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Nanamin

von

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Der intensive Lichtstrahl schien gnadenlos in ihre Augen und Suzuki hatte sofort das Bedürfnis sie so schnell wie möglich wieder zu schließen. Sogar Ieiri, die den Lichtstrahl dirigierte, konnte sie wegen der Blendung gar nicht erkennen.

“Es sieht nicht gut aus Nanami. Deine Augen reagieren einfach noch nicht wieder gut genug. Ich kann dich so auf keinen Fall Auto fahren lassen.”, erklärte die Brünette die diese Untersuchung nun schon die letzten Tage an ihr vorgenommen hatte und ihr immer dasselbe Ergebnis verkünden musste.

Suzuki seufzte schwer. “Du bist die letzte, die etwas dafür kann Shoko...”, erklärte die Patientin und rieb sich aus Reflex die sich trocken anfühlenden Augen.

“Ah, mach das nicht. Warte kurz.”, hielt die Ärztin sie davon ab und kramte kurz in einer Schublade im Schrank neben sich, aus welchem sie eine kleine Ampulle mit Augentropfen holte. Vorsichtig umfasste sie Suzukis Kopf und neigte ihn, um ihr das Medikament in die Augen zu tropfen.

“Wenn du da wirklich hinmusst, nimm bitte den Zug. Ich sorge höchst persönlich dafür, dass dir nicht die Schlüssel für einen Wagen ausgehändigt werden, hörst du?”

“Ich kann da nicht mit dem Zug hinfahren, das habe ich seit der Oberstufe nicht mehr gemacht. Die riechen doch dann sofort, dass irgendwas ist. Ich möchte nicht, dass sie etwas merken...”

“Und wenn du Ijichi fragst, ob er dich fährt?”

“Habe ich schon längst, aber er ist ab morgen mit Gojo unterwegs und vor nächster Woche nicht wieder zurück.”

“Und Nanami?”

“Ich kann ihm doch nicht wegen sowas lästigem das wohlverdiente Wochenende zu Nichte machen.”

“Dann fahr doch ganz einfach nicht.”

“... Nein, den Geburtstag meiner Mutter kann ich nicht einfach schwänzen. Die letzten Jahre war schon...”, begann sie zu brummen, doch erwiderte dann einfach nur ein eher bitteres Lächeln.

Shoko blickte sie skeptisch an und hielt ihr Gesicht in ihren Händen. “Wie sieht’s hier oben aus? Schaffst du das überhaupt? Du hast mir doch schon öfters erzählt, dass deine Familie sehr groß ist und die Feiern dadurch sehr anstrengend sind.”

“Wenn ich beschäftigt bin, ist es in Ordnung. Die Probleme kommen erst, wenn mein Kopf nichts zu tun hat.”

“Du überstimulierst dein Gehirn also weiterhin? Du weißt aber, dass sowas besonders ermüdend sein kann, oder?”

“Shoko”, Suzuki blickte sie zwischen ihren Händen mit angehobener Augenbraue an, “Siehst du nicht meine Augenringe?”

“Doch, sie sehen echt nicht gut aus. Du solltest es vielleicht mit ein wenig Make-Up versuchen, sie etwas unauffälliger zu machen, bevor du zu deiner Familie fährst...”, schlug die Brünette vor und strich mit ihren Daumen über den dunklen Bereich unter ihren Augen.

“... Ich habe schon Make-Up drauf.”, erwiderte Suzuki mit bitterer Miene.

“Scheiße, echt?”, Shoko schob ihr Gesicht etwas näher an das der Grauhaarigen. “Stimmt! Ich kann sogar die Pigmente erkenne!”, bestätigte sie ihre Antwort.

“Ich helfe dir den Tag damit am besten ein wenig, ich glaube, ich habe dafür noch etwas Gutes in der Hinterhand. Dann können Nanami und du auch direkt von hier aus fahren.”

