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Die Wölfe 3 ~Der Pianist des Paten~

Teil III
von

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~Unerträgliches Warten~

Jetzt warten sie hier schon eine gefühlte Ewigkeit und immer wieder lauscht Antonio nach einem Schuss, oder einem anderen Geräusch, dass den Tod seines Freundes begleitet.

Mit dem Rücken hat Antonio sich an den Stamm eines Baumes gelehnt und den linken Fuß an diesen gestemmt. Die Bisswunde, die ihm dieser verfluchte Köter zugefügt hat, spannt entsetzlich, besonders wenn er Gewicht darauf lädt. Nur in dieser Position ist das lange Warten und Stehen irgendwie auszuhalten. Die Arme vor der Brust verschränkt, sieht er immer wieder am Anwesen hinauf, zu den Fenstern in denen Licht brennt. Ob es Enrico noch einmal gelingt Aaron für sich zu gewinnen?

„Wie geht es dir?“, bricht Robin das Schweigen. Sie hat sie hergefahren und vorgeschlagen Enrico und Judy sollen ihre Neuigkeiten allein überbringen. Antonio ist sich nicht sicher, ob das wirklich eine gute Idee war. Doch selbst wenn er dabei wäre, was soll er schon tun, wenn Aaron seine Waffe zückt. Dann kann er sich höchstens noch vor Enrico stellen und die erste Kugel abfangen, danach wäre die zweite seinem Freund sicher. Antonio seufzt schwer und vergisst bei all seinen kreisenden Gedanken Robin zu antworten.

„Antonio?“, harkt sie nach, als er stumm bleibt.

Erst jetzt gelingt es Antonio seinen Blick von den Fenstern zu lösen und seine Aufmerksamkeit der Patentochter zu schenken. „Was?“, muss er fragen, hat er doch ganz überhört, was Robin von ihm wissen wollte.

„Wie geht es dir, nach allem was passiert ist?“, wiederholt sie und betrachtet ihn dabei mit sorgenvoller Miene.

Antonio senkt den Blick und betrachtet seine Schuhe. Darüber will er lieber nicht nachdenken. Wenn er in seinen Körper hinein hört, fühlt der sich schwach und elend an. Sein Organismus hat das Gift noch nicht gänzlich abgebaut. Eigentlich ist ihm die ganze Zeit schlecht und ab und an ist ihm schwindelig, besonders wenn er sich schnell bewegt. Von dem hämmernden Schmerz in seinem zerbissenen Bein mal ganz zu schweigen. Sein Kopf fühlt sich so an, als wenn ein Presslufthammer ihn bearbeiten würde. Trotzdem antwortet er: „Bei mir ist alles gut!“, dann wandert sein Blick wieder am Anwesen hinauf. Zumindest als Ablenkung von seinem eigenen Zustand, ist die Sorge um seinen Freund gut.

„Du musst vor mir nicht den Helden spielen! Wenn du hier zusammenklappst, ist keinem geholfen“, kommentiert Robin seine Worte.

Sieht Antonio denn so schlecht aus? Als er sich nach der Patentochter umdreht, sieht diese ihn noch besorgter an. Antonio seufzt ergeben. „Es geht schon irgendwie“, lässt er sie wissen.

Robin betrachtet ihn noch einen Moment lang forschend, dann verschränkt auch sie die Arme vor der Brust und richtet ihren Blick auf das Anwesen. „Enrico ist nicht der Einzige, der hat leiden müssen“, sagt sie.

Sie scheint es heute aber auch darauf anzulegen, dass er zusammenbricht. Je mehr Hinweise Antonio auf seine eigene Schwäche bekommt, umso deutlicher kann er sie spüren. Doch auch wenn er weiß, dass sie recht hat, fühlt es sich für Antonio nicht so an. Ja er wurde mit dem Gift außer Gefecht gesetzt, aber Enrico war es an dem sich Vincent… Nein, dieser Gedanke ist auch nicht viel besser. Der schürt nur den Hass auf Vincent und auch auf sich selbst, dass Antonio das alles nicht verhindern konnte. „Lass uns das Thema wechseln!“, schlägt er vor.

Robin holt Luft, um etwas zu sagen, als sich die Haustür der Villa öffnet. Judy ist es, die fluchtartig das Anwesen verlässt und scheinbar kopflos davonläuft. Die Tür lässt sie dabei weit offen stehen. Vergeblich wartet Antonio darauf, dass Enrico ihr folgt, doch sie ist allein. Tränen liegen in ihrem Gesicht und lassen ihre Schminke verlaufen. Verdammt! Was ist da passiert? Antonio stößt sich vom Stamm des Baumes ab und auch Robin bewegt sich in seine Richtung. Sie stellen sich gemeinsam Judy in den Weg.

Die jüngste Patentochter ist so in Eile, dass sie nicht mal aufschaut und ungebremst in ihre Schwester rennt. Ein harter Atemzug geht dabei in ihre Lunge, dann sieht sie panisch auf.

