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Ich wollte niemals von euch fort

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Oh mein Gott! Oh mein Gott! Bitte verzeiht mir, ich hab es am Freitag total vergessen. -.-
Allerdings muss ich zugeben, ich hatte am Mittwoch meine 2. Corona Impfung und die hat mich 3 Tage umgehauen.
Also, ich konnte gar nicht, auch wenn ich es nicht vergessen hätte. ^^

So, nun aber viel Spaß. Komplett anzeigen

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Kapitel 25

Ein neuer Tag brach an.

Der Wechsel zwischen Hell und Dunkel kam rasch und doch in winzigen Schritten; kühl und klar, wie ein Morgen im Herbst.

Träge lauschte Kasumi dem ruhigen, gleichmäßigen Schlagen, das von Kakashis Herz ausging. Eine schläfrige Wärme hüllte sie ein. Ein Zustand zwischen Traum und Wirklichkeit. Ihr Körper war weich, anschmiegsam; sie fühlte sich geborgen, wie ein Neugeborenes in Mutters Armen.

War sie das? Neu geboren?

Müde blinzelte sie, änderte ein wenig die Position ihres Kopfes auf seiner Brust. Ein Winkel des Himmels begann sich zu verfärben. Kasumi rekelte sich. Ein Farbenrausch in wahrhaft exorbitanter Dimension zog über den Horizont; lila Wolken über den Hokage-Köpfen und dazwischen funkelte hell der Morgenstern. Ein Schwarm Rauchschwalben, deren hohes „wid wid" in der Stille weit zu hören war, zog als schwarze Silhouette am Himmel entlang, ein Ninja-Team sprang zu der frühen Stunde über die angrenzenden Dächer und verschwand in der Ferne.

Staubteilchen tanzten wie golden leuchtende Glühwürmchen durch die Weite des Zimmers. Träge schwebten sie durch Kasumis Blickfeld. Ein paar Kissen waren während der Nacht vom Sofa gefallen. Ein aufgeschlagener Band von Jiraiyas Icha Icha-Reihe lag auf dem gläsernen Wohnzimmertisch. Kakashis Weste hing über der Lehne eines Stuhls, der im integrierten Essbereich stand. Rings um den Stuhl waren seine Makibishi verstreut, die beim Ablegen der Jacke aus der offenen Tasche gefallen waren.

Vorsichtig bewegte Kasumi sich, löste die Umarmung des Hatake, welche er die ganze Nacht aufrechterhalten hatte, während ihr die Tränen in Strömen die Wangen hinab gelaufen waren. Nachdem der Schutzwall um ihre Seele gebrochen war und sie um ihre Familie, um Kenjin und um die verlorene Zeit getrauert hatte, fühlte sie sich nun befreit, leicht, fast schon trunken vor Glück.

Ja, sie war neu geboren. Wiedergeboren in Konoha.

Die junge Frau spürte an den Stellen, mit denen sie Kakashi berührte, ein warmes, angenehmes Prickeln. Mit einem traurigen Lächeln beobachtete sie den Mann an ihrer Seite. Selbst im Schlaf waren seine Gesichtszüge angespannt. Die Uchiha war sich bewusst, mit welchen Geistern der Vergangenheit er selbst im Schlaf zu kämpfen hatte.

Vorsichtig berührte sie seine Stirn, versuchte die Falten zu glätten, die sich tief in die weiche Haut gegraben hatten und glitt mir ihren Fingern weiter über die Narbe an seinem Auge.

Zärtlich küsste sie diese.

„Schlaf, Kakashi, schlaf“, murmelte Kasumi gegen seine Schläfe. Sie wünschte sich von ganzen Herzen, dass er die Schatten seiner Vergangenheit hinter sich lassen konnte, um im hier und jetzt seinen Frieden zu finden. Um glücklich zu sein.

Denn sie war glücklich. Glücklich, weil sie endlich nach Hause gefunden hatte.

Konoha.

Die junge Uchiha hatte schon immer dieses Dorf geliebt. Es war friedlich hier. An einem Sommertag liebte sie das Rauschen der Blätter im Wind. Den Fluss, der in der Nähe gluckerte, den Duft von frisch gemähtem Gras, das Zwitschern der Vögel in den Bäumen, die tanzenden Schmetterlinge oder das sanfte Wippen der Blumen in einer aufkommenden erfrischenden Brise.

Wehmütig seufzte Kasumi, sie bewegte sich. Erst jetzt fiel ihr richtig auf, wie stark sie Konoha und ihre Freunde vermisst hatte. Obwohl ihr Vater ein enorm strenger Mann gewesen war, dem das Ansehen seines Clans alles bedeutet hatte, und der von ihr einst Perfektion verlangte, vermisste sie ihn schmerzlich.

Erschüttert erkannte sie, dass sie sich schwerlich an die Gesichter ihrer Eltern erinnern konnte.

Ungeachtet dessen, oder gerade demzufolge, wusste sie, was sie mit ihrem weiteren Leben anfangen wollte. Wie ihr weiterer Weg aussehen würde.

Die Sonne erklomm langsam den Horizont. Es würde heute ein schöner Spätsommertag werden.