“Nein, ich kann Nanami echt nicht damit-”

“Wenn du ihn nicht fragst, frage ich ihn und wer weiß, ob ich nicht vielleicht noch das ein oder andere Wort über die Sachen verliere, die du mir während unseren Sitzungen erzählt hast.”, erklärte Shoko mit einem teuflischen Blick und drückte Suzukis Gesicht zwischen ihren Händen zusammen. Die Grauhaarige wurde augenblicklich wohl noch etwas blasser im Gesicht als ohnehin schon. “Schon gut, schon gut! Ich frage ihn, ich frage ihn! Von ärztlicher Schweigepflicht hast du aber scheinbar noch nichts gehört, oder?!”, platzte es dann beinahe aus Suzuki heraus.

“Mich freut dein Sinneswandel.“, erwiderte die Ärztin mit ihrem üblich lieben Lächeln.
 

„Für dich doch immer…“, brabbelte die Verliererin ihres Disputes. Die Angst, die Shoko verbreiten konnte, vergaß Suzuki bei ihrer freundlichen und wunderschönen Erscheinung leider regelmäßig. Da war die Erinnerung daran jedes Mal umso brutaler.
 

Für Suzuki war es scheinbar schwerer gewesen, ihren ganzen Mut zusammen zu nehmen, um ihn zu fragen, als Nanami von ihrem Vorhaben zu überzeugen. Er hatte sehr schnell zugestimmt sie zu ihrer Familie zu fahren. Sie hatte mindestens mit einem mittelgroßen Protest gerechnet. Doch er hatte sich nicht einmal über diese unnötig Arbeit am Wochenende beschwert. Wer auch immer dieser Mensch war, den sie um diesen Gefallen gebeten hatte, es konnte nicht der Kento Nanami gewesen sein, den sie am Montag noch vom Sinn ihres aktuellen Auftrags überzeugen musste. Dennoch wollte sie es nicht darauf anlegen und ihn darauf ansprechen. Suzuki hatte Sorge, dass es vielleicht doch einfach nur eine gute Laune von ihm gewesen war und er seine Zusage bei doofen Kommentaren ihrerseits augenblicklich wieder zurückziehen würde.
 

So trafen sie sich am Tag des Geburtstags kurz nach dem Mittag auf dem Parkplatz der Akademie, nachdem Suzuki wieder den fähigen Händen Ieiris entkommen war. Sie hatte es wirklich geschafft dem Gesicht der Grauhaarigen mit etwas mehr Make-Up, als sie normalerweise verwenden würden, und einer Cream, über die die Ärztin nicht weiterreden wollte, Leben einzuhauchen. Sogar die Augenringe waren nun wieder auf dem Niveau einer einzelnen schlaflosen Nacht und ließen nicht erahnen, wie viele es in Wirklichkeit waren.
 

„Shoko hat ganze Arbeit geleistet, ich erkenne dich fast nicht wieder.“, erklärte Nanami beinahe ungewohnt gesprächig und stieg ins Auto, nachdem sie zu ihm gekommen war.
 

„Finde ich auch.“, erwiderte Suzuki nun unerwartet knapp und platzierte ihre Tasche vor sich im Fußraum, als sie ins Auto eingestiegen war. War von ihrer Müdigkeit auch wirklich nichts zu sehen? War es auch wirklich nicht auffällig, dass sie bei diesem milden Wetter eine dreiviertel Bluse trug, damit die Narbe an ihrer Schulter auf keinen Fall auffiel? Würde ihr Lächeln auch wirklich nicht aufgesetzt aussehen? Würde sie auch wirklich-
 

„Schnall dich bitte an.“
 

„Wie?“, fragte die Grauhaarige mehr als Reflex als alles andere, als die Stimme des Blonden sie irgendwie erreichte.
 

„Du sollst dich anschnallen. Ich möchte losfahren.“, erklärte Nanami erneut und deutete auf den Gurt über seiner Brust.
 

„Ah! Danke.“, erwiderte sie knapp und tat wie geheißen, woraufhin sich das Auto in Bewegung setzte. „Wir fahren ja eine Weile... Solltest du etwas zu Essen oder zu trinken haben wollen, dann mach einfach irgendwo eine Pause und ich kauf dir etwas.“, fügte Suzuki drugsend an und blickte ihn kurz an, woraufhin er nur schmunzelnd nickte, bevor sie ihre Aufmerksamkeit den am Fenster vorbeiziehenden Häusern und später der Landschaft widmete.
 

