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Nanamin

von

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Das warme Wasser fiel wie Regen auf ihre Haut, doch ihr Körper fühlte sich weiterhin kalt an. Wie lange stand sie nun schon geistesabwesend in der Dusche? Erst 10 Minuten oder vielleicht sogar schon eine Stunde? Welcher Tag war heute? Hatte sie gerade wirklich Hunger oder war ihr einfach nur langweilig? Waren noch irgendwelche Reste im Kühlschrank? Sie füllte ihren Kopf mit Fragen, um der Dunkelheit keinen Platz zu lassen, doch irgendwo fand sie diesen leider immer.
 

Suzuki stellte das Wasser ab und blieb einen kurzen Moment wie ein nasser Pudel in der Kabine stehen. Sie stand einfach nur da und blickte die nüchtern blauen Fliesen, die eigentlich einen intensiven Farbton hatten. Ihre Sehkraft war zwar neun Tage nach dem Vorfall wieder gekehrt, doch noch immer war sie nicht wieder zurück auf dem Stand von davor. Die Kälte kroch allmählich an ihren nackten Körper und legte sich um sie, woraufhin sie aus der Dusche stieg und sich in ihr Handtuch einwickelte. Durch den kleinen Türspalt, den die Grauhaarige öffnen gelassen hatte, erkannte sie den fast vollständigen Ladebalken, der auf ihrem Bildschirm leuchtete. Ihr Spiel machte ein Update. Anders hätte sie vermutlich gar keine Pause gemacht. Nach dieser Zeit, in der sie ihr Gehirn nur während des Trainings mit Nanami, in welchem sie ihr Gehör und ihre Reaktionsfähigkeit verfeinerte, überstimulieren konnte, um etwas ähnliches wie Ruhe in ihrem Kopf zu empfinden, hatte sie sich gnadenlos in ihre Spiele gestürzt. Sie hatte einige schon vor über einem Jahr gekauft und immer aufgeschoben, weil sie neben der Arbeit nie recht Zeit dafür gehabt hatte, und nun dann in wenigen Tagen durchgespielt. Alles nur um nicht denken zu müssen. Wenn sie Glück hatte verbrachte sie die Zeit beim Essen oder Duschen damit über ihre Spiele nachzudenken, doch das klappte nicht immer. Träge rieb sie mit ihrem Handtuch die kurzen Haare trocken, die sich trotzdem schon irgendwie wieder zu lang anfühlten. Irgendetwas war komisch. Schon die letzten Tage hatte sie das Gefühl etwas vergessen zu haben, aber Suzuki kam einfach nicht darauf, was es gewesen sein konnte. Ihr Telefon hatte sie ausgeschaltet und weggepackt. Ihre Familie hatte sie kontaktieren wollen, doch nach vermutlich fünf oder mehr Anrufen, in denen sie versuchte ihren Bruder Daisuke oder ihre Mutter davon zu überzeugen, dass es ihr gut ging, allerdings glaubte sie es selbst nicht einmal, gab sie es auf. Sie wollte mit niemanden sprechen. Gleichzeitig hasste sie diese Stille, die sie umgab. Allerdings konnte sie jetzt doch nicht einfach jemanden anrufen, den sie zuvor noch abgewiesen hatte, außerdem hatten alle anderen sicher eh besseres zu tun als sie zu beschäftigen.
 

Gähnend zog sie sich eine viel zu große Trainingsjacke über, die glücklicherweise noch irgendwie frisch roch und trottete in Richtung der Küchenzeile, als das laute Klingeln ihrer Tür sie zusammenfahren ließ. Verwundert sah sie hinüber. Hatte sie etwas bestellt? Und hatte einfach nur vergessen, dass sie es getan hatte? War das einer ihrer Nachbarn? Hatte sie zu einer komischen Uhrzeit geduscht? Sie hätte vorher doch auf die Uhr sehen sollen... Aber wo war die eigentlich? Das ticken hatte sie irre gemacht. Oder wollte sich vielleicht jemand beschweren, dass sie zu laut war? Sie fluchte und schrie sehr viel, wenn sie zockte...

Etwas bedröppelt ging sie zur Tür hinüber. Im Kopf sortierte sie schon möglich Entschuldigungen. Sie drehte den Schlüssel im Schloss und öffnete die Tür einen Spalt, doch weder ein wütender Nachbar, noch ein Päckchen empfingen sie, sondern ein Anzugträger… in Freizeitklamotte? Suzuki brauchte einen Moment. Was machte er denn hier? Halluzinierte sie?
 

