazu zu nutzen, in meine Privatsphäre einzudringen.“

 

Kiba ignorierte die deutliche Warnung in Nejis glatter Stimme vollkommen und lehnte sich nur weiter nach vorn, während seine rauen Töne eine Kante annahmen. „Wenn du dich im persönlichen Bereich meiner Kumpel aufhältst, Hyūga, dann ist es nur höflich, dass ich auf Nummer sicher gehe, dass du ihre Hände schüttelst, statt deine Sanfte Faust an ihren Köpfen auszuprobieren, kapiert?“

 

Neji warf dem Inuzuka einen rasiermesserscharfen Blick zu, fing sich aber gerade noch rechtzeitig. 

 

Beruhig dich.

 

Weiße Augen kühlten sich zu eisigen Seen ab und die Kälte ließ seine Züge zu einer granitenen Maske erstarren. Es war alles, was er tun konnte, um sich davon abzuhalten, zuzuschlagen. Vor zwei Wochen hätte er das ohne zu zögern getan; in Worten, wenn nicht sogar in Taten. 

 

Und Kiba hoffte vermutlich sogar darauf. 

 

In Hanegakure waren sie sich zweimal beinahe gegenseitig an die Kehle gegangen. Und wie ein Hund, der sich festgebissen hatte, hatte Kiba nie losgelassen, was Neji in der Nacht getan hatte, als er seine chakrageladene Faust in Shikamarus Schädel gedonnert hatte.

 

Reue zog sich qualvoll wie eine heiße gezackte Klinge durch Nejis Herz…und die Erinnerung blutete eiskalt hervor. 

 

Neji sog scharf die Luft ein.

 

Stop…beruhig dich…

 

Neji atmete ein langes Seufzen durch die Nase, doch seine Miene veränderte sich nicht. 

 

Kiba schüttelte mit etwas den Kopf, das Abscheu sein könnte und lehnte sich zurück gegen die Fusamawand, um einen lässigen Stand einzunehmen. Unbeirrt hielt er Nejis Blick, während sich seine Lippen in einem beißenden und viel zu strahlenden Lächeln zurückzogen. Das Schimmern bissigen Humors in seinen Augen funkelte mit Drohung. 

 

Das war keine Überraschung. 

 

Bei dem Inuzuka gab es weder Vergeben noch Vergessen – zumindest nicht dann, wenn es um Neji ging. Der Hundeninja nagte noch immer an dem, was der Jōnin vor drei Jahren während der Chūnin Prüfungen Hinata angetan hatte…und wenn man bedachte, was er vor Kurzem Shikamaru auf ihrer letzten Mission angetan hatte…

 

Das ist wirklich das Letzte, was ich brauche…

 

Aber das Erste, was er hätte kommen sehen müssen. 

 

Denn nur weil Narutos Herz die Schleusen der Vergebung geöffnet hatte und die anderen Chūnin Shikamaru genug respektierten, um seiner Führung zu folgen und seinem Urteil zu vertrauen, hatte Kiba niemals seine eigenen Instinkte Nejis seltsames Verhalten während der Mission betreffend aufgegeben. 

 

Kann ich ihm das wirklich vorwerfen?

 

Es half auch nicht gerade, dass sich Neji und Kiba von Natur aus in etwa so gut verstanden wie zwei Zahnräder, die sich gegeneinander drehten. Egos wurden beinahe jedes Mal auf die völlig falsche Weise aufgerieben. Sie entsprangen dominanten Arten, die viel zu weit auseinander lagen, um eine gemeinsame Basis zu suchen und zu teilen. 

 

Das Einzige, was sie beide teilten, war ein gemeinsames Ziel: Konoha zu beschützen. 

 

Als Kameraden war dieses Ziel stets genug gewesen, um sie in der Vergangenheit zumindest vorläufig zu einen. Aber jetzt gab es eine klare Linie zwischen Nejis Vergangenheit und seiner Gegenwart. Und mit dieser veränderten Perspektive, die sich über die vergangenen paar Wochen entwickelt hatte, konnte er einfach nicht anders, als Kibas Aggression ihm gegenüber in einem vollkommen anderen Licht zu betrachten.

 

Seinen eigenen Zorn zu verstehen hatte alles verändert. 

 

Kibas Wut war nicht schwarz und befleckt wie es die von Neji gewesen war. Sie war rot und instinktiv, kühn wie der Keil seiner Tätowierungen. Sie war nicht frei von Stolz oder Macht oder gar Kleinlichkeiten, aber im Ganzen betrachtet wurde sie von etwas Stärkerem und Sichererem befeuert. 

 

Etwas, von dem Neji bis vor zwei Wochen vergessen hatte, dass er es besaß.

 

Beschützerinstinkt…

 

Die Art, die über das Beschützen der Einwohnerschaft eines Dorfes oder die Bewahrung von Werten hinaus ging, die innerhalb der Mauern von Generationen weitergetragen wurden. Es war die Art Beschützerinstinkt, die sich an Menschen heftete, nicht an eine Bevölkerung oder einen bestimmten Clan. Es ging nicht um Pflicht oder Ehre oder Verhaltenskodizes. 

 

Es ging um Bande. 

 

Bande, die in diesen angeborenen Beschützerinstinkt eingehüllt waren und in den Drang, auch danach zu handeln; für Familie und Freunde. Neji wusste alles über Taten. Er hatte nur niemals diese Art von Motiv gehabt. 

 

Er hatte es nur ein einziges Mal verspürt: für seinen Vater. 

 

Und er hatte gedacht, dass es mit Hizashi gestorben war…bis Shikamaru kam. 

 

Der Wille zu beschützen…

 

Derselbe Wille flackerte in Kibas Augen. 

 

Neji wandte den Blick ab. 

 

Wieder einmal war er blind für eine Wahrheit gewesen, von der er aufgehört hatte, sie in Betracht zu ziehen. Es war eine schmerzhaft heuchlerische späte Einsicht. Die Erkenntnis, dass trotz jeder einzelnen schneidenden Bemerkung, die er jemals über das wilde und ungezügelte Verhalten des Inuzuka gemacht hatte; von ihnen beiden war Kiba immerzu der menschlichere gewesen. 

 

Nejis Lippen zuckten in einem schwachen Lächeln. 

 

So blind…für so vieles…ich glaube, ich bin derjenige, der an der Front der Ironie gewinnt, Nara…

 

Shikamaru hatte ihm mehr zurück gegeben, als einfach nur das Herz, von dem er angenommen hatte, es hätte aufgehört zu fühlen, als das seines Vaters aufgehört hatte zu schlagen. Der Nara hatte die Schatten von seinen Augen fort gezogen und ihm gestattet, die Welt zu sehen – und die Leute in ihr – in diesen Schattierungen von Farbe, die begonnen hatten, zu Grau zu verblassen. 

 

„Du hast mich mal einen eiskalten Bastard genannt“, sagte Neji. 

 

Kiba hob eine Braue. „Das ist jetzt ziemlich willkürlich.“

 

„Relevant“, korrigierte Neji kopfschüttelnd. „Du hattest nicht unrecht.“

 

Kibas Brauen hoben sich überrascht bis zu seinem Haaransatz, bevor sie zu einem Stirnrunzeln zusammenfielen. 

 

„Ich hatte nicht unrecht?“, echote der Hundeninja sarkastisch. „Du bist noch schlimmer als Shino. Warum kannst du nicht einfach sagen ‚Du hattest recht‘ statt -“ Er brach ab und drehte seinen Kopf ein Stück mehr. „Moment, was wird das hier? Eine Entschuldigung?“

 

„Nein.“ Neji wandte sich um, um Kiba von Angesicht zu Angesicht gegenüber zu stehen. „Eine überfällige Bestätigung.“

 

Kiba legte den Kopf auf eine Seite und sah Neji von der Seite an. „Ja klar.“

 

Neji widerrief weder seine Worte noch seine Handlungen, er wartete einfach nur. 

 

Bestätigung bedeutete Anerkennung und Respekt – Dinge, die er nur deswegen in Gesellschaft von Kiba zustande gebracht hatte, weil es der Anstand gebot. Doch zum ersten Mal lag in seinen Worten und in seinem Blick weder etwas Kaltes, noch etwas Gekünsteltes. 

 

Keine Arroganz, keine Aggression, kein Gehabe von Alphamännchen. 

 

Kiba runzelte noch heftiger die Stirn; als wäre gerade eine natürliche Ordnung schwer verletzt worden. Und vielleicht war auch genau das passiert. Mit seinen vorherigen Worten an Neji hatte er eine unmissverständliche Drohung ausgesprochen und Neji hatte mit einem Waffenstillstand darauf reagiert. 

 

Einem Waffenstillstand, der mit Respekt unterzeichnet worden war. 

 

Wie vorausgeahnt reagierte Kiba wie ein perplexes Tier. Rapide blinzelnd neigte sich sein Kopf noch weiter auf die Seite und das auf eine Weise, die darauf hindeutete, dass er versuchte, diese ganze Situation aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. 

 

„Du verarschst mich gerade, oder?“

 

Neji schüttelte den Kopf. 

 

Unbefriedigt beugte sich Kiba nach vorn und seine Aura war dabei wild und invasiv. 

 

Neji wusste nur zu gut, dass er versuchte, eine Reaktion auszulösen und machte keinerlei Anstalten, die Rolle des Rivalen einzunehmen, so verführerisch es auch war. Er hatte nicht erwartet, dass Kiba das hier einfach machen würde. Trotzdem wollte er hier einen wichtigen Punkt verdeutlichen – hoffentlich einen Wendepunkt – und dabei gab es kein Zurück. Er musste sich vorwärts bewegen, besonders mit Kameraden, mit denen er sich in der Vergangenheit beinahe geprügelt hätte. 

 

Das muss aufhören.

 

Er und Kiba befanden sich immer auf Messers Schneide einer gewalttätigen Auseinandersetzung.

 

Und die Entscheidung, ob dieser Moment sie über diese Kante schubste oder nicht, lag einzig und allein auf Kibas Schultern. Doch nach den Falten zu urteilen, die sich in die Stirn des Hundeninjas gruben, war das ein Gewicht, von dem sich der andere Ninja überhaupt nicht wohl zu fühlen schien, es alleine tragen zu müssen. Sie hatten sich diese Last durch ihre Animositäten gegenüber dem anderen stets geteilt.

 

Doch jetzt hatte Neji es losgelassen. 

 

Würde Kiba es weiterhin zu unzähligen nächsten Malen mit sich zerren?

 

Der Hundeninja schien hinter verengten Augen ernsthaft darüber zu debattieren und seine Zunge presste sich gegen einen scharfen Fangzahn. Bewegungslos blieb er nach vorn gelehnt und zog die Anspannung in die Länge, nur um zu sehen, ob irgendetwas in Neji reißen oder einknicken würde. 

 

Doch der Hyūga überprüfte seine Kontrolle rücksichtslos. 

 

Ich habe bald genug zu kämpfen…das hier endet heute…

 

Neji zementierte diesen Gedanken in seinem Verstand und hielt seine Position. Nur hielt er sie diesmal ohne diese herablassende Aura, die normalerweise sein Gesicht mit Frost überzog und seine Augen in Eis verwandelte. Diesmal ging es nicht um Stolz – es ging um Integrität und Intention. 

 

Und Kiba musste es so stark bemerkt haben, als hätte er es gerochen. 

 

Er lehnte sich ein Stück nach hinten. 

 

Und dann, zum ersten Mal überhaupt, hielten beide Shinobi ihre Stellung, ohne danach Ausschau zu halten, den anderen von seinem eigenen Platz zu schubsen. Respekt mochte vielleicht einen zögerlichen Stand zwischen ihnen finden, aber er bekam keinen festen Halt, sondern schwebte in Kibas Augen mit einem wachsamen Flackern ein und aus.

 

Doch es reichte. 

 

„Nun, in der Hölle muss es heute schneien“, murmelte der Inuzuka und trat einen Schritt zurück. „Du meinst das wirklich ernst.“

 

Neji atmete leise aus. „Ich mache keine Scherze.“

 

Kiba summte ein tiefes ‚Hn‘ in seiner Kehle und ein schwaches Schmunzeln scheiterte daran, den Argwohn zu verbergen, der seine Augen zusammenziehen ließ. Doch statt den Grund für die Veränderung in Nejis Attitüde aufspüren zu wollen, schüttelte Kiba es mit einem Schulterzucken ab wie ein Wolf, der seine Jagd aufgab – auch wenn Neji deutlich spürte, wie unzählige Fragen in dem Kopf des Inuzuka heulten. 

 

Das Grinsen des Hundeninjas wurde breiter. „Wie gut, dass ich auf diesen Moment nicht gewettet habe. Shikamaru hätte gewonnen.“

 

Neji blinzelte. „Huh?“

 

„Jo, gestern habe ich noch zu ihm gesagt, du wärst wie ein pissiger gestreifter Tiger, der sich niemals ändern würde.“

 

„Hn. Und was hat er gesagt?“

 

„Du meinst abgesehen von ‚wie lästig‘?“ Kiba hakte seine Daumen in den Bund seiner Jeans und zuckte mit den Achseln. „Er sagte, du wärst menschlich wie jeder andere auch.“

 

Nejis Herz pochte heftig in seiner Brust. 

 

Angestrengt brachte er ein schwaches Schmunzeln zustande und täuschte eine Gleichgültigkeit vor, die er keinesfalls verspürte. „Wie unkreativ von ihm.“

 

„Er ist ein ziemlich fauler Bastard, stimmt’s?“ Kiba lachte. 

 

Narutos Plärren schreckte beide auf. „MACHT, DASS SIE AUFHÖRT!“

 

Neji und Kiba linsten hinunter auf die rangelnden Teamkameraden, die etwas weiter den Korridor hinunter getaumelt waren. Inzwischen hatten sie ihre Kabbelei auf den Boden verlagert und Sakura saß rittlings und mit erhobenen Fäusten auf ihrem Opfer, als sie dem gepeinigten Uzumaki mit einer Hirnblutung drohte. Naruto hatte eine Fötushaltung eingenommen, bebte aber immer noch vor Lachen statt vor Angst. 

 

Neji hob eine Braue; endlich war auch er leicht amüsiert. 

 

Kiba bellte ein Lachen hervor und klopfte Neji auf die Schulter, bevor er den Kopf drehte und neben Naruto in die Hocke ging. Spöttisch tätschelte er seinen Handrücken gegen die schnurrbärtige Wange des Uzumaki. 

 

„Ich wollte dir ja eigentlich selbst in den Arsch treten, aber jetzt tust du mir irgendwie leid.“

 

Naruto entrollte sich mit einem Knurren und setzte zu einer Antwort an. Sofort ergriff Sakura die Gelegenheit, um seine Arme nach hinten zu ziehen, nur um festzustellen, dass ihr Plan von Kiba durchkreuzt wurde. Der Hundeninja sah die Öffnung, die sich ihm bot und nutzte sie. Rasch schnappte er sich die Kamera unter Narutos Shirt, sprang zurück auf die Beine und stieß einen schrillen Pfiff aus. 

 

Ein lautes Bellen warnte Neji vor dem Kommenden. 

 

Er hob gerade den Blick, als Akamaru um die Ecke am Ende des Korridors gefetzt kam.

 

Die springende Masse aus weißem Fell kam schlitternd neben Kiba zum Stehen, der mit einem wilden triumphalen Schrei auf den Rücken seines vierbeinigen Gefährten sprang und sich für den Ritt bereit machte. „Wuhu, Kumpel! Gerade zur rechten Zeit!“

 

„KIBA!“, brüllte Sakura. 

 

Lachend wie ein Teufel in Jeans, hielt Kiba die Kamera hoch und salutierte der vor Wut überschäumenden Sakura und Naruto, dem der Kiefer offen hing, mit einem wilden Grinsen. „Tierische Reflexe, Baby.“

 

Sakura stieß sich von Naruto ab und kam mit einem Grollen auf die Füße. 

 

Kiba drückte seine Schenkel in Akamarus Flanken und der Ninken schoss wie ein Mustang den Gang hinunter; ein einziger Sprung trug Meister und Köter direkt über eine Frau hinweg, die einen ganzen Stapel Teller balancierte. Mit einem erschrockenen Schrei und rasselndem Porzellan drehte sie sich um die eigene Achse.

 

„KIBA!“, schrie Sakura hinter ihm her. 

 

Und Kiba beehrte sie mit einem rückwärtigen Winken. 

 

Neji konnte nicht anders, als den plötzlichen Abgang zu bewundern, vorausgesetzt, Kiba hatte es wirklich so geplant. 

 

Die Fäuste an ihren Seiten geballt, zitterte Sakura auf der Stelle und Strähnen aus Pink bebten über ihren Schultern. Naruto nutzte die Gelegenheit, um zu Neji hinüber zu kriechen und sich einen Finger gegen die Lippen zu pressen, als der Hyūga zu ihm hinunter linste. Langsam hob er eine Braue in einer „Du-machst-Witze-oder“-Miene. 

 

Sakura wirbelte herum; definitiv bereit dazu, ihrem Ärger Luft zu machen. „NARUTO!“

 

Der Uzumaki machte einen Satz hinter Neji und packte die Schultern des Jōnin. Er zeigte überhaupt keine Scham, den Hyūga als menschlichen Schild zu missbrauchen.

 

„Naruto“, biss Neji hervor und drehte leicht den Kopf, um zornig über eine Schulter zu funkeln. 

 

Sofort fiel Sakuras Blick auf Nejis freigelegten Kiefer und sie hielt mitten im Schritt inne, während sich ihre Miene völlig veränderte. Ihre Faust lockerte sich, als sie zu den beiden hinüber schritt und mit einem Finger über Nejis Schulter hinweg auf Narutos eingezogenen Kopf deutete. 

 

„Du kommst noch zu spät zu Kakashi und Yamato-sensei“, tadelte sie, als sie in atemberaubender Geschwindigkeit vom Vorboten einer Gehirnblutung auf verantwortungsbewusste Teamkameradin umschaltete. „Keine Drückebergerei!“

 

Neji warf ihr einen fragenden Blick zu. 

 

Naruto hingegen stellte sein Glück nicht in Frage. Die Hände noch immer auf Nejis Schultern abgelegt, drehte er den Hyūga um einige Grade herum, da er offensichtlich nicht gewillt war, seinen ‚Bodyguard‘ aufzugeben, bis er sich außerhalb von Sakuras Reichweite befand. 

 

Um Kamis willen…

 

Sich das wenige Bisschen seiner kostbaren Geduld bewahrend, das ihm noch geblieben war, ließ Neji es mit einem langen Atem geschehen, dass er so durch die Gegend manövriert wurde. Die Muskeln in seinem Kiefer zuckten mit jeder kleinen Drehung seines Körpers, bis Naruto anhielt, ihm dankbar auf die Schultern klopfte und Kiba hinterher den Korridor entlang hastete. 

 

Sakura wartete, bis der Uzumaki um die Ecke verschwunden war, bevor sie den Mund aufmachte. „Neji, was ist passiert?“

 

„Passiert?“

 

Zögernd strich Sakura mit den Fingerspitzen über ihren Kiefer. „Diese Hämatome…du hast auch Chakraverbrennungen.“

 

Langsam rollte Neji seine Schultern und spürte deutlich, wie sich seine Defensiven aufrichteten. Seine Gesichtszüge glätteten sich zu unlesbarer Regungslosigkeit. 

 

„Training“, sagte er nur und ignorierte den dubiosen Blick, mit dem Sakura ihn bedachte. 

 

„Willst du, dass ich es heile?“

 

„Nein…danke.“

 

Sakura presste ihre Lippen zu einer schmalen Linie zusammen, bevor sie sich zu einem schwachen Lächeln verzogen. „Ich habe gehört, du wärst sicher nach Hause gekommen. Wie geht es dir?“

 

Er nickte. „Gut.“

 

„Das Brodifacoum sollte inzwischen aus deinem System verschwunden sein.“

 

„Das ist es.“

 

„Irgendwelche Nebenwirkungen?“

 

„Keine.“

 

„Das ist gut.“ Sie machte eine Pause und Zweifel benebelte die Erleichterung in ihren Augen. „Als ich gehört habe, dass du dich dafür gemeldet hast, nach Hanegakure zurückzukehren, da wusste ich nicht, ob…“ Sie brach ab und biss sich auf die Lippe. 

 

Neji konnte beinahe hören, wie ihre Nerven vibrierten. 

 

„Ob?“, drängte er sie leise.

 

„Bist du sauer?“

 

Neji blinzelte und zog leicht das Kinn zurück. „Sauer?“

 

Die Kunoichi nickte und suchte vergeblich sein Gesicht ab. „Ich…ich dachte, dass das der Grund war, aus dem du so schnell wieder gegangen bist, nachdem du wiedergekommen bist.“

 

„Das war nicht mein Grund.“

 

„Neji, wir hatten nie die Zeit, dir alles zu erklären. Es ist alles so schnell passiert und dann-“

 

Rasch hob Neji eine Handfläche, um ihr das Wort abzuschneiden. „Nicht.“ Angesichts ihres weitäugigen Blickes milderte er seine Stimme etwas ab. „Es gibt nichts zu erklären, Sakura.“

 

Und ganz sicher nichts, was er ausdiskutieren wollte. Erklärungen führten immer zu Neubewertungen. Und er hegte keinerlei Absicht, seinem Verstand zu gestatten, diese schmerzhafte Erinnerung noch einmal hoch zu würgen, nur um noch einmal über das ‚Wie‘ und ‚Warum‘ nachzugrübeln. 

 

Es war notwendig gewesen. 

 

Diese Tatsache war bitter und widerwärtig…aber nicht weniger wahr…und diese simple, schmerzhafte Wahrheit war alles, was er wissen musste. Eine bittere Pille, die sein Stolz nicht hatte schlucken können. Doch ein anderer Teil von ihm hatte verstanden und akzeptiert, dass ihn diese bittere Pille von einem Gift befreit hatte, das viel toxischer und tödlicher war als das Brodifacoum. 

 

„Es war notwendig.“

 

„Aber Shikamaru wollte nie, dass-“

 

„Es war notwendig, Sakura.“

 

Sakura bedachte ihn mit einem Ausdruck, der er es schaffte, ihr Bedauern mit Erleichterung zu verweben, auch wenn sie klang, als fühlte sie sich schuldig, beides zu empfinden. Ihre Stimme war kaum mehr als ein Wispern. „Es tut mir leid, dass es auf diese Weise passiert ist.“

 

Neji lächelte schwach. „Das muss es nicht.“

 

Denn wenn es irgendeinen anderen Weg gegeben hätte, wie es hätte passieren können, dann wollte er es, genauso wie Shikamaru, niemals wissen. 

 
 

~❃~
 

 

Das Glühwürmchen zwinkerte Shikamaru zu; die dünnen Flügel aus Blattgold waren mit zarten Punkten bemalt. Shikamaru studierte das lilane Symbol, das die Tür zu Inos luxuriöser Suite markierte, da er dieses komplizierte Detail gestern gar nicht bemerkt hatte. 

 

Für einen langen Moment stand er dort und folgte der Gestaltung. 

 

Eine Tasche lag zu seinen Füßen, deren Kordeln locker genug waren, um das schimmernde Plastik des Magic 8 Balls zu offenbaren, der sich aus der Öffnung drückte. Sein weissagender Nabel stierte zu Shikamaru hinauf wie der Bauch eines Buddhas, der begierig darauf war, gestreichelt zu werden, ohne dabei Glück zu versprechen. 

 

Wird mich Ino rösten?

 

Shikamaru stupste die Kugel mit seinem Fuß an und sah zu, wie die Tinte wirbelte und der Würfel rollte. 

 

DAS KANN ICH IM MOMENT NICHT SAGEN.

 

Er grinste. 

 

Wie vorhersehbar. Zu dumm nur, dass er diese Zweideutigkeit nicht auf seine eigenen Antworten anwenden konnte. Er wusste bereits, dass Ino eine Erklärung von ihm fordern würde. Vielleicht würde sie die Magic 8 Ball Methode an seinem Schädel durchführen und darauf hoffen, dass sie etwas losrütteln würde, das von den trüben Wassern seines Verstandes an die Oberfläche treiben würde. 

 

Doch wenn er jetzt so darüber nachdachte, dann fühlten sich die Dinge für ihn inzwischen klarer an. 

 

Viel klarer.

 

Das hatte er nicht erwartet. Wenn überhaupt, dann hatte er erwartet, dass sein Kopf nach der letzten Nacht ins Trudeln geriet. Dass irgendein Trigger in den hintersten Winkeln seines Hirns losging und ein höllisches Chaos über allem verteilte, das er versucht hatte, irgendwie wieder in Ordnung zu bringen. 

 

Doch stattdessen fühlte er sich stärker, beständiger. 

 

Als hätte er lange genug aufgehört zu rennen, um wieder zu Atem zu kommen. 

 

Bei all dem Rennen fühlte er sich jetzt, als hätte er endlich etwas Boden gewonnen; die Art, die nicht sofort unter seinen Füßen nachgeben würde, wenn er seine mentalen Schritte zu weit in Nejis Richtung wandern ließ. Vielleicht würde er eines Tages stark genug sein, die Erinnerungen aus ihren mentalen Bilderrahmen herauszulösen und sie in Händen zu halten, ohne dabei das gähnende Gefühl von Verlust zu empfinden. 

 

Eines Tages…

 

Er war noch nicht wirklich dort. Doch zum ersten Mal glaubte er ernsthaft daran, dass er es vielleicht, eines Tages, sein könnte. 

 

Eines Tages…

 

Aber nicht heute. 

 

Jetzt, da er aufgehört hatte zu rennen und sich der Staub gelegt hatte, fühlte er sich, als wäre er sich seiner Umgebung und den Menschen darin viel bewusster. Er hätte es eine Epiphanie genannt, aber er mochte die Dramatik nicht, die mit diesem Wort verbunden war. 

 

Mach dich lieber schonmal auf einiges an Drama bereit…

 

Ino hatte vermutlich eine ganze Menge davon in ihrem Arsenal von ‚Du schuldest mir was‘ aufbewahrt. 

 

Doch bevor Shikamaru darüber nachgrübeln konnte, wie viele Möglichkeiten es gab, einem Flakbeschuss auszuweichen, hörte er das sich nähernde Wispern von Füßen über poliertem Boden. Langsam drehte er den Kopf und erspähte ein junges Mitglied des Personals, die den Gang entlang lief und die Türen überprüfte. 

 

Als sie neben ihm stehen blieb, nickte er ihr höflich zu. 

 

Die Frau ließ ihre Augen von der Tür zu ihm wandern. „Ist das Ihr Zimmer?“

 

Er zuckte mit den Achseln. Immerhin hätte es genauso gut wirklich seines sein können. „Klar.“

 

Sie verneigte sich tief und hielt ihm ein schmales Silbertablett entgegen, das mit Blumen überfüllt war, auf denen ein kleines Rechnungsheft lag. Es war kunstvoll in der Mitte drapiert. „Ihre Rechnung, Yamanaka-san.“

 

Shikamaru hob eine Braue. „Huh?“

 

Rasch richtete sich wieder auf und überprüfte die Rechnung. „Sie haben gestern mehrere Spa-Behandlungen gebucht.“

 

Hn. Was auch sonst.

 

Shikamaru biss sich auf die Zunge, um sich vom Schmunzeln abzuhalten. „Richtig. Was habe ich denn nochmal alles gebucht?“

 

Die Frau runzelte die Stirn und prüfte erneut die Quittung; es war wie eine Kreuzung aus Verwirrung und Verlegenheit, die sich auf ihrem Gesicht bemerkbar machte. Sie wollte ihm gar nicht in die Augen sehen.

 

Oh, na super.

 

Warum zur Hölle hatte er eigentlich gefragt?

 

„Vergiss es“, sagte er. „Wie viel macht es denn insgesamt?“

 

Die Frau presste die Lippen aufeinander und reichte ihm das Heft, während sie mit einem strahlenden Rotton auf den Wangen auf den Boden stierte. 

 

Shit…

 

Shikamaru öffnete das Heft und überflog nur die Liste aus Spa-Behandlungen – obwohl er sich ziemlich sicher war, dass er Worte wie „Göttin“ und „Honigbad“ erspähte, die immer wieder in die Auflistung eingestreut waren. Und dann sah er die kolossale Gesamtsumme. Seine Brauen schossen nach oben und seine Mundwinkel krümmten sich nach unten, als er das Gesicht verzog. Nun, Scheiße, das würde Ino auf jeden Fall um einige glitzernde Kaufrauschabenteuer ärmer machen. 

 

„Yamanaka-san?“, fragte die Frau. „Stimmt etwas nicht?“

 

„Nein, nein.“ Shikamaru schüttelte den Kopf, auch wenn sein Stirnrunzeln etwas ganz anderes sagte. 

 

Es war nicht direkt der Preis, der ihn aus der Fassung brachte; es war die Tatsache, dass Ino nicht ihren Namen hinterlassen hatte. Er schätzte, dass es irgendetwas mit dem Idioten zu tun hatte, der sie am ersten Abend der Party so seltsam beäugt hatte. 

 

Seine finstere Miene wurde noch eine Spur dunkler. 

 

„Sir?“, drängte die Frau leise. 

 

Abgelenkt summte Shikamaru und ging in die Hocke, um in seiner Tasche herumzuwühlen und einen abgewetzten Ledergeldbeutel hervorzuziehen, auf den das Clansymbol der Nara eingestanzt war. Er zählte die Ryō hervor, die nötig waren, um die Rechnung zu begleichen – was ihn vollkommen blank zurückließ – und erhob sich, nahm das Rechnungsheftchen und schob die Bezahlung zurück in den Umschlag, bevor er es zurückgab.

 

„Danke.“

 

Die Frau war inzwischen krebsrot angelaufen. Schüchtern streckte sie ihm eine Lotusblume entgegen, verbeugte sich höflich und tippelte mit wispernden Schritten den Korridor zurück. 

 

Shikamaru wartete geduldig, bis sie hinter einer Ecke verschwunden war. 

 

Dann linste er erneut nach unten, um noch einmal die Rechnung zu lesen, die er in seiner bandagierten Hand hielt und schnitt eine Grimasse. 

 

Hn. Das erklärt einiges…

 

Während er den langen Papierstreifen scannte, stierte er finster auf die Liste von Beautybehandlungen und erbleichte zur Farbe von Kalk angesichts eines völlig überteuerten Workshops: Entdecke deine innere Göttin. Der Schattenninja unterdrückte ein Schaudern und stopfte die Quittung in seine Tasche, während er wegen des Schmerzes in seiner Hand zusammenzuckte. 

 

Lass dich heilen. Iss was. Geh zurück an die Arbeit.

 

Als ein gedämpftes Geräusch durch die Tür getragen wurde, sah er auf: Chōjis Lachen. Es wurde von einem hohen Kichern verfolgt, von dem Shikamaru hoffte, dass es Ino war und nicht der Akimichi. 

 

Schwach lächelnd trat Shikamaru einen Schritt zurück und dachte über seinen nächsten Zug nach. 

 

Zumindest würde es die Aufmerksamkeit seiner Teamkameraden auf sich ziehen. Er nahm die Blume in seine bandagierte Hand und hob die andere an die Tür, um einen silbenbezogenen Schlag zu trommeln, von dem er wusste, dass sie ihn erkennen würden. 

 

Zwei deutliche Doppelschläge und dann ein einziges dumpfes Klopfen. 

 

Knock-Knock. Knock-Knock. Knock.

 

Übersetzung: Ino-Shika-Chō.

 

Sofort hörte er das rasche Streichen von Füßen über Tatamimatten, dem das Rasseln von Zimmerschlüsseln folgte. Shikamaru legte sich die Blume wieder in die gesunde Hand, ging in die Hocke, um seinen Knappsack über eine Schulter zu hängen und erhob sich gerade wieder, als sich der Türknauf drehte. 

 

Shikamaru zog angesichts des starken Geruchs von Nagellack die Nase kraus. 

 

Schlanke Finger schoben sich um die Kante des Holzes und lilane Fingernägel, auf denen der feuchte Lack noch schimmerte, fingen das Licht auf. Ein Schlurfen von Füßen und die Tür öffnete sich etwas weiter, um die Hälfte von Inos Gesicht zu offenbaren, das in Schatten getaucht war und von dem dichten Fall ihrer Strähnen eingerahmt war. Das goldene Haar war feucht und verzackelt und Streifen aus tiefem Honig zogen sich durch die blasse Mähne. Ein paar eigensinnige Strähnen hatte sie auf einer Seite mit einer Haarspange befestigt. 

 

„Das hast du seit zwei Jahren nicht mehr gemacht“, wisperte Ino. 

 

Shikamaru konnte ihre Miene nicht deutlich erkennen, aber er konnte ein einziges blaues Auge sehen, das ihn vorsichtig musterte. 

 

Er brachte ein schwaches Schmunzeln zustande und verlagerte sein Gewicht auf seine rechte Hüfte. „Überraschung.“

 

Ino lachte nicht und sie lächelte auch nicht, aber sie öffnete die Tür. Das Licht des Korridors warf einen schimmernden Schein über ihren flachsfarbenen Kopf, auch wenn Shikamaru es besser wusste, als das Wort ‚engelsgleich‘ mit dem Höllenfeuer gleichzusetzen, das in diesen blauen Augen aufstieg. 

 

Sie funkelte ihn düster an. „Du hast uns sitzen lassen.“

 

Shikamaru presste die Lippen zusammen, leugnete es aber nicht. 

 

„Du bist nicht zurückgekommen“, fügte Ino unnötigerweise hinzu und trommelte ihre Nägel in einem ungeduldigen Klicken gegen das Holz, während sie auf eine Entschuldigung wartete, die er ihr nicht geben würde. 

 

„Vielleicht dachte ich, dass du immer noch total neben der Kappe bist“, murmelte er. 

 

Ino zog den Kopf zurück und ihr Gesicht vollführte eine Art Stop-Motion Animation, als sie in einem Aufblitzen so schnell so viele Mienen durchlief, dass es unmöglich war, ihnen allen zu folgen. Es endete mit einem blanken Starren auf den Boden. 

 

Shikamaru runzelte die Stirn, da er nicht so recht wusste, wie er diese Reaktion interpretieren sollte. 

 

„Habe ich…“ Ino schüttelte ihr taubes Starren ab und spähte auf das kleine Glühwürmchen, das an der Tür schimmerte. „Habe ich irgendetwas zu dir gesagt?“

 

Eine von Shikamarus Brauen wanderte nach oben, auch wenn er zumindest vorausahnen konnte, in welche Richtung sich das hier entwickelte. Allerdings war er sich nicht sicher, ob er sie zu dieser Richtung ermutigen sollte. Sein Verstand katapultierte das Bild von Ino nach vorn, wie sie zusammengerollt auf der Couch lag und hinein weinte, während ihre Tränen und ihre lose Zunge die Geschichte erzählten, von der er wusste, dass sie sie ihm niemals gestanden hätte, wenn sie nüchtern gewesen wäre. 

 

‚Mom hatte recht…niemand will mich.‘

 

Shikamaru sah zur Seite weg und spähte den Korridor entlang, um sich davon abzuhalten, einen besorgten Blick auf sie zu richten. Kopfschüttelnd schluckte er, als er innerlich über schwarze Wahrheiten und weiße Lügen debattierte. 

 

„Habe ich?“, biss Ino hervor. 

 

„Ja.“

 

Inos Nägel gruben sich in die Tür. „Wie zum Beispiel?“

 

Shikamaru zuckte die Achseln. „Du wolltest tanzen gehen. Du hast auch gedacht, es wäre total witzig, da weiter zu machen, wo Temari aufgehört hat, meinen Charakter zu lynchen…und du hast mit verschiedensten Beleidigungen um dich geworfen und Tritte verteilt, einfach nur um lästig zu sein.“

 

„Was? Das war’s?“

 

„Das war’s.“

 

Ino stieß ein kleines hohes Lachen aus; dieses zitternde, affektierte, das sie immer dann machte, wenn sie nervös war. „Ernsthaft?“

 

„…Jo. Was denn? Hast du deine Quote nicht erreicht?“

 

Ino rollte mit den Augen, doch Shikamaru konnte die Erleichterung deutlich spüren, die sie bebend mit ihrem Atem verließ. Und als sie ihn wieder ansah, da hatte sie erneut ihre gehässige Attitüde angenommen und ihre blauen Augen verengten sich zu einem anklagenden Blick. 

 

„Du bist trotzdem nicht zurück gekommen.“

 

„Jetzt bin ich hier.“

 

„Was für eine Leistung“, murmelte Ino. 

 

Shikamaru hob eine Braue und hielt ihr die Blume entgegen. 

 

Ihre Augen weiteten sich in einem Aufblitzen von Überraschung, bevor sie sich zu Schlitzen zusammenzogen und nach der Intention hinter der Geste suchten. „Soll das deine Entschuldigung sein?“

 

„Es ist eine Blume“, erwiderte er. 

 

Ino schnaubte, pflückte die Blüte aus seiner Hand und trat von der Schwelle fort, wobei sie die Türe offen stehen ließ. Mit einem Schwung violetter Seide zog sie den Gürtel ihres Yukata fester und tapste barfuß zurück durch das Foyer bis in das Hauptgästezimmer. Sie setzte ihre Schritte bedacht, um nicht die Wattepads zu lösen, die zwischen ihre lila lackierten Zehen geschoben waren. 

 

„Na komm schon, Drückeberger“, grummelte sie über die Schulter, während sie sich die violette Blume hinter ein Ohr schob. 

 

Kopfschüttelnd schloss Shikamaru die Tür hinter sich, um ihr zu folgen. Er ging sicher, dass er seine verletzte Hand tief in der Tasche seiner Hose vergraben hielt. 

 

Ino kündigte derweil ihre Rückkehr mit einem dramatischen Seufzen an. „Rate, wenn ich an der Türschwelle gefunden habe.“

 

Chōji rutschte auf dem Sofa hin und her; widerwillig, seine Augen von dem Fernseher zu lösen. Doch in der Sekunde, in der Shikamaru durch die Shojitüren trat, schaltete sich die Aufmerksamkeit des Akimichi schneller um, als es irgendeine Fernbedienung schaffen könnte, als er zu seinem Teamkameraden herumwirbelte. 

 

„Hey!“, grinste er und schaltete den Fernseher sofort auf stumm. „Wir wollten schon los und dich für’s Frühstück holen.“

 

„Chōji wollte das“, korrigierte Ino.

 

Shikamaru hob resigniert die Augenbrauen. Es waren einfach die Grundregeln für Inos Stimmung, Blume hin oder her. Nach Erfahrung zu urteilen würde sie mürrisch bleiben, bis sie etwas gegessen hatte. 

 

Klasse.

 

Chōji zog angesichts von Inos säuerlicher Miene eine Grimasse und warf Shikamaru einen entschuldigenden Blick zu, bevor er seinem Freund als Wiedergutmachung ein paar Kartoffelchips anbot. „Du musst ziemlich gut geschlafen haben, huh?“

 

Der Schattenninja lehnte das Angebot der Chips mit einem Lächeln ab und wich der Frage gleichzeitig elegant aus. „Habt ihr Bock auf was Richtiges zu essen?“

 

„Meine Diät geht heute wieder los“, verkündete Ino ohne viel Federlesen. 

 

Chōjis Magen hingegen nutzte diesen Moment, um eine beeindruckende Symphonie aus Gurgeln und Knurren hören zu lassen, das zu einem hohen Wimmern auslief, das sich wie eine Frage anhörte. 

 

Shikamaru kicherte leise. 

 

Und Ino warf dem Akimichi einen empörten Blick zu. „Ernsthaft? Nach all dem Kuchen, den wir letzte Nacht verputzt haben?“

 

Der Akimichi grinste verlegen und kratzte sich an dem Wirbel auf seiner Wange. 

 

„Du kannst dir ja einen Kaffee bestellen“, sagte Shikamaru. „Negiere all diese Kalorien oder was auch immer dein verrücktes Denken hinter der ganzen Sache ist.“

 

„Wow, du erinnerst dich wirklich daran.“ Ino rollte mit den Augen und umrundete den niedrigen Tisch. „Naja, ihr werdet auf jeden Fall beide warten müssen, bis ich fertig bin.“

 

Eine von Shikamarus Brauen wanderte nach oben und er neigte eine Schulter, um seinen Knappsack neben dem lackierten Tisch fallen zu lassen. Die Oberfläche war übersät mit einer Reihe – oder eher einer Armee – aus Nagellackfläschchen. Ino hatte sie fein säuberlich in verschiedene Ränge eingeteilt, die in unterschiedliche Lilatöne abgegrenzt waren. 

 

Shikamaru grunzte. „Weibisch.“

 

Ino ließ sich auf einem Kissen nieder und warf ihm einen sarkastischen Blick zu, während sie die Finger krümmte, um auf ihre Nägel zu pusten. „Wie gut, dass du dich aus dem Staub gemacht hast. Ich hätte mich auf dich gestürzt, sobald du geschlafen hättest.“

 

„Sie erzählt keinen Schmarrn“, sagte Chōji und hob vielsagend eine Hand, um einen knalllilanen Daumennagel und einen lavendelfarbenen kleinen Finger zu präsentieren. 

 

Shikamarus Miene erstarb. „Und du trägst das immer noch.“

 

Ino grinste. „Du solltest seine Zehennägel sehen.“

 

„Ich will es gar nicht wissen…“

 

„Sie macht nur Spaß“, lachte Chōji. 

 

Kopfschüttelnd verzog Shikamaru das Gesicht. 

 

„Awww, mach dir keine Sorgen, Shikamaru“, stichelte Ino. „Deine hätte ich schwarz lackiert, damit sie zu deinen zombiedunklen Ringen unter den Augen passen und zu deiner generellen miesen Laune.“

 

„Hn.“ Er ließ sich gegenüber Ino nieder und drehte in einem trägen Schwung eine der dunkelvioletten Flaschen zwischen Zeigefinger und Daumen. „Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, dann wird es vermutlich sehr gut zum Rest meiner rechten Hand passen.“

 

Inos Augen zuckten von ihren Nägeln nach oben. „Was?“

 

Shikamaru seufzte, ging aber davon aus, dass jetzt die Zeit war, reinen Wein einzuschenken, wenn er wollte, dass die Sache geheilt wurde. Langsam hob er seine bandagierte Faust aus seinem Schoß und legte sie mit einem leisen Klopfen auf der Tischplatte ab; inzwischen hatte die Haut die Farbe eines fauligen Pfirsichs angenommen. 

 

Chōjis Chipspackung hörte sofort auf zu rascheln. 

 

Inos Lippen teilten sich zu einem überraschten ‚O‘, das zu ihren rund werdenden Augen passte. 

 

Chōji machte als erster den Mund auf. „Was ist passiert?“

 

Was ist nicht passiert?

 

Shikamaru zuckte mit den Achseln. „Ich habe meine Faust durch eine Wand geschlagen.“

 

Chōji zog die Brauen zusammen. „Du hast was?“

 

„Du Vollidiot!“, schnappte Ino und schob sich auf die Knie, ihre Wattepads und der trocknende Lack waren vollkommen vergessen. „Warum machst du denn sowas?“

 

„Generelle miese Laune“, sagte Shikamaru nur. 

 

„Das ist nicht witzig“, knurrte Ino und griff über den Tisch hinweg, um sein Handgelenk zu packen und die verletzte Hand in ihren Handflächen zu drehen. „Ist irgendwas gebrochen?“

 

Shikamaru biss ein Wimmern zurück. „Noch nicht.“

 

Ino runzelte heftiger die Stirn und umfasste vorsichtig seine geschwollene Faust. 

 

„Du Trottel“, grollte sie erneut, allerdings sanfter diesmal. „Halt still.“ Langsam einatmend fokussierte sich die Yamanaka darauf, kuratives Chakra in das Zentrum ihrer Handflächen zu leiten und es über ihre Finger fließen zu lassen. 

 

Shikamaru spürte das Kribbeln von Nervenenden und das Summen von Chakra, das heiß und kalt über seinen Arm hinauf zu seinem Ellbogen strömte, bevor es zu den Enden seiner Finger zurückkehrte. 

 

Chōji sah von seinem Platz auf dem Sofa auf. 

 

Deutlich konnte Shikamaru spüren, wie der Akimichi ihn mit einer tiefen Besorgnis beobachtete, von der es schon zu seinen besten Zeiten mehr als schwer, sie zu ertragen; geschweige denn zu den Zeiten, wenn es einen berechtigten Grund dafür gab. 

 

„Entspann dich, Chōji.“

 

„Nein, im Ernst: Warum?“, fragte der Akimichi noch einmal. 

 

Shikamaru presste die Lippen aufeinander. Das war der Part, an dem sich das Drehbuch in seinem Kopf schrieb ganz von allein Zeile für Zeile schrieb. Alles, was er jetzt noch tun musste, war, ihm zu folgen. Er musste nur seine Lippen bewegen und der Schwachsinn würde ebenso leicht darüber fließen wie sein Atem. 

 

Doch zum ersten Mal seit Tagen, musste er feststellen, dass er es nicht konnte. 

 

„Schätze mal, das ist noch nicht so ganz klar“, murmelte Shikamaru und krümmte zwischen Inos Handflächen die Finger. 

 

„Erzähl uns was, was wir noch nicht wissen, Genie“, nuschelte Ino, während sie das grüne Glühen auf das Zentrum von Shikamarus Hand konzentrierte. „Du bläst Trübsal, seit ihr aus Hanegakure zurück gekommen seid.“

 

Shikamaru versuchte nicht einmal, defensiv dagegen zu argumentieren. Er spähte zu Chōji hinüber, nur um festzustellen, dass die Unterstützung des Akimichi auf Inos Seite lag, was durch ein bedauerndes Lächeln vermittelt wurde. Shikamaru senkte den Blick. 

 

„Es ist ja nichtmal so, dass du bei dieser Mission gescheitert wärst“, bemerkte Ino und griff mit verschmierten Nägeln nach vorn, um die Bandagen zu lösen. „Also was ist es? Liegt es daran, dass Neji verletzt wurde?“

 

Shikamaru zuckte zusammen; eine Reaktion, die Ino glücklicherweise auf seine verletzte Hand zurückführte. Vorsichtig machte sie ihre Bewegungen sanfter und zog die Mullbinden sorgfältig zurück, während sie etwas murmelte, das wie „großes Baby“ klang. 

 

Als der Schattenninja keine Antwort gab, ergriff Chōji das Wort: „Es war nicht deine Schuld, weißt du.“

 

„Ich weiß“, erwiderte Shikamaru und machte sich nicht einmal die Mühe, tief genug zu graben, um aufzudecken, ob er das nun wirklich glaubte oder nicht. Im Moment war es nicht wichtig. „Das ist es nicht.“

 

„Also was ist es dann?“, fragte Ino.

 

Shikamaru ballte vorsichtig eine Faust und bewegte die Knochen, um zu testen, wie schmerzhaft es war. Es war nicht einmal ein Stechen geblieben. Die Prellungen und Schürfungen auf seinen Knöcheln waren fort. Der Schaden behoben. Sauber und simpel. Ganz anders als diese Unterhaltung. Ganz anders als die Wahrheit. 

 

„Shikamaru?“, drängte Ino, während sie sich zurück auf die Knie setzte. „Was ist los mit dir?“

 

Shikamaru knirschte mit den Zähnen und hielt die Augen stur auf den Tisch fixiert. 

 

Auf einen Schlag wünschte er sich, Asuma wäre hier; wollte nichts mehr, als sich einfach nur in der erdenden Gesellschaft seines Senseis zu befinden. Die Anspannung wurde inzwischen schwer genug, dass der Schattenninja geräuschvoll die Luft gegen den unangenehmen Druck einsog. 

 

„Shikamaru“, presste nun auch Chōji. 

 

Dankbar nickend zog Shikamaru langsam seine Hand zurück und hielt kurz inne, um Nagellackfläschchen zwischen die Knöchel zu klemmen und ihre Positionen mit einem eleganten Drehen und Neigen seiner Finger zu vertauschen. 

 

Seine Teamkameraden beobachteten ihn schweigend. 

 

Bedächtig wiederholte er die Bewegung und ordnete die Formation neu an. 

 

„Das ist es, was ich tue“, sagte er letztendlich mit einer Stimme, die leise genug war, dass sich Chōji von dem Sofa erhob, um sich zu ihnen an den Tisch zu gesellen. 

 

Ino tauschte einen raschen Blick mit dem Akimichi aus, bevor sie mit schiefgelegtem Kopf Shikamaru musterte. „Was meinst du?“, fragte sie. 

 

„Ihr wisst, dass ich Dinge wie Shogi durchspiele“, klarifizierte Shikamaru und ein weiterer subtiler Tanz seiner Finger kreierte zwei Pfeilkopfformationen, die auf jeden seiner Freunde gerichtet waren. „Und wenn ich das tue, dann könnte es sich bei dem, was ich umherschiebe um etwas handeln, das mir nahesteht…“ Erneut veränderte er die Aufstellung zu einem Quadrat. „Oder es könnte auch etwas sein, das mich einen Scheiß interessiert. Es nervt, aber ich mache es. Wir alle spielen unsere Rolle, richtig?“

 

Ino nickte scharf. „Richtig.“

 

„Und ob“, stimmte auch Chōji zu. 

 

Shikamaru schmunzelte leicht und spürte ihre ungeteilte Aufmerksamkeit wie zwei Laser, die jeder einzelnen seiner Bewegungen folgten. „Die Mission ist wie ein Spielbrett. Es verändert sich, das Spiel aber nicht. Beschütze unseren König und fange oder kompromittiere den unseres Feindes…“ Er hielt inne und sah auf. „Richtig?“

 

„Klingt korrekt“, sagte Chōji und sah zwischen Shikamaru und Ino hin und her. 

 

Ino zog die Brauen zusammen, während ihre Augen starr auf Shikamaru gerichtet blieben. „Aber es ist nicht richtig, oder?“

 

„Ist es das?“ Shikamarus Lippen kräuselten sich bitter und seine tiefbraunen Augen schlossen sich langsam. Mit einer Hand fuhr er sich durchs Gesicht, um sich über die Stirn zu reiben. „Sagt ihr es mir. Ihr vertraut mir dabei, dass ich es richtig mache…vielleicht kann ich das aber nicht immer. Ich kann dieses Schachmatt nicht immer für unsere Seite garantieren.“

 

Ino schnaubte spottend und plusterte sich beleidigt auf. „Echt jetzt, Shikamaru. Nur weil du super klug bist, bedeutet das nicht, das wir ‚dämlich simpel‘ sind. Ich meine, ernsthaft…“

 

Shikamaru runzelte die Stirn angesichts dieser Antwort und hob scharf den Kopf. „Was?“

 

„Wir wissen sehr gut, wie ‚das Spiel abläuft‘ oder was auch immer. Diese Vertrauenssache verläuft in zwei Richtungen, weißt du?“ Ino ruckte mit dem Handgelenk und wischte damit sein verwirrtes Funkeln fort. „Wie auch immer, das ist es doch nicht, wobei du unser Vertrauen brauchst, stimmt’s?“

 

Der Schattenninja spähte zwischen den beiden hin und her und seine Augen zogen sich zusammen, als er nach der Antwort suchte, von der die zwei offenbar ausgingen, er hätte sie bereits erhalten. „Ist es nicht?“

 

Ino warf ihm einen erwartungsvollen und angestrengten Blick zu. 

 

Ausdruckslos starrte der Nara zurück. 

 

Genervt die Hände in die Luft werfend seufzte Ino gequält. Dann wandte sie ihre verärgerte Miene Chōji zu und erwartete offenbar von ihm, dass er die Arbeit in Shikamarus Hirn für sie übernehmen würde. 

 

Shikamaru missbilligte sein eigenes Bedürfnis nach Erklärung sehr und knirschte mit den Zähnen. „Übersetzung?“

 

Stets der Mittelmann hob Chōji die Hände, um Missverständnisse abzuwehren und wandte sein Gesicht Shikamaru zu. „Sie meint, das wir es kapieren, Shikamaru.“

 

„Ich weiß, dass ihr es kapiert. Ich vertraue euch dabei, es zu kapieren. Es ist die einzige Art und Weise, wie ich es tun kann.“

 

„Oh mein Gott, nicht die Missionen!“, schnappte Ino. „Wie kann es sein, dass du es nicht kapierst?“

 

Shikamarus Miene wurde düster. „Was denn kapieren?“

 

„Dass wir dich kapieren“, sagte Chōji ruhig. 

 

Shikamaru zog den Kopf zurück, als sich sein Körper ausnahmsweise mal schneller bewegte als sein Hirn. Bevor er registrieren konnte, dass er überhaupt reagiert hatte, hatte sich sein Handballen gegen die Kante des Tisches abgestützt; jeden Moment bereit, ihn nach oben und fort zu schieben. Es passierte so plötzlich, dass er nicht einmal Zeit hatte, die Bewegung zu korrigieren oder zu verschleiern. 

 

Und Chōji ergriff das Wort, bevor er darüber nachdenken konnte, dementsprechend zu handeln. „Und genau wie Asuma-sensei, wissen wir, dass du mehr bist, als du selbst von dir denkst, wenn du tust, was du tust.“

 

„Du bist viel mehr als das“, fügte Ino hinzu und zog sich mit den Armen die Knie an die Brust. „Du magst ja vielleicht das größte Hirn in Konoha sein, aber das ist nicht alles, was dich ausmacht.“

 

„Ja und wir haben immer wieder versucht, dir das zu zeigen. Naja, dich daran zu erinnern.“

 

„Aber du hörst nicht zu oder siehst über deinen dämlichen fetten Kopf hinweg.“ Ino führte ihre Hände in der charakteristischen strategischen Pose des Schattenninjas zusammen. „Es ist, als würdest du deinen Missionsmodus auf einfach alles übertragen. Ehrlich gesagt macht uns das wahnsinnig.“

 

Ja, mich auch…

 

Shikamaru presste die Kiefer aufeinander, um sich davon abzuhalten, diesen Gedanken laut auszusprechen und stattdessen atmete er leise bebend aus. Deutlich hörte er, wie der Atem der beiden stockte und verfluchte sich selbst, dass er überhaupt einen Laut von sich gegeben hatte. 

 

Bedächtig legte Chōji seine Hände auf den Tisch und zog Shikamarus Blick zu sich. „Wir haben versucht, es dir zu sagen, ohne es dir wirklich zu sagen.“

 

„Und du kapierst es immer noch nicht“, seufzte Ino. „Es ist, als wärst du in dem Raum um dein Hirn herum verloren gegangen. Ernsthaft, was ist aus dem faulen Drückeberger geworden, den wir kennen und es lieben, ihn zu nerven?“

 

Shikamaru stierte hinunter auf die kleinen Fläschchen, die er auf dem Tisch aufgereiht hatte; unfähig, mit einer seiner raschen Erwiderungen zu antworten. Unbehaglich schluckte er, während sich die Muskeln in seinem Gesicht anspannten und sich seine Lippen straff zogen. 

 

„Vielleicht ist er erwachsen geworden…“, murmelte er. „Wir sind keine Kinder mehr.“

 

„Naja, sprich für dich selbst, alter Mann!“, schnaubte Ino und legte sich eine Hand auf die Brust. „Wir sind gerademal siebzehn geworden und ich bin total bereit, mich in der Flamme meiner Jugend zu sonnen, okay?“

 

Shikamaru schmunzelte leicht. „Machst du das nicht schon?“

 

Ino warf sich in eine alberne Pose. „Siehst du etwa einen lilanen Trainingsanzug?“

 

Diese Bemerkung brachte ihr ein kehliges Kichern ein und Shikamaru strich sich mit den Fingern über die Lippen, um das Geräusch verstummen zu lassen, während er den Kopf schüttelte. Doch auf diese Reaktion schenkten ihm seine Freunde ein strahlendes Grinsen. 

 

„Siehst du?“ Ino wackelte vor ihm mit einem Finger herum. „Das ist es, wovon wir reden. Dich zum Lachen zu bringen, war eine Mission.“

 

„Ich lache doch“, verteidigte sich Shikamaru. 

 

„Junge, du lachst nichtmal über den Vogel“, schmunzelte Chōji. „Das ist einfach nicht richtig.“

 

„Der Vogel ist nicht ganz richtig“, argumentierte Shikamaru lächelnd. 

 

„Naja, was auch immer, du bist auf jeden Fall nicht der kichernde Typ Mensch“, gab Ino zu. „Trotzdem ist es gruselig, sehen zu müssen, wie du dich auf einmal SO introvertiert benimmst; besonders mit deiner Art von Hirn. Das kann nicht gesund sein.“

 

„Und das ist der Grund, aus dem wir sicher gehen wollen, dass du weißt, dass wir immer noch hier sind, weißt du?“, fügte Chōji hinzu. „Auch wenn du es nicht wirklich ‚kapierst‘. Das ist okay.“

 

Gott, wenn es auf diese Weise laut ausgesprochen wurde, dann erschien es alles so…unkompliziert. Doch in den Katakomben von Shikamarus Verstand, drohten die Komplikationen, ihn in die Irre zu führen, vielleicht sogar, ihn hinunter in die Schatten des Zweifels zu führen…und in die Schatten, die noch weiter nach unten führten zu tieferen, dunkleren Orten. 

 

Ich will das nicht verstecken…aber ich…

 

Chōjis Hand berührte seine Schulter. „Shikamaru?“

 

Der Schattenninja schluckte erneut und schüttelte den Kopf. „Ihr liegt falsch“, hauchte er. „Ich weiß, dass ihr beide da gewesen seid. Das seid ihr immer. Ich weiß das…ich glaube, es ist in letzter Zeit einfach schwer, den Unterschied zu erkennen…zwischen dem was ich bin und dem, was ich tue…“

 

Er zuckte mit den Achseln, ganz so, als wären diese Worte vollkommen unwichtig und unnötig. Doch er wusste, dass sie weit entfernt von beidem waren. Und er musste nicht aufsehen, um zu spüren, dass es seine Teamkameraden ebenfalls wussten. 

 

Chōji drückte leicht seine Schulter und er hörte, wie sich Ino leise bewegte. 

 

„Willst du wissen, was es leichter machen wird, dich daran zu erinnern, wenn du es vergisst?“, fragte sie. 

 

Shikamaru nickte, ohne den Blick zu heben. „Schieß los.“

 

Doch Ino antwortete nicht, zumindest nicht in Worten. Ihre blasse Hand glitt über den Tisch und sie begann, die Flaschen neu anzuordnen, auf die Shikamaru stierte. Sie nahm sich Zeit, jede einzelne sorgfältig zu platzieren; bewusst und langsam. 

 

Stirnrunzelnd beobachtete Shikamaru sie unter dichten Wimpern. 

 

Nach mehrerem Klacken, beendete Ino das Errichten eines großen Kreises, in dessen Mitte sich ein kleinerer befand. Und wie auf ein Stichwort streckte Chōji eine Hand aus, um ihr zu helfen, das Symbol zu vollenden, indem er drei weitere Fläschchen in einer Linie neben dem kleinen Kreis aufreihte: die Nummer 10 im Inneren eines Zirkels.

 

Shikamarus Augen weiteten sich leicht. 

 

Er sah nicht, wie Chōji und Ino einen Blick und ein Nicken austauschten. 

 

Sie lehnten sich beide zurück und senkten ihre Hände auf den Tisch, um denselben Rhythmus zu trommeln, den Shikamaru genutzt hatte, als er an die Tür geklopft hatte. Es trieb die Botschaft, die sie mit diesem Symbol kreiert hatten in Shikamarus Innerstes und brachte ihm all die unzähligen Male in Erinnerung, als sie es während ihrer Genintage genutzt hatten. 

 

Ino-Shika-Chō…

 

Shikamarus Lippen bogen sich sanft, als er die Augen schloss. „Ich höre euch.“

 

Eine entspannte Stille legte sich um den Tisch; warm und gesellig auf eine Weise, wie sie es seit Wochen nicht gewesen war. Shikamaru sog sie tief in sich ein und fühlte, wie die Anspannung in ihm zu bröckeln begann. 

 

Danke…

 

Die Akzeptanz seiner Freunde ließ sich wie unsichtbare Hände auf seinen Schultern nieder – hielt einen Griff an ihm, sodass er loslassen konnte, was auch immer es war, von dem er sich nicht dazu bringen konnte, es auszusprechen. Zumindest nicht ihnen gegenüber.

 

Sensei…

 

Shikamarus Brust zog sich zusammen. 

 

Eines Tages werde ich darüber sprechen…

 

Tief durchatmend hob er die Lider und fand in sich ein Lächeln für seine Freunde. 

 

Aber nicht heute.

 

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Puuuuh, ein ziemliches Monster von Kapitel...ich erinnere mich an meinen Gedanken "Keine Kapitel über 6000 Wörter" :'D 

Naja, mehr zu lesen für euch und ich hoffe doch sehr, dass es euch gefallen hat! Ich hoffe, ihr konntet diesmal auch wieder etwas lachen, auch wenn das Ende dann wieder etwas nachdenklicher und vor allem kryptischer wird ;) 

Lasst mir doch wieder ein paar Worte dazu da, denn ja, wie ihr wisst, freu ich mich über jedes wie ein Honigkuchenpferd *-* Und keine Sorge, alle Kommentare und Nachrichten werden beantwortet, ich wollte nur vorher das Kapitel hochladen und ich muss heute noch das ein oder andere erledigen, aber ich hoffe, dass ich heute noch dazu kommen werde ;)

Und joa...es kommen noch vier Kapitel und ein Epilog und dann ist auch die Reise von 'On the Cusp' schon wieder vorbei...der Countdown läuft! 
 