Die Autofahrt, die beide größtenteils schweigend verbrachten, war fast etwas ungewöhnlich aber keineswegs unangenehm. Auf dem letzten Stück hatten sich beide sogar ein wenig unterhalten. Scheinbar hatte Suzukis Nervosität an dem Punkt allmählich nachgelassen. Im allgemeinen war ihm aufgefallen, dass sie sich heute sehr unbehaglich fühlen musste, ähnlich wie damals auf ihrer ersten gemeinsamen Mission knetete sie ihre Hände und rieb den Schweiß immer wieder an ihrer Hose ab. Sie war seit ihrer Konfrontation mit Kechi im Allgemeinen ruhiger und häufiger in Gedanken gewesen, doch das hier war etwas anderes.
 

„Wir sind erst in ein paar Minuten da. Noch können wir wieder umdrehen.“
 

Suzuki musste sich ein Lachen verkneifen. Nanami hatte sie mit dieser Aussage unvorbereitet erwischt. „Ich möchte doch nicht, dass du die Strecke ganz umsonst gefahren bist.“, erwiderte sie mit einem mittlerweile fast schon bitterem Lächeln.
 

Als er das Auto vor dem Haus anhielt, blickte er zur Eingangstür und sah zwei junge Männer vor der Tür. Einer rauchte und kam ihm auch ohne Arztkittel überraschend bekannt vor. Auch Suzuki blickte zu ihnen und danach direkt wieder zu Nanami. Sie schwiegen einander an, doch irgendwie musste auch das der Grauhaarigen ein wenig Kraft gegeben haben.
 

„Ich lasse meine Sachen hier im Auto, in Ordnung?“, fragte sie, während sie die Beifahrertür öffnete und ausstieg.
 

„Ja, kein Problem-“
 

„Nanami! Wir haben schon gedacht, dass du das sein musst!“, rief ihr Bruder Junichiro ihr entgegen und kam ihr ein Stück entgegen. „Und sogar deinen Freund hast du mitgebracht. Möchte er gar nicht mit reinkommen, wenn er schon hier ist? Wir hatten immerhin schon die letzten Male nicht die Möglichkeit!“
 

Suzuki blickte entrüstet zurück zum Blonden, der sich nach Junichiros Zuruf etwas vor gelehnt hatte, um ihn vom Fahrerplatz aus auch sehen zu können.
 

„Eigentlich wollte er gerade-“
 

„Ich habe keinen Parkplatz direkt vor dem Haus gefunden, wollte Nanami aber nicht unnötig weit laufen lassen.“, unterbrach er sie und blickte von ihrem Bruder zur Grauhaarigen.
 

„Du kannst dich gerne direkt in die Einfahrt stellen, da möchte heute eh keiner mehr raus.“, erklärte Junichiro mit einer übertriebenen Geste hinter sich.
 

„Danke.“, erwiderte Kento knapp woraufhin Nanami die Tür schloss und vom Auto zurücktrat. Sie umfasste etwas unsicher ihren Arm und ging an ihren ältesten Bruder vorbei zu dem anderen jungen Mann, mit dem sie begann sich etwas entspannter zu unterhalten. Als der Blonde, nachdem er das Auto abgestellt hatte, dazu kam, begrüßte er beide und stellte sich dem Unbekannten vor.
 

„Ich bin Daisuke. Der andere Bruder von Nanami. Freut mich sehr.“, erwiderte der etwas größere, dunkelhaarige Mann, der vielleicht zwei Jahre älter als er selbst sein mochte, aber trotzdem schon die ersten sichtbaren grauen Haare hatte. Von einem Daisuke hatte Nanami ihm schon des Öfteren erzählt. Außerdem telefonierten sie oft miteinander, wenn sie von einem Auftrag zum anderen fuhren.
 

„Warum hast du mir nichts davon erzählt?“, fragte er nun fast schon beleidigt mit verschränkten Armen bei seiner Schwester nach, welche nur unruhig den Blickkontakt verweigerte. Eine Fas, um Junichiro davon zu überzeugen, dass Daisuke noch nichts vom Blonden wusste. Wahrscheinlich hatten die Geschwister so etwas bei einem ihrer unzähligen Gespräche abgeklärt.
 

