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Star Trek - Timeline - 07-03

Finale auf Krendara
von

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Epilog

Der Planet Krendara

Sternenzeit: 241407.9

Alphaquadrant
 

Nachdem Harill-Koon ihre Ausführungen beendet hatte, blieb es eine geraume Weile still. Zu fantastisch war das gewesen, was sie den beiden Angehörigen der Föderation in den letzten Stunden offenbart hatte.

Die Krendaranerin nutzte die Gelegenheit, um ergänzend zu erklären: „Kleris-Toor flog seinerzeit nicht umgehend mit dem Gleiter von dieser Insel, sondern sie legte sich zunächst nahe der Schlucht in Deckung. Darum wusste sie später zu erzählen, dass sämtliche Bodengleiter-Patrouillen der Entarteten zur Basis zurückbeordert wurden. Diese Entarteten starben also mit ihren Artgenossen, als die Militärbasis in die Luft flog. Kein Entarteter entkam seinerzeit diesem Desaster. Die Gefahr war damit gebannt. Unmittelbar nach der etwas holprigen Rückkehr von Kleris-Toor startete ein Bergungs- und Aufklärungs-Trupp hierher nach Tra-Kelorn. Man fand die Leichen des Andorianers und der Menschenfrau. Ich hoffe, es war nicht ungehörig oder gar ein Sakrileg unsererseits, dass unsere Mediziner den Toten Blutproben abnahmen. Gleichfalls wurden beiden Toten einige Haarsträhnen entfernt und in Kristall eingeschlossen, um sie als Erinnerung aufzubewahren. Des Weiteren wurde die persönliche Habe beider Personen bis heute sicher aufbewahrt.“

Bei den letzten Worten der Krendaranerin streckten sich die Antennen des andorianischen Botschafters und er erkundigte sich: „Kein Sakrileg – ganz im Gegenteil. Darf ich Sie darum bitten, mir diese Habe und auch die Blutproben und Haarsträhnen auszuhändigen? Auf meiner Heimatwelt gibt es die Tradition, dass zumindest ein Teil eines verstorbenen Andorianers in das ewige Eis meiner Heimat zurückkehrt.“

Harill-Koon machte eine zustimmende Geste. „Natürlich, Senator. Wir hatten immer gehofft, dass wir irgendwann erneut in Kontakt kommen und diese sicherlich sehr persönlichen Dinge dann in die richtigen Hände gegeben werden können.“

Sichtlich ergriffen sah Thy´Var Dheran zu Carmen Sinemus und dann wieder zu der Krendaranerin. „Ich wünschte, sie könnten ermessen, was das für mich bedeutet.“

Die Historikerin verneigte sich. „Können wir dann zur Hauptstadt zurückkehren?“

Bevor der Andorianer antworten konnte, sagte Carmen Sinemus schnell: „In Kürze. Zuerst würde ich den Senator gerne für einen Moment unter vier Augen sprechen.“

Während Harill-Koon sich höflich zum Gleiter zurückzog, sah Thy´Var Dheran die Frau etwas verwundert an. Auch, weil sich ihre Miene deutlich verfinstert hatte.

Ohne Umschweife sagte Carmen Sinemus zu Dheran: „Ihnen ist klar, dass das, was wir von Harill-Koon erfuhren, eine ernste Angelegenheit ist. Dabei meine ich weniger die Verletzung der Obersten Direktive, sondern viel mehr die Tatsache, dass es zu Toten kam, die auf das Konto Ihrer beiden Ahnen gehen.“

Die Antennen des Andorianers bogen sich bei diesen Worten stark nach innen. „So, und jetzt sage ich Ihnen mal etwas, Captain: Erstens greift die Oberste Direktive in diesem Fall nicht, da sich zum Zeitpunkt der Ereignisse keine der beiden Personen mehr im Dienst der Sternenflotte befunden hat. Darüber hinaus greifen auch die übrigen Gesetze der Föderation nicht, da diese nur im Einflussbereich der Föderation gelten. Somit haben meine Ahnen Tar'Kyren und Christina Dheran einzig und allein der lokalen Gesetzgebung unterstanden. Sofern ich die Krendaraner richtig verstanden habe, hat man das Ehepaar Dheran nie wegen irgendetwas angeklagt. Sie wurden viel mehr ganz offiziell um Hilfe gebeten und von der zu diesem Zeitpunkt gewählten Regierung mit allen notwendigen Vollmachten ausgestattet. Mag sein, dass deren Handeln nach den Gesetzen der Föderation fragwürdig war, doch das ist in diesem Fall ohne jede Relevanz.“