“...Äh... Kento... Was gibt’s?”
 

Er blickte sie etwas verwundert an. Vielleicht auch wegen des neuen Anblicks. Er kannte Suzuki trotz ihrer längeren Zusammenarbeit nur in Anzug, feinerer Freizeitklamotte oder als harter Kontrast die Krankenhauskleidung. Selbst ihre Kleidung beim Training hatten etwas Elegantes, sodass sie ihn nicht unbedingt überraschten, doch die alte und viel zu große Trainingsjacke hatte ihn dann doch kalt erwischt.
 

„Ich hatte mich doch angekündigt.“
 

„Aber es ist doch gerade einmal Dienstag.“
 

Erneut musste sie ihn mit ihrer Aussage kalt erwischt haben, auf jeden Fall blickte er sie etwas perplex an.
 

„Ich hatte versucht dich anzurufen, um dir Bescheid zu geben, dass ich erst einen Tag später Zeit hätte, um vorbei zu kommen… Es ist Samstag.“
 

„Wie?“, nun war es Suzuki, die ihn perplex anblickte.
 

„Du hast beide Termine mit Shoko versäumt. Weil sie dich auch nicht erreichen konnte und die Akademie nicht verlassen kann, sollte ich ihr Bericht erstatten, wie es dir geht.“
 

Daher kam also dieses ungute Gefühl, sie hätte etwas vergessen. Sie hatte wirklich etwas vergessen. Etwas unglaublich Wichtiges noch dazu. Heißt das, sie hätte mehrere Nächte durchgemacht, ohne es zu merken?
 

Panisch blickte sie zu ihren Fenstern und merke erst jetzt, dass ihre Vorhänge noch immer zu gezogen waren. Wann hatte sie die denn überhaupt das letzte Mal aufgezogen?
 

„Kann ich hereinkommen?“, fragte der Blonde nun und legte eine Hand an die Tür, um den Spalt weiter zu öffnen.
 

„Ich-… äh…“, sie wollte ihn keineswegs abweisen, aber er durfte auch nicht dieses Chaos sehen! Suzuki konnte ja nicht wissen, dass er das schon längst alles mitbekommen hatte, so klein war der Spalt nun wirklich nicht, als dass er diese ganze Unordnung verbergen konnte. Allerdings hätte die Grauhaarige eigentlich am besten wissen müssen, wie scharf sein Blick sein konnte.
 

„Ich.. Äh.. War gerade duschen..“, erklärte sie nervös und schob sich währenddessen etwas hinter die Tür, wobei sie auch den Spalt so schmal wie möglich hielt. „Lass mich schnell etwas anziehen! Ich bin sofort da, gedulde dich nur einen Augenblick!“
 

Noch bevor Nanami überhaupt reagieren konnte, schlug sie ihm die Tür vor der Nase zu.
 

Nervös sprang Suzuki hinter der geschlossenen Tür von einem aufs andere Bein, bevor sie ihre Panik darauf konzentrieren konnte, dass sie sich anziehen musste! Sie lief leichtfüßig zwischen den Haufen von dreckiger Kleidung, kleineren Kartons und Verpackungen sowie Flaschen zu ihrem Kleiderschrank. Kento trug einfach nur ein lockeres, weißes Hemd, eine dunkle Hose und seinen Mantel, soviel hatte Suzuki gesehen, also konnte sie nicht zu dick auftragen. Nur etwas Schlichtes, Schickes. Das durfte nicht schwer sein, immerhin trug sie in letzter Zeit keinerlei derartige Sachen. Immer wieder griff sie zögernd zu einer Sache, stockte dann und entschied sich um. Als sie sich dann allerdings wieder ins Gedächtnis rief, dass Kento, denn sie einfach auf dem Flur hat stehen lassen, auf sie wartete, war ihre Entscheidung schnell getroffen. Sie zog sich ihren schlichten schwarzen Pullover über den Kopf und sprang beinahe zeitgleich in ihre Jeans. Bevor sie ihre Tiersocken in ihren Sneakern versteckte und in ihren Mantel schlüpfte. Durch einen ähnlich schmalen Spalt wie zuvor schob sie sich nun zum Blonden auf den Flur und schloss hinter sich ab.
 

“Ich wäre auch später wieder gekommen.”, erklärte Nanami, als sie sich zu ihm umgewandt hatte. “Aber du hattest mir ja nicht einmal die Möglichkeit gegeben dir das vorzuschlagen.”
 

