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Dein rettendes Lachen

von

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Familie

Wieder wanderte ich durch die Gänge des Krankenhauses. Diese Wände waren mir mittlerweile viel zu vertraut. Aber bald hatte das alles ein Ende. Nur noch zwei Wochen, dann soll mein Vater entlassen werden. Nach meinem Gespräch mit Doktor Arisawa wollte ich zu ihm. Ich wollte wissen, warum er so gegen dieses Treffen mit meiner… Großmutter war. Allein der Gedanke, dass ich tatsächlich noch Verwandtschaft, außer meinem Vater, hatte, war befremdlich. Auf der anderen Seite war ich glücklich darüber, dass es so war. Vielleicht wollte ich auch nur die ganze Geschichte kennen. Ich wollte mir selbst ein Urteil über diese Frau bilden, doch dafür musste ich beide Seiten kennen.
 

Noch einmal atmete ich tief durch, ehe ich an der Tür meines Vaters klopfte. Zu meiner Überraschung bekam ich keine Antwort. Ich sah durch die Lamellen am Fenster, doch konnte ich ihn nicht im Zimmer entdecken. Wo ist er? „Suchst du Hakase?“ fragte mich plötzlich eine helle Stimme. Ich fuhr herum und sah eine Krankenschwester vor mir, die mir freundlich zulächelte und auf eine Antwort wartete. „Ja, wissen Sie wo er ist?“ Sie nickte. „Er ist im Gemeinschaftsraum. Du gehst einfach den Gang entlang, auf der rechten Seite kommt eine Doppeltür. Du kannst sie nicht verfehlen.“ Ich bedankte mich und folgte ihrer Beschreibung. Seltsam. War er vorher jemals außerhalb seines Zimmers, wenn er nicht gerade eine Behandlung hatte?
 

Kurze Zeit später trat ich durch eine Doppeltür und sah mich etwas um. Im Raum verteilt standen einige Tische, an denen mehrere Patienten saßen. Einige spielten Brettspiele, einige unterhielten sich einfach nur. An einer Seite des Raumes sah ich zwei Krankenpfleger, dessen Blicke über die Patienten schweiften. Der Raum war erfüllt von verschiedenen Stimmen, die angeregt miteinander redeten. Etwas abseits, am Fenster, entdeckte ich meinen Vater allein an einem der kleinen Tische sitzen. Als ich auf ihn zuging, zuckten meine Mundwinkel etwas nach oben. Er saß vor einem Schachbrett und spielte schon wieder eine Partie mit sich selbst. Das hatte er früher oft gemacht, wenn er nachdenken wollte. Irgendwie war ich erleichtert über diesen Anblick. Es hatte schon fast etwas von Normalität.
 

„Kann ich mich dazusetzen, oder störe ich dich bei deiner Grübelei?“ fragte ich und setzte ein Lächeln auf.

Er sah überrascht auf. „Oh, was machst du denn schon hier?“

„Schon?“ lachte ich und setzte mich ihm gegenüber. „Es ist schon nach fünf.“

Sein Blick wanderte zu der Wanduhr. „Entschuldige, ich habe wohl die Zeit vergessen“ sagte er und grinste schief.

Ich winkte ab. „Kein Problem. Über was denkst du denn nach?“

„Die Übermacht der Dame“ antwortete er knapp und stellte die Figuren wieder in ihre Ausgangsposition.

„Was meinst du damit?“

„Nicht so wichtig“ sagte er und nahm sich zwei Bauern unterschiedlicher Farbe. „Lust auf ein Spielchen?“

„Wozu, wenn der Ausgang schon klar ist?“ fragte ich missmutig. In all den Jahren hatte ich nie gegen ihn gewonnen.

„Seit wann gibst du schon vor dem Anpfiff auf?“

„Komm mir jetzt nicht mit Analogien.“

Er lachte und hielt mir seine geschlossenen Hände hin. Ich seufzte. „Rechts.“
 

Seine rechte Hand öffnete sich. „Weiß“ sagte er und stellte die Figuren wieder hin. „Dein Zug.“

„Na schön“ sagte ich und setzte meinen Springer nach vorn. Er setzte seinen Bauern und befreite so seinen König. Verdammt.

„Du bist doch Taktiker“ sagte er. „Wie kommt es dann, dass du denselben Eröffnungsfehler immer wieder machst?“

„Ich habe eben ewig nicht gespielt“ verteidigte ich mich und setzte den nächsten Bauern. „Naomi hat mich gestern übrigens angerufen.“

Er baute seine Verteidigung weiter aus. „Ich weiß. Entschuldige, aber ich kann hier drin ja nicht telefonieren.“

„Ja, aber was sollte das? Du kanntest doch meinen Standpunkt.“

„Du hast dich also mit ihr getroffen“ schlussfolgerte er. In seiner Stimme konnte ich seine Verärgerung heraushören, auch wenn er versuchte sie zu verstecken.

Ich nickte, ging in den Angriff über und schnappte mir seinen Springer. „Warum wolltest du nicht, dass ich mich mit ihr treffe?“

„Ich wollte dich nur beschützen“ sagte er und schlug meinen Läufer.

Ich nahm seinen Bauern an mich und stellte ihn ins Schach. „Ich bin alt genug, du brauchst mich nicht immer beschützen wollen.“

„Du kennst sie nicht“ sagte er und brachte seinen König in Sicherheit.