Vielen Dank wie immer an alle meine lieben Reviewer/innen und Leser/innen! <3

I think you should let sleeping dogs lie

„Verdammt!“

 

Die Schublade des Aktenschrankes knallte zu. Das nachhallende Scheppern des Metalls echote laut und lang durch das Gewirr von Räumen, die das Kellergeschoss des Konoha Archivs beherrschten. Eine Ansammlung von Höhlen, die mit einer Masse an Informationen und Ressourcen gefüllt waren, die bis zur Gründung Konohas zurückreichten. 

 

Es war der Ort, an den gekommen war, um etwas zu finden; irgendetwas.

 

Doch er konnte überhaupt nichts finden. 

 

Nicht einmal eine gottverdammte Fußnote.

 

Asuma knurrte, als er sich mit den Armen an dem Schrank abstützte. „Scheiße…“

 

Frustriert drückte er seine sechste Zigarette an der Wand aus und fügte dem pockennarbigen Putz einen weiteren Fleck hinzu, dessen rissige Oberfläche bereits zu schimmeln begann. Fahrig fuhr er sich mit einer Hand durch sein Haar und der Sarutobi atmete eine Rauchwolke in die Staubkörner aus, die unter dem Funkeln der Lampe über seinem Kopf wirbelten. 

 

Wie gut, dass er nicht an Klaustrophobie litt.

 

Seit zwei Stunden verschanzte er sich nun schon in diesem muffigen, vollgestopften, fensterlosen Raum. Hatte sich durch Aktenschränke gewühlt und Ordner nach Einzelheiten von Missionsberichten durchsucht, die zwei Jahre zurücklagen. Wie gut, dass er die Gelegenheit genutzt hatte, seinen höheren Rang gegenüber Kotetsu und Izumo auszuspielen. Als die persönlichen Laufburschen der Hokage, die vollkommen mit der überfüllten Anordnung der Katakomben vertraut waren, hatten sie ihm Zugang zu den tieferen Ebenen des Archivgebäudes gewährt. 

 

Asuma grollte einen weiteren Fluch hervor. 

 

Ein paar Räume weiter hörte er das dumpfe Miauen einer Katze. 

 

Sein Verstand wanderte zu Kurenai und ihren vorherigen Worten an ihn. 

 

‚Du hast niemanden im Stich gelassen…‘

 

Zu blöd, dass ich mich selbst nicht davon überzeugen kann, das zu glauben. 

 

Energisch stieß er sich von dem Schrank ab und lief einen langsamen Kreis um den riesigen quadratischen Tisch, der im Zentrum des Raumes stand. An jeder Ecke standen gestapelte Kisten und Lampen saßen wie Scheinwerfer auf den willkürlichen Türmen, um ihre Strahlen auf die Papiere und Schriftrollen zu werfen, die auf dem Tisch verstreut lagen. 

 

Der sprichwörtliche Heuhaufen, doch es war nicht eine einzige Nadel nützlicher Informationen in Sicht. 

 

Asuma seufzte und ließ seinen Blick zu einer langen Schriftrolle schweifen, die über den Rand des Tisches hing und sich wie eine Zunge aus Papier über den Boden rollte: eine vollständige Liste aller Prüfungen von Konohaninjas der letzten paar Jahre. Der Rest des verstreuten Materials bestand aus einer Zusammenstellung von Berichten, die alle mit den Chūnin Prüfungen vor zwei Jahren zusammenhingen; aufgezeichnet von Teamführern und den begleitenden Aufsehern. 

 

Datiert, unterzeichnet und abgestempelt. 

 

Asuma stellte einen Fuß auf dem Metallklappstuhl ab, den er an den Tisch gezogen hatte, schob den Stoff seines Hosenbeins hoch und legte einen Arm über dem Knie ab. So leicht würde er nicht aufgeben. Er rollte die Ärmel seines Rollkragenoberteils nach oben und drehte die Handgelenke, um die schweren Metallarmbänder zu justieren, bevor er sich über den Tisch beugte. Bedächtig tippte er mit einem Finger auf ein beflecktes Blatt, während er die Textreihen und -spalten scannte. 

 

Vor zwei Jahren…Chōji und Ino haben es während der ersten der halbjährlichen Chūnin Prüfungen zum Chūnin geschafft. Es war sechs Monate danach…dass etwas passiert ist…

 

Sein Finger hielt inne, als er auf das Datum für die zweite Chūnin Prüfung traf, die im selben Jahr abgehalten worden war, sechs Monate später. Doppelt überprüfte er den Veranstaltungsort. Sie war Ende September in Kusagakure abgehalten worden. Shikamaru war gerade fünfzehn Jahre alt geworden. 

 

Stimmt…direkt nach seinem Geburtstag ist er zu dieser zweiten Prüfung aufgebrochen…

 

Asuma hatte keinen Sinn darin gesehen, seinen Schüler mitzuschicken, bis Tsunade darauf bestanden hatte, dass der junge Nara eine ausreichende Aufsichtsausbildung erhielt. Sie wollte, dass Shikamaru im folgenden Jahr als Aufseher für die Prüfungen fungierte, die in Suna abgehalten wurden. 

 

Genau, ich weiß auf jeden Fall, dass was auch immer ihm zugestoßen ist, in Kusagakure während dieser früheren Prüfungen passiert sein muss.

 

Während all die Fragen und Möglichkeiten Asuma für zwei lange Jahre heimgesucht hatten, fühlte es sich jetzt überhaupt nicht anders an, Antworten zu suchen, als bei den Versuchen, die er das erste Mal unternommen hatten. Auch wenn er das erste Mal keinen Spuren aus Papier nachgejagt war. 

 

Damals hatte er einen Geist gejagt. 

 

Shikamaru war einfach nicht da gewesen; war nur ein Schatten gewesen, der sein Gesicht getragen hatte. 

 

Du hast jeden getäuscht…und ich habe zugelassen, dass du mich dadurch täuschst, mich denken zu lassen, ich könnte dich fangen. 

 

Aber es waren nur Shikamarus Schatten gewesen, denen er gefolgt war; in die Irre geführt von einer Jagd, die ein Ablenkungsmanöver gewesen war. Und wie ein Narr war er darauf herein gefallen. Statt Shikamaru zu packen und Antworten auf seine Fragen zu verlangen, hatte er diese Fragen wie Rettungsleinen hängen lassen, während er niemals darüber hatte nachdenken wollen, dass Shikamaru zu dieser Zeit vielleicht bereits zu weit fort gegangen war, um nach oben greifen und sie zu fassen bekommen zu können, wie er es immer als Genin getan hatte. 

 

Wohin bist du gegangen, Junge?

 

Asuma presste fest die Lider gegen die Erinnerung zusammen. 

 

Ich hätte das viel weiter verfolgen, dich fangen und zurück ziehen müssen…

 

Sicher, er hatte hinter den Kulissen seine eigenen Nachforschungen angestellt. Doch er war mit Sackgassen konfrontiert worden, die sich in sich selbst verdrehten. Er hatte keinerlei Griff an irgendetwas Konkretem zu fassen bekommen und Shikamaru hatte ihm keinerlei Zeichen angeboten, die ihn hätten leiten können.

 

Und in der Sekunde, als du von selbst zurück gekommen bist, habe ich es einfach losgelassen…

 

Denn die Erleichterung war viel zu groß gewesen…und sogar noch stärker als diese Erleichterung war Asumas Furcht gewesen, die Dinge zu verbocken und seinen Schüler zurück in diese Leere zu treiben. Und so war er, um Shikamaru auf die einzige Weise zusammenhalten zu können, die er kannte, vollkommen selbstsüchtig mit sich selbst zu der Übereinstimmung gekommen, seine Fragen zu begraben…und er hatte Shikamaru gestattet, seine Antworten ebenfalls zu begraben.

 

Du verfickter Feigling, Sarutobi…

 

Und nun war er hier, zurück auf der Spur aus Papier und öffnete erneut den ungeklärten Kriminalfall, der sein Schüler war. Sogar jetzt noch, zwei Jahre später, waren die Antworten weiterhin verloren wie Erbsen in einem Hütchenspiel. Ununterbrochen verschwanden die Anhaltspunkte unter der Kunstfertigkeit von Handbewegungen, die Shikamaru zusammen mit seinen Defensiven makellos aufrecht erhielt. 

 

Und ich habe zugelassen, dass du diesen Mist errichtest, weil ich dachte, dass es das ist, was du brauchst…weil ich dachte, dass es reichen würde, einfach nur für dich da zu sein…Gott, was zur Hölle habe ich mir nur dabei gedacht? Zu wenig, zu spät…jedes verfickte Mal, wenn es am meisten von Bedeutung ist.

 

Schuldgefühle sägten sich wie ein rostiges Messer durch Asuma und zerrissen ihn bis ins Innerste. Er knirschte krampfhaft mit den Zähnen und krümmte die Finger über den Berichten zu einer Faust, bis seine Knöchel knochenweiß erbleichten.

 

‚Du hast mich nie im Stich gelassen, Sensei. Nicht ein einziges Mal.‘

 

Kopfschüttelnd stieß Asuma ein bebendes Seufzen aus. „Du kannst einem Scheißeerzähler keine Scheiße erzählen.“

 

Und ich werde dich für nichts auf der Welt ein zweites Mal im Stich lassen.

 

„Erstes Anzeichen von Wahnsinn“, sagte eine gedehnte Stimme von der Türöffnung her.

 

Aufgeschreckt von seinen Gedanken schnellte Asumas Kopf nach oben und er blinzelte an dem grellen Schein der Lampe vorbei zur Tür. Er erhaschte das Aufblitzen von Stahl – ein dünnes Flackern von Licht, das sich zu einer Nadelspitze verdünnte und wie eine Träne am Ende des Senbons zwinkerte. 

 

„Selbstgespräche“, klarifizierte die Stimme. 

 

Asuma neigte mit rauer und zugeschnürter Kehle den Kopf. „Genma.“

 

Das Senbon winkte als Antwort; ein einsamer Stern in der Dunkelheit. Schatten ummantelten die Türschwelle und ergossen sich in den Korridor jenseits davon, um Genmas schlanke Figur zu schlucken, sodass sie nicht mehr war als eine Silhouette, was ihn kaum unterscheidbar machte von der Schwärze. 

 

„Interessanter Lesestoff…“, sagte der Shiranui. 

 

Asuma setzte ein schiefes Schmunzeln auf. „Oh, ja, ist richtig fesselndes Zeug.“

 

Das Senbon zwinkerte erneut. Einmal. Zweimal. Und dann schoss es durch den Raum, schlug Funken auf dem Chrom einer Schwanenhalslampe und lenkte den Lichtstrahl auf einen Aktenschrank am anderen Ende des Raumes. 

 

Asuma grunzte. „Angeber.“

 

Langsam trat Genma aus den Schatten und bewegte sich zu dem Schrank, den er gerade wortwörtlich hervorgehoben hatte. „Raidō meinte, dein gesamtes Görenpack wäre schon angemeldet. Sie haben einen langen Weg hinter sich.“

 

„Jo.“

 

„Habe gehört, dass Shikamaru das Angebot des Feudalherren abgelehnt hat.“

 

Asuma summte und hielt sich mit einem Kommentar zurück. Entgegen der Witze über seinen ‚Team 10‘-Stolz, die durch die Reihen der Jōnin kursierten, mochte er es überhaupt nicht, über seine Schüler zu reden. Kakashi war der einzige, mit dem er Notizen austauschte und selbst diese Notizen wurden einer strengen Bearbeitung unterzogen, um zu viel Rotstift zu vermeiden. Wenn sein Team unter die Beobachtung von irgendjemandem fiel, dann einzig und allein unter seine eigene. 

 

Außer, ich bin betrunken und laber mir das Maul fusselig…

 

Angesichts der massiven Filmrisse in seinem Hirn verzog er das Gesicht. 

 

Was zur Hölle hatte er Kakashi überhaupt über Shikamaru erzählt? Er erinnerte sich an Fetzen einer nüchtereren Unterhaltung, doch er war sich ziemlich sicher, dass gegen Ende der Nacht mit dem Saké auch die unverfälschte Wahrheit geflossen war. Und was es noch komplizierter machte, war, dass auch Genma während dieses unverfälschten Parts anwesend gewesen war. Und was das Thema ihrer betrunkenen Grübeleien anging; es hätte alles sein können.

 

Scheiße, er hätte alles sagen können. 

 

Scheiße.

 

Hoffentlich waren sie alle viel zu besoffen gewesen, um sich an vieles von dem zu erinnern, was in gelallten Gesprächen verschüttet oder umhergeschwenkt worden war. Während er sich über die Augen rieb, nahm sich Asuma einen Moment, um seine Gedanken zu sortieren und sie wieder zurück auf die vorliegenden Informationen zu fokussieren. 

 

Konzentrier dich.

 

Beide Jōnin kehrten zu ihren jeweiligen Aufgaben zurück und verfielen in respektvolles Schweigen. 

 

Die Zeit wurde einzig und allein von dem leisen Klacken von Genmas Zähnen gemessen, die auf Stahl trafen.

 

Es musste bereits eine gute Stunde vergangen sein, als Asuma damit fertig war, die Liste der Nebenoperationen zu überprüfen. Eine Aufzeichnung, die jede weitere Mission aufführte, die mit den Chūnin Prüfungen in Kusagakure zusammenhing. Es war nicht ungewöhnlich, dass so etwas vorkam. Die Chūnin Prüfungen boten den Dörfern reichlich Gelegenheiten, zusätzliche Ryō einzustreichen, indem Nebenmissionen übernommen wurden, die von Daimyō oder hohen Tieren in Auftrag gegeben wurden. 

 

Doch er konnte überhaupt keine Anhaltspunkte dafür finden, die darauf schließen ließen, dass Shikamaru einer solchen Mission zugeteilt worden war. 

 

Hier muss doch irgendetwas zu finden sein…

 

Der Sarutobi zog die Brauen zusammen. Bereits vor zwei Jahren hatte er diese Berichte überflogen, als er zum ersten Mal versucht hatte, das Mysterium zu lösen. Was er jetzt tat, war, die Durchschlagdetails fein säuberlich durchzukämmen, durch die er damals hindurch gehetzt war. 

 

Ich habe etwas übersehen…ich weiß, dass ich etwas übersehen habe…

 

Er war niemals in der Lage gewesen, das Gefühl abzuschütteln, diese Informationen wären frisiert oder in den Berichten absichtlich weggelassen worden. Damals hatte er diesen Gedanken seiner Verzweiflung zugeschoben; er hatte nach jedem Hinweis und jeder Möglichkeit gegriffen, die dem Gefühl, vollkommen nutzlos zu sein, den Biss nehmen könnte. 

 

Wenn er jemanden gehabt hätte, den er hätte beschuldigen können, dann wäre es vielleicht einfacher gewesen. 

 

Damals hatte er sogar das Team geröstet, das Shikamaru begleitet hatte, aber niemand war in der Lage gewesen, Licht auf das zu werfen, was geschehen war. Kein stundenweiser Bericht darüber, wo Shikamaru all die Zeit über gewesen war, aber es war auch nicht so, dass das von Shinobi auf Chūnin Level erwartet wurde. 

 

Der Tokubetsu Jōnin, der damals in der Verantwortung gewesen war, hatte dieses Verhör alles andere als gut geheißen. 

 

‚Hast du erwartet, dass ich für den Jungen Babysitter spiele? Er wollte diese verdammte Beförderung oder diese Besetzung von Anfang an nicht. Was zur Hölle ist dein Problem, Sarutobi? Leeres-Nest-Syndrom? Komm drüber weg und verschwinde verfickt nochmal aus meinem Sichtfeld.‘

 

Da er nicht das Gefühl gehabt hatte, gehört zu werden, hatte es danach Asumas Faust für angebracht gehalten, das Gespräch zu übernehmen. 

 

Und verdammt, er hatte sich eine höllische nicht verbale Unterhaltung eingefangen. 

 

Der Tokujō war am Ende im Krankenhaus gelandet und Asuma hatte sich einen heißen Stuhl eingehandelt, der ihm das Gefühl vermittelt hatte, der Typ, der sein Essen jetzt durch einen Strohhalm zu sich nahm, hätte das bessere Los gezogen. 

 

Tsunade hatte ihn wie eine Löwin in Fetzen gerissen. 

 

Sie hatte ihm mit Suspendierung vom Dienst, Degradierung und einer psychologischen Evaluation gedroht. Doch schlimmer als all das, hatte sie genug schmerzhafte Mahnungen hinsichtlich seines Erbes hervor gezerrt, um ihn an den Wurzeln eines verlorenen Sinnes für Identität bluten zu lassen, mit dem er nie seinen Frieden gemacht hatte. Für eine ganze Woche hatte er das Grab seines Vaters gemieden. Einer Woche, die er gebraucht hatte, bis er nicht mehr vor Zorn überschäumte und hinter wildem Grinsen und falschem Lächeln nicht mehr verletzt war.

 

Und was das alles so unglaublich erbärmlich machte, war, dass er nicht eine einzige verdammte Sache dabei gewonnen hatte. 

 

Keine einzige Antwort von zwischen den blutigen Lücken in den Zähnen des Tokujō.

 

Asuma war damit zurück gelassen worden, seine eigenen Schlüsse zu ziehen – was ihn zu einer leeren Tafel zurückgebracht hatte und das mit nichts weiter als mit einem Übelkeit erregenden Bauchgefühl. Einem Bauchgefühl, das er nicht abschütteln konnte, aber für das es auch keine solide Rechtfertigung gab.

 

Nur eine lose Papierspur ausgeblichener Kopien.

 

Doch als Asuma jetzt diese Durchschläge erneut durchlas, begann er, die Fäden alter Zweifel wieder aufzunehmen, die er vor zwei Jahren aufgetrennt hatte. Er konnte geradezu spüren, wie sie sich zu Bällen aus Argwohn verknoteten, die wie Steine durch seine Eingeweide rollten. 

 

„Scheiße…“, zischte er durch zusammengebissene Zähne. 

 

Während er sich den Hinterkopf rieb, richtete er sich aus seiner zusammengekauerten Position auf und ließ sich anschließend auf den Stuhl sinken. Langsam fuhr er sich mit den Handflächen durchs Gesicht und blinzelte hart, um die Augen zusammenzukneifen und sich erneut auf das verblichene Skript zu fokussieren. 

 

Vage hörte er, wie Genma von der Stelle, an der er sich gegen einen Aktenschrank gelehnt hatte, zu ihm herüber schlenderte und dabei irgendwelche Notizen kritzelte. 

 

Er sah erst auf, als Genmas Schatten über den Tisch fiel. 

 

Das Senbon funkelte wie erhitzter Stahl zwischen den dünnen Lippen des Shiranui und reflektierte sich in seinen dunklen Augen. Sein Blick glitt langsam über die offiziellen Papiere und er bedachte Asumas Nachforschungen mit einem Ausdruck stumpfen Desinteresses, mit dem er die allermeisten Dinge betrachtete. Doch als seine Augen auf die Durchschläge trafen, die über dem Tisch verstreut waren, schüttelte er den Kopf. 

 

„Was?“, fragte Asuma und stürzte sich geradezu auf die Chance, jemand anderen dazu zu bringen, ihm dabei zu helfen, irgendeinen Sinn aus diesem Chaos zu machen. 

 

„Ich habe dich hier unten nicht gesehen“, sagte Genma nur mit flacher Stimme und einem Gesicht, das bar jeder Miene war. 

 

Seine Gleichgültigkeit überließ es Asuma, diese Worte auf unzählige verschiedene Weisen zu interpretieren. Sie bedeuteten nicht wirklich „Ich halte dir den Rücken frei“, aber zumindest deuteten sie auch nicht darauf hin, dass Genma ein Messer in Asumas argloses Rückgrat jagen würde. 

 

Der Sarutobi breitete die Arme aus und zwang sich zu einem Grinsen. „Ach, weißt du, ich mache einfach nur ein paar Hausaufgaben.“

 

Genma zuckte mit den Achseln, klemmte sich seine Notizen unter den Arm und wandte sich zum Gehen. 

 

Seufzend ließ Asuma seine Hände zusammen mit dem Schauspiel fallen. „Genma.“

 

Sein Tonfall ließ den Tokujō augenblicklich innehalten. 

 

Doch Genma machte keine Anstalten, sich umzudrehen. 

 

Ein angespannter Moment verstrich zwischen ihnen und Asuma dachte schon, er würde damit enden, dass Genma durch die Tür lief. Doch stattdessen spähte der Shiranui über die Schulter. Da er es als sehr schmales Fenster der Gelegenheit ansah, zögerte Asuma keine Sekunde, das Blatt unter seiner Handfläche zu drehen, sodass es dem anderen Mann zugewandt war. Vielsagend klopften seine Finger auf den Text. 
 

„Erinnerst du dich daran?“, fragte Asuma. 

 

Genma streckte den Hals und legte den Kopf schief, um die Informationen zu überfliegen. „Hn. Das habe ich auch nicht gesehen.“

 

Stirnrunzelnd beobachtete Asuma den anderen Ninja unter dichten Brauen. „Genma.“

 

Doch der Tokujō zuckte nur mit den Achseln und schob dabei seine Hände in die Taschen. „Willst du schon wieder auf Messers Schneide einer Degradierung enden? Dann nur zu. Ich hingegen bin mit meiner Position im Reinen.“

 

„Und was ist mit deinem Gewissen?“, knurrte Asuma. „Bist du damit auch im Reinen?“

 

Genma stierte zur Tür. Er wandte sich nicht um, aber er lief auch nicht davon. Und Asuma deutete das als einen Hinweis, weiter zu machen. Er linste hinunter auf die Liste der Jōnin, die in diesem Jahr die Chūnin Kandidaten begleitet hatten. 

 

„Vor zwei Jahren warst du in Kusagakure.“

 

„Und?“

 

„Und?“, echote Asuma fassungslos, lehnte sich zurück, um eine Zigarette aus seiner Hosentasche zu ziehen und ließ sie von seinen Lippen hängen. „Diese Berichte – offizielle und andere – besagen alle, dass einer unserer Chūnin an drei Nebenmissionen teilgenommen hat, die alle gleichzeitig während dieser Prüfungen stattgefunden haben. Stimmt das?“

 

Genma wandte sich um. „Wenn es in den offiziellen Berichten steht, dann stimmt es auch.“

 

Asuma warf ihm einen vielsagend ‚Am Arsch‘ Blick zu.

 

Genma blinzelte nicht einmal.

 

„Dann erklär mir mal das.“ Asuma klatschte mit dem Handrücken auf den ‚offiziellen‘ Bericht. „Irgendein Volltrottel, der nicht einmal seinen Nachnamen aufgeschrieben hat, gibt an, dass er an allen drei Missionen teilgenommen hat.“

 

Genmas Brauen zogen sich in einem flüchtigen Zucken zusammen. „Was?“

 

„Ja.“ Asuma kramte sein Feuerzeug hervor und zündete das Ende seiner Zigarette an, während seine Augen wie Messingsplitter funkelten. „Tja und außer er hatte einen Heidenspaß mit lauter Schattendoppelgängern, dann verstehe ich nicht, wie zur Hölle das möglich sein soll.“

 

Genma trat nach vorn, um den Bericht noch einmal zu studieren, wobei er sein Senbon als eine Art Lesezeichen benutzte, während seine Augen dem Skript folgten. Geduldig wartete Asuma darauf, dass er zu Ende las und bereitete sich schon auf das vor, was als nächstes kam. 

 

„Das ist nicht, was in diesem Report steht“, argumentierte Genma, ohne seine Stimme zu verändern. Er klang immer noch genauso gelangweilt wie am Anfang. „Dieser Chūnin, Naoki, hat sich nur für eine Mission eingetragen. Du bist schon zu lange hier unten. Geh und schnapp ein bisschen frische Luft. Du hast es falsch gelesen.“

 

Asuma hob herausfordernd die Brauen und neigte seinen Kopf in Richtung der ausgeblichenen Durchschläge, die auf eine Seite geschoben waren. Sie waren immer den handgeschriebenen Missionsberichten beigefügt und dienten als Belege für die weitere Aufbewahrung – und als Datensicherung für den Fall, dass irgendwelche Reporte „vermisst“ wurden.

 

„Ich habe das nicht falsch gelesen“, erwiderte Asuma mit einem Atem aus Rauch und streckte eine Hand über den Tisch, um auf die Kopien zu tippen. „Demzufolge, was ich hier lesen kann, hat Naoki drei separate Berichte geschrieben, in denen er seine Beteiligung in jeder Mission detailliert beschreibt, aber nur einer dieser Berichte wurde als seine offizielle Aussage aufgenommen. Die Aussage, die du gerade liest.“

 

Trotz seiner langen Pause, fiel Genmas Antwort äußerst kurz aus. „Und?“

 

Asumas Augen flammten auf. Mit einem Knurren kam er ruckartig auf die Beine und seine Handflächen donnerten auf den Tisch, während die Beine des Metallstuhls über das Linoleum kratzten. 

 

„Und das ist Bullshit.“

 

Genmas Senbon flackerte, als es von Seite zu Seite und nach oben und unten zuckte, weil seine Zunge mit dem Metall spielte. Es war wie die Nadel auf einer Richterskala, die die Turbulenzen in Asumas Stimme maß. 

 

„Es ist ein offizieller Bericht.“

 

„Offizieller Bullshit.“

 

„Das macht es nicht weniger offiziell.“

 

„Scheiß darauf, Shiranui. Es passt nicht zusammen. Irgendwas stimmt hier nicht.“

 

Genma befreite eine Hand aus seiner Tasche und klemmte sich die Kante des besagten ‚offiziellen Bullshit‘-Berichtes zwischen Zeigefinger und Daumen, als wäre er nicht willens, einen Fingerabdruck auf dieser Verschwörungstheorie zu hinterlassen. Er hielt Asuma das Papier vors Gesicht. 

 

„Siehst du diesen fetten Stempel, Sarutobi? Die Hokage sieht das scheinbar anders.“

 

Aufgebracht wischte Asuma das Blatt mit einem Schwung seiner Hand beiseite. „Ich gebe einen feuchten Dreck auf diesen Bestätigungsstempel. Und auch wenn ich diesen Naoki Jungen beiseite schiebe, kann ich nicht einen einzigen Missionsbericht von Shikamaru finden. Weder einen Durchschlag oder etwas anderes.“

 

„Vielleicht war er ja auch bei keiner der Nebenmissionen dabei.“

 

„Wo war er dann?“

 

„Das machen, was er tun sollte?“, erwiderte Genma und sein Halbmast Blick passte sich dem gelangweilten Murmeln seiner Stimme an. „Die Prüfungen überwachen und sich mentale Notizen in diesem fotografischen Gedächtnis machen, statt sie wie der Rest von uns in einem Bericht aufzuschreiben.“

 

„Hast du Beweise dafür, dass er dort war?“

 

„Er hat jeden Morgen, Mittag und Abend das Dokument zur Ausgangssperre unterzeichnet.“

 

„Mit was? Einem Häkchen? Einem verfickten, sinnlosen Kreuz?“

 

Genmas Miene veränderte sich nicht. „Er hat es unterzeichnet.“

 

„Hast du ihn jemals gesehen?“, drängte Asuma weiter und beugte sich vor, als Genma nicht antwortete. Eine gefährliche Kante biss sich deutlich in seine Stimme. „Kannst du persönlich bestätigen, dass er dort war?“

 

Mit abgeschirmten Augen saugte Genma an dem dünnen Metall. Er sagte nichts.

 

Ein höhnisches Grinsen spaltete Asumas Gesicht. „Ja…das habe ich mir gedacht.“

 

„Nur weil ich ihn nicht gesehen habe, bedeutet das nicht, dass er nicht dort war.“

 

„Und trotzdem kann mir keiner von euch Bastarden sagen, dass er es war.“ Asuma drückte brutal seine Zigarette auf dem Tisch aus und nahm das Blatt Papier auf, auf dem die Namen der betreuenden Jōnin standen, um es mit einem Rascheln in seiner Faust zu zerknittern, das so elektrisch klang wie die Spannung in seiner Stimme. „Nicht einer von euch. Und das sind dann zwei verdammte Tage, von denen niemand mit Sicherheit sagen kann, wo zur Hölle er gewesen ist.“

 

Nicht ein einziger Muskel zuckte in Genmas Gesicht, doch das Senbon neigte sich nach unten. „Hast du ihn gefragt?“

 

„Was verfickt nochmal denkst du wohl?“

 

Langsam wandte sich Genma von dem Licht der Lampe und Asumas Inspektion ab. Sein dunkles Haar rahmte sein Gesicht mit Schatten ein. „Ich denke, dass man schlafende Hunde nicht wecken sollte.“

 

„Oh einige Hunde schlafen nur zu gut“, knurrte Asuma mit sich zusammenziehenden Augen. „Hätte aber nie gedacht, dass du so ein Hurensohn bist.“

 

Genmas Augen zuckten nach oben und das Senbon folgte der Bewegung, um sich auf Asumas Stirn zu richten. „Ganz locker, Sarutobi.“

 

„Ja…so will es immer jeder haben, nicht wahr? Locker, leicht, sauber, unter den Teppich gekehrt.“

 

„Du musst es wissen“, erwiderte Genma achselzuckend und ohne irgendeinen Biss. „Oder zumindest hast du das mal. Früher, als du dich noch nicht um die persönlichen Probleme anderer gekümmert hast.“

 

Asuma zuckte zusammen. Selbst ohne den Biss hämmerte sich die Unverblümtheit dieser Wahrheit direkt in die Wurzel seiner Schuldgefühle und drehte sie noch tiefer in sein Inneres. Energisch sog er die Luft gegen den schmerzhaften Knoten an, während er den Kopf schüttelte. 

 

„Das hier ist persönlich für mich“, grollte er. 

 

„Das sollte es aber nicht sein.“

 

„Sie sind mein Team.“

 

„Jo und wenn du dich diesen Weg hinab begibst, dann wirst du sie, deinen Rang und deine Reputation verlieren.“ Hier machte Genma eine Pause; ganz so, als hätte er vielleicht zu viel gesagt. Doch er hielt seine neutrale Miene aufrecht, genauso wie er Asumas Blick hielt. „Statt diesen Papierspuren zu folgen, könntest du ebenso gut gegen den Wind pissen, Sarutobi. Ein Haufen von Sackgassen. Ich rate dir jetzt, es gut sein zu lassen.“

 

Gemessen an dem Ausdruck in Genmas Augen, war es kein Ratschlag. 

 

Es war eine Warnung. 

 

Asumas Augen weiteten sich und die Luft verließ schwallartig seine Lungen. Er fühlte sich bis ins Mark erschüttert; klamm und schwindelnd und am Rand einer sehr gefährlichen Reaktion – bis ihn der Schock packte. Er schoss eiskalt durch seine Venen und paralysierte seine Glieder. 

 

Die Stille hielt an. 

 

Die Kälte sank tiefer. 

 

Und der Zorn in seinen Augen kühlte sich zu dem verletzten Ausdruck von Verrat ab. 

 

„Scheiße“, wisperte Asuma letztendlich, viel zu ausgebrannt, um wütend zu sein. „Was verdammt nochmal weißt du über diese Sache, Genma?“

 

Genma atmete tief ein und lehnte sich nach vorn, um Asuma direkt in die Augen zu sehen. „Ich weiß, dass diese Unterhaltung niemals stattgefunden hat. Und wenn dir der Nara Junge am Herzen liegt…dann lässt du das hier gut sein.“

 

Asuma starrte Genma verständnislos an. „Hast du gewusst, dass ich hierher kommen würde?“

 

„Ich habe dir gesagt, was ich weiß.“

 

„Nein, du hast mir einen Scheiß gesagt.“

 

„Aber du hast mir genug gesagt.“

 

„Was?“

 

„Sorry, Asuma. Aber ich schätze, ich vertrage meine Drinks besser als du.“

 

Asumas Augen zuckten. Energisch suchte er auf dem kalten Gesicht des Shiranui nach Spuren des Mannes, den er Kamerad genannt hatte – des Mannes, den er Freund genannt hatte. Er hatte keine Ahnung, wer zur Hölle dieser Fremde war, der ihn durch Augen anstarrte, die hinter eine ANBU Maske gehörten. 

 

„Warum?“, krächzte er. 

 

Genma schüttelte den Kopf und zum ersten Mal machten sich Emotionen in dem geringsten Anspannen seines Kiefers bemerkbar. „Ich sage dir – als dein Freund – lass es los.“

 

Verwirrung schwappte durch Asuma. 

 

Es ließ ihn verletzt und zornig, aber auch zu taub zurück, als dass er darauf hätte reagieren können. 

 

Und Genma stand einfach nur da, während dieses verdammte Senbon wie ein Sekundenzeiger von einer Seite zur anderen ruckte, während Zeit und Stille pflichtbewusst voran marschierten und Momente losließen, um Minuten einzufangen. 

 

Asuma wusste alles darüber, loszulassen. 

 

Er hatte es sein ganzes Leben lang getan, bis er Dinge gefunden hatte, die es wert waren, daran festzuhalten.

 

Und auf keinen Fall werde ich das hier loslassen…ich kann nicht...

 

Asumas Kiefer verkrampfte sich und seine messingfarbenen Augen schimmerten mit einem Versprechen. 

 

Nicht nochmal.

 

Genma las die Antwort auf Asumas Gesicht, doch der Shiranui sah weder überrascht, noch enttäuscht aus. Viel eher sah der Tokujō über Asumas Schulter hinweg. Er fixierte seinen Blick auf eine riesige Karte, die über einer Reihe aus Aktenschränken angebracht war und von der eine Ecke zusammen mit dem vergilbten Putz von der Wand hing. Sie kartierte das gesamte Land des Feuers, ebenso wie all die anderen Länder jenseits der Grenzen. 

 

„Du verschwendest deine Zeit, Asuma“, murmelte Genma. 

 

„Verschwinde“, raunte Asuma und presste seine Hände auf den Tisch, um sich selbst gegen die Empfindung abzustützen, die Welt würde unter seinen Füßen erschüttert. „Verschwinde verfickt nochmal von hier, bevor ich die Beherrschung verliere.“

 

„Du hast viel mehr zu verlieren, wenn du das nicht fallen lässt.“

 

„Ich werde verflucht nochmal dich fallen lassen.“

 

Genmas Senbon flog durch die Luft. 

 

Es schoss an Asumas Wange vorbei, streifte sein Ohr und schlug mit einem dumpfen Aufprall in die Wand hinter ihm.

 

Mit blitzenden Augen schnellte Asumas Kopf nach oben. „Okay, das war’s.“

 

Er warf den Tisch so schnell und so brutal um, dass er gegen die Wand krachte und in der Mitte zerbarst. Papier segelte durch die Luft, Kisten fielen um und Lampen rollten über den Boden, wobei Lichtstrahlen über den Boden taumelten und von den metallenen Aktenschränken abprallten. 

 

Mit beiden Händen griff Genma nach seinen Senbons. 

 

Asuma hatte nur eine einzige Waffe, die er ziehen konnte. 

 

Und er zog sie schneller – mit einem Zischen kreischenden Metalls und dem Summen glühenden Chakras. 

 

Der Raum flammte blau auf. 

 

Als das Licht nachließ, hatte Asuma sein Grabenmesser bereits horizontal zwischen ihnen erhoben. Die Wucht seines Chakras wirbelte wild über die gezackten Zähne und dehnte ihre Reichweite aus, bis die glühende und gezackte Kante nur ein Zucken von Genmas Kehle entfernt war. 

 

„Du wirst mir sagen, warum“, knurrte Asuma. 

 

Der Shiranui sah nach unten und seine Augen schimmerten bläulich in dem Licht, das von der Waffe ausgestrahlt wurde. Die Lippen zusammengepresst hob er in einem Versuch das Kinn, einer Chakraverbrennung zu entgehen, nicht, weil er trotzig war. Er triezte oder drohte nicht einmal, er stand einfach nur da.

 

Asumas Hand bebte. „WARUM?!“

 

Genma sagte nichts, doch etwas flackerte durch seine Augen. Es hätte einfach nur das Spiel des Lichtes oder das Spiel der Zeit sein können. Etwas Winziges, das Asuma weiter raten ließ. Ein Bluff vor dem Bullshit. 

 

Doch Asuma wollte glauben, dass es mehr als das war.  

 

Reue. Konflikt. Zögern. 

 

Doch während Genma seinen Blick hielt, bot er nichts von diesen Dingen an – nur seine Kehle. 

 

Und in dieser Sekunde wollte Asuma sie aufschlitzen. Wollte, dass die Wahrheit in einer blutigen Sturzflut hervor sprudelte, rot und unauslöschlich und endgültig. Etwas Reales und Konkretes. Nicht dieser Durchschlagsmist, durch den er sich mit Verzweiflung und wachsender Furcht gewühlt hatte. 

 

Götter…wie tief reicht diese Sache?

 

Oder schlimmer als das – wie hoch hinauf? Wie korrupt oder unberührbar war sie, wenn Genma sogar willens war, den ‚braven Hund‘ zu spielen, nur um die schlafenden nicht zu wecken. 

 

„Sag mir irgendwas“, grollte Asuma. 

 

„Ich habe nichts zu sagen.“

 

„Wirst du immer noch dieser Meinung sein, wenn sich mein Chakra durch deinen Hals sägt?“

 

Genma seufzte durch die Nase, wandte aber niemals den Blick von Asuma ab. „Wer kann das schon sagen? Ich werde dann mit Sicherheit nicht reden, oder?“

 

„Nur schreien“, drohte Asuma und seine Zurückhaltung war so nah dran zu reißen wie ein überspanntes Drahtseil, dass seine Venen und Sehnen wie Kabel entlang seines Armes hervor standen, die versuchten, ihn zu zügeln. 

 

Genma spähte hinunter auf das glühende Grabenmesser und dann wieder nach oben. „Tu, was du tun musst.“

 

„Warum? Ist es das, was du tust?“

 

„Immer.“

 

Asumas Kiefer bebte und verkrampfte sich, während sein Zorn mit seiner Vernunft rang. Für einen einzigen Moment hätte er sich beinahe nach vorn gelehnt, für nur einen einzigen entsetzlichen und verletzenden Moment ließ er die rasiermesserscharfe Kante seines Chakras beinahe den Hals des Tokujō aufschlitzen. 

 

FUCK!

 

Wie eine durchgebrannte Sicherung erstarb Asumas Chakra.

 

Mit einem gequälten Brüllen wirbelte er herum, rammte sein Grabenmesser durch die Oberseite eines Aktenschrankes, um sie in kaltem Stahl statt in Genmas Schädel zu versenken. Wäre sein Chakra noch immer geflossen, dann hätte die Waffe direkt durch das Metall hindurch geschnitten und den Schrank wie Butter zerteilt. 

 

Mit wilden Augen und bebender Stimme schnellte er zurück zu Genma. „Du hältst dich verfickt nochmal fern von mir, bis ich dich nicht mehr in Fetzen reißen will.“

 

Für einen langen Moment sah Genma ihn einfach nur an, bevor er sich zur Tür umwandte. „Hier wirst du keine Antworten finden, Asuma.“

 

Asuma stierte auf Genmas Rücken und fühlte sich, als wäre ein Messer bereits in seinen eigenen getrieben worden. Galle stieg seine Kehle hinauf. Heftig presste er die Lider aufeinander und stemmte seine bebenden Hände gegen seine Schenkel, bevor er den Kopf beugte und hart durch die Nase atmete. 

 

An der Tür hielt Genma inne. „Ein Rat darüber, wohin du von jetzt an blicken solltest? Über deine Schulter wäre ein guter Ort, um anzufangen.“

 

Asumas Augen flogen auf und sein Kopf schnellte mit gebleckten Zähnen nach oben. 

 

Doch Genma war bereits fort. 

 

Nur das Echo der Worte des Shiranuis füllte die leere Türöffnung. 

 

Bittere, verräterische Worte.

 

Eine Drohung, die immer schwerer und schwerer auf Asumas Kopf lastete, sich in ihn bohrte, bis sie seine Eingeweide traf. Und in der Sekunde, als sie ihn dort traf, begannen diese Worte ihre Bedeutung zu verändern…veränderten sich von einer Drohung zu etwas vollkommen anderem…etwas, das dafür sorgte, dass seine Miene von Rage zu Erkenntnis zerbröckelte. 

 

Scharf sog er die Luft ein, ignorierte Genmas Warnung und hielt sich stattdessen an den Ratschlag des Mannes.

 

Er blickte über die Schulter und seine Augen weiteten sich entsetzt. 

 

Okay, fuck.

 

Da war sie. Die wortwörtliche Nadel im Heuhaufen. 

 

Genmas Senbon. 

 

Es zwinkerte ihm von der Wand aus zu; erstrahlte wie ein dünnes Leuchtfeuer in der Dunkelheit, um ihm den Weg zu weisen. Es steckte in einem Ort auf der Karte…und es war nicht Kusagakure.

 
 

~❃~
 

 

Die Sonne verteilte ihren Schein über Konoha wie geschmolzene Butter; weich und warm. Es nahm der Herbstkälte den Biss und ergoss sich aus einem wolkenlosen strahlend blauen Himmel, der zu einem Sommertag hätte gehören können. 

 

Und vor diesem klaren Himmel segelte ein Adler auf goldenen Schwingen – und wartete. 

 

Neji neigte seinen Kopf nach oben und badete die starken Winkel seines Gesichtes mit Sonnenlicht. Das Blätterdach raschelte und rotes Laub zitterte, als es gesprenkelte Schatten über die Augenlider des Hyūga warf. Langsam lehnte er sich zurück gegen die raue Rinde des Baumes, die Arme verschränkt und den Nacken hinauf in den Kuss der Sonne gereckt, um die Wärme in sich aufzusaugen während er wartete. 

 

Hoch oben stieß Hibaris Adler einen leisen Schrei aus. 

 

Nejis Augen öffneten sich und beobachteten, wie der Vogel tief nach unten sauste und breite Schwingen das Sonnenlicht auffingen. Er verschwand in einer Ansammlung riesiger roter Ahornbäume. Sie standen wie ein gigantischer Strauß aus einer Mischung aus Purpur und Scharlachrot gebündelt zu einer Seite der Dorftore. Ohne irgendeinen Fokus spähte Neji auf die roten Schattierungen, bis ein Aufblitzen seine Aufmerksamkeit erhaschte und seinen Blick von den sternenförmigen Blättern nach unten zog. 

 

Die Augen des Hyūga weiteten sich leicht. 

 

Zwischen dem Flechtwerk aus Schatten und Laub schimmerte die gezackte Kante von Hibaris Schwert wie ein gigantischer Fangzahn, als die rasiermesserscharfen Zacken im Sonnenlicht zwinkerten. Die Klinge lag gegen einen Baumstamm gelehnt da; ungesehen, außer durch das Glühen von Stahl, das die Position verriet. 

 

Der Tsubasa war nirgendwo zu sehen. 

 

Stirnrunzelnd legte Neji den Kopf schief. Es passte nicht zu Hibari, dass er seine Waffe einfach so unbeaufsichtigt ließ. Der Hyūga debattierte, ob es klug wäre, sich zu nähern, entschied sich aber für die Methode der Überwachung, als er sein Dōjutsu aktivierte. Und was er durch das Netz aus Blättern und Ästen erhaschte, hätte ihn nicht wirklich überraschen sollen. Er hätte sich vielleicht noch einen Moment genommen, um rasch nach ein paar Störenfrieden mit Kameras Ausschau zu halten, aber er spürte, dass er im Moment der einzige Mitwissende war. 

 

Auf jeden Fall erklärte es eine Menge.

 

Sakura stand mit dem Rücken gegen einen Baum und hatte die Handflächen gegen die Rinde gepresst. Hibari lehnte sich über sie, den Kopf gebeugt und sah durch seine Wimpern nach unten, während einfach nur seine Präsenz statt seiner Arme Sakura an Ort und Stelle hielt. Er schien kurz davor zu sein, sie zu berühren. Einen Unterarm hatte er über ihrem Kopf, den anderen auf seiner Hüfte abgestützt, um ihr einen Ausweg offen zu lassen, sollte sie verschwinden wollen. 

 

Er sprach mit ihr und seine Lippen bewegten sich mit einem leichten Lächeln. 

 

Sakuras Blick war starr auf seine Brust fixiert und sie hatte ihre Unterlippe zwischen ihre Zähne gezogen. Sie antwortete nicht auf was auch immer Hibari zu ihr sagte, sondern griff stattdessen nach oben, um ihre Finger in den Ausschnitt seiner Weste zu schieben. Langsam zog sie eine Silberkette hervor und strich mit dem Daumen über zwei flügelförmige Anhänger.

 

Neji erkannte sie sofort und war sich nur zu genau bewusst, dass einer davon der toten Schwester des Tsubasa gehörte. Schuldgefühle verdrehten sich wie rostiger Stacheldraht in seiner Brust. Scharf geriet sein Atem ins Stocken. 

 

Götter, wenn nur…

 

Wenn nur was? Wenn er nur anhand von Instinkt gehandelt hätte statt anhand von Befehlen? Wenn er nur innegehalten hätte, um zu beurteilen, statt zu vermuten? Wenn er die Mission nur in Frage gestellt hätte, statt sie auszuführen? All die ‚wenn nur‘ und ‚was wenn‘ waren endlose und verzehrende Fragen. Solche Fragen hatten keinen Platz im Gewissen eines Ninjas; oder im Verstand von irgendjemandem, der ANBU anstrebte.

 

Wird das der Preis sein? Mein Gewissen?

 

‚Es kostet nichts. Denn du hast nichts mehr. Du beschreitest diesen Pfad, wenn du nichts mehr zu verlieren hast.‘

 

Kakashis Worte hatten ein kaltes Verkrampfen in Nejis Magengegend ausgelöst; ein schwarzer Griff, der sich nicht lockerte. Und vielleicht war genau das Kakashis Intention gewesen; den Samen des Zweifels zu säen und zu hoffen, dass es etwas davon in Nejis Geist Wurzeln schlug. Zu dumm nur, dass ein solcher Rat im Keim erstickt wurde. 

 

Ich werde es zu den ANBU schaffen, auf die eine oder andere Weise. Ich werde frei sein. Diese Wahl ist meine Freiheit. 

 

Langsam entließ Neji den Atem, den er angehalten hatte, während sich sein Blick von den geflügelten Amuletten des Tsuabasa löste.

 

Inzwischen sagte auch Sakura etwas und schüttelte leicht den Kopf. Doch was immer sie sagte, es sorgte dafür, dass sich Hibaris Brauen zusammenzogen. Er hob eine Hand, um ihr über die Wange zu streicheln und schob pinke Strähnen hinter ihr Ohr. Die Geste erschien beiläufig und unschuldig, doch der Ausdruck in Hibaris Augen war weit von beidem entfernt, als Sakura zu ihm aufsah. 

 

Schüchtern und unsicher wich die Kunoichi seinem Blick aus. 

 

Hastig schob sie die Anhänger zurück in Hibaris Weste und ihre Fingerspitzen folgten seinem Schlüsselbein, bevor sie nach unten zum Zentrum seiner Brust glitten und sich in sein Netzhemd krümmten. 

 

Sanft legte Hibari einen Knöchel unter ihr Kinn und neigte sich nach unten. 

 

Rasch wandte Neji den Blick ab und deaktivierte sein Byakugan. 

 

Vorausgesetzt, Sakura plante nicht, durchzubrennen, gab es keinerlei Grund, über Hibaris Annäherungsversuche der jungen Kunoichi gegenüber zu urteilen oder sich deswegen zu sorgen. Und nach den tief violetten Flecken zu urteilen, die sie Kiba und Naruto verpasst hatte, war sie mehr als fähig, selbst zurecht zu kommen. 

 

„Neji-senpai!“

 

Neji wandte den Kopf und schloss leicht die Lider gegen den grellen Schein des Sonnenlichts. Es wusch den steinernen Vorsprung weiß, der die Tore des Dorfes einkreiste und strömte warm über ein Puzzle aus Kopfsteinpflaster. Das Geräusch rennender Füße hallte von den Platten wider. 

 

„Neji-senpai!“

 

Der Blick des Hyūga zentrierte sich auf den Streifen eines blauen Schals, der hinter dem rennenden Genin hersegelte. Konohamarus Hitai-ate funkelte, doch noch viel strahlender war das Grinsen des jungen Sarutobi. 

 

Neji schüttelte den Kopf und Belustigung zuckte an seinem Mundwinkel. 

 

Reichlich temperamentvoll…

 

Er musste sich fragen, ob Narutos Einfluss auf diesen Jüngling nicht fast schon ansteckend war. Wenn es kein unanständiges oder völlig unangemessenes Ninjutsu war, dann war es dieses strahlende Grinsen, von dem Neji nie wusste, wie er darauf reagieren sollte. Er begegnete dem sonnigen Ausdruck mit einem kühlen Starren, bevor er marginal den Kopf neigte. 

 

„Konohamaru“, grüßte er milde und bemerkte, dass Moegi und Udon in der Ferne dahin trotteten. 

 

„Awww Mann, ich wollte vor dir an den Toren sein“, schnaufte Konohamaru und kam schlitternd auf den Steinen zum Stehen, bevor er nach Luft schnappte. Ein kleiner orangener Vogel flatterte um seinen Kopf und versuchte, sich auf seiner Schulter niederzulassen. „Ist Hibari-san schon gegangen?“

 

Neji schüttelte den Kopf, während er sich fragte, wie sparsam er mit der Wahrheit umgehen müsste. Doch glücklicherweise zog Konohamarus alles andere als subtile Ankunft den Tsubasa aus den Schatten der Bäume. Sakura folgte ihm mit ein paar Schritten Abstand und fuhr sich mit den Fingern durch ihr pinkes Haar. Das Kratzen der massiven Klinge des Tsubasa schlug Funken auf den Pflastersteinen. 

 

Grinsend wirbelte Konohamaru herum. „Hibari-san!“

 

Hibaris grauer Blick senkte sich und er setzte ein schiefes Schmunzeln auf, als er das Gewicht verlagerte, um sein Schwert aufzunehmen und es sich auf den Rücken zu hängen. „Na, was ist das denn für eine Sonderbehandlung? Ich bekomme eine persönliche Verabschiedung von dem zukünftigen Nanadaime Hokage.“

 

Neji hob eine Braue. „Nanadaime?“

 

Sofort ließ Konohamaru seinen Arm nach außen schnellen, um Neji ein ‚Daumen hoch‘ entgegen zu strecken, ohne sich dabei umzudrehen. „Yup! Naruto-niichan wird der Sechste, aber du kannst deinen Hintern darauf verwetten, dass ich der nächste in der Reihe bin, nachdem ich ihn geschlagen habe.“

 

Neji beäugte Konohamaru mit einem Ausdruck tief sitzender Skepsis. Ein Ausdruck, mit dem er jeden bedachte, der so viel heiße Luft ausstieß. Er fragte sich, ob der unbezähmbare Sinn für Schicksal des Genins von dem Stolz auf sein Sarutobi-Erbe herrührte oder von der tiefen Vergötterung Narutos. Vielleicht spielte Konohamarus Motiv aber auch gar keine Rolle; ganz offensichtlich glaubte er daran, sein Ziel zu erreichen, wenn das Feuer in seinen jungen Augen irgendwie ernst zu nehmen war. 

 

Nejis Augen waren in diesem Alter bereits kalt gewesen, so wie er es auch von Hibaris annahm. 

 

Neugierig spähte er zu dem Rotschopf hinüber, um zu sehen, ob er seine Skepsis teilte. Doch seltsamerweise erhellten sich die abgestumpften schiefergrauen Iriden und die aschfarbenen Seen schienen einen Funken zu fangen. 

 

„Ihn schlagen, huh? Darauf werde ich ein riesiges Schwert wetten“, sagte Hibari.

 

„Hammermäßig!“ Konohamaru hüpfte auf den Ballen und deutete mit dem Finger auf die gezackte Klinge des Tsubasa. „Whoa! So wie das da!“

 

„Größer“, versprach Hibari und ein schwaches Schmunzeln zupfte an seinen Lippen. „Und besser dazu geeignet, es gegen Kinder misshandelnde Suna Frauen mit fetten Fächern zu schwingen.“

 

Sakura hieb Hibari ihren Ellbogen in die Seite und funkelte ihn ohne irgendeine Drohung an. „Schon wieder? Würdest du die Sache mit Temari endlich gut sein lassen?“

 

Hibari sah zu ihr hinüber, während Humor durch seine Augen huschte. „Ich fühle mich geradezu geschmeichelt von dieser offenen Zurschaustellung von Eifersucht, Sakura. Und da sagt man noch, die Romantik wäre tot.“

 

Sakuras Augen flogen weit auf und ihre Wangen überzogen sich mit einem rosanen Hauch. 

 

Konohamaru lachte auf. „Hammer!“

 

Neji presste die Lippen aufeinander und hielt seine Belustigung mit beneidenswerter Gelassenheit zurück. 

 

Scharlachrot im Gesicht verschränkte Sakura die Arme vor der Brust, während ihre Augen schärfer als Dornen wurden und wortlos Gift auf Hibari schossen. Doch es erzielte absolut keinen Effekt bei dem Tsubasa. Hibaris Blick geriet nicht für eine Sekunde ins Wanken und er unternahm auch keinerlei Versuch, die Hitze in seinen Augen abzumildern, die ihren nervösen Zustand nur noch mehr befeuerte. 

 

Schnaubend neigte sie ihr Kinn zu einem sturen Winkel. „Du bist ein unverbesserlicher Mistkerl.“

 

Hibari beugte leicht den Kopf. „Alles Teil meines Charmes.“

 

Augenrollend verlagerte Sakura das Gewicht, doch ihre Hüfte knickte sich in seine Richtung ein, statt von ihm fort. Ein unbewusstes Signal. 

 

Interessant…

 

Neji sah neugierig zwischen den beiden hin und her und verglich diesen Austausch mit dem, auf den er vorhin einen kurzen Blick erhascht hatte. Doch ihm blieb keine Zeit, darüber nachzudenken, ob das alles dem derzeitigen Friedensvertrag zugute kommen, oder ihn doch eher sabotieren würde. 

 

Vorausgesetzt Naruto erfährt nichts davon, sollte es nicht von allzu großer Bedeutung sein…

 

Mit einem Kichern durchbrach Konohamaru den Moment und wich Sakuras wütendem Funkeln aus, indem er den Kopf einzog, die Schultern hob und in gespielter Kapitulation die Hände nach oben hielt. Langsam wich er zu seinen Teamkameraden zurück, da er nicht das Risiko eingehen wollte, verprügelt zu werden, sobald er ihr den Rücken zuwandte. 

 

„Bis dann, Hibari-san! Vielen Dank für die Vögel!“ Konohamaru winkte und machte sich zusammen mit seinen Freunden zurück auf den Weg zum Dorf, während er sein Hiatai-ate neu justierte, als sich der kleine orangene Vogel auf seinem Kopf niederließ. „Naruto-niichan wird austicken!“

 

„Das ist er bereits“, murmelte Sakura leise und schüttelte den Kopf. „Und Kiba hat mit ihnen getanzt.“

 

Neji setzte eine perplexe Miene auf und fing mit einer erhobenen Braue Sakuras Blick ein. 

 

Die Kunoichi rollte mit den Augen. „Frag nicht.“

 

Neji schüttelte leicht den Kopf angesichts des mentalen Bildes, das sich ihm bot und beobachtete, wie das Genin Team davon schlenderte, wobei er noch kurz das Aufblitzen orangener Federn erhaschte, die hinter Konohamaru herjagten. „Sonst noch irgendwelche Abschiedsgeschenke, Tsubasa?“

 

Hibari spähte zu Sakura, trat aber auf Neji zu, während er eine Hand ausstreckte. „Nur eine offene Einladung, bei uns vorbei zu schauen, wann immer ihr Konoha Shinobi in der Nähe seid.“

 

Neji schüttelte die Hand des Tsubasa. „Das werden wir. Eine sichere Reise, Hibari. Halte dich auf höheren Ebenen.“

 

Hibari verstand die Bedeutung darin und spähte himmelwärts. „Wie gut, dass ich jederzeit Augen über mir habe. Sollte ich irgendwelche verdächtigen Aktivitäten in der Nähe eurer Grenzen bemerken, werde ich euch benachrichtigen und so viele Informationen sammeln wie ich kann.“

 

„Das wissen wir zu schätzen.“ Neji warf einen grimmigen Blick über die offene Straße, die aus dem Dorf hinaus führte. „Aber wie dich Tsunade-sama bereits gewarnt hat; schlage einen weiten Bogen um diesen Feind.“

 

„Einen sehr weiten“, beeilte sich Sakura hinzuzufügen, als sie den Rotschopf musterte. „Was mehr als eine Armeslänge bedeutet, Hibari.“

 

„Ein riesiges Schwert zu haben wird mir dabei sicher helfen“, witzelte Hibari ohne zu lächeln. 

 

Sakura zog die Brauen zusammen. „Im Ernst, mach nicht wieder irgendetwas Unüberlegtes. Unsere Informationen über Akatsuki sind bestenfalls lückenhaft. Du könntest auf alles mögliche stoßen.“

 

„Jo, das ist die Freude an S-Rang Kriminellen, huh?“, murmelte Hibari und schüttelte ihre Besorgnis mit einem Achselzucken ab, auch wenn sich seine Stirn in nachdenkliche Falten legte. „Ich hörte schon, dass es sich bei ihnen um eine ziemlich bunte Truppe handelt.“

 

Neji nickte. „Mit einer enorm großen Bandbreite an Fähigkeiten. Nach allem, was sie dem Kazekage angetan haben, können wir es uns auf keinen Fall leisten, sie zu unterschätzen.“
 

Ehrlich gesagt fragte sich Neji ernsthaft, ob sie überhaupt damit anfangen konnten, sie alle einzuschätzen.Stirnrunzelnd rief er sich Shikamarus Worte in Erinnerung.

 

‚Es ist, wie ein Puzzle zu lösen, obwohl man die Teile nicht hat.‘

 

Und diese Teile bewegten sich bereits und bahnten sich ihren Weg durch das Land des Feuers. Das Spiel hatte begonnen. Das Stundenglas war auf den Kopf gestellt worden und Zeit nahm immer mehr Fahrt auf. Mit jeder verstreichenden Stunde schienen sie näher daran zu sein, mit doppelter Geschwindigkeit zu laufen; vielleicht sogar mit geliehener Zeit. 

 

‚Man kann die Zeit nicht anhalten, oder?‘

 

Nejis Blick wanderte zurück zum Dorf. „Hibari?“

 

Die Brauen des Rotschopfs hoben sich fragend. 

 

„Bring Hanegakure wieder zurück zu alter Stärke“, murmelte Neji. 

 

„So schlimm, hnm?“

 

Nejis Kiefer verhärtete sich, doch sein Schweigen bestätigte, was schon offensichtlich war. Er stellte sich vor, wie Shikamaru bereits all die negativen Endergebnisse mit einem mentalen roten Stift eingekreist hatte. 

 

Ich beneide dich nicht, Nara…

 

Alle drei Shinobi waren für einen Augenblick still und spürten das Spiel des Windes wie eine Böe dunkler Vorahnung. Rote Blätter kratzten über Stein und raschelten hinein in das Dorf; blutige Omen, die in den Strömungen einer launischen Brise knisterten und wirbelten. Und dennoch schien die Sonne weiterhin; hell und klar, erschreckend in ihrer Gleichgültigkeit gegenüber der düster werdenden Stimmung. 

 

„Tsubasa“, sagte Neji letztendlich und sah hinüber. „Du hast einmal gesagt, dass unsere Allianz mehr ist als einfach nur Tinte auf Pergament.“

 

„Das habe ich auch so gemeint.“

 

„Und sollte die Zeit kommen, dass wir euch dazu auffordern werden, es zu beweisen?“

 

Hibari neigte den Kopf, als hätte er sich gerade verhört und seine grauen Augen verengten sich. „Du gehst bereits von einem Krieg aus?“

 

Neji seufzte durch die Nase und fragte sich, ob solch fatalistisches Denken eine sich selbst erfüllende Prophezeiung fördern würde. Doch wenn das Schicksal in ihrer kapriziösen Manier weiter machte, dann sollte man sie auch nicht unterschätzen. 

 

Die Akatsuki werden nicht einfach so beim letzten Jinchūriki aufhören…

 

Das konnte Neji deutlich in seinem Inneren fühlen. Hinter den Kulissen wurden noch weitaus bedrohlichere Züge gemacht – ein größeres Spiel mit mächtigeren Spielern. Und diese zerstrittenen politischen Glücksspiele ließen sie in der Dunkelheit zurück; mit nichts weiter als Vorhersagen als dünnem Lichtschein – und sie würden auf einfach alles vorbereitet sein müssen.

 

„An diesem Punkt kann nichts mehr ausgeschlossen werden“, antwortete Neji letztendlich. „Ich werde dich nicht belügen, Tsubasa. Aber Hanegakure hat diese Allianz in der Hoffnung auf Frieden unterzeichnet; nicht, um uns in einem Krieg beizustehen.“

 

Hibari atmete leise aus und seine grauen Augen richteten sich erneut himmelwärts, um der trägen Umlaufbahn seines Adlers zu folgen. Der Vogel stieß einen schrillen Schrei aus, segelte hinein in einen Sturzflug und ließ sich gleich darauf wieder auf einer frischen Strömung nach oben tragen, um einen trägen Achterpfad durch die klaren Himmel zu ziehen. Hibaris Stirnrunzeln grub sich etwas tiefer. 