Die Tür öffnete sich. „Ich habe es doch eben schon gesagt, helft mir bitte in der Küche-“, begann eine Mitte fünfzig jährige Frau zu zetern, doch stockte als sie die Grauhaarige erblickte. „Nanami! Schön, dass du endlich da bist! Du hättest dich melden sollen, dann hätte ich besser planen können!“, zeterte sie etwas weiter, fiel der Jüngeren aber beinahe theatralisch um den Hals.
 

Nanami tapte ihr sachte gegen den Arm und lachte etwas. „Entschuldige bitte, du weißt doch, der Verkehr von Tokio hier her ist die Hölle. Ich konnte einfach nicht schätzen, wie lange es dauern würde.“
 

„Aber sag mal“, ihre Mutter blickte auf und musterte den Blonden, welcher ein kleines Stück hinter ihrer Tochter stand. „wer ist denn dieser gutaussehende, junge Mann?“
 

Die Grauhaarige lachte etwas nervös und kratzte sich den Nacken. Junichiro wollte die Initiative ergreifen und ihn sicher erneut besonders betont als ihren Freund vorstellen, doch Kento kam ihm dieses Mal zuvor. Die Situation war auch ohne Junichiros Zutun schon komisch genug.
 

„Kento Nanami. Sehr erfreut.“, kurz und knapp stellte er sich ihr mit einer leichten Verbeugung vor. Ihrer Mutter sah man augenblicklich an, dass sie im Blonden das aller feinste Schwiegersohn-Material erkannte. Sie legte ihm sanft die Hand auf die Schulter, woraufhin er zu ihr blickte.

“Bloß nicht so förmlich.”, erklärte sie lachend.
 

„Ich weiß, ich hätte Bescheid geben sollen, entschuldige bitte.“, kam es nun etwas unsicher von der Grauhaarigen.
 

Bei ihren Worten wank ihre Mutter lediglich ab. Sicher ärgerte sie sich, dass ihre Tochter nicht bescheid gegeben hatte, doch vermutlich war sie gerade zu sehr davon abgelenkt, dass ihre Jüngste mit einem Mann der höchsten Güteklasse nach Hause gekommen war.
 

„Hilf mir zur Entschuldigung doch einfach etwas in der Küche. Und Junichiro,“, sie deutete auf den Ältesten in der Runde, „deine Frau sucht dich.“, erklärte sie und ging wieder hinein. Nanami gestikulierte nur wild, dass sie Kento in Daisukes Obhut lassen würde und folgte dann eilig ihrer Mutter. Der Älteste hingegen war weniger fügig und meckerte erst noch ausgiebig über seine Mutter und seine Frau während er seine Zigarette austrat, dann aber auch im Haus verschwand. Kento beäugte Daisuke, der mehr oder minder aufmerksam darauf wartete, dass die Tür ins Schloss fiel.
 

„Du bist also Kento. Nanami erzählt viel von dir, wenn wir telefonieren.“, begann Daisuke das scheinbare zwei-Augen-Gespräch mit einem freundlichen, aber dennoch unterschwellig ernsten Lächeln.
 

„Von dir hatte sie mir ebenfalls schon einiges erzählt. Sie schwärmt regelmäßig von deiner Verlobten.“, erwiderte der Blonde und wandte sich Daisuke ein Stückchen weiter zu.
 

„Auch wenn wir manchmal vielleicht nicht so wirkt, weil ich sie auch jetzt noch mehr als genug trieze, aber meine Schwester ist mir sehr wichtig. Sie ist einer der wichtigste Mensch in meinem Leben. Leider kann ich nicht mehr immer für sie da sein. Schon schlimm genug, dass ich während ihrer Oberstufe nicht bei ihr sein konnte... Mit meiner Hilfe wäre sie sicher offener geworden.“, jammerte Daisuke zuletzt gespielt dramatisch, räusperte sich dann aber, um einen etwas ernsteren Ton aufzulegen. „Selbst ich hatte damals Schwierigkeiten an sie heran zu kommen. In dem Alter wundert es niemanden, wenn Jugendliche ihre Eltern nicht an einen heranlassen, doch ich bin ja nur wenige Jahre älter… Ich habe keine Ahnung, was damals mit ihr los war, doch wäre ich für sie da gewesen, wäre es sicher nicht so weit gekommen… Mir ist auch schon länger klar, dass ich nicht ihr Beschützer bin, aber sie ist nun mal meine einzige kleine Schwester und daran ändert nichts, auch nicht die Zeit in der wir uns nur wenig bis gar nicht gesehen haben. Dennoch hoffe ich, dass du auch weiterhin ein Auge auf sie werfen kannst, wenn ich nicht dazu in der Lage bin.“, erklärte Daisuke und blickte nun trotz seines Lächelns streng zu Kento hinüber.
 