Wieder brachte ich ihn ins Schach. „Natürlich nicht, aber sie hat mir alles erzählt. Ich verstehe nur nicht, warum du so sauer auf sie bist.“

Natürlich befreite er sich aus der Situation. „Ich bin gespannt. Was hat sie denn gesagt?“
 

Ich seufzte. Wie kann ich denn drei Stunden Gespräch kurz zusammenfassen? „Sie hat sich für alles entschuldigt und war wirklich nett. Sie wollte Mama damals nicht verstoßen, aber sie hatte Angst vor ihrem Mann, deswegen hat sie sich nicht gegen ihn gestellt.“

„Sie hatte Angst um ihre Position“ unterbrach er mich. „Dame auf A5, Schach.“

Wie kann man nur so stur sein? Ich tauschte meinen König gegen den Turm. „Was macht dich da so sicher?“

„Sie ist eine durchtriebene Schlange, die sich darauf versteht, andere durch ihre Lügenkonstrukte zu manipulieren.“
 

Ich sah ihn überrascht an. So feindselig kannte ich meinen Vater gar nicht. Er verstand sich doch sonst immer mit fast allen Leuten und ich hatte ihn noch nie schlecht über andere reden hören. „Was hat sie getan, dass du dir da so sicher bist?“ Irgendwas musste doch dahinterstecken.

„Das ist eine lange Geschichte, die Details will ich dir ersparen. Als ich deine Mutter damals kennenlernte, dachte ich wie du. Ihr Vater versteckte seine Missachtung für mich nicht. Ihre Mutter hingegen hatte nichts gegen unsere Beziehung. So dachte ich zumindest. Aber sie war es, die Miako damals das Ultimatum gesetzt hatte.“
 

„Was macht dich da so sicher?“ fragte ich zögerlich. Natürlich wusste ich, dass sich ihre Geschichten nicht decken würden, aber damit hatte ich nicht gerechnet. „Deine Mutter hat es mir unter Tränen selbst gesagt. Ich verstand die Welt nicht mehr und habe Kazuko zur Rede gestellt. Sie hat natürlich alles abgestritten und ihr Mann sagte zu der ganzen Sache nur, dass er seine Frau in dieser Entscheidung unterstützen wollte. Ich war verzweifelt und habe mit deiner Mutter gesprochen. Ich wollte nicht, dass sie wegen mir ihre Familie aufgibt, aber sie hat nicht gezögert und sich letztendlich dazu entschieden bei mir zu bleiben. Kurz darauf wurde die Drohung wahr und sie wurde von ihren Eltern verstoßen. Wir zogen von Tokio nach Osaka. Ihr hat das Ganze fast das Herz zerrissen. Egal was sie getan haben, sie waren noch immer ihre Eltern und sie liebte sie. Ganz darüber hinweggekommen ist sie vermutlich nie.“
 

„Aber… was ist, wenn sie nicht gelogen hat? Vielleicht hat Mama sie nur falsch verstanden.“

Er seufzte. „Sei bitte nicht so naiv, Yusei. Glaubst du wirklich, deine Mutter hätte mir das erzählt, wenn sie nicht wirklich ganz sicher gewesen wäre?“

Ich senkte den Blick. Was soll das ganze bedeuten? Mein Vater hatte keinen Grund mich anzulügen, das hatte er bisher nie getan, aber ich war mir so sicher, dass diese Frau mir die Wahrheit gesagt hatte. „Was hat sie dir eigentlich gesagt als sie dich besucht hat?“ fragte ich leise.

Mein Vater machte seinen nächsten Zug. „Sie wollte sich bei mir entschuldigen, aber ich habe sie rausgeschickt. Was sie damals getan hat, lässt sich nicht so einfach vergeben.“
 

Ich sah auf das Spielfeld. Was sollte ich von der Situation nur halten? Ich war eingekesselt. „Weißt du… Ich glaube wirklich, dass sie das Ganze bereut.“

„Selbst wenn du mit deiner Vermutung richtig liegst, kann ich ihr nicht verzeihen. Sie hat versucht unsere Beziehung zu zerstören und deiner Mutter das Herz gebrochen. Könntest du ihr an meiner Stelle vergeben?“
 

Ich sah noch immer auf das Spielfeld. Könnte ich ihr verzeihen? Ich wollte wirklich, dass mein Vater unrecht hatte. „Hast du nicht mal selbst gesagt, dass Familie das Wichtigste ist?“ fragte ich und setzte meinen Turm, um den König zu schützen.

„Was mich betrifft, gehört sie nicht zur Familie“ sagte er kalt und setzte seinen König in den Angriff.

„Für mich schon“ erwiderte ich und sah auf.

Mein Vater blickte mir einen Moment tief in die Augen. Seine Gesichtszüge wurden angespannt. „Ich kann dich nicht aufhalten, Yusei. Nur warnen. Wenn du sie wirklich kennenlernen willst, bitte. Aber erwarte nicht, dass wir plötzlich heile Familie spielen können. Ich traue ihr nicht. Das habe ich vielleicht früher, aber ich kann das nicht mehr.“
 

Wieder mied ich seinen Blick. Er war in seiner Meinung einfach zu festgefahren. Er war verletzt. Vielleicht hatte er wirklich recht, und es war eine schlechte Idee sie näher kennenzulernen, aber vielleicht lag er auch falsch. Plötzlich fiel mir etwas auf und ich sah meinen Vater ernst an. Ich wollte daran glauben, dass sie die Wahrheit gesagt hatte. Ein Lächeln legte sich plötzlich auf seine Lippen. „Du hast ein gutes Herz, mein Junge. Pass nur auf, dass dir das nicht mal zum Verhängnis wird.“
 

„Ich glaube daran, dass Menschen sich ändern können“ sagte ich bestimmt und setzte meine Dame vor seinen König. „Schachmatt.“
 

~*~
 

Ich wusste noch immer nicht, was ich von all dem halten sollte. Aber selbst wenn es wahr sein sollte, was mein Vater gesagt hatte, war ich dennoch sicher, dass sich Menschen ändern konnten. Unangenehm an der ganzen Sache war nur, dass ich zwischen zwei Stühlen stand. Ich wollte mich nicht auf die Seite meines Vaters oder meiner Großmutter stellen. Im Idealfall würden sich die beiden einfach verstehen, aber mir fiel einfach nicht ein, wie ich das anstellen sollte. Ich musste mir irgendwas überlegen.
 