 

„Hanegakures Älteste mögen mit Tinte unterzeichnet haben, ich jedoch mit Blut“, wisperte Hibari. „Und diese Art Verträge sind die einzigen, die für mich von Bedeutung sind.“

 

Kopfschüttelnd beobachtete Sakura ihn aus den Augenwinkeln. „Deine Leute erholen sich noch immer von ihrem eigenen Bürgerkrieg.“

 

Hibari zuckte mit den Schultern. „Ich bin ein Tokujō Kommandant. Ich wurde für den Krieg geboren.“

 

„Das ist keine Entschuldigung dafür, dich kopfüber in einen weiteren Kampf zu stürzen“, argumentierte Sakura, während sie sich halb drehte und sich ihre Worte auf einer schmalen Grenze zwischen Sorge und Zorn bewegten. „Und Tokujō Kommandant oder nicht, das ist nicht der Grund, aus dem sie dich zum Friedensbotschafter ernannt haben, oder?“

 

Hibaris Miene kühlte sich ab, doch seine Augen wurden hitzig. Mit einer Hand griff er nach hinten, um sein Schwert zu packen, als hätte diese Frage seine Integrität angefochten. „Und ich werde diesen Frieden bewahren, indem ich dafür kämpfe.“

 

„Aber-“

 

„Der Rat will mir einen Maulkorb anlegen, weil ich zu hart zubeiße, aber manchmal ist es genau das, was nötig ist, um für die Sicherheit der Menschen zu sorgen.“

 

Angesichts der scharfen Kante in Hibaris Stimme hob Neji die Brauen und hielt seine blassen Augen auf das Schwert gerichtet, auch wenn er wusste, dass der andere Ninja es nicht verwenden würde. „Sakura hat nicht ganz Unrecht. Völlig unabhängig von deinen ehrbaren Motiven, Hibari, bezweifle ich sehr, dass euer Rat der Involvierung in einem offenen Krieg zustimmen würde.“

 

„Dann muss ich wohl meine gewaltfreie Überzeugungskraft auffrischen, oder?“

 

Sakura beäugte ihn stechend. „Und wirst dafür ins Exil geschickt.“

 

„Nun…“ Hibari schmunzelte trocken, ohne sie anzusehen. „Wäre nicht das erste Mal.“

 

Sakura versteifte sich und ihre dünnen Finger gruben sich in das blasse Fleisch ihrer Arme. Langsam drehte Neji den Kopf, als er versuchte, sie zu lesen, aber Sakuras Haar war bereits nach vorn gefallen, um ihr Gesicht abzuschirmen. Der Hyūga machte sich eine mentale Notiz über diese seltsame Reaktion und seine Aufmerksamkeit wanderte kurz zwischen den beiden hin und her, bevor sie sich wieder auf Hibari richtete. Der Tsubasa beobachtete Sakura inzwischen genauestens und machte sich keine Mühe, sein Starren zu verschleiern. 

 

Nach einem weiteren Moment ergriff Neji das Wort. „Ein Nukenin zu werden wird niemandem helfen, Tsubasa.“

 

Ein Muskel in Hibaris Kiefer zuckte, aber seine Hand fiel von seinem Schwert. Er spähte mit seinen grauen Augen zu Neji, die heiß waren wie glühender Stahl. „Wenn ihr Hanegakure um Unterstützung ersucht, dann werden unsere Shinobi da sein. Sollte sich der Rat weigern, dann werde ich da sein mit allen Shinobi, die mir ergeben sind. Auf jeden Fall werde ich treu zu meinem Wort stehen.“

 

Neji nahm sich einen Moment Zeit, um dieses Versprechen voll in sich aufzunehmen und ließ zu, dass sich Zeit und Stille ausdehnten, während er die ernsten Linien von Hibaris Gesicht absuchte und an der Glut des hitzigen Temperaments des Rotschopfes vorbei sah; direkt bis zu dem, was das Feuer seiner Überzeugung nährte. 

 

Gerechtigkeit.

 

Immerhin war das auch Hibaris Credo. Neji verstand das Wort in seinem schwarzen wie auch weißen Kontext und auch in allen Grauschattierungen; was vor allem mit den Ungerechtigkeiten zu tun hatte, die er sein ganzes Leben lang erlitten hatte. Götter, selbst Naruto war ein Opfer solcher Diskriminierung; umgeben von einer Masse aus Augen, die mit Verurteilung brannten und sich in der schwärzesten Weise gerechtfertigt fühlten. Doch Gerechtigkeit war noch immer ein Wert, für den es sich zu kämpfen lohnte. Neji hätte es vielleicht ebenfalls in Betracht gezogen…wenn Freiheit nicht Vorrang hätte.

 

„Ich werde mich daran erinnern. Pass auf dich auf, Tsubasa“, sagte Neji. 

 

Hibari nickte, doch sein Blick hatte sich erneut auf Sakura gerichtet. Das Feuer in seinen Augen hatte sich zu etwas Sanfterem beruhigt. Die Wärme in seinem Blick ließ das Stirnrunzeln von Sakuras Gesicht schmelzen und zerrte erneut eine leichte Farbe auf ihre Wangen. Sie sah zur Seite weg, dann wieder zu ihm und sandte Blicke aus, die genauso viel – wenn nicht sogar mehr – kommunizierten als sein beständiges Starren. 

 

„Sakura“, murmelte Hibari als Abschied und neigte den Kopf. 

 

Die Kunoichi fächerte ihre Finger über ihre Arme und rieb sie sich mit einem Seufzen. „Auf Wiedersehen, Hibari“, sagte sie leise. 

 

Hibari lächelte, berührte mit einem Knöchel sein Hitai-ate und neigte ihr die Stirn entgegen. Die Augen der Kunoichi wurden weich und sie nickte lächelnd. Offensichtlich barg diese Geste eine Art versteckter Bedeutung für sie. 

 

Neji versuchte auch nicht, irgendetwas in ihre nonverbalen Signale hinein zu interpretieren, doch er erkannte die nächste Geste, die der Tsubasa ausführte, als sich Hibari ihm zuwandte.

 

Der Rotschopf berührte mit der rechten Hand die Brust über seinem Herzen und bog seine Handfläche dann dem Himmel entgegen. „Flieg frei, Hyūga.“

 

Neji dachte über den Segen nach und seine Opalaugen wanderten zu dem großen Adler, der bereits die offene Straße entlang flog. Und als würde sie spüren, dass sie ein Publikum hatte, ließ die Vogeldame einen schrillen Schrei hören, als sich ihre goldenen Schwingen weit ausbreiteten, um sie noch höher zu tragen, bis sich ihre Silhouette über die Sonne stahl.

 

Frei fliegen…?

 

Neji blinzelte langsam.

 

Eines Tages…

 
 

~❃~
 

 

Der Vogel hatte die Zeit genau abgepasst. 

 

Dieses wiederkehrende, sadistische, bombardierende kleines Mistvieh.

 

Er musste auf seine Chance gewartet haben, wachsame Augen ununterbrochen jeden Schritt kalkulierend, bis Shikamaru endlich in Reichweite kam. Und dann stürzte er sich herab, um mit einem gellenden Squawken seine Klauen durch den hohen Pferdeschwanz streichen zu lassen. 

 

Shikamaru wirbelte herum und vollführte dabei einen vollständigen Kreis. „Verrückter verfickter Vogel!“

 

Der Falke stieß ein sanftes ‚Kee‘ aus und flatterte in einem eleganten Bogen über ihm. Shikamaru kannte dieses Spielchen inzwischen gut genug, um zu wissen, dass es weit davon entfernt war, vorbei zu sein. Er beäugte sein Haus, schätzte die Flugbahn ein, in der der Vogel herabstürzen würde und überlegte, auf wie viele Weisen er den spielerischen Attacken ausweichen könnte. Normalerweise gab es stets ein Muster in seinen Bewegungen – und Shikamaru war überhaupt nicht stolz darauf, dass er das inzwischen herausgefunden hatte. 

 

Ugh. So dämlich.

 

Er warf sich seinen Knappsack über eine Schulter und stemmte seinen rechten Fuß nach vorn, während er zu der gefiederten Bedrohung hinauf blinzelte. „Du frisst meine Shogi Spielsteine, zerkratzt meine Freunde, verwüstest mein Zimmer und jagst mich durch die Gegend – was zur Hölle willst du!?“

 

Der Falke segelte einen weiteren kalkulierten Kreis über seinem Kopf, während er sich zweifelsohne für den nächsten Angriff bereit machte. Er beantwortete das Schreien des Nara mit seinem standardmäßigen schrillen Kreischen. Kopfschüttelnd fand sich Shikamaru mit dem Unvermeidlichen ab. 

 

Und los geht’s.

 

Ein mentaler Countdown bis drei und er täuschte einen Satz nach rechts an, nur um sich mit seinem rechten Fuß nach links abzustoßen und sich in einen halsbrecherischen Spurt in Richtung seines Hauses zu stürzen. 

 

Wie ein Pfeil schoss der Falke hinter ihm her.

 

Shikamaru beobachtete den Schatten des Vogels und drehte sich, um sich von dem Sockel einer riesigen Sandsteinstatue von Kwan Yin abzustoßen. In einer eleganten Drehung hechtete er über den Koiteich und wich dabei gleichzeitig dem Falken aus, bevor er in einer ordentlichen Hocke auf der Veranda landete. Er stieß ein heiseres Lachen des Triumphes aus und spähte über die Schulter. 

 

„Du hast verloren, du verrückter…“ Shikamaru brach ab und seine Augen wurden rund. 

 

Wie eine Steinschleuder beschrieb der Falke einen Bogen um die Kwan Yin Statue, um rasche Vergeltung an der Steingöttin zu verüben, bevor Shikamaru auch nur geschockt blinzeln konnte. 

 

„NEIN!“

 

Die Krallen des Vogels krachten in den Sandstein, gruben sich durch das glatte Gesicht der Statue und verunzierte die Göttin der Gnade ohne auch nur einen Funken von Reue. 

 

Oh…

 

„SHIT!“ Shikamaru kam ruckartig auf die Füße, ließ seinen Knappsack fallen und fuchtelte mit den Armen. 

 

Reuelos jagte der Vogel den Himmeln entgegen und erhob sich außerhalb jeder Reichweite und jedes Tadels. Er ignorierte die Flüche, die wie ein Schnellfeuermagazin von Shikamarus Mund verschossen wurden.

 

„Verdammt!“

 

Der Schattenninja sprang von der Terrasse und trabte zu der Statue hinüber. Seine Stimme erstarb, doch seine Lippen bewegten sich weiterhin, um stumme Beleidigungen zu formen; ganz so, als würden Obszönitäten die kostbare und schwer misshandelte Statue beleidigen. 

 

Bisschen zu spät dafür…

 

Shikamarus Miene verzog sich zu einer Grimasse. Zögernd hob er eine Hand, um die steinerne Wange der Göttin zu umfassen und mit dem Daumen über die Kratzer zu streichen. Die Rillen waren nicht allzu tief, aber Shikamaru wusste, dass seine Mutter sie sofort bemerken und über alle Maßen aufbauschen würde.

 

Das Gesicht verziehend schüttelte er den Kopf. „Dämlicher Vogel.“

 

Wie eine bizarre Wahrnehmungsverzerrung schien sich das Lächeln der Statue vor seinen Augen zu verwandeln; diese blassen Lippen waren nach oben gezogen, als hätte er die Göttin auf eine subtile und liebenswerte Weise amüsiert. Kopfschüttelnd wischte Shikamaru den Staub von den Kratzern und zeichnete mit den Fingern die zarten Gesichtszüge nach. 

 

Es kam ihm in den Sinn, dass er sich niemals zuvor wirklich die Zeit genommen hatte, sich diese Statue genauer anzusehen. Seine Mutter hatte sie hier nach dem Tod des Sandaime aufgestellt. Der Zweck? Shikamaru konnte darüber nur Vermutungen anstellen und er hatte auch nie weiter darüber nachgegrübelt; hatte das aber auch nie gewollt. 

 

„Bin mir nicht sicher, ob ich überhaupt an Götter glaube…“, überlegte Shikamaru laut. 

 

Die Vorstellung von Göttern war auch immer mit dem Risiko von Teufeln, Dämonen und all diesen finsteren Dingen verbunden, die in seinen Träumen eine groteske und beinahe schon gargoylehafte Definition annahmen. Mit seiner Hand strich er nach unten und berührte mit den Fingerspitzen den Rand der Steinvase, die die Göttin in ihrer linken Hand hielt. Symbol des ‚überlaufenden Bechers‘, der aber nie versiegte; der Quell der bedingungslosen Liebe und des Mitgefühls, die Kwan Yin angeblich in und auf die Welt goss.

 

Shikamaru musterte die lächelnden Augen der Statue und seine eigenen zuckten mit einer plötzlichen Emotion, die er nicht hätte benennen können. „Man kann nicht alles fort waschen, nicht wahr?“, wisperte er.

 

Es lagen keine Antworten in diesem rätselhaften Lächeln. Keine göttliche Botschaft, die aus der geschnitzten Miene herausgelesen werden könnte, völlig egal, wie energisch er danach suchte. 

 

Lästige Frau…

 

Er lächelte ein kleines, verlegenes Schmunzeln, bevor er sich mit einem Grunzen die Hände in die Taschen schob und sich ein bisschen töricht vorkam. Er war niemand, der sein Hirn einfach so oder willentlich solchen Gedanken übergab. Sie hatten keinen Einfluss auf die Realität, also warum sich die Mühe machen?

 

Ich kapier’s nicht…

 

Und seltsamerweise lag darin etwas ausgesprochen Tröstendes. Denn es war eine weitere Sache, von der er nicht herausfinden musste, was es war – aber das er dennoch fühlen konnte. 

 

Verdammt, wenn das nicht vertraut klang. 

 

Shikamaru legte leicht den Kopf schief und musterte weiterhin die Statue, während er über das Mysterium der gebogenen Lippen der Göttin nachdachte. Er bemerkte nicht, dass seine Mutter am Fenster stand und dasselbe subtile Lächeln trug. 

 
 

~❃~
 

 

„Diese Bitch.

 

Er zischte die Worte hervor, erhielt aber keinerlei Reaktion. 

 

Er wollte aber eine verfickte Reaktion.

 

Oh, er hatte vorhin eine höllische Reaktion bekommen. Sie hatte so wunderschön geschrien. Aber wunderschön nützte gar nichts. Er wollte, dass die Furcht heulte. Dass sich diese Kiefer so weit öffneten, dass er den Rachen hinunter und direkt in die Seele blicken konnte. Er wollte sich an dieser Furcht satt fressen, sie in Schweiß riechen, sie in Tränen sehen und sie in Blut schmecken. Ein heiliges Festmahl. 

 

Die Kunoichi Mieze war nicht genug verängstigt gewesen. 

 

Bitch…

 

Furcht machte Folter zu etwas Musischem. Wenn er die Zeremonie durchführte, dann wollte er die Musik in seinen Knochen fühlen; wie sie ihn erschütterte und zusammen mit dem Schmerz nach außen strahlte. Er wollte die Arme ausgebreitet und den Kopf in den Nacken geworfen; die prediger-fiebrige Art von geilem Scheiß. Das Hoch eines jeden Eiferers. Verstümmelung war keine gute Leistung, es sei denn, sie enthielt etwas von diesem animalischen Wehklagen und Schreien.  

 

Ekstase.

 

So hätte es sein sollen. Doch er hatte das Nirvana nicht erreicht. Kurz davor war er gefallen. Diese Bitch hatte ihm den Himmel versprochen, hatte ihn dann aber nur bis an die schimmernden Tore davon gebracht. Und dann hatte sie angefangen, zu Gott zu plärren. Zu GOTT. Was zur Hölle? Das war, als hätte sie während des Sex den Namen eines anderen Mannes geschrien. Der sprichwörtliche Anti-fucking-Klimax.

 

„Biiiitch.“

 

„Halt’s Maul“, intonierte die Gestalt, die ihm voran lief. Die Stimme war tief und guttural und klang wie die tiefste Note einer rostigen Orgel. 

 

Na endlich! Eine Reaktion. Scheiße, mit diesem Mistkerl zu reden war wie eine Unterhaltung mit einem wandelnden Toten zu führen. Obwohl, wenn man so darüber nachdachte, dann hatte sein Partner sogar diese seltsame Art mumifiziert wirkender Kleidung an sich. Er mochte es nicht, dass er das Gesicht dieses Bastards nicht sehen konnte; hatte das Gefühl, dass es dem Kerl eine Art mysteriösen Vorteil verlieh. Er mochte Mysterien nicht. Dieser ganze chaotische mentale Scheiß verpasste ihm Kopfschmerzen. Er mochte das Leben klar umrissen. Der Tod hingegen war eine ganz andere Sache. 

 

„Awww, komm schon, sei nicht so angepisst, nur weil ich sie um die Ecke gebracht habe, bevor du es tun konntest.“

 

„Ich hätte in der Zeit, die du gebraucht hast, um den Job zu Ende zu bringen, mehrere Personen meiner Abschussliste um die Ecke bringen können. Dein ritueller Schwachsinn kostet mich mehr als nur Zeit.“

 

„Mann, du gehst mir echt auf‘n Sack mit deiner Blasphemie, weißt du das?“ Violette Augen flammten mit fanatischem Feuer auf und dünne Lippen verzogen sich zu einem höhnischen Grinsen. „Deine Ausrede, du würdest für das Geld morden, wird in etwa so fest bestehen wie der Schwanz eines Toten, wenn du auf deinen Schöpfer triffst. Das Urteil wird fallen. Und du wirst direkt zur Hölle fahren. Geld ist eine Kardinalssünde!“

 

Schweigen.

 

Sein Partner blieb stehen. Doch das tat er nicht, um zu reagieren. Es war, um die große Karte in seinen Händen zurate zu ziehen. Der Mann, der die Richtung vorgab, neigte die Handgelenke, drehte sich nach rechts und begann, einen steilen Pfad zu erklimmen, der sich an die Seite eines Berges schmiegte. Oder genauer gesagt handelte es sich um eine massive Strecke behauenen Steins, die ihre geographische Spitze so hoch nach oben ausdehnte, dass man den verfickten Gipfel nicht einmal sehen konnte. 

 

Kein Zweifel – die Natur war die größte Bitch von allen. 

 

„Verfickt nochmal, hast du nen Knall, noch MEHR Stufen?!“

 

„Halt den Mund, bevor ich ihn dir zunähe, Hidan.“

 

Hidans Miene wurde mörderisch und das mit der Gereiztheit eines zu Wutanfällen neigenden Kindes, bevor er mentale Dolche in den anderen Shinobi stierte. „Tz. Rücksichtsloser Arsch.“

 

Der violettäugige Akatsuki fuhr sich mit den Fingern durch glattes silbernes Haar und legte den Kopf in den Nacken, während er lange und laut seufzte. Er stierte hinauf in den wolkenlosen Himmel und blinzelte einem Steinadler entgegen, der viel zu weit entfernt war, um sich die Mühe zu machen, die beiden anzugreifen. Das war doch wirklich Scheiße! Es juckte ihn so sehr in den Fingern, alles aufzumischen, das quiekte, kreischte oder schrie. Solange er es nur töten konnte. Nicht wieder so einen halbherzigen Bullshit. 

 

Verdammte Jinchūriki.

 

Lieber tot und abgeliefert, als halb am Leben. Das war einfach so falsch. Seufzend justierte Hidan seine Sense mit den drei Klingen über der Schulter und streckte sich, um einen Knoten in seinem Nacken zu lösen. 

 

Dann begann er den Aufstieg. 

 

Der Pfad hatte Stufen, war aber auch steinig und der Weg wurde zusammen mit dem Fels immer steiler, der sich dem Himmel entgegen drehte. Hidan fühlte, wie Schweiß seinen Körper benetzte und stechend in den tiefen Kratzern auf seinem Rücken brannte. 

 

Übellauniges Katzenvieh…

 

Junge, hatte dieses zweischwänzige Kätzchen vielleicht Krallen gehabt. Riesige, beschissene, Schweifbestien-Krallen. Der Schmerz störte ihn nicht, er mochte es nur nicht, dass sie ihn nicht mit ihm hatte teilen können. Was für eine Verschwendung. Dieser Gedanke stichelte ihn ununterbrochen wie ein Spreißel in seiner Ferse, der sich immer tiefer grub, während er hinter Kakuzu den Berg hinauf kraxelte. Seine Verärgerung durchdrang einfach alles; den Staub, der sich in seiner Kehle verfing, den Kies, der unter seinen Füßen knirschte, das Rascheln von Kakuzu, als er diese dämliche Karte zurate zog. 

 

Ugh. Wann erleben wir eigentlich endlich mal was Spannendes?

 

Hidan knirschte mit den Zähnen und fuhr mit der Zunge die Innenseite seines Mundes ab, als er nach dem nachhallenden Geschmack des Blutes dieser Bitch suchte. Er hatte eine Menge Blut gebraucht. Und sie halb am Leben zu lassen ließ ihn tief in der Schuld von Jashin-sama zurück und die Gebote waren, was das anging, absolut.

 

„Ich will einfach nur irgendwas aufmischen“, knurrte Hidan. „Dieses ewige durch die Gegend gegurke fängt an, mich zu langweilen.“

 

Kakuzu ignorierte ihn. 

 

Mistkerl.

 

Mit wehenden Umhängen kletterten sie weiter den Abhang hinauf, während ihre Sandalen Staub aufwirbelten. Ihre Schatten verzerrten sich zu gezackten Winkeln auf dem Fels, die ihnen voraus eilten. Und dann – wie ein Käfer, der an seinem Ohr brummte – hörte Hidan es. Ein tiefes, sonores Summen, das die Luft zittern ließ, sie auflud und so sehr die Kontrolle darüber zu ergreifen schien, dass seine Haut zu kribbeln begann. 

 

Was verfickt nochmal ist das?

 

Der Klang rollte durch seinen Körper und löste in einer sanften Harmonie Vibrationen aus. Seine Miene verzog sich angewidert. Und als sich das resonante Summen in jedem rohen Nerv seines Körpers niedergelassen hatte, blieb sein Partner stehen. 

 

„Yo, Kakuzu, hörst du das?“ Hidan stoppte einen Schritt hinter ihm. „Was zur Hölle ist das für ein Scheiß?“

 

„Skandieren“, antwortete Kakuzu. „Idiot.“

 

„Eh?“ Hidan rümpfte die Nase. „Wer skandiert?“

 

„Wir sind da.“ Kakuzu verstaute die Karte und lief wieder voran. 

 

„Hey! Arschloch“, fauchte Hidan und verlängerte seine Schritte, um zu seinem Partner aufzuholen, wobei der Schwung seines Akatsukimantels wie eine Zunge aus schwarzem Stoff über die Klingen seiner Sense strich. „Ich habe gefragt, wer da skandiert?“

 

Er war kurz davor, seine Waffe bis zum Anschlag in Kakuzus asozialem Arsch zu versenken, weil er seinen Arsch den ganzen Weg hinauf zu der Spitze von ‚Berg Zeitverschwendung‘ gehieft hatte, nur um jetzt von diesem materialistischen Bastard die kalte Schulter gezeigt zu bekommen. Was vermutlich bedeutete, dass es sich hierbei schon wieder um irgendeinen beschissenen, dreckigen Nebenjob handelte. 

 

Zumindest hatten seine Rituale einen Sinn und Zweck. 

 

Kakuzus kleine Kopfgeldjagden fühlten sich dahingegen einfach nur degradierend an. 

 

Hidan öffnete bereits den Mund, um einige Schriftstellen zu zitieren, aber seine Kiefer schlossen sich gleich darauf wieder mit einem hörbaren Klacken. Der Jashinist ließ seinen weitäugigen Blick direkt an Kakuzu vorbei und die lange Straße entlang wandern, bevor sich seine violetten Seen auf den massiven Tempel richteten, der am Ende davon wartete. 

 

„Mönche“, grunzte Kakuzu. „Das sollte dir doch Spaß machen.“

 

Hidans Lippen kräuselten sich mit bebenden Nasenflügeln zu einem hämischen Grinsen. 

 

„Mönche…“, raunte er mit vor Verachtung verkrusteter Stimme. „Ungläubige, die Lieder singen, statt zu schreien…“ Er rollte mit der Schulter und das laute Klirren seiner Sense, die auf dem Boden aufschlug, war wie eine Totenglocke. „Diese Scheiße passt einfach nicht zu meiner Religion.“

 

Und wenn es eine Sache gab, die Hidan noch mehr hasste als wenn seine Opfer ihre erbärmlichen Götter anriefen, sie zu retten, dann waren es Mönche, die wirklich glaubten, dass solche Götter existierten. 

 

Es gab nur einen einzigen Gott. 

 

Einen einzigen Herrn. 

 

Hidan hob eine Hand, um nach dem Anhänger um seinen Nacken zu greifen und presste sich das kalte Silber des Jashin Amulettes gegen die Lippen. Mit der Zungenspitze strich er den Triangel entlang, das das Zentrum dominierte und schmeckte Blut in dem Metall. 

 

Endlich…

 

Er nahm seine Sense wieder auf. Der Schnitter war zum Spielen gekommen. 

 

Oh ja, er würde hieran Spaß haben…

 

 

_________________________

Ah ja, endlich! Ich habe wirklich sehr auf dieses Kapitel hingefiebert, weil hier ein weiterer wichtiger Charakter die Bühne betritt, den ich wirklich abartig mag: Genma! Ich hoffe doch sehr, dass euch sein Einstieg in die Serie hier gefallen hat ;) Wie hat euch die Szene mit Asuma und Genma gefallen? 

Und es kommt ein Name vor, den ihr euch auf jeden Fall merken solltest ;)

Generell passiert ja wirklich viel in diesem Kapitel. Es kommen sogar Hidan und Kakuzu vor...ja, ich denke, ihr merkt alle, es spitzt sich immer mehr zu, ich hoffe, dieses Gefühl konnte ich in diesem Kapitel gut vermitteln ;) 

lasst mir doch wieder ein paar Worte da, ich freu mich wie immer sehr über jedes Einzelne! *-*
 

Vielen vielen Dank wie immer an alle meine lieben Reviewer/innen und Leser/innen! <3

Right and false

Verführung ist eine clevere Geliebte. Sie ist schüchtern und gerissen. Sie versteht es, den gesunden Menschenverstand eines Mannes in ein Netz aus Verwirrung zu locken. Sie macht Jäger zu Beutetieren. Renzo weiß nur zu gut, dass er die Fliege eingewickelt in die Seide einer Spinne ist. Und diese schwarze Witwe brachte ihn dazu, schreien zu wollen. Aber Verführung schreit nicht, sie wispert; hauchend und heiß. Sie lehnt sich nach vorn, schnurrt in sein Ohr und-

 

„Du musst wirklich mal flachgelegt werden.“

 

Kakashi machte einen Satz, während sich ein Fluchen direkt nach seinem Herzen in seine Kehle rammte. Er warf einen scharfen Blick über den Rand seines Icha Icha Buches und die Zeitung, die er genutzt hatte, um es zu verstecken. 

 

Asumas Augen funkelten teuflisch und ein dünner Rauchfaden kräuselte sich wie Schnurrhaare um sein Grinsekatzenschmunzeln herum. „Habe ich dich mit runtergelassenen Hosen erwischt, Hatake?“

 

Kakashi kämpfte hart darum, seine Verlegenheit nicht zu deutlich werden zu lassen und sammelte all seine Empörung in einem kühlen Blick zusammen, während er tapfer dem Drang widerstand, ein Eselsohr in die Seite zu machen und rasch zu einem weniger schlüpfrigen Kapitel zu springen.

 

„Was dagegen, wenn ich unterbreche?“, fragte der Sarutobi gedehnt und ließ sich bereits auf dem gegenüberliegenden Platz nieder, wobei er gleichzeitig einen Finger über Kakashis Zeitung hakte, um auf das Ich IchaBuch zu tippen, das der Kopierninja einfach nicht schließen wollte. „Oder warst du gerade bei dem richtig guten Part?“

 

Kakashi stierte ihn äußerst flach an und weigerte sich resolut, ertappt oder schuldbewusst dreinzuschauen. 

 

Schmunzelnd lehnte sich Asuma auf seinem Stuhl zurück und ließ einen neugierigen Blick durch das düstere Versteck des Lokals wandern, das eher nach einer runtergekommenen Kaschemme statt nach einer frequentierten Bar aussah. Die aussichtslos wirkende Atmosphäre des maroden Ortes machte es zu einem Brennpunkt für Konohas hoffnungslose Herumtreiber, einem Zufluchtsort für verlorene Seelen, die unwillens waren, ihre ganz persönlichen Fegefeuer zu verlassen. 

 

Doch Kakashi war nicht hierher gekommen, um Buße zu tun. 

 

Er war – auch wenn es absurd klang – für Ruhe und schuldhafte Vergnügungen hierher gekommen. 

 

Er hatte es sich in der hintersten und dunkelsten Ecke bequem gemacht, indem er sich einen privaten Nischenplatz heraus gesucht hatte. Er hatte sich in der Hoffnung versteckt, die Gesellschaft irgendwelcher misanthropischen Gäste zu vermeiden, die verlorenen Lieben nachtrauerten, einem einsamen Leben und Lektionen, die zu spät gelernt worden waren. 

 

Viel zu spät…

 

Und während Kakashi die Geister von all diesen drei Arten der Reue mit sich trug, hegte er keinerlei Absicht, den Schmerz zu lindern, indem er seine Fehler mit der stumpfen Klinge von Trunkenheit zu sezieren versuchte. Stattdessen zog er es vor, besagte Trunkenheit und die Gesellschaft anderer zu umgehen, die ebenso gut versiert in der Kunst des Scheiße Bauens waren und es nicht vergessen konnten. 

 

„Verdammt.“ Asuma stieß einen leisen Pfiff aus, der von Rauch durchsetzt war. „Die Leute kommen hier rein, um nach schadhaften Verabredungen und tiefgründigen, existentiellen Unterhaltungen zu suchen. Und du kommst hier rein, um durch schmutzige Bücher einen hochzukriegen. Das ist tragisch, Hatake.“

 

Nicht annähernd so tragisch wie die Tatsache, dass Kakahsi die letzten paar Stunden damit verbracht hatte, seinen Tag akribisch um Narutos hektisches Training herum anzuordnen, nur um sich etwas Raum für ein wenig Zeit allein mit seiner Lieblingsserie freizuschaufeln.

 

Das nächste Mal verstecke ich mich im Niji…

 

Für kein Geld der Welt würde Asuma einen Fuß in das regenbogenfarbene Kaffeehaus setzen. Obwohl es unter weniger peinlichen Umständen auch Kakashis Neugierde geweckt hätte, wie der Sarutobi es geschafft hatte, ihn in diesem ‚Hey-lass-uns-die-Pulsadern-aufschneiden‘-Treffpunkt zu finden.

 

„Beobachtung eines Hatake Kakashi“, begann Asuma und musterte den anderen Jōnin wie ein kriminaler Fallanalytiker. „Begehrter Junggeselle, Preisfang, nasentief in Pornos, schmutzige Seiten lesend, während er gleichzeitig den Eindruck von Tiefgründigkeit und Verlust vermittelt, der nach ‚Reparier mich doch bitte‘ schreit. So hip. So cool. Ah ja, dein Bullshit riecht nach Rosen, Hatake.“

 

Kakashis Lippe kräuselte sich unter seiner Maske. „Schuldig im Sinne der Anklage.“

 

„Na dann nimm mal die Maske für dein Fahndungsfoto ab.“

 

„Es wäre das viel größere Verbrechen, mit meinem Aussehen Herzen zu brechen.“

 

„So hässlich, huh?“

 

Kakashi lachte leise. „Ich bezweifle, dass du für einen verbalen Schlagabtausch hierher gekommen bist, Asuma. Oder für eine Trinkrunde.“

 

Asuma schmunzelte, während seine Augen über die Worte ‚LEBEN TUT WEH, ABER LIEBE BLUTET‘ wanderten, die grob in die dunkle Maserung des Tisches geritzt waren. Langsam strich er mit der Hand über den Spruch, als könnte er ihn dadurch fort wischen. 

 

„Jo, ich erhole mich immer noch von der letzten Runde“, murmelte Asuma, ohne Kakashis Blick zu begegnen. Seine Zigarette glitt in einen seiner Mundwinkel und Asche fiel dabei nach unten, um das fleckige Holz zu bestauben. „Ich habe eine Frage an dich.“

 

Kakashi hob angesichts der Anspannung auf Asumas Gesicht eine Braue. Kurz überlegte er sich, ob er etwas darauf erwidern sollte, linste aber stattdessen hinunter auf sein Buch und tat so, als würde er weiterlesen. Einen Herzschlag später spürte er, wie sich Asumas Augen wieder hoben und ihn musterten. 

 

„Ein rein hypothetische Frage“, fügte der Sarutobi hinzu und trommelte mit den Fingern auf die Tischkante, als er sich auf seinem Stuhl zur Seite drehte. 

 

Kakashi erwiderte nichts. Er blätterte einfach nur eine Seite um, während sein graues Auge die Zeilen entlang fuhr, ohne ein einziges Wort zu lesen. Diese Methode funktionierte eigentlich immer bei dem Sarutobi, wenn er nervös war. Und wenn sein Abwenden von dem Tisch irgendein Indiz war, dann wollte er im Grunde ganz sicher nicht hier sein. 

 

Was es nur umso bedeutungsschwerer macht, dass er doch hier ist…

 

Und daher war der schnellste Weg, Asuma zum Reden zu bringen der, mit ihm um die Ränder des eigentlichen Themas herum zu tänzeln, bevor ein Sprung – oder ein Tritt – den Sarutobi in Richtung des eigentlichen Punktes dirigierte. Es war ein seltsamer dialogorientierter Tango, doch Kakashi kannte Asuma gut genug, um zu spüren, dass es der Sarutobi sehr zu schätzen wusste, dass er sich an die Schrittfolge hielt. 

 

„Mnhmn“, summte Kakashi und vermittelte dadurch eine kaum vorhandene Aufmerksamkeit.

 

„Volkszählungsdaten des Dorfes“, sagte Asuma letztendlich, bevor er einen langen Zug seiner Zigarette nahm. „Wie würde man da ran kommen?“

 

Kakashi blätterte eine weitere Seite um. „Würde man nicht.“

 

„Würde nicht? Oder könnte nicht?“

 

„Sollte nicht.“

 

„Richtig.“ Asuma drehte sich etwas mehr auf seinem Platz und klopfte Asche in einen gesprungenen und gelblich angelaufenen Aschenbecher neben der Getränkekarte. „Dann lass uns einfach mal annehmen, ich hätte einen Freund in Not und du bist auf jeden Fall ein Freund.“

 

Kakashis Braue zuckte nach oben. „Hast du ein ‚Beste Freunde für’s Leben‘ Armband, das das bestätigt?“

 

„Ah, komm schon, du liebst doch diesen kitschigen Scheiß.“

 

„Lass mich raten“, begann Kakashi langsam mit einem raschen Blick zu Asuma. „Dieser hypothetische Freund von dir – und mir – führt keine demographische Studie durch.“

 

Asuma setzte ein Grinsen auf, das seine Augen aber nicht erwärmen konnte. „Du bist rasiermesserscharf, oder nicht?“

 

Die Kante in Asumas Stimme erhöhte den Einsatz nur noch mehr und Kakashi verschwendete keine Zeit, Asuma mit diesen dialogorientierten Schritten viel eher in Richtung des Knackpunktes zu treten statt schieben. 

 

„Dann erlaube mir, direkt zur Sache zu kommen“, gab Kakashi zurück und übernahm damit die Führung ihres verbalen Tanzes. „Wen versuchst du zu finden, Asuma?“

 

Langsam lehnte sich Asuma zurück, während sich sein Kiefer verkrampfte. „Jemanden, der wohl Naoki heißt. Schonmal von ihm gehört?“

 

„Nein. Clansname?“

 

„Wer verfickt nochmal weiß das schon.“

 

Kakashi bedachte ihn mit einem trockenen Blick. 

 

Freudlos schmunzelte Asuma um seine Zigarette herum, als Rauch in einem dünnen Band zwischen seinen Lippen hervor waberte. „Jo, das ist die traurige Wahrheit. Deswegen ja auch meine Detektivarbeit.“

 

„Vielleicht hast du eine Sackgasse erreicht. Informationen, für die man die Daten der Volkszählungen braucht, können ohne die ausdrückliche Genehmigung der Hokage niemals für investigative Zwecke genutzt werden, Asuma.“

 

„Regelbücher, Schulbücher, Hatake. Ich habe keine Angst vor ein bisschen Nachsitzen.“

 

„Du würdest dir weitaus mehr als einfach nur Nachsitzen einhandeln. Diese Regeln wurden aus einem Grund aufgestellt.“

 

Asuma bestätigte den angedeuteten Verstoß mit einem leichten Neigen des Kopfes, hob aber eine Hand, um weitere Warnungen abzuwehren. „Ich versuche nur, diesen Kerl ausfindig zu machen, es besteht kein Grund zur Sorge. Ich kann nur nicht einfach so herum fragen.“

 

Kakashi schwieg und sein Blick schien für einen Moment abzudriften. „Warum kannst du nicht einfach herum fragen?“

 

„Warum?“ Asuma schnaubte und rieb sich über den Mund, als er versuchte, das höhnische Grinsen zu verbergen, das an seinen Lippen zupfte. „Ich könnte vielleicht über schlafende Hunde stolpern.“

 

Ruckartig legte Kakashi den Kopf schief; er bemerkte deutlich mehr als einfach nur Verachtung in dem rauen Rumpeln von Asumas Stimme. Es lag etwas Wackeliges darin. Rasch nachdenkend bewölkte sich Kakashis Auge wie rauchiger Topaz, bevor es scharf wie Feuerstein wurde, um nach Hinweisen auf dem Gesicht des anderen Mannes zu suchen. 

 

„Und über was für eine Art Hund sprechen wir hier?“, fragte er. 

 

„Ich wünschte, ich wüsste es“, murmelte Asuma und nahm stirnrunzelnd einen hastigen Zug an seiner Zigarette. „Im Moment habe ich nichts anderes als einen Streuner ohne Halsband. Deine Vermutung ist dabei so gut wie meine – wahrscheinlich sogar besser.“

 

Kakashi schüttelte den Kopf. „Ich kenne niemanden mit dem Namen Naoki. Wenn es so wäre, dann würde ich es dir sagen.“

 

Asuma macht eine Pause und sah zu ihm herüber; seine Augen waren todbringend ruhig. „Würdest du?“

 

Die Frage ließ Kakashis Kopf zur Seite schwingen, als hätte er einen Schlag eingesteckt, doch er behielt sein Pokerface trotz seiner Überraschung bei. Langsam legte er Zeitung und Buch auf den Tisch. „Warum sollte ich es nicht tun?“

 

Für eine lange Sekunde erwiderte Asuma nichts und eine seltsame Aggression hing in seiner Aura wie ein fast schon greifbares Wesen; dunkel und schwer. Spannung vibrierte und Nerven zuckten und zogen sich straff. 

 

Kakashi blinzelte langsam. „Denkst du, ich bin einer dieser schlafenden Hunde, Asuma?“

 

Und genauso schnell, wie der Frust und Argwohn in Asumas Augen gesprungen waren, zogen sie sich wieder zurück, um ihn für einen Moment fassungslos zurückzulassen. Kopfschüttelnd fuhr er sich mit einer Hand übers Gesicht und durch sein Haar. 

 

„Scheiße. Ich weiß es nicht…“, seufzte Asuma und seine Schultern fielen nach unten, nur um gleich darauf wieder angespannt und aufgewühlt nach oben zu rollen. „Das mag vermutlich harsch klingen. Nichts für ungut, Kakashi.“

 

„Alles gut.“

 

Wenn er überhaupt etwas aufgrund von Asumas Misstrauen ihm gegenüber empfand, dann war es eine starke Mischung aus Neugier und Sorge. Doch statt irgendeine Art von Beruhigung anzubieten, beobachtete der Kopierninja einfach nur schweigend; abschätzend, überwachend, noch mehr mentale Notizen kritzelnd und sie mit denen vergleichend, die er bereits besaß. 

 

Das muss entweder etwas mit Kurenai oder seinem Team zu tun haben…

 

Höchstwahrscheinlich mit Shikamaru, wenn man die jüngsten Schuldgefühle bedachte, die Asuma unter dem stumpfen Messer der Trunkenheit offenbart hatte. Er hatte ein paar Worte hervor gelallt, von denen Kakashi nicht aufgehört hatte, sie in seinem Verstand immer wieder hin und her zu drehen. 

 

‚Der verdammte Bengel wollte es mir nicht sagen. Also sage ich jetzt dir, dass ich gottverdammt nochmal herausfinden werde, wer ‚Er‘ ist und dann werde ich ihn umbringen…‘

 

War dieser ‚Er‘, der Shikamaru etwas angetan hatte, der mysteriöse Mann, den Asuma zu finden versuchte? Der Name Naoki war kein Teil der Liste an Namen und Gesichtern, an die sich Kakashi sofort erinnern konnte. Normalerweise waren ihm Identitäten unmittelbar zugänglich, doch diesmal fand der Kopierninja nichts. Nicht einmal ein vages Bild.

 

Naoki…

 

Kakashi merkte sich den Namen und befestigte ihn wie eine gedankliche Büroklammer an den mentalen Notizen, die er weiterverfolgen musste. 

 

Was ist deine Geschichte, Shikamaru?

 

Nach Asumas besoffenen Geschwätz zu urteilen, hatte der Junge das Buch seiner Geschichte geschlossen; er hatte es unbetitelt, ungelesen und vielleicht auch manche Teile davon unaufgezeichnet zurückgelassen. 

 

Nein…es gibt immer eine Spur…

 

Und Asuma versuchte ganz offensichtlich, diese Spur aufzudecken und ihr zu folgen. Vielleicht hatte ihn das betrunkene Geständnis seiner Sorge und Schuldgefühle dazu gezwungen, Maßnahmen zu ergreifen, von denen er so vehement behauptete, er hätte sie bereits vor zwei Jahren ergreifen müssen. Und in Anbetracht dessen konnte Kakashi einfach nicht anders, als zu spüren, wie die verkrusteten Adern seiner eigenen Schuldgefühle juckten und bluten wollten. 

 

Sasuke…

 

Verzweifelt schüttelte er den Kopf gegen das Bild der zornigen, kohlschwarzen Augen des Uchiha an, die mit einem rachsüchtigen Feuer brannten, von dem der Kopierninja das Gefühl hatte, er hätte energischer versuchen müssen, es in seinem Schüler zu löschen. 

 

Doch er hatte es nicht energischer versucht. 

 

Und somit war er gescheitert.

 

Er war zu kühl gewesen, zu kontrolliert, zu zerebral und zu abgeschnitten – und all dies wurde noch von dem Geist der ANBU Maske verstärkt, die über derjenigen lag, die er bereits trug.

 

So viele Fehler…

 

Und keine zweiten Chancen, die auch nur den geringsten Unterschied machen würden. Zumindest war das Kakashis Denkweise. Und Asuma hätte seinen Blickwinkel vielleicht bis zu einem gewissen Maß geteilt, aber der Sarutobi besaß etwas, das Kakashi fehlte: den Bereitschaft, diesen zweiten Chancen nachzujagen und sie zu greifen, völlig unabhängig davon, ob er das Gefühl hatte, sie verdient zu haben…und völlig unabhängig davon, ob es irgendetwas ändern würde. 

 

Im Geist des Kopierninjas überlagerte Narutos Gesicht das von Sasuke. 

 

Genau wie bei Naruto…bedarf Asumas Wille einer einzigartigen Art von Mut…so viel zu riskieren…in dem Wissen, dass es ihm vielleicht gar nichts einbringen wird…und ihn vielleicht alles kosten wird…

 

Für eine ganze Weile blieb Kakashi stumm und wog dabei alles ab, was er war und nicht war. Und dann nahm er die Summe all dieser beschädigten Teile und wog sie gegen all das ab, was er anbieten konnte und gegen alles, was er sich nicht leisten konnte zu verlieren.

 

Das waren gefährliche Waagschalen und rutschige Abhänge.

 

Das hier hat überhaupt nichts mit mir zu tun…

 

Und dennoch…

 

„Naoki…“, sagte Kakashi noch einmal und spähte zur Seite des Tisches, während er darüber nachgrübelte. „Kein Clansname könnte auf ANBU hindeuten.“

 

„ANBU…“, echote Asuma und klang dabei zweifelnd; beinahe schon widerwillig. 

 

„Es ist eine Möglichkeit“, erwiderte Kakashi, während er eine mentale Liste mit Namen aus seiner Zeit bei der Spezialeinheit heraufbeschwor. „Yamato könnte es vielleicht wissen. Ich könnte ihn fragen…“ Er hielt inne und sah zu dem Sarutobi. „Außer du befürchtest, er könnte einer dieser schlafenden Hunde sein, die du nicht wecken willst.“

 

„Es interessiert mich einen Scheiß, sie nicht zu wecken“, raunte Asuma mit einem Kiefer, der so verkrampft war, dass sich die Anspannung bis in seinen Hals erstreckte und dort Adern pulsieren ließ. „Ich werde jeden verfickten Hund weiterhin so lange treten, bis irgendeiner davon etwas Nützliches jault.“

 

Weiterhin treten?“, echote Kakashi, bevor er sich über den Tisch beugte, um Vertrauen zu vermitteln und Unterstützung anzubieten. Ein kalkulierter Zug, den er beiläufig wirken ließ. „Wurdest du gebissen, Asuma?“

 

Asumas Kiefer verwandelte sich in Granit. Energisch wischte er die Frage beiseite, indem er seine Zigarette im Aschenbecher ausdrückte. Er machte keine Anstalten, nach einer weiteren zu greifen und Kakashi schimpfte sich selbst den größten Idioten dafür, dass er diese Frage gestellt hatte. 

 

Verdammt.

 

Asuma sah aus, als wäre er nah dran, die Beine in die Hand zu nehmen und sich aus dem Staub zu machen; sein Blick huschte bereits in Richtung Ausgang. „Vergiss es. Vielen Dank auf jeden Fall, Kakashi. Ich weiß das zu schätzen.“

 

„Bleib doch noch für einen Drink“, sagte Kakashi rasch mit lässigem Tonfall, auch wenn seine Absicht dahinter alles andere als das war. Ihm gefiel die raue Schärfe in Asumas Miene überhaupt nicht; ebenso wenig wie die Möglichkeit, dass der andere Jōnin irgendetwas unbedacht Törichtes unternahm. „Vielleicht zahle ich dieses Mal sogar.“

 

Asuma grunzte irgendetwas, während seine Augen über die Bar wanderten. Unschlüssig schwebte er am Rand seines Stuhls und runzelte heftig die Stirn, während sein Verstand offensichtlich irgendwo anders verharrte. „Du warst ANBU…“

 

Kakashi saß vollkommen regungslos da, doch der Atem, den er ruckartig einsog, zerrte heftig an dem Gewebe seiner Maske. Er wartete lange auf eine weitere Erläuterung dieser Worte, da er sich nicht sicher war, ob eine Anschuldigung in Asumas Tonfall lauerte. 

 

Der Sarutobi sah zu ihm hinüber. „Warum bist du ausgestiegen?“

 

Die Empfindungen, die diese Frage auslöste, kamen plötzlich, überraschend und unangenehm stark. Kakashi antwortete nicht. Sein abgeschirmter Blick blieb auf Asumas Gesicht fixiert und verriet nichts von dem, was unter der Oberfläche rumorte. 

 

Zögerlich setzte der Sarutobi ein schmales Lächeln auf und ein Schatten der Entschuldigung huschte durch seine Augen. „Vergiss, dass ich das gefragt habe.“

 

Kakashi zuckte mit den Achseln. „Ich bin mir sicher, dass du gefährlichere Fragen stellen könntest.“

 

„Das könnte ich“, gab Asuma zu, während er sich auf seinem Stuhl wieder zurück drehte. 

 

Kakashi schaffte es, nicht erleichtert auszusehen. Erneut hatte sich ein schmales Fenster der Gelegenheit aufgetan – eines, durch das er schlüpfen musste, bevor Asuma dieses Thema komplett verriegelte. Wenn er es schaffte, den anderen Jōnin nur lange genug zum Reden zu bringen, um all diese verschwommenen Hinweise weiter in den Fokus zu rücken. 

 

„Dann frag“, sagte Kakashi und ließ die Worte absichtlich in der Luft hängen. 

 

Asuma sah den Kopierninja weiterhin schief an, als würde er immer noch am Rande des Misstrauens feststecken. „Ich habe so ein Gefühl, das wird eher sowas wie ‚nur küssen und keine intimen Details ausplaudern‘.“

 

„Du bist nicht mein Typ.“

 

„Und du bist nicht witzig.“

 

„Ich kann dir nicht garantieren, dass ich Antworten haben werde. Aber du hast auch nichts zu verlieren.“

 

„Achja? Woher willst du das wissen?“

 

„Ich weiß es nicht, aber du auch nicht, denn sonst wärst du nicht hier“, konterte Kakashi und bedachte Asuma mit einem langen bedächtigen Blick, den der Sarutobi ohne mit der Wimper zu zucken erwiderte. „Auch wenn es so aussieht, als hätte dir derjenige, wen auch immer du als letztes gefragt hast, ordentlich dafür in die Fresse getreten hat, dass du deinen Mund aufgemacht hast – habe ich recht?“

 

Erneut verhärtete sich Asumas Kiefer; wie in Erinnerung an diesen figurativen Tritt. Er atmete langsam aus und stierte intensiv auf den Aschenbecher, der zwischen ihnen stand, während er eindeutig eine weitere Zigarette in Betracht zog. 

 

Doch er zündete sich keine weitere an. 

 

Kakashi lehnte sich in seinem Stuhl zurück und spürte instinktiv, dass er mit diesen Worten tief genug geschnitten hatte, um in die Nähe einer Arterie zu kommen. „Asuma, was ist pa-“

 

„Genma.“

 

Kakashis Miene erstarrte, als wäre sie schlagartig eingefroren und sein Strom kalkulierter Gedanken erstarb vollständig, wie ein abgeschnittener Atem. „Genma…?“

 

Asuma bedachte ihn mit einem flachen Blick. „Naja, ich bin mehr von einer ‚du willst mich wohl verscheißern‘-Miene ausgegangen, aber bei dir ist das auch irgendwie schwer festzustellen.“

 

Kakashi blinzelte sich von seinem blanken Starren zurück und legte den Kopf schief. „Genma?“

 

„Gut gemacht, Hatake, willst du, dass ich es auch noch für dich aufschreibe? Er hat sogar einen Nachnamen.“

 

Und der Sarkasmus holte Kakashi schlagartig wieder zurück; es gestattete dem Kopierninja, seine Gedanken wieder zusammenzusammeln, bevor sie ohne irgendeine Karte alle möglichen mentalen Wege hinab jagten. „Du hast ihn danach gefragt, an Volkszählungsdaten zu kommen?“

 

„Nein, ich habe ihn gefragt, ob er diesen Naoki Typen kennt.“ Als Antwort auf Kakashis fragenden Gesichtsausdruck schüttelte Asuma nur den Kopf. „Naja, ich würde nicht immer noch im Dreck rumwühlen, wenn er reinen Wein eingeschenkt hätte, oder?“

 

„Du denkst, er weiß was?“

 

„Ich weiß es“, korrigierte Asuma ohne das geringste Zögern. 

 

„Aber er wollte diese Information nicht mit dir teilen“, fasste Kakashi zusammen. 

 

„Vorsichtig ausgedrückt“, murrte Asuma. „Er wollte keinen dicken fetten schwarzen Fleck auf seiner Akte, also warum sollte ich davon ausgehen, dass du das willst?“

 

„ANBU hat meiner Akte einen vollkommen andersfarbigen Anstrich verpasst, das kann ich dir versichern.“ Die Worte fielen härter von seinen Lippen, als es Kakashi beabsichtigt hatte, doch er erholte sich rasch, indem er träge die Schultern hob. „Wir operieren in allen möglichen Schattierungen, Asuma. Genma eingeschlossen.“

 

„Aber das Regelbuch ist immer nur schwarz und weiß, oder nicht?“, bemerkte der Sarutobi mit einem säuerlichen Schmunzeln, während sein Blick abschweifte. „Pass auf, ich hab’s schon verstanden. Du musst nicht die Schule schwänzen, nur weil ich das mache, Kakashi.“

 

„Ich würde es mir lieber so vorstellen, des Teufels Advokaten zu spielen.“

 

Das zog Asumas Aufmerksamkeit auf sich. Brandyfarbene Augen schnitten innerhalb eines Herzschlags zurück zu Kakashi. „Des Teufels Advokaten, huh? Meine Güte, macht mich das zum Bösewicht?“

 

„Klingt für mich eher danach, als würdest du versuchen, den Bösewicht zu fangen“, erwiderte Kakashi neutral. 

 

Falls er denn wirklich der Bösewicht ist.“

 

„Und woran wird das festgemacht?“

 

Asuma stieß ein schroffes Kichern aus und fuhr sich mit einer Hand über den Mund, während er Kakashi einen widerwillig beeindruckten Blick zuwarf. „Oh, du bist wirklich gut, Hatake. Ziemlich elegant.“

 

Nicht elegant genug…

 

Unschuldig blinzelte Kakashi ihn an. 

 

Doch Asuma fiel nicht darauf herein und sah mit einem weiteren leisen Lachen zur Seite weg. „Und du musstest mir nicht einmal mit Saké zusetzen.“

 

Doch statt mit diesem Geplänkel abzuschweifen, machte Kakashi eine gemessene Pause, um Taktiken neu einzuschätzen und alle Hinweise auf dem Gesicht des anderen Mannes zu lesen. Er ergriff erst dann wieder das Wort, als er spürte, wie die Augen des Sarutobi drohten, sich wieder dem Ausgang zuzuwenden. 

 

„Ich habe in dieser Sache keine Agenda, Asuma.“

 

„Achja?“ Asuma rieb sich den Kiefer und spähte zu ihm hinüber. „Sag mir Kakashi…wenn es darauf hinauslaufen würde, sich zu entscheiden, entweder die Regeln zu befolgen, oder das zu tun, was richtig ist, was würdest du wählen?“

 

Kakashis Augen verloren jeden Fokus. Auf einen Schlag hisste das Wort ‚Regeln‘ eine widerwärtig hässliche Flagge in seinem Verstand – rot und zerfetzt. Ein blutiger Gedankenstrom…

 

‚Diejenigen, die die Regeln brechen, sind Abschaum…aber diejenigen, die ihre Freunde im Stich lassen, sind schlimmer als Abschaum!‘

 

Kakashis Blick fiel nach unten, weit hinunter und stierte nach innen durch das dunkle Portal der Zeit, das sich vor seinem mentalen Auge geöffnet hatte. Die Tomoe in seinem Sharingan drehten sich wie ein Windrädchen und brachten die Erinnerungen zurück…die Augenblicke…die Fehler, die er nicht mehr gut machen konnte…

 

Obito…Rin…

 

Schmerz stach sich durch sein linkes Auge, schoss durch das wirbelnde Zentrum und grub sich durch die Rückseite seines Schädels. Er zuckte zusammen und sein sichtbares Auge blinzelte ruckartig vor Schmerz. Das Zeitportal verblasste; geschluckt von dem Schließfach an der Rückseite seines Verstandes. 

 

Langsam blinzelnd griff Kakashi nach oben, um sein Hitai-ate zurecht zu ziehen. 

 

Besorgt zogen sich Asumas Brauen zusammen, aber er wusste es besser, als nachzufragen. 

 

Kakashi nahm sich noch einen weiteren Moment, um den Schmerz fort zu zwinkern, bevor er leise antwortete: „Es ist leicht gesagt, ich würde tun, was ich als richtig erachte. Aber in unserer Welt ist es immer relativ, was letztendlich richtig ist.“

 

„Natürlich ist es das“, stimmte Asuma zu, als würde er mit sich selbst sprechen. „Und was ist mit dem, was falsch ist? Ist das auch relativ?“

 

Kakashis Hand senkte sich von dem Hitai-ate. Nichts, was er als Antwort darauf zu sagen hatte, würde Asuma hören wollen. Ehrlich gesagt waren richtig und falsch immer relative Begrifflichkeiten – relativ zur Person, relativ zu der Welt, in der diese Person operierte. ANBU hatte ihn das gelehrt. ANBU hatte sein Gewissen in Fäden zerschnitten, die zwischen all den Schlupflöchern hindurchglitten, die innerhalb von ‚richtig‘ und ‚falsch‘ existierten.

 

„Ich könnte dir diese Frage beantworten, Asuma“, murmelte Kakashi letztendlich. „Aber ich glaube nicht, dass dir gefallen würde, was ich zu sagen habe.“

 

„Lass mich raten, es liegt im Ermessen jedes Einzelnen, einfach zu tun, was man tun muss und scheiß auf die Moral.“

 

Nun, Kakashi hätte es nicht direkt so formuliert. Dieser spezielle Gedankengang, der an Bedürfnis und Notwendigkeit geknüpft war, die sich wiederum zu einem noch viel komplizierteren Knoten aus Widersprüchen verknüpften, der auch als menschliches Wesen bekannt war. Diesen Knoten zu lösen war Aufgabe von Göttern und Betrunkenen. 

 

Kakashi war kein Gott. 

 

Er hatte keinen Alkohol in der Hand. 

 

Und dennoch bewegte sich sein Mund. „Moral wird immer eine Schattenseite haben, Asuma. Sie ist wie der Mond.“

 

Kopfschüttelnd starrte Asuma ihn an. „Der Mond…ist das dein Ernst? Du suchst dir das Inkonstanteste überhaupt aus, um das zu repräsentieren, was für jeden mit einem Gewissen solide und fundamental sein sollte.“

 

Du magst das vielleicht so sehen. Aber Moral hat viele Gesichter und die verändern sich stetig je nach Sitten, Kultur und was noch viel wichtiger ist, je nach Kontext; der allzu oft davon beeinflusst wird, wer und was uns wichtig ist.“

 

Asumas Augen verengten sich zu Schlitzen. „Irgendwie glaube ich nicht, dass die Leute, die ich gerade im Sinn habe, einen feuchten Dreck auf irgendjemanden oder irgendetwas außer auf sich selbst geben.“

 

„Das ist die Mondfinsternis…“

 

„Die was?“

 

Kakashi zog eine Münze aus der Tasche und strich mit dem Daumen über das angelaufene Metall. „Ein Vollmond ist das, was die Besten von uns anstreben.“ Er verschob seinen Daumen, bis nur noch eine silberne Sichel übrig blieb. „Als Shinobi verharren wir als Halbmonde und schwanken zwischen den Definitionen von richtig und falsch.“ Er neigte leicht das Handgelenk, ein Taschenspielertrick, der ihn mit einer leeren Handfläche zurückließ. „Und manche von uns existieren innerhalb einer totalen Mondfinsternis des Gewissens und kümmern sich auch nicht darum.“

 

„Du hast diesen Scheiß gerade aus deinem Arsch gezogen, oder?“

 

„Es ist die Wahrheit“, murmelte Kakashi und bedachte Asuma mit einem bedeutungsschweren Blick. „Und du weißt das besser als die meisten, Asuma; gemessen an dem, was du mit den Zwölf Elitewächtern erlebt hast.“

 

„Tu mir gegenüber nicht so hintergründig, Hatake. Ich bin ganz sicher nicht wegen dieses tiefsinnigen, existentiellen Mists hierher gekommen.“ Asuma stierte schon wieder auf den Ausgang und begann, sich aus seinem Stuhl zu erheben, während er eine Zigarette hervor zerrte, um sie sich gegen die Lippen zu drücken. Langsam schob er sich aus der Sitzecke und wandte sich ab. „Genieß dein Buch.“

 

Unter dichten Wimpern beobachtete Kakashi den anderen Jōnin. „Asuma…“

 

Der Sarutobi versteifte sich, spähte aber über die Schulter. „Was?“

 

Kakashi ließ einen bedächtigen Atem durch das Gewebe seiner Maske fließen, bevor er ein schwaches Lächeln zustande brachte und sich sein graues Auge erwärmte. „Ein guter Shinobi zu sein und die Regeln zu brechen, schließt sich nicht zwangsläufig aus. Und es braucht eine äußerst seltene Art von Ninja, um zu beidem fähig zu sein.“

 

Auch wenn Kakashi diese Worte nicht ausgesprochen hatte, um irgendetwas dadurch zu erreichen, brachten sie ihm dennoch ein leichtes Lächeln von dem Sarutobi ein. „Heb mir eine Flasche auf, Kakashi und vielleicht werde ich dann später darauf trinken.“

 

„Das solltest du.“ Kakashi machte eine kurze Pause und seine Stimme wurde leiser, als er hinzufügte: „Denn du bist Teil dieser seltenen und aussterbenden Art.“

 

Asumas Augen wurden vor Überraschung groß, bevor er schnaubte und das Kompliment und seine düstere Stimmung mit einem Pseudo-Salut fort blies. „Nun, dieser seltene Hund wird nicht sterben, bevor sich diese Maske von deiner hässlichen Visage löst.“

 

Kakashis Braue schoss nach oben und sein graues Auge funkelte amüsiert. „Na dann viel Spaß dabei, ewig zu leben, Sarutobi.“

 

„Das sind die Vergünstigungen, wenn man ein harter Typ ist“, lachte Asuma leise und winkte über die Schulter. „Offenbar scheinen nur die Guten jung zu sterben.“

 
 

~❃~
 

 

Konzentrier dich…

 

Das rhythmische Tapsen nackter Füße und das scharfe Klacken von Holz hallten von den lackierten Wänden des Jūken-ryū Dōjō wider. Es war der Trainingsort der Elite der Hyūga Hauptfamilie, dessen Fundament auf Generationen von Clantraditionen und eiserner Lehren aufgebaut war. Lehren die den Stil der Sanften Faust mit einem Handschuh aus Kontrolle umgaben. 