„Keine Sorge, nicht nur dir ist sie wichtig.“, erklärte mit unerwartet weichen Zügen und erwiderte den ernsthaften Blick.
 

Die Atmosphäre lockerte sich augenblicklich, als sich Daisuke in die Hände klatschte. „Schön, dass wir das direkt zu Beginn klären konnten.“, erwiderte er scheinbar etwas verlegen.
 

Nun ging auch schon wieder die Tür auf und der meckernde Junichiro kam zurück zu den beiden Männern. Er wollte wohl gerade eine Unterhaltung beginnen, doch Kento unterbrach ihn augenblicklich.
 

„Wo finde ich Nanami?“
 

„In der Küche. Den Gang gerade zu runter und dann links.“, erklärte Daisuke ihm mit einem Lächeln. Der Blonde nickte ihm dankend entgegen.

Im Haus empfing ihn ein unglaubliches Stimmgewar. Ob sich so seine Assistentin vielleicht jeden Tag fühlte? Mit lauten Stimmen, die sich unklar an sein Ohr legten und ihm nach einigen Stunden sicher Kopfschmerzen bereiten würden. Allerdings war es hier nun eben wirklicher Lärm und jeder nahm ihn war, nicht nur eine einzelne Person.
 

Kento folgte der Beschreibung Daisukes und fand die Küche, in der Nanami und ihre Mutter schon hektisch Essen vorbereiteten.
 

„Reich mir doch mal bitte die braune Dose vom Schrank. Sie steht direkt neben der dunkelgrünen.“, wies ihre Mutter sie an, doch die Grauhaarige stand einfach nur davor und starrte zu den verschiedenen Dosen hoch. Alle hatten sie für die Jujuzistin eine dunkle Farbe, wodurch sie diese keineswegs unterscheiden konnte. Kento, welcher sich durch den Spalt der Küchentür geschoben hatte, reichte Nanami unauffällig die braune Dose herunter. Ihre Verzweiflung hellte sich augenblicklich auf und sie blickte ihn freudig an. Vermutlich sogar einen Moment zu lang, denn ihre Mutter räusperte sich und deutete somit an, dass sie jetzt die Dose bräuchte.
 

„Ich entlasse dich gleich, dann könnt ihr euch alle Zeit der Welt nehmen.“, erklärte ihre Mutter amüsiert und ließ sich die Dose reichen. Es folgten nur noch kleine Arbeiten, hauptsächlich Essen in den viel zu vollen Kühlschrank stellen oder Geschirr in den Spüler räumen, wobei der Blonde Nanami etwas zur Hand ging.
 

Sie hatten knapp den Kuchen verpasst, also bekamen beide nachdem sie geholfen hatten, einen Teller und konnten sich von den verschiedenen Kuchen nehmen, die einzelne Mitglieder der Familie zubereitet hatten. Nachdem sie alle begrüßt und sich Kento allen vorgestellt hatte, konnten sie sich endlich setzen, um zu essen. Dabei rollte Nanami dem Blonden noch einmal grob auf, wen er da gerade eigentlich alles getroffen und gegrüßt hatte, was für ihn vermutlich besonders hilfreich war, bei der Menge an Menschen. Großeltern, Tante, Onkel, Unmengen von Cousins, die jeweiligen Partner, die dazugehörigen Kinder und der Rest der ganzen Sippe…
 