Gedankenverloren malte Kasumi Kringel auf Kakashis Brust. Ihr war bewusst, dass ihr Einstieg ins Dorf mit ihrer Arroganz nicht positiv verlaufen war. Es würde schwierig werden die Hokage und den Ältestenrat von ihrer Bitte zu überzeugen.

Die Uchiha warf einen Blick aus dem Fenster. Es wurde Zeit, stellte sie angespannt fest.

Sanft küsste sie Kakashi auf die halb geöffneten, trockenen Lippen, ehe sie vorsichtig über seinen ausgestreckten Körper kletterte. Währenddessen rutschte ihr die Decke von den Schultern. Undeutlich grunzte der silberhaarige Jonin; drehte sich um.

Ächzend streckte Kasumi sich, ihr schmerzte jeder einzelne Muskel im Körper. Sie ging ein paar Schritte und ließ die Schultern kreisen. Die Halswirbel knackten laut. Kakashi hatte die Wahrheit gesagt. Das Sofa war definitiv zu klein für zwei Personen. Sie sollten sich demnächst ein größeres anschaffen, wenn sie zusammenziehen sollten.

Kasumi verharrte in ihrer Bewegung. Eine zarte Röte zierte ihre schmalen Wangen. Glühend heiß schoss ihr das Blut ins Gesicht. Mit geschlossenen Augen gluckste sie leise auf. Ja, hier war sie zu Hause. Hier würde ihre Seele Heilung finden. Ihre schwarzen Iriden funkelten strahlend und sie presste ihre Handfläche gegen das kühle Fensterglas.

Sie musste zur Hokage. So schnell wie möglich. Eine innere Spannung hatte tief in ihrem Innersten Besitz von ihr ergriffen. Wenn sie es jetzt nicht tun würde, würden ihre Zweifel sie wieder zögern lassen.

Kasumi zupfte mit gerunzelter Stirn nachdenklich an ihrer weiten Kleidung. Sie musste Kakashi eine Nachricht hinterlassen, mit seinen Sachen konnte sie nicht bei Tsunade erscheinen. Suchend blickte die Uchiha sich um.
 

~. . . ~
 

Die Clanerbin war sich bewusst, dass ihre Worte kalt und unpersönlich klangen, dem ungeachtet, wenn sie ehrlich war, wusste sie nicht, wo sie Beide standen. Zu lange hatte sie ihre Gefühle in sich eingeschlossen, dass es ihr jetzt ungeheuer schwerfiel, diese bewusst zu zeigen.

Die Tür fiel leise hinter ihr ins Schloss während die Sonnenstrahlen die Dächer in einem rotbraunen Ton leuchten ließen. Ein kleiner weißer Zettel lag auf dem gläsernen Tisch im Wohnzimmer, neben dem aufgeschlagenen Icha Icha Tactis Band. Die feinen Schriftzüge schimmerten feucht im Licht des frühen Morgens.

Kakashi schnarchte leise und drehte sich noch einmal um.
 

Kakashi,

ich werde heute Tsunade aufsuchen. Begleitest du mich?

Treffen wir uns vor dem Hotel in welchen Daisuke und ich abgestiegen sind? Gegen neun Uhr?

Ich warte auf dich.
 

Kasumi
 

~. . . ~
 

Neben Inuzuka Kiba trottete der große schlappohrige Akamaru fröhlich schwanzwedelnd her. Hin und wieder schnüffelte er am Boden, während Kiba zusammen mit Hyuga Hinata auf dem Weg zu Yuhi Kurenai war.

Beide Chunin unterhielten sich lebhaft über Hinatas Training mit Aburame Shino und wie viele Fortschritte die junge Hyuga in der Zwischenzeit mit ihrem Juken gemacht hatte. Unterdessen schlängelten sie sich geschickt durch die stetig wachsende Menschenmasse auf den Straßen.

Bis Akamaru ein tiefes, bedrohliches Knurren ausstieß.

Seine Nackenhaare hatten sich aufgestellt, sodass der Ninken noch größer und gefährlicher wirkte und er zog die Lefzen hoch, bis man deutlich seine Reißzähne sah.

„Was ist los, mein Freund?“ Kiba schaute zu Akamaru auf, legte ihm beruhigend eine Hand in den Nacken und kraulte ihn. Gebannt folgten er und Hinata, die ihre Hand in dem weichen, cremefarbenen Fell vergraben hatte, Akamarus Blick.

Kakashi schlenderte mit einer jungen Frau geruhsam über die halb gefüllte Straße, keine zwei Meter vor ihnen. Der Jonin hatte sie nicht bemerkt, derart vertieft war er in sein Gespräch mit der schwarzhaarigen Frau, die ihn begleitete. Mit den Händen in den Hosentaschen blieb er an einer Geschäftsauslage stehen, deutet auf einen Gegenstand und wandte sich an seine Begleitung.

Die junge Frau kicherte hinter vorgehaltener Hand über etwas, was der Jonin gesagt hatte und verstummte abrupt, als der Silberhaarige sich zu ihr herunter beugte und sie flüchtig küsste.

Der Wind frischte auf, brachte ihre dichten, offenen Haare durcheinander, so dass sporadisch Teile des rot-weißen Clanwappens auf ihrem Rücken sichtbar wurden.