Robin greift die Schwester an beiden Oberarmen und schiebt sie ein Stück von sich, um ihr ins Gesicht schauen zu können. „Was ist passiert?“, will sie wissen.

Die selbe Frage brennt auch Antonio auf der Seele. Beinah glaubt er die Antwort schon zu kennen. Aaron wird Enrico doch nicht vor den Augen seiner Tochter erschossen haben, oder?

Judy schaut zwischen ihm und ihrer Schwester hin und her. Neue Tränen laufen ihr über die Wangen. „Warum… warum müssen die Menschen, die ich liebe, denn immer in Lebensgefahr schweben? Warum können sie nicht einfach einer ehrlichen Arbeit nachgehen? Ich will kein Kind eines Totgeweihten austragen!“, schluchzt sie.

„Was meinst du mit totgeweiht?“, entfährt es Antonio laut und anklagend.

Das Judy zusammen zuckt und ihr noch mehr Tränen über die Wangen laufen, ist ihm gerade herzlich egal. Er packt sie am Handgelenk und zieht sie zu sich herum. „Will dein Vater ihn etwa wirklich umbringen? Oder hat er es schon getan?“, verlangt er zu wissen. Judy betrachtet ihn mit großen Augen, sie bringt kein Wort mehr heraus, dafür laufen ihr immer neue Tränen übers Gesicht.

Ihre Schwester greift Antonios Finger und löst sie von Judys Gelenk, dann dreht sie das Gesicht der jungen Frau am Kinn zu sich, bis sie sie ansehen muss. „Was ist passiert? Ist Vater mit eurer Verbindung nicht mehr einverstanden?“, will sie wissen.

Ist das gerade wirklich Robins einziges Problem? Antonios Aufmerksamkeit wandert zurück zur offen stehenden Tür. Ob er reinstürmen sollte, oder bringt das Enrico nur noch mehr in Schwierigkeiten?

Judy zieht die Nase hoch und wischt sich mit dem Handrücken die Nässe aus dem Gesicht. „Er hat nichts dagegen. Ich glaube er freut sich sogar ein bisschen, aber irgendwer aus seinen Reihen will Vater Tod sehen und auf Enrico hat es Vincent abgesehen.“

„Ist der Mistkerl etwa da drin?“, will Antonio aufgebracht wissen. Er macht schon einen Schritt auf das Anwesen zu, als jemand durch den Flur gelaufen kommt und eilig durch den Türrahmen ins Freie tritt. Auf der Treppe vor dem Anwesen bleibt der blonde Kerl kurz stehen und sieht sich nach allen Seiten um. Schließlich findet er sie neben der alten Tanne. Eiligen Schrittes kommt Enrico zu ihnen gelaufen.

Antonio verfolgt jede seiner Bewegungen und fährt seinen Körper mehrere Male mit den Augen ab, doch er kann keine neuen Verletzungen finden. Sein Freund bewegt sich nicht anders als zuvor. Dass lässt ihn erleichtert durchatmen. Zumindest bis Enrico sie erreicht und er den sorgenvollen Blick seines Freundes erkennen kann.

„Judy!“, spricht er seine Verlobte an.

Die junge Frau meidet seinen Blick und tritt näher an ihre Schwester heran. Den Kopf vergräbt sie an ihrer Oberweite und umgreift ihre Taille. „Geh weg!“, nuschelt sie in den Stoff der Bluse.

Enrico bleibt hinter ihr stehen und legt ihr seine Hand auf die Schulter. „Wieso bist du denn weggelaufen? Ich hatte das Gefühl Aaron glaubt uns und nicht Vincent!“

Judys Finger krallen sich in den Stoff der Jacke, die Robin offen trägt. Sie sagt kein Wort, dafür geht ihr Atem schwer.

„Judy? Was ist denn los?“, versucht es Enrico in sanfter Stimmlage.

Judys Haltung strafft sich, sie löst sich von ihrer Schwester. Anspannung schlägt sich in jede Faser ihres Körpers. Als sie sich nach Enrico umdreht, ballt sie die Hände zu Fäusten und schaut so grimmig, dass Antonio das Verlangen verspürt, sich schützend vor seinen Freund stellen zu müssen. Gerade noch so, kann er sich davon abhalten.

Enrico betrachtet seine Verlobte mit einer Mischung aus Verwirrung und Furcht. Er weicht einen Schritt zurück.

„Was ich habe?“, wiederholt sie aufgebracht und tritt nah an ihn heran. „Du bist wahrscheinlich tot, bevor unser Kind geboren wird!“, schimpft sie und schlägt ihm ihre Fäuste auf den Brustkorb. „Und meinen Vater kann ich sicher gleich mit beerdigen. Warum müsst ihr euch auch mit Verbrechern einlassen? Könnt ihr nicht anständiger Arbeit nachgehen? Warum müsst ihr euch denn unbedingt so schreckliche Feinde machen, dass sie euch tot sehen wollen? Ich will das nicht mehr. Ich will das nicht… Ich will das einfach nicht mehr!“ Immer mehr verlieren sich ihre Worte in Tränen und Schluchzen. Die Fäuste, die sie Enrico immer wieder auf die Brust schlägt, verlieren mehr und mehr an Kraft, schließlich bleiben sie einfach auf ihm liegen.