Nanami und Kento wurden in die Masse der Familien aufgenommen und mit charakterlosem Geplänkel überschüttet. Meistens fragten sie Nanami nach dem Blonden oder ihrer Arbeit, nur um danach von irgendwelchen unwichtigen Familienangelegenheiten oder ihren ach so schlimmen Probleme zu berichten. Und so wurde der Nachmittag zum Abend und Kento hielt für sich selbst fest, wie vehement Nanamis glückliche Maske auf ihrem Gesicht blieb. Diese extrovertierte Ausstrahlung hatte er schon einige Male bei ihr festgestellt, doch keineswegs so lange und durchgehend. Also musste jeder Weg in die Küche, um irgendwie zu helfen ein kleiner Segen für sie gewesen sein, da ihre Maske für diesen Moment etwas bröckeln durfte. So auch, wenn sie sich abseits der Blicke nur mit Kento unterhielt. Dabei fiel ihm oftmals auf, wie kleinere Fluchgeister von einigen Familienmitgliedern auf sie über gegangen waren und ihr um den Kopf herumtanzen wollte. Mit eher unauffälligen, aber ausreichenden Handbewegungen exorzierte er sie, um der Assistentin ein bisschen weniger Lärm zu zusprechen.
 

Da diese Art von Feiern von Essen geprägt waren, gab es zu den Mahlzeiten ruhigere Phasen, durch die man sich einbildete, in mitten des Lärm nicht vollkommen wahnsinnig zu werden.
 

Nach dem Abendessen verabschiedeten sich die meisten, weil entweder ihre Kinder oder sie selbst, weil sie zu viel getrunken hatten, dringend ins Bett mussten. So waren es zur fortgeschritten Dämmerung im Haus mittlerweile nur noch ihre Eltern, Daisuke, Junichiro und ihre jeweiligen Familien.
 

„Es ist doch schon so spät, bleibt doch einfach über Nacht. Deine Brüder bleiben auch und Platz haben wir mehr als genug.“, schlug ihre Mutter vor, während sie Geschirr trocknete und Nanami ihr half es einzuräumen. „Dann könnten wir noch eine Kleinigkeit zusammen trinken!“, schlug ihre Mutter vor, während sie grade Weingläser auf den Tresen stellte. Der Blonde, der die Gläser nach nebenan trug, kam gerade dazu, um die nächsten Gläser rüber zu bringen. Die Grauhaarige blickte den Jujuzisten an, welcher den Vorschlag vom Flur aus mitbekommen hatte und Nanami nur nickend anblickte. „Ich hätte kein Problem damit.“, erwiderte er mit einer Art Lächeln. Er hatte ihren Ausdruck in diesem Moment nicht deuten können. Einerseits schien sie den Abend noch mit ihrer Familie verbringen zu wollen, andererseits wirkte sie unterschwellig unglücklich darüber. Hatte sie eventuell wegen dem Blonden ein schlechtes Gewissen? Immerhin war er unfreiwillig in diese ganze Situation gerutscht und sie wollte ihm das sicher nicht auch noch zumuten.
 

Um ihre Gedanken zu verscheuchen, da er erkannte, wie sie mit sich haderte, legte er seine Hand auf ihre Schulter. Er verscheuchte damit sogar einen kleinen Fluch, der vorhin von irgendjemanden zu ihr hinüber geschwirrt war, ohne das er ihn direkt austreiben konnte. Die Grauhaarige lächelte ihm entgegen, wohlwissend, wie er ihr gerade geholfen hatte.
 

„Dann fahren wir morgen nach dem Frühstück.“, hielt sie für ihre Mutter fest, welche triumphierend grinste und erklärte, dass die Betten schon bezogen im Schrank ihres ehemaligen Zimmers wären. Als hätte die alte Frau das schon die ganze Zeit geplant gehabt. Sicher war sie vorhin eilig hochgeschlichen, um noch ein weiteres Paar Decken und Kissen vorzubereiten….
 

Als Kento den nächsten Schwung Gläser rüberbrachte, blickte Nanamis Mutter ihm hinterher. “Und ist er ein Potentieller? Immerhin hast du ihn mitgebracht. Warum hast du nichts von ihm erzäh-”

“Keine Sorge, wenn es etwas Potentielles ist, gebe ich dir auf jeden Fall Bescheid, aber bisher...”, begann die Grauhaarige zu erklären, doch wirkte dann allmählich ein wenig unbehaglich.