Erst zögernd, dann mutiger, schlang sie ihren bedeckten Arm um seinen Nacken und schmiegte sich an ihn. Die Finger ihrer anderen Hand krallten sich am Stoff seiner Hüfte fest, woraufhin Kakashi mit schmerzerfülltem Gesicht den Kuss abbrach. Keuchend lehnte er sich gegen sie.

Erschrocken wich die junge Frau ein bisschen zurück. Der Silberhaarige antwortete auf ihre Frage etwas, was die beiden Chunin in der sie umgebenden Geräuschkulisse nicht verstehen konnten, und strich ihr beruhigend eine Haarsträhne aus dem besorgten Gesicht.

Schnell zog Kiba die Hyuga hinter die Hausecke des Geschäftes, vor dem sie standen, als der Hatake aufblickte und sich argwöhnisch umsah.

„Kakashi hat eine Freundin?“, flüsterte der Inuzuka ungläubig und spähte um die Ecke. Die beiden standen noch immer vor dem Amaguriama, Konohas berühmtestem Süßigkeiten-Laden, während sie vorsichtig seine Seite abtastete.

„Vielleicht ist sie nur eine Bekannte“, murmelte Hinata schüchtern neben ihm.

Skeptisch schaute Kiba sie an. „Ob Naruto darüber Bescheid weiß?“, murmelte er und streckte zusammen mit Akamaru und Hinata den Kopf um die Ecke.

„Ob Naruto über was Bescheid weiß?“, erklang eine unheimlich gedämpfte Stimme hinter ihnen. Erschocken quiekte die Hyuga auf und zuckte ertappt zusammen, ehe sie sich furchtsam umdrehte.

Grinsend, mit hinter dem Kopf verschränkten Armen, stand der Uzumaki hinter ihnen. Er sah aus, als ob er gerade aus dem Bett gestiegen wäre, mit seinen verwuschelten blonden Haaren. Seine blauen Augen funkelten vor Vergnügen, seinen Freunden einen Schrecken eingejagt zu haben. Er konnte es immer noch. Leise gluckste er.

„Hallo Hinata-chan“, begrüßte er die Hyuga fröhlich. Prompt lief die zierliche Kunoichi rot an, verdrehte die Augen und kippte mit einem leisen Seufzer auf den Lippen um.

„Naruto!“, schimpfte Kiba erschrocken, fing die bewusstlose Hinata nichtsdestotrotz geschickt auf. Sanft tätschelte er ihr die Wange, bis sie mit flatternden Liedern die weißen Augen öffnete. Fahrig ließ sie den Blick schweifen.

„Was denn?“ Ahnungslos starrte Naruto seinen Freund mit schief gelegtem Kopf an, welcher resigniert die Luft ausstieß. Naruto würde sich niemals ändern. Er bemerkte einfach nicht, wie sehr Hinata ihn mochte. Hoffnungslos, dachte er.

„Ach Naruto!“, seufzte Hinata unbemerkt.

„Schau mal darüber.“ Der Inuzuka wies mit der Hand über die Schulter, gleichzeitig half er Hinata aufzustehen. „Da ist dein Sensei mit einer Frau. Und sie haben sich sogar geküsst!“ Entrüstung schwang in seiner Stimme mit.

Naruto lunzte um die Hausecke des Geschäftes und zwischen den ausgelegten Waren hindurch erkannte er den silbernen Haarschopf seines Senseis. Minutenlang beobachtete er mit ausdruckslosem Gesicht gedankenverloren das Geschehen auf der Straße. Beobachtete die beiden verliebten Menschen. Ein schmerzhafter Stich breitet sich in seiner Brust aus und verblüfft berührte er die Stelle.

Vögel zwitscherten in den Kronen der vielen umliegenden Bäume. Der Wind rauschte durch die dunkelgrünen Blätter und spielte sanft mit seinen Haaren. Helle Lichtpunkte sprenkelten den sandigen Boden. Dann wandte er sich Kiba und Hinata zu, die, kaum das er sie ansah, nervös die Fingerspitzen gegeneinander tippte und verlegen zur Seite blickte.

„Und? Was ist jetzt? Weißt du, wer das ist?“ Die Neugier stand dem Chunin ins Gesicht geschrieben. Er bemerkte Narutos verschlossenen Ausdruck in den Augen nicht.

„Das ist Kakashi ...“ Naruto rang sich ein Grinsen ab.

„Ja? Weiter!“, drängte Kiba; Hinata schmiegte sich an den Inuzuka, sie war genauso neugierig, wer das Herz des verschlossenen Kopierninjas erobert hatte.

„... und ...“

Ärgerlich begann Akarmura zu knurren, machte den Gefühlen seines Gefährten Luft und knuffte Naruto leicht in die Seite.

„... Uchiha Kasumi.“

Verblüfft über diese Antwort starrte Kiba seinen Freund sprachlos an, selbst Akamaru hatte aufgehört zu knurren und Hinata vergaß ihre Schüchternheit gegenüber Naruto. Mit großen Augen und offenem Mund blickte sie ihn an.