Unglaube lag im Blick der schwarzhaarigen Frau und Unmut glomm nun in den dunklen Augen auf. „Sie wollen über diesen Punkt also einfach hinwegsehen?“

„Es steht Ihnen natürlich frei, einen Bericht an das Sternenflottenkommando zu senden“, gab der Andorianer kühl zurück. „Doch ich bin lange genug in der Politik, um Ihnen versichern zu können, dass die Ratspräsidenten das lediglich zur Kenntnis nimmt und damit der Fall für sie auch schon erledigt sein wird. Wegen der von mir ausgeführten Rechtslage.“

Carmen Denise Sinemus lag eine heftige Erwiderung auf der Zunge, doch eine ebenso knappe wie bestimmende Geste unterband dies. Stattdessen sagte der Andorianer: „Wir sollten die Historikerin jetzt nicht länger warten lassen. Abgesehen davon habe ich einige schwierige Verhandlungen zu führen, auf die ich mich vorbereiten möchte.“

Die Frau presste die Lippen zusammen und man merkte ihr deutlich an, dass dieses Thema für sie noch nicht erledigt war.
 

* * *
 

Eine Woche später saß Carmen Denise Sinemus in ihrem Bereitschaftsraum und brütete vor sich hin. Botschafter Thy´Var Dheran hatte sie wissen lassen, dass die Verhandlungen erfolgreich abgeschlossen waren und er in wenigen Minuten an Bord zurückkehren würde.

Die Frau hatte in den letzten Tagen wiederholt die Dateien zur Rechtslage der Föderation durchgesehen. Letztlich hatte sie darin lediglich die Bestätigung dessen gefunden, was Dheran ihr vor sieben Tagen auf Tra-Kelorn gesagt hatte.

Sie bedauerte inzwischen ihre heftige Reaktion auf der Planetenoberfläche. Insbesondere auch deswegen, weil Dheran sie seitdem scheinbar gemieden hatte. Zwar sagte sie sich, dass der Senator sich vermutlich nur auf die Verhandlungen mit den Krendaranern konzentrierte, doch sie befürchtete, dass das nicht die ganze Wahrheit sein könnte. Dabei horchte sie in sich hinein und sie stellte zu ihrer gelinden Verwunderung fest, wie sehr sie die Gesellschaft des Andorianers vermisste. Dabei kannte sie ihn kaum. Sie fragte sich, wie es sein konnte, dass sie ihn nach so kurzer Zeit bereits so sehr unter der Haut spürte.

Die Frau fuhr aus ihren abschweifenden Gedanken auf, als sich der Erste Offizier über die Bordsprechanlage meldete. „Captain Sinemus hier Commander Fisher. Der Botschafter ist wieder an Bord der ASTRAL-VOYAGER. Er ließ verlauten, dass er Sie in Kürze in Ihrem Bereitschaftsraum aufsuchen wird.“

„Danke, Commander. Bereiten Sie das Raumschiff zum baldigen Start vor. Ich vermute, wir sind hier erst einmal fertig. Sinemus, Ende.“

Noch während Carmen Sinemus die Verbindung unterbrach, fragte sie sich wie das Gespräch zwischen Dheran und ihr verlaufen würde. Ob der Andorianer auf den Zwist von vor einer Woche zu sprechen kam? Oder würde er ihr lediglich den Startbefehl überbringen?

Sie ging noch weitere Möglichkeiten in Gedanken durch und jede endete irgendwie unerfreulich, was ihre Laune nicht verbesserte.

Endlich ertönte der Meldekontakt des Schotts. Carmen Sinemus erhob sich und gab das Stimmenkommando zum Öffnen, indem sie sagte: „Herein!“

Wie erwartet war es Thy´Var Dheran der in ihren Bereitschaftsraum eintrat. Er trug nun wieder die schlichte Lederkombination. In seinen Händen hielt er einen Gegenstand, der sich unter einem gemusterten, glänzenden Tuch verbarg. Seine Antennen bogen sich leicht nach hinten, als er vor dem Arbeitstisch stehen blieb. Sie direkt ansehend sagte er schnörkellos: „Captain, es tut mir leid, wie harsch ich vor einer Woche auf Ihre Worte reagiert habe. Umso mehr, als dass ich Ihren Standpunkt, als Offizier der Flotte, gut verstehen kann. Leider haben mich die etwas zähen Verhandlungen mit der krendaranischen Regierung so sehr gefangen genommen in der letzten Woche, dass ich erst jetzt die Zeit finde, um Ihnen das zu sagen. Vermutlich wären die Verhandlungen einfacher gewesen, wäre ich eine Andorianerin. Aber das ist ein ganz anderes Thema.“