 

Konzentrier dich!

 

Neji wirbelte herum, gerade als Hiashi mit seinem Bokken zuschlug und die Bambusklinge in einem sauberen Bogen auf die Halsbeuge des jüngeren Hyūga zuschnellen ließ.

 

Der Hieb kam schnell. 

 

Nejis Fokus geriet ins Taumeln. 

 

Er parierte den Schlag mit dem Unterarm und hielt die Gliedmaße dabei so starr wie Stahl. Er spürte, wie der Aufprall den Knochen entlang bebte und mit einem Bruch drohte. Das Aufplatzen von gerissenem Gewebe brannte heißer als lebende Asche unter der Oberfläche und ließ eine Schwellung zurück, die beinahe die Haut durchbrach. 

 

Verdammt.

 

Dieses Hämatom würde hässlich werden.

 

Hätte Hiashi stärker zu geschlagen und einen schärferen Winkel genutzt, dann hätte er vermutlich den Arm seines Neffen gebrochen. 

 

Das hätte er sollen.

 

Die Tatsache, dass der Älteste seine Stärke zurückhielt ließ darauf schließen, dass er bemerkte, dass etwas nicht stimmte. Neji zog die Brauen zusammen. Götter, war er noch immer so durchschaubar für seinen Onkel? Selbst jetzt? Energisch kämpfte Neji den sofortigen Ansturm von Frust nieder und atmete langsam aus, bevor er seine Handgelenke drehte, um das Bokken beiseite zu schlagen, während er mit erhobenem Kinn und verschlossenem Kiefer einen Seitenstand einnahm. 

 

Hiashi hob eine Braue und nahm sich Zeit, um seine Waffe zu senken. „Du hast deine Griffstärke geopfert. Deine Konzentration ist schwach. In den vergangenen zehn Minuten habe ich dich bereits zweimal getötet.“

 

Neji versteifte sich, konnte diese Wahrheiten aber nicht leugnen. „Ja.“

 

„Refokussiere dich oder geh“, befahl Hiashi mit einer Stimme, die Autorität ausstrahlte, ohne dass er überhaupt den Tonfall verändern musste. „Du bist viel stärker als das. Schneller. Gerissener. Tödlicher. Wo ist dein Fokus?“

 

Neji bewegte die Finger und spannte Muskeln an, um den Schmerz aus seinen Gliedern zu verscheuchen. Sie trainierten jetzt schon seit den letzten paar Stunden, wieder und wieder; tausende von Attacken und Defensiven, die alle in einen Strom ununterbrochener Bewegung bluteten. Doch in den letzten zehn Minuten hatte er mehr Schläge eingesteckt, als er pariert hatte. 

 

Hiashi war kein Mann, der auch nur ein Quäntchen der Ablenkung während des Trainings tolerierte. 

 

Zu dumm nur, dass sich Nejis Fokus irgendwo zwischen dem Kampf und der seltsamen Empfindung, eine Präsenz würde sich hier mit ihnen im Dōjō aufhalten, aufgeteilt hatte. Neji hatte versucht, es zu ignorieren, konnte das andauernde Gefühl von Augen, die sich in ihn bohrten, aber nicht abschütteln. 

 

Lächerlich…

 

Hiashi hätte es sofort bemerkt. 

 

„Nochmal“, sagte der Älteste und seine Stimme füllte das Dōjō mit einem sonoren Rollen, das die Luft glättete und die seltsamen Schwingungen verscheuchte. 

 

Allein. Sie waren allein. 

 

Neji passte seinen mentalen Stand an, fand einen festen Halt an seiner Konzentration und spürte, wie sie zurück unter seine Füße glitt. Und mit dieser Konzentration kam der nahtlose Fluss von Atem. Er ließ ihn in weichen, lebensspendenden Strömen durch seinen Körper fließen, die Zellen belebten und Kraftreserven weckten. 

 

Er bewegte sich schneller. 

 

Er schlug härter zu.

 

Die Stärke wurde fließend, ungezwungen, wogte durch ihn und aus ihm heraus. Es war tief verwurzelt, intuitiv und instinktiv. Er fühlte sich…

 

Frei…

 

Chakra sammelte sich entlang seiner Handkanten und die leicht schwielige Haut wurde härter als Horn. Er ließ seine Hand gerade nach außen schnellen, als Hiashi sein Bokken schwang. 

 

Ein brutales Knacken zerschnitt die Luft. 

 

Bambus explodierte und regnete in einem leichten Schauer aus Holz nieder, das sich in einer Mischung aus dünnen Nadeln und dickeren Splittern über dem Tatamiboden verteilte. 

 

Hiashis Augen flogen weit auf, doch seine Stimme erscholl ruhig und klar. „Stop.“

 

Neji erstarrte augenblicklich angesichts des Befehls und spürte den Zyklon aus Kraft, der in seiner Aura vibrierte; eine Spirale aus Chakra in ständiger Bewegung. Er atmete tief durch und zog die Energie in die Helix in seinem Inneren. Zurückgehalten und kontrolliert. 

 

Hiashi examinierte das zersplitterte Ende des Bokkens, das er immer noch in der Hand hielt und drehte es mit einem Rollen seines Daumens. Er summte. „Beeindruckend.“

 

Neji stieß einen bebenden Atem aus und krümmte die Zehen, um den Boden unter seinen Füßen zu spüren. Ein schwindelndes, schwereloses Gefühl flatterte durch ihn. Er war sich nicht sicher, ob es Aufregung oder Adrenalin war. 

 

Ruhig sah er zu, wie Hiashi sein Handgelenk hierhin und dorthin drehte, als würde er es auf eine Verstauchung prüfen. „Niemand hat bisher ein Bokken zerbrochen, während ich es geschwungen habe. Die Geschwindigkeit und Präzision waren stets zu minderwertig.“

 

Neji hatte keine Schwierigkeiten damit, das zu glauben. Selbst Tenten hätte es mehr als schwer, bei Hiashis Tempo mitzuhalten. Er hatte Kenjutsu von klein auf gelernt und es als ein außerschulisches Interesse aufgenommen. Doch er hatte auch die Techniken mit der Klinge mit derselben Präzision gemeistert wie alles andere, was er sich in den Kopf gesetzt hatte. 

 

„Du hast dich bemerkenswert verbessert, Neji.“

 

Dieses Lob traf ihn wie ein heftiger Hieb auf die Schläfe und ließ Neji sprachlos zurück. Er brauchte einen Moment, um diese Worte zu verarbeiten, bevor er sich verneigte und seine dichte Mähne dabei über seine Schultern floss. 

 

„Hiashi-sama“, reagierte er rasch. 

 

Hiashi bedachte ihn mit einem nachdenklichen Schweigen, während er die zerbrochene Waffe in seiner Hand drehte und durch das Dōjō schritt, um sie abzulegen. Hätte Neji Hiashi beobachtet, dann hätte er vielleicht gesehen, wie sein Onkel einen subtilen Blick in Richtung des beschatteten Türstocks warf, der in den Shinto Gebetsraum führte. 

 

„Verliere nicht deinen Fokus. Du wirst ihn brauchen.“

 

Blinzelnd sah Neji auf, ohne den Kopf zu heben. 

 

Hiashi wandte sich ab, um durch den riesigen Raum zu schreiten, wobei seine Schritte eine majestätische Anmut in sich trugen, die sich aus allen Bewegungen des Ältesten ergab. Er passierte die Stäbe körnigen Lichtes, das Streifen auf die Tatamimatten warf und bewegte sich, um neben einem der Eingänge stehen zu bleiben. Er führte hinaus auf eine Veranda, die zu einer Reihe langer Holzstufen führte, die bereits leicht unter dem Gewicht des Alters und den Schritten unzähliger Hyūga Ninja nachgegeben hatten. 

 

„Hmn.“ Hiashi atmete tief ein und drehte sich halb, um das Innere des Raumes zu betrachten. „Es ist sehr lange her, seit ich das letzte Mal einen Fuß in dieses Dōjō gesetzt habe. Das letzte Mal…war mit meinem Bruder.“

 

Neji hob mit rund werdenden Augen den Kopf. 

 

Das Licht, das durch die Türen hereinfiel warf ein warmes, patiniertes Glühen über die kalten Grate von Hiashis Gesicht. Neji konnte das leichte Zucken um die Augen des Ältesten gerade noch so erkennen, aber das konnte auch einfach nur daran liegen, dass er seine blassen Seen gegen das Licht zusammenzog, statt Emotionen zurück zu kämpfen, von den er sich niemals gestattete, sie zu zeigen.

 

Erneut drehte sich Hiashi. „Du ehrst das Andenken an deinen Vater. Du erhältst ihn am Leben.“

 

Nejis Atmung geriet heftig ins Stocken und die Luft in seiner Kehle wurde dünn. 

 

Er starrte auf den ihm zugewandten Rücken seines Onkels und in einem grausamen Aufblitzen kam es ihm in den Sinn, dass es auch sein Vater hätte sein können, der dort an der Türschwelle stand. Alles, was er tun müsste, war, seinem Verstand zu erlauben, die Linien der Realität zu verwischen und vielleicht, nur vielleicht, könnte dann ein winziger, einsamer Teil seiner Seele die Lüge annehmen, dass es Hizashis Geist war, der dort stand. 

 

Dann spähte Hiashi über die Schulter, blasse Augen fingen das Licht auf – nicht warm, aber auch nicht kalt. „Komm her.“

 

Neji schluckte schwer, drückte den Kummer und den Schmerz in seiner Brust nach unten und schritt langsam hinüber zu seinem Onkel. Doch irgendwie fühlte es sich viel eher danach an, als würde er ihm entgegenkommen, statt zu gehorchen. Ein Flattern von Adrenalin kehrte erneut in seine Magengegend zurück; eine nervöse Empfindung, die Flügeln ähnelte, die darum kämpften, ihre Fesseln auszutesten.

 

Er stellte sich neben Hiashi und blinzelte gegen das warme Glimmen der späten Nachmittagssonne. Es schwappte bis zum Rand der Veranda, floss über die eingesunkenen Stufen und verwandelte den Kies des Kalksteinweges des Dōjōs in einen Fluss aus Gold. 

 

„Ich sehe meinen Bruder in dir“, murmelte Hiashi mit einer tiefen und weit entfernten Stimme, als wäre sie ein Echo aus einer anderen Zeit…von einem anderen Ort… „Genauso sehr, wie du ihn in mir siehst.“

 

Neji neigte leicht den Kiefer, um zu seinem Onkel hinüber zu sehen und kämpfte hart darum, nicht zuzulassen, dass sich auch nur ein My an Emotion auf seinem Gesicht bemerkbar machte. Hiashi würde das nicht billigen. Kontrolle war bei diesem Mann unerlässlich; selbst dann, wenn sich die Defensiven senkten. 

 

Hiashi stieß ein leises Seufzen aus und dunkle Wimpern erzitterten leicht über seinen Augen. „Das ist es, was diesen Konflikt für mich viel persönlicher macht als die Spaltung innerhalb unseres Clans.“

 

„Was für ein Konflikt, Hiashi-sama?“

 

„Du.“

 

Nejis Brauen schossen nach oben und zogen sich gleich darauf scharf zusammen. Sie verrieten seine Verwirrung, bevor er rasch den Blick abwandte. Er richtete seinen Blick auf die leichten Wellen auf dem Koiteich, während er spürte, wie sich die Schwere von Hiashis Antwort durch seine Venen ausbreitete und das Blut aufwühlte, das er immer als Wasser angesehen hatte. 

 

„Ich verstehe nicht“, erwiderte er leise und kopfschüttelnd. 

 

Hiashi nahm sich mit seiner Antwort Zeit und als er sprach, waren seine Worte leise und sein Blick weit entfernt. „Ich bin nicht in der Lage, dir meinen Segen zu geben…und ich bin aber auch nicht in der Lage, diesen Fluch von dir zu nehmen. Darin liegt die Wurzel meines Konflikts…und sie reicht tief.“

 

Warum sagst du das? Warum jetzt?

 

Neji biss die Frage zurück; sie war wie ein Wirrwarr bitterer Nesseln, die sich noch immer in die heilenden Ränder seines Herzens stachen. Seine eigenen Konflikte und Verwirrungen verdrehten und wanden sich wie Drähte und fesselten ihn zusammen mit seinem Onkel an ein Schweigen, das sich noch schwerer anfühlte als Ketten. 

 

Sie standen gemeinsam da und sahen zu, wie sich das Licht veränderte, in dem das Laub erzitterte. 

 

Zeit nahm eine surreale Qualität an; sie dehnte sich zusammen mit den Schatten aus. 

 

Und nach dem, was eine Ewigkeit zu sein schien; lief Hiashi davon. 

 

Neji blieb. Er stand an der Türschwelle, atmete das zurückgebliebene Gefühl des Verlustes ein. Er verstand es nicht. Konnte nicht einmal anfangen, das Chaos komplizierter Gefühle zu verarbeiten, die die Worte seines Onkels ausgelöst hatten. 

 

Deine Worte kommen zu spät…genau wie zuvor…

 

Neji schloss die Augen und trat mit der Absicht zurück in das Dōjō, eine weitere Stunde zu trainieren, bevor er nachsehen würde, ob er einen neuen Missionsauftrag erhalten hatte. Götter, jeder Auftrag würde es im Moment tun. Er brauchte beides: Ablenkung und Fokussierung. 

 

Und ich brauche eine Richtung…

 

Bis er Shikaku von seiner Eignung überzeugen konnte, blieb ihm der Weg zu den ANBU versperrt. Und das ließ ihn damit zurück, sich alle möglichen A-Rang Missionen zu schnappen, was weitaus besser war, als einfach nur die Finger zu kreuzen und darauf zu hoffen, dass Shikaku ihm einfach so ein Daumen hoch geben würde. 

 

Atme…konzentrier dich…

 

Langsam rollte er die Anspannung aus seinen Schultern und schritt gemessen in das Zentrum des Raumes. Ruhig strichen seine Füße über die Tatamimatten und brachten ihn fließend in die Kata. Muskeln lockerten sich, als sie gleichermaßen zu Wasser und Stahl wurden, flossen und sich bewegten. 

 

Zehn Minuten nachdem er mit der Kata begonnen hatte, fühlte er es erneut. 

 

Wie ein kalter Atem an seinem Nacken. 

 

Er vollführte eine bewusste Drehung, indem er so tat, als würde er dem Fluss der Kata folgen, um hinüber zu der erhobenen Plattform an der rechten Seite des Dōjō zu spähen. Ein schwerer Vorhang aus Schatten neigte sich schräg über die Ebene, unberührt von den weichen orangenen Lichtstreifen und den Staubkörnern, die wie schimmernde Funken durch die Strahlen schwebten. 

 

Neji verlangsamte seine Bewegungen, während sich seine Brauen zu einem Stirnrunzeln zusammenzogen. 

 

Seltsam…

 

Dieser Bereich der Tribüne war zu dieser Stunde eigentlich sichtbar. Er warf einen raschen Blick auf die schmalen Fenster weiter oben, da er davon ausging, dass bei einigen der Lichtschutz zugezogen war. 

 

Doch sie waren alle offen. 

 

Neji erstarrte und seine weiten Augen schnellten zurück zu der Empore. 

 

Wie ein feixendes Biest zogen sich die Schatten zurück, bogen sich seitwärts und streckten ihr schwarzes Grinsen immer weiter aus, um ein Kunai zu offenbaren, das in die Wand an der Rückseite der Plattform getrieben war. Der funkelnde Griff zwinkerte ihm aus dem Loch einer zerbrochenen ANBU Maske zu. 

 

Neji fühlte, wie seine Haut zu kribbeln begann und sich die Haare an seinem Nacken aufstellten. 

 

Die Halbmaske hing schief herab, festgepinnt wie ein dunkles Omen. Neji konnte sich bereits denken, was es prophezeite. Die Schatten schrumpften weiter, glitten wie Öl von der Bühne, rannen in einem sinnlichen Wispern über die Tatamimatten und die Wände hinauf, um jedes Licht auszusperren. Ranken aus Schwarz strichen direkt an dem Hyūga vorbei und flossen hinter ihn. 

 

Nejis Körper wurde geradezu elektrisch vor Anspannung – doch er wandte sich nicht um. 

 

Das gesamte Dōjō schien sich zusammenzuziehen; wie eine Kehle, die zugeschnürt wurde, gefangen in dem Griff einer Schattenhand, die jedes Licht auswrang. 

 

Neji schnappte nach Luft und kämpfte verzweifelt gegen die klaustrophobische Empfindung an. 

 

Die Temperatur fiel um mehrere Grade und kühlte den Schweiß auf seiner Haut ab. Für einen sehr lange andauernden Moment herrschte absolute Stille. Das einzige Geräusch war das Pochen seines Herzschlages und das Pulsieren von Adrenalin in seinen Venen. 

 

Weitere Stille. 

 

Ohne eine Warnung wurden die Schatten nahe der Decke des Dōjōs dünner und gestatteten es dünnen Lichtstrahlen, die Dunkelheit zu durchdringen, die im Raum hing. 

 

Und dann hörte er es. 

 

Das leise Streichen von Füßen über Tatamimatten; die Geschwindigkeit langsam und träge, vollkommen entspannt in ihren Schritten. Es war eine unauffällige und unbedachte Herangehensweise; ein Mann, der keinerlei Versuch unternahm, seine Bewegungen zu verschleiern. 

 

Nicht nötig…

 

Unauffällige Männer waren immer die, bei denen es am gefährlichsten war, sie zu unterschätzen. 

 

Neji stierte mit glasigen Augen geradeaus, seinen Fokus vollkommen auf den Mann hinter sich gerichtet. 

 

Und endlich sprach der Shinobi. 

 

„Du denkst, du weißt, was es bedeutet, gebrochen zu sein, Neji?“, fragte Shikaku mit seinen rostigen Tönen, die wie eine raue Handfläche Nejis Wirbelsäule entlang strichen und seine Nerven straff zogen. „Du kannst dir all die Möglichkeiten nicht einmal ansatzweise vorstellen, durch die ANBU dafür sorgen wird, dass du dieses Wort völlig definierst.“

 

Ein Muskel zuckte in Nejis Kiefer; seine Augen blieben starr auf die zerbrochenen, gezackten Winkel der Maske gerichtet. Er hielt sein Schweigen aufrecht und sein Puls schlug heftig an einer Seite seines Halses – als würde eine unsichtbare Klinge an seiner Kehle liegen. Nicht, dass Shikaku eine versteckte Waffe nötig hätte. Er war diese Waffe. Eine menschliche Waffe, die in Schatten verborgen war. Eine ebenso tödliche Klinge wie alles, das aus Stahl geschmiedet war. 

 

„Ist dir die Folgerung daraus bewusst?“

 

„Ja“, antwortete Neji leise.

 

„Dann hast du vier Tage, um dir vorzustellen, was du denkst, was diese Folgerung ist“, sagte Shikaku mit einer Stimme, die immer weiter entfernt klang. „Und dann wirst du dich entscheiden, ob du bereit für die Realität bist.“

 

Nejis Augen weiteten sich. 

 

Vier Tage?

 

So bald schon? Er hatte erwartet, dass der Nara ihn für eine Weile zappeln lassen würde. Neji drehte den Kopf und suchte aus dem Augenwinkel nach dem Schattenmeister, während er all seine Sinne ausstreckte, um ihn finden zu können. Doch er konnte keine Chakra Signatur identifizieren. Nicht einmal die geringste Spur davon. 

 

Unglaublich…

 

Phantomhafte Bewegungen zogen seinen Blick auf sich. 

 

Die Schatten zogen sich von den Wänden zurück, lösten sich auf und drifteten nach unten, um an das andere Ende des Dōjō zu fließen. Neji sah hinüber, folgte der Strömung aus Schwarz bis zu dem Gebetsraum an der entgegengesetzten Seite, während er die Geschwindigkeit und Stille bestaunte, mit der sich Shikaku bewegt hatte. Er lief wie ein Schleier zwischen Welten; eingehüllt in den samtenen Mantel seiner Schatten, als er in die Dunkelheit der Türschwelle eintauchte. 

 

Neji blinzelte und drehte sich noch etwas weiter. „Und was dann?“, rief er.

 

Shikaku ließ ein tiefes, freudloses Lachen hören und seine Stimme entschwand in dieselbe Schwärze wie sein Körper. „Vier Tage, Hyūga.“

 

Und als sich die Dunkelheit wieder öffnete, war der Nara fort.

 

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Und es wird philosophisch ;) Zumindest empfinde ich das Gespräch zwischen Kakashi und Asuma als ziemlich philosophisch :D Wie erging es euch dabei? ;) Ich hoffe auf jeden Fall sehr, dass es euch gefallen hat und ja, ich kann mir vorstellen, dass es den/die ein/e oder andere/n von euch emotional ziemlich getroffen hat, gerade das Ende des Gespräches...ich schiebe all denjenigen Taschentücher und eine riesige Schüssel Schokokekse hin! <3

Ahja und Kakashi wird ab dem nächsten Teil übrigens auch öfter in Erscheinung treten und auch ist in einer Art 'Beziehung'...Habt ihr eine Vermutung oder vielleicht sogar eine Art Hoffnung, um wen es sich dabei handeln könnte? ;) Würde mich MEGA interessieren, wen ihr an seiner Seite sehen könntet/gerne an seiner Seite sehen würdet ;) Und ich verrate nicht, ob es Hetero oder Slash ist :D
 

Auch für Neji wird es immer Ernster auf jeden Fall, wie es scheint...würde mich sehr freuen zu erfahren, was ihr in diesem Kapitel von Hiashi haltet ;) 
 

Und ja was soll ich sagen...eigentlich ist es eine richtige Schande, dass ich ausgerechnet heute ein Kapitel hochlade, in dem Shikamaru nicht vorkommt...immerhin ist heute sein Geburtstag! 

HAPPY BIRTHDAY, Nara!!! <3 <3 
 

Two more chapters to go...ja, die Geschichte neigt sich ihrem Ende zu! Wie immer würde ich mich wieder sehr über ein paar Kommentare freuen und bedanke mich bei allen Reviewer/innen und Leser/innen *-* <3

Next time around...Shikamaru

‚Törichter Junge. Du solltest mit jemandem sprechen.‘

 

‚Das letzte Mal, als ich derart besorgt um dich war, habe ich niemals eine Antwort bekommen.‘

 

Shikamaru hörte die Stimmen, als kämen sie aus weiter Ferne. Sie flossen in einem verzerrten und sich überlappenden Ton ineinander und versuchten, seinen Schwebezustand aus Halbschlaf zu durchdringen. 

 

‚Ich war nicht da. Aus welchem Grund auch immer. Was auch immer passiert ist. Und es tut mir leid.‘

 

‚Du solltest mit ihm reden.‘

 

Neji…

 

‚Träume fühlen sich nicht so an, oder?‘

 

Etwas Nasses berührte seine Stirn. 

 

Shikamaru schreckte aus seinem Dösen auf und wischte mit einer Hand durch die Luft über seinem Kopf. Vorsichtig rieb er an der feuchten Stelle auf seiner Stirn und spähte durch schwere Lider auf, um festzustellen, dass der Himmel des Spätnachmittags in den Sonnenuntergang übergegangen war. Wolken breiteten ihre hauchdünnen Strähnen wie wattige Ströme aus, deren Ränder in Rosa und Rot getaucht waren. Sie sahen aus wie ein blutiges Tuch.

 

Shikamaru atmete tief ein und ließ die Luft nach und nach aus seinen Lungen fließen.

 

Atme…

 

Eine kühle Brise strich durch das Gras um ihn herum und trug das Aroma von Lehm und Blättern mit sich. Vertraute Gerüche auf vertrautem Boden. Langsam bewegte er die Finger, um die Erde unter seinen Handflächen zu spüren. 

 

Sich erden…

 

Deswegen war er hierher gekommen. Um seinen Kopf klar zu bekommen und sich auf das dämliche weiße Buch zu konzentrieren, dessen Geheimnisse er versucht hatte zu lösen. Dabei einzuschlafen war allerdings nicht Teil des Plans gewesen. 

 

Super. Wie viele Stunden hat mich das jetzt schon wieder zurück geworfen?

 

Eine Hirschnase erschien über ihm und strich über seine Stirn. 

 

Grunzend wandte Shikamaru das Gesicht ab, während er eine Hand hob, um die Hirschkuh sanft am Hals wegzuschieben, als er versuchte, der neugierigen Nase zu entkommen. Sie knabberte an den Enden seines Haares und fing sich dadurch ein tadelndes Grummeln von dem jungen Nara ein. 

 

„Wie lästig…“

 

Die Hirschkuh blinzelte züchtig mit weichen braunen Seen, was nur als das Hirsch-Äquivalent eines ‚Dackelblickes‘ beschrieben werden konnte. 

 

„Tz.“ Sachte lächelnd griff Shikamaru nach oben, um liebevoll ein weißes Geburtsmal an der Wange des Tieres zu kraulen. „So, zufrieden?“

 

Die Ohren des Hirsches zuckten und drehten sich, angezogen von dem Klang seiner Stimme. Sie zullte an den Rückseiten seiner Finger und schnupperte nach Reiscrackern. Verdammt. Er hatte die ganzen Shika Sembei Kekse in seinem Knappsack gelassen. Tatsächlich war der einzige Gegenstand, den er außer dem Akatsukibuch mitgebracht hatte, das Geburtstagsgeschenk, von dem Ino ihm befohlen hatte, es als letztes zu öffnen. 

 

Das Beste bis zum Schluss aufheben, huh?

 

Shikamau schwang leicht mit den Armen, als er sich aufsetzte und schreckte die Hirschkuh damit auf. Er murmelte sanft, um sie zu beruhigen und streichelte ihren eleganten Hals mit einer Hand, während er mit der anderen das Geschenk in seinen Schoß zog. In dem Versuch, den Gegenstand anzuknabbern, schob sie ihren Kopf über seine Schulter.

 

„Oi!“ Sofort zog Shikamaru die Schultern hoch und schubste sie zaghaft weg. „Geh und nerv meinen alten Herrn.“

 

Doch als der Schattenninja anfing, das boxförmige Geschenk zu öffnen, faltete die Hirschkuh ihre dünnen Beine unter sich, um sich neben ihm niederzulassen und ihr Kinn auf seinem Schenkel abzulegen. Und da sein Schoß dadurch bereits besetzt war, legte er die Kiste auf dem Boden ab. Langsam zog er das schwarze Samtband ab und hakte einen Daumen in den Deckel, um ihn mit der wachsamen Vorsicht eines Ninjas anzuheben, der eine Blitzgranate erwartete. 

 

Keine Detonation. 

 

Nur ein großes Buch. 

 

Shikamaru legte den Kopf schief und die Vorsicht verschwand von seinem Gesicht. Es gab kaum Möglichkeiten, auf die dieses Ding gefährlich oder erniedrigend sein könnte. Mit erhobenen Brauen griff er in die ausgepolsterte Kiste, um das ledergebundene Buch herauszuziehen. Das Rascheln von Seidenpapier brachte die Ohren der Hirschkuh zum Zucken und sie schob rasch ihre Nase unter Shikamarus Knie, um sich zu verstecken. Sofort ergriff Shikamaru die Gelegenheit, das Buch in seinem Schoß abzulegen und aufzuschlagen. Leichte Belustigung zupfte an seinen Lippen, als er das farbenfrohe Design und den Titel auf der ersten Seite bemerkte: 

 

DIE GESCHICHTE DEINES LEBENS…bis jetzt…

 

Fasziniert begann Shikamaru, noch ein paar weitere Seiten umzudrehen und während er so durch das Album blätterte, verzog sich seine Miene zu einem seltenen, ausgewachsenen Lächeln. 

 

Unmöglich…

 

Sachte strichen seine Finger über die Ränder von Fotos, Anmerkungen und Skizzen, während er den Kopf schüttelte. Ino und Chōji hatten sich selbst übertroffen; vor allem Ino. Sie hatte das Album mit allem vollgestopft, was sie mit dem Schattenninja und Team 10 in Verbindung brachte. Sie hatte sogar eine regenbogenfarbige Karte von Niji hineingeklebt und den Kaffee dick und fett eingekreist, den Shikamaru jedes Mal bestellte – und sie hatte sich sogar die Freiheit genommen, daneben zu kritzeln, was ihrer Meinung nach alles bei der Produktion dieses schwarzen Schlammes verwendet wurde. 

 

Wann hatte sie überhaupt die Zeit dafür?

 

Im Ernst, das gesamte Buch war wie ein Kunstprojekt; eine detaillierte und kreative Aufzeichnung der besseren und besten Zeiten. Sogar Kiba und Naruto hatten sich mit Kreidezeichnungen und Buntstiftmisshandlungen eingebracht. Chōji hatte auch ein paar Schnappschüsse ihrer Hanegakure Mission beigefügt. Es gab aber auch noch einige leere Seiten, auf denen Bleistiftnotizen wie „Bilder kommen noch, Drückeberger“ standen. 

 

Darauf würde ich wetten…

 

Er würde ebenso darauf wetten, dass ein paar dieser Fotos auch den Dämlichen Vogel beinhalten würden. 

 

Shikamaru lachte leise und zog damit die Aufmerksamkeit der Hirsche auf sich, die um ihn herum grasten. Drei weitere Hirschkühe trotteten näher, während andere einfach nur fortfuhren, sich durch das Unterholz zu knabbern und nach den besten Wurzeln zu suchen. Etwas weiter den Hang hinauf beobachtete Rikumaru seinen Harem und drehte seinen riesigen Kopf, um Shikamaru mit seinen Schlehenaugen zu mustern, die in den brennenden Farben des Sonnenuntergangs weich schimmerten. 

 

Vollkommen ahnungslos von seinem Beschützer fuhr Shikamaru fort, das Album zu studieren, hielt bei manchen Bildern etwas länger inne und tat so, als würde er andere ignorieren, die entweder viel zu peinlich oder zu bizarr waren, um sie sich anzusehen, ohne dass jemand bei ihm war, mit dem er seine Belustigung oder seine Genervtheit teilen konnte. 

 

Verdammt. Sein ganzes Leben; eingefasst in ein Buch.

 

Naja, die gekürzte und bearbeitete Version seines Lebens. Aber eine, die die Dinge in eine ganz andere Perspektive rückte; sie sorgte sicherlich dafür, dass die dunkle Seite seiner Vergangenheit viel weiter entfernt schien, als es noch während der letzten paar Tage der Fall gewesen war. Das war eine unerzählte Geschichte, eine Zeit aus Schwarz und Weiß; frakturiert und halb vergessen. 

 

Ich will es nicht wissen…

 

Sein Verstand hatte bei diesen Erinnerungen weit mehr als einfach nur die Farbe weggelassen. Sein Hirn hatte all das verstopft, von dem er nur annehmen konnte, dass es das Schlimmste davon war…was ihn damit zurück ließ, sich mit dem Rest auseinander zu setzen und zuzusehen, wie es hinunter in die Schatten in ihm wirbelte, als wäre es Blut, das einen Abfluss hinab rann. 

 

‚Es hat für zwei Jahre ganz wunderbar funktioniert. Ich habe es losgelassen.‘

 

‚Wir bekommen keine Albträume von Dingen, die wir losgelassen haben.‘

 

Energisch verdrängte Shikamaru Nejis Stimme und ignorierte die Fragen und Ängste, die die Worte des Hyūga ausgelöst hatten, bevor er die nächste Seite umblätterte. 

 

Er wurde vollkommen regungslos. 

 

Zwei Bilder dominierten die Mitte der Seite, eins neben dem anderen. Beide waren Fotos von ihm und Asuma, wie sie Shogi spielten, doch zu unterschiedlichen Zeiten aufgenommen; das eine war ein körniger Schnappschuss, der drei Jahre zurücklag und das andere ein aktuelles Foto, das Ino aus irgendwelchen Büschen heraus geschossen haben musste. Witzigerweise trug Asuma auf beiden Fotos genau denselben Gesichtsausdruck: Verzweiflung und Unglaube. Und Shikamaru bemerkte, dass sich auch seine eigenen Reaktionen kaum verändert hatten. Ein träges schiefes Lächeln mit dem Kopf leicht auf eine Seite gelegt, um Langeweile vorzutäuschen.

 

Zaghaft berührte Shikamaru die Ecke eines Fotos. 

 

Und wie ein elektrischer Schock in seinem Hinterkopf, katapultierte sein Hirn die Worte nach vorn, die sein Sensei vor vierzehn Tagen zu ihm gesagt hatte. 

 

‚Für zwei ganze Wochen warst du ein vollkommen anderer Mensch. Niemand hat etwas geahnt. Aber selbst auf Missionen wusste ich es in meinem Innersten…und in der Art und Weise, wie du Shogi gespielt hast. Wie ein Fremder. Du warst körperlich anwesend; aber du warst nicht da.‘

 

Das ist nicht wahr…

 

Shikamaru schluckte gegen den plötzlichen dumpfen Schmerz in seiner Kehle an. „Du liegst falsch…“, hauchte er der Seite entgegen und zuckte wegen der Heiserkeit in seiner Stimme beinahe zusammen. 

 

Die Hirschkuh hob den Kopf und blinzelte ihn sanft an. Benommen stierte Shikamaru auf die Seite. Das plötzliche Brennen von Emotionen in seinen Augen überraschte ihn; verängstigte ihn. Er versuchte zu schlucken und sein Atem bebte. 

 

‚Gestatte dir endlich, zornig zu sein. Gestatte dir, traurig zu sein.‘

 

Seine eigenen Worte, seine eigene Stimme, sein eigener Ratschlag kam zurück, um ihn in den Arsch zu beißen. Wie verfickt vorhersehbar. Wie heuchlerisch. Monatelang hatte er sich selbst betrogen, hatte vorgegeben, intakt zu sein und gehofft, dass alle anderen ihm das abkaufen würden. Verdammt, er hatte es beinahe geschafft, sich für zwei verfickte Jahre selbst davon zu überzeugen.

 

Bis Neji kam…

 

Danach hatte alles begonnen, sich an den Nähten aufzutrennen und er hatte sich bemühen müssen, den verbindenden Faden der Lügen wieder aufzunehmen. Der Gedanke daran, dass er Neji immer wieder über all die Gefahren der Vermeidung gepredigt hatte, während er selbst vollkommen zum Dogma der Verleugnung konvertiert war. Nach Nejis Wahrheit zu suchen, hatte Licht auf seine eigenen Lügen geworfen. Auf eine Vergangenheit, der er sich einfach nicht stellen konnte. Und Neji wusste das genauso gut wie Asuma…

 

‚Bei all den Lügen zwischen uns, Shikamaru, sind keine annähernd so beleidigend für mich, wie die Wahrheiten, die du verdreht hast. Und ich wäre zornig, wenn ich nicht wüsste, dass du solche Angst hast.‘

 

Und was Shikamaru schlimmer zerriss als die Angst selbst, war der Gedanke, dass sich Asuma in irgendeiner Weise dafür verantwortlich fühlte.

 

‚Ich habe dich im Stich gelassen.‘

 

Nein.

 

Kopfschüttelnd schloss Shikamaru das Fotoalbum und atmete zitternd aus. Es gab viele Dinge, mit denen er leben konnte; die zerbrochenen, halb im Gedächtnis behaltenen Erinnerungen von dem, was ihm zugestoßen war, als er fünfzehn Jahre alt gewesen war. Aber womit er nicht leben konnte, war das Wissen, dass sein Sensei eine Schuld und einen Sinn für Verantwortlichkeit schulterte, die Asuma mehr als wahrscheinlich ins Grab bringen würden. 

 

‚Du musst das Gefühl gehabt haben, als hätte ich es einfach nicht versucht. Dass ich es einfach habe verstreichen lassen. Als hätte ich dich einfach so verstreichen lassen.‘

 

Nein; du hast es versucht…

 

Scheiße, Asuma war derjenige gewesen, der Shikamaru davon abgehalten hatte, sich komplett selbst zu verlieren. Jedes einzelne Shogispiel mit seinem Sensei hatte sich angefühlt, als hätte er ein zerbrochenes Teil von sich selbst wieder bekommen. Ein Teil nach dem anderen. 

 

Durch dich bin ich stark geblieben…

 

Shikamaru sah hinauf in den Himmel und beobachtete, wie sich die rotgetauchten Schattierungen zu vertiefen begannen. 

 

Also bin ich jetzt an der Reihe…es zu versuchen…

 
 

~❃~
 

 

Vier Tage…

 

Die Frist ragte wie die dunklen Wolken eines Sturmes am Horizont von Nejis Verstand auf und drang in seine Meditation ein. Er fand keinerlei Klarheit in der Stille, keinen Silberstreifen der Sicherheit. Zweifel wehten herein und bewölkten seinen Verstand, sanken tiefer in ihn und hingen schwer über seinem Herzen. 

 

‚Du denkst, du weißt, was es bedeutet, gebrochen zu sein, Neji? Du kannst dir all die Möglichkeiten nicht einmal ansatzweise vorstellen, durch die ANBU dafür sorgen wird, dass du dieses Wort völlig neu definierst.‘

 

Von all den Dingen, die sich Neji in diesem Zusammenhang vorstellen konnte, war eines der Konflikt gewesen, sein Gewissen aufzugeben, um seinem Käfig entkommen zu können. Aber war das nicht der Preis des Überlebens? Wenn ja, war dann sein eigener Kampf ums Überleben auf die Verzweiflung zurückzuführen, sich dem Schicksal zu stellen und es zu bekämpfen, oder auf sein Verlangen danach, sich davon zu befreien?

 

‚Verlangen oder Verzweiflung, Neji? Was ist es, was ein Zweighaustier antreibt?‘

 

Hitaros Worte wirbelten zusammen mit Shikakus durch seinen Geist; zwei elementare Stimmen, die Öl auf das Feuer hinab regnen ließen. Der Zorn spuckte und zischte, knisterte und brannte. 

 

Tief durchatmend legte Neji seine Hand flach gegen seinen Solarplexus. 

 

Die Wut milderte sich zu einem Glimmen. 

 

Atme…

 

Bedächtig lehnte er sich zurück gegen die feste Stütze des Baumes und atmete langsam durch die Nase aus. Die Ruhe kam in einer kühlen Woge…und dann erschien etwas anderes auf seinem mentalen Radar. 

 

Chakra…

 

Nejis Augen flogen auf und schwangen nach oben, um sich auf die beschattete Gestalt zu richten, die in den Zweigen über ihm saß und ihn über den Rand eines schmalen Buches hinweg ansah.

 

Nejis Lippen spannten sich an. „Kakashi-senpai.“

 

Kakashi setzte eine spöttisch überraschte Miene auf. „Beeindruckend. Ich bin nicht einmal dazu gekommen, eine Seite umzublättern.“

 

Doch Neji sah überhaupt nicht amüsiert aus. Sein Maß, aus den Schatten heraus beobachtet zu werden, war inzwischen randvoll. Noch immer fröstelte er bei dem Gedanken an Shikakus eindrucksvolle Demonstration, die nur wenige Stunden zurück lag. Er war überhaupt nicht in Stimmung für irgendeine Art von Gesellschaft. Und wie um das auch deutlich zu vermitteln, hielt er seinen Blick kühl und seine Miene verschlossen. 

 

Kakashi ließ sein Buch zuschnappen, während er in falschem Bedauern den Kopf neigte. „Tut mir leid, dich zu stören.“

 

Nein, das tut es dir nicht…

 

Neji schnaubte beinahe angesichts dieser Ironie. Es war alle Arten von ‚störend‘, dass sich Elitejōnin von allen Seiten an ihn heran schlichen. Und was es nur noch schlimmer machte, war das Wissen, dass diese ‚Störungen‘ in den kommenden Tagen die geringste seiner Sorgen sein würden – was ihn aber nicht davon abhielt, die Brauen zusammenzuziehen, als Kakashi zu ihm herunter sprang. 

 

„Meditieren oder Grübeln?“

 

Unwillens, einen Nachteil an Höhe zu erleiden, kam Neji auf die Füße. „Beides.“

 

Lügen hatte keinen Sinn. Kakashi würde ihn sofort durchschauen. Trotzdem bekam Neji keinerlei Wertschätzung für seine Ehrlichkeit, nur einen undechiffrierbaren Seitenblick. Kakashi schien über irgendetwas nachzudenken, bevor er sich dem Gedenkstein zuwandte und sich die Wimpern über seinem Auge senkten. 

 

„Dein Vater wurde von ANBU rekrutiert, nicht wahr?“

 

Neji schaffte es, seinen Schmerz besser in sich zu halten als seinen Zorn. Sein Kiefer verkrampfte sich. „Ist das eine Art letzter Versuch, mich dazu zu bringen, auszusteigen?“

 

Kakashi schüttelte den Kopf. „Wie es scheint, hast du dich bereits entschieden.“

 

„Ich habe mich vor langer Zeit entschieden.“

 

Die Überzeugung in seiner eigenen Stimme überraschte Neji. Wenn man seine vorherigen Zweifel bedachte, war es wie ein Lichtstrahl, der durch den Nebel in seinem Verstand stach. Ein wegweisender Schein…und er war noch nicht einmal im Tunnel.

 

Als hätte er seine Gedanken gelesen, bedachte Kakashi ihn mit einem weiteren Seitenblick. „Nichts bereitet dich darauf vor.“

 

Neji hielt das Starren des Kopierninjas, wobei Trotz und Entschlossenheit der einzige Puffer waren, den er gegen den Biss aus Erfahrung in Kakashis Worten aufbringen konnte. „Ich weiß.“

 

Er wartete auf die ‚Nein, du denkst, dass du das weißt, wovon du dir wünschen wirst, es wirklich gewusst zu haben‘ Rede, um seinen Verstand durcheinander zu bringen. Doch sie kam nicht. Stattdessen griff Kakashi in seine Flakjacke und zog eine dünne Schriftrolle hervor, die er ihm reichte. Skeptisch beäugte Neji sie, nahm sie aber dennoch entgegen. Alles war besser, als eine zerbrochene ANBU Maske. Oder ein Käfig aus Schatten. 

 

Sich auf die derzeitige Angelegenheit konzentrierend, entrollte er das Pergament mit einem Rucken des Handgelenks, bevor er einen einzigen Blick auf den Text warf und die Stirn runzelte. „Eine Mission.“

 

„Naja, ich schätze, Sekpsis ist besser als Überraschung“, sagte Kakashi mit leichter Stimme, aber scharfem Blick. 

 

Neji schüttelte den Kopf. „Warum wurde ich beauftragt?“

 

„Hmn?“ Kakashi summte in trügerischer Unschuld. „Ich denke, du wirst mir zustimmen, dass die Chancen dafür enorm steigen, wenn du dich für jede A-Rang Mission freiwillig meldest. Du lässt den Rest von uns ziemlich schlecht dastehen.“

 

Neji stierte ausdruckslos auf die Missionsbeschreibung; es war die Art, für die man sich nicht anmeldete, sondern der man zugewiesen wurde, ohne dass Fragen gestellt wurden. „Das ist ein S-Rang.“

 

„Mit den derzeitigen Entwicklungen von Akatsuki, sind A-Rang Missionen nicht länger die Priorität von Elitejōnin. Und auch wenn ANBU deine persönliche Priorität sein mag, habe ich es doch so verstanden, dass Shikaku-senpai noch vier Tage bleiben, um alles Blut aus dir zu quetschen…“ Kakashi machte hier eine Pause und legte den Kopf in unechter Abwägung schief. „Naja, zumindest, bevor du es freiwillig anbietest, versteht sich.“

 

Neji versteifte sich und ließ sofort einen langen Atemzug durch die Nase sickern, um gleichzeitig seine Spannung zu lösen. Auf Kakashis zweischneidigen Humor zu reagieren, würde ihm überhaupt nichts bringen. Es war auch nicht so, dass er nicht erwartet hätte, dass ein oder zwei Haken auf ihn zufliegen würden, völlig egal wie lässig und unschuldig Kakashi es immer aussehen ließ. Es war stets schwer einzuschätzen, was zur Hölle eigentlich Kakashis Motive waren, auch wenn sich Neji ziemlich sicher war, dass der Kopierninja – wie jeder andere auch – wahrscheinlich gegen ihn agierte, soweit es ANBU betraf. 

 

Es kam ihm sehr verspätet in den Sinn, dass ihn dabei niemand unterstützte. 

 

Nicht sein Clan, nicht seine Kameraden, nicht seine Vorgesetzten…

 

Niemand…

 

Das starke Empfinden von Einsamkeit, das dieser Gedanke durch ihn sandte, hätte ihn vielleicht geschmerzt, wenn er nicht bereits zu taub wäre, um noch etwas fühlen zu können.

 

Lügner…

 

Die Wahrheit war, dass es ihn niemals geschmerzt hatte, allein zu sein – bis Shikamaru kam. Und es machte Sinn. Wenn man bedachte, dass er jedes Mal Teile seines Selbst bei dem Schattenninja zurück ließ, wenn er sein Versprechen brach und nahe genug kam, um zu wollen, zu sehnen, zu brauchen…

 

Zu fühlen…

 

Verzweifelt drängte Neji das Aufsteigen von Emotionen nach unten und überflog noch einmal die Missionsbeschreibung; nahm die Details Wort für Wort in sich auf, bis sein Fokus schärfer wurde. „Weißt du, wann die die Informationen zu diesem Vorfall eingetroffen sind, Senpai?“

 

„Steinadler; vor etwa zehn Minuten.“

 

Nejis Kopf ruckte schlagartig nach oben. „Adler?“

 

Kakashi ließ das kurz auf sich wirken und nickte. „Wie es aussieht, ist dein Tsubasa Botschafter auf seinem Weg an einem zerstörten Ort vorbei gekommen. Das Gebiet war wohl völlig ruiniert und angefüllt mit Chakra. Byakuganaugen werden bei der Suche nach der Chakra Signatur sehr nützlich sein.“

 

„Ich verstehe“, murmelte Neji abgelenkt, da er bereits Zeit und Entfernung berechnete. Wenn die Hokage ausdrücklich wollte, dass man diese Chakrasignatur überprüfte, würde er schnell handeln müssen, bevor sich die Energiespuren verdünnen und auflösen würden. 

 

Lee wird die Reisezeit halbieren.

 

Was vermutlich eine Untertreibung war, wenn man bedachte, dass Lees innere Uhr ganz standardmäßig in doppelter Geschwindigkeit lief. Er würde wahrscheinlich sogar noch einen drauflegen, einfach nur, um den Gesetzen der Physik zu trotzen. Neji war kurz davor zuzugeben, dass Lees Kondition und Durchhaltevermögen kaum zu übertreffen waren. 

 

Unglaublich.

 

Denn während der Hyūga zwar stolz auf seine eigene mehr als solide Verfassung war, war Lees Fähigkeit, die Grenzen körperlicher Ausdauer zu überschreiten, schlicht und ergreifend erstaunlich. Ob Tenten Nejis stumme Bewunderung nun teilte oder nicht war etwas, das sie niemals während einer Mission zugeben würde, damit es nicht noch mehr Lees unendliche Energiezufuhr befeuerte. Energie, die in ständiger Bewegung war. 

 

Nejis Lippen zuckten an einem Mundwinkel. 

 

Tenten wird schon mithalten…

 

Das tat sie immer, auch wenn sie schnaufte und ächzend nach einer Pause verlangte. Ehrlich gesagt hatte Neji keinerlei Probleme damit, ihren vollkommenen Mangel an Enthusiasmus zu teilen, wenn es darum ging, wie ein Laubfrosch über Schluchten zu springen oder Abhänge hinauf zu kraxeln, die so nah an Vertikalität waren, dass Neji immer noch keine Ahnung hatte, wie Lee das geschafft hatte, ohne Chakra in seine Füße zu kanalisieren. 

 

Lächerlich…und dennoch bemerkenswert…aber trotzdem lächerlich…

 

Er schaffte es, sich vom Schmunzeln abzuhalten und schob die Schriftrolle in seine Robe. 

 

„Ich werde mein altes Team mit mir nehmen“, antwortete er letztendlich. „Vielleicht werde ich Verstärkung anfordern, sollte es sich um Akatsuki handeln.“

 

Statt zu nicken, kippte Kakashis Kopf auf eine Seite und er unterstützte sein nonverbales ‚möglicherweise‘ mit einem leisen Seufzen. „Gemessen an dem Ausmaß an Schaden, suchen wir vielleicht sogar nach einem Bijū.“

 

Nejis Augen wurden rund. 

 

Götter…

 

Nun, das wäre sicherlich ein Grund für einen S-Rang, selbst wenn Akatsuki nichts mit dem Vorfall zu tun hatte. Aber wenn man so darüber nachdachte, dann hatte dieser haigesichtige Akatsuki, mit dem sie es in der Vergangenheit zu tun gehabt hatten, ein Chakra aufgewiesen, das dem eines Jinchūriki entsprach. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass besagte Jinchūriki ins Visier genommen worden waren. 

 

Wie ein Erdmännchen erschien Narutos Gesicht in Nejis Verstand. 

 

So weit wird es nicht kommen…

 

„Du brichst am besten schnell auf, damit du rechtzeitig wieder zurück bist“, riet Kakashi ihm und zog sein Hitai-ate zurecht, bevor er noch einen willkürlichen Gedanken dazu warf: „Oh und es wäre am besten, wenn diese Mission strikt unter Verschluss bleibt.“

 

Übersetzung: verschwinde leise und schnell, damit nicht noch jemand laut und rücksichtslos drauf los prescht. 

 

Neji hielt seine Belustigung zurück, doch sein Argwohn sickerte in Form leicht zusammenziehender Augen in seine Miene. „Es warst nicht zufällig du, der mich für diese Mission vorgeschlagen hat, oder, Senpai?“

 

Kakshi blinzelte weitäugig und nahm einen pseudo-unschuldigen Tonfall an, der dazu gedacht war, Antworten zu erhalten, ohne dabei selbst irgendetwas preiszugeben. „Na, warum sollte ich mir denn so eine Mühe deswegen machen?“

 

„Ich befinde mich nicht in Narutos unmittelbarem Freundeskreis“, bemerkte Neji. „Also macht es nur Sinn, dass du eher mich damit beauftragst, statt zu riskieren, dass irgendeiner der anderen Wind davon bekommt.“

 

Eine silberne Braue wanderte nach oben. „Das ist deine Theorie?“

 

Neji kaufte ihm dieses Getue nicht für eine Sekunde ab, spielte aber dennoch mit; sich wohl bewusst, dass er getestet wurde – schon wieder. „Ich war dabei, als Naruto dem Kazekage hinterher ist…und ich habe die Worte gehört, die er an Gaaras Körper gesprochen hat, bevor er wiederbelebt wurde. Wenn Naruto herausfindet, dass ein weiterer Jinchūriki in Gefahr ist…“, langsam brach er ab. Er musste nicht noch mehr über die Auswirkungen sprechen. „Ich habe kein Problem damit, Naruto zu belügen, um ihn dadurch zu schützen, oder Informationen aus demselben Grund zurückzuhalten. Abgesehen von Shikamaru, wem sonst würdest du das zutrauen, ohne das sich derjenige schuldig fühlen würde?“

 

Kakashi neigte leicht den Kopf und ein ungesehenes Lächeln schwebte in seiner Stimme mit. „Wir tun, was notwendig ist, nicht wahr?“

 

Nejis Brauen zogen sich zusammen, aber er konnte keinerlei Sarkasmus in Kakashis Worten feststellen…was seltsam war, wenn man bedachte, dass der Kopierninja Neji vor ein paar Tagen noch dafür verspottet hatte, ‚Notwendigkeit‘ zu einem Motiv zu machen. Dass Kakashi jetzt seine Sprache sprach, statt in verdreht linguistischen Zungen zu reden, trug nur noch mehr dazu bei, dass dieses Zusammentreffen irgendwie…verstörend war…aber es erforderte auch weniger steife Defensiven. 

 

Nejis Miene wurde etwas weicher. „Woher wusstest du, dass ich hier sein würde?“

 

Kakashi spähte zu dem Gedenkstein. „Weil das hier der Ort ist, an den ich immer gekommen bin, bevor ich die Entscheidung getroffen habe, die du schon vor langer Zeit getroffen hast.“ Das graue Auge zuckte für einen kurzen Moment, doch Kakashi erholte sich rasch. „Und laut Pakkun riechst du immer noch toxisch genug, um dich sofort aufzuspüren.“

 

Neji schnaubte, um das Schmunzeln zu glätten, das sich auf seine Lippen zu legen drohte. Bedächtig folgte er dem Blick des Schattenninjas und sah zu, wie das tiefrote Licht über das Monument floss, als würde Blut von dem polierten Stein aufgesogen. 

 

„Bereust du es?“, fragte Neji und bereute es seinerseits, diese Frage gestellt zu haben, kaum dass sie seinen Mund verlassen hatte. 

 

Kakashi hielt seine Aufmerksamkeit weiterhin auf das Kenotaph gerichtet. „Befürchtest du, dass es dir vielleicht so ergehen wird?“

 

„Nein“, erwiderte Neji viel zu scharf und biss sich auf die Zunge, um sich davon abzuhalten, das Gesicht zu verziehen. 

 

Kakashi spähte aufmerksam zu ihm hinüber. 

 

Und Neji hielt diesen Blick ebenso wie seine Stellung, trat sich aber innerlich heftig für diesen weiteren Fehler. Sein Tonfall hatte die Antwort als das entlarvt, was sie war: eine Lüge. Doch der Kopierninja wies ihn nicht deswegen zurecht. Stattdessen trat der silberhaarige Jōnin näher an das Mahnmal, während sein abgeschirmtes Auge über die Namen glitt, die in den Stein geritzt waren. 

 

„Naruto ist nicht der einzige Grund, aus dem ich dich bitte, diese Mission zu übernehmen, Neji.“

 

Neji starrte auf Kakashis Hinterkopf und brauchte einen Moment, um darüber nachzudenken, ob er sich wirklich auf dieses Gespräch einlassen wollte, oder eher nicht. Doch seine Neugier gewann. „Und der andere Grund?“

 

„Ich habe nicht gescherzt, als ich erwähnt habe, dass Shikaku-senpai dein Blut will.“

 

Na super…

 

Und genau das war der Grund, warum Neugierde mehr als nur Katzen auf dem Gewissen hatte.

 

So gefasst wie möglich einatmend, wagte Neji den nächsten Schritt. „Was meinst du?“

 

Kakashi ließ zu, dass sich der Augenblick in die Länge zog, bevor er nachdenklich summte. „Sagen wir einfach, was auch immer du getan hast, um die dunkle Seite unseres Jōnin Kommandanten zum Vorschein zu bringen; es hat dir einen heißen Stuhl direkt gegenüber von Ibiki eingehandelt.“

 

Neji blinzelte mit eiskalter Fassungslosigkeit. Für ein paar Sekunden machte ihn der Schock benommen. „Was?“

 

Langsam verlagerte Kakashi sein Gewicht auf den rechten Fuß, während er träge den Kopf drehte; gerade genug, um über die Schulter sehen zu können. „Psychologische Evaluationen und Ausdauertests sind ein Standardverfahren für potentielle ANBU Agenten. Aber während es nicht selten vorkommt, dass sie von Ibiki durchgeführt werden, ist es doch mehr als ungewöhnlich, dass Shikaku dabei einen Logenplatz hat.“

 

Fuck…

 

Neji spürte, wie sein Herz gegen seinen Brustkorb hämmerte. Lobenswerterweise schaffte er es, sein Gesicht ausdruckslos und seinen Blick beständig zu halten. Doch in seinem Inneren fühlte er, wie er wie eine Stimmgabel vibrierte und ein schriller Alarmton betäubte ihn für fast alles außer einen einzigen Gedanken. 

 

Das hätte ich kommen sehen müssen…

 

Und im direkten Anschluss dieses Gedankens bellte ihm sein Verstand die offensichtliche Frage zu. 

 

Also warum bist du dann überrascht?

 

Das hätte ihn nicht schockieren sollen. Er hatte bereits darauf gewartet, dass Shikaku eine Strafe für das austeilen würde, was er Shikamaru angetan hatte. Um die Wahrheit zu sagen, hätte er auch wirklich erwarten sollen, dass sie zu genau dem Zeitpunkt kommen würde, in dem Shikaku ihn mit einem falschen Sinn von Sicherheit eingelullt hatte. 

 

Vier Tage…

 

Er hatte angenommen, dass ihm das Zeit geben würde, neu zu bewerten, neu einzuschätzen und sich ‚vorzustellen‘ – genau wie Shikaku es formuliert hatte – was es bedeuten würde, sein selbst gewähltes Schicksal zu akzeptieren. Aber Shikaku hatte nicht ein einziges Wort darüber verloren, was er in diesen vier Tagen tun würde, während er auf Nejis Antwort wartete. Ganz offensichtlich gehörte ‚warten‘ nämlich nicht dazu. 

 

Weit davon entfernt.

 

Und wenn Neji im Begriff war, eine sprichwörtliche ‚Hirnoperation‘ mit Ibiki durchwandern zu müssen, dann hatte Shikaku niemals die Absicht gehabt, sich dabei einfach nur zurück zu lehnen und Däumchen zu drehen. Götter, wahrscheinlich hatte er sich in der Sekunde, als er Neji unversehrt aus dem Nara Wald hatte gehen lassen, in die Hocke begeben und seine Finger in dieser strategischen Rautenpose aneinander gelegt. 

 

Er hat mich getäuscht…

 

Nejis Augen wurden mit Erkenntnis groß. 

 

Er hat auf den richtigen Augenblick gewartet…darauf, dass ich aus Hanegakure zurück komme…hat sogar die Friedensverhandlungen mit einkalkuliert, wissend, dass er jederzeit seinen Rang ausspielen konnte…wissend, dass er alle Dinge exakt in Position bringen konnte…

 

Seinen eigenen Part in der Sache mit eingeschlossen.

 

Leise wie ein Schatten hatte Shikaku Vorkehrungen getroffen, um sich direkt zwischen Neji und ANBU zu positionieren – der einen Sache, die sich ganz und gar Nejis Kontrolle entzog. Und während der Hyūga zwar alles, was Ibiki ihm entgegenschleudern würde, bekämpfen und sich dem widersetzen konnte, so konnte er das Ergebnis von Shikakus Entscheidung weder beeinflussen, noch kontrollieren. 

 

Er hat mir vollkommen die Kontrolle entzogen…hat mir nichts weiter als eine Illusion davon gegeben, indem er mir diese Frist mitgeteilt hat…die Illusion einer Wahl…wenn doch die Wahl vollkommen und einzig und allein bei ihm liegt. 

 

Wieder einmal wurde sein kostbarer Wert der Kontrolle gegen ihn verwendet; und alles nur, weil er den vorsätzlich arbeitenden Verstand eines Nara mehr als unterschätzt hatte. 

 

Schon wieder…

 

Neji stieß ein schwaches Lachen aus und schüttelte ungläubig den Kopf, während er sowohl über die Ironie, als auch über die Unvermeidbarkeit staunte. 

 

Kakashi schien von dieser verzögerten Reaktion leicht fasziniert zu sein. „Nun, man sagt ja, dass nervöses Lachen bei Angst hilft. Wenn ich du wäre, würde ich mit Sicherheit ins Schwitzen geraten.“

 

Mühsam brachte Neji ein irgendwie qualvolles Schmunzeln zustande. „Ist das die Mitleidskarte, die du ausspielst, Senpai? Warum sollte es dich kümmern, was mit mir passiert? Was hast du davon?“

 

„Was ich davon habe? Wie ich dir von Anfang an gesagt, hat das hier absolut nichts mit mir zu tun“, wies Kakashi seine Worte ab und hob leicht die Schulter in einem Achselzucken, das ebenso unberührt wirkte wie sein Gesichtsausdruck. „Ehrlich gesagt, werde ich vielleicht auch auf einem heißen Stuhl enden.“

 

„Also warum tust du es dann?“

 

Die Frage lenkte Kakashis Aufmerksamkeit zurück zu dem Gedenkstein und sein Blick verharrte dort lange genug, dass Neji schon bezweifelte, er würde jemals eine Antwort bekommen. Aber wie es schien, hatte das Schicksal heute einige Überraschungen parat – und reichte ihm eine weitere. 

 

„Ich wurde von einem Freund inspiriert“, sagte Kakashi mit einer seltsam gehauchten Stimme. „Inspiriert, vorzustrecken, was ich nicht zurückzahlen kann.“

 

Die heimgesuchte Qualität dieser Worte traf auf eine schrille Saite in Nejis Brust und ließ ihn die Stirn runzeln. „Und was wäre das?“

 

Kakashi atmete leise aus und drehte den Kopf; es war eine langsame, beinahe widerwillige Bewegung. Doch ganz getreu dem Mann, der vertraut damit war, die Gesichter zu wechseln, umspielte ein rätselhaftes Lächeln den Winkel seines schiefergrauen Auges und machte das Mysterium um seine Antwort nur noch tiefer. Er sagte nichts und ließ Neji mit der vergeblichen Option zurück, seine eigenen Schlüsse zu ziehen. Doch der Hyūga bezweifelte, dass er der Wahrheit auch nur nahe kommen würde. 