„Was?“, japste Kiba schließlich. „Uchiha? Uchiha Kasumi? Es gibt keine Uchihas mehr im Dorf, seitdem Sasuke uns verraten hat“, schimpfte er ungehalten.

Kurz zuckte Naruto zusammen, ein dunkler Schatten flog über sein Gesicht; umwölkte seinen Blick. Sein Körper hatte sich versteift. Einen flüchtigen Augenblick lang erkannte Hinata in seinen Augen den unvorstellbaren Schmerz, den er durchlitt, seit Sasuke dem Dorf, ihm, den Rücken gekehrt und sich Orochimaru angeschlossen hatte.

Resigniert erkannte die Hyuga zum ersten Mal, was der blonde Shinobi buchstäblich gefühlt haben musste, als er sich das Versprechen gegenüber Sakura abgerungen hatte, den Uchiha zurückzuholen. Welches Opfer er brachte. Doch dieser Moment war winzig und schon lachte Naruto wieder, hatte seine Maske aufgesetzt.

„Ich weiß es sogar sehr genau“, grinste Naruto; geschickt verbarg er die Wunde, die durch Kibas unbedachte Worte aufgerissen war. „Sie ist Sasukes Schwester.“

„Schwester?“, keuchte Kiba verblüfft. „Bei Kami! Geht es noch verrückter?“

Naruto rang sich ein vergnügtes Lachen bei dem Gesichtsausdruck des Inuzukas ab, ehe er sich winkend verabschiedete und eilig die überfüllte Straße überquerte.

„Hey! Warte Naruto! Du kannst uns nicht hier stehen lassen!“ Er machte einen Schritt, doch Hinata krallte sich in seine Jacke, hielt ihn zurück. Sie war sensibel genug, um Narutos Stimmungsumschwung zu bemerken.

„Komm zurück!“, rief Kiba. „Verdammt, Hinata! Lass mich los!“

„Das geht nicht“, brüllte Naruto von der anderen Seite, „Ich bin mit Sakura bei Ichiraku verabredet. Macht's gut Leute.“ Seine blonden Haare verschwanden in einer dunklen Seitengasse, in die keine Sonnenstrahlen fielen.

„Lass ihn“, bat Hinata leise, hielt ihn weiterhin davon ab, hinter dem Blonden herzurennen. Traurig blickte sie Naruto hinterher. Aufmerksam musterte Kiba ihre zarten Gesichtszüge.

„Du weißt doch etwas, hab ich recht?“

Sie lächelte ihn verschmitzt an.

„Wer weiß“, erwiderte sie geheimnisvoll, ehe sie seine Hand ergriff und ihn durch die Menschen auf der Straße lotste. Vorbei an dem Stand, an dem Kakashi und die junge Frau gestanden hatten. Sie waren verschwunden.
 

~. . . ~
 

Kaum hatten ihn die Schatten verschluckt, wurden seine Schritte langsamer, bis sie gänzlich verstummten. Er ließ die noch nicht vollkommen aufgelegte Maske fallen. Sein Blick wurde emotionslos, er selbst spürte es. Er spürte das, was er keinem seiner Freunde je zeigen würde.

Wut, Hass, Trauer.

Er schlang die Arme um sich, sank gegen die kalte Wand. Langsam ließ er sich an ihr herabgleiten, bis er auf dem feuchten, dreckigen Boden zum Sitzen kam. Erschöpft zog er seine Beine an den Körper und legte den Kopf darauf ab.

Stumm zuckten seine Schultern. Es kümmerte ihn nicht, dass er zwischen durchweichten Kartons und stinkendem Müll im Dreck saß. Er vergrub den Kopf tiefer auf den angewinkelten Beinen und weinte lautlos.

Er spürte nichts.

Spürte nicht die Feuchtigkeit, die seine Wangen benetzte. Spürte nicht die Kälte, die von der Wand aus in seinen Körper drang.

Denn die Kälte hatte schon längst Einzug in seinen Körper gehalten.
 

~. . . ~
 

Gedämpft drangen aufgebrachte Stimmen durch die dicke Holztür von Meister Hokages Büro. Die feinen Risse, welche sich im cremefarbenen Putz um den hölzernen Türrahmen zogen, bewiesen das explosive Temperament des Feuerschattens der fünften Generation.

Zwei der diensthabenden ANBU standen regungslos vor der Tür und hielten Wache. Unmerklich nickte Kakashi ihnen zu, obwohl ihn ein unerfreuliches Gefühl beschlich. Die beiden Ansatsu Senjutsu Tokushu Butai würden nicht das Gelände beaufsichtigen, wenn sich keine bedeutenden Persönlichkeiten in Tsunades Büro aufhalten würden.

Krachend schlug etwas in diesem Moment zu Boden, worauf die Tonlage der Meinungsäußerungen herausfordernder wurde.

„Du wirst ja wohl noch wissen, wie die Uchiha einen Staatsstreich geplant hatten! Wie sie versuchten die Kontrolle über Konoha zu erlangen!“, keifte eine Frau.

„Ich dachte, das Problem hätten wir damals gelöst?“, erklang das fragende Timbre eines alten Mannes.