Am nächsten Tag sammelte sich meine Mannschaft pünktlich auf dem Fußballplatz hinter unserer Schule. Anders als bei unseren bisherigen Spielen, waren die Tribünen tatsächlich gut gefüllt. Selbst Sensei Ushio stand am Spielfeldrand, um uns zuzusehen. „Wer hätte das gedacht“ sagte Crow breit grinsend. „Da müssen wir erst kurz vor der Regionalmeisterschaft stehen, ehe sich die anderen mal für eines unserer Spiele interessieren.“

„Erhöht irgendwie den Druck, meint ihr nicht?“ bemerkte Aster unsicher.

Jaden klopfte ihm mit etwas zu viel Schwung gegen die Schulter. „Mach dir doch keinen Kopf. Wir sind top vorbereitet!“

„Jaden hat recht“ meldete sich Jack zu Wort. „Die Pfeifen stecken wir locker in die Tasche.“

Ich war mir da nicht so sicher wie Jack. Einer der Spieler kam mir von der letzten Regionalmeisterschaft bekannt vor.

Jim wedelte mit seiner Hand vor meinem Gesicht herum. „Hallo, Erde an Yusei?“

„Hm?“

Auch die anderen sahen mich verwundert an.

„Warum starrst du die andere Mannschaft so an?“ fragte Hiroshi.

„Die Nummer 10“ sagte ich und mir fiel wieder ein, wann ich gegen ihn angetreten war. „Ich habe vor zwei Jahren im Finale gegen ihn gespielt.“

„Die Mannschaft war im Finale?“ fragte Aster. Man sah ihm an, dass seine Nervosität zunahm.

Ich schüttelte den Kopf. „Nein, nur die Nummer 10.“

„Na und?“ meinte Jaden und drehte sich zu Aster. „Yusei war doch auch im Finale und seine Mannschaft hat gewonnen.“

„Auf welcher Position war er denn?“ fragte Jack.

„In der Abwehr, aber er hat sich irgendwie verändert.“

„Inwiefern?“

„Keine Ahnung. Wachstumsschub? Ich hätte schwören können, er war kleiner und schmaler, aber ich kann mich auch irren.“
 

Auch er sah zu mir rüber und sein Blick wurde ernst. Ob er mich auch erkannt hat? „Wie hat er denn gespielt?“ fragte Ohara. Ich zuckte mit den Schultern. „Ganz gut. So viel kann ich über ihn nicht sagen, er wurde erst im letzten Drittel der zweiten Halbzeit eingewechselt, weil sich sein Vorgänger beim Zweikampf mit Kalin verletzt hat.“

„Na toll, dann hat er einen Vorteil“ bemerkte Leo.

„Was meinst du?“ fragte Crow.

Jim verzog das Gesicht. „Das bedeutet, dass er Yuseis Spiel kennt, aber andersrum nicht.“

„Jetzt kommt mal runter“ lachte Jaden. „Das war vor zwei Jahren. Lasst euch doch nicht von einem einzigen Abwehrspieler so verrückt machen.“
 

„Sag mal, Aster“ sagte Leo und deutete in die Richtung der Tribünen. „Ist das da nicht deine Familie?“

Unsere Blicke wanderten zu den Plätzen und wir entdeckten zwei sehr liebevoll gestaltete und extrem auffällige Plakate, die von vier euphorischen Personen hochgehalten wurden. Aster knallte seine flache Hand gegen die Stirn, während der Rest sich ein Lachen verkniff. „Oh Mann!“

„Ist doch süß“ sagte Jim und versuchte angestrengt sich zu beherrschen.

Als Antwort bekam er einen verzweifelten Blick. „Du hast gut reden, deine Eltern benehmen sich nicht so peinlich!“

In dem Moment konnten sich Jaden und Crow nicht mehr zurückhalten und lachten schallend los.

„Nimm das nicht so schwer“ sagte ich aufmunternd. „Sie freuen sich nur für dich. Meine Eltern haben sich beim Finale ähnlich aufgeführt.“

„Das ist was anderes“ meinte er verzweifelt. „Das war das Finale. Zumindest benehmen sie sich heute nicht so!“
 

Für einen kleinen Moment verschwand meine gute Laune. Auch wenn ich mich mit meiner Situation abgefunden hatte, war der direkte Vergleich zu meinen Freunden doch schmerzhaft. „Nein, da hast du recht“ murmelte ich. Jaden trat an meine Seite, lächelte aufmunternd und drückte einen Augenblick lang meine Hand. Ich schmunzelte. Er hatte recht. Ich war nicht allein mit meiner Situation. Er, seine Familie und meine Freunde waren bei mir.
 

„Anscheinend geht es los“ bemerkte Jack und wir nahmen unsere Positionen ein. Zu meiner Überraschung saß der Typ mit der Nummer 10 auf der Bank. Entgegen meiner Erwartung hatten Crow und Jack absolut recht mit ihrer Prognose. Wir machten unsere Gegner in der ersten Hälfte der ersten Halbzeit regelrecht fertig. Sie kassierten fünf Tore, vier davon durch mich, während sie es nicht schafften durch unsere Abwehr zu kommen. In der zweiten Hälfte wurde die gegnerische Nummer 10 eingewechselt. Sein Spiel war aggressiv, aber immer noch regelkonform, sodass der Schiedsrichter die Tackles nicht pfeifen konnte. Er machte es Jaden und mir wirklich schwer durchzukommen, aber ein Tor konnten wir bis zur Halbzeit trotzdem noch schießen.
 

Als der Pfiff ertönte, erkannte ich, warum die Nummer 10 erst in der zweiten Hälfte eingewechselt wurde. „Er hat keine Kondition“ sagte ich zu den anderen.

Auch Jack und Crow warfen ihm einen Seitenblick zu. „Stimmt, der ist komplett aus der Puste.“

„Wahrscheinlich werden sie ihn die erste Hälfte wieder nicht spielen lassen“ schlussfolgerte Jaden.