“Ich kann dich doch nicht abweisen, wenn du schon den ganzen Weg hergekommen bist.”, erwiderte die Grauhaarige etwas verlegen und strich sich das noch an manchen Stellen etwas feuchte Haar glatt.
 

“Aber trotzdem sollst du nicht unüberlegt handeln.”, tadelte er sie und trat einen Schritt an sie heran, wobei er ihr seinen Schal umband, den er vermutlich wegen der Wärme im Haus abgemacht hatte. “Wehe du wirst krank, weil du mit noch nassen Haaren bei der Kälte rausgehst!”, drohte der Blonde während er den Schal um ihren Hals festzog und ihr durchdringlich in die Augen sah. Sie hatten gemeinsam in der Nähe des Todes gekämpft und nun machte er sich sorgen, sie könne eine Erkältung bekommen? Nach einem kurzen Augenblick der Regungslosigkeit brach Suzuki in träges aber ehrliches Gelächter aus. Die letzten Tage hatte sie sich gezwungen ihre Existenz und alles um sich herum zu vergessen, doch jetzt gerade war sie froh hier zu sein und von Nanami fast stranguliert zu werden, während er sich darum sorgte, dass sie einen Schnupfen wegen ihrer feuchten Haare bekommen könnte.
 


 

Sie gingen Essen und unterhielten sich über allerlei unnütze Sachen. Kein Wort über die Arbeit, irgendwelche Flüche oder andere Themen, über die keiner der beiden am Wochenende reden wollte. Suzuki tat es ungemein gut, dass sie endlich wieder mit jemandem anderen, als sich selbst sprechen konnte. Darüber, nach dem Essen noch ausgiebig in der Buchhandlung zu stöbern, beschwerte sich ebenfalls keiner. Sie hatten zwar unterschiedliche Vorlieben, sprachen sich aber nicht das Interesse an ihrer jeweiligen Literatur ab. Suzuki begleitete Nanami zur klassischen Literatur und anders herum folgte er ihr in die Abteilung für Manga. Obwohl keiner große Ahnung vom jeweils anderen Gebiet hatte, fanden sie immer wieder Punkte, über die sie sich ausgiebig unterhalten konnten. Bepackt mit neuen Büchern, empfing sie die fortgeschrittene Dämmerung, als sie wieder auf die Straße traten. Es war kälter als vorhin. Suzuki konnte klar ihren Atem erkennen. Sie knöpfte ihren Mantel bis oben hin zu und wickelte Nanamis Schal ein weiteres Mal um ihren Hals, damit es noch etwas wärmer werden würde. Als sie den Blonden hinter sich aus dem Laden kommen sah, wandte sie sich eilig zu ihm, da auch ihm die Kälte an den Nacken kriechen wollte, und knöpfte dem Blonden fix den Mantel zu. Suzuki blickte auf die Tüten von Büchern, die Nanami an der Kasse entgegengenommen hatte.
 

„Du wirkst ja fast ein bisschen wie mein Liebhaber.“, erklärte sie lachend und lehnte sich etwas gegen ihn. Nanami konnte sich ein amüsiertes brummen nicht verkneifen.
 

„Du doch auch.“
 

Es war ein Moment, in dem alles einfach nur perfekt schien. Alles floss harmonisch in einander. Auch Suzukis Fluchkraft, die normalerweise ohne ihre Zwillingsmesser wie eine chaotische Strömung in ihrem Körper wütete. Es drangen unklare Geräusche an ihr Ohr. Ihr Blick war ganz unklar, doch auch dies konnte das grau in grau nicht verbergen. Alles wirkte irgendwie so langsam, bis ein quitschpinker Schatten, wie ein Pfeil an ihr vorbei geschossen kam. Er hatte sie unglaublich erschrocken und jegliche Harmonie mit sich gerissen. Suzuki hielt sich den schmerzhaft pulsierenden Kopf und krümmte den Körper nach vorn, wobei sie mit der Stirn auf Nanamis vom Mantel gepolsterten Brust auflag. Sie konnte eigentlich fast schon froh sein, dass die Rückkopplung ihrer Fluchtechnik dieses Mal verhältnismäßig gering ausgefallen war. Aber angenehm war es keines Falls.
 

„-los?“, hörte sie erst jetzt seine Stimme wieder und spürte, wie sich sein Arm um sie legte. „Lass uns dort zu einer der Bänke gehen. Du hast sicher Kopfschmerzen. Ich hol dir Tabletten und eine Flasche Grüntee-”
 

„… Da war grad ein unglaublich schneller Fluch!“, erklärte sie etwas japsend und blickte zu ihm auf. Seine Gesichtszüge wurden fest, als er ihre Blutunterlaufenen Augen sah. Sie hatten noch nicht zu Tränen begonnen, doch waren kurz davor.
 