Kakashi wollte etwas sagen, sie trösten, aber nicht das Geringste schien passend zu sein, um die Traurigkeit aus ihren Augen zu vertreiben. Denn, obwohl sie dem Uchiha-Clan angehörte, war sie viel zu sensibel. Aber der Augenblick verstrich ungenutzt.

„Nicht“, bat er dennoch leise, sanft fuhr Kakashi über die zerbissene Lippe. Flüchtig küsste er sie; schmeckte leicht den metallischen Geschmack ihres Blutes durch die Maske, ehe an die Tür geklopft wurde.

Die Debatte verstummte jäh.

Stille breitete sich aus, selbst das Zwitschern der Vögel konnte Kakashi gedämpft durch die Gänge wahrnehmen, ehe die Godaime energisch „Herein!“ rief.

Kasumi griff nach seiner Hand. Er spürte wie ihre Finger zitterten und drückte sie aufmunternd an sich, dann stieß er die Tür auf.

Misstrauisch wurden beide von den Anwesenden gemustert, die versammelt um Meister Hokages Schreibtisch standen, auf den Tsunade eben noch aufbrausend geschlagen hatte – ein tiefer Riss zierte die feine Maserung – obwohl ihr Augenmerk eindeutig mehr auf der jungen Uchiha lag.

Danzo, eines der älteren Ratsmitglieder, stützte sich schwer auf seinen Stock und vermittelte so den Eindruck, eines gebrechlichen, alten Mannes. Diesen Eindruck verstärkte er noch mit der Bandage um seinen Kopf. Wirr fiel struppiges, graues Haar darüber.

Kakashi war jedoch auf der Hut.

Zu genau kannte er seine Verbindung zur Sondereinheit der ANBU, dessen Mitglieder unter dem Befehl dieses erschreckend ruhigen und kaltblütigen Mannes gestanden hatten. Offiziell war die NE-Einheit schon vor Jahren aufgelöst worden, dennoch bestand sie weiterhin heimlich im Untergrund.

Danzo, der ein fantastischer Stratege war und der so gut wie nie Emotionen zeigte, was wohl daran lag, dass er der Meinung war, dass Emotionen Schuld an Kriegen und Konflikten seien, verfolgte heimlich eine Menge Ziele. Und seitdem Sai, durch sein Einwirken, in Kakashis Team eingeschleust wurde, um die Lücke, die Sasuke hinterlassen hatte, zu füllen, war er noch vorsichtiger geworden.

Unter trägen Liedern beobachtete Danzo das Eintreten derer, die ihm zum Verhängnis werden konnte. Bisher hatte er immer vermutet, dass Uchiha Itachi einmal von Sasuke, in dessen blindwütigem Rachefeldzug, umgebracht werden würde. Dann wäre nur noch der letzte Sohn von Fugaku übrig; und mit ihm würde er ein leichtes Spiel haben. Dann wäre er seinem Ziel, den Uchiha-Clan auszulöschen und seiner Vorstellung von Frieden, einen weiteren Schritt näher gekommen.

Dass das älteste Kind des Clanoberhauptes noch am Leben war, damit hatte er niemals gerechnet. Eigentlich hatte er immer geglaubt, dass sie den perversen Experimenten des Nukenins Orochimaru zum Opfer gefallen wäre.

Tatsächlich würde er sich eher mit dieser widerlichen Schlange verbünden und das Dorf angreifen und somit Tsunade von ihrer Position als Feuerschatten zu stoßen, als tatenlos zuzusehen, wie dieses Weib hier wieder Fuß fassen würde! Denn dann würde Konoha aus der Asche des Krieges und Leidens wie ein Phoenix emporsteigen. Neu und nach seinen Idealen geformt. Mit ihm als Hokage in der Machtposition. Und dann würde endlich militärische Macht über die Diplomatie triumphieren.

Danzo warf Tsunade einen kühlen Blick zu, als diese die beiden begrüßte. Er konnte sich gut vorstellen – da er sie mehr als alles andere hasste – Konoha nur zu zerstören, um ihr wehzutun. Er verabscheute die Godaime, da sie die gleichen Ideale vertrat wie Sarutobi und die Enkelin des Shodai Hokage war.

„Kakashi, Kasumi“, empfing Tsunade sie gefasst. Einige Strähnen ihrer blonden Haare hatten sich aus den zwei Zöpfen gelöst, standen wirr ab. Ihre beigebraunen Augen funkelten noch immer aufgebracht, während sie die Lippen zu einem festen Strich zusammenpresste. Ihr grüner Mantel, den sie immer offen trug, war ein wenig von den Schultern gerutscht, als sie ihrem explosivem Gemüt Ausdruck verliehen hatte. Dabei war wohl auch der Stuhl umgefallen.

Nara Shikaku, dessen Narben unter seinem angespannten Gesichtsausdruck deutlicher denn je hervortraten, stand neben Jiraiya am Fenster. Obwohl er eher ein ruhiger und gelassener Mann war, behagte ihm die Auseinandersetzung immer weniger. Seiner Meinung nach war viel zu sehr über die junge Frau hergezogen worden, ohne das sie ein Wort zu ihrer Verteidigung hätte vorbringen können.