Die Hochgewachsene atmete innerlich auf, denn eine Entschuldigung war bei keiner ihrer gedanklichen Varianten dieses Gesprächs dabei gewesen. Sichtlich erleichtert erwiderte sie: „Ich habe mich auch nicht gerade vorbildlich verhalten. Was haben Sie da mitgebracht?“

Der andorianische Senator lächelte beinahe vergnügt. Vorsichtig legte er auf den Arbeitstisch, was er in seinen Händen hielt und erklärte: „Das Tuch ist ein Geschenk der Krendaraner. Sie gaben es mir ausdrücklich für Sie mit. Ich war so frei, etwas hinzuzufügen. Etwas, das bei den Hinterlassenschaften war, die mir von den Krendaranern übergeben wurden, bevor sie mich verabschiedet haben. Ich möchte, dass Sie es annehmen.“

Neugierig wickelte Carmen Sinemus den verborgenen Gegenstand aus dem Tuch und vor ihr lag schließlich ein filigranes Weißgoldarmband, in dessen Mitte nebeneinander fünf blaue, geschliffene Steine eingelassen waren. Noch nie hatte die Frau Steine mit einem solchen Feuer gesehen. Sie leuchteten von innen heraus.

Verwirrt wieder zu dem Andorianer sehend sagte Carmen Sinemus kratzig: „Das Armband ist wunderschön. Sind das jene Steine, die man Kumaris Tränen nennt? Ich habe schon davon gehört, doch bis heute noch niemals solche Steine gesehen.“

„Ja, das sind die Tränen der Eisfee“, bestätigte Dheran.

„Aber… Wollen Sie dieses Stück denn nicht in der Familie behalten?“

Der Andorianer sah Carmen Sinemus in die Augen und mit sanftem Tonfall meinte er: „Es befanden sich noch einige weitere Schmuckstücke unter den Dingen, die mir übergeben wurden. Dieses Armband hat bisher nur eine Frau von der Erde getragen und mir gefällt der Gedanke, dass das auch zukünftig so sein wird.“

Die Frau schluckte. Mit feucht schimmernden Augen erwiderte sie: „Ich danke Ihnen sehr herzlich, Thy´Var.“

„Legen Sie es mal an“, forderte der Thy´Var Dheran sie auf.

Lächelnd schob die Frau den linken Uniformärmel nach oben und legte das Armband an. Dabei noch immer fasziniert von dem Eigenleuchten der Steine. „Es passt.“

„Vor allen Dingen steht es Ihnen ganz ausgezeichnet.“

Es dauerte eine ganze Weile, bis Carmen Sinemus das Armband wieder abnahm und erklärte: „Im Dienst werde ich es besser nicht tragen.“

„Aber auf Andoria werden Sie nicht darum herumkommen, wenn Sie mich dort zur Mauer der Helden begleiten.“

Die Augenbrauen der Frau zuckten nach oben. „Wir fliegen nach Andoria?“

„Ich habe dort etwas sehr Wichtiges zu erledigen“, entgegnete Dheran. „Ich werde die Ratspräsidentin von dort aus unterrichten. Sie wird kaum etwas dagegen einzuwenden haben, sobald sie von den Gründen dafür erfährt.“

„Und Sie glauben, dass Sie, aufgrund Ihres sehr durchsichtigen Bestechungsversuchs, so einfach über mich, meine Crew und mein Raumschiff verfügen können?“

Die Kommandantin der ASTRAL-VOYAGER sah ihr Gegenüber ernst an, bis sie sein überraschtes Gesicht zum Lachen reizte. Dabei meinte sie vergnügt: „Vielleicht erahnen Sie jetzt, wie es meinem Lieutenant ergangen ist, als Sie an Bord kamen. Also schön. Fliegen wir zunächst einmal nach Andoria.“
 

* * *
 

Thy´Var Dheran und Carmen Sinemus nutzten die Zeit, die das Raumschiff für den Rückflug brauchte, um den kurzzeitigen Zwist auf Tra-Kelorn zu überwinden. Wie bereits beim Hinflug verbrachten sie viel Zeit miteinander.