 

„Am besten versammelst du dein Team und brichst früh auf“, riet Kakashi ihm, während er sich von dem Mahnmal abwandte, um an Neji vorbei zu streichen. „Ich habe Befehle, gegen Mittag einen meiner Ninken nach dir suchen zu lassen. Ich rate dir, dich bis dahin außerhalb von Pakkuns Radar zu befinden. Und Ibikis.“

 

Neji zog angesichts des abrupten Endes dieses…Zusammentreffens…die Brauen zusammen, da er erwartet hatte, dass etwas mehr Rauch und Spiegel in seinen Weg geworfen werden würfen; einfach nur, um ihn weiter raten zu lassen. Das erschien ihm alles etwas zu deutlich. Keine Stolperdrähte, keine Täuschung, nichts auszutüfteln. Mit Shikaku war er in eine Teergrube getreten und jetzt warf Kakashi ihm ein Seil zu, um ihn dort heraus zu ziehen…ohne es zu einer Schlinge zu knüpfen, um sie um seinen Hals zu hängen. 

 

„Kakashi-senpai…“

 

Er bemerkte, wie Kakashi innehielt. 

 

Keiner von beiden wandte sich um. 

 

Eine kühle Brise wehte zwischen ihnen, ließ das Gras rascheln und milderte die Schwere der Stille zu einem Wispern. Neji starrte hart auf den Gedenkstein und versuchte, aus den Namen etwas abzuleiten, versuchte, eine verborgene Botschaft zu finden, die nicht von Tod und Reue und Schicksalen sprach, die in Stein gemeißelt waren, lange bevor die Namen dort hinein geritzt wurden. 

 

„Du hast ANBU überlebt“, murmelte Neji. „Unabhängig von dem, was ich vorhin gesagt habe…du musst stärker daraus hervor gegangen sein, wenn nicht sogar als besserer Shinobi.“

 

„Du stellst ziemlich starke Vermutungen über meinen Charakter an, Neji.“

 

„Dann sag mir, dass du die Entscheidung, die du getroffen hast, bereust und ich werde diese Annahmen zurücknehmen.“

 

Ein leises Seufzen, befleckt von einer Rauheit, die Kakashis Maske nicht dämpfen und nicht einmal all seine Erfahrung verbergen konnte. „Würde es bewirken, dass du deine Entscheidung anzweifelst, wenn ich ja sage?“

 

Kopfschüttelnd verhärtete sich Nejis Kiefer. „Nein.“

 

„Dann spielt es ohnehin keine Rolle, oder?“

 

Aber sollte es das?

 

Er sprach die Worte nicht aus…fragte sich, ob Kakashi sie trotzdem irgendwie gehört hatte. Doch erneut war da nur Stille. Länger diesmal. Blätter raschelten, fielen von den Bäumen und rollten sich wie tote Zikaden zusammen. 

 

„Nein“, wisperte Neji. „Es spielt keine Rolle.“

 

Ein dumpfes Summen. 

 

„Nun, dann…“, sagte Kakashi sanft…und dann, mit demselben Atemzug, war er fort. 

 

Neji spürte, wie die Stille einer alten, vertrauten Einsamkeit um ihn herum fiel; ein Mantel, den er vor Jahren um die Ränder seines verletzten Herzens gezogen hatte. Und in dieser Stille fühlte er, wie sich die Hitze seiner Überzeugung zu einem Felsbrocken abkühlte, der ebenso hart und kalt war wie das Mahnmal, das unter den Himmeln schwarz wurde. 

 

Das ist es, was ich tun muss…das ist die Wahl, die ich treffe …

 

Und wie ein warmer Atem an seinem Ohr, kamen Shikamarus Worte zu ihm zurück…

 

‚Vergiss nicht, was ich dir gesagt habe…darüber, menschlich zu sein…‘

 

Blicklos starrte Neji auf das Kenotaph, doch statt den aufgelisteten Namen, sah er Siennaaugen, die schärfer waren, als die Kanten der geprägten Symbole. 

 

Ich werde es niemals vergessen…aber es ist Zeit zu gehen…

 

Ja. Es war Zeit zu gehen…und dennoch…

 

Und dennoch entspannte Neji seine Haltung, hob die Augen zu der lilanen Asche des Zwielichts…und wartete auf die Sterne…und wünschte sich beim ersten, den er erblickte, dass er eines Tages einen weiteren gestohlenen Augenblick mehr erleben durfte…

 

Bis zum nächsten Mal…Shikamaru…

 

 

 ____________________________

Oh ja, dieses Kapitel mag vielleicht Augen öffnend, vielleicht sogar schockierend für diejenigen sein, die in Break to Breathe noch gedacht haben, Shikaku wäre sehr mitfühlend mit Neji umgegangen und hätte eine sehr verständnisvolle, sanfte Seite gezeigt. 

Nope, Shikaku kann man hier - leider Gottes - einfach nur als berechnenden Bastard bezeichnen...er hatte NIE die Absicht, Neji einfach so davon kommen zu lassen...und er weiß, wie viel ANBU für Neji bedeutet und setzt natürlich auch genau dort an. Da hat Kakashi Neji auf jeden Fall (zumindest kurzfristig) den Arsch gerettet, sodass ihm noch eine Schonfrist bleibt und er sich auf das kommende vorbereiten kann.
 

Und ja, ich denke, man spürt es am Ende...das hier war Nejis letzter Auftritt in 'On the Cusp'...Ihr 'seht' ihn erst in 'Requiem' wieder, solltet ihr weiterhin bei der Reise dabei sein - was ich mir natürlich SEHR wünschen würde *-* :) 

Es kommt noch ein Kapitel, dass sich vollkommen um Shikamaru und Asuma dreht (hihi, kleiner Cliffhanger am Rande ^^) und der Epilog, ich hoffe, ihr freut euch darauf und natürlich hoffe ich sehr, dass euch dieses Kapitel gefallen hat! 

Vielen vielen Dank wie immer an alle meine lieben Reviewer/innen und Leser/innen! <3

I hear you, Sensei

Konoha hatte schon lange keine rote Morgendämmerung mehr gesehen. 

 

Aber der Tag erblühte wie eine blutige Rose, als sich die Wolken wie dunkelrote Blütenblätter öffneten. 

 

Kurenai streckte ihren Kopf aus dem Fenster, um hinauf in diesen seltsamen Himmel sehen zu können. Die dunklen samtigen Schattierungen der Nacht hatten damit begonnen, zu entschwinden; eingesaugt in eine blutige Leere aus Karmesin und Kastanienbraun. Und dennoch schien die Dunkelheit über Konoha noch immer so dicht, beinahe erdrückend zu sein, als würde sie mit dem Gewicht eines Nebels, der zu schwer zum Schweben war, auf das Dorf niedergehen. 

 

Seltsam…

 

Kurenai zog sich zurück und nahm die Gießkanne vom Fensterbrett auf. Sie beobachtete, wie zinnoberrote Blütenblätter unter dem leichten Regen zitterten und neigte das Handgelenk, um den Guss besser zu verteilen. Die rote Ansammlung aus Blumen tanzte dankbar, während die tiefen Windungen in der Mitte zu ihr hoch starrten wie geweitete Pupillen. 

 

Der Mohn hatte geblüht. 

 

Und Kurenai schrieb das eher einer ausufernden Recherche darüber zu, wie man für sie sorgte, statt anzunehmen, sie besäße einen grünen Daumen. Sie hatte noch nie für etwas sorgen müssen außer für ihr Genin Team. Und diese Kinder waren durch harte Arbeit und Training erblüht. Blumen hingegen forderten nicht viel; ein bisschen Wasser, ein bisschen Sonnenlicht. Aber zuzusehen, wie diese kleinen Blumen blühten, hatte sie dazu gebracht, sich der Knospe aus Gefühlen bewusst zu werden, die sie in ihrem Herzen trug. Über die letzten paar Monate hinweg hatte sie begonnen, aufzugehen und Kurenai damit in Angst versetzt. 

 

Sie hätte niemals gedacht, dass das passieren würde. 

 

Sie war sich immer sicher gewesen, dass ein solches Ding niemals Früchte tragen und nur verwelken würde. Ein Ninjaleben eignete sich nicht besonders gut für solche Dinge. Es bot nicht die Art von Stabilität, die nötig war, um solche Emotionen nähren zu können. 

 

Aber ich wollte immer wissen, wie es sich anfühlt…

 

Langsam hob Kurenai eine Hand, um eine dunkle Haarsträhne hinter ein Ohr zu streichen und trat dabei von einem nackten Fuß auf den anderen, während sie die ausgefransten Enden von Asumas altem Shirt über ihre bloßen Schenkel streichen fühlte. 

 

Ja, das war immer noch neu für sie. 

 

Der Gedanke, ‚verliebt‘ zu sein erschien ihr so albern und mädchenhaft. Sie glaubte nicht an ‚die Magie‘, die den besessenen Liebhabern schnulziger Romane inne war. Und dennoch musste Asuma nur dieses schelmische Lächeln aufsetzen und sie verfiel dem Zauber ganz und gar. 

 

Ein flatterndes, schwindelerregendes Gefühl kribbelte durch ihre Magengegend. 

 

Sie grinste und biss sich sowohl nervös, als auch aufgeregt auf die Lippe. Verrückt! Daran zu denken, dass sie noch immer diese Schmetterlinge fühlen konnte, wann immer sie an ihn dachte. Und noch verrückter war es, zu wissen, dass er direkt hinter ihr war; vollkommen ahnungslos von ihren Gedanken. 

 

Kurenai zog leicht den Kopf zurück, um seine Reflexion im Glas sehen zu können. 

 

Asuma saß vornüber gebeugt vor dem Sofatisch aus Kirschholz, auf dem Papiere in einem mehr oder weniger koordiniertem Chaos ausgebreitet lagen. Und dieses Chaos befand sich nun schon seit einigen Stunden unter dem Mikroskop seiner Inspektion. In dem Apartment brannten zwei dämmrige Lampen und tauchten sein Profil halb in Schatten und halb in Licht. Mit der heftig gerunzelten Stirn sah er wild und gefährlich aus; wie die Quintessenz eines mürrischen, verärgerten Mannes. 

 

Mit finsterer Miene drehte er ein Blatt Papier um. 

 

Sie widerstand dem Drang, zu ihm hinüber zu gehen. Sein schweres Schweigen beunruhigte sie, aber sie hatte Asuma versprochen, ihn nicht zu stören. Stattdessen hatte sie Tee gekocht, das Bett gemacht und sich um ihre Morgenroutine gekümmert, obwohl sie von seinen leisen Worten dazu gedrängt worden war, zu schlafen. 

 

Doch zu schlafen war schwierig geworden, wenn er nicht neben ihr lag. 

 

Nicht, dass sie das jemals zugeben würde. 

 

Genauso wie sie niemals die Tatsache zugeben würde, dass es sich so…behaglich anfühlen würde, all diese häuslichen Dinge mit ihm an ihrer Seite durchzuführen. Und was noch viel seltsamer war, war, dass es anfing, ihr wirklich zu gefallen. In ihrer Vergangenheit war es eine konstante Sorge gewesen; der Gedanke daran, dass sich dieser Mann zu tief in ihrem Herzen und in ihrer Komfortzone niederließ. Es hatte sich niemals beständig angefühlt, niemals sicher – bis er diese Worte gesagt hatte…

 

‚Du weißt, warum ich bleibe. Warum ich weiterhin bleiben werde…‘

 

Sie wusste es; sie wusste es hoffnungslos, vollkommen und Hals über Kopf. 

 

„Scheiße…“, knurrte Asuma. 

 

Kurenai wandte sich um. 

 

Asuma lehnte sich mit einem Jammern zurück und rollte seine steifen Schultern. Mit den Fingern fuhr er sich durch das dichte Durcheinander seines Haares, während er den Kopf schüttelte. Langsam setzte Kurenai die Gießkanne auf dem Fensterbrett ab und schritt zu ihm hinüber. Sie achtete dabei darauf, einen weiten Bogen um seine Arbeit zu machen, da sie spürte, dass Privatsphäre von größter Wichtigkeit bei dem war, in was er sich da verwickelt hatte. 

 

Er schenkte ihr ein schiefes Lächeln. „Du magst dieses Shirt wirklich.“

 

Kurenai kniete sich neben ihn und faltete die Hände in ihrem Schoß, bevor sie durch sanfte Erdbeeraugen zu ihm aufsah. „Du offensichtlich nicht“, sagte sie leise und senkte leicht den Kopf, um vielsagend auf die zahlreichen Brandlöcher in dem Baumwollstoff hinzudeuten, der einst die Farbe dunklen Leders gehabt hatte. 

 

Asuma wackelte mit den Brauen und ein Grinsen spielte über seine Lippen. „Ich bin eben so heiß, dass ich Löcher durch mein eigenes Shirt brenne.“

 

Mit bebenden Schultern warf Kurenai ihm einen skeptischen Blick zu, als sie versuchte, ihr Lachen in sich zu halten. „Früher einmal muss das einige Damen sehr alarmiert haben.“

 

In spöttischer Nachdenklichkeit machte Asuma eine Pause. „Nicht so sehr wie mein Gesang.“ 

 

Kurenai ergab sich letztendlich ihrem Giggeln. Asuma strahlte angesichts dieses Klanges und seine Augen erwärmten sich wie erhitzter Brandy. Dieses unwiderstehliche, bübische Grinsen bog seine Mundwinkel nach oben. Rasch zog er sie auf seinen Schoß, als er sich nach hinten auf das Sofa kippen ließ. 

 

„Ich bin mir nicht ganz sicher, was beleidigender ist. Die Tatsache, dass du gerade das Wort ‚damals‘ benutzt hast, oder die eklatante Respektlosigkeit gegenüber meinem Gesangstalent.“
 

„Du hast kein Gesangstalent, Asuma“, kicherte Kurenai und küsste seinen Mundwinkel.

 

„He, es braucht Talent, um so furchtbar zu sein, wie ich es bin.“

 

Kurenai lachte auf und drückte seine Schultern in einer improvisierten Massage. Langsam schloss Asuma die Augen und summte, bevor er den Kopf in den Nacken legte. Lächelnd betrachtete Kurenai ihn durch ihre Wimpern und fühlte…

 

So viel…

 

Beinahe zu viel. Sie fühlte so viel, wenn sie bei ihm war, dass es sie erschreckte. Verletzlichkeit war nichts, was sie gut konnte – und Asuma neigte ebenfalls dazu, sie um jeden Preis zu vermeiden. Doch die Gefühle stiegen so stark in ihr auf, dass es schmerzte, sie zu zertrümmern und zurück zu halten. Nicht einmal die Furcht konnte sie verwässern; sie waren tief und warm und süß wie Wein. Sie stahlen ihren Atem und füllten sie bis zum Rand mit…

 

„Ich liebe dich…“, wisperte sie; die Worte rannen direkt aus ihrem überlaufenden Herzen. 

 

Asumas Schultern hoben sich und seine Augen öffneten sich. 

 

Kurenai wurde vollkommen regungslos. Angst verdrehte sich kalt und säuerlich in ihrer Magengegend; schlimmer als ihre morgendliche Übelkeit. Weitäugig und mit zusammengepressten Lippen starrte sie ihn an.

 

Du dummes Mädchen…

 

Für einen langen Moment saß Asuma einfach nur da und musterte sie. In dem dämmrigen Licht wirkte er immer noch wild und unlesbar. 

 

Du dummes, DUMMES Mädchen…

 

Kurenai spürte, wie ihre Lungen brannten und sich ihre Kehle zusammenzog. 

 

Und dann lächelte Asuma. Sanft und langsam erwärmte die Miene seine Augen und stahl sich auf jeden Winkel seines Gesichtes. Er setzte sich auf und strich ihre Münder in einem schmerzhaft süßen Kuss übereinander. 

 

„Ich liebe dich auch“, raunte er. 

 

Kurenai stierte ihn an; unfähig, sich zu bewegen, unfähig, zu sprechen. Tränen sammelten sich an ihren Augenwinkeln und rasch blinzelte sie fort, da sie nicht für eine Sekunde ihren Blick von ihm abwenden wollte. 

 

„Das musst du nicht“, sagte sie sanft. 

 

Lächelnd küsste Asuma sie auf die Nase und schüttelte den Kopf. „Danke für den Ausweg. Aber ich brauche ihn nicht. Nicht mehr.“

 

Er zog sie in den kraftvollen und schützenden Kreis seiner Arme. Götter, sie hatte sich niemals sicherer gefühlt, als wenn sie sich in seinen Armen befand. Kurenai legte ihre Wange an seine Brust, um dem starken, steten Pochen seines Herzschlages zu lauschen und leise zu schnurren, als sie spürte, wie seine Finger durch ihr Haar strichen, während sie den Drang niederkämpfte, wie der letzte Idiot zu grinsen. 

 

Hals über Kopf…

 

Sie hielten sich gegenseitig, sanken in die Wärme der Gefühle, vor denen sie sich so gefürchtet hatten, sie zu benennen. Kurenai hatte gedacht, es würde die Magie zerstören, den Traum zerschellen lassen. Aber es machte es zuverlässig, fest und etwas, von dem sie niemals gedacht hätte, dass es das sein würde. Sicher.

 

Danke.

 

Sie drückte einen Kuss auf Asumas Brust und ihr Atem drang wie Nebel durch das Gewebe seines Oberteils. Zärtlich küsste er ihr Haar und summte tief genug, dass sie spürte, wie die Vibrationen durch sie rollten und sie erschauerte. 

 

„Wie fühlst du dich?“, murmelte Asuma und sie wusste sofort, auf was er anspielte.

 

Kurenai ließ ihre Finger über seinen Arm wandern. „Keine Missionen mehr für mich. Ich werde schon einen Weg finden, es meinem Team klar zu machen…wenn sie es nicht von selber herausbekommen. Bei Kibas Nase wird er es vermutlich erkennen.“

 

Asuma grunzte. „Ich will mir nicht einmal vorstellen, wie er das machen würde.“

 

„Naja, er wird in der Lage sein-“

 

„Nein. Wirklich. Um seiner Sicherheit willen; sag es mir nicht.“

 

Kurenai kicherte und legte den Kopf in den Nacken, um durch ihre Wimpern zu ihm aufzusehen. „Wie gut, dass Kibas ‚Sensei Schwarm‘- Phase endgültig vorbei ist.“

 

Asuma sah sie schief an. „Er wird sich in einer fetten ‚Sensei Schwarm‘-Phase mit meiner Faust wiederfinden, wenn er anfängt, um dich herum zu schnüffeln.“

 

Mit rollenden Augen lachte Kurenai. „Mein Höhlenmenschen Held. Wie chauvinistisch von dir, zu denken, ich könnte nicht allein mit meinen Kids zurecht kommen.“

 

„Ich weiß, dass du das könntest“, verteidigte sich Asuma grummelnd. 

 

Als Kurenais Hände über seine Seiten strichen und mit einem Kitzeln drohten, erholte er sich von seinem mürrischen Zustand. Rasch fing er ihre blassen Finger zwischen seinen ein, um sie ineinander zu verschränken, bis Kurenai Asumas große, leicht schwielige Handfläche gegen die schlanke Form ihrer eigenen presste. 

 

„Hast du mit Shikamaru gesprochen?“, wisperte sie so leise wie möglich, da sie den Frieden nicht stören wollte, der sich um sie gelegt hatte – auch wenn sie mit Sicherheit ein Risiko einging, diese Frage zu stellen. 

 

„Jo…“, murmelte Asuma zurück. Er seufzte lang und der Klang stach sich wie ein Schwall eiskalter Luft durch Kurenai. 

 

„Hat das irgendetwas hiermit zu tun?“ Sie deutete mit den Zehen auf die Karten und das Chaos, das auf dem Tisch ausgebreitet lag, da sie sich nicht weiter von ihm entfernen wollte. 

 

„Jo.“

 

Kurenai nickte. Einsilbige Antworten waren besser als Schweigen. Außerdem hatte er in seinem betrunkenen Zustand schon genug gesagt. Sie konnte sich noch immer an den Schmerz in seinen Augen entsinnen; an das aggressive, unkoordinierte Auf- und Abschreiten, als er sein Scheitern verfluchte. Sie hauchte einen weiteren Kuss über sein Herz. 

 

„Gibt es irgendetwas, das ich tun kann?“

 

Asumas Arme spannten sich in einem kurzen Drücken um sie herum an. „Glaub mir, das tust du bereits.“

 

Langsam lehnte sie den Kopf nach hinten und versuchte, seinen Blick auf sich zu ziehen. „Asuma…“

 

Ein scharfes Klopfen an der Tür schreckte beide auf. 

 

Stirnrunzelnd reckte Kurenai den Hals, um zurück zur Tür zu schielen. „Wer um alles in der Welt kann das denn um diese Uhrzeit sein?“

 

Asumas Verstand musste ihm ein paar mögliche Antworten geliefert haben, denn sein Atem geriet ins Stocken und wie ein Hund, der Fährte aufgenommen hatte sprang er auf, wobei er Kurenai seitwärts auf das Sofa schubste. Schneller als eine Katze war sie wieder auf den Füßen und ihre Brauen zogen sich belustigt zusammen, als sie beobachtete, wie Asuma mit dem Arm über den Tisch wischte und hektisch Papiere zusammenschob. Ruckartig öffnete er eine Reisetasche und fegte die Dokumente hinein, bevor er sie mit der flachen Hand nach unten stopfte. 

 

Kurenai konnte nicht anders, als sich über diesen unnatürlichen Zustand der Panik zu amüsieren. „Erwartest du jemanden?“, schnurrte sie neckend und wandte sich der Tür zu. 

 

Asuma schnaubte, doch seine Bewegungen wurden noch hastiger. „Ich sollte eigentlich diese Frage stellen.“

 

Augenrollend nahm Kurenai den tiefroten Kimono auf, der bei der Tür hing und schlüpfte in die glatte Seide, bevor sie den Gürtel sicher befestigte. Sie erwartete niemanden, weswegen der mysteriöse Klopfer eigentlich nur ihre Nachbarin sein konnte. Ihre Nachbarin, auch bekannt als die sauergesichtige, violettäugige alte Dame, die drei Türen weiter wohnte.

 

Zweimal die Woche, garantiert.

 

Es war Routine. Zweimal die Woche am frühen Morgen machte es sich Ume-san zur Aufgabe, Kurenai über den Stuhlgang ihres wertvollen Akita Hundes und den neuesten Skandal auf ihrer Wohnungsetage auf dem Laufenden zu halten. Die alte Dame verabscheute Ninjas und weigerte sich vehement, zu glauben, dass Kurenai mit ihnen Verbindung stand; völlig ungeachtet des Berufes oder der romantischen Interessen der Kunoichi. Die alte Krähe hatte sogar ihren eigenen Sohn enterbt, weil er eine Ninja Karriere eingeschlagen hatte. 

 

„Wahrscheinlich ist es meine Nachbarin“, sagte Kurenai mit einem Gefühl von Fatalismus. „Außer es gibt da jemanden, der dich und deine Detektivarbeit jagt.“

 

„Hn, Genma wird vermutlich darauf aus sein, ein paar Senbons auf meinen Hintern zu schießen“, murrte Asuma, während er die Tasche schloss. 

 

Genma?

 

Diese willkürliche Aussage kam wie aus heiterem Himmel und verwirrte Kurenai. Warum sollte Genma ihm Probleme machen? Doch sie hatte keine Zeit, die Frage zu stellen. Es klopfte erneut. 

 

Asuma stierte finster auf die Tür, machte zwei rasche Schritte zu Kurenai, stahl sich einen Kuss und wandte sich gleich darauf dem Fenster zu. „Du kriegst das schon hin.“

 

Kurenai nickte und griff bereits nach dem Türknauf, auch wenn sie die Augen auf Asuma gerichtet hielt, um ihn dazu zu bringen, sich umzudrehen, sodass sie sein Gesicht lesen konnte. „Du gehst?“

 

Asuma summte abgelenkt, während er das Fenster noch weiter öffnete. „Oh, ich bin bald zurück. Ich muss nur das Zeug verstauen.“

 

Aufmerksam sah sie zu, wie er die Tasche auf eine Schulter hiefte und nicht zum ersten Mal in dieser Nacht wunderte sie sich über die Geheimniskrämerei mit diesen Informationen. Es war nicht unbedingt Neugierde, die an ihr nagte, sondern eher tiefer werdende Sorge. Dieser seltsame Umschwung in den Detektivmodus sah ihm überhaupt nicht ähnlich. Er war nicht der Typ, der sich Verschwörungen hingab oder sich mit dem Teufel herumschlug, der in den Details lag. 

 

In was um alles in der Welt war er da nur hinein geraten?

 

Oder eher; in was war Shikamaru hinein geraten?

 

Und was hat irgendetwas davon mit Genma zu tun?

 

Kurenai schüttelte angesichts des Durcheinanders an Fragen den Kopf. „Sei vorsichtig, Asuma.“

 

Asuma kicherte und schien die unterschwellige Bedeutung ihrer Worte nicht zu bemerken. „Wenn ich zu Tode stürze, dann sag, dass ich es mit Stil getan habe“, scherzte er, stellte einen Fuß auf der Fensterbank ab und kauerte sich darauf nieder, um sich auf seinen dramatischen Abgang vorzubereiten. „Ich komm dann später wieder nach Hause.“

 

Ihr Herz überschlug sich kurz bei den Worten ‚nach Hause‘. Eine Flut aus Wärme vertrieb die dunklen Wolken aus ihren Gedanken, um Freude wie Sonnenschein in ihr zu verbreiten. Sie schmunzelte seinen Rücken an und drehte den Türknopf, um die Tür einen Spalt breit zu öffnen, ließ die Kette aber vorgeschoben. 

 

Tief durchatmen…

 

Kurenai legte den Kopf schief und spähte hinaus auf den Korridor. Sie bereitete sich auf violette Augen vor, die bereits mit den ersten Anzeichen von Katarakt milchig wurden und auf das menschenfeindliche Gerede über Hunde, Skandale und Ninja Abschaum. 

 

Kaffeefarbene Augen sahen sie an und Flecken aus dunklem Honig in den Iriden fingen das Licht des Ganges auf. „Kurenai-sensei.“

 

Kurenais Verstand stolperte überrascht. „Shikamaru…?“

 

Die Lippen des jungen Nara zuckten an einem Mundwinkel; schwach und entschuldigend. Langsam verlagerte er das Gewicht von einem Fuß auf den anderen und hatte die Hände in den Taschen seiner Hose vergraben, was ihm ein Aussehen verlieh, das wie eine eigenartige Mischung eines verlorenen Welpen und eines gewieftem Streuners wirkte.

 

„Hey…“ Er wich einen halben Schritt nach hinten und befreite eine seiner Hände, um sich den Nacken zu reiben. „Tut mir leid, dass ich hier so unangekündigt vorbei schneie…ich bin auf der Suche nach Asuma.“

 

Kurenai blinzelte und für einen Moment bewegte sich ihr Mund wortlos. 

 

„Asuma?“, brachte sie hervor und ihre nächste Frage war vollkommen ungeplant: „Warum bist du hierher gekommen?“

 

Shikamaru hob eine Braue, hatte aber den Anstand, nicht zu grinsen. „So eine Ahnung.“

 

Der wissende Blick sorgte dafür, dass sich Kurenai irgendwie unbehaglich fühlte, aber auch amüsiert und noch dazu eine ganze Reihe anderer Dinge, die ihr nicht gestatteten, eine Antwort für Shikamaru zu finden. 

 

Das musste sie aber auch nicht. 

 

Die Antwort erscholl in einem lauten Krachen. 

 
 

~❃~
 

 

Das ist gerade nicht wirklich passiert…

 

Als die Welt wieder zurück in den Fokus rückte, fragte sich Asuma ernsthaft, ob es denn möglich war, durch Erniedrigung zu sterben. Er war sich auch nicht sicher, ob er die Götter verfluchen sollte, die offensichtlich sehr über seinen Plan, die Flucht zu ergreifen, gelacht hatten, oder ob er ihnen für die dichten Büsche danken sollte, die seinen Sturz abgefangen hatten. 

 

Wie zur Hölle habe ich das denn fertig gebracht…?

 

Er machte sich eine mentale Notiz, nie wieder Witze darüber zu reißen, zu Tode zu stürzen. Immerhin war das eine Einladung, der das Schicksal einfach nicht widerstehen konnte. Asuma ächzte und schob die Gießkanne weg, die auf sein Gesicht tropfte. Das erklärte dann wohl auch das rutschige Fensterbrett. Er hatte nicht einmal daran gedacht, sich die Mühe zu machen, Chakra in seine Füße zu kanalisieren. 

 

Anfängerfehler…

 

Oder einfach nur ein idiotischer Fehler. Scheinbar ging der Besitz von Chakra Hand in Hand mit gesundem Menschenverstand – oder dem Fehlen davon. 

 

Scheiße.

 

Er hoffte bei allen Göttern, dass das gerade niemand gesehen hatte. Er hatte nicht einmal genug Zeit gehabt, um es so aussehen zu lassen, als wäre es Absicht gewesen; nicht, dass ein Hechtsprung oder ein origineller freier Fall es irgendwie lässiger hätten aussehen lassen können, wie er auf dem Hintern landete. Er knurrte, während er versuchte, in den Büschen irgendeinen Halt zu finden, um sich in die Aufrichtung und auf die Füße zu schieben. 

 

Ein Schatten fiel über ihn. 

 

Fuck.

 

Asuma verzog das Gesicht und eine feine Röte kroch seinen Hals hinauf. Fest darauf vorbereitet, sich gegen jeden zu verteidigen, der seine Erniedrigung miterlebt hatte, blinzelte er hinauf zu dem Flackern einer Straßenlaterne und brachte die Gestalt, die direkt unter dem ersterbenden Glühen stand, in den Fokus. Seine Augen wurden vor Überraschung rund, während auf seinen Schock auch prompt die Verlegenheit folgte. 

 

Shikamaru spähte seitwärts zu ihm und hob langsam eine Braue. „Was für ein cooler Erwachsener.“

 

Asuma kicherte nervös und warf rasche Blicke in alle Richtungen, da er halb erwartete, Ino und Chōji würden ihn von den Seitenlinien auslachen. „Danke für deine Besorgnis. Mir geht’s übrigens gut.“

 

Shikamaru schmunzelte nicht. 

 

Genervt versuchte Asuma, seine Tasche aus einem Gewirr von Zweigen zu lösen. „Was zur Hölle machst du eigentlich schon so früh auf? Es ist noch nicht mal sechs.“

 

Doch statt seiner üblichen, trockenen Erwiderung blieb Shikamaru stumm. Asuma sah zurück zu seinem Schüler und erwischte den jungen Nara vollkommen unvorbereitet. Shikamaru spannte sich an und lehnte sich rasch von dem milchigen Lichtstrahl fort, um sich halb in Schatten zu hüllen. 

 

Sich versteckend…

 

Aber nicht wegrennend. 

 

Noch nicht.

 

Asuma bemerkte die Anzeichen sofort. Kurz dachte er über die Idee nach, Humor zu nutzen, verwarf sie aber wieder; da war etwas an Shikamarus Schweigen, das Asuma geradezu anschrie. Er hätte es auf logische Weise auf nichts festlegen können. Alle Signale deuteten darauf hin, dass sich Shikamaru eher aus dem Staub machen würde, statt ein einziges Wort zu sagen. 

 

Doch dann sprach er; oder zumindest versuchte er es. 

 

„Es ist lästig, aber ich kann nicht noch länger…“ Shikamaru brach ab, bis sein Atem in einer zitternden Wolke von seinen Lippen stolperte. 

 

Auf Asumas Miene zeigte sich ebenso viel Besorgnis wie Verwirrung. „Bist du okay, Junge?“

 

Shikamaru schüttelte den Kopf und presste die Lider aufeinander. „Nein…“, hauchte er. 

 

Asuma fühlte sich, als wäre er gerade noch einmal aus dem Fenster gefallen. Sprachlos von diesem Geständnis stierte er den Nara durch weite Augen an, da er niemals auch nur einen haarfeinen Riss des Durchbruches bei seinem Schüler erwartet hätte. Ganz bestimmt nicht hier; wenn er in einem Busch feststeckte und Shikamaru im sprichwörtlichen Rampenlicht stand. Und nicht so schnell nach dem letzten gescheiterten Versuch des Sarutobi, seinen Schüler erreichen zu können. Es machte keinen Sinn. Es passte überhaupt nicht in Shikamarus Vermeidungsmuster. 

 

Fuck. Was ist passiert?

 

Sorge hämmerte sich brutal in Asumas Eingeweide. Rasch ging er im Geiste die letzten paar Stunden durch und versuchte, alles zu beachten, was das hier ausgelöst haben könnte. In der Zeit, in der Asuma auf seine Reaktionen warten ließ, nahm Shikamaru einen zerfetzten Atemzug und wandte den Kopf ab. Und sein Körper war schon dabei, der Bewegung zu folgen…war schon dabei, erneut außer Reichweite zu schlüpfen…

 

Nein!

 

Rasch kam Asuma auf die Füße. „Shikamaru“, rief er mit sanfter, aber ernster Stimme. 

 

Shikamaru erstarrte, als wäre ihm auf physische Weise der Weg versperrt worden und hielt das Gesicht weiter abgewandt. Zumindest sah er nicht mehr so aus, als wäre er bereit, wegzurennen. Bedacht atmete Asuma aus und zerrte energisch seine Tasche aus dem Busch, während er die Augen die ganze Zeit über auf Shikamaru gerichtet hielt. Wenn er diesen Augenblick verstreichen ließe, gab es keine Garantie, dass er jemals wiederkommen würde. Die Tatsache, dass Shikamaru zu ihm gekommen war, statt davon zu rennen, sagte mehr aus, als Asuma mit Worten darauf hätte reagieren können. 

 

Aber er würde diese Worte finden müssen. 

 

Vermassle das nicht.

 

Statt sich Shikamaru von hinten zu nähern, beschrieb er einen Bogen, um sich vor den Schattenninja zu stellen. Der junge Nara starrte den Bürgersteig entlang und wich Asumas Blick aus. Seine Kehle zuckte und seine Stirn war in tiefe Falten gelegt. 

 

„Hey“, sagte Asuma leise und legte eine Hand auf Shikamarus Schulter, um eine physische Verbindung mit seinem Schüler herzustellen und ihn von welcher geistigen Straße auch immer zurückzuführen, die er hinunter rennen wollte. „Lass uns mal aus dieser Kälte verschwinden und irgendwohin gehen, wo ich rauchen kann.“

 

Shikamaru nickte. 

 

Und das war genug. 

 
 

~※~
 

 

Asuma entschied sich für das Mangetsu. Ein Restaurant, das nur einen Steinwurf von dem geächteten regenbogenfarbenen Niji entfernt war. Mangetsu, was Vollmond bedeutete, richtete seine Tradition an seinem Namen aus. Das Lokal schloss immer nur in den Vollmondnächten; ein bizarrer Aberglaube, der die Ausnahme zu der 24/7 Regel darstellte. Allerdings war die Art und Weise, wie Asuma hier behandelt wurde, eine Regel, für die es keine Ausnahme gab.

 

„Zeig etwas Nachsicht mit ihr“, sagte Asuma und zog Shikamarus Blick auf sich, während sie die vier breiten Stufen hinauf stiegen, die zum Restaurant führte. „Megumi ist etwas speziell, aber mach einfach mit, okay?“

 

Shikamaru spähte fragend zu seinem Sensei, nickte aber. „Wenn du das sagst.“

 

Sie traten in das Foyer des Restaurants und wurden auch schon von einer alten Frau mit dunklem, silberdurchsetztem Haar begrüßt, das sie mit Elfenbeinnadeln hochgesteckt hatte. Sie war in eine lange Seidenrobe gekleidet, deren Farben so weich waren wie das schillernde Pink eines Muschelhorns. Hübsch wie eine Porzellanpuppe, mochte Megumi Yoi einmal zart ausgesehen haben, aber die Linien des Alters um ihre Augen prägten eher ein Bild der Stärke als der Zerbrechlichkeit. 

 

„Obaa-san“, grüßte Asuma und ignorierte Shikamarus perplexe Miene angesichts des Kosewortes. 

 

„Sarutobi-sama“, erwiderte Megumi und ihre Formalität stand in hartem Kontrast mit Asumas Vertrautheit, als sie die Hände aneinander legte und sich verneigte. „Es ist lange her.“

 

Asuma verzog wegen des hohen Titels und der Distanz, die es zwischen ihnen kreierte, das Gesicht, aber er lächelte, während er die Verbeugung erwiderte. „Lange her, aber wieder das alte Lied.“

 

‚Wieder das alte Lied‘ gab den routinierten Zweck und die unausgesprochenen Anforderungen für Asumas Besuche wieder; Privatsphäre, ein bisschen Fegefeuer und sehr viel Ruhe. Er war in seiner Jugend oft genug hierher gekommen, um seine Wunden zu lecken und seinem Vater zu entkommen. Zu dieser Zeit war Megumi zu so etwas wie einer Ziehmutter geworden. Während seines selbst auferlegten Exils hatte er mehr Schuldgefühle darüber verspürt, sie zu verlassen statt sein Dorf. Vielleicht war sie zu der Mutterfigur geworden, die er niemals wirklich gehabt hatte. 

 

„Wieder das alte Lied, sagt er“, murmelte Megumi spielerisch und streckte die Arme aus, um Asumas Hände zu ergreifen und sie mit Zuneigung zu drücken, während Belustigung in ihren alterslosen Augen tanzte. „Aber die alte Megumi sieht, dass du nicht derselbe bist, Asuma-kun…“

 

Der liebevolle Titel beruhigte Asuma sofort und sein Gesichtsausdruck entspannte sich zu einem trägen Grinsen. „Erstaunlich, was so ein Bart ausmacht.“

 

Megumi kicherte wie ein kleines Mädchen. Ihre Fähigkeit, zwischen Weisheit und Schalk zu wechseln, hielt die meisten Leute stets auf Trab. Schmunzelnd ließ Megumi ihren Blick an Asuma vorbei wandern und ihre dunklen mandelförmigen Augen richteten sich neugierig und unschuldig wie die eines Kindes auf Shikamaru.

 

„Dein Schüler, Asuma-kun“, stellte sie eher fest, als dass sie es vermutete. 

 

Asuma nickte. „Shikamaru, das ist Megumi-san.“

 

Shikamaru presste die Hände aneinander und verneigte sich höflich. 

 

Und Megumi überraschte den jungen Nara, indem sie nach vorn trat, um seine Hände in ihre zu nehmen und ihn dazu zu zwingen, sich wieder aufzurichten. Ohne Erlaubnis oder Zögern umfasste sie sein Gesicht mit langen eleganten Handflächen und musterte seine Gesichtszüge. Ihre weisen Iriden schimmerten wie schwarze Turmalinkristalle und funkelten mit einem inneren Glühen, statt einem geliehenen Licht. 

 

„Shikakus Junge“, sagte sie und zeichnete imaginäre Male auf Shikamarus Gesicht nach: die Narben, die sein Vater trug. Dann sah sie ihm tief in die Augen und löste dadurch das reflexartige Schließen dieser braunen Seen aus. 

 

Asuma versuchte angestrengt, nicht angesichts der automatischen und defensiven Reaktion seines Schülers zu lächeln, während seine Aufmerksamkeit zwischen den beiden hin und her wanderte. Wahrscheinlich hätte er den jungen Nara besser vorwarnen sollen. Aber vielleicht würde ihn das genug aufrütteln, um ein paar Dinge loszulösen. 

 

Vielleicht wird sie sehen, was ich nicht sehen kann…

 

Megumi neigte Shikamarus Kopf nach unten und drehte sein Gesicht in dem Versuch, einen besseren Blick auf seine geschlossenen Augen zu erhaschen. Nach einer Weile schnalzte sie mit der Zunge. „Tsk! Mach diese Augen auf, Kind. Lass mich dich sehen.“

 

Shikamarus Miene zuckte, aber der Ausdruck war fort, bevor er sich wirklich festsetzen konnte. Stattdessen wandten sich seine abgeschirmten Augen nach einer Hilfe suchend zu Asuma, die er nicht bekommen würde. Einem Kichern widerstehend hob Asuma eine Schulter und glättete sein Lächeln mit den Fingern, während er in Megumis Richtung nickte. Eine unausgesprochene Mahnung, Nachsicht zu zeigen. Shikamarus Kiefer zuckte genervt und stur mied er die dunklen Augen, die versuchten, ihn in sich zu ziehen. 

 

Megumi lachte leise und schien nichts weniger von dem jungen Nara erwartet zu haben. „Genau wie es dein Vater war. Schüchtern wie ein Nara Kitz.“

 

Da er diesen Vergleich überhaupt nicht zu schätzen wusste, schnitt Shikamarus Blick zurück zu der alten Dame und diesmal hielt er ihr Starren. Hinter seiner Hand schmunzelte Asuma. Megumi belohnte den Mut des Jungen mit einem Nicken und strich mit ihren Daumen über seine Augenwinkel, als würde sie Alterslinien folgen, die nicht da waren. Kopfschüttelnd summte sie einen sanften, mitfühlenden Ton. 

 

„So vieles, was du mit dir trägst“, sagte sie leise. „Und so vieles, was du nicht sehen kannst. Du willst es nicht sehen. Es ist, wie es sein sollte. Du bist nicht bereit.“

 

Shikamarus Augen wurden rund, bevor sie sich vollständig abwandten. „Bereit?“, fragte er und klang dabei heiser und von dem Wort beunruhigt.

 

Megumi lächelte dieses rätselhafte Kwan-Yin Lächeln und tätschelte die schlanke Wange des Nara, um seinen Blick wieder zu ihrem zu ziehen. „Nara Männer. Solch verschleierte Kreaturen. Mit euren beschatteten Augen…und eurem komischen Haar.“

 

Asuma versuchte angestrengt, nicht zu lachen. Er war schon lange vertraut mit Megumis mystischen, mütterlichen und übermäßig taktilen Tendenzen. Doch unvorbereitet wie Shikamaru war, war es amüsant zu sehen, wie das Zehn-Schritte-Voraus Hirn über eine passende Reaktion stolperte. Der junge Nara öffnete den Mund, schloss ihn und hob eine Hand, um sich unbehaglich den Hinterkopf zu reiben. 

 

Megumi klatschte freudig in die Hände, lachte und führte sie hinein in den Zufluchtsort, der das Restaurant war. „Kommt, kommt.“

 

Im Inneren war das Mangetsu dunkel und warm, bestand aus schwarz lackierter Zypresse und Blattgold Intarsien. Es wurde von buddhistischen Details dominiert und von zarten Papierlaternen illuminiert, die das Licht zu tiefen Schattierungen dämpfte. Nicht beklemmend für müde Augen und aufgewühlte Herzen. Perfekt.

 

Die Nische, in der sie sich niederließen, befand sich an der Rückseite eines privaten Raumes. 

 

Asuma setzte sich auf die am weitesten entfernte Bank, sodass er einen Blick auf das gesamte Restaurant jenseits der Shojitüren hatte. Shikamaru rutschte auf die andere Seite und begab sich direkt zum innersten Ende der Nische, um seine Schulter am Fenster abzustützen. Die Aussicht ging hinaus auf einen eleganten Garten mit Teichen, dessen geschwungenes Design voll von kleinen Inseln und schmalen Brücken war. Die roten Schattierungen des Morgengrauens kräuselten sich auf den Wellen der Koiteiche. 

 

Asuma tauschte noch ein paar leise Worte mit Megumi bezüglich Privatsphäre und bestellte ein großes Frühstück. Kaum war sie fort, schob er sich eine Zigarette zwischen die Lippen und musterte den Schattenninja mit trügerisch entspannter Miene. 

 

„Ich hoffe, du hast Hunger“, sagte er und öffnete sein Feuerzeug, dessen Flamme im Glas funkelte. 

 

Ohne den Kopf zu drehen sah Shikamaru zu ihm hinüber; das Kinn hatte er in seiner Handfläche abgelegt. „Also was ist sie? Eine Wahrsagerin oder sowas?“

 

„Ich habe dir gesagt, etwas Nachsicht mit ihr zu zeigen“, erwiderte Asuma als vage Erklärung, sagte sonst aber nichts in Bezug auf die Frau. „Mach dir keine Sorgen, das ist auf jeden Fall das Letzte, was sie ist. Sie versteht aber, dass ich immer, wenn ich hierher komme, in Ruhe gelassen werden will.“

 

Shikamaru hob eine Braue. „Warum solltest du in Ruhe gelassen werden wollen?“

 

Den Blick auf den Tisch gerichtet mied Asuma sowohl den Gesichtsausdruck, als auch die Frage. „Wir sind nicht hier, um über mich zu reden.“

 

Shikamaru runzelte die Stirn und sah wieder hinaus auf den Garten. Kaum eine Sekunde später streckte er eine Hand aus, um einen gläsernen Aschenbecher zu seinem Sensei zu schieben. Die zarte Schale glitt mit einem leisen Wispern über das Holz. Eine kooperative Bewegung. Asuma deutete das als ein positives Zeichen und entließ den angespannten Atem, den er angehalten hatte. 

 

Okay, das musst du clever angehen…

 

Der Sarutobi nahm einen langen Zug an seiner Zigarette und betete zu welchem Gott auch immer, der sie zu diesem Augenblick gebracht hatte, dass er das hier nicht vermasseln würde. 

 

Währenddessen fuhr Shikamaru einfach nur fort, hinaus auf den Garten zu starren und nichts zu sagen. 

 

Wahrscheinlich denkt er aber alles Mögliche…

 

Asuma atmete leise Tabak in die Stille aus und schickte mit dem Rauch auch Gebete nach oben. Geduldig wartete er, bis das Frühstück angerichtet war und Megumi die Shojitüren schloss, bevor er endlich das Wort ergriff. 

 

„Na schön. Ich höre dir zu“, sagte er, als er seine Zigarette ausdrückte. „Rede mit mir.“

 

Shikamaru ließ sich Zeit zu antworten und nahm stattdessen zwei Bissen Tofu, bevor er etwas erwiderte. „Du hast gesagt, ich wäre wie ein Fremder gewesen…“

 

Asuma sah von seinem Essen auf. „Was?“

 

„Als wir vor zwei Jahren Shogi gespielt haben. Du hast gesagt, dass es war, als wäre ich nicht dort gewesen. Witzig…“ Leise fuhr Shikamaru fort, hielt die Augen aber das Tofu in seiner Suppe fixiert. „…denn das war die einzige Zeit, zu der ich jemals das Gefühl gehabt habe, als wäre ich zurück gekommen.“

 

Was daran witzig sein sollte, konnte Asuma nicht einmal ansatzweise begreifen. Stirnrunzelnd suchte er Shikamarus Gesichtsausdruck ab. „Von wo zurück gekommen?“

 

Doch Shikamaru hielt den Blick auf seine Mahlzeit gerichtet und stocherte in seinen Reiskörnern herum, als versuchte er, seine Gedanken auszusieben. Das Schleifen der mentalen Räder, die sich in diesem genialen Verstand drehten, brachten Asuma dazu, sich zu wünschen, er könnte die Zahnräder in Shikamarus Kopf blockieren, nur um ihn dazu zu bringen, zu reden statt zu denken. 

 

Vermassle. Das. Nicht.

 

In einem sanften Klacken ließ Asuma seine Essstäbchen gegen das Porzellan schnippen. Er zwang sich dazu, Shikamarus Schweigen auszusitzen und wurde mit dem flüchtigen Aufblitzen eines Augenkontaktes belohnt. 

 

„Als du den zwölf Elitewächtern beigetreten bist, wurdest du…“ Shikamaru hielt inne und suchte scheinbar nach den richtigen Worten. „Wurdest du für diese Stellung abgeworben?“

 

Asuma blinzelte, während er sich auf seinem Platz aufrichtete. Die Erinnerung an diese Zeit fühlte sich wie ein eiskaltes Schrapnell an, das in seinem Schädel steckte; ein konstanter Druck auf tief vergrabene Nerven. Er wollte wirklich nicht darüber sprechen. Aber da er davon ausging, dass eine Antwort zu geben ihm vielleicht auch eine einbringen würde, dachte er über seine Erwiderung nach. 

 

„Ich würde nicht sagen, dass ich abgeworben wurde.“ Er kratzte sich am Hals und zog den Kragen seines Oberteils mit einer Grimasse zurecht. „Ich wurde nicht direkt rekrutiert…nicht im…uh…konventionellen Sinn.“

 

Shikamaru zog die Brauen zusammen. „Wie haben sie dich gefunden?“

 

Grunzend spähte Asuma aus dem Fenster. 

 

Wie hatten sie ihn gefunden? 

 

Verloren…

 

Verloren auf der Straße ins Nirgendwo und zu nichts. Also hatten ihm die Männer des Feuerdaimyōs angeboten, ihn irgendwohin zu bringen und ihm irgendetwas zu geben. Er hatte akzeptiert. Und er hatte viel mehr daraus erhalten, als er erwartet hatte. Nicht, dass er außer Muskeln und Können viel als Gegenleistung hatte anbieten können. Er war gut im Kämpfen gewesen und war noch besser im Beschützen geworden. Er hatte einen Vorgeschmack auf die Anerkennung bekommen, die sein Vater ihm nie gegeben hatte und ein unangebrachtes Zugehörigkeitsgefühl, das Konoha ihm nicht hatte vermitteln können, bis er Jahre später zurückgekehrt war; desillusioniert, aber begierig, es noch einmal zu versuchen.

 

„Damals erschien es mir als ein guter Deal“, murmelte Asuma. 

 

„Aber wie sind sie an dich ran gekommen?“

 

„An mich ran gekommen?“ Asuma hob angesichts dieser Wortwahl eine Braue. „Du lässt es klingen, als hätte ich keine Wahl gehabt…“

 

„Du weißt, was ich meine“, wies Shikamaru ihn ab und eine beharrliche Schärfe schnitt sich in seine Stimme. „Woher wussten sie, dass du das warst, was sie wollten?“

 

„Mein Ruf ist mir vorausgeeilt“, scherzte Asuma lahm, während er sich von der Erinnerung fort zog und eine weitere Zigarette hervor kramte. „Sagen wir einfach, ich war eher berüchtigt als gefeiert. Warum fragst du? Hattest du einen Sinneswandel was das Angebot des Feudalherren angeht?“

 

Shikamaru sah nicht amüsiert aus und auch nicht, als wäre er willens, eine Antwort darauf zu geben. Stattdessen fixierten sich seine Augen suchend und kalkulierend auf Asumas. „Du bist mit ihnen gegangen, weil du es wolltest.

 

„Nun, sicher.“

 

„Also hat niemand versucht…“ Shikamaru brach ab und richtete den Blick auf die Tischplatte. 

 

Asuma runzelte die Stirn. „Was versucht?“

 

„Nichts…“

 

Nichts am Arsch…

 

Der Sarutobi nahm sich einen Moment, um seine Zigarette anzuzünden und prüfte sorgfältig diese dicke fette Steinmauer, die sein Schüler gerade errichtet hatte. Klasse. Jetzt würde er ein paar Risse in diesen Defensiven auslösen müssen, um einen Durchbruch zu erzielen. Aber zumindest hatte Shikamaru ihn mit ein paar Informationen bewaffnet, um sie als Spitzhacke zu verwenden. 

 

Er musterte Shikamaru genauestens und richtete alle seine Instinkte auf die Reaktion, die er für seine nächsten Worte erhalten würde. „Jemanden abzuwerben ist keine Kopfgeldjagd, Shikamaru.“

 

Shikamaru hielt inne, kurz bevor er einen Tofuwürfel aufnehmen konnte. Langsam legte er die Essstäbchen beiseite und schnaubte, während er Asumas Blick auswich. „Das weiß ich.“

 

„Tust du das?“

 

Shikamarus Hände verkrampften sich und glitten vom Tisch. Er lehnte sich fort. „Jo.“

 

Stirnrunzelnd beäugte Asuma diesen Rückzug und klopfte Asche in die gläserne Schüssel. „Als du das Angebot des Feuerdaimyōs abgelehnt hast, hast du mir gesagt, du hättest es getan, weil du in Konoha bleiben wolltest, um deine Freunde zu beschützen. Aber du hast auch gesagt, dass es auch ein nicht so edler Beweggrund war.“

 

Scharf sah Shikamaru auf, bevor er ruckartig den Blick abwandte. 

 

Bingo.

 

„Also.“ Träge blies Asuma Rauch in die Luft. „Was war der wirkliche Grund, aus dem du abgelehnt hast?“

 

Shikamaru knirschte mit den Zähnen. „Das habe ich dir schon gesagt…“

 

„Ja…“ Asuma beugte sich nach vorn, um Shikamarus Aufmerksamkeit zurück zu sich zu ziehen, während er versuchte, den besten Weg zu finden, hiermit umzugehen. „Und ich weiß, dass du mich anlügst. Ist das der Grund, warum du zu mir gekommen bist? Um mir noch eine Lügengeschichte aufzutischen?“

 

Shikamaru blinzelte mit weiter werdenden Augen. Und Asuma stählte sich gegen den verletzten Ausdruck, der sich in diese dunklen Seen drängte und hielt stattdessen eine beleidigte Fassade aufrecht, da er hoffte, Shikamaru mit Schuldgefühlen in die Enge treiben zu können. 

 

„Vielleicht ist das nicht einmal das Schlimmste“, fuhr Asuma fort und beobachtete, wie der Rauch in Spiralen von seiner Zigarette aufstieg, um sich davon abzuhalten, sehen zu müssen, wie die Miene seines Schülers zuckte. „Vielleicht willst du dem Ganzen noch die Krone aufsetzen, indem du nicht nur meine Intelligenz beleidigst, sondern auch die Tatsache, dass du weißt, dass ich dich immer in der Hoffnung anhören werde, etwas zu bekommen, das zumindest in der Nähe der Wahrheit liegt.“

 

Shikamaru sah aus, als hätte man ihm gerade eine heftige Ohrfeige verpasst. Rasch blinzelnd drehte er den Kopf zur Seite. „Das ist nicht wahr…“ Und dann – ziemlich unerwartet – schnitten seine Augen wieder zurück und verengten sich zu scharfen Nadelspitzen. „Du hast keine Ahnung…“

 

Es war eine Reaktion, als wäre ein Schalter umgelegt worden und Asuma bemerkte es sofort. 

 

Gut. Mit Zorn kann ich arbeiten…

 

Zorn war besser als Vermeidung – Scheiße, gerade er sollte das wissen. 

 

„Keine Ahnung? Da hast du auf jeden Fall recht.“ Asuma lachte dunkel und lehnte sich in seinem Sitz nach hinten, um sich aus Shikamarus Bereich zurück zu ziehen und dem Jungen Raum zum Atmen zu geben, sodass er sich nicht gefangen fühlte. „Stattdessen habe ich nur Ahnungen. Zum meinem Glück verlasse ich mich immer eher auf Instinkt statt Intellekt. Macht mich wahrscheinlich zu einem beschissenen Lügner. Du allerdings…“

 

Shikamarus Lippen spannten sich an, aber ein tiefer und verletzlicher Schmerz spielte direkt unter der Oberfläche seiner Augen. Er war noch nie in der Lage gewesen, das vor Asuma zu verstecken. 

 

Also rennst du stattdessen davon…das verstehe ich…

 

Shikamaru warf einen flüchtigen Blick auf das Ende der Bank; eine unbewusste Suche nach einem Ausweg. „Sag es einfach“, knurrte er schließlich. „Mach nur und sag mir, dass ich ein Feigling und Lügner bin. Ich weiß es. Du weißt es. Also sag es einfach.“

 

Asuma schüttelte den Kopf. „Ich werde sicher nicht leugnen, dass du eine verdammte Silberzunge hast, Shikamaru. Aber wenn du einfach nur ein Lügner und Feigling bist, warum sind wir dann überhaupt hier?“

 

Die Frage fiel wie ein Amboss und zerbrach die Wut auf Shikamarus Gesicht. Dunkle Augen wurden groß und welche Antwort auch immer der Schattenninja gegeben hätte; sie schaffte es nie aus seiner Kehle. Sein Atem geriet ins Stocken und schon wieder sah er zur Seite weg. 

 

„Rede mit mir“, sagte Asuma sanft. „Ich weiß, dass du mit mir reden willst.“

 

Schweigen verspottete sie beide. Es schrillte in Asumas Ohren und löste alle Arten von Alarm aus. Seufzend schloss er die Augen. Gott, er hatte es vermasselt. Dummerweise hatte er seine Chance vertan – vielleicht die einzige, die er jemals erhalten würde. 

 

Und dann spielte das Schicksal eine andere Hand aus. 

 

„Warum…?“

 

Asumas Lider flogen auf und er starrte Shikamaru an. „Was?“

 

„Warum…“ Die Stimme des Schattenninjas war schwach und klang so weit entfernt wie der Ausdruck in seinen Augen. „Warum zur Hölle musstest du mir sagen, dass es dir leidtut?“

 

Asuma stierte ihn noch etwas länger an. „Weil du es verdient hast, es zu hören.“

 

„Ich brauchte es nicht, das zu hören.“

 

„Dann habe ich es eben gebraucht, dass du es hörst“, erwiderte er; die waschechte Wahrheit, direkt aus seinem Mund, ohne Planung oder Präambel. „Ich habe es gebraucht, dass du weißt, dass es mir leidtut…und dass mir das immer leidtun wird.“

 

Shikamaru atmete zerfetzt ein. „Es war nicht deine Schuld.“

 

„Hier geht es nicht um meine Schuld, Shikamaru.“ Asuma drückte seine Zigarette aus und hielt seine Stimme weich und leise. „Aber wenn es das ist, was dich hierher gebracht hat, Shikamaru, dann bereue ich es nicht, dich damit belastet zu haben.“

 

„Du musst überhaupt nichts bereuen.“ Shikamaru sah ihn an und seine Stimme war jetzt stärker und sicherer. „Du warst nicht da. Es war nicht deine Schuld. Das musst du kapieren.“

 

„Okay. Ich kapiere es.“

 

„Du lügst.“

 

Ein schwaches Schmunzeln zupfte an Asumas Lippen. „Ich habe doch selbst gesagt, dass ich ein beschissener Lügner bin.“

 

„Ich brauche es nicht, dass es dir leidtut!“

 

„Du hast wirklich ein ziemliches Problem mit diesem Wort, stimmt’s? Wieso das?“

 

„Weil es überhaupt nichts ändert“, schnappte Shikamaru und bemühte sich, seine Stimme so eben wie möglich zu halten, wobei er offenbar nicht bemerkte, dass ihn seine Augen bereits verrieten. „Also vielleicht war das hier einfach nur eine blöde Idee. Die Vergangenheit ist vorbei. Es hat sich erledigt.“

 

Asuma schüttelte den Kopf, da er genauso gut wie sein Schüler wusste, dass die einzige Sache, die erledigt war, die Lüge war. Shikamaru hatte bis zum geht nicht mehr gelogen. Und dennoch zerrte er wie ein wehrloses Kind die zerfetzten Überreste davon wie eine Sicherheitsdecke mit sich und ließ sie nur widerwillig los. 

 

Asumas Augen wurden weich. „Shikamaru…“

 

Sofort versteifte sich Shikamaru bei diesem Gesichtsausdruck. Energisch kämpfte er darum, den Blick seines Senseis halten zu können. „Hör auf, mich so anzusehen. Ich brauche deine Reue nicht.“

 

„Ist das der Grund, aus dem wir dieses Gespräch führen?“ Asuma musterte seinen Schüler unverwandt, während eine dunkle Braue nach oben wanderte. „Damit ich mich besser fühle? Das ist nicht deine Aufgabe.“

 

„Es ist auch nicht deine Aufgabe, mich zu beschützen. Ich bin kein Genin mehr“, knurrte Shikamaru zurück und blinzelte hektisch, während er sich an Logik klammerte, um sich vor den Emotionen retten zu können, die Asuma bereits sehen konnte, wie sie in seinen Augen aufstiegen und seine Stimme rau machten. „Du bist nicht für mich verantwortlich und-“

 

„Weiß es dein Vater?“, schnitt Asuma ihm das Wort ab. 

 

Shikamaru wurde stocksteif und regungslos, was in Asuma keinerlei Zweifel über die Antwort zurückließ. Und die Gewissheit dieser Antwort fraß sich in den Knoten aus Schuldgefühlen, den Asuma seit zwei Jahren wie ein Krebsgeschwür mit sich herum trug. 

 

„Schätze mal, die Antwort ist ein Klacks, huh? Natürlich weiß er es nicht“, sagte Asuma leise und seine Augen erweichten sich zu tiefen Brunnen des Kummers. „Du wärst nicht immer noch in diesem Zustand, wenn er es wüsste.“

 

Ein langes Starren, das von einer noch längeren Stille bekräftigt wurde. 

 

Er sah zu, wie Shikamarus Mund zuckte; Lippen drückten sich fest zusammen, während der Schattenninja mit sich selbst kämpfte und sein Atem etwas heftiger durch seine Nase kam. 