Jack verschränkte seine Arme vor der Brust. „Ist das nicht egal? So wie die spielen, machen wir sie ohnehin haushoch fertig. Den Vorsprung holen die nie auf.“

„Stimmt schon“ bestätigte ich seine Aussage. „Um uns für die Regionals zu qualifizieren, brauchen wir nur drei Punkte Vorsprung. Aktuell haben wir sechs.“

Jaden sah mich zuversichtlich grinsend an. „Großartig, nicht? Aber unsere Wertung wird besser, wenn wir ein paar mehr schaffen. Wenn der Kerl wieder eingewechselt werden sollte, lass uns die Positionen tauschen.“

Ich sah ihn fragend an. „Warum?“

„Der Kerl hat sich auf dich eingeschossen. Du hast einfach zu viele Punkte gemacht. Wenn er aber mich decken muss, kommst du besser durch.“

„Klasse“ grinste Crow. „Dann lasst uns die Typen fertig machen!“

Auch die anderen stimmten freudig zu.
 

Anders als Jaden erwartet hatte, saß die Nummer 10 in der ersten Hälfte nicht auf der Bank, sondern stellte sich gleich in die Startaufstellung. Als er auf den Platz kam, warf er mir einen finsteren Blick zu. Etwa nur, weil ich ein paar Tore geschossen hatte? „Du hast recht“ sagte ich als Jaden auf mich zukam.

Auch er sah kurz zu dem Kerl. „Sag ich doch. Hattet ihr damals irgendeine Auseinandersetzung?“

„Nicht, dass ich mich erinnern könnte“ überlegte ich laut.

Jaden zuckte nur mit den Schultern und grinste. „Ist eh nur noch die eine Halbzeit und es steht 6:0 für uns, die machen wir fertig!“
 

Ich nickte schmunzelnd und wir wechselten unsere Positionen. Jaden hatte recht. In der kurzen Zeit war es so gut wie unmöglich, dass sie diesen Vorsprung aufholen könnten. Ihr Angriff war einfach zu schlecht. Kurz nach dem Pfiff war ich wieder im Ballbesitz und stürmte auf das gegnerische Tor zu. Ich ließ den ersten Abwehrspieler hinter mir, sah kurz nach rechts und riss erschrocken die Augen auf. Der Typ mit der Nummer 10 hatte seine Position verlassen und kam mit einer ziemlichen Geschwindigkeit auf mich zu. Um noch zu reagieren, war es bereits zu spät. Plötzlich spürte ich einen dumpfen Kopfschmerz und im nächsten Moment war alles schwarz.
 

Ich sah Sternchen vor meinen Augen und fühlte, dass ich fiel. Alles drehte sich. Ich konnte nichts machen. Im nächsten Moment landete ich auf dem harten Boden. Ich hörte ein Knacken und ein unglaublicher Schmerz durchzog meinen Körper. Mir blieb die Luft weg. Verschwommen erkannte ich den grünen Rasen unter mir. Ein schriller Pfiff ertönte. Er war unerträglich laut. Ich stützte mich mit meinem rechten Arm am Boden ab und versuchte aufzustehen. Der Schmerz ließ mich die Augen zusammenkneifen und ich zog scharf die Luft ein, krallte meine Finger in das weiche Gras. Keine Ahnung was schlimmer war. Die Kopfschmerzen oder diese Schmerzen in meiner linken Schulter. Etwas benommen versuchte ich mich aufzusetzen, wurde aber im nächsten Moment von jemandem gestützt. Ich unterdrückte weniger erfolgreich einen Aufschrei, denn derjenige versuchte mich an meiner linken Schulter zu stützen und ein erneuter, unglaublicher Schmerz durchzuckte meinen Körper. Jetzt wusste ich was schlimmer war. Schnell zog die Person ihre Hand zurück und ich versuchte die Augen zu öffnen. Jaden kniete vor mir und sah mich erschrocken an.
 

Ich hatte es endlich geschafft mich aufzusetzen und versuchte ihn zu beruhigen. „Schon gut, ist nicht so schlimm“ presste ich hervor, wurde aber vom nächsten Schmerz für meine Lüge gestraft. „Es… tut nur weh, sonst geht’s.“
 

„Bist du bekloppt?“ brach es aus ihm heraus. Oh Gott, bitte nicht so laut! „Du blutest!“ Was? Ich sah zu meiner Schulter, konnte aber kein Blut erkennen. „Nicht da, über dem Auge!“ Meine Hand wanderte zu meinem Kopf und sofort bereute ich diese unglaublich dämliche Handlung. Ich zuckte zusammen. Es tat verdammt weh. Aber er hatte Recht. Da war Blut an meinen Fingern. „Ist nur eine Platzwunde“ sagte ich. „Die bluten immer so stark.“
 

Jaden sah ruckartig zur Seite und stand im nächsten Moment auf, um zwei Personen Platz zu machen. Ihrer Kleidung nach Sanitäter. Der eine legte eine Trage neben mir ab. „Meine Beine funktionieren noch“ protestierte ich und machte Anstalten aufzustehen, wurde aber im nächsten Moment durch einen plötzlichen Schwindel daran gehindert.

„Das glaube ich sofort, aber du wanderst hier trotzdem nicht rum“ sagte der eine Mann. „Wie heißt du denn?“

„Yusei Fudo.“

Der andere stellte gerade eine Tasche ab. „Hast du starke Schmerzen, Yusei?“

„Geht schon“ presste ich hervor. Zumindest, wenn ich mich nicht bewege.