Einige Stunden vor der Ankunft über Andoria hatte Carmen Sinemus den Befehl gegeben auf halben Impuls zu gehen, um dem Botschafter die Gelegenheit zu geben, ein Subraumgespräch mit Ratspräsidentin Devarin zu führen. Etwas überraschend war dann die Nachricht der Ratspräsidentin an sie gewesen. Devarin hatte sie in knapper Form dazu beglückwünscht, dass sie den Sonderbotschafter sicher nach Krendara und wieder zurückgebracht hatte, um danach auf den Punkt zu kommen.

Jetzt, da sie Andoria fast erreicht hatten, standen sie und Thy´Var Dheran auf der Brücke der ASTRAL-VOYAGER und sahen auf dem Holoschirm, wie das Raumschiff in eine Standard-Umlaufbahn um den Eismond einschwenkte. Beide trugen bereits die Wärmeschutzkleidung, die sie auf der Oberfläche des Mondes dringend benötigen würden. Als Commander Fisher meldete, dass sich die ASTRAL-VOYAGER im Standard-Orbit befand, gab Carmen Sinemus dem NAV/OPS-Offizier die Anweisung: „Eine Verbindung zum Maschinenraum, bitte.“

Der Lieutenant bestätigte und Captain Sinemus sagte deutlich: „Transporter-Chief, hier spricht der Captain. Beamen Sie Senator Dheran und mich zu den Koordinaten, die ich Ihnen vor zehn Minuten übermittelt habe.“

Die Bestätigung erfolgte umgehend und gleich darauf löste sich die Umgebung vor den Augen der Kommandantin in blauem Licht auf. Nur einen Herzschlag später fand sie sich, an der Seite von Thy´Var Dheran auf einer verschneiten, weiten Ebene wieder. Ein eisiger Wind, der in ihr Gesicht schnitt, war der erste Gruß des Mondes.

Den wärmenden Schal vor Nase und Mundpartie ziehend sah Carmen Sinemus zu ihrem Begleiter und fragte: „Warum noch mal konnten wir nicht direkt zur Mauer der Helden beamen, Thy´Var?“

„Weil jegliche Annäherung an die Mauer, innerhalb eines Umkreises von zehn Kilometern, traditionell zu Fuß zu erfolgen hat. Niemand auf Andoria würde auf die Idee kommen, mit dieser Tradition zu brechen.“

Die Frau zog die Kapuze fester um den Kopf und nickte nur. Dick eingehüllt in die dunkle, leicht glänzende Schutzkleidung warf sie einen Blick zum bedeckten Himmel hinauf. Der schneidende Wind schien noch aufzufrischen.

Während sie zu zweit auf das Ziel ihres Hierseins zu stapften, erklärte Thy´Var Dheran, dass dieses Wetter inklusive der Temperatur von unter minus zwanzig Grad Celsius für diese Gegend Andorias üblich sei.

An Bord des Raumschiffes hatte Dheran der Frau erklärt, dass der Bereich zwischen den Halbkontinenten Voral und Ka´Thela, wo die Mauer der Helden lag, in einer Windströmung der nördlichen Eiskappe lag, die dafür sorgte, dass es selbst zu den wärmsten Zeiten, dort niemals wärmer als umgerechnet minus 17° Celsius wurde.

Sie kamen trotz des Eiswindes gut voran.

Nach einer geraumen Weile erkundigte sich Carmen Sinemus bei dem Andorianer: „Wie lange werden wir noch brauchen?“

Thy´Var Dheran kniff seine Augen zusammen und deutete nach vorne: „Dort hinten können Sie bereits das Ziel unserer Wanderung erkennen.“

Die Raumschiff-Kommandantin folgte seinem Blick, doch vor ihr erstreckte sich die weite weiße Ebene, so wie bisher. Für einen langen Moment strengte sie sich an mehr zu erkennen, bevor sie zugab: „Ich kann nichts erkennen.“

„Spätestens in einigen Minuten werden auch Sie es sehen“, versetzte Dheran. „Wenn man weiß, wonach man zu suchen hat, dann ist es einfacher.“

Die Frau vertraute darauf, dass Dheran sich keinen Scherz mit ihr erlaubte. Nach einer Weile glaubte sie etwas zu erkennen, eine seltsam regelmäßige Struktur, auch wenn sie zunächst sehr undeutlich blieb. Doch fast mit jedem Schritt wurde nun ersichtlicher, dass sie sich nicht getäuscht hatte. Etwas zog sich über die gesamte Breite der Ebene, und Carmen Sinemus wurde klar, dass dies die legendäre Mauer der Helden sein musste.