 

„Er kann es nicht ändern…“, presste Shikamaru hervor. „Genauso wenig wie du…also erspar mir deine Schuldgefühle.“

 

„Du bist nicht dafür verantwortlich, wie ich mich aufgrund der Fehler fühle, die ich gemacht habe.“

 

„Und du bist nicht dafür verantwortlich, wie ich mich aufgrund dessen fühle, was ich getan habe.“

 

„Was du getan hast?“, forderte Asuma ihn mit tödlich ruhiger Stimme heraus. „Oder was dir angetan wurde?“

 

Shikamaru zog sich auf seinem Platz zurück. Die Zornesröte wurde schlagartig aus seinem Gesicht gesogen und ließ ihn bleich und angeschlagen zurück. „Nicht. Verdreh es nicht.“

 

„Was verdrehen?“

 

Shikamaru kämpfte um eine Antwort und sein Blick schien von jeder Oberfläche abzuprallen, als er innerlich nach irgendeiner Defensive suchte und seine Augen hektisch über die Tischplatte vor und zurück zuckten. 

 

Sich einzig und allein auf seinen Instinkt verlassend, atmete Asuma tief ein und ließ seine nächste Frage fallen, bevor sich Shikamaru erholen konnte. „Ich weiß, dass dir etwas während dieser Chūnin Prüfungen vor zwei Jahren zugestoßen ist. Ist jemand vor dem Feuerdaimyō an dich ran gekommen?“

 

Shikamarus ruckender Blick hielt inne. Abgehackt sog er Luft durch die Nase ein. 

 

Asumas Herz verkrampfte sich, als würde es jeden Moment reißen.

 

Genma, ich werde dich verfickt nochmal kastrieren…

 

Energisch hielt Asuma seinen Zorn im Zaum und zwang sich dazu, weiter zu machen; das zu tun, was er vorher nicht übers Herz gebracht hatte. „Hat jemand versucht, dich-“

 

Nicht, Asuma…begib dich nicht dorthin…“

 

Asuma legte die Unterarme auf dem Tisch ab und überbrückte sehr sehr langsam die Distanz zwischen ihnen. „Es ist alles okay.“

 

Panisch fixierten sich Shikamarus Augen auf Asumas Brust, auch wenn der Jōnin deutlich spürte, dass er überhaupt nichts sah. Er trug den Blick von jemandem, dessen Systeme herunter fuhren und in dem sich innere Wände näherten. Diese glänzenden Seen wurden weiter und weiter und nahmen einen goldenen Schein in dem übernatürlichen Licht an, das durch den Raum fiel; sie blickten ohne irgendeinen Fokus nach vorn…starrten…starrten…

 

Asumas Magen zog sich bei diesem verlorenen Ausdruck schmerzhaft zusammen. „Ich weiß, dass du verängstigt bist.“

 

Shikamarus Kiefer bebte. Mit leblos wirkenden Augen stieß er ein leises bebendes Lachen aus und seine Stimme war angespannt und schwach. „Du weißt nicht, was ich bin…“

 

Asuma lächelte traurig. „Ich weiß, wer du bist, falls das hilft.“

 

Ein Schleier aus Tränen legte sich über Shikamarus Augen. 

 

Da bist du ja, Junge.

 

Asuma musste energisch die Emotionen nach unten drücken, die sich in sein Zwerchfell rammten. „Shikamaru. Es ist alles o-“

 

„Es sollte eine Mission sein“, unterbrach Shikamaru ihn mit heiserer Stimme. „Eine Nebenoperation.“

 

Ein Frösteln schoss durch Asuma. „Sollte sein?“

 

„Drei, es gab drei…“

 

Genau wie es in den Berichten stand. Asuma nickte ihm ermutigend zu. „Und was ist passiert?“

 

„Ich habe versagt…“

 

„Du hast versagt?“ Asuma zog die Brauen zusammen. „Du meinst, dass nur du auf dieser Nebenmission warst?“

 

Das wäre auf gar keinen Fall möglich. 

 

Doch Shikamaru beachtete die Frage auch überhaupt nicht. Mit einem schlagartigen Drehen des Kopfes schwang sein glasiger Blick aus dem Fenster. Und genauso schnell, wie er sich geöffnet hatte, knallte die sprichwörtliche Tür zwischen ihnen zu. 

 

Scheiße!

 

Asuma weigerte sich vehement, diesen Faden der Wahrheit loszulassen und versuchte, den besten Weg zu finden, um Shikamaru wieder zurück zu holen. „Okay, diese Pseudo-Mission“, bohrte er vorsichtig nach. „Hat sie außerhalb von Kusakagure stattgefunden?“

 

Shikamaru nickte einmal. Kein Zögern. 

 

„Wo?“

 

„Ich weiß nicht…“

 

Asuma hob eine Braue. „Was meinst du?“

 

„Ich erinnere mich nicht.“

 

„Wie kannst du dich nicht daran er-“

 

„Dissoziative Amnesie“, erklärte Shikamaru roboterhaft und fuhr unverwandt fort, mit feuchten distanzierten Augen benommen aus dem Fenster zu stieren. „Das ist zumindest die PTBS-Lehrbuchdefinition dafür.“ Ein sprödes, finsteres Lachen – beinahe ungläubig. „Ich habe recherchiert…“

 

Dissoziative Amnesie. PTBS…

 

Die Übersetzung schoss in einem sofortigen Abruf in sein Hirn: Posttraumatische Belastungsstörung. Furcht sank wie Blei in Asumas Magengrube und ihm wurde ein bisschen schwindelig und auch übel. 

 

„Amnesie?“, echote er. 

 

„Dissoziative.“ Shikamaru schniefte leise und schüttelte den Kopf über seine Reflexion im Glas; oder vielleicht über die Ironie seiner nächsten Worte. „Ich erinnere mich an Dinge, von denen ich mir wünsche, sie vergessen zu können…was zur Hölle sagt das…über das, woran ich mich nicht erinnern kann?“

 

Keine noch so große Menge an dunkler Vorahnung hätte Asuma auf das vorbereiten können. Er fühlte sich, als würde etwas in ihm beben. Und Zorn erschien ihm sicherer als Angst und er fing in seiner Magengegend Feuer, um roten Rauch in sein Hirn zu senden, der drohte, die Klarheit zu benebeln, die er dringend brauchte, um mit seinen Fragen weiter machen zu können. 

 

Beruhige dich.

 

Asuma richtete sich etwas auf und legte die Hände auf den Schenkeln ab, deren Muskeln härter als Stahl waren. 

 

Finde. Einen. Namen.

 

Tief atmete er ein und entließ die Luft langsam durch die Nase. „Sagt dir der Name Naoki irgendetwas?“

 

Shikamaru schüttelte den Kopf; ein ehrlicher Mangel an Wiedererkennen, soweit Asuma das einschätzen konnte. 

 

Liegt das daran, dass du ihn nicht kennst…oder daran, dass du dich nicht erinnern kannst?

 

Götter, was zur Hölle war passiert? Was zur Hölle musste Shikamaru erlebt haben, damit sein Unterbewusstsein das meiste davon mit Schatten verschluckt hatte? Aufmerksam suchte Asuma das Profil seines Schülers ab, während sich Emotionen durch sein eigenes Gesicht gruben und eine tiefe Falte zwischen seine Brauen trieben. 

 

„Shikamaru…“, murmelte er. „Erzählst du mir, an was du dich erinnern kannst?

 

Shikamaru sagte nichts und seine nassen Augen nahmen Fokus an und verloren ihn wieder, als würde sich ein Teil von ihm darum bemühen, die Erinnerungen zu begrenzen, während ein anderer Teil sie vor seinem inneren Auge vergrößerte. Sein Atem wurde immer ausgefranster und verließ in hektischeren Beben seine Nase. 

 

Angestrengt hielt sich Asuma davon ab, nach ihm zu greifen und hielt seine Stimme weich. „Du musst mir sagen, an was du dich erinnerst.“

 

Für einen langen Moment starrte Shikamaru einfach nur auf die Kondensation seines Atems auf dem Glas und sah zu, wie er in zerfetztem Keuchen zu Nebel wurde und verschwand. Dann drückte er sich gegen die Sitznische, als würde er sich von einem gefährlichen mentalen Rand zurück ziehen. 

 

Asuma wollte ihn mit seinem Willen darüber zwingen; nur ein winziges Stück, nur weit genug, um einen Namen zu erhalten, einen Hinweis, eine Bestätigung des Ortes, den Genma ihm gezeigt hatte…etwas…irgendetwas…

 

„Shikamaru…“

 

„Das was ich träume…das ist, woran ich mich erinnern kann…“

 

„Was du träumst?“

 

„Teile…in Teilen, in Bruchstücken…“ Shikamaru blinzelte nicht, atmete nicht, durchbrach diesen Zustand für eine lange Weile nicht; beinahe, als wäre er in eine Trance hinüber geglitten. „Gesichter, Stimmen, Lärm…ein Onsen…ein Keller für Hetzjagden…“

 

„Ein Keller für Hetzjagden?“

 

Shikamaru nickte langsam und fuhr in einem tonlosen Murmeln fort. Die Details schwebten durch seinen Verstand und aus seinem Mund, als wären sie Rauch; obskur und vage. „Manchmal sehe ich zu…manchmal bin ich mitten drin…ich komme nicht raus. Ich weiß nicht, ob es eingebildet oder erinnert ist. Aber ich erinnere mich an den Lärm…“

 

„Lärm?“, drängte Asuma leise weiter. 

 

„Tiere…und etwas anderes, das ich nicht erkennen kann. Sie sagten, ich hätte meinen Verstand bewiesen. Bewiesen, dass ich ein Stratege bin…aber er wollte etwas anderes zum Vorschein bringen.“

 

„Er?“ Asuma stürzte sich auf dieses Pronomen; verzweifelt danach, einen Namen und ein Gesicht daran heften zu können. Er spürte, wie sich sein Körper vor Zurückhaltung verkrampfte, während er den Drang nieder kämpfte, nach vorn zu schnellen. „Wer?“

 

Shikamaru bemerkte nicht einmal, dass er diesen Übergang von ‚sie‘ zu ‚er‘ gemacht hatte und fuhr einfach in dem gleichen weit entfernten Tonfall fort, da er Asumas Unterbrechung überhaupt nicht registriert hatte. „Er sagte, es wäre eine andere Art des Spiels…ein größeres Spiel…der Instinkt zu überleben. Motive auf einem grundlegenden Level zu begreifen…“ Er brach ab, um kurz nach Luft zu schnappen, als er hektisch blinzelte und krampfhafter atmete. „Es hatte überhaupt nichts mit Strategie zu tun.“

 

Stirnrunzelnd biss Asuma so hart die Kiefer aufeinander, dass seine Backenzähne knackten. Er musste sich konzentrieren. Er konnte nicht reagieren. Er musste darauf eingehen. Antworten bekommen. „Also womit hatte es dann zu tun?“

 

„Damit, meine Instinkte zum Vorschein zu bringen…“ Shikamaru stieß ein ersticktes Lachen aus und der Klang erschütterte ihn wie ein Tremor vor einem Bruch. Inzwischen schwitzte er und seine Stimme zitterte. „Meine Angst zum Vorschein zu bringen…das Spielbrett zu entziehen…“

 

Das Spielbrett…?

 

Asuma kämpfte energisch darum, sitzen zu bleiben. Er konnte fast schon sehen, wie Shikamaru diesem mentalen Rand näher kam. Er hatte das Gefühl, als würde er zusammen mit seinem Schüler genau dort stehen. Unbewusst packte der Jōnin die Tischkante. 

 

„Shikamaru…gib mir einen Namen.“

 

Shikamarus Hals verkrampfte sich und er spannte sich an, um zu schlucken, während er durch die Nase keuchte und sich seine Miene wegen des Schmerzes zu einer Grimasse verzog. Langsam hob er eine Hand, um sich über das Gesicht zu reiben, bevor er sie schlagartig zurück zog und geschockt auf seine schwitzenden Handflächen und bebenden Finger stierte. 

 

„Das ist…verrückt…“, krächzte er zitternd. „Nein. Es ist nicht real.“

 

Fuck.

 

Asuma machte Anstalten, eine Hand nach dem Schattenninja auszustrecken. „Shikamaru…“

 

Aufgeschreckt zuckte Shikamaru von dem Tisch zurück und stolperte in dem Versuch, aufzuschnellen und aus der Sitznische zu stürzen, während sich Panik durch seine Atmung fraß. 

 

Sofort schoss Asuma nach vorn und packte sein Handgelenk, um ihn zurück zu ziehen. „Renn nicht weg.“

 

Shikamaru stierte zornig auf Asumas Hand und seine Augen schienen sich wie schwarze Scheiben zu verfinstern, als sie erstarben und kalt wurden. Bebende Lippen teilten sich und seine Stimme erklang so frostüberzogen ruhig, dass es schien, als wäre sie vollkommen von ihm losgelöst. 

 

„Geh verfickt nochmal weg von mir!“

 

Diese Stimme stürzte wie eine Woge aus Eis auf Asuma. Sein Herz setzte aus und sackte hinunter in seine Magengegend und ruckartig kam er auf die Beine, um einen harten Griff an Shikamarus Nacken zu bekommen. 

 

„HEY!“, bellte Asuma, verankerte ihre Blicke und suchte diese düsteren Augen nach irgendeinem Anzeichen des Wiedererkennens ab. Mit den Fingern schnippte er vor Shikamarus Gesicht und schüttelte ihn heftig. „Konzentrier dich! Komm hierher zurück. Sieh mich an! Shikamaru!“

 

Shikamaru blinzelte und brach heraus aus welcher Zone auch immer, in die er geglitten war. Dunkle Seen fokussierten sich weit und nass erneut auf Asuma. „Lass los, Sensei…“

 

Asuma zögerte beinahe, gab dem Bitten beinahe nach. Doch stattdessen verstärkte er seinen Griff mit einer beständigen und tiefen Stimme. „Und dich fallen lassen? Auf keinen Fall. Du bist so weit gekommen und ich werde dich den Rest des Weges weiter ziehen, wenn ich muss. Selbst wenn ich durch deine Schatten muss, um zu dir zu kommen.“

 

Verwirrung verdrehte Shikamarus Miene und der Ausdruck war alles an Bestätigung, was Asuma brauchte; der Schattenninja hatte nicht die geringste Ahnung, was gerade passiert war. Er war vollkommen abwesend gewesen. Stirnrunzelnd senkte Asuma seinen Griff hinunter zu Shikamarus Schultern, um seinen Schüler festhalten zu können, während er gleichzeitig den Tisch verfluchte, der seinen Bewegungsspielraum einschränkte. 

 

„Erzähl es mir einfach“, drängte er, zerrissen zwischen dem Wunsch, Shikamaru von dem Schmerz fort zu ziehen und dem gleichzeitigen Wunsch, ihn dort hindurch zu treiben. „Erzähl es mir, sodass ich dir dabei helfen kann, einen Sinn daraus zu machen. Erzähl es mir, sodass ich dir helfen kann, dass es aufhört!“

 

Heftig schüttelte Shikamaru den Kopf, versuchte aber nicht, Asumas Griff zu durchbrechen. Er hätte es tun können; er hätte sich daraus freidrehen können. Aber das tat er nicht. Und die Tatsache, dass er es nicht tat, schrie so laut um Hilfe, dass Asuma es beinahe hören konnte. 

 

Verdammt! Ich bin doch DIREKT HIER!

 

Mit beiden Händen nahm Asuma seinen Zorn an die Kandare, als er Frust statt Kummer nachgab und seine Finger in Shikamarus Schultern grub. Er wollte, dass das Zittern des Jungen aufhörte, wollte, dass all die Fragen und all die Lügen aufhörten.

 

„Hör auf, vor mir WEGZURENNEN!“

 

„ICH KANN NICHT!“, knurrte Shikamaru, als sein Zorn nach vorn stürzte und er die Zähne bleckte. Ruckartig zog er die Schultern hoch und versuchte, den Griff zu durchbrechen. „Ich kann nicht AUFHÖREN! Ich weiß nicht WIE!“

 

Asuma packte härter zu. „Doch das kannst du. Das hast du. Du weißt wie. Gott verdammt. Du bist zu mir gekommen, oder nicht? Du hast eine Hand ausgestreckt. Und jetzt bist du wieder so weit, dass du dich aus dem Staub machen willst? Wenn du es nicht in dir selbst finden kannst, dich auf die Probe stellen zu können, dann mach es mit mir. Stell mich auf die Probe, wenn du mir nicht vertraust.“

 

„Mach das nicht…“, wisperte Shikamaru und das Flehen geriet in seiner Kehle ins Stocken. Mit beiden Händen griff er nach oben, um seinen Schädel zu umklammern, hielt aber auf Schulterhöhe inne, um Asuma mit zitternden Händen abzuwehren. „Bring meinen Kopf nicht mit Worten durcheinander…Nicht…es hat nichts mit Vertrauen zu tun…“

 

„Und es hat auch nichts mit deinem Kopf zu tun. Ich würde niemals diese Art Spielchen mit dir spielen“, grollte Asuma. „Das einzige Spiel, das wir spielen, ist Shogi.“

 

„Dann betrachte das als ein Schachmatt, Sensei…“, schoss Shikamaru mit einer Stimme zurück, die rau wie Sandpapier war. Mit einem Rucken befreite er sich und machte sich daran, aus der Nische heraus zu schlüpfen; desorientiert und verzweifelt nach einem Fluchtweg. „Ich bin erledigt!“

 

Erledigt. Beendet. Zu spät. 

 

NEIN!

 

„Zur HÖLLE bist du das!“, fauchte Asuma. 

 

Mit einem einzigen brutalen Schwung rammte er seine Faust in die Wand der Sitzecke, bevor Shikamaru hinaus schlüpfen konnte und zersplitterte das Holz unter der plüschigen Polsterung, um den Ausgang des Schattenninjas zu versperren. 

 

Shikamaru erstarrte und wurde stocksteif. 

 

Asuma beugte sich zu ihm und knurrte seine Worte direkt in Shikamarus Ohr. „SETZ. DICH. HIN.“

 

Der Schattenninja blieb vollkommen paralysiert und hielt die Augen auf Asumas Arm fixiert, als hätte der Schlag stattdessen ihn getroffen. Für einen langen Moment sagte keiner von ihnen etwas. Asuma hatte vollständig aufgehört zu atmen und die Spannung ging so stark von ihm aus, dass er hätte schwören können, es wäre die Kraft seiner Verzweiflung, die Shikamaru gegen die Seite der Kabine drückte. Doch er berührte den Jungen überhaupt nicht und dennoch sah Shikamaru aus, als befände er sich im Todesgriff von irgendetwas. 

 

Angst…

 

Asumas Augen wurden weich und seine Stimme bebte heftig. „Gott, du sturer Junge. Was zur Hölle ist es? Warum kannst du es nicht versuchen? Wenn es vorüber und erledigt ist, warum hast du dann immer noch solche Angst?“

 

Mit äschernem Gesicht stierte Shikamaru geradeaus; seine Augen waren blind vor Furcht. 

 

Götter, bitte…

 

Asumas ließ zu, dass sich seine Anspannung nach und nach abmilderte, senkte aber nicht den Arm, der seinen Schüler eingepfercht hielt. „Wenn du mir nicht sagen kannst, was passiert ist oder wer es getan hat…dann sag mir, WARUM du es nicht kannst.“

 

„Stop…“, krächzte Shikamaru. 

 

„Sag mir, warum.“

 

„Ich kann nicht.

 

„WARUM, Shikamaru!“

 

„ICH KANN NICHT!“

 

„VERDAMMT!“, schrie Asuma und lehnte sich noch weiter nach vorn. „Wovor zur Hölle hast du solche Angst?“

 

„VOR MIR!“, brüllte Shikamaru und die Worte zerrissen, als wären sie ein Teil seiner Seele; blutig und roh. Tränen benetzten seine Augen und sein Kopf zuckte herum, sodass er Asuma anstieren konnte. „Weil ich vielleicht etwas viel SCHLIMMERES bin, als sie es waren! Schlimmer, als ER es war!“

 

Asuma starrte ihn an; vollkommen benommen von dem Ausbruch. „…Was?“

 

„DESWEGEN!“, schrie Shikamaru und seine Stimme begann zu bröckeln. „Bitte mich nicht darum, ZURÜCK zu gehen! Niemand hat das je getan! Und ich bin FROH darum! Wenn ich mich nicht an das erinnere, wozu mich diese Leute gebracht haben…was ich wegen ihnen getan habe, dann muss ich es nicht WISSEN! Bitte mich nicht, es REAL ZU MACHEN, Asuma! Es ist nicht mehr REAL! Es ist VORBEI!“

 

Als er spürte, wie etwas in seiner Brust nachgab, flogen Asumas Hände erneut nach oben. Er packte Shikamarus Schultern und schüttelte ihn so heftig, dass seine Zähne klapperten. „Es ist NICHT vorbei!“

 

„DOCH, das ist es!“

 

„Es ist nicht VORBEI, bis derjenige, der dich verletzt hat unter der gottverdammten ERDE ist!“

 

„Dann ist es SOWIESO vorbei!“

 

„WARUM?!“
 

„WEIL ICH IHN UMGEBRACHT HABE!“, explodierte Shikamaru und schrie die Worte direkt in Asumas Gesicht. „Er ist TOT! Er ist unter der ERDE, weil ICH IHN UMGEBRACHT HABE!“

 

Schlagartig entwich sämtliche Luft aus Asumas Lungen. 

 

Er ließ Shikamaru los. 

 

Der Schattenninja sackte zusammen. Seine Knie knickten ein und seine Ellbogen schlugen mit einem lauten Knacken auf dem Tisch auf, als sein Kopf in seine Hände fiel und sich seine Finger um seinen Schädel krümmten. „Ich habe ihn umgebracht…“, keuchte er. 

 

Schock katapultierte Asumas Verstand in die eine, dann in die andere Richtung. 

 

Er mahlte mit dem Kiefer und fand sich nicht in der Lage, seine Stimme einzusetzen. 

 

Tot…erledigt…vorbei…

 

„Und es tut mir nicht leid…“, raunte der Schattenninja, während sich seine Kehle geradezu um die Worte herum zusammenzog. Durch gerötete, tränennasse Augen stierte er auf die Mitte des Tisches und sah dabei aus, als wäre er bis ins Mark erschüttert. „Es kümmert mich nicht…ich habe ihm eine Spritze in den Hals gejagt…und ihn hinunter gezerrt in diese Grube…und es tut mir NICHT leid…

 

Fassungslos starrte Asuma auf Shikamaru hinunter; bis zur Sprachlosigkeit betäubt. Und als wäre das nicht genug, traf ihn die Vergeblichkeit von allem, was er versucht hatte wieder gut zu machen, mit voller Breitseite und riss die Beine vollständig unter ihm fort. 

 

Kami…

 

Langsam sank Asuma zurück auf seinen Platz. 

 

Und Stille senkte sich mit ihm; kalt und zertrümmernd. 

 

Hunderte Fragen schwammen durch seinen Kopf, Instinkte kreisten wie Haie um die Antworten und rochen den ranzigen Stich von Blut, waren aber dennoch nicht in der Lage, die Leichen zu finden. 

 

Weil ich zu spät bin…

 

Immer zu spät. Asuma biss die Zähne zusammen. Venen pulsierten, Blut brüllte und seine Finger ballten sich zu Fäusten. Aber da war niemand, den er hätte umbringen können. Keinen namenlosen Feind, den es zu bestrafen galt. Der Körper, den er hatte zerstören wollen, war bereits begraben. Und alles, was blieb, war das blutige, psychologische Chaos der Folgen. 

 

Und ich habe dich damit allein gelassen…für zwei ganze Jahre…

 

Langsam ließ der Schock nach und die Zeit kam schlagartig zurück. 

 

Beinahe peripher bemerkte Asuma, dass die roten Schattierungen der Morgendämmerung zu einem Becken wolkengesprenkelten Himmels übergegangen waren. Weiche Sonnenstrahlen schimmerten durch das Glas, um die Oberfläche des Tisches in warmes Licht zu baden. Es war sowohl ruhig, als auch klar und war Zeuge von etwas, das keines von beidem war. 

 

Das pastellfarbene Glühen zog Asumas Augen zu Shikamarus Händen. 

 

Die Handflächen hart gegen seinen Schädel gepresst, traten die Knöchel des Schattenninjas weiß hervor und Sehnen hoben sich blasser als Kalk von seiner Haut ab. Die Linien waren so straff gezogen, dass seine Finger bebten…seine Arme zitterten…und seine Schultern hielten sich steif angespannt in dem Versuch, es aufzuhalten…

 

Der Schock verließ Asuma vollständig. 

 

Sein Herz pochte heftig und ein ausweidender Schmerz zerriss das Innerste seiner Brust. „Shikamaru…“

 

Keine Reaktion. 

 

Energisch blinzelte Asuma das feuchte Stechen aus seinen Augen fort und streckte beide Hände aus, um das Essen beiseite zu schieben und vorsichtig nach Shikamarus Unterarmen zu greifen. Der sanfte Kontakt löste eine Reaktion aus, die den gesamten Körper des Chūnins in einem einzigen bröckelnden Schaudern erschütterte.

 

Shikamarus Miene zersplitterte wie Glas und seine Lider schlossen sich. Und schließlich kamen die Tränen; sengend und stumm quollen sie aus ihm. „Fuck…was bin ich…?“

 

Asumas Atem verfing sich in dem Knoten in seiner Kehle. „Du bist ein guter Junge, das ist es, was du bist.“

 

„Dann…warum…“ Shikamaru presste die Handballen in seine Augen und zitterte heftig„Niemand hat irgendetwas gesagt…irgendetwas gefragt…ich…konnte mich nicht erinnern…und ich wollte es nicht wissen…ich habe nicht gefragt…ich wollte nicht…und alles, woran ich mich erinnern kann…ich habe es niemandem erzählt…weil ich…“

 

„Hey“, wisperte Asuma und drückte zaghaft die Arme des Schattenninjas, bevor er langsam seine Hände von seinem Gesicht fort zog. „Sieh mich an…“

 

„Weil ich ertragen kann, was er mir angetan hab…aber was ist mit dem, was ich getan habe…?“, presste Shikamaru erstickt hervor, während er auf seine Handflächen stierte; auf das bittere Salz seiner Tränen. „Was ist, wenn ich…etwas viel Schlimmeres bin…?“

 

„Das bist du nicht!“, knurrte Asuma, drückte erneut Shikamarus Arme und versuchte, seine Worte zusätzlich durch den Griff auszudrücken. „Hierbei musst du mir vertrauen.“

 

„Wie?“ Shikamaru schloss die Augen und wandte das Gesicht ab. „Es tut mir nicht leid…und ich will nicht zurück gehen, um herauszufinden, ob es mir leidtun sollte…das ist so abgefuckt…“ Ein zerfetzter Atem brach aus ihm heraus und erstickte sich zu einem Schluchzen. „Ich bin total abgefuckt…“

 

Sofort zog Asuma ihn nach vorn, bis die Ellbogen des Nara über das Holz glitten, sodass sich Shikamaru hinunter auf die Tischplatte sinken lassen konnte. Mit rasselndem Atem ließ der Schattenninja seinen Kopf zwischen seine Arme fallen, während Tränen wie Blut aus ihm sickerten. 

 

„Du bist nicht abgefuckt!“ Asuma legte eine Hand an Shikamarus Nacken und drückte ihn zärtlich, bevor er sich nach unten beugte, bis sich ihre Köpfe beinahe berührten. „Menschen vergießen keine Tränen über Dinge, die sie nicht kümmern. Aber lass mich dir etwas sagen. Es kümmert mich nicht, was du tun musstest, um dort heraus und nach Hause zu kommen…du bist ein guter Junge, Shikamaru…du bist nicht, was auch immer ‚sie‘ oder er dir gesagt haben, was du angeblich sein sollst…“

 

Kopfschüttelnd versuchte Shikamaru, sich fort zu ziehen. 

 

„Denk nicht mal dran“, knurrte Asuma und zog ihn zurück. „Du weißt, dass ich dir nachjagen werde. Bring mich nicht dazu. Nicht jetzt, wenn ich endlich aufgeholt habe.“

 

Shikamaru sank bei diesen Worten wieder nach vorn und sein Widerstand kollabierte, als Muskeln zitterten und Atem in flachem Keuchen stockte. Leise summend hielt Asuma den Kontakt am Nacken des Schattenninjas aufrecht, um diese lebenswichtige Rettungsleine, diese entscheidende Verbindung bereitzustellen. 

 

Eine entscheidende Verbindung, die viel zu spät kommt…ich hätte da sein müssen…warum habe ich mich nicht darauf vorbereitet…? Warum habe ich zugelassen, dass Tsunade dich dorthin schickt? Warum habe ich nicht weiter voraus gedacht? Warum habe ich es nicht aufgehalten? Warum hat Genma dir keine Hilfe geholt? Warum weiß es Shikaku nicht?

 

Warum. Warum. WARUM!

 

Es spielte keine Rolle, dass all die ‚Warums‘ keine verdammte Sache ändern würden. Es spielte keine Rolle, dass all die ‚Warums‘ keinen Einfluss auf die Vergangenheit oder die Menschen darin hatten. Es spielte keine Rolle, dass im Nachhinein alles lösbar und reversibel erschien, wenn es in der Realität nicht so funktionierte. 

 

Es spielte überhaupt keine Rolle. 

 

Denn so nutzlos wie diese ‚Warums‘ jetzt auch waren, sie tauchten völlig ungeachtet ihrer Vergeblichkeit in Asumas Verstand auf. Gott, allein der Gedanke daran, dass irgendjemand Shikamaru verletzte, war undenkbar gewesen…und jetzt mit Sicherheit zu wissen, dass es jemand getan hatte…

 

WARUM!

 

Asuma biss die Zähne aufeinander und bemühte sich, seine eigene Fassung wiederzuerlangen, während er die Gelegenheit ergriff, die Augen zu schließen, als sein Schüler sein Gesicht nicht sehen konnte. 

 

Wenn du ihn nicht umgebracht hättest…Gott weiß, dass ich es getan hätte…

 

Und Gott wusste auch, dass er ihm einen langsamen, qualvollen Tod zu einer abscheulichen, ewig andauernden Hölle gebracht hätte. 

 

Was Shikaku getan hätte…

 

Schon allein die Tatsache, dass Shikaku nicht einmal davon wusste, öffnete eine massive, chaotische Büchse der Pandora voll mit finsteren Fragen; und alle davon drehten sich um das ‚Wie‘. Wie zur Hölle hatte diese Information überhaupt von dem älteren Nara ferngehalten werden können? 

 

Ein weiteres Netz aus Lügen…

 

Und Shikamaru war darin gefangen und kämpfte darum, all die Fäden zusammenzuhalten, einfach nur, um sich davon abhalten zu können, vollkommen auseinander zu fallen. 

 

Götter…es tut mir leid…

 

Mit einer Hand strich Asuma über Shikamarus Kopf. „Ich würde es ungeschehen machen, wenn ich es könnte.“

 

Shikamaru stieß ein angespanntes, ersticktes Geräusch aus und seine Stimme kratzte so schwach aus ihm heraus, dass Asuma den Kopf nach unten neigen musste, um ihn zu hören. „Du jagst mir immer nach.“

 

Der Jōnin schluckte schwer. „Hält mich in Form“, neckte er schwach, da er verzweifelt versuchte, den Druck von seiner eigenen Brust zu nehmen. „Aber du musst jetzt nicht vor mir wegrennen. Oder vor dir selbst.“

 

Shikamaru schüttelte den Kopf, wobei sein Pferdeschwanz von einer Seite auf die andere wippte. „Es ist verloren…ich bekomme es nicht zu fassen…“

 

Asuma beugte den Kopf noch etwas weiter und sprach leise: „Wenn du dich stark genug fühlst, dich daran zu erinnern, dann wird es zurück kommen. Und wenn du bereit bist, dich dem zu stellen und darüber zu sprechen, dann werde ich da sein. Egal, wie lange es dauern wird. Ich werde nirgendwohin gehen. Ich werde dich nicht fallen lassen. Ich werde dich damit nicht allein lassen!“

 

Asuma ließ das Versprechen in diesen Worten die Stille übertönen. Es war alles, was der Jōnin tun konnte, um sich von Raserei abzuhalten; um sich davon abzuhalten, die Dinge in die eigenen Hände zu nehmen. Aber wenn Shikaku von nichts wusste, dann würde er hier sehr vorsichtig vorgehen müssen. Seine Strategie müsste makellos sein und er müsste auf den richtigen Augenblick warten. 

 

Aber dieser Augenblick würde kommen.

 

Und Gott helfe denjenigen, die eine Rolle in dieser Vertuschung gespielt hatten und ein aktiver Part des Vergehens gewesen waren. 

 

Denn es gab noch immer ein ‚sie‘ zu bestrafen, wenn nicht sogar einen ‚Er‘. Es würde eine ganze Reihe an Raubtieren geben, die diesem jemand, der Shikamaru verletzt hatte, die Macht verliehen hatten, an den Schattenninja heran zu kommen. Und Asuma würde diese Verantwortlichen aufspüren, sie hetzen und jagen und sie ausschalten. Er würde sie einen nach dem anderen verfolgen, wenn es sein musste. Wäre nicht das erste Mal, dass er sogenannte ‚Unantastbare‘ ausgerottet hätte; Spieler, die sich in sozialen Kreisen bewegten, die über jeden Verdacht und Vorwurf erhaben waren. Er war nicht umsonst ein Elitewächter für einen der mächtigsten Daimyōs überhaupt gewesen. 

 

Und das war ein Grundsatz. 

 

Das hier hatte nichts mit Pflicht oder Prinzipien zu tun. 

 

Das hier ist etwas Persönliches…

 

Er war kein Wesen der Distanzierung oder Logik, wenn es um die wichtigen Dinge ging. Er war nicht Kakashi und ganz sicher war er auch nicht Genma. Vielleicht wäre er seinen Schülern auch nie so nahe gekommen, wenn er es gewesen wäre. Und er hätte diese Bande für nichts auf der Welt geopfert, selbst dann nicht, wenn es das Leben einfacher gemacht hätte.

 

Team 10 war nicht einfach nur die Einheit, die er übernommen hatte; er hatte sie aufgenommen.

 

Sie hatten ihn vor einem Leben des ziellosen Treibens bewahrt.

 

Sie hatten ihm das zurück gegeben, was die Zwölf Elitewächter zerbrochen hatten. 

 

Diese Bande gingen tiefer als Blut…und wehe jedem, der unterschätzte, wie weit er für sie gehen würde. 

 

Ich werde so weit gehen, wie es nötig ist.

 

Auch wenn es zu spät kam und auch wenn die Schuldzuweisung bei dem, wen auch immer Shikamaru getötet hatte, aufhörte; auch wenn es sinnlos und sadistisch erschien, all das zwei Jahre später auszugraben. 

 

‚Und wenn dir der Nara Junge am Herzen liegt…dann lässt du das hier gut sein.‘

 

Scheiß drauf.

 

Es war, weil er ihm am Herzen lag, dass er es nicht gut sein lassen konnte. Nicht gut sein lassen würde. 

 

Irgendjemand wird dafür bezahlen…das schwöre ich…

 

Shikamaru atmete bebend aus und zerrte Asumas Aufmerksamkeit zurück. Langsam drehte der Schattenninja seinen Kopf auf eine Seite, als wäre er ein Taucher, der für Luft an die Oberfläche kam, bevor er eine schlanke Wange auf seinem Arm ablegte. Er hatte aufgehört zu zittern und seine Atmung war steter und weicher. 

 

Asuma zog seine Hand zurück und drückte leicht das Handgelenk des Nara, um zur selben Zeit seinen Puls zu prüfen und er wartete geduldig, bis sich der Schlag zu beruhigen begann. „Ich weiß, wer du in deinem Innersten bist. Und nichts und niemand kann das antasten.“

 

Shikamaru schluckte schwer und sagte für einen langen Moment gar nichts. „Und wenn da noch etwas anderes in mir ist?“, wisperte er wie zu sich selbst. 

 

Asumas Griff verstärkte sich leicht und seine Stimme war ein leises Knurren, das dennoch heftiger klang als ein Schrei, da es vor Kraft und Emotionen grollte. „Du wirst mich hierbei hören, Shikamaru. Ich gebe einen Scheiß auf das, was du tun musstest, um zu überleben. Hast du das kapiert? Sieh mich an.“

 

Mit mehr Anstrengung, als Asuma ertragen konnte, sie sehen zu müssen, richtete sich Shikamaru gerade weit genug auf, um seine Augen zu heben und seinen Sensei wie ein verlorenes Kind mit whiskybraunen Seen, die tränenbenetzt waren, anzusehen – ließ zu, dass Asuma einfach alles auf seinem Gesicht ablesen konnte. 

 

Und der Sarutobi erkannte dieses Fallenlassen der Defensiven mit einem sanften Nicken an. „Was auch immer du tun musstest; es spielt keine Rolle.“

 

Shikamaru suchte das Gesicht seines Senseis nach einer Lüge ab; verzweifelt danach, diese Worte zu glauben, auch wenn er es nicht wagte, sich selbst diese Bestätigung einzugestehen. Seine Augen zuckten. „Du liegst falsch. Es sollte eine Rolle spielen…“

 

Asuma blinzelte, als er seine eigene Stimme in Shikamarus Worten hörte…und dann Kakashis Stimme; unglaublich ruhig glitt sie über die anderen beiden: 

 

‚…Moral hat viele Gesichter und die verändern sich stetig je nach Sitten, Kultur und was noch viel wichtiger ist, je nach Kontext; der allzu oft davon beeinflusst wird, wer und was uns wichtig ist.‘

 

Asuma schluckte und fühlte sich, als wäre er gerade schon wieder mit dem Offensichtlichen zwangsernährt worden. Er konnte einfach nicht anders, als leicht zu schmunzeln, da er wusste, dass Kakashi – wie üblich – irritierend recht gehabt hatte, was die objektive Einsicht in subjektive Belange anging. Nicht, dass Asuma das jemals zugeben würde…nun, zumindest nicht laut. 

 

„Vielleicht sollte es eine Rolle spielen…“, sagte Asuma. „Für die Moralapostel. Aber nicht für mich.“

 

„Shikamarus Augen weiteten sich. „Aber-“

 

Nichts aber“, knurrte Asuma. „Es interessiert mich nicht, wie selbstsüchtig das klingt. Es interessiert mich nicht, wie tief du hast kriechen müssen, um es wieder zurück auf deine Füße zu schaffen. Es hat dich nach Hause gebracht. Es hat dich zurück gebracht. Das ist alles, was mich interessiert.“

 

Ein weiterer suchender Blick, ein weiterer zerfetzter Atemzug. „Was, wenn ich es niemals zurück auf die Füße geschafft habe.“

 

„Das hast du.“

 

„Wie kannst du das wissen?“

 

Asuma lächelte traurig. „Weil es selbst Wegrennen erfordert, wieder auf die Füße zu kommen. Und du bist für eine sehr lange Zeit gerannt. Zeit, anzuhalten. Du bist jetzt in Sicherheit.“

 

Shikamaru blinzelte langsam, während die Worte in ihn sanken. Und zum ersten Mal, seit sie immer wieder über diese Sache gesprochen hatten, schlüpfte er nicht fort in diese unbewussten Schatten, wie er es unzählige Male zuvor getan hatte. Zum ersten Mal sah Asuma etwas, das hinter dem Schmerz und der Furcht in diesen dunklen Augen verweilte und sich stärker hielt als die Schatten. Er erblickte den siebenjährigen Nara Jungen, der ihn ansah und im Rauch nach Wolken suchte. Verloren, aber nicht fort. 

 

Dieses Kind. Gott. Das ist alles, was ich sehen musste…

 

Denn dieses Kind hatte welche Hölle auch immer überlebt, die der Teenager hatte durchleben müssen. Vielleicht war etwas im Inneren zerbrochen, fest eingehüllt in der Finsternis von Shikamarus Unterbewusstsein. Aber was zerbrochen war, konnte repariert werden. Es war heimgesucht, aber nicht hohl; desillusioniert, aber nicht tot. Und jetzt, endlich, konnten sie daran arbeiten, Shikamaru aus diesen Schatten heraus zu holen. Daran arbeiten, die Wunden zu versorgen, die er vernäht hatte, obwohl die Infektion immer noch unter den Narben brannte. Diese Narben mussten erneut aufgeschnitten werden, sodass das Gift heraus bluten konnte. 

 

Aber nicht heute.

 

Shikamaru war noch nicht bereit. Aber er hatte den ersten Schritt gemacht. Asuma würde ihn an der Türschwelle treffen und ihn den Rest des Weges mit sich ziehen, wenn es sein musste.

 

Ich kann nicht ändern, was dir zugestoßen ist…aber was auch immer dieser Bastard und diese Leute dir angetan haben; ich werde dich nicht deswegen fallen lassen.

 

Zaghaft legte Asuma seine Hand auf Shikamarus Kopf, um ihn leicht hin und her zu wiegen. „Du wirst es dort hindurch schaffen. Und ich werde direkt an deiner Seite sein…dir in den Hintern treten und dich an den Ohren weiter zerren, wenn es sein muss.“

 

Shikamaru schwieg für eine lange Sekunde, bevor er ein leises „Wie lästig…“ murmelte.

 

Die vertraute Phrase war wie ein Signal. Der erwidernde Griff an der Hand, die Asuma niemals loslassen würde. Es war ein weiterer Schritt vorwärts; zaghaft, aber ehrlich.

 

„Darauf kannst du wetten“, antwortete Asuma und schielte unter die Hand, um Shikamaurs Blick einzufangen, während er die Brauen hob. „Also, hörst du mich hierbei, oder wie sieht’s aus?“

 

Shikamaru sah ihn an; verarbeitete, absorbierte. Langsam nickte er unter dem erdenden Gewicht der Hand seines Lehrers und seine Lippen hoben sich leicht an einem Mundwinkel. 

 

„Ich höre dich, Sensei.“

 

Asuma erwiderte das Lächeln. 

 

Jetzt im Moment, war das alles, was er wissen musste.

 

 

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Und hier ist es...das letzte Kapitel von 'On the Cusp'...ich schiebe wieder allen eine Menge Taschentücher und Schokolade zu, die von dem Kapitel emotional aufgewühlt wurden! 

Ja, Shikamaru hat sich zumindest ein bisschen geöffnet, auch wenn das Rätsel bei weitem nicht gelöst ist. Vielleicht sind sogar eher noch ein paar Fragezeichen mehr dazu gekommen? Wieso weiß Shikaku von nichts? Was hat Shikamaru getan? Jaaa, Fragen über Fragen, die Asuma schwer beschäftigen. 

Es ist gerade zum Ende hin ein enorm emotionales Kapitel finde ich und ich hoffe SEHR, dass es euch gefallen hat. Ich bin jetzt schon etwas wehmütig, weil nur noch der Epilog folgen wird und die Geschichte dann vorbei sein wird...

Über ein paar Meinungen würde ich mich gerade bei diesem Kapitel ganz besonders freuen!!! Es motiviert mich immer wieder enorm, zu lesen, was die Leser/innen von der Geschichte und den einzelnen Kapiteln halten!! Was mich gleich dazu bringt: Ja, ich weiß, ich hänge mit dem Antworten schon wieder ziemlich zurück, aber keine Sorge, ich hole das nach!! :) 
 

Auf auf zum Endspurt meine Lieben! 

Vielen Dank natürlich wie immer an alle meine lieben Reviewer/innen und Leser/innen!!

Next time around...Neji

‚Der Wolken Abendrot bringt dem Bauern Lohn und Brot. Doch der Wolken Morgenröte verheißt dem Bauern arge Nöte.‘

 

Der Reim war ein Witz, den Chiriku-sama mit Sarutobi Asuma geteilt hatte. Es hatte irgendetwas mit ihrer gemeinsamen Zeit als Beschützer des Feudalherren zu tun gehabt. 

 

Yuji erinnerte sich gut an die Worte. 

 

Er erinnerte sich an die Art und Weise, wie sein Meister versucht hatte, seine Belustigung zu einem Schmunzeln einzudämmen, während Asumas Lachen warm und laut über die Wände des Feuertempels gerollt war. 

 

Oh Götter, der Tempel…

 

Yujis Beine schwankten unter ihm. Er schluchzte, taumelte und stolperte dann weiter. 

 

Fort.

 

Der Tempel war fort. Fort wie seine Brüder. Fort wie Chiriku-sama.

 

Es tut mir so leid!

 

Yuji blinzelte die Tränen aus seinen Augen, versuchte energisch, das nächste drohende Schluchzen herunter zu schlucken. Die Vision roter Wolken war bereits vor Wochen erschienen. Eine unheilvolle Vorahnung, eine gottgesandte Warnung vor dem Schatten des Todes, der sich dem Tempel genähert hatte. 

 

Er hatte sich nichts dabei gedacht.

 

Selbst auf seiner Patrouille hatte er in den Bergen getrödelt und war zu spät zurück gekehrt. 

 

‚Der Wolken Abendrot bringt dem Bauern Lohn und Brot. Doch der Wolken Morgenröte verheißt dem Bauern arge Nöte.‘

 

Die Wölfe waren gekommen. Das Vieh war hingeschlachtet und der Bauer erschlagen. Diese Wolken waren mit dem Morgen herein geschwappt…rot wie die Nebel der Hölle…gemalt auf die schwarzen Mäntel der Akatsuki Dämonen.

 

Schlächter! Mörder!

 

Yuji spürte die Trauer und den Schrecken, die seine Kehle verstopften. 

 

Sie hatten jedes Leben aufgespürt, die Seele eines jeden seiner Brüder in die Arme von Kwan Yin gesandt, lange bevor ihre Zeit eigentlich gekommen war. Rücksichtslos. Gnadenlos. Sie hatten mit derselben Gleichgültigkeit ein Blutbad angerichtet, mit der der Tod nach Leben gierte. 

 

Monster…MONSTER…!

 

Yujis Herz stolperte bei der Erinnerung an violette Augen und an Haut, die das Muster eines Skelettes trug…an einen Übelkeit erregenden Triangel aus Blut…an diese riesige, scheußliche Sense, die durch Fleisch und Knochen und Stein schnitt…an die puppengleichen Glieder des anderen Monsters und an seelenlose grüne Augen…

 

Lauf…lauf…LAUF…

 

Seine Zeit war noch nicht gekommen. 

 

Seine Mission war es, die Hokage zu warnen. 

 

Und der Drang, Konoha zu erreichen, bevor diese widerlichen Tiere die Schwarzmarktstation erreichen konnten, trieb ihn an…ebenso wie das Bild seines toten Meisters. Ein Bild von weisen, ernsten Augen, die ihn wortlos anspornten, weiter zu rennen…wenn doch alles, was er wollte, war, sich auf die Knie fallen zu lassen und zu weinen. 

 

Es tut mir leid! Es tut mir so leid…

 

Seine Lungen brannten, seine Gliedmaßen schien er schwer wie bleierne Knüppel hinter sich her zu ziehen. 

 

Halt nicht an!

 

Stunden. Er rannte seit Stunden.

 

HALT NICHT AN!

 

Er flog die stete Steigung von Fels hinunter, stolperte, taumelte, fiel aber nicht. Er durfte nicht fallen. Schluchzer des Frusts und der Angst verfingen sich in seinem Halst, aber er lief weiter, weil er wusste, was es bedeuten würde, wenn er anhielte. 

 

Ich werde dich nicht enttäuschen, Chiriku-sama!

 

Das Gelübde trieb in vorwärts…die Loyalität gegenüber toten Männern und Mentoren trieb ihn immer weiter und immer schneller voran…voran, bis der endlose Fels einer endlosen Reihe von Bäumen wich…Bäume, die über ihm aufragten…mit rotem Blätterdach wie rote Wolken…

 

Yuji stieß einen erstickten Schrei aus. 

 

ICH WERDE NICHT SCHEITERN.

 

Die Welt blutete fort, blutete zu verschwommenen Schattierungen, blutete in einen Strom aus Braun und Rot und Schwarz…zog in Flecken an seiner verwischten Sicht vorbei…blutige Flecken…in einer verzerrten Hölle…

 

Und dann wich der lange Weg der Hölle etwas, das in der Ferne aufragte. 

 

Hafen…Hoffnung…

 

Konoha!

 

Die riesigen Tore des Dorfes standen weit offen; wie Arme, die ihn vorwärts winkten. 

 

Yuji schrie auf und ruderte mit den Armen wie ein Mann, der gegen eine Strömung ankämpfte, während verstümmelte Worte seine Kehle hinauf stiegen. Doch er hatte nicht den Atem, um sie auszusprechen. 

 

Das musste er aber auch nicht.

 

Die Wachposten, zwei Shinobi, bemerkten ihn und erhoben sich verwirrt, bevor sie vorwärts stürzten. 

 

Yujis Herz eilte seinen Füßen voran. 

 

Ich…habe es geschafft…

 

Erleichterung jagte durch ihn und seine Beine gaben nach. 

 

Die rennenden Chūnin erreichten ihn in dem Moment, als er zusammenbrach. 

 

„Whoa! Ruhig, ganz ruhig…“, beruhigte eine Stimme. „Was ist passiert?“

 

Yuji blinzelte die Tränen fort, die seine Sicht verschleierten und brachte ein Gesicht in den Fokus, das von einer weißen Binde getrennt wurde, die über der Nase des Shinobi lag. Yuji krümmte seine Finger in der grauen Uniform des Chūnin zu einer Faust und zerrte ihn näher, um in weite dunkle Augen zu stieren, als könnte sein Blick des Terrors seine Nachricht übermitteln. 

 

„Sie sind gekommen…sie haben gemordet…jeden…jeden einzelnen…“

 

Kotetsus Brauen schossen nach oben, bevor sie sich gleich darauf scharf zusammenzogen. Er packte die Schultern des Mönches, um den bebenden Mann ruhig zu halten. „Wer?“

 

„Die…roten Wolken…“

 

Izumo kam mit blassem Gesicht und zusammengepressten Lippen an seine Seite. „Akatsuki?“

 

Yuji wandte seine tränenbenetzten Augen dem jungen Ninja zu und hauchte seine nächsten Worte mit einem wässrigen Atemzug. „Es hat…begonnen…“

 

 
 

 

 
 

~❃~

 

 

„Schachmatt.“

 

„Bullshit.“

 

Shikamaru hob eine Braue und neigte den Kopf in Richtung des Spielbrettes. 

 

Asuma beugte sich vor und studierte aufmerksam und mit finsterer Miene die Formation der Spielsteine. Es brauchte ganze zwei Sekunden blanker Verleugnung, bevor sein Kiefer nach unten klappte und seine Zigarette in seinen Schoß fiel, um dort ein paar Löcher in seine Hose zu brennen. 

 

„SCHEIßE!“

 

Chōji lachte auf und spähte über den Rand der Hängematte, in der er lag, um Zuschauer bei Shikamarus und Asumas Spiel sein zu können. „Das Abendessen geht dann wohl heute auf dich, Sensei.“

 

Asuma drehte seine schwelende Zigarette zwischen den Fingern und seine vernichtende Miene dreiteilte sich zwischen seiner Hose, seinem Geldbeutel und seiner Schande. „Wie konnte das denn passieren? Ich schwöre bei Gott, diesmal hatte ich dich.“

 

Shikamaru grinste und seine Augen lösten sich von dem Brett. „In Shogi fällst du durch, Sensei…“

 

„Und du fällst im Leben durch, Shikamaru“, verteidigte Ino ihren Lehrer. Sie saß neben Asuma an der Kante der Veranda des Nara Anwesens und lackierte sich die Zehennägel. „Ich kann’s immer noch nicht fassen, dass du nicht mit Temari getanzt hast. Nicht ein einziges Mal. Ich meine, zumindest hat Asuma-sensei ein Liebesleben. Er ist eben eine vollkommene Libra, was bedeutet, dass er romantisch ist.“

 

Asuma verschluckte sich an seinem Versuch, Rauch zu inhalieren und seine Augen flogen auf, als eine heftige Röte den Kragen seines Oberteils umrandete. Er stieß ein abgehacktes Husten aus, doch sein Kampf um Luft brachte ihm keinerlei Mitleid ein; nur Kichern. 

 

Shikamaru setzte sein Kinn in einer Handfläche ab und klopfte sich leicht gegen die Lippen, während er hinter seinen Fingern schmunzelte. „Achja? Hast du irgendwelche Ratschläge für mich, Sensei? Vielleicht, die beste Art und Weise zu landen, wenn man Hals über Kopf aus dem Fenster fällt?“

 

Asuma warf ihm einen mörderischen Blick zu, der geradezu ‚du verräterisches kleines Stück Scheiße‘ schrie. Doch Shikamaru erwiderte ihn nur mit einem trägen Grinsen. 

 

„Oder sich Hals über Kopf verliiieben“, gurrte Ino und tat so, als würde sie in Ohnmacht fallen. „Nicht, dass Shikamaru irgendetwas darüber wüsste.“

 

Shikamaru schüttelte den Kopf über ihre Theatralik und Belustigung zupfte heftig an seinen Mundwinkeln. „Ich bin viel zu klug, um sowas Dämliches zu machen.“

 

„Pfft.“ Mit einer fuchtelnden Handbewegung wies sie seine Worte ab. „Asuma muss dich echt mal aufklären.“

 

„Können wir mich bitte da raushalten?“, murrte Asuma, während er seine Zigarette zurück zwischen seine Lippen presste und sich mit einem Grummeln über das Spielbrett beugte. 

 

„Oh hey! Da wir gerade von Aufklärung sprechen, Asuma-sensei; solltest du nicht eigentlich mit uns über ‚Bienchen und Blümchen‘ reden?“, zwitscherte Chōji und trug damit auch zu Asumas Erniedrigung bei, auch wenn er nachsichtig grinste. „Iruka-sensei hat das nie gemacht.“

 

Alle Farbe, die Asumas Gesicht angenommen hatte, verschwand schlagartig. „Was?“, krächzte er. 

 

„Eine allumfassende Aufklärung ist sehr wichtig“, fuhr Chōji feixend fort. 

 

Ino biss sich auf die Zunge und versuchte angestrengt, nicht zu lachen. „Stimmt, ist das nicht eigentlich Teil deines Jobs, Sensei? Ich meine, Shikamaru könnte dieses Gespräch wiiiirklich sehr gut brauchen.“

 

Shikamaru bedachte Ino mit einem äußerst flachen Blick und ohne sich überhaupt die Mühe zu machen, sein Kinn aus der Handfläche zu heben, krümmte er seine Finger nach unten, bis nur noch der ausgestreckte Mittelfinger übrig blieb. 

 

Mit einem schrillen ‚Bäääh‘ streckte Ino ihm die Zunge heraus. „Sei nicht so griesgrämig. Ich mach doch nur Spaß.“

 

Griesgrämig?

 

Shikamaru öffnete wieder die Finger und schob seine Handfläche seitwärts, um seinen Kiefer abzustützen. Wenn sie nur wüsste, wie weit entfernt von griesgrämig er sich gerade fühlte. Zum ersten Mal seit Wochen hatte er das Gefühl, als hätte sich etwas verändert. Neji hatte den Boden unter seinen Füßen erschüttert und Asuma hatte eine Hand ausgestreckt, um die hässliche Unterwelt von Shikamarus Furcht an ihrer Achse zu drehen. 

 

Und auch wenn er sich immer noch etwas zittrig vorkam; zum ersten Mal seit langer Zeit, fühlte sich Shikamaru…sicher…

 

Ich bin nicht allein…

 

Die Realität dieser Wahrheit hatte es endlich geschafft, die Defensiven zu durchdringen, die er errichtet hatte; hatte ihn dazu gelockt, sie einen Stein nach dem anderen zu senken – und während dieses Vorgangs war mehr als nur eine Mauer zerbrochen. Die Nachbeben von dem, was im Mangetsu mit Asuma geschehen war, rasselten noch immer durch ihn und sandten Beben durch sein Lächeln und sein Lachen. Doch anders als all die Male davor, unternahm er überhaupt keine Versuche, das vor seinem Sensei geheim zu halten…oder vor seinen Freunden. 

 

Obwohl es gegen jedes instinktive Körnchen seiner Angst ging, hatte er zugelassen, dass es sich zeigte. 

 

Und statt dem Zwanzig-Fragen-Verhör von Ino und den alarmierten Blicken, die er von Chōji erwartet hatte, waren ihm seine Teamkameraden auf eine Weise begegnet, die Shikamaru nicht zu hoffen gewagt hatte. Sie waren seinen untypischen Anfällen von Verletzlichkeit mit einem intuitiven und immanenten Sinn von Verständnis begegnet. 

 

In ihren Worten, ihren Gesten und in der Sicherheit einer entspannten Stille. 

 

Sie hatten die Stellung für ihn gehalten, indem sie einfach nur stark an seiner Seite standen; jedes Mal, wenn er spürte, wie ein Stein des Widerstandes bröckelnd nach unten fiel. Und mit Asuma, der sie leitete, waren Chōji und Ino der Führung ihres Senseis gefolgt, um Shikamaru stabil zu halten. Sie hielten ihn geerdet…hielten ihn hier, in der Realität, nicht in den Ruinen seiner Ängste, denen er sich nicht länger alleine stellen musste. 

 

‚Vertraue denen um dich herum, dass sie dich unterstützen…‘

 

Endlich verstand er den Glauben, den Asuma in Team 10 gesetzt hatte…und er schämte sich, dass er ihn nicht geteilt hatte. Bereute, dass er ihn auch nur für eine einzige Sekunde angezweifelt hatte – obwohl, vielleicht war es eher so, dass er sich selbst angezweifelt hatte. In der Schwärze vergessener Erinnerungen und derjenigen, die geblieben waren, um ihn heimzusuchen, hatten die Zweifel über sein eigenes Wesen mit Gift gefault. 

 

Ihr habt niemals an mir gezweifelt…

 

Vorher hatte sich der Glaube, den Ino und Chōji in ihn gesetzt hatten, wie ein Druck und eine Erwartungshaltung angefühlt. 

 

Aber jetzt…fühlte es sich wie Akzeptanz an…Sicherheit…Vertrauen…

 

Ruhig musterte Shikamaru Ino für einen Moment und hörte nicht ein einziges Wort, als sie über etwas jammerte, das Asumas Blutdruck einen Rotton nach dem anderen in die Höhe zu treiben schien. Sie stichelte und nervte ihn enorm, aber sie kannte ihn besser, als er ihr jemals zugestehen würde. 

 

Shikamaru lächelte leicht. 

 

Du und Chōji…ich seid immer da gewesen…

 

Ohne den Kopf zu drehen, ließ der Schattenninja seinen Blick zu seinem besten Freund wandern. Chōji wippte träge in der Hängematte und lachte laut, während er an einem Barbecuesoßen-Fleck auf seinem roten Pulli kratzte. Die freundlichste Person, die Shikamaru kannte; und die mit der bedingungslosesten Unterstützung. 

 

Ihr habt mir immer den Rücken frei gehalten…sogar dann, wenn ich meinen euch beiden zugedreht habe…und weggerannt bin…

 

Shikamaru blinzelte langsam, bevor er zu seinem Sensei sah. 

 

Und selbst wenn ich weggerannt bin…warst du immer da…

 

Shikamaru beobachtete stumm, wie Asuma verlegen herumfummelte. Der Jōnin sah aus, als wäre einem Schlaganfall nah; die Hitze auf seinen Wangen strahlte heller, als es vermutlich gesund war. Unaufhörlich rieb er sich den Hinterkopf, bis die wirren Strähnen noch chaotischer abstanden und elektrisch aufgeladen wirkten, was Ino und Chōji nur noch mehr ermutigte, ihn mit Fellpflegetips und der Attraktivität von Gesichtsbehaarung zu sticheln. 

 

Schmunzelnd musterte Shikamaru seinen Lehrer durch ruhige, klare Augen. 

 

Du bist mir immer nachgejagt…hast mich immer hindurch gezogen, ohne es überhaupt zu realisieren…du hast mich so vieles gelehrt…aber es gibt immer noch so vieles von dir zu lernen…

 

Denn egal wie schwer fassbar Asuma als Lehrer auch sein mochte, seine Lehren – einmal gelernt – waren niemals vergessen. Er verstreute keine Perlen der Weisheit mit witzigen oder klugen Reden oder lehrte Prinzipien durch Standardprozeduren oder Übung. Gelegentlich hatte er zwar das Sensei-spiel gemäß den Regeln abgezogen, aber viel öfter als das, hatte er sein Wissen in Gesprächen vermittelt, die viel beiläufiger und lässiger waren als im Klassenzimmer und in Interaktionen, die viel mehr offen statt arrangiert waren.

 

Für Shikamaru war es so, dass Asuma die entscheidendsten Lektionen lehrte und das wichtigste Wissen vermittelte, ohne überhaupt zu realisieren, dass er es tat. 

 

Verrückt, wie du zur selben Zeit total selbstsüchtig und total selbstlos bist…

 

Denn diese entscheidenden Lektionen zeigten sich in der Art und Weise, wie Asuma sein Leben führte…in der Art und Weise, wie er gelebt hatte, statt in den Regeln, die er gelernt hatte…in der Art und Weise, wie er lief statt in der Art und Weise, wie er sprach. Und in der Art und Weise, wie er Shikamaru zu dem Wunsch inspiriert hatte, etwas anzustreben…wenn doch sein ganzes Leben lang der Schattenninja einfach nur ohne Richtung und Drama hatte vorbei schweben wollen. 

 

Du hasst Drama auch, aber du würdest es riskieren…du würdest diese Ausnahmen machen…

 

Shikamaru spähte hinunter auf das Shogibrett, studierte die Züge, die Asuma gemacht hatte. Mutige, dreiste Züge, die ihm etwas Boden eingebracht hatten, auch wenn sie ihn die Partie gekostet hatten. Aber sie hatten für ein interessantes und spannendes Spiel gesorgt. 