Bisher hatte er sich bei der Besprechung, die seit den frühen Morgenstunden einberufen worden war, zurückgehalten und den älteren Mitgliedern des Rates den Vortritt gelassen. Nichtsdestotrotz würde er seine Meinung klar und objektiv darlegen. Wenn es denn zu einer Entscheidung kommen sollte.

Ob Tsunade gewusst hatte, das die Hauptperson sie heute aufsuchen würde? Nachdenklich beobachtete und analysierte er. Wahrscheinlich nicht. Die Feuerschatten hatte mal wieder geschlafen, als die Ratsmitglieder und er sie aufgesucht hatten. Noch deutlich zeigten sich die Liegespuren in ihrem Gesicht. Vermutlich war sie deswegen so schlechter Laune.

Der Leiter des Nara-Clans blickte zu der einzigen Frau im Rat. Mehr als deutlich hatte sie vorhin ihre Meinung vertreten und auch jetzt musterte Utatane Koharu die Frau an Kakashis Seite abschätzend.

Missbilligend legte sich eine tiefe Falte auf die runzelige Stirn der alten Frau. Bei Kami! Sie würde nicht zulassen, dass jemals wieder ein Uchiha im Dorf leben würde! Jedes einzelne Mitglied war eine Gefahr, ein Risiko, das Koharu nicht bereit war einzugehen. Es reichte schon, wenn zwei von ihnen unbeobachtet herumliefen und Schaden anrichteten.

„Meisterin Hokage, ehrwürdige Ratsmitglieder“, begann Kasumi zögerlich, „entschuldigt mein Fehlverhalten von gestern. Ich war zu aufgewühlt, um euch den nötigen Respekt zu zollen, Tsunade-sama.“ Die junge Uchiha warf sich demütig zu Boden, presste die Stirn gegen die rauen Tatami-Matten.

„Kasumi“, flüsterte die Hokage erschüttert. Sie hätte niemals damit gerechnet, dass ein Uchiha sich derartig die Blöße geben und um Verzeihung bitten würde.

„Nicht, steh auf“, bat Tsunade, sie reichte der jungen Frau die Hand. Überrascht riss die Feuerschatten die Augen auf, als sie ihr ins Gesicht blickte.

„Bitte“, flehte Kasumi. „Bitte nehmt mich wieder im Dorf auf! Ich verspreche alles zu tun, was du verlangst. Nimm mich einfach nur wieder im Dorf auf!“

„Kasumi“, begann Tsunade, bestürzt über die Intensität hinter ihren Worten.

„Nein!“, kreischte Koharu dazwischen. „Das wird der Rat nicht zulassen!“

„Utatane-san“, wandte sich Shikaku beschwichtigend an die aufgebrachte Frau. „Beruhigt euch! Noch ist doch noch gar nichts entschieden.“

Grob stieß Koharu den jungen Nara beiseite; trat auf die beiden Frauen zu, die unterschiedlicher nicht sein konnten.

„Ich will nicht, dass diese Frau zurückkehrt. Sperr' sie ein, auf dass sie niemals mehr das Tageslicht sehe!“

„Diese Frau?“, zischte Kakashi wütend. Bedrohlich schob er sich vor Kasumi, welche perplex Koharu anstarrte. Ebenso wie die Enkelin des Shodai Hokage, die mit so einem hasserfüllten Ausbruch nicht gerechnet hatte. Doch Utatane war keine Person, die sich leicht einschüchtern ließ.

„Sei still, Junge!“, fuhr Koharu den silberhaarigen Shinobi kalt an. „Du weißt überhaupt nicht, wozu diese Uchihas fähig sind! Sie waren es, die vor sechzehn Jahren mit dem Kyubi no Yuko, dem neunschwänzigen Unheilfuchs, das Dorf angriffen. Mit ihrem Dojutsu zwangen sie dem Fuchsdämon ihren Willen auf. Und das nicht zum ersten Mal.“

„Das kann nicht wahr sein“, hauchte Kasumi verstört. Tränen traten ihr in die Augen, trotzdem schob sie Kakashi zur Seite. „Es tut mir leid, Utatane-san, wenn mein Clan euch Schmerzen bereitet hat, aber ich ...“ Sie streckte die Hand flehend aus.

„Schweig, närrisches Kind!“ Koharu schlug ihre Hand unwirsch beiseite. „Mit deinen Entschuldigungen kannst du dir gar nichts kaufen! Auch keine Absolution.“ Sie spie Kasumi die letzten Worte ins Gesicht.

Entsetzt stolperte die junge Frau zurück, prallte gegen Kakashi.

Koharu atmete tief ein, ehe sie zum finalen Schlag ausholte. „Das einzige Zugeständnis, das ich geben könnte, wäre dich zu blenden.“

Fassungslos starrte Kasumi die alte Frau an. „Was?“, krächzte sie erschüttert. Das war doch nicht ihr Ernst?!

„Ohne deine Augenkunst wärst du ein Nichts und damit keine Gefahr mehr für das Dorf. Dann könntest du bleiben.“ Kalt blickte Utatane sie an.

„Es ist schon ein einziges Zugeständnis, dass sie sich seit sechsunddreißig Stunden frei bewegen kann“, ergriff Mitokado Homura zum ersten Mal das Wort.