Während sie weiter darauf zu marschierten bemerkte die Frau von der Erde, dass sie die Entfernung zu dieser Mauer bei weitem unterschätzt hatte. Ebenfalls ihre Größe.

Sie hatte auf der Erde schon einmal die Chinesische Mauer besucht, doch selbst sie war nicht vergleichbar mit dem, was sich ihren Augen hier bot.

Bis zu beiden Seiten des Horizonts erstreckte sich ein Wall der, wie Carmen Sinemus jetzt erkennen konnte, aus gewaltigen, regelmäßigen Eisblöcken bestand. Eine weiß glitzernde, mindestens 12 Meter hohe Mauer, mit etwas vor ragenden, runden Wachtürmen, welche noch einmal um mindestens vier Meter höher waren, als die Mauerkrone selbst, und sich im Abstand von etwa einem Kilometer zueinander befanden. Vom Boden aus schien sie sich, im Profil, etwas nach oben zu verjüngen. Wie breit diese Mauer aus Eis war, das konnte sie nicht erkennen. Die Eisblöcke wirkten seltsam glatt geschliffen.

Erst als der Andorianer an ihrer Seite seine behandschuhte Rechte auf ihre Schulter legte wurde sie sich wieder bewusst, dass sie nicht allein hier war.

Thy´Var Dheran deutete auf einige königsblaue Bänder, die in Augenhöhe, an metallenen Haken in das Eis der Mauer getrieben worden waren und sanft im Wind flatterten. Darauf gestickte, andorianische Schriftzeichen waren darauf zu erkennen.

„Was ist das?“, fragte Carmen Sinemus neugierig.

„Dieser Teil der Mauer ist den Toten vorbehalten. Diese Trauerbänder aus andorianischer Seide tragen deren Namen. Sie bleiben an der Mauer, bis sie zerfallen.

Die Frau beobachtete den andorianischen Senator dabei, wie er ein solches blaues Trauerband aus einer seiner Jackentaschen nahm. Es mit einem Eispickel an einem stählernen Haken in das Eis der Mauer treibend erklärte er: „Auf diesem Trauerband stehen die Namen, das Todesjahr und der Leitspruch des Clans meiner Familie. Siebenfach gehärtet für meine sieben Leben. Helles Feuer macht mich dürsten nach Blut. Jeder Hammerschlag ist die Totenglocke eines Helden. Sieh mich tanzen, wie erste Licht des Morgenrots.“

„Der Spruch klingt sehr martialisch.“

Dheran nahm den Eispickel wieder in die andere Hand und wandte sich zu der Frau. „Dieser Leitspruch geht auf die Zeit der letzten Clan-Kriege zurück. Sie fanden am Schwarzen See von Li Mi´She statt. Dort, wo meine Familie noch heute ansässig ist.“

Es blieb für eine Weile still und nur das leise Heulen des Windes war zu hören, bis der Andorianer die Blutproben aus einer der Jackentaschen holte. Er kniete sich ab, schuf mit dem Eispickel ein Loch, am Fuß der Mauer und legte dann die Phiolen hinein. Zum Schluss schüttete er das zuvor aufgehackte Eis darüber und versiegelte die Öffnung mit einem kleinen Handphaser, den er mitgenommen hatte. Schnell erstarrte das so geschmolzene Eis.

Nachdem sich der Senator wieder erhoben hatte, verstaute er seine mitgebrachten Utensilien in den Jackentaschen und hielt dann der Frau seine Hände entgegen.

Es dauerte einen Moment, bis Carmen Sinemus verstand. Sie wollte zunächst seine Hände ergreifen, doch der Andorianers packte sanft ihre Handgelenke und so nahm sie gleichfalls seine in ihre Hände.