 

Du hast überhaupt keinen Bock auf Ärger…aber du hast auch keine Angst davor…das ist es, was du mir gesagt hast, als ich ein Kind war. Alles war immer viel zu lästig für mich…aber vielleicht liegt das daran, dass ich einfach nicht genug Schneid hatte, das zu tun, was du getan hast…zu riskieren, mich mir selbst zu stellen…

 

Langsam sah Shikamaru wieder auf und beobachtete, wie Asuma nach einer weiteren Zigarette angelte, um von seiner Verlegenheit abzulenken, während Ino ihr Astrologiebuch in ihrem Schoß ablegte und all seine romantischen Libraqualitäten auflistete. 

 

Shikamarus Schmunzeln wurde weich. 

 

Ich verspreche dir…eines baldigen Tages werde ich stark genug sein, stillzustehen und meine Stellung zu halten…stark zu sein, so wie du…um mich mir selbst zu stellen…

 

Er sah zu, wie die Flamme von Asumas Feuerzeug tanzte; wie sie mit dem Willen des Feuers brannte, den er erst noch vollkommen verstehen und vollständig erben musste.

 

Ich werde dieses Feuer finden…aber wenn es für dich in Ordnung ist…nur für eine Weile…dann werde ich lieber in deinem Schatten bleiben, statt in meinem eigenen verloren zu gehen…nur bis ich stark genug bin…

 

„Shikamaru?“

 

Rasch blinzelnd hob Shikamaru ruckartig den Blick. „Hn?“

 

„Alles okay?“, fragte Asuma um ein Lächeln herum. Er hatte die Brauen gehoben und Sorge huschte direkt unter der Oberfläche durch seine Augen. 

 

Shikamaru nickte und streckte eine Hand aus, um Asumas König auf das Spielbrett zu legen, während sich seine Lippen in einem neckenden Grinsen kräuselten. „Revanche? Ich mach es dir auch leicht.“

 

Asuma bellte ein Lachen hervor und ließ sein Feuerzeug zuschnappen, bevor er eine Lunge voll Rauch ausatmete. „Was wird das? Ein ‚Foltere deinen Sensei‘-Tag?“

 

„‘Belohne deine Schüler‘-Tag!“ Ino kam wackelnd auf die Füße und hielt ihre Zehen weit gespreizt, während sie über die Veranda watschelte und sich so heftig neben Chōji in die Hängematte fallen ließ, dass sie beinahe kenterten. „In einer Stunde gibt es noch mehr Nijū Shōtai Training, also müssen wir die Zeit ausnutzen so gut es geht.“

 

„Jo, vielleicht sollten wir bei dieser Runde um ein Frühstück wetten.“ Chōji brachte die Hängematte leicht zum Schwingen und hielt eine Hand hoch. „Wenn du gewinnst, Sensei, dann zahle ich für alles!“

 

Asuma schielte zu Shikamaru und seine Augen verengten sich in spielerischer Drohung. „Heute ist der Tag, an dem ich dich schlagen werde.“

 

Shikamaru saugte an seinen Zähnen, um sich vom Schmunzeln abzuhalten und zwang seinen Mund zu einem Abwärtsbogen, während er grunzend den Kopf schüttelte. „Dann wird das auf jeden Fall ein witziger Tag für Tonton.“

 

„Was? Wieso das?“

 

Shikamaru zuckte mit den Achseln. „Naja, sie wird fliegen.“

 

Stille – dicht und bebend vor eingehaltenem Lachen.

 

Es wurde als erstes von Asumas miesem Konter bestehend aus „Klugscheißer“ durchbrochen, bevor das ganze Team in Gelächter ausbrach. Gelächter, das in einem warmen und kräftigen Rollen durch Shikamaru taumelte, den Griff von Geistern und das Gewicht von Erinnerungen abschüttelte…um nur eine einzige Stimme zurückzulassen, die ihn jetzt noch – und immer – verfolgte…

 

‚Ich werde unsere Bruchstücke aufbewahren, Shikamaru, all unsere Teile. Du kannst sie loslassen.‘

 

Shikamaru lehnte sich zurück auf seine Handflächen, während Asuma über seinen ersten Zug nachgrübelte und wandte seinen Blick den Wolken zu. 

 

Ich kann nicht ohne die Teile spielen, Hyūga…und ich hätte nichts gegen eine Revanche…

 

Er ahnte nicht, dass das Schicksal bereits zehn Züge voraus spielte, bereits ihre Teile umher schob, direkt an der Schwelle eines weit größeren Spiels. Aber es war nicht die Angelegenheit der Sterblichen, sich mit Bestimmung auseinanderzusetzen. Sie konnten nur mit den Karten der Wahl spielen, die von ihr ausgeteilt wurden. 

 

‚Bis zum nächsten Mal, Nara?‘

 

Shikamaru lächelte schwach, atmete tief, bis er fühlte, wie der Kummer der Ruhe wich, die er in der Erinnerung an diese Worte fand und in all den Augenblicken, die vor ihnen gewesen waren. 

 

Bis zum nächsten Mal…Neji…

 
 

~The End~

 

 

~❃~

 

Ich bin gerade leider etwas...naja...sprachlos. Ich musste gerade wirklich schlucken, als mir JETZT im Moment erst so richtig klar geworden ist, dass die zweite Reise von Neji und Shikamaru auch schon wieder vorbei ist. 

Es fühlt sich anders an als der Abschied von BtB. Vielleicht, weil BtB ein deutlich runderes und abschließenderes Ende hat als OtC...Vielleicht, weil ich weiß, was JETZT ERST beginnen wird...Ich kann es nicht genau benennen und irgendwie fühle ich mich ein bisschen wie Shikamaru...ich will es niemals wissen...

 

Ja, das mit Abstand lockerste und fröhlichste Abenteuer von Shikamaru und Neji ist vorbei. Ich würde mich so freuen, wenn ihr mich auch auf der nächsten Reise begleiten werdet, die in den nächsten Tagen mit 'Requiem' starten wird. Nehmt euch Zeit und verabschiedet euch. Verabschiedet euch von 'locker flockig leicht'...verabschiedet euch von allem, was ihr bisher als bedrückend und aufwühlend und nervenzerrend, kryptisch oder wahnsinnig empfunden habt...verabschiedet euch von Asuma...

"Die Zeit von Wahn und Verachtung ist nah!" Und sie wird ihren Anfang in 'Requiem' nehmen...

(Hihi, wer das Zitat erkennt, bekommt einen Extrakeks :D)

 

Hoffentlich auf bald meine Lieben!! Ich würde mich so freuen, wenn ihr mir auf dem weiteren Weg von Shikamaru und Neji zur Seite steht! Ich werde es bitter nötig haben! 

 

Ich möchte mich auf jeden Fall wieder einmal unglaublich bei allen Reviewer/innen und Leser/innen bedanken, die mich begleitet haben; für alle Sternchen und jeden einzelnen Favoeintrag! DANKE, dass ihr an meiner Seite wart vom Anfang bis zum Ende! *-* <3

Ganz besonders möchte ich mich aber bei denen bedanken, die mir ein paar Worte dagelassen haben. Vielen DANK!!! <3 Ihr wisst gar nicht, WIE sehr mich das angetrieben und motiviert hat. Und ja, ich weiß, dass viele der stummen Leser das vielleicht nicht hören/lesen wollen, aber ich sage es an dieser Stelle trotzdem mal: Traut euch, den Autoren ein paar Worte zu schreiben. Sie stecken viel Mühe und Herzblut in die Geschichten, um euch ein tolles Lesevergnügen bieten zu können. Es muss nicht viel sein. Einfach ein "Diese Stelle hat mir besonders gefallen." Oder "Was für ein spannendes Kapitel" reichen schon. Ihr glaubt gar nicht, was das für eine Auswirkung hat. Ich hatte Zeiten während des Schreibens, an denen ich angezweifelt habe, ob ich die Geschichte überhaupt weiterhin online stellen soll, oder sie doch lieber einfach nur einzig und allein für mich schreibe...Meine unglaublich lieben Reviewer/innen haben mich davon abgehalten, haben mir Motivation gegeben und mir gezeigt, dass ich Leute mit dieser Geschichte erreichen kann, dass ich Gefühle auslösen und Menschen den Tag versüßen kann. Es ist ein unglaubliches Gefühl, das zu WISSEN, deswegen der Appell an alle stummen Leser: kommentiert die Geschichten, die euch gefallen!

 

​Vielen Dank an meine lieben treuen Reviewer/innen ​Scorbion1984, SasukeUzumaki, Lady_Ocean, Cutestrawberry und swetty-mausi

 



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Von:  Lady_Ocean
2023-04-25T03:42:46+00:00 25.04.2023 05:42
Der Epilog ist so ein Kontrastprogramm. In der ersten Hälfte die blanke Panik, die der Übergriff von Akatsuki ausgelöst hat, in der zweiten Hälfte das idyllische Beisammensein von Team 10 und Shikamarus Reflexionen über sein Team und sich selbst. Das zeigt so drastisch, wie hart Konoha (und Team 10, Shikamaru, um Speziellen) abstürzen wird, wenn der Kampf mit Akatsuki sie erreicht hat. T_T
Dabei ist es unglaublich, was Shikamaru hier für Fortschritte in Sachen Aufbereitung gemacht hat. Dass er es bewusst wahrnimmt und zulässt, wenn die Angst, Unsicherheit und all das hochkommen, das wäre bis vor kurzem unmöglich gewesen. Und Ino und Choji deuten es ganz richtig, was es bedeutet, dass Shikamaru diese Gefühle, die er zwei Jahre lang versteckt und verneint hat, zulässt. Sie kennen ihn wirklich verdammt gut. Und sowohl Ino als auch Choji haben ja schon mehrfach gezeigt, dass sie sehr gute Beobachter sind und ihn sehr gut verstehen.
Und Asuma wird mal wieder im Shogi zusammengefaltet. XD Und aufgezogen wie der beste Kumpel. Er und sein Team begegnen sich sehr viel mehr auf Augenmaß als die anderen Teams, finde ich. Und das hängt ganz stark mit Asumas Vermittlungsmethode zusammen, über die Shikamaru hier auch sinniert. Er "lehrt" nicht (so sensei-typisch), sondern lebt seine Grundsätze und Lebensweisheiten vor. Und nimmt sich in seinem Ausdruck dem Team gegenüber auch nicht zurück. Bei seinem ‚du verräterisches kleines Stück Scheiße‘-Blick habe ich so lachen müssen! XD Da ist ihm Shikamaru aber auch mächtig in den Rücken gefallen. ^^ Und auf Shikamarus Bemerkung, dass Tonton heute wohl fliegen kann, ist er auch wunderbar ausgerutscht. Also Asuma achtet seinem Team gegenüber echt nicht auf Äußerlichkeiten. Er ist einfach er selbst. Und das macht ihn so cool. Und so unersetzlich. T___T

Dass Shikamarus Gedanken schließlich mit Neji geendet haben, hat dem Kapitel - und der ganzen Geschichte - noch einen wunderschönen Ausklang gegeben. Obwohl sie sich nicht direkt voneinander verabschiedet haben, bevor Neji zu seiner nächsten Mission aufgebrochen ist, sind ihre Gedanken einfach ständig beieinander. Die wenigen, aber intensiven Auseinandersetzungen, die sie seit Nejis Überfall im Nara-Anwesen hatten, haben dazu geführt, dass sie beide ihr Verhältnis zueinander mittlerweile nüchterner, neutraler sehen. Sie haben beide viel aus dieser Eskalation gelernt. Neji besonders, würde ich sagen. Ich weiß nicht, ob Shikamaru so viel anders hätte handeln können (Neji in eine Falle locken und seine verstopften Chakra-Kanäle gegen seinen Willen öffnen), wenn er damals schon so viel Durchblick gehabt hatte wie jetzt. Wahrscheinlich hätte er versucht, es anders anzugehen, einfach weil das Risiko, dass Neji an seiner Panikattacke stirbt, unverhältnismäßig hoch war. Aber Neji hat halt einfach niemanden an sich rangelassen und ihm lief die Zeit davon. Deshalb denke ich, dass Shikamaru in seinem Handeln auch jetzt, im Nachhinein betrachtet, nicht viel Auswahl hatte.

Auf der einen Seite freue ich mich wahnsinnig auf "Requiem", auf der anderen Seite habe ich aber auch mächtig Bammel vor dem, was mich da erwartet. Schade, dass die nächsten Semesterferien noch so weit weg sind! Ich seh mich schon wieder in ungesunden Schlafmangel und arbeitstechnische Notstände mit Burnout abrutschen. ^^°
Antwort von:  _Scatach_
26.04.2023 16:57
Huhu :)

Wahnsinn, jetzt bist du schon durch mit OtC *-*

Stimmt, ich geb dir recht, dass die beiden Szenen des Epilogs einen harten Kontrast zueinander bilden :D
Die erste Szene ist natürlich ein düsterer Vorbote für das, was passieren wird und dann erleben wir Shikamaru endlich in so einer gelösten Stimmung, etwas, das er wirklich sehr sehr dringend braucht.
Wie du ja schon so schön bemerkt hat, versteckt er es nicht mehr, wenn ihn die Angst einholt oder versucht, sie zwanghaft zu unterdrücken, sondern nimmt es an und lässt zu, dass seine Schutzmechanismen nach und nach bröckeln, einfach weil er sich sicher fühlt und von Asuma das Versprechen hat, ihm bei der Aufarbeitung der Vergangenheit zu helfen...nur wissen wir ja leider, dass Asuma dieses Versprechen nicht einhalten kann...Shikamarus Schutzmechanismen sind aber leider auch schon extrem geschwächt jetzt, eben weil er sich seinen Teamkameraden und Asuma zumindest minimal öffnet.
Ja, im Shogi kann Asuma gegen Shikamaru einfach keinen Blumentopf gewinnen :D
Ich finde auch, dass das Verhältnis zwischen Asuma und seinem Team ein ganz besonderes ist! Wie du schon sagst, begegnen sie sich viel mehr auf Augenhöhe als es bei den anderen Teams der Fall ist. Und er nimmt eben auch kein Blatt vor den Mund oder behandelt seine Schützlinge wie Kinder. Man merkt hier finde ich richtig, wie unglaublich stark die Bindung zwischen den vieren ist.

Naaaw, wie schön, dass dir das Ende so gefallen hat *-* Und letztendlich geht es ja auch um Neji und Shikamaru, oder? ;)
Sie weigern sich natürlich immer noch, dem, was sie miteinander haben und was sie füreinander empfinden, einen Namen zu geben, aber sie akzeptieren immerhin, dass es da ist ;)
Wie du sagst haben sie beide einiges aus den Vorfällen mit der Hanegakure Mission gelernt und ihre Lehren daraus gezogen.
Natürlich geht es Shikamaru sehr an die Nieren, wie alles gelaufen ist, aber er hat das ja auch schon am Ende von BtB zu Neji gesagt, dass er sehr wohl darüber nachgedacht hat, wie er das alles irgendwie hätte anders lösen können und nichts davon wäre besser gewesen oder hätte einen anderen Ausgang bewirkt. Er hätte es ja grundsätzlich auch anders machen wollen, nur ist ja dann einiges passiert, was ihm seine Strategie vermasselt hat.

Ach ja, ich kann dich so gut verstehen :D
So sehr ich mich auch über jeden einzelnen deiner Kommentare freue: Bitte, bitte achte auf dich! Deine Gesundheit hat oberste Priorität! Und dein Schlaf natürlich auch! ;)

Vielen vielen Dank für dein wunderbares Review und ganz liebe Grüße, Scatach
Von:  Lady_Ocean
2023-04-19T07:55:43+00:00 19.04.2023 09:55
*hach* Das war ein großartiges Kapitel. Klar, es gibt immer noch so vieles, was wir nicht wissen. Aber bedenkt man, welch große Angst Shikamaru vor den damaligen Ereignissen hat, wie lange er davor davongelaufen ist, sie eisern verdrängt und zum Teil richtig wegdissoziiert hat, so finde ich, ist es eine Menge, was wir hier erfahren haben. Jetzt ist jedenfalls klar, dass Daimiats-Angehörige Shikamaru in einer Art dunklen Keller eingesperrt hatten, da extrem grausame Psychospiele mit ihm durchgeführt haben (gut, das ahnt man seit seinem Traum nach der Nacht im Ryokan) und dass Shikamaru in größter Notwehr mindestens einen seiner Peiniger getötet hat. Mit einer Spritze. Meine Vermutung wäre dasselbe Gift, das ansatzweise auch noch durch Nejis Adern fließt. Shikamaru hat eine große Abneigung gegen dieses Zeug. Außerdem wissen wir dadurch, dass ein Großteil von Shikamarus Angst nicht dem gilt, was ihm angetan wurde, sondern dem, was er selbst getan hat. Von meiner Beobachterperspektive heraus kann ich mir nicht vorstellen, dass das auch nur ansatzweise so grausam war, wie das, was man ihm angetan hat. Er wird garantiert aus Notwehr gehandelt haben, um irgendwie mit dem Leben davonzukommen. Aber Shikamaru sieht das offensichtlich ganz anders. Unter anderem vielleicht deshalb, weil er damit einen der Auftraggeber der Ninja getötet hat. Wahrscheinlich auch aufgrund seines zarten Alters und dass diese Notwendigkeit zu töten ihn sehr unvorbereitet getroffen hat. Und möglicherweise spielt noch mehr mit hinein, was man aber erst einigermaßen erahnen kann, wenn man mehr über die Geschehnisse weiß.
Asuma hat seine Sache jdenfalls sehr gut gemacht. Und das, wo er doch eigentlich so ein impulsiver Mensch ist, ganz besonders was seinen Beschützerinstinkt gegenüber Shikamaru betrifft. Man konnte seine Wut und Anspannung die ganze Zeit über richtig greifen. Wie schwer ihm das gefallen sein muss, sich zusammenzureißen, ruhig zu bleiben, beim Thema zu bleiben, um Shikamarus Aufmerksamkeit immer wieder zurückzuziehen, wenn er drohte, erneut abzublocken. Mit seiner letztendlichen Offenbarung (dass er selbst diesen "er" getötet hat), sind Asuma und Shikamaru jedenfalls einen großen Schritt weiter gekommen. Shikamaru war danach ja auch deutlich ruhiger. Wahrscheinlich konnte er zum ersten Mal seit langem so was wie Ordnung in das Chaos in seinem Innern bringen. Jedenfalls ansatzweise. Und das nicht durch Vermeidung, sondern durch eine erste Verarbeitung. Und Asuma hat nun ein klareres Bild dessen, was er von dieser ganzen Sache überhaupt erwarten kann und wie er Shikamaru helfen kann. Ihm ist nun klar, dass da irgendwann weitere Erinnerungen kommen werden, weitere Ängste, weiterer Schmerz. Aber nachdem Shikamaru diesen ersten Schritt geschafft hat, kann man vage hoffen, dass er Asuma tatsächlich auch weiterhin an diesem Scherbenhaufen seiner Psyche teilhaben lässt und ihm sich öffnet. Nun, Asuma wird ihn schon aus seinem Schneckenhaus rausprügeln. ;) Oder würde. Denn ich habe die ganze Zeit beim Lesen im Hinterkopf, dass es nicht mehr lange hin ist, bis Asuma von Akatsuki getötet wird. T____T Gott, endlich haben er und Shikamaru so einen großen Schritt geschafft, aber man kann eigentlich bereits davon ausgehen, dass sie mit diesem Problem nicht weiterkommen werden. T___T Dann ist der einzige Andere, der ansatzweise weiß, Neji. Aber der wird es ebenfalls schwer haben, an Shikamaru ranzukommen. UND hat Shikaku im Nacken. Und ist aufgrund seiner ANBU-Anbitionen (und um seinem Clan und Shikaku zu entkommen) so oft außerhalb des Dorfes. Er ist einfach zu selten da. Kein Wunder, dass es in Teil 3 heißt, dass Neji sich zwischen Shikamaru und ANBU entscheiden muss (die Geschichte hab ich noch nicht gelesen, aber die Beschreibung ^^). Und Neji selbst muss auch noch viel verarbeiten. Auch wenn er sich im Moment wirklich gut schlägt.

Wer mir ebenfalls unglaublich leid tut, ist Kurenai. Sie wird in Kürze ebenso viel verlieren wie Shikamaru. Nicht nur den Vater ihres Kindes. Jetzt, wo sie sich so mit ihren Gefühlen auseinandergesetzt hat (und auch Asuma), wird sie sich dessen umso bewusster sein, was sie da alles verliert.

Und schließlich noch ein Gedanke zu Shikaku, bzw. der Frage, wie Shikamaru es geschafft hat, so eine gewaltige Sache vor seinem Vater geheim zu halten. Denn dieser Gedanke kam mir auch schon öfter in den Sinn! Etwas vor Shikaku zu verheimlichen - Respekt. Einerseits hatte Shikamaru hier sicherlich Heimvorteil, sprich: Er kennt seinen Vater wie kein Zweiter. Aber umgekehrt kennt Shikaku seinen Sohn ebenso gut und merkt daher umso deutlicher, wenn mit diesem etwas nicht stimmt. Und es gab doch auch ein Kapitel zwischen Shikamarus Eltern, in denen angesprochen wurde, dass sie sich Sorgen machen, richtig? Sie wissen definitiv nicht mehr als Asuma, aber falls Shikamaru annimmt, er wäre erfolgreich von deren Radar verschwunden, dann täuscht er sich.

(Und einen kleinen Fehler habe ich auch noch entdeckt ^^: "Zum meinem Glück" zu: "Zu meinem Glück"
Antwort von:  _Scatach_
19.04.2023 14:10
Sooo hier auch nochmal Hallo :) Da kann ich heute direkt zwei Kommentare von dir beantworten, das freut mich wahnsinnig! :)

Freut mich sehr, dass dir das Kapitel gefallen hat ;) Jaaaa, hier kommen halt auch noch unzählige Fragezeichen hinzu, finde ich ^^ Aber man kann ja nicht im zweiten Teil der Serie schon alles aufschlüsseln :P
Für Shikamaru ist es ein enormer Schritt, was er hier getan hat. Er ist aktiv zu Asuma gegangen, hat offen zugegeben, dass es ihm nicht gut geht und dann sogar zumindest ein bisschen darüber gesprochen, was vor zwei Jahren passiert ist, auch wenn er sich an sehr sehr viel nicht mehr erinnern kann.
Du hast auf jeden Fall schon einige sehr interessante Schlüsse gezogen, die definitiv auch in die richtige Richtung gehen ;) Ich muss nur aufpassen, wie viel ich dazu sage, nicht dass ich dich noch spoilere ;)
Im Hinterkopf sollte man definitiv behalten, dass Shikamaru nicht einmal so sehr wegen dem leidet, was ihm angetan wurde, sondern wegen dem, was er selbst getan hat. Das wird noch wichtig ;) Ich werde aber nicht verraten, was er getan hat und auch nicht, ob es Notwehr war oder nicht, aber ist auf jeden Fall ein logischer Gedankengang, da Shikamaru kein gewalttätiger oder sadistischer Mensch ist.

Ja, für Asuma war das eine heftige Zerreißprobe, da er sein Temperament hier doch sehr an die Kandare nehmen musste ^^ Freut mich sehr, dass seine Wut und Anspannung so greifbar waren :) Für ihn haben sich eine ganze Menge Abgründe und Fragen aufgetan, die er beantwortet haben will, aber er nimmt sich hier bewusst zurück, um einfach nur eine Stütze für Shikamaru sein zu können. Was für Shikamaru auch extrem wichtig war, um zumindest ein bisschen loslassen zu können und er weiß jetzt auch einfach, dass da jemand ist, der an seiner Seite ist und ihm hilft, was ihm wiederum hilft, dieses Auftauchen der Vergangenheit zulassen zu können.
Wobei du schon etwas ganz wichtiges angesprochen hast...Asumas Tod steht unmittelbar bevor und ich denke, es ist nicht wirklich gespoilert, wenn ich sage, dass Asumas Tod ein Schlüsselmoment für Shikamaru ist, der dafür sorgt, dass Shikamarus Psycho ohne Halt abrutscht. Weil ihm eben genau diese Stütze entrissen wird, die er jetzt gerade so dringend braucht. Und wie du schon so richtig festgestellt hast, ist Neji leider sehr mit seinen eigenen Angelegenheiten vereinnahmt, was DAS Grundproblem im vierten und letzten Teil der Serie darstellen wird.
Also in Teil drei muss sich Neji noch nicht entscheiden, das kommt wirklich erst im vierten Teil ;) Ich hoffe sehr, dass dir die beiden letzten Teile auch gefallen werden und bin schon ganz hibbelig, wenn ich daran denke, was du davon halten wirst ;) *-*

Oja...Kurenai hat auch eine mehr als harte Zeit vor sich...das wird gerade im dritten Teil auch nähergehend behandelt und ihre Perspektive der Dinge wird auch mal gezeigt ;)

Aaaah, ich würde sooo gerne etwas zu Shikaku sagen und wie es Shikamaru geschafft hat, das vor seinem Dad geheim zu halten, aber ich kann nicht, weil ich sonst einigen wirklich wichtigen Dingen Vorausgreifen müsste ^^ Aber was ich zumindest schonmal sagen kann, ist, dass Shikamaru da nicht ganz eigenverantwortlich dafür war/ist, dass sein Dad keine Ahnung davon hat, was mit Shikamaru passiert ist. Und es hat tatsächlich auch etwas mit Shikaku selbst zu tun ;)
Du hast auf jeden Fall recht, dass Shikamarus Eltern - oder eher seine Mutter - sich Sorgen um ihn machen. Da ist aber auch schon rausgekommen, dass es Shikaku sehr schwer fällt, einen emotionalen Blick auf seinen Sohn zu haben, was auch seinen Grund hat. Aber du hast definitiv Recht, dass Shikamaru nie vom Radar der beiden verschwunden ist. ;) Du wirst auf jeden Fall noch merken, dass Shikaku und sein Sohn eine ganz besondere, wichtige Verbindung miteinander haben ;) Bin schon gespannt, was du dazu sagen wirst *-*

Aaah, vielen vielen Dank für den Hinweis mit dem Fehler! <3 :)

Ich hab mich wieder unglaublich über dein Review gefreut, vielen Dank dafür!! <3 *-*
Von:  Lady_Ocean
2023-04-18T00:54:40+00:00 18.04.2023 02:54
Nejis - aber auch Inos und Chojis - beharrliche Bemühungen, zu Shikamaru durchzudringen und ihm klarzumachen, dass er 1. Probleme hat und Hilfe braucht und 2. nicht allein ist, scheinen endlich die ersten Früchte zu tragen. Shikamaru beginnt langsam sich einzugestehen, dass er die Geschehnisse vor zwei Jahren doch nicht so abschließend hinter sich gelassen hat, wie er es sich immer schöngeredet hat. Dass er in genau demselben Strudel von Schmerz und Verdrängung feststeckt, in dem auch Neji gesteckt hat und wofür er ihn so gerügt hat. Wenn man bedenkt, dass Shikamaru es zwei Jahre lang geschafft hat, um all diese Erinnerungen und Gefühle tatsächlich einen großen Bogen zu machen und sie ihn emotional nicht aufgewühlt haben (sprich: diese zwei Jahre hatten ihm quasi damit recht gegeben, dass es möglich ist, durch Abtrennung und Verschluss etwas hinter sich zu bringen), ist es ein großer, wichtiger Schritt, dass er sich nun eingesteht, dass das eben nicht abgeschlossen ist. Und dann öffnet er sich sogar dem Gedanken, mit Asuma darüber zu reden! Hier an dieser Stelle geht er zwar nicht so weit, über die damaligen Vorkommnisse zu sprechen, aber zumindest die Frage der Schuld will er ansprechen. Und ich denke, wenn Asuma wüsste, wie sehr er Shikamaru mit seiner beständigen Präsenz und den Go-Spielen damals geholfen hat, dann würde das Asuma ebenfalls ein ganzes Stück helfen. Im Moment geht er an seinen schier endlosen Schuldgefühlen zugrunde. Die Sache ist nur, dass Shikamaru sicher ebenfalls klar ist, dass es nicht bei einem "egal, was damals los war, du warst derjenige, der mich aus diesem schwarzen Loch wieder rausgezogen hat" bleiben wird. Shikamaru macht sich sicherlich auch darauf gefasst, dass es sich nicht vermeiden lässt, Teile dessen, was ihm damals widerfahren ist, ebenso anzusprechen (was nach sich zieht, dass er es nicht verhindern können wird, ein Stück weit ganz konkret daran zu denken. Und das hat er bisher tunlichst vermieden). Gleichzeitig ist er noch nicht so weit, dass er komplett und kohärent darüber nachdenken kann, was damals geschehen ist. Vielleicht wird er das im vollen Ausmaß auch nie sein. Er kann eigentlich nur darauf hoffen, dass Asuma sich an irgendeinem Punkt des Gesprächs damit zufrieden gibt, dass Shikamaru nicht darüber nachdenken oder gar reden will, und dass Shikamaru selbst seine Gedanken so weit im Zaun hat, dass nicht durch verschiedene Trigger alles wieder aufplatzt wie Eitergeschwüre.
Und "Dämlicher Vogel" ist inzwischen zu einem Eigennamen geworden, was? Herrlich! XD

Und dann das Gepräch zwischen Neji und Kakashi. Ich denke, für Kakashi, der sich am liebsten aus allem raushält, ist das ein großer Schritt, auf Neji zuzugehen und ihn zu warnen, was Shikaku mit ihm vorhat. Die Wahrscheinlichkeit, dass Shikaku mitbekommt, dass Kakashi ihm Steine in den Weg legt, ist durchaus vorhanden. Ich könnte mir aber vorstellen, dass aufgrund dessen, was mit Sasuke passiert ist, eine große Angst in Kakashi herrscht, dass sich das wiederholen könnte. Dass seine Passivität dazu führt, einen weiteren starken Konoha-Ninja zu verlieren und sich zum Feind zu machen. Und auch einfach, dass eine weitere leidende Seele zerbricht. Abgesehen davon würde das wahrscheinlich eine Lawine lostreten. Naruto würde alles daran setzen, Neji zurückzuholen. Das, was mit Sasuke passiert ist, hat ihn ebenso erschüttert und mit Sicherheit nie wieder losgelassen, auch wenn es im Alltagsleben nicht wirklich erkennbar ist. Aber wir kennen ja Naruto. :) Und Kakashi ebenso.
Dennoch ist diese Mission mit der Untersuchung des zerstörten Tempels nur ein Aufschub dessen, was Neji noch erwarten mag. Ich frage mich, inwieweit es überhaupt möglich ist, sich auf Shikakus Pläne vorzubereiten. Vom Denken her sind er und Shikamaru sich ja auch sehr ähnlich. Garantiert hat Shikaku wenigstens fünf ausgeklügelte Pläne (je mit diversen Subplänen) in der Hinterhand und je nachdem, wie Neji sich verhält und welche der Möglichkeiten, die Shikaku für ihn bereithält, er selbst bemerken kann, wird es für ihn ein Leichtes sein, seine Pläne zu ändern. Den nächsten Teil der Serie habe ich noch nicht gelesen, aber ich nehme im Moment stark an, dass Neji es mit Shikaku in Teil 3 sehr, sehr schwer haben wird.
Antwort von:  _Scatach_
19.04.2023 13:55
Huhu :) Ach wie schön, wieder einen Kommentar von dir lesen zu können! Ich hab mich natürlich wieder wahnsinnig gefreut!! *-*

Du hast absolut recht, durch Neji und seine Freunde ist Shikamaru jetzt endlich bewusst geworden, dass es doch einiges gibt, dass er aufzuarbeiten hat und um das er sich kümmern muss. Und dass er mit Asuma reden sollte.
Gerade Neji hat da wirklich viel dazu beigetragen indem er Shikamaru ganz klar geraten hat, mit Asuma zu sprechen. Und wie du schon gesagt hast, wird Shikamaru immer klarer, dass nicht nur Neji vieles verdrängt hat.
Es ist Asuma gegenüber auch einfach nur fair, mit ihm zu sprechen, da der einfach extrem in der Luft hängt momentan und so gar nicht weiß, was mit seinem Schüler eigentlich abgeht und Shikamaru will ja selbst auch nicht, dass sich Asuma irgendwie schlecht fühlt oder sowas. Es ist auf jeden Fall ein wichtiger und großer Schritt für Shikamaru, dass er sich dazu entschließt, mit Asuma zu sprechen!
Wie das Gespräch verläuft, weißt du ja bereits, da werd ich dann beim nächsten Kapitel was dazu sagen ;)
Haha, ja "Dämlicher Vogel" ist jetzt tatsächlich der Name von Shikamarus Falken ;)

Ah, ich muss ja gestehen, ich mag Neji und Kakashi zusammen, da sie sich vom Wesen her irgendwie sehr ehrlich sind, finde ich ;) sie haben beide diese Regelkonformität, die sie aber auch mal beiseite lassen, wenn es um Dinge geht, die ihnen wirklich wichtig erscheinen und sie sind beide extrem sensible und emotionale Menschen, obwohl sie das nach Außen hin sehr verstecken und nie zeigen. Ich denke, Kakashi sieht sich in Neji auch einfach selbst, was mit ein Grund ist, warum er so subtil versteckt einen schützenden Flügel über ihn hält und versucht, ihm zu helfen. Dass er Neji vor Shikaku warnt und ihm quasi eine Fluchtmöglichkeit bietet, zeigt das ziemlich deutlich.
Du hast aber auch recht, dass Kakashi befürchtet, dass sich eine Situation wie bei Sasuke wiederholen könnte, oder zumindest ähnlich wie bei Sasuke. Und Naruto würde natürlich nicht tatenlos dabei zusehen, wie ein weiterer Freund in diese Finsternis abrutscht, das stimmt.
Aber wie du auch schon gesagt hast, ist diese Mission nichts weiter als eine Galgenfrist, die Neji gewährt wird...letztendlich wird ihn das nicht vor Shikaku retten. Der ist auch einfach viel zu gewieft und gerissen, um einfach so ausgebootet werden zu können und wenn Neji ANBU erreichen will, dann muss er an Shikaku vorbei...das hilft alles nichts leider ^^
Ich bin auf jeden Fall gespannt, wie der Teil 3 der Serie gefallen wird ;)

Vielen vielen Dank wieder für dein wunderbares Review, ich hab mich so sehr darüber gefreut!! <3 *-*
Von:  Lady_Ocean
2023-03-23T08:11:30+00:00 23.03.2023 09:11
"philosophisch" - Das gleiche Wort ging mir bei und nach dem Gespräch zwischen Kakashi und Asuma auch durch den Kopf. Hilfe, wie die zwei es schaffen, sich durch Andeutungen, Metaphern und Auslassungen zu verständigen und dabei dennoch Informationen entnehmen können! Es war wirklich ein schwerer Brocken *uff*. ^^° Das zu übersetzen, muss unglaublich schwer gewesen sein, oder? Ich habe für mich zumindest festhalten können, dass Kakashi herausgehört hat, dass Asuma jemanden sucht, der Shikaku vor zwei Jahren etwas Schlimmes angetan hat. Dass ein gewisser Naoki damit zusammenhängt. Dass dieser Fall höchst brisant ist und von denen, die damit zu tun hatten, tunlichst unter den Teppich gekehrt wurde und auch dort bleiben soll. Und dass Asuma bereits mit Genma deswegen zusammengestoßen ist. Ob Kakashi Asumas Verhalten nun bewundern oder darüber den Kopf schütteln soll, das weiß er selbst wohl nicht so recht. Einerseits sieht Kakashi hier wahrscheinlich ein fruchtloses Unterfangen, was zudem ganz klar den Regeln der Ninja entgegen steht. Andererseits erinnert Asuma ihn an Naruto und auch sich selbst und seine eigenen Versäumnisse (dass er es nicht geschafft hat, Sasuke von seinem immer tieferen Fall in die Dunkelheit zu befreien. Der Verlust von Obito und Rin. Und vielleicht sogar noch weitere Dinge, die er hier nicht so explizit beim Namen nennt). Andererseits ist er aber wirklich ziemlich regelkonform und tut sich schwer damit, aus Hierarchien und Machtverhältnissen auszubrechen, auch wenn ihm sein Herz suggeriert, dass er eigentlich das Falsche tut. Sein Verstand redet sich damit raus, dass Richtig und Falsch immer relativ sind und er selbst nur das Werkzeug ist, nicht der Gott oder Herrscher, der an der Spitze des Gefüges steht. Damit macht er es sich einerseits leicht, andererseits schwer. Denn vor seinem eigenen Gewissen kann er nicht flüchten, wie man hier schön sieht.
Asuma seinerseits ist zumindest insofern einen kleinen Schritt weiter, dass er nun ANBU als mögliche Spur hat und sich wahrscheinlich recht sicher sein kann, dass Kakashi selbst nicht in den damaligen Fall verwickelt war.

Und ... Hiashi hat mich hier überrascht. Er hat bisher noch nie eine menschliche Seite gegenüber Neji gezeigt. Man fragt sich wirklich (genau wie Neji): WARUM JETZT?! So verkorkst, wie der ganze Hyuga-Clan in Emotionsmanagement ist, kann ich mir bei ihm gut vorstellen, dass Hiashi in jungen Jahren ebenso von den damaligen Ältesten unterdrückt, eingeschüchtert und unter Druck gesetzt wurde, wie Neji es zeitlebens erleiden musste. Und dass Hiashi deshalb nie zugelassen hat, seine Gefühle (z. B. bezüglich seines Bruders) nach außen zu lassen (und wahrscheinlich nicht mal, sie sich selbst gegenüber zu erlauben. Er hat garantiert alles dran gesetzt, all seine Emotionen zu verschließen, um übermäßigen Schmerz zu vermeiden. Was Neji im ersten Teil beinah umgebracht hätte). Aber dass Hiashi Neji gegenüber so zwiespältige Gefühle hegt, kann ich gut nachvollziehen. Allerdings glaube ich auch, dass es inzwischen zu spät ist, jetzt noch über solche Dinge zu reden. Nejis Verhältnis zu ihm ist so verrüttet, dass das keine Aussprache der Welt wieder richten könnte, würde ich sagen. Dafür ist Hiashi einfach viel zu spät dran. Aber ich denke, er ist aufgeklärt genug, um das selbst zu wissen und (nach außen hin) nicht so hohe Erwartungen zu haben. Dass er dieses Lob und seine Gedanken bezüglich Hizashi jetzt ausgesprochen hat, zeigt wahrscheinlich einfach nur, wie viele Emotionen und Gedanken sich in ihm angestaut haben und dass er ein Stück weit die Kontrolle darüber verloren hat; nicht mehr wusste, wohin damit.
Was Shikakus Beschattung anging, gehe ich eigentlich davon aus, dass Hiashi das ebenfalls bemerkt hatte. Vielleicht hat er aufgrund der enormen Fähigkeiten des Beschatters sogar von selbst auf Shikaku geschlossen. Oder er war über Shikakus "Besuch" informiert gewesen (es ist ja eigentlich ein enormer Affront, ungefragt das Hyuga-Anwesen zu infiltrieren). Oder er ging das Ganze insofern pragmatisch an, als dass er erst einmal beobachtet hat, was genau passiert, um später angemessen darauf zu reagieren, wenn er ein besseres Bild von der Situation hat. So oder so wird er wohl für sich entschieden haben, so zu tun, als würde er nichts davon bemerken, dass sie beobachtet werden. Die Art, wie Shikaku sich Neji schließlich zu erkennen gegeben hat, lässt einem echt die Haare zu Berge stehen. Hilfe, wie gruselig. Und gerade durch seine Auslassungen und Andeutungen ist er so gefährlich. Der Kopf kann sich somit alles Mögliche ausmalen - ein Horrorszenario schlimmer als das nächste. Und all das ganz ohne dass Shikaku selbst sich um irgendwelche konkreten Drohungen bemühen musste. Er beobachtet seelenruhig, wie die Laborratte verzweifelt versucht, einen Ausweg aus seinem Labyrinth zu finden, nur um sie am Ende ganz seelenruhig einzusammeln und ihr die Giftspritze zu verpassen. Solch einen Eindruck hat Shikaku hier auf mich gemacht.
(Und ich hoffe, ich brauch nicht wieder Wochen, um mit dem nächsten Kapitel weiterzumachen. XD)

Übrigens sind mir zwei kleine Tippfehler aufgefallen:
"Ein rein hypothetische Frage" ("Eine")
"dass du dieses Wort völlig definierst." ("völlig neu definierst"?)

Viele liebe Grüße! ^^
Antwort von:  _Scatach_
28.03.2023 19:15
Hey meine liebe Nancy :)

Mensch, du glaubst gar nicht wie mega überrascht ich war, als ich nach Ewigkeiten mal wieder auf Animexx geschaut habe und dann deinen Kommentar gefunden habe. :D Ich hab mich so wahnsinnig gefreut!! *-*

Richtig schön zu sehen, dass du die FF noch weiter verfolgst :) Was mir direkt wieder einen schuldbewussten Stich versetzt hat, da ich bei deiner FF auch noch nicht weiter gelesen habe :/ Und ich hab auch noch nicht auf deine Nachricht geantwortet, aber das werde ich natürlich alles nachholen!! Gerade einfach alles etwas chaotisch bei mir...mal ganz was neues :'D

Aber jetzt zu deinem Kommentar :)

Ist tatsächlich ein sehr philosophisches und ja, auch sehr metaphorisches Gespräch zwischen den beiden, bei dem sie bewusst mit Analogien um vieles herum tänzeln ;) Es war tatsächlich ein recht harter Brocken, das zu übersetzen, ja :D Aber es hat auch sehr sehr viel Spaß gemacht, weil ich mich richtig gut in die beiden reinversetzen konnte!
Mit deinen Schlussfolgerungen hast du auf jeden Fall recht, bin echt beeindruckt, dass du das alles noch so weißt, weil du ja jetzt doch schon länger nicht mehr gelesen hast, glaube ich :D
Und es stimmt, dass das alles sehr unter Verschluss gehalten wird ;) Ist auf jeden Fall eine sehr verstrickte, tief gehende Sache :D
Kakashi ist bei dieser Sache ziemlich zwiegespalten, auf der einen Seite ist er natürlich von seiner Vergangenheit geprägt und auf der anderen bewundert er sehr, wie sehr sich Asuma für seinen Schüler einsetzt. Ihm ist eben auch bewusst, dass Asuma extrem viel dabei riskiert...Genma hat seine Warnung ja nicht ohne Grund ausgesprochen. Du hast also auf jeden Fall recht, dass Kakashi da eher der Regelkonforme und nicht der Rebell ist. ^^
Ich sehe es auch wie du, dass er sich damit natürlich aus der Verantwortung zieht, was es für ihn leicht macht, auf der anderen nagt es sehr an seinem Gewissen und lastet auch auf ihm, wodurch es wiederum ziemlich schwer für ihn ist, damit umzugehen.
Stimmt, Asuma hat zumindest einen kleinen Brotkrumen ;)

Ah, Hiashi, ich muss sagen, er ist in dieser Reihe eine meiner absoluten Lieblingsfiguren...was vielleicht den ein oder anderen überraschen mag, aber ich finde, er ist eine sehr faszinierende Person.
Kann sehr gut verstehen, dass dich Hiashis Verhalten überrascht und du dich ein bisschen wie Neji fühlst. Dieses "Wieso jetzt?" Es macht für Außenstehende auch wirklich keinen Sinn und nur für Hiashi selbst. Leider haben wir hier noch nicht in Einblick in Hiashis Gedanken- und - ja, auch er hat eine - Gefühlswelt ;) Das ändert sich aber ab Requiem und ich bin gespannt, was du zu seinem Blickwinkel sagen wirst ;) Deswegen weiß ich auch gar nicht, wie viel ich jetzt zu ihm sagen will, weil sich einiges auf jeden Fall noch klären wird :D Zum Beispiel in Bezug auf seine verkrüppelten Emotionen, was tatsächlich sehr stark mit seiner Erziehung und seinem Aufwachsen als zukünftiges Clanoberhaupt zu tun hat, aber wie gesagt, das wird noch erklärt ;)
Für Neji ist es hier definitiv zu spät, darüber zu reden, er hat seine Entscheidung getroffen und wird auch nicht davon abweichen, was ja auch verständlich ist, man hat ihm ja das Leben im Clan wirklich nicht gerade leicht gemacht. Hiashi ist das natürlich auch bewusst ja, aber auch wenn er das nie zugeben würde, tut ihm das sehr weh.

Hiashi hat Shikaku bemerkt, ja. Er hat zwar nichts gesagt, weil er ja weiß, wieso Shikaku da ist, aber ihm passt das überhaupt nicht, dass Shikaku auf Hyūga Grund umschleicht. ^^ Er hält sich halt zurück, weil er auch einfach ganz genau weiß, dass es zu nichts führen würde, sich mit Shikaku anzulegen, aber auch das wird noch geklärt werden ;)
Haha, ja, Shikaku geht nicht gerade zimperlich mit Neji um und zeigt ihm deutlich, dass er ihm den Weg zu ANBU nicht leicht machen wird ^^
Shikaku hat einfach eine enorme Ausstrahlung, die sogar auf jemanden wie Neji sehr einschüchternd wirken kann und er ist sich dieser Ausstrahlung eben auch bewusst. Deinen Vergleich mit der Laborratte find ich da wirklich unglaublich passend! ;) Da hast du definitiv nicht ganz unrecht ;)

Haha, ich bin ja selber gerade eine richtige Niete, was das Lesen angeht, was mir auch wirklich sehr leid tut! Aber natürlich würde ich mich sehr freuen, bald wieder von dir zu lesen, mach dir aber bitte keinen Stress! :)

Und vielen Dank, dass du mir die Tippfehler gesagt hast, das muss ich gleich noch ausbessern :)
Ich hoffe sehr, dass es dir und deiner Familie gut geht! :)

Vielen vielen Dank für deinen wunderbaren Kommentar und ganz ganz liebe Grüße! <3
Antwort von:  Lady_Ocean
07.04.2023 04:26
Huhu! ^^

Das ist schön, dass ich dir eine Freude machen konnte! Aber mach dir keine Gedanken, wenn du noch nicht zum Weiterlesen kommst bei "Bruder". Glaub mir, ich kenn das nur zu gut, wie schwierig das ist, sich so intensiv in eine Geschichte einzufühlen, die eigenen Gedanken dazu zu sortieren und möglichst ausführlich niederzuschreiben. Ich brauch dafür ewig. Deshalb muss ich für ein Kapitel von der BtB-Reihe auch 1-2 Stunden einplanen und deshalb dauert es einfach so lange, bis ich mal was schaffe. Das geht einfach nicht nebenher. XD

Ja richtig, ist jetzt auch schon wieder ganz schön lange her, seit ich die Geschichte zum ersten Mal gelesen hatte. Aber dass ich die OtC im Prinzip jetzt zum zweiten Mal lese, hilft auf jeden Fall. Dadurch sind mir die wichtigsten Dinge einfach länger in Erinnerung. ^^

Dass du Hiashi so magst, kann ich mir gut vorstellen! Auch ohne bereits die Details zu ihm zu kennen, sah man vor allem in diesem Kapitel, wie viel Tiefe in diesem Charakter stecken muss, wenn er sich so zwiespältig verhält. Und die ganze Geschichte zeigt ja, dass Charas, die sich plötzlich untypisch verhalten, das nicht aufgrund eines unausgereiften Charakterdesigns tun, sondern dass da Gründe dahinter liegen. Und die Funktionsweise und Erziehungsmethoden im Hyuga-Clan machen es halt auch sehr naheliegend, wo die Gründe für seinen Zwiespalt liegen könnten.

Shikakus Fähigkeiten müssen echt 'ne Hausnummer sein. Hiashi ist ja schon krass. Man muss ja im Blick behalten, dass die Hauptcharas alle noch junge Heranwachsende sind. Deren Körper, Muskeln, Technik etc. hat alles noch ganz viel Entwicklungspotenzial. Und Erfahrungen haben die natürlich auch noch nicht so viele. Da ist es total logisch, dass Hiashi beispielsweise momentan noch sehr viel stärker sein muss als Neji. Und wenn selbst jemand wie Hiashi gegenüber einem Eindringling die Füße stillhält, weil er weiß, dass er dem gegenüber machtlos ist, hat das ganz schön was zu heißen.

Uns gehts gut soweit! Immer zu viel zu tun. XD Die letzten Wochen waren die Vorbereitungen fürs neue Semester (plus ein bisschen Nebenjob, weils mir so schwer fällt, "nein" zu sagen, wenn mich jemand um was fragt und es interessant klingt ...) und Louis Schuleintritt total stressig (jetzt ist er in der Grundschule!). Da kam ich nicht zu meiner eigenen Forschung (und ich muss unbedingt schneller werden mit den Transkripten T___T), was mir langsam ein schlechtes Gewissen beschert hat. Aber schneller war halt einfach nicht drin. Und Bewerbungen sind grad angesagt. Eine ist jetzt weg, was in einen knapp 2 cm dicken Stapel Papier ausgeartet ist (wozu brauchen die sämtliche Unterlagen in 4-facher Ausführung?! Spätestens bei den drei Aufsätzen, die ich beigefügt hab, hat sich das echt bemerkbar gemacht o_o). Eine zweite Will ich im Laufe dieses Monats fertig machen. Falls es mit dieser zweiten klappen könnte, wäre das eigentlich besonders schön...
Mein Mann hat im Moment auch super viele Überstunden oder Abendessen mit der Firma und kam die Woche jeden Tag erst gegen Mitternacht nach Hause. Bei ihm siehts in Sachen Erholung also auch nicht besser aus. Und bei dir ja wahrscheinlich auch nicht, was? XD Ich wär sehr neugierig auf ein Update von deinem neuen Job :)

Viele liebe Grüße!
Von:  Lady_Ocean
2022-04-15T13:19:54+00:00 15.04.2022 15:19
Asuma war so toll in diesem Kapitel. T_T Er ist ein richtiger Bluthund. Wenn er sich an etwas festgebissen hat, dann lässt er nicht mehr los, solange, bis er an seinem Ziel ist. Und wenn irgendwas versucht, ihn davon abzubringen, dann wird dort ebenfalls blindlings um sich gebissen. Für Genma sah es zwischenzeitlich wirklich gefährlich aus. Und das, wo Asuma ihn eigentlich auch als Freund betrachtet. Für Ninja-Verhältnisse jedenfalls. Und umgekehrt ja genauso. Genma wäre nicht hier gewesen, wenn Asumas Wohl ihm nicht am Herzen gelegen hätte. Seine Warnungen, die Verschwiegenheit und auch das Mysterium mit den Akten hat deutlich gezeigt, was da für ein riesiges Geflechtan Korruption hinter der Sache steht. Selbst Tsunade muss bis zum Hals da mit drin stecken, wenn praktisch die komplette Ninja-Gemeinde zum Schweigen gebracht werden kann. Genma sorgt sich einerseits sicherlich um das Hornissennest, das Asuma hier aufstechen will, andererseits aber wahrscheinlich auch um die Konsequenzen für Asuma persönlich. Und gleichzeitig weiß er im Innern, dass es einfach nur falsch ist, was da totgeschwiegen wird. Sonst wäre er nicht dieses Risiko eingegangen, Asuma zu treffen, zu warnen und schließlich sogar einen Tipp zu geben.
Zu den Akten noch: Ich habe zwar nicht ganz verstanden, wo Asuma da Ungereimtheiten gesehen hat bei den drei Missionen, für die sich dieser Narumi angeblich gemeldet hat und warum davon nur eine irgendwie offiziell war, die anderen aber nicht. Aber an dem Gespräch merkt man sehr deutlich, wie viel Insiderwissen bei Asuma dahintersteckt und das fühlt sich sehr realistisch an, so ahnungslos daneben zu stehen. Erinnert mich an mein Studium und wenn die Kommilitonen meiner Freundin bei uns in der WG zum gemeinsamen Medizinlernen zu Besuch waren. Wenn man da zugehört hat, wusste man am Ende nicht mal mehr, welche Sprache die sprechen. XDDD (Aber ihr ging es genauso, wenn ich mit meinen Japanologie-Freunden gefachsimpelt habe.)
Auch die Anspielung auf Asumas Vergangenheit geht in so eine Richtung. Man sieht wieder, dass das alles sehr viel tiefer geht als das, was wir als Leser sehen. Das macht diese Geschichte ungleich realistischer, größer, auch wenn man dafür natürlich Abstriche beim Verständnis hinnehmen muss. Ich denke, mit so einer Art von Geschichten tun sich viele schwer, aber ich persönlich mag das. Klar, es sollte nicht überhand nehmen. Wenn ich den Faden verliere und das Gefühl habe, einfach gar nicht durchzublicken, macht das Lesen auch irgendwann keinen Spaß mehr. Aber ich grüble ja gern über meine eigenen Theorien nach und mag Hintergrunddetails. Solange sich mein Nicht-Verstehen auf dieser Ebene abspielt, finde ich das gut. :)

Und die Gefahr von Akatsuki rückt jetzt auch in immer greifbarere Nähe. Man merkt immer stärker, wie brandgefährlich die sind. Das Gespräch zwischen Hibari und Neji hat das schon sehr deutlich hervorgehoben (und zuvor natürlich bereits die Gespräche mit Shikamaru, wie knifflig das alles ist). Dass die es auf die Jinchuuriki abgesehen haben, ist gefährlich genug, aber Nejis Vorahnung, dass nicht einmal dort Schluss sein wird, setzt dem ganzen die Krone auf. Und dann Hidan und Kakuzu in Aktion zu sehen... Speziell Hidan. Was der für einen pervers-verdrehten Geist hat. So richtig psycho. Da stehen einem echt die Nackenhaare zu Berge. Selbst im Umkreis von 100 km will ich so jemanden nicht um mich wissen wollen. Dieses Kloster in den Bergen - man weiß ganz genau, dass davon in wenigen Augenblicken nichts mehr übrig sein wird. Die armen Mönche werden genauso leiden, wie diese Jinchuuriki mit Sicherheit gelitten hat. :(

... Und einen Typo habe ich noch gefunden: „Bis dann, Hibari-san! Vilen Dank für die Vögel!“ ("Vielen") :)
Antwort von:  Lady_Ocean
16.04.2022 06:36
Ah, ich hab total vergessen, meine Gedanken zu Shikamaru zu schreiben! Jetzt, wo man ihn nach so langer Zeit mal wieder mit etwas Lebendigkeit gesehen hat, merkt man so richtig, wie seelisch tot er die ganze FF über gewesen ist. Die Begegnung mit Neji hat ihm wirklich gut getan. Aber das heißt noch lange nicht, dass er schon über dem Berg ist. Shikamaru hat gerade erst angefangen, sich seinen Ängsten zu stellen. Er wird weiterhin Leute brauchen, die ihn in die richtige Richtung schubsen, sonst ist es eine Frage der Zeit, bis er wieder auf der Stelle steht und schließlich in sein Schneckenhaus aus Illusionen zurückkehrt. Aber mit Neji und Asuma an seiner Seite hat er zwei sehr gute Helfer.
Antwort von:  _Scatach_
16.04.2022 13:32
Huhu :)
Ui, ich hab mich schon wieder so mega über dein Review gefreut! *-* <3

Freut mich sehr, dass dir Asuma hier so gut gefallen hat. Bluthund ist tatsächlich ein sehr passender Begriff für ihn. Er lässt das jetzt definitiv nicht mehr einfach so auf sich beruhen. Für Genma sah es da wirklich kurzzeitig nicht so gut aus, wobei er sich ja auch nicht gewehrt hat ;) Unterschätzen sollte man den lieben Genma auf jeden Fall nicht ;)
Asuma ist für Genma definitiv ein Freund und Genma sorgt sich auch um ihn, das wird vor allem im nächsten Teil sehr deutlich.
Ah, interessant, dass du gleich vermutest, dass Tsunade da mit drin stecken muss :D Ich werde da jetzt natürlich nicht spoilern, aber es gibt tatsächlich ein enormes Geflecht aus Lügen und Geheimnissen, das es aufzudecken gilt. Du siehst es hier schon ganz richtig, dass Genma sowohl Asumas persönliches Wohl, als auch das große Ganze im Sinn hat. Es ist für ihn wirklich ein ziemliches Risiko, Asuma mit seinem Senbon einen Hinweis zu geben. Aber was alles hinter dieser Sache steckt, wird erst nach und nach und sehr langsam aufgedeckt, es wird also extrem viel Rätselraten für dich geben :D
Noch zu deiner Verwirrung für den Akten. Es soll und muss gar nicht so sein, dass man als Leser/in hier versteht, was eigentlich hinter dem steckt, was Asuma hier in den Akten aufgefallen ist. Es geht im Grunde hier erstmal nur darum, dass es nicht sein kann, dass ein Chūnin GLEICHZEITIG an allen drei Nebenmissionen von Kusa teilgenommen haben soll. Das ist schlicht und ergreifend nicht möglich, außer durch Schattendoppelgänger wie Asuma schon gesagt hat. Er hat aber quasi nur von EINER dieser Missionen berichtet (also seinem Vorgesetzten davon erzählt).
Ich kann dir aber sagen, dass das wirklich für den Verlauf der Geschichte keine wirkliche Rolle spielt. Es geht eher darum, dass aufgezeigt wird, dass irgendetwas an der Berichterstattung der Chūnin Prüfungen nicht stimmt. Es wird aber trotzdem durch den letzten Teil der Geschichte deutlicher, was genau es mit diesen 'Ungereimtheiten' auf sich hat :D Das ist tatsächlich etwas, das man bei der BtB Serie mögen muss. Man muss teilweise SEHR lange rätseln und auf Antworten warten, ABER: Die Antworten kommen definitiv :D
Haha, aber ich mag deinen Vergleich mit dem Fachgerede, bei dem man als Außenstehender einfach keinen Plan hat xD Ein bisschen soll das hier schon auch so sein ;)
Naaaaw, freut mich sehr, dass dir die Tiefe der Geschichte so gefällt. Es stimmt schon, dass man nicht immer alles auf Anhieb versteht und manches wird vllt auch für immer ein Rätsel bleiben. Ich hoffe sehr, dass es dich nicht allzu sehr stört, aber du weißt ja, wenn du Fragen hast, immer her damit ;) Und manches wurde auch einfach nicht detaillierter erklärt, weil es von der Länge der Geschichte er dann wirklich irgendwann uferlos geworden wäre. Die Serie ist von der Länge her ja eh ein Monster xD Aber ich kann dir wirklich sagen, dass es für alles, was für das Verständnis des Plots, etc. wichtig ist, eine Antwort geben wird. Es wird alles in UtS aufgeklärt. Geduld braucht man dafür allerdings schon ;)

Ja, es war nur eine Frage der Zeit, bis die Bedrohung durch Akatsuki zu einem größeren Thema wird.
Hidan ist wirklich eine Nummer für sich, wenn es um einen kranken Verstand geht, ich muss trotzdem sagen, dass ich ihn irgendwie mag :D Als Bösewicht ist er einfach der Hammer find ich ^^
Die Zerstörung des Tempels und die Jagd nach der Jinchūriki ist ja auch tatsächlich Canon.

Ui, danke wieder für deinen Hinweis!! *-*

Ah und dann noch Shikamaru...ja, hier hat man mal wieder so einen richtig tiergehenden Blick in sein Inneres. Ich finde es sehr passend, dass du ihn in dieser Geschichte bisher als eher seelisch tot empfunden hast, denn irgendwo war er das auch. Hat sich quasi emotional abgeriegelt, damit ihn diese Sehnsucht und der - ja, Liebeskummer - wegen Neji nicht völlig zerfrisst. Das Treffen mit Neji war einfach extrem wichtig für ihn und hat ihm auch ein bisschen die Augen geöffnet, ja. Er braucht aber einfach extreme Stützen in seinem Leben und die sind für ihn nunmal Asuma und Neji, das hast du völlig richtig erkannt. Alle anderen kommen an die beiden einfach nicht ran. Nicht einmal Ino und Chōji...

Vielen vielen Dank wieder für dein unfassbar tolles Review, ich hab mich wahnsinnig gefreut! *-* <3
Antwort von:  Lady_Ocean
16.04.2022 16:10
Huhu! ^^

Dass Tsunade da mit drinstecken muss, vermute ich deshalb, weil sie als Hokage unmöglich ahnungslos sein kann, wenn da dermaßen die Kacke am Dampfen ist. Wenn sie ein reines Gewissen bezüglich dieser Sache gehabt hätte, hätte es sie vor zwei Jahren, als Asuma zum ersten Mal so die Beherrschung verloren hat, schon stutzig machen müssen und sie hätte sich seinen Standpunkt anhören müssen. Wenn sie das gemacht hätte, hätte sie stutzig werden müssen, dass da evtl. wirklich was im Argen liegen könnte und sich, als Verantwortliche für ihr komplettes Dorf, darum kümmern müssen. Hat sie aber nicht. Also kann sie nur Teil dieses Lügengeflechts sein. Meiner Meinung nach. :)

Dass ich bei Asumas Argumentation mit den 3 Missionen und dem 1 Bericht nicht richtig durchgeblickt habe, stört mich wirklich nicht. Weil ich beim Lesen das Gefühl hatte, dass das ein Thema war, was später nie wieder vorkommen wird und daher nur einen kleinen Nebenaspekt der Geschichte ausmacht. Aber bei den Hauptsträngen will ich natürlich (früher oder später) das Gefühl haben, dass ich kapiere, worum es geht. XD

"Nicht einmal Ino und Choji" - Ja, das habe ich mir auch gedacht. Sie gingen mir auch durch den Kopf, denn sei sorgen sich ebenso um Shikamaru und wollen ihm eine Stütze sein. Und ein bisschen sind sie das ja auch. Aber sie kommen nicht an das ran, was Asuma und Neji für ihn sind.