„Kommst du allein auf die Trage, oder brauchst du Hilfe?“

Meine Motivation mich auf dieses Ding zu legen und dann von den beiden vom Spielfeld getragen zu werden, ging gegen Null. Allerdings schaffte ich es nicht mich aufzurichten. So wie ich mich in diesem Moment fühlte, würde ich vermutlich gleich wieder umkippen. Es hatte keinen Zweck. Widerwillig rutschte ich mit der Hilfe von Jaden und den Sanitätern auf die Trage und versuchte meinen verdammten Arm dabei nicht zu bewegen. Ich drehte meinen Kopf etwas zur Seite und sah an dem Typen rechts von mir vorbei. Jack stritt sich gerade mit einem unserer Gegner. Um ihn herum standen Crow, Jim und der Schiedsrichter.
 

Während ich von den beiden vom Spielfeld getragen wurde, schloss ich meine Augen, um zumindest den Blicken der Zuschauer zu entkommen. Kurz darauf war ich im Sanitätsraum der Sporthalle. Dort wartete schon eine Notärztin. Die Sanitäter gaben ihr einen kurzen Abriss der Situation. „Na schön“ sagte sie schließlich und sah mich an. „Wo sind die Schmerzen denn am stärksten?“ Mir dröhnte der Kopf, und meine linke Schulter tat höllisch weh. Also gab ich beides an. Sie nickte. „Schaffst du es, dein Trikot auszuziehen?“ Mit Mühe und Hilfe schaffte ich es, mich aufzusetzen. Als ich mein Oberteil jedoch ausziehen wollte, hob ich unweigerlich meinen Arm dabei an und konnte einen Aufschrei nicht unterdrücken. „So wird das nichts“ bemerkte die Ärztin und wies mich an, mich wieder hinzulegen. Drei Schnitte mit der Schere später hatte sie das Problem gelöst. In dieser Situation war mir der Zustand meiner Klamotten herzlich egal.
 

„Die ist ziemlich sicher durch“ murmelte sie einem der Sanitäter zu. Was ist durch? „Ich werde dich jetzt abtasten. Solltest du an irgendeiner Stelle Schmerzen haben, sag bitte Bescheid.“ Ich deutete ein Kopfnicken an. Mir dröhnte zwar nach wie vor der Schädel, aber zumindest wurde es bei Berührungen nicht schlimmer. Die Stelle mit der Platzwunde ließ sie zum Glück aus. Auch meine Schulter fasste sie nicht an, wofür ich ihr still dankte. „Spürst du das?“ fragte sie. Ich spürte eine Berührung an meiner Hand und deutete ein Kopfnicken an. „Welchen Finger berühre ich?“ fragte sie gezielt nach. „Ringfinger“ antwortete ich knapp. „Kannst du deine Hand bewegen?“ Ich versuchte es und ballte meine linke Hand zu einer Faust. „Sehr schön. Wie sieht es mit deinem Unterarm aus?“ Es tat höllisch weh, aber kurz anheben konnte ich ihn. Im Augenwinkel konnte ich sie zufrieden nicken sehen, dann sah sie mich wieder an. „Kannst du mir auf einer Skala von eins bis zehn sagen wie stark die Schmerzen sind? Eins heißt dir geht es gut, zehn bedeutet Gesicht in die Fritteuse gehalten.“ Was für ein Vergleich. Wären die Schmerzen nicht, hätte ich vermutlich darüber gelacht. Ich überlegte kurz. „Sieben.“
 

Sie lächelte und wies einen der beiden Männer an, mir einen Zugang zu legen. Kurz darauf spürte ich eine Nadel an meinem Handrücken. Sie schlossen irgendeinen Schlauch an, aber wirklich konzentrieren konnte ich mich nicht darauf. Ich hatte das Gefühl, die Kopfschmerzen wurden langsam stärker. Genauso wie das Pochen in meiner Schulter. Vage hörte ich das Gespräch zwischen den Leuten um mich herum. Irgendwas wollten sie mir spritzen. Kerosin… Keta… Ketamin? Mir war so schwummrig. Das andere war Dormammu… Nein, Dormicum. Diese verdammten Kopfschmerzen!
 

„Ich gebe dir jetzt ein Schmerzmittel, dann wird es gleich besser“ sagte der eine Mann plötzlich und ich sah wieder auf. Allmählich verebbten die Schmerzen und ich entspannte mich etwas. Der Mann zu meiner Rechten hielt mir irgendwas gegen die Schläfe. Ich war mit einem Schlag so müde. Über irgendwas unterhielten die anderen sich noch, aber ich konnte mich nicht mehr darauf konzentrieren. Irgendwas mit Stabilisieren. Ich wollte einfach nur noch meine Augen schließen.
 

„Yusei?“ Ich sah wieder auf und musste mehrmals blinzeln. Es war einfach zu hell. Im Hintergrund hörte ich ein gleichmäßiges Piepen. Meine Umgebung hatte sich verändert. Ich war nicht mehr in dem Raum in der Sporthalle. Hier war es viel enger. Jaden stand neben mir. Ich konnte den Ausdruck in seinen Augen einfach nicht einordnen. Das Denken funktionierte nur noch träge. Blödes Schmerzmittel. „Geht’s wieder?“ fragte er. „Ja, geht schon“ antwortete ich schläfrig und versuchte ein Lächeln zustande zu bringen. Ich hatte allerdings das Gefühl, dass mein Versuch kläglich scheiterte. „Die wollen dich ins Krankenhaus fahren“ sprach er weiter. „Überlass den Rest einfach uns, Leo springt für dich ein.“ Ins Krankenhaus fahren? Bin ich im Rettungswagen?
 