So, dicht beieinander stehend, sah Thy´Var Dheran der Frau in die dunklen Augen und sagte, beinahe feierlich: „Wir stehen hier an der Mauer meiner Ahnen. Die Tatsache, dass ich Sie hierher mitgenommen habe Carmen ist eine besondere Wertschätzung meinerseits. Nur wenige Nicht-Andorianer haben jemals die Mauer der Helden mit eigenen Augen gesehen.“

Carmen Sinemus spürte den plötzlichen Ernst in der Stimme ihres Gegenübers und die Wichtigkeit dieses Momentes für ihn. „Ich danke Ihnen dafür, Thy´Var. Ich werde diesen Moment bestimmt niemals vergessen.“

Thy´Var Dheran hielt mit seinen Augen den Blick der Frau fest, als er sagte: „Vielleicht kommt das etwas überraschend für Sie, Carmen. Doch hier an dieser Stelle, möchte ich Ihnen sagen, dass mich, sehr starke, Emotionen durchströmen, seit ich Sie vor mehr als zwei Wochen kennengelernt habe. Ich hoffe sehr, dass wir uns nie wieder aus den Augen verlieren werden, denn mir würde sehr viel daran liegen, Sie besser kennenzulernen.“

Die Frau wich seinem ernsten Blick nicht aus. Langsam und betont erwiderte sie: „Mir geht es ähnlich, wie Ihnen, Thy´Var. Etwas ist anders für mich geworden, seit Sie an Bord meines Raumschiffs kamen. Ich würde sehr gerne herausfinden, was es ist.“

Thy´Var Dheran drückte sanft die Handgelenke der Frau und sie erwiderte den Druck.

Nach einem langen Moment sagte die Kommandantin der ASTRAL-VOYAGER mit verändertem Tonfall: „Ich finde es recht seltsam, dass mich vorhin die Ratspräsidentin persönlich sprechen wollte. Noch seltsamer finde ich, dass sie nicht nur Sie, sondern gleichfalls mich zu den Vorgängen auf Krendara befragen möchte.“

Der Andorianer erlaubte sich ein amüsiertes Lächeln, das sich auch in seinen Augen wiederfand. „Vielleicht nicht mehr ganz so seltsam, wenn ich Ihnen gestehe, dass ich bei meinem Gespräch mit Devarin erwähnte, es wäre möglicherweise von Vorteil, Sie dabei zu haben. Die Ratspräsidentin vertraut meinem Urteil, wie es scheint. Sie hingegen sollen nicht den Eindruck haben, als würde ich Ihre Einwände, die Sie auf Krendara äußerten, nicht ernst nehmen, oder gar unterdrücken wollen. Sie ganz allein entscheiden also, was die Ratspräsidentin von den Ereignissen erfährt, die uns von Harill-Koon überliefert wurden.“

Carmen Sinemus erwiderte das Lächeln des Senators. Dann meinte sie: „Können wir jetzt die Zehn-Kilometer-Zone verlassen? Mir wird allmählich kalt.“

Die Gelenke der Frau loslassend und sie dafür an die rechte Hand nehmend antwortete Thy´Var Dheran rau: „Dann kommen Sie mit mir. Die Präsidentin des Föderationsrates sollte man nicht allzu lange warten lassen.“
 

ENDE
 



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Sanguisdeci
2021-06-01T08:41:48+00:00 01.06.2021 10:41
Eine sehr schöne Geschichte, die zu lesen viel Spaß brachte.

Zwei Kleinigkeiten fielen mir allerdings beim Lesen auf.
Zum einen erscheinen die Befehle im Text, wenn der Text eine andere Schriftart oder anders hervorgehoben sein soll. Dies fiel mir mehrfach auf, was leicht verwirrt beim lesen.
Zum anderen fällt im Epilog der Name Valand Kuehn, ohne dass dieser in der Szene zuvor vorkam.
"Bis zu beiden Seiten des Horizonts erstreckte sich ein Wall der, wie Valand Kuehn jetzt erkennen konnte, aus gewaltigen, regelmäßigen Eisblöcken bestand. " Inwieweit hat er nun mit dieser Szene zu tun?
Antwort von:  ulimann644
01.06.2021 13:40
Hi Sanguisdeci
Vielen Dank für dein Feedback.
Die Steuerzeichen sollten da nicht zu sehen sein - evt. habe ich ein Kapitel für FF.de versehentlich hier gepostet. Da müsste ich mal schauen.

Valand hat tatsächlich in der Szene nichts zu suchen - da war ich wohl mit den Gedanken in einer anderen Geschichte. Vielen Dank für den Hinweis, das werde ich ausbessern.

Grüße
UK


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