„Du weißt, ich hasse es, an meinem freien Tag zu arbeiten.“, knurrte er und wischte vorsichtig mit seinen Daumen die blutigen Tränen aus ihren Augenwinkeln.
 

„Tut mir leid…“, brabbelte sie nur und wollte den Kopf senken, doch seine Hände hielten ihn oben.
 

„Wo?“
 

„… Wie?“
 

„Wo ist er hin?“
 

„… Also, ich glaube…“, drugste die Grauhaarige herum, doch machte nun ein scharfe Handbewegung an sich vorbei, um ihm zu zeigen, wo lang. Nanami wandte seinen Blick in die Richtung, eine kleine Gasse zwischen den Geschäften entlang.
 

„Kann ich dich einen Moment allein lassen?“
 

„Du kannst doch nicht-”
 

„Du bist mir in deinem jetzigen Zustand keine Hilfe.“, erklärte Nanami ganz unverfroren, was Suzuki innerlich fast zerriss. Sie vergaß, dass er auch diese schmerzhaft direkte Art haben konnte. Ihre Hände, die noch immer auf dem Stoff seines Mantels geruht hatte, sanken kraftlos und ihr Blick nahm etwas unangenehm Unterkühltes an.
 

„Ich verstehe.“
 

Sie verstand es, wollte es aber trotzdem eigentlich nicht dabei belassen. Sie hatte ihm das eingebrockt, also musste sie ihn doch auch begleiten. Doch realistisch betrachtet hatte er vollkommen recht. Sie war unbrauchbar, so aufgewühlt, wie sie war.
 

„Lass mich dir zur Bank helfen-”
 

„Ich finde sie allein.“, antwortete sie prompt, doch merkte auch augenblicklich, dass sie sich im Tonfall vergriffen hatte. Es sagte nicht ‚ich finde sie allein, mach dir bitte keine weiteren Umstände‘, sondern ‚verpiss dich, ich finde sie allein‘. Was sollte sie jetzt machen? Sollte sie sich erklären? Konnte sie sich überhaupt richtig erklären? Was wollte sie ihm überhaupt sagen?
 

Ihre Gedanken überschlugen sich, während, er seine Hände von ihrem Gesicht löste und ihr kurz darauf die Tüten reichte, die er zuvor zwischen seine Füße gestellt haben musste, um sich um sie kümmern zu können. Suzuki hielt seine Hand fest, weshalb der Blonde sie fast schon erwartungsvoll ansah. Was sollte sie jetzt sagen? Ihr Kopf war in solchen Momenten mit ihm immer unglaublich voll aber eigentlich leer.
 

„… sei bitte vorsichtig.“
 

Nanami atmete hörbar aus. Sie traute sich nicht zu ihm aufzusehen, zu warm fühlte sich ihr Gesicht gerade an. Eilige wandte die Grauhaarige sich ab und huschte zur nächsten Bank, die etwas abseits von größeren Menschenansammlungen stand. Obwohl es besser für Suzuki gewesen wäre, setzte sie sich nicht, sondern blieb stehen und ging unruhig vor der Bank auf und ab. Es waren sicher gut zwanzig Minuten, die sie so zu brachte. Erst jetzt hatte sie sich allmählich wieder beruhigt und setzte sich. Wie konnte sie nur immer so zwischenmenschlich ungeschickt sein? Einen guten Punkt hatte das Ganze ja: sie zerbrach sich so sehr den Kopf darüber, dass sie gar nicht über ihre etwas trübere Sicht nachdenken konnte. Auch die Farben wirken zwar etwas nüchterner, aber das was alles nichts, was spätestens morgen nicht wieder beim Alten sein würde. Nur das Pulsieren in ihrem Kopf würde die Grauhaarige noch eine Weile belästigen. Ein kaltes Gefühl an ihrer Wange ließ sie erschrecken und herumfahren. Nanami streckte ihr eine Flasche Tee entgegen. Sie blickte ihn ungläubig an. Hatte er sich um den Fluch gekümmert und ihr etwas zu trinken geholt? War er überhaupt ein Mensch? War er nicht eher ein Gesandter der Götter?
 

„… danke.“, erklärte sie gerührt und nahm die Flasche entgegen.
 