Obwohl der Schmerz ihrer Schläge Enrico ins verbissene Gesicht geschrieben steht, bringt er nur ein leises Zichen über die zusammengebissenen Zähne. Als Judy sich immer mehr gegen ihn lehnt, schließt er seine Arme um sie. Sein Gesicht bettet er auf ihrem Kopf, in ihren schwarzen Haaren. Ein tiefer Atemzug geht in seine Lungen, bevor er leise sagt: „Ich habe bis jetzt überlebt, dass schaffe ich auch weiterhin.“ Einen flüchtigen Blick wirft Enrico Antonio zu, als wolle er bei ihm eine Bestätigung, dass alles gut wird.

Antonio seufzt und nickt nur, auch wenn es ihm schwer fällt daran zu glauben. Sie sind heute so haarscharf mit dem Leben davon gekommen und bisher war Aaron keine Hilfe. Schlimm genug das ihnen die Drachen im Nacken sitzen, nun auch noch Feinde in den Reihen der Locos zu haben, ist ihr sicheres Todesurteil.

„Ich will unser Kind doch auch kennenlernen und aufwachsen sehen“, fügt Enrico seinen Worten an.

Judy bricht erneut in Tränen aus und schluchzt heftig, während Enrico sie noch fester in seinen Armen einzuschließen versucht.

Je länger Antonio die beiden so ansieht, umso schwerer wird ihm ums Herz. Selbst wenn er dafür sorgen kann, dass sie am Leben bleiben, wird ihnen dieses Leben nicht mehr gehören. Intime Momente oder gar eine Beziehung mit Enrico, erscheinen Antonio gerade in weite Ferne gerückt. Der Gedanke schmerzt ihn mehr, als es die Bisswunde oder die Nachwirkungen des Giftes tun.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Brooky
2023-11-26T08:38:30+00:00 26.11.2023 09:38
Ach, Antonio kann einem wirklich leid tun. Enrico schmerzt das ganze zwar auch, aber ich glaube, Antonio muss unter dieser ganzen Sachen noch viel mehr leiden. Weil Enrico eben schon etwas dir Judy empfindet. Wenn auch nicht so viel, wie für Enrico.
Dass Antonio sich auch noch die Schuld an allem gibt, was bei Vincent passiert ist und seine eigenen Verletzungen als nicht so wichtig abtut, ist nicht gut. Natürlich empfindet er Enricos Leben als wichtiger, schließlich ist er Enricos Leibwächter, wenn es anders wäre, wäre das schlecht. Aber trotzdem. Er muss auch mal etwas mehr auf sich selbst acht geben.
Dass Judy es hasst, dass alle, die sie liebt, sich durch ihren "Beruf" in Gefahr bringen, ist auch nicht verwunderlich. Vor allem, da sie ja jetzt auch noch ein Kind erwartet. Als Frau hatte man zur damaligen Zeit schließlich nicht die besten Karten, vor allem nicht als Mutter oder gar Witwe. Kein Wunder, dass sie da gerade Verlust- und Existenzängste ausbildet.
Antwort von:  Enrico
26.11.2023 21:48
Antonio hat hier echt mal wieder den schwersten Part. Er muss sich das alles mit ansehen und dabei noch Ruhe bewaheren, dabei ist er ziemlich besitzergreifen und auch mega eifersüchtig. Das ist für ihn seine persöhnliche Hölle.
Für Enrico ist es auch schwer, aber er mag Judy und vielleicht flammt da auch ein bisschen lieben für sie. Da ist es einfacher, als wenn er sie gar nicht leiden könnte.
Davon mal abgesehen hat Antonio natürlich noch mit seinem Versagen als Leibwächter zu kämpfen. Er müsste wirklich auch mehr auf sich achten, aber vielleicht ist das auch ein Schutzmechanismus genau das nicht zu tun. Dann würde er merken wie beschissen seine eigene Situation und auch sein körperlicher Zustand ist. So kann er sich aber damit ablenken das es Enrico schlechter geht. (Vermeindlich ist klar) Dann muss er nicht darüber nachdenken das er selbst auch auf so vielen Ebenen verletzt wurde.

Judy hingegen hat auch echt ein schweres Los. Gerade zu der Zeit. Klar sie kann immer wieder zu ihrem Vater als Vormund zurück aber auch nur so lange der lebt. Wenn Enrico was passiert ist sie geächtet, wenn jemand raus bekommt das sie ein Kind erwartet ohne verheitratet zu sein ist sie geächtet. Es muss eine harte Zeit für Frauen gewesen sein. Ein Glück haben wir uns von diesem Lebensentwurf entfertn.


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