„Okay“ sagte ich und stellte erleichtert fest, dass er ein Lächeln aufgelegt hatte. „Meine Mutter und ich holen dich nach dem Spiel wieder ab, okay?“ Ich deutete ein Nicken an. „Viel Glück“ murmelte ich noch und Jaden gab mir vorsichtig einen Kuss auf die Wange. Ich hörte, wie eine Tür sich schloss. „Die Fahrt dauert nicht lang“ sagte der Mann neben mir. „Im Krankenhaus werden deine Verletzungen versorgt. Deine Schulter muss geröntgt werden und um deine Platzwunde muss sich auch gekümmert werden.“
 

„Entschuldigen Sie, Sie dürfen hier nicht rein.“ hörte ich eine leise Stimme. „Wer sind Sie?“ Das war der andere Mann. Er war außerhalb des Wagens. Eine andere Stimme antwortete ihm, aber ich verstand sie nicht. Kurz darauf stieg jemand ein und ich sah überrascht zur Seite. „Was machst du denn hier?“ murmelte ich.
 

* Die Sicht von Jaden *
 

In der Notaufnahme wuselten einige Pfleger und Krankenschwestern herum. Ich saß mit meiner Mutter schon über eine halbe Stunde im Wartebereich herum, zusammen mit einem Duzend anderer Leute. Davor hatte es schon eine halbe Ewigkeit gedauert, ehe wir endlich herausgefunden hatten, wo Yusei steckte. Ich hatte echt Angst, als er von diesem Kerl einfach umgenietet wurde und dann für einen Augenblick regungslos am Boden lag. Ich hatte nichts machen können. Ich hatte einfach hilflos neben ihm gestanden, während er von den Sanitätern verarztet wurde. Und jetzt saß ich hier und wartete darauf, dass ich endlich zu ihm konnte. Meine Nervosität brachte mich fast um. „Oh Mann!“ beschwerte ich mich, stand ruckartig auf und erschreckte dabei den älteren Mann neben mir. „Wie lange dauert denn so eine Operation?!“
 

„Jaden, sei doch bitte nicht so laut!“ wies mich meine Mutter zurecht. Grummelnd setzte ich mich wieder. Sie seufzte. „Ich habe es dir doch schon erklärt. Der Eingriff dauert je nach Behandlungsart bis zu 45 Minuten. Er ist doch erst seit 20 Minuten im OP. Er hatte wirklich Glück, dass überhaupt ein OP-Raum frei war, weil eine andere verschoben werden musste.“

„Schon, aber warum muss er überhaupt operiert werden? Ich denke es ist nur ein Bruch?“

Meine Mutter schüttelte etwas verzweifelt den Kopf. „Du kannst ein Schlüsselbein nicht eingipsen. Es wird eine Platte eingesetzt, damit der Bruch heilen kann. Das habe ich dir doch vorhin schon erklärt.“

„Hat Opa nicht mal die gleiche Verletzung gehabt? Er wurde auch nicht operiert.“

„Ja, aber bei ihm war der Bruch auch nicht verschoben. Und jetzt beruhige dich bitte, du machst mich mit deinem Rumgehüpfe noch ganz nervös. Mal ganz abgesehen von den Leuten um uns herum.“ Mit diesen Worten hob sie wieder ihre Zeitschrift an.
 

Ich sah mich um. Mich starrten tatsächlich einige verwirrte Augenpaare an. Ich versank förmlich in meinem Sitz und kramte mein Handy heraus, um mich etwas abzulenken. So ganz klappte das allerdings nicht. Ich hatte immer noch einen Haufen unbeantworteter Nachrichten von meinem Team, die sich nach Yusei erkundigen wollten. Ich seufzte lautlos und begann endlich damit, sie zu beantworten. Das beschäftigte mich tatsächlich eine ganze Weile. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem eine Ärztin den Wartebereich betrat und einen Namen aufrief, der mich überrascht aufsehen ließ.
 

„Frau Fujigawa, Kazuko?“ Ich brauchte einen Augenblick, um den Namen einzuordnen. Währenddessen stand eine ältere Frau, mit brünetten, hochgesteckten Haaren auf und folgte der Ärztin. „Was macht die denn hier?“ murmelte ich. Und woher weiß sie, dass er hier ist?

„Hm?“ Meine Mutter sah von ihrer Zeitschrift auf. „Wen meinst du, Spätzchen?“

„Yuseis Oma.“

Sie zog fragend eine Augenbraue nach oben. „Er hat doch keine Großeltern mehr.“

Oh, den Teil hatte ich vergessen ihr zu erzählen. „Doch von seiner Mutter. Mit ihr hat er sich vor zwei Tagen getroffen.“

Sie schaute mich gleichzeitig verwirrt und überrascht an. „Mir erzählt wirklich niemand mehr was.“

Ich grinste. „Jetzt sei nicht gleich beleidigt. Er hat es mir auch erst gestern erzählt.“

„Aber wie kann das denn sein? Hakase hat sie bisher mit keinem Wort erwähnt.“

Ich zuckte mit den Schultern. „Die sind sich wohl nicht ganz grün. Du hast doch seine Reaktion nach ihrem Besuch mitbekommen.“

„Wie geht es Yusei damit?“

„Naja, er will sie kennenlernen, aber sein Vater ist sauer auf sie. Er weiß nicht genau was er machen soll.“

„Hm.“ Sie dachte nach und fixierte einen Punkt an der gegenüberliegenden Wand. „Er sollte das mit seinem Vater wirklich klären, wenn es ihm wichtig ist. Zur Not kann ich mal mit Hakase reden.“

„Weißt du was mich mehr wundert?“

Sie sah wieder zu mir.

„Woher sie weiß, dass er im Krankenhaus ist.“

„Vielleicht war sie bei eurem Spiel dabei. Ich habe vom Spielfeldrand aus eine Frau in den Rettungswagen steigen sehen.“

Ich verzog das Gesicht. „Worauf achtest du eigentlich alles?“

Das entlockte ihr ein Kichern. „Als Mutter braucht man einen Rundumblick. Ohne den hätte ich dich schon wer weiß wie oft im Einkaufszentrum verloren, so oft wie du mir ausgebüxt bist.“

„Jetzt komm mir nicht mit alten Kamellen“ grummelte ich.
 