Und: Immer wieder gern! ^^
Antwort von:  _Scatach_
17.04.2022 14:09
Ahja, damit hast du auf jeden Fall recht! ;) Allerdings werde ich jetzt aus Spoilergründen nichts mehr dazu sagen, denn jetzt wird es wirklich schwer, darüber zu sprechen, ohne was zu verraten, das will ich ja nicht :D

Okay, bitte sag mir immer sofort Bescheid, wenn du es irgendwie als zu verwirrend erachtest, dann würde ich schauen, dass ich es vielleicht nochmal verständlicher formuliere. Es werden auf jeden Fall noch ein paar Kapitel kommen, bei denen ich diese Gefahr irgendwie schon immer gesehen habe :D
Und ich bin mir sehr sicher, dass du bei den Hauptsträngen kapieren wirst, worum es geht :D

Ino und Chōji sind auch wirklich wichtige Bezugspersonen für Shikamaru, aber eben nicht auf dem emotionalen Niveau wie Neji oder Asuma. Shikamaru öffnet sich einfach bei niemandem so sehr wie bei Neji und Asuma ist einfach eine Vaterfigur für ihn. Aber die ganze Dynamik zwischen Shikamaru und seinen Kameraden und Shikamaru und Asuma spielt dann vor allem auch noch in den anderen beiden Teilen noch eine Rolle ;)
Antwort von:  Lady_Ocean
18.04.2022 04:43
Ja, genau, nicht spoilern, bitte. XD

Vielleicht müsste man auch eher sagen "Asuma und Neji gelingt es, Shikamarus harte Schale ein Stück weit aufzubrechen" als "Shikamaru öffnet sich". Wenn Asuma und Neji nicht so hartnäckig dranbleiben würden, würden auch sie nichts aus Shikamaru rauskriegen. Asuma macht sich ja ohnehin schon Vorwürfe, dass er vor zwei Jahren nicht aktiver gewesen ist. Aber so in die Initiative zu gehen, ist auch nicht Inos und Chojis Art. Und vor allem Ino könnte das auch nicht, denke ich. Und Choji ist ein sehr weicher Typ, der viel Rückhalt und Rationalität bietet, sich aber nicht aufdrängt. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, wie die Shikamaru derart drängen, aus seiner Schale herauszukommen, wie Asuma und Neji es tun.
Von:  Lady_Ocean
2022-04-03T14:17:15+00:00 03.04.2022 16:17
Zwei so unterschiedliche Szenen sind in diesem Kapitel vereint. Eigentlich sogar zwei Kapitel in einem. ^^
Der Szenewechsel zum Chaos-Trio war eine Wohltat! Ich habe mit jeder Zeile mitgelacht. Was für ein krasses Kontrastprogramm gerade Kiba und Naruto im Vergleich zu Neji und Shikamaru (und deren Problemen) sind. XD Und Sakura hat sich offenbar noch gut mit Hibari amüsiert. Ich würd mich ja freuen, wenn sie das Foto später noch mal heimsucht. :)
Aber Neji hat sich verdammt wacker geschlagen. Nicht nur, dass ihm nicht die Faust ausgerutscht ist, er hat sogar seine bissigen Kommentare zurückhalten können! Dabei sind Naruto und Kiba im Vergleich zu ihm ja wirklich der reinste Kindergarten. Zugschlagen hätte er früher eigentlich auch nicht so schnell, aber es wäre eine ganze Reihe mehr zynischer Kommentare gefallen, vor allem bei diesem Bombardement an Steilvorlagen, das Kiba hingelegt hat. Da hat ja richtig der Hass rausgesprüht. Aber Nejis Erinnerung daran, dass Kiba so drauf ist, seit er Shikamaru seine Chakrafaust über den Schädel gezogen hat, hat mir auch noch mal bei der Einordnung der Dinge geholfen. Stimmt, der Schaden ging ja nicht erst los, als Shikamaru Nejis Vertrauen verraten hat. Es begann ja schon lange vorher. Eigentlich hatte Neji ja sogar im Prolog von BtB die Beherrschung verloren und jemanden aus seinem eigenen Team angegriffen, weil er die Kontrolle verloren hatte (und nun lässt er diesen Kindergarten so stoisch über sich ergehen! Ich muss das noch mal betonen, was das für ihn, mit seiner Abneigung und seinem Stolz, für eine Leistung ist). Und nicht nur das - dass Neji sogar in der Lage war nachzuvollziehen, wo Kibas Hass auf ihn herkommt und dass er dem sogar Respekt abgewinnen konnte - wow. Und Nejis Eingeständnis hat dieses sehr angespannte Verhältnis zwischen ihnen beiden ein ganzes Stück entschärft. Neji hatte btw. verdammtes Glück, dass Kibas Geruchssinn nicht so weit gereicht hat, dass er die Moschusnote ebenfalls noch gewittert hat. Kiba wäre nicht Kiba, wenn er dieser Spur nicht augenblicklich wie ein Bluthund nachgejagt wäre, wenn er sie gewittert hätte.
Übrigens war ich überrascht, dass Kiba einen Plural wie "Supernovae" raus kriegt. XD Bei seinem Intellekt hätte ich eindeutig auf "Supernovas" gewettet (und ist ja auch beides nicht falsch, sagt Duden. Nur "Supernovae" klingt viel gebildeter, finde ich).

Die zweite Szene mit Shikamaru um Zentrum war dann wieder ganz schön ernst und bedrückend und auch wieder schwieriger im Detail nachzuverfolgen, weil Shikamaru natürlich nur in Andeutungen spricht. Aber es ist so eine wunderbare Freundschaft, die Team 10 verbindet. Choji und Ino verstehen Shikamaru sicherlich nicht im Detail, aber doch gut genug um zu wissen, wie er im Grunde tickt und dass er sich mit seinen Analysen in Bereichen, die eben nicht bis ins Detail durchanalysierbar sind, verrennt und sich verliert. Und ich denke, das hier war jetzt erstmals ein Moment, in dem Shikamaru umgekehrt auch _sie_ gesehen und gehört hat. Ich denke, wenn Ino und Choji ihm vorher direkt versucht hätten zu sagen, dass sie für ihn da sind und als Team gemeinsam stark sind, wären sie nicht zu ihm durchgekommen. Aber jetzt, an diesem Morgen, hat er wirklich zugehört. Und vielleicht gibt ihm das ein weiteres Stück sicherheit, dass da etwas ist, was ihn auffängt, selbst wenn der Boden unter seinen Füßen brüchig ist und nachgeben könnte. Er würde nicht ins Bodenlose fallen. Am Ende fasst er ja sogar das Vorhaben, irgendwann den Dingen, die er unter Verschluss hält, ins Auge zu sehen und sogar darüber zu sprechen! Natürlich ist dieser Tag noch fern, aber es ist dennoch eine so unglaubliche Änderung in seiner Haltung, wenn man das mit seinem bisherigen vollständigen Abblocken und Verleugnen vergleicht. "nicht dran denken, nichts sehen, erst recht nicht drüber sprechen. dann wird es irgendwann schon verschwinden" war ja die bisherige Devise. Er hätte es bis letzte Nacht im Leben nicht in Betracht gezogen, diese Geister irgendwann einmal auszugraben (die Kraft zu haben, das zu können), um darüber zu reden. Dass er das nun in Betracht zieht, impliziert für mich auch noch etwas weiteres: dass er sich durchaus vorstellen könnte, dass dieses Reden (mit den richtigen Personen) hilft. Hätte er diese diffuse Hoffnung nicht, würde es ja keinen Sinn machen, es zur Sprache zu bringen.
Wirklich, es hat sich so unglaublich viel verändert in dieser einzigen Nacht - es ist einfach nur enorm.

(Und einen einzigen Fehler hab ich entdeckt ^^. Hier sind zwei "schrieb" drin: "Das war der Part, an dem sich das Drehbuch in seinem Kopf schrieb ganz von allein Zeile für Zeile schrieb. ")
Antwort von:  _Scatach_
04.04.2022 14:09
Huhu nochmal :)

Oja, das sind wirklich zwei extrem unterschiedliche Szenen in diesem Kapitel :D Jetzt wo du es sagst, hätte ich da echt zwei draus machen können xD
Schön, dass du den Wechsel zu dem chaotischen Trio als eine Wohltat empfunden hast, so ein bisschen was lockeres muss zwischendurch schon immer mal wieder sein finde ich ;) Freut mich mega, dass ich dich zum lachen bringen konnte! :)
Hihi, ja Sakura hat sich wirklich gut mit Hibari amüsiert ;)
Ich finde, hier merkt man wirklich was Shikamaru für einen unfassbaren Einfluss auf Neji hat, wie viel er ihm gezeigt und bewusst gemacht hat. Neji hat einen hier einen so großen Schritt gemacht und sich wirklich so bemerkenswert verhalten. Früher hätte er einfach komplett anders reagiert!
Kiba ist einfach generell sehr beschützend, wenn es um seine Freunde geht und da er Neji schon immer als extrem arrogant erachtet hat, nutzt er natürlich jede Gelegenheit, um mit Neji einen Streit vom Zaun zu brechen ^^ Nur diesmal funktioniert das eben nicht mehr.
Oja, was Kibas Geruchssinn angeht, hatte Neji wirklich Glück! Er war da ja sowieso schon mega vorausschauend, dass er so gründlich geduscht hat und alles, ich hätte das gar nicht bedacht xD Wenn Shikamaru hier mit dabei gewesen wäre, dann hätte das aber wirklich ganz anders ausgehen können xD Und Kiba wäre dieser Spur auf jeden Fall nachgegangen, wenn er da mehr gerochen hätte, da hast du absolut recht!
Haha, ja okay, dieser Plural ist wohl diesmal eher mir zuzuschieben xD ich hab gar nicht dran gedacht, dass das eigentlich gar nicht so wirklich zu Kiba und der Situation passt ^^' muss mal gucken, ob ich das noch ändere ^^

Die zweite Szene ist auf jeden Fall wieder deutlich deutlich ernster als der erste Teil, das stimmt. Man merkt hier schon, dass Shikamaru von der Nacht ziemlich aus der Bahn geworfen wurde und dass es ihn das alles auch dazu gebracht hat, viel mehr darüber nachzudenken, was eigentlich so in seinem Kopf abgeht und wie er sich benimmt.
Team 10 hat wirklich eine extrem besondere Freundschaft, an die keins der anderen Teams auch nur ansatzweise ran kommt. Sie verbindet eine sehr sehr ausgeprägte Loyalität.
Für Shikamaru war das hier wirklich ein extrem wichtiger Moment zu erkennen, dass seine Teamkameraden immer hinter ihm stehen und dass er nicht allein ist. Du triffst es eigentlich wirklich schon sehr gut, wenn du sagst, dass das hier das erste Mal ist, dass Shikamaru SIE wirklich sieht.
Dieses Vorhaben, irgendwann über das erlebte zu sprechen, ist schon wirklich ein großer Schritt für Shikamaru. AUch wenn du völlig recht hast, dass das so schnell einfach nicht gehen wird und dass es aber auch auf die Hoffnung hinweist, dass es ihm wirklich helfen könnte, damit umzugehen.

Vielen Dank auch wieder für den Hinweis zu dem Fehler, ich bin da echt richtig froh drum!! :)

Generell auch hier wieder vielen vielen Dank für dein wunderbares Review!!! <3 *-* Habe mich natürlich wieder wahnsinnig gefreut!
Von:  Lady_Ocean
2022-04-03T12:13:17+00:00 03.04.2022 14:13
Ich glaube, das ist das erste Mal, dass sie auch jenseits körperlicher Nähe so offen miteinander umgehen. Zuvor war es Neji gewesen, der sich geweigert hatte, all seine Mauern für Shikamaru niederzureißen, nun ist es Shikamaru, der niemanden hinter seine Fassade blicken lassen will. Aber diesmal hat er sehr viel preis gegeben. Wie er Neji mit ganz offener Miene und aus unverschleierten Augen beobachtet hat. Auf wie viele von Nejis Fragen und Anmerkungen er eingegangen ist. Dass er selbst bei Nejis Ratschlag, Shikamaru solle mit Asuma reden, nicht mit einem Gegenangriff gekontert hat. Bei einem Teil seiner Gesten wird Shikamaru vielleicht wirklich nicht klar gewesen sein, _wie_ aufrichtig die bei Neji angekommen sind. Aber im Großen und Ganzen gehe ich davon aus, dass Shikamarus Grundhaltung eine bewusst getroffene Entscheidung war. Und die ist sicher maßgeblich davon beeinflusst gewesen, dass Neji noch da war, als Shikamaru am Morgen aufgewacht ist und ihn nicht in diesem Moment großer Empfindsamkeit und Verletzlichkeit allein gelassen hat. Z. B. war es für Shikamaru bezeichnend, dass er meinte, er könne das Spiel nicht ohne die Teile spielen (= Er will die Erinnerungen nicht verlieren) und im selben Moment zugab, dass es (für ihn) nie ein Spiel war. Diese Wahrheit hat er lange nicht mehr gelassen. Dabei war er ursprünglich derjenige von ihnen beiden gewesen, der so verzweifelt versucht hat, genau das Neji klarzumachen. Als sie auf der Mission in der Hütte miteinander geschlafen hatten.
Und auch Neji merkt man immer noch so, so deutlich an, wie verletzlich und offen seine ganze Seele nach dieser vergangenen Nacht ist. Wie empfindlich ihn allein Shikamarus Anblick und jede einzelne Geste, jedes Wort trifft (der Kommentar zu Shikamarus zusammengebundenen Haaren und dem sichtbaren Rest war so geil: "scheinbar war es das Einzige, von dem sich der Schattenninja die Mühe gemacht hatte, es zu befestigen." Das lässt "tief blicken" XD). Erneut kann er nicht anders, als diese wichtigen Worte, "Jedes Mal", auszusprechen. Langsam wird das zu einer festen Wendung zwischen den beiden, einem geflügelten Wort, dass seinen ursprünglichen Konversationskontext so langsam hinter sich gelassen hat. Shikamaru weiß, es ist etwas von Bedeutung, etwas, was Sie beide betrifft. Aber die Notwendigkeit, es einer vorangegangenen Aussage oder Frage zuordnen zu müssen, schwindet langsam. Es wird irgendwie so langsam zu einem Teil dieses vagen "Etwas" zwischen ihnen. Aber als Neji dann so ganz konkret statiert hat, "Ich werde unsere Bruchstücke aufbewahren, Shikamaru, all unsere Teile. Du kannst sie loslassen“ - Gott, das war so episch. Deutlicher hätte er es kaum ausdrücken können, wie viel Shikamaru ihm bedeutet, dass er so weit geht, sogar all das Kaputte sorgfältig aufzubewahren, weil es ihm einfach viel zu kostbar ist. Und gleichzeitig wollte er Shikamaru mit diesem Statement damit verdeutlichen, dass er nichts von ihm verlangt. Dass Shikamaru sie vergessen kann, heißt ja, dass er Shikamarus Wohl und Gefühle über seine eigenen stellt und sollte Shikamaru tatsächlich alles zwischen ihnen vergessen wollen, würde er es ihm nicht nachtragen. Ziehen lassen kann Neji Shikamaru ganz offenbar zwar trotzdem nicht. Schließlich hat er letzte Nacht ganz vortrefflich all seine selbst gezogenen Linien übertreten. Aber er hat Shikamaru nichts aufgezwungen und würde das auch nie. Das umfasst für die Zusage, dass Shikamaru die Bruchstücke vergessen kann.
Und auch dieser Kuss, wie er weiterhin knisternd zwischen ihnen liegt. Immer wieder hält man beim Lesen die Luft an, weil da diese Spannung in der Atmosphäre liegt, und man fragt sich: Küssen sie sich diesmal? Brechen sie dieses letzte Tabu? Sie wollen es beide. Sie sehnen sich danach. Aber die Vergangenheit liegt dennoch nach wie vor furchterregend und schmerzhaft zwischen ihnen. Ich denke, es ist vernünftig, wenn sie es langsamer angehen. Dass sie sich nun so nah gekommen sind und sogar beidseitig ein Wiedersehen versprochen haben, ist bereits ein enormer Wandel.

Aber was mir abseits von Shikamaru und Neji noch durch den Sinn ging: Was wird eigentlich aus der demolierten Wand im Ryokan? XD Und einige Einrichtungsgegenstände waren doch auch zu Bruch gegangen, oder? Ob da Ino die ganzen Beschwerden abbekommen wird, weil sie das Ryokan gebucht hat? Die Betreiber werden jedenfalls nicht begeistert sein. ^^°
Antwort von:  Lady_Ocean
03.04.2022 14:14
Zwei kleine Fehlerchen sind mir übrigens noch aufgefallen:
"Order vielleicht hatte er einfach nur niemals irgendjemandem genug vertraut, um es zu versuchen." (Da ist ein "r" zu viel beim "Oder")

"Denn genau wie er es immer gewusst hatte, waren Augenblicke, alles, was sie jemals hatten." (vor "alles" kommt eigentlich kein Komma.)
Antwort von:  _Scatach_
04.04.2022 13:29
Ja, diese Szene hier ist definitiv einer der ersten Augenblicke, wo sie extrem offen miteinander umgehen und auch miteinander sprechen. Und vor allem geht es diesmal mehr um Shikamaru als um Neji, was ja bisher immer der Fall gewesen ist. Shikamaru gibt hier wirklich sehr viel von sich preis, eben weil er Neji einfach aus tiefstem Herzen vertraut - was Neji so gar nicht nachvollziehen kann. Aber Shikamaru hat einfach überhaupt keine Lust zu kämpfen, wenn Neji bei ihm ist und darum bringt er auch gar nicht die Energie auf, Neji wegen seiner Ratschläge dumm anzublaffen. Er will es einfach nicht. Und im Grunde weiß er eben auch, dass Neji recht hat.
Was das angeht, dass Shikamaru vllt gar nicht bemerkt wie aufrichtig seine Gesten bei Neji ankommen. Das geht in beide Richtungen. Keiner von beiden ist sich selbst wirklich darüber bewusst, wie liebevoll und vertrauensvoll sie sich hier gegenüber dem anderen zeigen und wie deutlich sich das auf ihren Gesichtern und in ihren Handlungen widerspiegelt. Aber als Außenstehender würde das sogar ein Blinder bemerken in diesem Moment ^^
Für Shikamaru ist es wirklich beides - sowohl Segen als auch Fluch - dass Neji noch da ist. Natürlich ist er froh, dass Neji ihn nicht allein gelassen hat und er jetzt sicher weiß, dass er nicht geträumt hat. Allerdings verstärkt es auf der anderen Seite diese Sehnsucht umso mehr und er weiß ja trotzdem, dass ein Abschied wieder unumgänglich bevor steht, was sehr sehr schmerzhaft ist.
Die ganze Thematik und Symbolik eines Spiels ist von Shikamaru von extremer Bedeutung. Er benutzt sie ja wirklich sehr sehr oft und er braucht sie auch, um mit gewissen Dingen umgehen zu können, auch wenn er sich manchmal dafür hasst, alles auf ein Spiel zu reduzieren. Was es umso bedeutungsvoller macht, wenn er von sich selbst aus sagt, dass es für ihn eben KEIN Spiel ist!
Aber genau wie du sagst, impliziert sein Satz "Kann ohne die Teile nicht spielen" schon, dass er entgegen dem, was er sich selbst einredet, nicht vergessen will, was zwischen ihm und Neji ist.

Haha ja, Shikamarus Haare ^^ Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie trivial diese Dinge hier noch erscheinen, wenn man die ganze Geschichte der Serie noch nicht kennt ^^ So im Nachhinein wird die Serie erst beim zweiten Mal lesen so richtig spannend, weil einem dann viel mehr Sachen auffallen ^^
Ah, schön, dass dir diese Worte so aufgefallen sind! "Jedes Mal" ist wirklich das, was quasi ein absolutes Geständnis von Neji ist und er spricht es auch nur deswegen aus, weil er weiß, dass Shikamaru die Bedeutung dahinter nicht kennt. Es ist wieder diese Sicherheit, die Neji durch Shikamarus Unwissenheit hat - die Sicherheit, Gefühle ausdrücken und zugeben zu können, ohne dass es ihm zum Verhängnis werden kann. Trotzdem bemerkt Shikamaru aber, dass diese Worte irgendeine Signifikanz in sich tragen müssen. Genau wie du sagst, wird diese Phrase zu einem Teil dieses Bandes zwischen ihnen, dem sie einfach keinen Namen geben wollen.
Naaaaw, es freut mich so sehr, dass dir dieser Satz von Neji so gut gefallen hat! Du hast ihn auch schon ganz richtig gedeutet! Er drückt zum einen wirklich aus, dass Shikamaru ihm unglaublich viel bedeutet und dass Neji alles, was zwischen ihnen war für immer aufbewahren will. Und gleichzeitig dieser - ja, fast schon "Segen", den Neji Shikamaru gibt, diese Teile loszulassen und einfach zu vergessen. Er wäre ihm nicht böse, könnte ihn sogar verstehen. Du hast das absolut richtig interpretiert :)
Oh Gott nein, Neji könnte Shikamaru niemals ziehen lassen, genau wie du sagst, hat er ja selber alle selbst gezogenen Grenzen überschritten, nur um zumindest ein bisschen Zeit mit dem Nara verbringen zu können. Für jemanden, der Kontrolle extrem hoch schätzt, sagt das schon sehr viel.

Haha, immer wieder diese Spannung, ob sie sich nun küssen oder nicht und dann diese Enttäuschung, stimmt's? xD Zumindest ging es mir immer so...ich dachte mir so oft beim lesen "Just DO it!"
Aber dieses Versprechen eines erneuten Wiedersehens ist wirklich ein extrem großer Schritt für beide, das stimmt!

Haha, gute Frage und da kann ich diesmal denke ich auch spoilern: Das spielt in der Geschichte keine Rolle mehr, wie der Schaden bezahlt wird und ganz ehrlich gesagt, weiß ich es auch nicht, das müsste ich tatsächlich mal die Rayne fragen :D Aber so wie ich es einschätzen würde, hat Neji Shikamaru das Geld dafür gegeben und Shikamaru hat es ohne viele Erklärungen bezahlt, um zu verhindern, dass irgendjemand erfährt, dass Neji mitten in der Nacht eine zweifelhafte Rettungsaktion gestartet hat xD

Vielen vielen Dank wieder für dein wunderbares Review liebe Nancy, hab mich wahnsinnig gefreut!! <3 *-*
Antwort von:  _Scatach_
04.04.2022 13:30
Ah und noch vielen vielen Dank wieder für die Hinweise zu den Fehlern!! <3 :) besser ich sofort aus! ;)
Antwort von:  Lady_Ocean
04.04.2022 14:02
Diese Metapher des Spiels braucht Shikamaru, um das überhaupt durchziehen zu können. Das sagt er selbst ja auch im Gespräch mit Ino und Cho. Wenn er seine Gefühle hier nicht von seinen Pflichten trennen würde, könnte er seine Freunde niemals auf so gefährliche Missionen schicken. Und da er das von Arbeit her so gewohnt ist, projiziert er es mittlerweile auch auf den privaten Lebensbereich. Es ist ein Schutzmechanismus, um im Fall des Scheiterns das Ausmaß des seelischen Schadens gering zu halten. Und in der Welt der Ninja weiß man nie, wann es zum großen Gau kommt. :(

Zu Nejis doch ziemlich explizitem Geständnis seiner Gefühle: "seinen Segen geben" trifft es gut, finde ich! :D#

Ja, genau! Ich bin auch immer ganz hibbelig geworden und hab mir gedacht: 'Jetzt? Jetzt? JETZT? - Oooooch T_T' XD Bei jedem erneut abgebrochenem Kuss.

Ich schätze, wenn Neji und Shikamaru das nicht im Stillen geregelt hätten (kann mir gut vorstellen, dass es so gelaufen ist, wie du das hier schilderst), dann wäre die Rechnung am Ende bei Ino gelandet und die hätte nachgebohrt, wer dafür verantwortlich ist. Aber wahrscheinlich hätte sie den Übeltäter nicht gefunden (außer sie hätte ihr Ninjutsu eingesetzt) und in erster Linie auch Kiba und Naruto verdächtigt und nicht unbedingt Shikamaru und Neji.
Von:  Lady_Ocean
2022-03-31T12:54:19+00:00 31.03.2022 14:54
Wie alle anderen bin ich auch sooooo erleichtert, dass Neji noch da war, als Shikamaru am nächsten Morgen aufgewacht ist. Aber es war doch eine ziemlich knappe Sache gewesen. Neji hat - mal wieder - bis zuletzt mit sich gerungen, ob er bleibt oder geht. Sein Verstand hat ihn gedrängt zu gehen, aber sein Herz hat sich nicht vom Fleck berührt. Ich bin froh, dass sein Herz - wieder - die Oberhand gewonnen hat.
Ich habe sehr mit Neji mitgelitten, als er den schlafenden Shikamaru betrachtet hat und so viel über die vergangenen Wochen sinniert hat. Was für ein schlechtes Gewissen er bekommen hat, weil er nicht eher bemerkt hat, was da tief im Innern von Shikamaru schlummern muss, wenn er dermaßen professionell auf Nejis Panik reagieren kann. Aber ich kann es ihm wahrlich nicht verübeln, dass er die Anzeichen nicht eher gesehen hat. Er war zu tief in dem Sumpf seiner eigenen Probleme versunken. Und an dessen Ende war er zu sehr von Schmerz überwältigt. Es hat Zeit gebraucht, das alles setzen zu lassen, um es mit Abstand und einem kühlen Kopf betrachten zu können, so wie er es nun tut.
Und auch wenn Neji sich jetzt viele Gedanken darum macht, dass er nicht zu weit gegangen ist mit all den in Lügen gepackten Offenbarungen, finde ich von meiner Perspektive als Beobachterin, dass es gut war, all diese Dinge ausgesprochen zu haben. Ja, er hat Shikamaru versprochen, einen Strich unter das, was sie hatten, zu ziehen, und ihm nicht mehr nahe zu kommen. Und als sie das ausgehandelt hatten, wollte Shikamaru es auch so. Aber inzwischen stehen die Dinge etwas anders. Und das, was sie beide betrifft, ist nicht etwas, was Neji allein entscheiden kann. Wenn er Shikamaru nicht wieder verletzen will, muss er auch seine Sicht der Dinge berücksichtigen. Aber ich kann verstehen, dass Neji das im Moment nicht so sieht. Würde er diese Perspektive in Erwägung ziehen, käme es ihm nur so vor, als würde er eine Ausrede suchen, um seine selbst gefassten Vorsätze über Bord werfen zu können, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen.
Etwas anknüpfend daran fand ich es auch schade, dass er Shikamaru nicht mehr darüber offenbart hat, wie die Verletzung an seiner Niere zustande gekommen ist. Shikamaru hätte es zu schätzen gewusst, wenn Neji ihn an seinen privaten Problemen teilhaben lässt und sich nicht länger so sehr verschließt. Aber ich kann auch Neji verstehen, der in Shikamaru einen Ruhepol, eine Zuflucht sieht, bei der er all diese Negativität, diese Probleme für eine gewisse Zeit vergessen kann. Er will das einfach nicht in seine Zuflucht hineinziehen. Diese klare Trennung hilft ihm beim Abschalten. Und vielleicht möchte ein Teil von ihm auch nicht, dass Shikamaru sich selbst und auch Neji mit fremden Problemen ablenkt, um weiterhin alles zu verdrängen.

Als Nejis Gedanken während seines stillen Sinnierens auf sein Hitai-Ate fielen, kam mir übrigens noch ein Gedanke dazu in den Sinn, warum er es abgenommen hatte und nun nicht mehr aufsetzen wollte. Meine erste Eingebung war, dass er mit dem Abnehmen zeigen wollte, dass der Hyuga-Clan und das Fluch-Siegel nicht mehr diese infinite Macht über ihn besaßen, mit der sie ihn früher umklammert gehalten hatten. Dass er Shikamaru deutlich machen wollte, dass er stärker geworden war, weiter gekommen war. Aber ich denke nun, dass da auch noch ein anderes Bedürfnis dahinter steckt, das nicht auf Shikamaru gerichtet ist, sondern auf ihn selbst. Neji will auch einfach für sich nicht mehr von dieser Form der Rüstung abhängig sein. Im Moment braucht er das Hitai-Ate noch, um diesen empfindlichen Punkt zu schützen, aber er will für sich selbst stärker werden und sich aus diesem Gefühl des Unterdrücktwerdens befreuen.

Und dann dieses wunderbare Wortgefecht zwischen den beiden - Himmel, wie habe ich das vermisst. Das war purer Balsam auf der Seele!

Die Metapher zur Verdrängung von Shikamarus Vergangenheit ("um nach den Skeletten zu suchen, die in welchem Sarg auch immer eingeschlossen waren, den er sechs Fuß tief unter seinen Lügen begraben hielt") fand ich übrigens unglaublich schön. Sowieso schreibst du ja immer echt toll. Aber das hier war in diesem Kapitel stilistisch meine Lieblingsstelle. :)
Und an einem Punkt ist mir eine kleine Wiederholung aufgefallen: "Rapide blinzelnd sah Neji hinauf in die dunklen Seen von Shikamarus Augen, die weit und wild vor Adrenalin waren. Er sah grimmig und erhitzt aus – fast schon wild." Das zweite "wild" wirkte auf mich hier ein wenig holprig, weil Shikamarus geweitete Augen auch zuvor schon als "wild" beschrieben wurden. Aber wenn du das gern so stehen lassen möchtest, lass es ruhig so!
Antwort von:  _Scatach_
01.04.2022 17:29
Hey nochmal :)

Haha, ja, als ich es das erste Mal gelesen hab, war ich auch RICHTIG erleichtert, dass sich Neji nicht einfach so verzupft hat :D Obwohl man ja wirklich merkt, dass Neji sehr mit sich zu kämpfen hat und sein Kopf ihm wirklich anbrüllt, endlich zu gehen. Aber wenn es um Shikamaru geht, dann gewinnt eben sein Herz. Das ist einfach keine Kopfsache.
Naaaw, irgendwie freut es mich voll, dass du so mit Neji mitgelitten hast, denn ich hatte gehofft, dass Nejis Gefühlswelt hier deutlich wird. Es ist ein wichtiger Augenblick für Neji, in dem er viel Zeit hat, über einiges nachzudenken. Vor allem eben auch, wie er zu Shikamaru steht und was er für ihn eigentlich bedeutet. Wichtig ist da immer wieder dieses Bewusstwerden, dass er seinen Frieden einfach nur mit Shikamaru finden kann. Etwas, dessen er sich zwar bewusst ist, was er aber vor allem in seinem Kopf noch nicht vollständig akzeptieren kann.
Es sind diese Momente, auch, wenn sich sein schlechtes Gewissen zeigt, die deutlich machen, wie extrem wichtig Shikamaru für ihn ist. Und er macht sich natürlich auch Gedanken darüber, was Shikamaru eigentlich zugestoßen ist. Im Nachhinein bereut er es schon, dass er es nicht früher bemerkt hat, dass Shikamaru irgendein Trauma mit sich herum schleppt, aber wie du sagst, kann man es ihm im Grunde wirklich nicht verübeln...er war ja so in seinen eigenen Problemen versunken, dass er es gar nicht wahrnehmen KONNTE.
Finde ich total schön, dass du als Beobachterin der Meinung bist, dass es wichtig war, dass Neji gewisse Dinge - wenn auch verdreht - ausgesprochen hat. Es ist für beide wichtig, auch wenn sie es niemals laut zugeben würden und es sich vermutlich nicht einmal selbst eingestehen können. Sie sind in dieser Hinsicht einfach sehr, sehr langsam. Schneckentempo ist da noch viel übertrieben :D und sie sind ja beide sehr stur und wenn sie sich weigern, etwas anzuerkennen, dann ziehen sie das auch wirklich eine ganze Weile durch xD
Dieses 'Strich drunter machen' und einfach das Leben weiterleben wie zuvor war von beiden der Plan ja, weil es im Grunde auch alles einfacher machen würde. Da muss man aber auch einfach sagen, dass beide erwartet haben, dass ein gewisser Abstand und Zeit dafür sorgen würden, dass sich diese Sehnsucht irgendwann legt. Wie das bei einer Schwärmerei halt so ist. Am Anfang tut es verdammt weh und man ist sich ganz sicher, dass man das nie überlebt und dann nach ein paar Wochen trägt man sich, was man überhaupt so unfassbar toll an der anderen Person fand. Darauf haben beide gehofft, obwohl sie tief im Inneren wussten, dass das bei ihnen nie passieren würden. In der Nacht, als sie zum ersten Mal "wirklich" miteinander geschlafen haben, ist ihnen das beiden im Unterbewusstsein mehr als klar geworden, dass das zwischen ihnen nicht einfach nur ein "Crush" ist. Wie du sagst sind die Dinge hier jetzt schon ein bisschen anders. Es wurde deutlich, dass es weder Zeit noch Abstand geschafft haben, dieses Band auch nur ansatzweise zu schwächen, das zwischen ihnen existiert und es wird immer schwerer, das zu ignorieren.
In diesem Kapitel begeben sie sich eben auch immer wieder zaghaft auf dieses Gebiet von Themen, die für beide unangenehm sind. Bei Shikamaru sind es seine Albträume. Wie du sagst, muss Neji hier auch sehr auf Shikamarus Perspektive Rücksicht nehmen, auch wenn er Antworten haben will. Gleichzeitig will er Shikamaru ja aber nicht noch weiter in dieses Trauma zerren, als er es ohnehin schon gemacht hat. Bei Neji sind es die Verletzungen durch Hitaro, die Shikamaru bemerkt und von denen Shikamaru natürlich auch wissen will, wie es dazu gekommen ist.
Neji hat hier mehrere Gründe, aus denen er Shikamaru nichts davon erzählen will. Der wichtigste ist natürlich, dass die Augenblicke mit Shikamaru für Neji kostbarer sind als alles andere. Sie sind sein "gestohlener" Frieden, die Augenblicke, die er sich im Herzen bewahrt und das letzte, was er auf seinem Weg zu ANBU noch zu verlieren hat und bisher nicht bereit ist aufzugeben. Er will um jeden Preis verhindern, dass diese kostbaren Augenblicke von solchen Dingen beschattet oder gar vergiftet werden. Und auch wenn sie die Bindung zwischen ihnen niemals als "Beziehung" bezeichnen würden, Neji weiß, dass Shikamaru einen sehr ausgeprägten Beschützerinstinkt ihm gegenüber hat (umgekehrt aber genauso ^^). Neji weiß, wie Shikamaru reagieren würde, sollte Neji ihm alles über Hitaro erzählen. Natürlich kann sich Shikamaru schon denken, dass die Verletzungen irgendwie mit dem Clan zusammenhängen, aber es ist eben doch nochmal was ganz anderes, wenn man es wirklich ausspricht. Neji will auf gar keinen Fall, dass Shikamaru davon erfährt, weil er auch niemals wollen würde, dass sich Shikamaru in irgendeiner Weise in diese Angelegenheit einmischt. Und - ist einfach so, so tragisch es ist - Neji ist halt auch einfach irgendwo ein extrem stolzer und ja, auch ein bisschen arroganter Mensch. Eine Schwäche zuzugeben fällt ihm auch bei Shikamaru immer noch extrem schwer und sein Stolz ist mit sowas einfach gar nicht einverstanden ^^ Auch wenn das hier wirklich nur ein verschwindend geringer Grund im Gegensatz zu den anderen ist :D

Was Nejis Hitai-ate angeht hast du absolut recht! Ich kann dazu eigentlich gar nicht mehr viel sagen, denn ich würde nur wiederholen, was du ohnehin schon geschrieben hast :D

Naaaaw, es freut mich so, dass du dich so über das Geplänkel zwischen den beiden gefreut hast :) Es ist so bezeichnend für die beiden geworden und so wichtig für ihre Dynamik. Und irgendwo ist es auch eine ihrer "Love languages" wenn man so will :D

Oh Gott und vielen Dank wieder für das Kompliment! *-* Ich freu mich so, wenn man mir sagt, welche Phrasen oder Sätze einem besonders gefallen! :) Und danke für das Kompliment zu meinem Schreibstil, ich freu mich SO sehr gerade!! <3

Aaah vielen vielen Dank auch für den Hinweis zu der Wiederholung!! Bitte sag mir sowas immer, wenn es dir auffällt, ich bin da einfach irgendwann so 'betriebsblind', deswegen bin ich richtig dankbar, wenn man mich auf sowas aufmerksam macht! :)

Vielen Dank für alle deine wunderbaren Reviews liebe Nancy, ich hab mich wie ein kleines Kind gefreut und freu mich immer noch! Das war heute absolut mein "Mady my Day" Moment!! *-* <3
Ganz ganz liebe Grüße,
Scatach
Antwort von:  Lady_Ocean
03.04.2022 14:43
Ach, so langsam finde ich sie eigentlich gar nicht in ihren Erkenntnissen zu ihren persönlichen Gefühlen. Man muss ja auch die Umstände bedenken, nämlich dass sie beide Ninja sind, zudem in Kriegszeiten, und wie unglaublich gefährlich Gefühle da werden können. Außerdem haben sie es ja von ihrer Elterngeneration vorgelebt bekommen, dass Gefühle in ihrer Welt nichts zu suchen haben. Das erschwert es zusätzlich, sich damit auseinanderzusetzen. Und DANN kommt dann noch der große Schmerz hinzu, den sie sich gegenseitig zugefügt haben: Shikamaru Neji, indem er ihn in einen Hinterhalt gelockt hat und dann gegen dessen Willen versucht hat, ihm seine Therapie aufzuzwingen. Und im Anschluss dann Neji Shikamaru, indem er ihm mit der festen Absicht, ihn totzuprügeln, aufgelauert hat. Ich denke, hier gilt das englische Sprichwort "Once burt, twice shy" sehr schön.
Und als du grad angesprochen hast, dass Neji sich normalerweise wahrscheinlich gar nicht mit seinen Gefühlen und der Beziehung zu Shikamaru auseinandersetzt: Stimmt. Das glaube ich auch. Und das liegt sicher an dieser Umgebung, in der sie aufwachen. Und dass es ihnen halt von je her eingetrichtert wurde, so was zu verschließen und zu unterdrücken. In gewohnter Umgebung wird sicherlich dieser Autopilot reinklicken und es ist ganz schwer, den abzuschalten. Wenn auch natürlich nicht vollkommen, denn dafür stecken sie beide viel zu tief da drin. Aber hier, in dieser ruhigen Nacht, an Shikamarus Seite, wird Neji sehr viel mehr zum Nachdenken gekommen sein als normalerweise.

Deine Antworten zu meinen Kommentaren sind auch immer wieder eine unglaublich tolle perspektivische Bereicherung! :D Vieles deckt sich, aber an manchen Enden geht meine Beobachtung bzw. Interpretation dann doch noch nicht so weit wie deine und da ist es immer voll cool, noch so einen neuen Faden aufzunehmen. Vor allem, weil du das schaffst, ohne zu spoilern! :D
Antwort von:  _Scatach_
04.04.2022 13:06
Da hast du absolut recht, dass man die ganze Umgebung in dieser Sache nicht unterschätzen darf! Es prägt die beiden natürlich extrem, in was für einer Welt sie aufwachsen. Bei Neji ist das ja noch ein bisschen heftiger als bei Shikamaru, weil Neji als Zweigmitglied ja quasi nicht wirklich viele Rechte hat und nur dazu da ist, die Hauptfamilie zu beschützen. Also wird von ihm eigentlich sowieso erwartet, sein Leben irgendwann für seine Cousinen oder so zu geben.
Und bei Shikamaru ist gerade sein Vater auch nicht gerade die Ausgeburt emotionaler Zuwendung :D Und bei seiner Mutter ist es ja eher rauere Zuwendung ^^ Und natürlich kommt dann noch dieser Schmerz hinzu, den sie sich selbst zugefügt haben, genau wie du gesagt hast. Das macht es den beiden natürlich alles andere als einfach. Und das Sprichwort passt da auf jeden Fall sehr gut! auch wenn ich es als "Once bitten twice shy" kenne :D
Stimmt auch definitiv, dass Neji hier viel mehr zum Nachdenken kommt als während des Alltags. Hier kann er einfach alles fallen lassen, was ihn tagsüber so einspannt und bedrückt.

Freut mich sehr, dass dir auch meine Antworten so gut gefallen :) Dieser Austausch hat mir irgendwie echt gefehlt :D Und es ist ja gerade deswegen spannend, weil man auch einfach mal andere Blickwinkel bekommt! :) Ich finde übrigens, dass deine Interpretationen schon sehr weit gehen! :)
Haha, ja, ich gebe mir auf jeden Fall Mühe, nicht zu spoilern ;)
Antwort von:  Lady_Ocean
04.04.2022 14:05
Zu dem Sprichwort seh ich auch grad, dass ich mich da total vertippt hatte. XD "Once burned, twice shy" wollte ich schreiben. ^^° Aber die Version "Once bitten, twice shy" kenne ich auch - jetzt, wo du sie schreibst. Scheint beide zu geben.
Ich genieße das auch immer, dass von dir so viel Feedback zurück kommt (obwohl das ja auch voll viel Zeit in Anspruch nimmt!). Es macht halt einfach so viel Spaß, seine Gedanken und Gefühle mal mit anderen zu teilen und abzugleichen. :D
Von:  Lady_Ocean
2022-03-31T12:02:55+00:00 31.03.2022 14:02
Ich glaube, bei BtB hatte ich es schon mal erwähnt, aber der Sex zwischen den beiden ist echt wie eine Therapie. Alle beide verarbeiten so wahnsinnig viel in dieser höchst emotionalen, höchst empfindlichen Zeit. An Shikamarus Entwicklung sieht man das hier wieder sehr deutlich. Wie sehr er sich am Anfang noch gesträubt hat, jede Form von Emotion zuzulassen, die Erregung mit allen Mitteln zurückgekämpft hat. Und nun, nach ihrem ersten feurigem Zusammenstoß und der dazwischenliegenden Zeit der Ruhe, Liebkosungen und Gespräche, lässt Shikamaru sich wirklich mehr und mehr fallen. Genauer gesagt: Es gelingt Neji zunehmend, dass Shikamaru sich fallen lässt. Ich denke, das war sein großes, wichtiges Ziel für dieses Zusammenkommen und vielleicht auch ein Grund, warum er die Küsse auf Shikamarus Mund immer wieder nur angedeutet, nie aber zu Ende geführt hat. Gegen Ende hin hätte Shikamaru sich nicht einmal mehr gewehrt. Er hat sich wirklich vollkommen hingegeben, sogar mehr verlangt. Sogar das Verschließen seiner Gefühle hat er für diesen Moment aufgegeben ("Ich bin diese Kälte so leid"). Aber ich denke, Shikamaru in diesem Zustand zu küssen und damit etwas zwischen ihnen zu besiegeln, das Shikamaru auf die Art vorher nicht gewollt hätte, wäre ein Schritt zu weit gewesen. Es wäre wie ein Ausnutzen seines ausgelieferten Zustands gewesen. Dass Neji sehen will, wie Shikamaru fühlt, wie er brennt, hat er von Anfang an und auch zwischendrin immer wieder klar gemacht. Das war also offen und kommuniziert und daher im gegenseitigen Einverständnis.
Als ich das Kapitel das erste Mal gelesen habe, habe ich auch inständig gehofft und gebangt, dass Neji nicht gehen möge, bevor Shikamaru wieder aufwacht. Vor allem, weil Shikamaru am Ende so an Neji festgehalten hat, solche Angst davor hatte, dass sich all das als flüchtiger Schein herausstellt. Und dass er am Ende vielleicht nicht mal mehr mit Sicherheit sagen kann, ob das war wahr oder ob er das nicht doch alles nur geträumt hatte. Gott sei Dank weiß ich ja schon, wie das ausgegangen ist. :)

Bezeichnend fand ich aber auch Shikamarus Reaktion auf Nejis Frage, ob Shikamaru ihn in sich spüren will. Shikamaru hat in dem Moment wahrscheinlich gar nicht mehr bewusst mitbekommen, wie er geantwortet hat. Sein Denken war tatsächlich völlig ausgeschaltet. Sonst hätte diese Frage wahrscheinlich etwas getriggert. Aber auch so war dieses "Nein" für Neji Hinweis genug, dass Shikamarus Abneigung, ihn in sich zu spüren, sicher etwas mit dem darunterliegenden Problem zu tun hat. Genauso wie die "zwei Jahre", die Shikamaru zuvor versehentlich über die Lippen gekommen sind. Und natürlich auch Shikamarus Abneigung dagegen, die Haare offen zu tragen. Dass Shikamaru es letztlich so sehr genossen hat, wie Neji ihm durch die offenen Haare gestrichen hat, war auch ein weiteres bezeichnendes Detail, an dem man erkennen konnte, was sich hier für große Veränderungen in ihm abgespielt haben.
Ich denke nicht, dass das dauerhafte Veränderungen sein werden. Andere Leute wird Shikamaru definitiv trotzdem nicht an seine Haare ranlassen wollen. Und vielleicht wird er, wenn er und Neji das nächste Mal auf diese Art aufeinandertreffen, erneut eine Barriere aus Unsicherheit und Unwollen aufgebaut haben, die es erst wieder einzureißen gilt. Aber selbst wenn das der Fall sein sollte, wird er sich an die jetzigen Gefühle erinnern und wie gut es ihm getan hat, das zuzulassen. Und dass Neji ihn, obwohl er ihm in diesen Augenblicken vollkommen ausgeliefert war, nicht ausgenutzt und verletzt hat. Das ist ein wichtiger Schritt, um künftig mehr Vertrauen zuzulassen, denke ich.

Und von den Details mal abgesehen: Es ist irre, wie umfangreich ihr so eine Lemon darstellen könnt, durch und durch prickelnd beschreiben könnt, über einen dermaßen langen Umfang! So was habe ich selbst ansatzweise noch nie erlebt.
Antwort von:  _Scatach_
01.04.2022 16:49
So, weiter gehts :)

Es freut mich irgendwie extrem, dass du so eine therapeutische Wirkung im Sex von Shikamaru und Neji siehst! Für die beiden hat es definitiv auch diesen Effekt, ja. Für beide sind das Augenblicke, in denen sie alles, was sie für die Ninjawelt sein müssen, einfach mal fallen lassen können und dadurch können sie das, was sie beruflich tun müssen einfach auch viel besser kompensieren.
Shikamaru sträubt sich hier wirklich ziemlich zu Beginn, aber Neji weiß zum Glück ganz genau, was er machen muss, um Shikamaru dazu zu bekommen, sich zu entspannen.
Em Ende hätte sich Shikamaru gegen die Küsse wirklich nicht mehr gewehrt, aber sie wissen trotzdem beide, dass es sie dann auf einen Weg gestoßen hätte, von dem sie nicht mehr zurückkehren können und wie gesagt, das macht ihnen beiden sehr Angst.
Für Neji ist das einfach etwas ganz, ganz besonderes, Shikamaru in so einem Zustand zu sehen. Shikamaru ist jemand, der von sich selbst behauptet, extrem faul zu sein und alle anderen sehen ihn ja auch so. Er ist immer träge und sehr sehr schwer für etwas zu begeistern. Dass er durch Nejis Berührungen und Worte so eine Leidenschaft zeigt, ist für Neji von enormer Bedeutung und natürlich spielt da auch etwas grundlegend besitzergreifendes mit hinein. Neji bildet sich da auch schon ein bisschen was drauf ein, dass er es schafft, solche Reaktionen aus Shikamaru zu kitzeln und er weiß im Grunde auch, dass Shikamaru sich von niemand anderem so anfassen lassen würde. Umgekehrt gilt das aber natürlich genauso :)
Ah stimmt, du weißt ja schon, dass Neji Shikamaru nicht allein gelassen hat :D Ich denke, da hat sich wirklich jeder drüber gefreut, denn das wäre für Shikamaru einfach super heftig gewesen...wenn er sich dann erstmal fragen muss, ob das wirklich passiert ist oder alles nur ein heißer, feuchter Traum gewesen ist.

Ahja, ein sehr kleiner, aber extrem signifikanter und auch aussagekräftiger Moment. Shikamarus "Nein" kommt wirklich unmittelbar und ohne irgendein Zögern. Und du hast definitiv recht, dass wenn er sich nicht schon in so einem lusttrunkenen Zustand befunden hätte, diese Frage eine ziemlich üble Reaktion hätte triggern können.
Für Neji ist es, wie du sagst, ein deutlicher Hinweis, dass Shikamaru ein sehr tiefgehendes und grundlegendes Problem damit hat, eine SOLCHE Intimität zuzulassen.
Du hast absolut recht: Shikamaru wird es auch in Zukunft absolut hassen und nicht zulassen, dass irgendjemand außer Neji sein Haar berührt. Es ist ein absolutes Tabu! Er hat hier mit Neji schon wirklich einen extrem großen Schritt gemacht, was aber nur wieder dazu beiträgt, diese ganz besondere Intimität zwischen den beiden zu festigen. Es gibt immer mehr, was die beiden nur mit dem jeweils anderen zulassen und machen, was sie mit absolut niemandem sonst tun würden.
Für Neji ist es absolut selbstverständlich, diese von Shikamaru gesteckten Grenzen nicht zu überschreiten. Immerhin weiß er aus eigener Erfahrung nur allzu gut, wie es ist, wenn persönliche Grenzen nicht akzeptiert werden. Er würde das Shikamaru niemals antun wollen und er weiß auch instinktiv, dass das im Moment zu wirklich üblen Schäden führen könnte. Als er Shikamarus Grenzen mal nicht respektiert hat, als er ihn angegriffen hat, hatte das ja auch wirklich üble Auswirkungen und er bereut es ja auch sehr, dass er das getan hat.

Naaaw, oh mein Gott, vielen vielen Dank für dieses Kompliment!! *-* <3 Es freut mich so abartig, dass dir die Lemon Szenen so gut gefallen *-*
Generell auch hier wieder vielen vielen Dank für dieses unfassbar tolle Review! <3
Antwort von:  Lady_Ocean
03.04.2022 14:30
Was mir zur Symbolkraft des Kusses auch grad wieder einfällt: Mit einem Kuss hatte das alles ja auch überhaupt erst begonnen. Insofern ist es nur allzu verständlich, dass auch jetzt ein Kuss für die letzte Barriere steht, die das ganze zwischen Ihnen in neue emotionale Tiefen führen und das Band zwischen ihnen noch fester knüpfen würde.

*haha* Dass Neji sich insgeheim da auch einiges drauf einbildet, dass er Shikamaru derart in Extase versetzen kann, ging mir zwar noch nicht direkt durch den Kopf, unterschreib ich aber komplett ohne Einwände! XD

Shikamarus "Nein" auf Nejis Frage ist für Neji ja auch insofern von enormer Bedeutung, weil Shikamaru ja bereits von sich aus diese Linie überschritten hat und diese Verbindung ihrer Körpermitten hergestellt hat. Vom Level an Intimität her ist es sozusagen das gleiche. Deshalb ist klar, dass diese eine, explizite Handlung eine ganz enorme Bedeutung haben muss und ich denke, spätestens dadurch kann sich Neji einen ungefähren Reim darauf machen, was man Shikamaru wohl angetan haben muss, damals "vor zwei Jahren". Wir als Leser kennen bisher ja auch nicht sooo viel mehr als Neji. Wir haben den Vorteil, dass wir einige Trigger-Momente bereits gesehen und die Traum-Fetzen miterlebt haben. Aber erst Shikamarus "Nein" an dieser Stelle hat die Befürchtung, dass er auf diese Art vergewaltigt worden ist, besiegelt.
Antwort von:  _Scatach_
04.04.2022 12:34
Stimmt absolut! Ein Kuss birgt für die beiden einfach nochmal eine ganz besondere Bedeutung!

Ja, Neji hat halt einfach wirklich auf eine sehr stolze und auch ein bisschen arrogante Seite an sich ;)

Stimmt, Shikamaru ist da sowieso schon einen wirklich großen Schritt gegangen. Neji ist auf jeden Fall klar, dass Shikamaru irgendetwas zugestoßen sein muss, das dafür gesorgt hat, dass er sich da wirklich so extrem sträubt.
Von:  Lady_Ocean
2022-03-31T02:05:42+00:00 31.03.2022 04:05
Ich hab jetzt noch mal ein bisschen zurückgeblättert, um wieder in die Story reinzukommen. Aber ich wollte ja schon ewig weiterlesen und bevor das neue Semester startet und ich wieder nix mehr schaffe - ja, da bin ich also. ^^° Und ich merke auch direkt wieder, warum mich diese Geschichte so sehr in ihren Bann gezogen hat. Das ist einfach so viel mehr als nur Romantik, so viel mehr als "nur" Gefühle. Gerade dieses Kapitel hat das wieder so deutlich gemacht. Es ist unglaublich, was Shikamaru und Neji für eine Achterbahnfahrt durchmachen, und genauso unglaublich ist es, wie natürlich sich das bei den beiden anfühlt. Erst diese sengende Hitze zwischen ihnen, diese besinnungslose Leidenschaft, und dann sind sie von dieser Ebene doch wieder runter gekommen auf die Ebene der Gedanken, der Vergangenheit, der Zärtlichkeiten. Es gab so viele Stellen, an denen mein Herz geschmolzen ist. Wie Shikamaru sich an die Zeit zurückerinnert, als Neji so gebrochen war und er versucht hat, ihn durch ihre Intimität zurückzuholen. Dass Neji ihn noch immer nicht hat sehen lassen, auf was für einer tiefen Ebene Shikamaru ihn berührt hat. Dabei wird das im letzten Teil dieses Kapitels eigentlich so offensichtlich, als Neji anfängt zu "lügen", was er über Shikamaru denkt. Auf diese Weise fällt es ihm offenbar bedeutend leichter, seine Gefühle zu offenbaren, die Wahrheit auszusprechen. Es war regelrecht schmerzhaft mitzuerleben, wie Neji Shikamaru hier sein Herz offenbart.
Und dann ist da noch die Geste mit dem Kuss. Gott, das zerreißt einen auch. Mich genauso wie die beiden. Ich hatte stark das Gefühl, Shikamaru hat enorme Angst davor, weil diese Geste eine Grenze überschreiten würde, deren Konsequenzen er zwar nicht abschätzen kann, von denen er aber ahnt, dass sie enorm sind. Und Neji respektiert Shikamarus Grenzen. Er sehnt sich nach solch einem Kuss sicher genauso wie Shikamaru, aber er versteht auch, wie wichtig es ist, Shikamaru hier den ersten Schritt machen zu lassen. Neji ist insgesamt so viel kontrollierter, so viel entspannter als früher. Er hat sich nicht mal auf Shikamarus Stichelei eingelassen, dass er mit seinem Hiate genauso einen Schwachpunkt hat wie Shikamaru mit seinem Pferdeschwanz. Und dann nimmt er sein Hiate zum Schluss sogar freiwillig ab! Gott, das war so eine eindrucksvolle Geste. Und sie hat Shikamaru tief berührt. Ein weiteres Zeichen dafür, wie viel Shikamaru bei ihm geheilt hat (nicht vollständig geheilt, aber aus dieser klaffenden Wunde ist zumindest eine frische Narbe geworden), auch wenn zuerst einmal alles gewaltig zu Bruch gegangen war.
Eine andere kleine Szene mit viel Bedeutung war für mich der Moment, als Neji Shikamaru über die Narbe am Wangenknochen gestrichen hat und Shikamaru den Kopf geschüttelt hat. Eine wortlose Kommunikation von extremer Wichtigkeit. Shikamaru hat gesehen, dass Neji Schuldgefühle quälen für das, was er angerichtet hat. Und zum ersten Mal (oder?) hat Shikamaru selbst durchblicken lassen, dass er nicht will, dass Neji diese Reue empfindet. Trotz allem, was zwischen ihnen zu Bruch gegangen ist, hätte Shikamaru seine Entscheidungen nachträglich nicht geändert, denke ich. Er bereut nicht, was er getan hat, und gleichzeitig weiß er, dass Nejis Verhalten die unausweichliche Folge darauf gewesen war.
Antwort von:  _Scatach_
01.04.2022 16:03
Oh mein Gott liebe Nancy, du glaubst gar nicht, wie ich heute morgen gejauchzt habe und durch die Wohnung gehüpft bin, als ich gesehen habe, dass du mir ein paar Reviews dagelassen hast! *-* Und dann sogar drei! Ich hätte mich schon über eins gefreut wie bekloppt, aber so hab ich fast einen Herzinfarkt bekommen xD

Ich musste mich jetzt auch erstmal wieder auf OtC einstimmen, es ist von der Stimmung her doch SEHR anders als UtS :D Hach aber es ist so schön, wieder zu diesem Teil der Geschichte zurückzukehren!
Auch wenn ich mich wiederhole: Ich freu mich SO abartig, dass du wieder da bist!! *-*
Es freut mich so zu lesen, dass dich die Geschichte so in ihren Bann gezogen hat und dass offenbar deutlich wird, dass es so viel mehr als einfach "nur" Gefühle sind, was da zwischen Shikamaru und Neji entstanden ist, auch wenn sie beide immer noch der Meinung sind, dass dafür in ihrer Welt einfach ein Platz ist.
Wie du sagst, durchlaufen Shikamaru und Neji hier wirklich einige sehr unterschiedliche 'Phasen'. Ich kann mich da deinen Worten eigentlich nur anschließen, denn du hast es wunderbar zusammengefasst!
Naaaw und ich freu mich so, dass dein Herz quasi geschmolzen ist an manchen Stellen. Es ist immer so schön, wenn man merkt, dass diese Signifikanz dessen, was zwischen den beiden ist, auch wirklich deutlich wird!
Beide verweigern sich dieses 'Zugeben' ihrer tiefen Gefühle immer noch sehr ja und vor allem bei Neji wird das hier immer wieder deutlich. Immerhin hätte er Shikamaru ja auch einfach sagen können, dass er ihn 'gefunden' hat. Hat er aber nicht, weil er sich auch vor den Konsequenzen fürchtet, sollte er diese Gefühle wirklich eingestehen. Wobei du natürlich absolut recht hast, dass diese 'Lügen' von Neji quasi ein Geständnis sind. Nur gibt es ihnen beiden trotzdem die Möglichkeit, das alles weiterhin zu leugnen.
Lügen ist zwar tatsächlich eher Shikamarus Terrain, aber wie du sagst hilft es Neji hier wirklich, seine Gefühle wirklich zum Ausdruck zu bringen, ohne sie wirklich direkt auszusprechen. Es gibt beiden eine ziemliche Sicherheit.
Ah ja, der Kuss. Sie beide haben enorme Angst davor, was es bedeutet, sollten sie einen solchen Kuss zulassen. Ich muss auch sagen, dass ich auch selber finde, dass ein Kuss etwas weitaus intimeres sein kann und auch oft ist, als einfach "nur" Sex. Wobei das bei Shikamaru und Neji NIE einfach "nur" Sex ist xD
Ja, Neji respektiert Shikamarus Grenzen und das ist hier auch wirklich wichtig, denn sonst könnte die ganze Stimmung sehr sehr schnell ins absolute Gegenteil umschlagen.
Stimmt, Neji ist wirklich sehr viel entspannter geworden! Durch Shikamaru hat er wirklich eine ganze Menge gelernt und ihm ist auch klar, dass Shikamaru mit seinen Sticheleien nicht wirklich gemein sein will, sondern dass es viel eher ein Defensivmechanismus ist, um davon abzulenken, dass Shikamaru wirklich ein ernstes Problem damit hat, wenn sein Haar angefasst wird oder es offen ist.
Für beides ist es ein extremer Vertrauensbeweis, das Stirnband abzunehmen (bei Neji) und sich dieser Kopfmassage so hinzugeben (Shikamaru). Das würden sie beide bei NIEMAND anderem jemals zulassen oder machen. Freut mich mega, dass du diese Gesten auch so eindrucksvoll fandest! :)

Oja, Neji bereut sehr, was er Shikamaru angetan hat und schön, dass dir dieser wirklich bedeutsame Augenblick so aufgefallen ist! Es stimmt, hier lässt Shikamaru Neji zum ersten Mal so wirklich wissen, dass er nicht will, dass es Neji leidtun...mal ganz davon abgesehen, dass Shikamaru das Konzept des 'leidtuns' einfach überhaupt nicht leiden kann! ;)

Vielen vielen Dank für dein unfassbar tolles Review liebe Nancy, ich hab mich so sehr gefreut, ich liebe deinen Blickwinkel einfach so sehr!! *-* <3
Auf zum nächsten! ;)
Antwort von:  Lady_Ocean
03.04.2022 14:19
*haha* Ach, das freut mich, dass dich die Kommentare so aus dem Häuschen gebracht haben. :D

Zu dem Lügen: Ja, sie lassen sich mal wieder eine Hintertür offen. Nejis "Lügen" bedeuten ja nicht, dass es nur eine Interpretationsmöglichkeit gibt, wenn man versucht, den nicht-wahrheitsgemäßen Anteil herauszustreichen. Relativierungen oder so könnte man ja trotzdem noch hineininterpretieren. Insofern konnte ich da grad nur nicken, als du meintest, auch Neji traut sich ein vollständiges Geständnis ebenfalls immer noch nicht ein.


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