“...In Ordnung. Dann weiß ich Bescheid.”, erwiderte ihre Mutter mit einer Art Lächeln und reichte Nanami das nächste Glas, damit sie es trocknen konnte. Vermutlich war für ihre Mutter der Punkt, dass sie Kento mit hierhergebracht hatte und ihre Interaktionen über den Tag hinweg erstmal genug, um im groben zu wissen, wie die Beziehung der Beiden aussah.
 

Nach dem Aufräumen lud Daisuke zum Brettspiele spielen. Wobei es richtiger wäre ‚lud‘ mit ‚zwang‘ zu ersetzen und das Wollen der meisten lediglich eine erfolgreiche Taktik war, um den doch sehr penetranten Wortwechseln mit Daisuke, dem sich nur seine Verlobte, Misaki, mehr oder minder freiwillig stellte, zu entgehen. Auch Nanami stimmte nur zu, um Kento dieses Schicksal zu ersparen, da das Brettspiel nur für sechs Spieler ausgelegt war.
 

Die Grauhaarige ihrerseits war kein großer Fan, besonders gegenüber dem Gesellschaftsspielewahn ihres Bruders. Sie bevorzugte Spiele auf einem anderen Medium. Daher war sie auch nicht traurig, als sie schon bereits nach etwas über einer Stunde aus dem Spiel flog, wobei ihr inneres Kind sich enorm ärgerte. So verließ sie murrend den Spieltisch, an dem hauptsächlich geflucht wurde und gesellte sich zu Kento und ihrem wortkargen Vater. Trotz allem schienen die beiden Männer keinen schlechten Draht miteinander zu haben und sich sogar verhältnismäßig viel unterhalten zu haben, während sie gemeinsam etwas tranken.

Dabei kippte ihr Vater wirklich viel und sie wollte dem Blonden nicht auch noch zu muten mit ihrem Vater mithalten zu müssen. Allerdings hielt Kento sich nicht unbedingt schlecht. Scheinbar hatte die ganze Esserei doch etwas Positives, wenn man es so sagen kann. Dennoch, am besten sollte sie andeuten, bald schlafen gehen zu wollen, vielleicht würde er den Wink verstehen, mitkommen und würde vom Rest der Flasche verschont werden.
 

„Kento, gib mir doch bitte den Autoschlüssel. Ich möchte noch meine Tasche reinholen.“, sprach sie gerade so laut genug, dass der Blonde sie hörte, und lehnte sich ihm sogar noch ein wenig entgegen. Sie spürte wie seine Muskeln durch den Stoff seines Hemdes hindurch unter ihrer Berührung arbeiteten. Wie sie zugeben musste ein wirklich angenehmes Gefühl.
 

Der Angesprochene kramte einmal durch alle seine Hosentaschen, bevor er ihr endlich den Schlüssel reichte, während er noch immer mit Nanamis Vater unterhielt.
 

Sie stahl sich also eilig aus dem nach-Geburtstagsgeschehen und blickte in die ersten Züge der Nacht, als sie hinaus trat. Die plötzliche Ruhe mit dem Schließen der Tür war unglaublich angenehm. Erst jetzt stellte sie fest, dass ihr etwas die Ohren dröhnten. Nicht nur so wie sonst, wenn ihr die Flüche in die Ohren schrien, sondern dieses mal durch ihr für jeden sichtbares Umfeld.

Die Kälte zog allmählich über die Narben an ihrer Schulter und ließ sie erschaudern. An dieser Stelle kam ihr die Kälte immer noch intensiver vor als am Rest ihres Körpers. Tief durchatmend setzte die Grauhaarige sich allmählich in Bewegung. Sie holte ihre Tasche und packte noch Kleinigkeiten von Kento ein, die im Auto waren, von denen sie wusste, dass er froh wäre, wenn sie diese mitbrächte. So lief sie wieder zurück, dieses Mal gefühlt mit etwas weniger klingelnden Ohren, und ging wieder zurück zu den anderen. Sie verabschiedete sich in die Nacht und entriss Kento dem Alkoholkonsum.
 