„Naomi? Jaden?“ Wir sahen auf. Eine der Krankenschwestern stand im Eingang des Wartebereichs und sah uns erwartungsvoll an. Schnell sprang ich auf und lief zu ihr. Meine Mutter folgte mir in ruhigerem Tempo. „Können wir endlich zu ihm?“ fragte ich aufgeregt. Die Frau lächelte. „Ja, es ist alles gut verlaufen. Er ist gerade aufgewacht.“
 

* Die Sicht von Yusei *
 

Langsam öffnete ich die Augen und versuchte sie an die Helligkeit zu gewöhnen. Ich starrte an eine weiße Decke über mir. Meine Sicht war verschwommen. Wo bin ich? Eine Berührung an meiner Hand. Ich drehte meinen Kopf und spürte ein dumpfes Pochen in meinem Arm. Neben mir stand eine Frau. Meine Sicht war noch immer nicht ganz klar, aber ich erkannte sie. „Mama?“ murmelte ich und blinzelte mehrmals. Ich wollte sie endlich klar vor mir sehen. Sie drückte meine Hand fester und ich schloss für einen Moment meine Augen.
 

Ich hörte, wie eine Tür sich öffnete und kurz darauf wieder ins Schloss fiel. Wieder öffnete ich meine Augen. Jemand kam auf mich zu. Eine Frau in einem weißen Kittel. Eine Ärztin? Bin ich im Krankenhaus? Was ist passiert? Stimmt, das Fußballspiel. Ich wurde umgerannt und ins Krankenhaus gebracht. „Wie fühlst du dich, Yusei?“ fragte die Ärztin. Ich versuchte sie zu fixieren. Meine Sicht wurde besser. „Überfahren“ murmelte ich und hörte ein Lachen.
 

„Kann ich mir gut vorstellen. Weißt du noch was passiert ist?“

„Ja“ sagte ich leise. „Ich wurde beim Spiel gefoult.“ Meine Zunge fühlte sich wahnsinnig schwer an.

„Sehr schön. Keine Erinnerungslücken“ bemerkte die Ärztin zufrieden. „Wie sind deine Schmerzen?“

„Ich habe keine.“

Sie nickte zufrieden und schrieb etwas auf. „Wenn die Narkose vollständig nachgelassen hat, werden sicherlich Schmerzen auftreten. Sollten die zu schlimm werden, sag uns Bescheid, dann verabreichen wir dir ein Schmerzmittel. Du musst ein paar Tage auf der Station bleiben. Zum einen wegen der Operation, zum anderen wegen der Gehirnerschütterung.“

„Gehirnerschütterung?“ murmelte ich perplex.

„Nichts Schwerwiegendes, keine Sorge. Wir wollen dich zur Sicherheit noch ein, zwei Nächte beobachten. Ich denke spätestens am Montag kannst du hier raus.“
 

Okay, das war zu viel Information auf einmal. Sie leuchtete mir mit einer kleinen Lampe abwechselnd in ein Auge und hielt das andere zu. Ehe ich sie zusammenkneifen konnte, war es allerdings schon wieder vorbei. Zufrieden betrachtete sie den Monitor neben mir, auf dem ein Haufen Daten standen, dann verließ sie den Raum wieder. Endlich Ruhe. Ich sah wieder neben mich. Entgegen meiner Erwartung stand dort allerdings nicht meine Mutter. Meine Enttäuschung war lächerlich. Sie konnte gar nicht neben mir stehen. „Du siehst ihr wirklich ähnlich“ murmelte ich. Ein Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. „Danke für das Kompliment. Ich hatte einen Augenblick lang Angst du hältst mich tatsächlich für Miako.“
 

„Warst du bei dem Spiel dabei?“

„Ja, das wollte ich mir nicht entgehen lassen. Ich muss aber gleich zurück nach Tokio, ich hoffe du nimmst mir das nicht übel.“

„Nein, anscheinend sitze ich hier sowieso noch eine Weile fest.“

„Du vertreibst dir die Zeit schon. Nebenbei bemerkt hast du wirklich gut gespielt.“

„Allerdings habe ich es bisher noch nicht geschafft, dabei im Krankenhaus zu landen.“

Ihr Lächeln intensivierte sich. „Ich wäre dir sehr dankbar, wenn sich das nicht wiederholen würde.“

So etwas wie ein Lachen bekam ich heraus. „Ich versuch es.“
 

Wieder hörte ich eine sich öffnende Tür und sah in die Richtung des Geräuschs. Jaden legte ein Grinsen auf als er mich sah und kam auf mich zu. „Hey, du scheinst das Krankenhaus ja echt zu mögen“ scherzte er. „Wie geht’s dir?“

„Ganz okay.“

„Musst du eigentlich hierbleiben?“

Ich nickte. „Die Ärztin meinte bis Montag.“

Jaden zog sich einen Stuhl ran und sah überrascht zu meiner Großmutter. Hat er sie eben erst mitbekommen? Sie stand doch schon die ganze Zeit hier. „Jaden, das ist Kazuko Fujigawa“ stellte ich sie vor, während Naomi ebenfalls den Raum betrat.

„Hey, ich bin Jaden!“ sagte er und streckte grinsend eine Hand aus.

Etwas zögerlich begrüßte sie ihn ebenfalls. „Freut mich. Du bist doch der Junge, der etwas Leben in den Wartesaal gebracht hat, nicht?“

Naomi lachte, während Jaden sich verlegen den Hinterkopf rieb. Was habe ich verpasst? „Das ist wirklich nett ausgedrückt“ sagte Naomi noch immer amüsiert und begrüßte ihr Gegenüber ebenfalls.
 

„Es hat mich gefreut euch kennenzulernen, aber ich muss leider los“ bemerkte meine Großmutter und wandte sich an mich. „Wie ich sehe, bist du in guten Händen. Wenn du willst, besuche ich dich bald wieder. Gute Besserung.“

„Das wäre schön, danke“ murmelte ich und sie verließ den Raum.
 