„Und die hier.“, er zog eine kleine Packung Schmerzmittel aus seiner Jackentasche. „Du hattest Shoko ja die Ohren vollgejammert, dass du nicht gut Tabletten nehmen kannst. Das ist wohl Pulver, hoffentlich wirkt das auch.“
 

„Hast du vielleicht überlegt, dich heilig sprechen zu lassen?“, fragte sie ihn mit einem gespielt ernsten Gesichtsausdruck.
 

„Was?“
 

„Vergiss es!“, entgegnete Suzuki lachend und nahm auch die Packung entgegen. Noch vor dem ersten Schluck Tee nahm sie das bittere Pulver zu sich, schüttelte sich heftig und trank fast die halbe Flasche in einem Zug.
 

„Ich danke dir, jetzt steh ich schon wieder in deiner Schuld, wie kann ich das wieder gut machen?“, fragte sie etwas kleinlaut. Ihr Geiz hoffte, dass er nicht Essen gehen wollte, doch ihr Gewissen wusste, dass selbst das noch viel zu wenig gewesen wäre.
 

„Ich brauch einen neuen Anzug. Jemand hat sich über die Nadelstreifen beschwert.“
 

Suzuki blickte zur Seite, als wüsste sie von nichts. Denn sie war es, die ihm das gesagt hatte. In der Zeit, in der sie blind war, hatte sie das Gefühl der Nadelstreifen irgendwann genervt und sie hatte sich bei ihm beschwert. Eigentlich hatte sie es keineswegs ernst gemeint. Ihr gefiel, wie er in Anzügen aussah, ganz gleich, was es für einer war, aber sie hätte besser wissen müssen, dass Nanami es ernst nahm.
 

„Ach echt, dass klingt doch vollkommen absurd, wer würde denn…“, brabbelte sie nervös vor sich her.
 

„Ich wäre heute gegangen, aber leider hat mein Herrenausstatter nicht geöffnet.“
 

„…, wenn es so dringend ist, finden wir sicher nächste Woche noch einen Tag dafür.“
 

„Dann schalte bitte dein Telefon ein, damit ich dich deswegen erreichen kann.“
 

Suzuki schluckte. Stimmt, sie müsste ihr Telefon wieder einschalten. War es wirklich so schlimm, wie sie es sich einbildete? Die Menschen, die sie anrufen wollten, wollten ihr ja nichts Böses. Also musste sie nur zurück in ihre Wohnung und… zurück in ihre Wohnung. Ihr schoss wieder das Bild ihres zugemüllten Apartments ins Gedächtnis. Ihr schnürrte die Erinnerung an die stickige Luft beinahe den Hals zu. Sie musste das alles wieder in den Griff bekommen. Es schien so unglaublich viel und irgendwie... unmöglich. Ihre Zweifel am Erfolg dieses Vorhabens mussten sie augenblicklich erbleichen lassen haben, denn Nanami legte vorsichtig seine Hand an ihre Stirn. Er blickte skeptisch.
 

„Steh lieber auf, nicht, dass dir noch zu kalt wird.“
 

Sie nickte, blieb aber fast regungslos sitzen, als wäre sie geistig gar nicht anwesend, während sie ihre Flasche zwischen den Händen knetete. Er musterte sie. Sie war gestresst, so gut kannte er ihr Verhalten mittlerweile.
 

„Kann ich dir irgend-”
 

„Hilf mir bitte.“, presste sie die Worte aus ihrer Kehle und blickte ihn bitter an, als würde sie jeden Moment an Ort und Stelle zu weinen beginnen.
 

Der Blonde war über ihre Worte überrascht, sie tat sich mit so etwas, wie direkt um Hilfe bitten, unglaublich schwer. Er war froh, dass diese Art von Worten überhaupt einen Platz in ihrem Vokabular hatten.
 

„Natürlich. Wie kann ich dir helfen?“
 

„…meine Wohnung. Ich… ähm… also… Kann ich bitte ein paar Nächte bei dir schlafen?“
 

Nanami nickte. Er hatte gesehen, wie der Zustand ihrer Wohnung war, nachvollziehbar, dass sie da erst einmal nicht hin zurückwollte, nachdem sie nach so vielen Tagen endlich mal wieder herausgekommen war.
 

„… und… also natürlich nur, wenn es dir keine Umstände bereitet… und du natürlich Zeit hast, ich weiß ja, du bist viel beschäftigt-”
 

„Nanami.“, unterbrach er ihre Endlosschleife an Entscheidungsfloskeln und sprach sie direkt an.
 