Entsetzt, die Finger auf die bebenden Lippen gepresst, starrte Kasumi von einem zum anderen. Das hinterhältige Lächeln von Danzo entging ihr dabei. Wie es schien, lief alles nach Plan, auch wenn er diesmal nicht die Finger im Spiel gehabt hatte.

„Ich mache hier ebenfalls Zugeständnisse!“, brüllte Tsunade unerwartet in die sich ausdehnende Stille. „Das könnt ihr mir glauben! Oder glaubt ihr etwa, mir wäre die Sicherheit Konohagakures egal?“

„Was willst du unternehmen?“, erkundigte sich Danzo kühl bei der Enkelin Senju Hashiramas. Er verlagerte ein wenig sein Gewicht auf dem Stock. Der Stoff seiner Kleidung raschelte leise.

Tsunade schnaubte unwirsch, noch immer war sie wütend, ehe sie die Arme verschränkte und sich an die junge Frau wandte.

Shikaku, der Danzo nur so weit traute, wie sein Schatten reichte, verfolgte jede ihrer Bewegungen. Bereit jederzeit seine Kunst anzuwenden und eine Eskalation im engsten Raum zu vermeiden.

„Du bittest mich also, dich wieder im Dorf aufzunehmen?“, erkundigte sich Tsunade.

„Hai.“ Nickend bestätigte die junge Uchiha.

„Einfach so?“ Mit hochgezogenen Brauen wartete sie ihre Reaktion ab.

„Nein, natürlich nicht“, räumte Kasumi ein. „Ich verstehe, dass ihr misstrauisch seid und einige ...“, sie warf Utatane einen Blick zu, „sogar eine tiefe Abneigung hegen. Und ich räume ein, dass ich viel früher hätte wieder zurückkehren sollen, aber, versteh bitte ...“, Kasumi hob verzweifelt die Schultern, „ich war unsicher und verletzt ...“ Ein abschätziges Schnauben unterbrach sie rüde.

Tief atmete Kasumi ein, während hingegen Tsunade die Ratsmitglieder grimmig anfunkelte.

„Wie gesagt, ich war verletzt und als die Wunden verheilt waren, hatte ich mich bereits an das einfache Leben bei Kenji und den Anderen gewöhnt. Tatsächlich wollte ich eigentlich nichts mehr mit der Welt der Shinobi zu tun haben ...“

„Da haben wir es!“, warf Koharu schrill ein.

„Ruhe!“, donnerte Tsunade. „Noch bin ich Hokage und ich entscheide, wie es weiter gehen wird.“

„Das wolltest du doch vorhin schon erwähnen, nicht wahr, Tsunade?“ Danzo lächelte schmallippig.

Die Godaime blickte ihn eine Weile unbeweglich an, ehe sie mit einem knappen „Genau.“ sich an Kakashi und die Clanerbin wandte.

„Da ich dir in der momentanen Situation nicht hundertprozentig vertrauen kann – auch nicht, wenn du hier die Wahrheit erzählen solltest – werde ich Morino Ibiki und Yamanaka Inoichi bitten, die Wahrheit aus dir heraus zu holen. Wenn nötig auch mit Gewalt.“ Reserviert beobachtete Tsunade die Reaktion ihres Gegenübers.

„Du bist zu leichtfertig, Tsunade. Sprich wie ein richtiger Hokage“, tadelte Danzo sie ungerührt. Wütend stampfte Hashiramas Enkelin mit dem Fuß auf.

„Dann kannst du also wirklich garantieren, dass keine Gefahr für das Dorf von ihr ausgeht?“ Er lächelte überlegen.

Einen Moment lang schwieg Tsunade. „Ich glaube daran“, erwiderte sie schließlich kaum hörbar und blickte Danzo fest an. Dabei ging Kasumis Herz auf. Tonton quiekte leise auf Shizunes Armen.

„Und wenn dein Glaube daran falsch ist ... Was wirst du dann tun?“ Koharu wirkte ruhiger, als sei die Entscheidung bereits gefallen.

„Wenn Konoha ... Wenn Hin no Kuni in Gefahr sein sollte, werde ich mein Leben aufs Spiel setzen, um die Menschen hier zu retten. Als Godaime Hokage!“ Fest entschlossen sah sie die drei alten Ratsmitglieder an.

„Das kannst du nicht machen, Tsunade!“, warf Kakashi entsetzt ein. „Das ist ...“

„Kakashi?“, unterbrach Kasumi ihn verhalten; sie zupfte an seiner Weste. „Wer ist Morino Ibiki?“ Ahnungslos schaute sie zu ihm auf.

Kakashi schnaufte und machte eine müde Handbewegung. „Sonder-Jonin Morino Ibiki ... Er ist ein Sadist ... Und ein Profi.“

„Ein Profi? In was?“ Verwirrt runzelte die junge Frau die Stirn. Was hatte das mit ihr zu tun?

Kakashi steckte die Hände in die Hosentaschen und blickte aus dem Fenster. Er stieß den angehaltenen Armen aus. „In Folter und Verhör.“

Kasumi schluckte erschüttert.