Naomi setzte sich neben mich. „Die Schwester sagte leider, wir können nicht lang bleiben. Du brauchst viel Ruhe. Ich kann dir aber morgen ein paar Wechselsachen vorbeibringen. Brauchst du noch etwas von zu Hause?“

Ich überlegte einen Augenblick. Was sollte ich die nächsten beiden Tage schon brauchen? Ich schüttelte den Kopf.

„Wenn dir doch was einfällt, sag einfach Bescheid.“

Wieder nickte ich. Langsam wurden meine Lider schwer.

Sie sah auf die Uhr. „Ach, wie die Zeit verfliegt. Ich wollte deinem Vater noch davon erzählen und die Besuchszeit ist gleich um. Jaden, kommst du in zehn Minuten nach? Wir treffen uns am Auto.“

„Okay, bis gleich.“
 

Die Tür fiel wieder ins Schloss. „Oh Mann“ sagte Jaden und ich sah wieder zu meiner Linken. „Du siehst echt furchtbar aus.“

Ich schmunzelte. „Danke für das Kompliment.“

Er sah aus als würde er sich Sorgen machen. Ich wollte ihm meine Hand auf seine legen, bemerkte aber in diesem Moment erst die Schlinge an meinem linken Arm. So konnte ich ihn nicht bewegen. „Jetzt schau doch nicht so“ sagte ich. „Wie ist es eigentlich ausgegangen?“
 

Die Frage heiterte ihn wohl etwas auf. „Wir haben gewonnen, was sonst? Die anderen mussten mit zehn Spielern weitermachen, weil der Typ, der dich umgehauen hat, eine rote Karte kassiert hat. Ging 12:1 aus. Leo hat sich echt gefreut wieder im Sturm zu spielen. Du hast wirklich nicht mehr viel verpasst. Obwohl…“ Ein breites Grinsen legte sich auf seine Lippen. „Sensei Ushio ist komplett ausgerastet.“

„Ist doch nichts neues.“

Er lachte. „Glaub mir, im Vergleich dazu war er sonst immer gut drauf. Er hat erst den Trainer lautstark zur Schnecke gemacht und dann den Spieler, der dich umgehauen hat. Dabei hat er irgendwas von ‚Taktisches Foul‘ rumgeschrien. Das hättest du sehen sollen. Er ist ja sonst schon immer schlecht gelaunt, aber so wütend hab ich ihn noch nie gesehen. Kaum zu glauben, dass der Typ sich mal für einen Spieler aus dem Fußballteam stark macht.“

Ich sah ihn verblüfft an. Ich war mir ganz sicher, Sensei Ushio könnte mich nicht ausstehen.

Wieder lachte Jaden. „So wie du grad guckst, hab ich auch ausgesehen. Ach so, und Jack hätte fast gelb kassiert als du noch verarztet wurdest, weil er dem Typen fast an die Gurgel gegangen ist. Crow und Jim hatten gut zu tun ihn zurückzuhalten.“

„Stimmt, das habe ich halbwegs mitbekommen. Dann habe ich ja doch einiges verpasst.“
 

„Von den anderen soll ich dir übrigens auch gute Besserung wünschen. Du hast uns allen einen ganz schönen Schrecken eingejagt.“

Ich seufzte. „Ich weiß, tut mir leid. Ich habe einfach zu spät reagiert.“

„Das war kein Vorwurf!“ lachte er. „Hätte jedem von uns passieren können. Hauptsache du wirst schnell wieder gesund.“

Ich lächelte müde. „Ich gebe mir Mühe.“ Das Pochen in einem Arm wurde stärker und ich schloss für einen Moment die Augen. Plötzlich spürte ich wie Jaden meine Hand drückte. Ich sah auf. Er hatte die Seite gewechselt. „Du bist echt müde, was?“ bemerkte er.

„Ja, leider.“

„Dann lass ich dich mal lieber in Ruhe. Ich komme dich morgen wieder besuchen, okay?“

Ich befreite meine Hand aus seinem Griff und legte sie an seine Wange. Strich mit dem Daumen darüber. Schenkte ihm ein kleines Lächeln. „Ich freue mich schon.“
 

Langsam beugte er sich zu mir und gab mir einen sanften Kuss.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Fun Fact: Ich habe während des ersten Teils dieses Kapitels tatsächlich ein Schachspiel aufgebaut und eine Partie gegen mich selbst gespielt :D Ursprünglich wollte ich, dass Schwarz gewinnt, aber als ich die weiße Dame im letzten Zug gesetzt hatte, fiel mir auf, dass ich Schwarz damit auf Matt gesetzt hatte xD Damit passte der Satz: „Die Übermacht der Dame“ tatsächlich auf das Ende des Spiels, gleichzeitig aber auch auf Kazuko ;)

Zu der Stelle mit dem Schmerzmittel. Ich habe recherchiert, welches man bei solchen Verletzungen spritzt, schreibe es ab und schaue den Satz nochmal an. Statt Ketamin habe ich Kerosin geschrieben (Was soll ich sagen: war spät) und musste hart lachen. Habe es für euch stehen lassen :D Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Yumi_Kira_Ichimaru
2021-06-27T14:14:48+00:00 27.06.2021 16:14
Oh der arme Yusei q.q
Ich hoffe ihm geht es bald wieder besser...
Fußball kann so gefährlich sein, selbst wenn man nur belanglos den Ball hin und her kickt -.-
*spricht aus schmerzhafter Erfahrung*


Antwort von:  stardustrose
27.06.2021 23:35
Ja so ein Schlüsselbeinbruch is nicht so geil :D ich Versuche ganz schnell weiterzuschreiben, aber bei mir ist zur Zeit leider echt viel los :( es gilt noch einige Plots aufzulösen. Planmäßig werden es noch etwa 5 bis 6 Kapitel, dann kommt ein runder Abschluss ;)


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