„… könntest du mir bitte beim Aufräumen helfen? Ich schaffe das nicht allein…“, fragte die Grauhaarige endlich, wobei sie noch immer die Flasche zwischen ihren Händen knetete und nervös herunterblickte.
 

„Das sollte kein Problem sein.“, erwiderte er und nahm ihr die Papiertüten mit den Büchern wieder ab.
 

Suzuki war wie zur Salzsäule erstarrt. Sie hatte ihre persönlichen Hürden überwunden und wurde dafür belohnt? Träumte sie das nicht gerade vielleicht? Das war doch zu schön, um wahr zu sein. Aber nein, Nanami, der sie erneut ansprach, da er weiter gehen wollte, war vollkommen real. Und auch die Worte hatte sie wirklich gerade ausgesprochen.
 

„… entschuldige bitte die Umstände, Kento.“
 

„Du machst mir keine Umstände.“
 

„Wirklich?“
 

„Solltest du mir Umstände machen, sage ich dir das ohne Umschweife.“
 

„…stimmt.“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Willkommen zurück,

heute mit einem Kapitel, dass eher in die Slice-of-Life Richtung geht.. Glaube ich zumindest ^^"
Dieses Kapitel hat mich auch mal wieder völlig unsicher zurückgelassen, weil ich nicht genau weiß, ob es das ausdrückt, was ich schreiben wollte. Ich hoffe, Suzukis Probleme, die ich dieses Mal besonders vorgehoben wollte, kommen auch so rüber. Zudem habe ich auch irgendwie versucht ihre Beziehung zu Nanami zu zeigen ohne "zu viel" zu zeigen.. hehe

Besonders bei diesem Kapitel würde ich mich wieder über Feedback und konstruktive Kritik freuen~ Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Dansi
2022-02-06T12:14:16+00:00 06.02.2022 13:14
Wuhuuu! Wieder ein neues Kapitel! Ich hab es so herbei gesehnt <3

Ich fand es extrem süß, wie du die beiden in diesem Kapitel dargestellt hast - wie du schon sagtest, ohne zu viel zu zeigen. Das war wirklich unglaublich schön zu lesen!
Auch die Probleme, die Suzuki hat, konnte man hier gut nachempfinden. Dieses Problem mit "ich möchte niemandem zur Last fallen, aber dennoch brauche ich Hilfe" darzustellen, stelle ich mir auch nicht gerade einfach vor, aber das hast du meiner Meinung nach super hinbekommen.
Auch Kento hast du hier wunderbar dargstellt... er ist einfach ein herzensguter Mensch, der sich für andere einsetzt, auch wenn das manchmal zu Lasten der eigenen Prioritäten geht. Hach...! Eigentlich müsste man ihn wirklich heiligsprechen *rofl* :D

Ich freu mich auf jeden Fall tierisch auf die Fortsetzung und bedanke mich ganz ganz herzlich, dass du mir gerade in dieser Zeit, wo ich den Kopf wegen Klausurstress kaum frei bekomme, geschafft hast, ein Grinsen aufs Gesicht zu zaubern und mir den Tag zu versüßen <3

*große Keksdose dalass*

Ganz liebe Grüße~~!!
Antwort von:  Knightwalker
06.02.2022 23:10
Vielen lieben Dank fürs Lesen und für deine lieben Worte!
Jetzt bin ich mittlerweile fast schon froh, es so geschrieben zu haben, wie ich es geschrieben habe. Danke dir!

Besonders bei Suzuki war ich immer wieder am grübeln, ob ihr rumgedrugse nicht vielleicht nervig zu lesen wäre, aber ich glaube, es war genau die richtige Menge, um ihren Punkt ein wenig verstehen zu können.

Und Kento ist einfach pures Gold. Kurz zeitig dachte ich wirklich so für mich, "ich stelle diesen Mann zu gut da" und etwas später hab ich den Kopf geschüttelt und gedacht, "nein, da ist noch Luft nach oben" :D
Sie hat ihm ja immerhin irgendwie das Leben gerettet.. Könnte man behaupten hehe

Ich hatte bis vor ein paar Tagen auch den Kopf voll mit Klausuren und bin umso froher, dass ich das Kapitel sozusagen vorbereitet hatte, um es wieder Anfang des Monats hochladen zu können!
Ich wünsche Dir also ganz viel Erfolg!

*Keksdose wie eine Trophäe anheb*

Ich hoffe, wir lesen uns wieder zum nächsten Kapitel!


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