Man könnte behaupten, es wäre eine verhältnismäßig entspannte Familienfeier gewesen und doch war Suzuki mehr als froh, nachdem die Tür ihres ehemaligen Kinderzimmers endlich hinter ihr geschlossen war. Sie blieb einfach mitten im Raum stehen, schloss ihre Augen und fuhr sich mit den Händen übers Gesicht. Kento beobachtete sie dabei nur, während er an sie herantrat und vorsichtig seine Hände an ihre Taille schmiegte.
 

„Ich hoffe, du hast deine Entscheidung, hier her zu kommen, nicht doch noch bereut.“, fragte ihr Kollege ruhig gegen ihren Hinterkopf und schloss seine Arme ein Stück mehr um sie.
 

„Keineswegs. Meine Mutter schien glücklich darüber, ihre Kinder endlich alle wieder beisammen zu haben.“, erklärte sie schwer ausatmend und lehnte sich ein Stück dem Blonden entgegen. Seine Nähe tat ihr gerade unheimlich gut. Ihr Kopf wurde ruhiger und ihr Körper schien sich zu entspannen. So standen sie einen Augenblick lang da und schwiegen sich an, doch das waren in diesem Moment genau die richtigen Worte.
 

Als sie sich von einander lösten, folgten nur noch die üblichen Toilettengänge vor dem Schlafen gehen. Den Aufbau des Gästebettes verwarfen beide nahezu zeitgleich. Viel zu müde waren beide und die 1,40 Meter, die sie dort ohnehin zur Verfügung hatten, schien zu dieser Uhrzeit dann doch mehr als ausreichend.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Es hat sich angefühlt, als hätte ich ewig an diesem Kapitel geschrieben owo
Aber erst einmal willkommen zu diesem neuen Kapitel und dem neuen Upload Rhytmus von zwei Monaten... ^^"

Dieses Kapitel wirkt für mich... unglaublich unübersichtlich und verwirrend... Ich habe keine Ahnung, ob es Sinn macht und hoffe, dass es irgendwie verständlich ist oder vielleicht Freude macht haha

Suzukis Familiendynamik ist... irgendwo zwischen fragwürdig und liebenswert, glaube ich. Keine Ahnung lol
Aber wenigstens gibt es wieder ein Kapitel mit NANAMIN!!! Das warten hat sich gelohnt! ... Ein bisschen wenigstens haha

Ich freue mich auch unter diesem Kapitel über Kommentare und konstruktive Kritik!
Wir lesen uns dann entweder unter einem überarbeitem 11. Kapitel oder in zwei Monaten beim 12. Kapitel.. haha Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Dansi
2022-07-09T09:06:34+00:00 09.07.2022 11:06
Moahahaha, FINALLY!
Und hier bin ich wieder, pünktlich zum Feedback zum Kapitel *grins*

Dafür, dass du das Kapitel so unstrukturiert findest, fand ich es - ganz im Gegenteil - sogar sehr gut strukturiert. Der Aufbau macht durchaus Sinn und ist chronologisch gut nachvollziehbar ^^ Also von daher kann ich dir versichern: alles tutti!!

Ich freu mich auch wahnsinnig, dass es endlich wieder NANAMIN(!!!)-time gibt, moahahaha. Er ist einfach DER Traummann für jede Frau (nicht nur für Mütter bzw. Schwiegermütter, hrhrhr)!!
Die Reaktionen von Nanamis Mutter fand ich unfassbar genial, ich musste sooo breit grinsen beim Lesen xD einfach ein Traum!

Es war auch sehr süß, wie Kento sich durch Nanamis Familie "gekämpft" hat und - wenn man zwischen den Zeilen liest - den Tag sogar ein klein wenig genossen hat :3 also ich hatte jedenfalls ein wenig das Gefühl.
Das Ende des Kapitels war sehr süß, als die beiden sich ein wenig näher gekommen sind <3 umso trauriger war ich, als das Kapitel dann zu Ende war und doch nichts mehr passiert ist zwischen ihnen :P Aber das kommt ja hoffentlich noch, hrhr.

Die Dynamik der beiden ist jedenfalls wundervoll und ich finde, man merkt auch, dass die beiden gut zueinander passen.

Ich freu mich auf jeden Fall schon megamäßig auf das nächste Kapitel ^3^

*Schale mit Keksen überreich* Hoffentlich reichen die für zwei Monate, hihi xD

Bis zum nächsten Mal!!


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