„Er ist der Chef der Folter- und Verhörabteilung der Attentat-Truppe von Konoha. Der Kerl kennt sich mit der menschlichen Psyche aus.“ Kakashi drehte sich abrupt um und packte Kasumi an den Schultern. Eindringlich sah er ihr in die Augen. „Ibiki kann auf ganz fürchterliche Weise Menschen psychisch in die Enge treiben und ihre Seele quälen. Er schafft es, die Schwäche der menschlichen Natur herauszuschälen. Bei seiner Folter bleibt niemand ungerührt. Verstehst du das, Kasumi?“ Seine Finger gruben sich schmerzhaft in ihre Arme.

„Ja, Kakashi. Ich verstehe“, antwortete sie schwach. Der Pony verdeckte ihre Augen. „Aber wenn das die einzige Möglichkeit ist, ins Dorf zurückzukehren – mit dir zusammen sein zu können – werde ich jede Folter von Morino-san klaglos hinnehmen.“ Die Clanerbin schaute entschlossen auf. „Ich habe nichts zu verbergen“, gab sie laut bekannt, dabei funkelten ihre Augen entschieden.

„Gut, wenn dies also geklärt ist“, Tsunade blickte den Rat fest an, „dann wird dem Verhör nichts mehr im Wege stehen. Shikaku, bring Ibiki und Inoichi her.“

„Hai, Hokakge-sama.“ Der Nara verneigte sich knapp und verschwand anschließend in einer Rauchwolke.
 

~. . . ~
 

Jiraiya, der bis dahin schweigend dem Geschehen gefolgt war, stieß sich von der Wand ab und trat aus den Schatten.

Die Godaime blickte beim Klappern seiner Holzschuhe auf. „Jiraiya“, begrüßte sie ihn knapp.

Kasumis Augen weiteten sich überrascht. „Jiraiya-sensei!“, stieß sie aus. Bevor der Sannin reagieren konnte ergriff die junge Frau seine Hände und drückte sie überschwänglich. Ihr Gesicht strahlte vor reinster Freude, die sie nicht in Worte zu fassen vermochte. „Wie geht es euch? Wie ist der Kampf ausgegangen? Wie geht es Baku und Ushi?“

Der alte Mann schwieg, so überrumpelt war er, schließlich schloss er sie in eine feste Umarmung. „Lass den –sensei weg, Kasumi. Ich bin nicht großartig zum Unterrichten gekommen.“ Er ließ sie los, legte aber seine großen, schweren Hände auf ihre Schultern. „Lass dich ansehen ... Bei Kami, du siehst deiner Mutter verdammt ähnlich!“

„Wirklich?“ Erfreut errötete die junge Frau. „Wie Kaa-chan?“, flüsterte sie, ihre Augen begannen feucht zu schimmern.

„Ich bin froh, dass es dir gut geht“, begann Jiraiya. „So gut, wie es einem gehen kann, wenn man Orochimaru entkommen ist ...“, räumte er ein. „Und was Baku und Ushi angeht, die Mission hatten wir ohne weitere Verluste abgebrochen, nachdem Orochimaru mit dir verschwunden war.“ Er starrte sie eine Weile gedankenverloren an, ehe er unerwartet ausstieß: „Warst du schon in Konohas heißen Quellen? Es ist ein wundervolles Bad, da kann man herrlich ...“

„Jiraiya!“, knurrte Kakashi, dabei riss er Kasumi an sich. Verwundert schaute sie Tsunade an, die Jiraiya gerade einen gezielten Faustschlag verpasste.

„Du alter Lustmolch!“, brüllte sie los. „Dich kann man keinen Augenblick aus den Augen lassen!“

„Hast du ja auch nicht“, grummelte der Sannin und hielt sich die schmerzende Seite. „Wie soll ich da nur weitere Informationen beschaffen?“, jammerte er leise. „Von dir hätte ich mir mehr Unterstützung erhofft.“ Anklagend blickte er den silberhaarigen Jonin an.

Bevor Kakashi reagieren konnte, knallte die Bürotür gegen die Wand; mit flatterndem Mantel trat Morino Ibiki, gefolgt von Yamanaka Inoichi und Shikaku ein.

„Ibiki!“ Auf Tsunades Stirn begann eine Wutader warnend zu pochen. So ein Aufruhr am frühen Morgen war einfach zu viel. Sie brauchte dringend einen Schluck Sake. Oder auch zwei.

Scharf atmete Kakashi ein, nickte den beiden Jonin aber grüßend zu.

„Godaime-sama, du hast nach uns schicken lassen?“ Ibiki steckte gelassen die Hände in die Manteltaschen.

„Ich bitte dich, eine Befragung durchzuführen.“

„Von wem?“ Karg antwortete er ihr.

Tsunade deutete auf die Frau neben Kakashi. „Uchiha Kasumi.“

Ibiki blickte die Uchiha ausdruckslos an, dann nickte er nach den beiden ANBU vor der Tür.

„Geht klar, Meister Hokage.“

„Kasumi“, hielt Tsunade die junge Frau auf, welche sich widerspruchslos abführen ließ, nachdem sie sich zärtlich von Kakashi verabschiedet hatte. „Es tut mir leid“, entschuldigte sie sich. Man sah ihr die Qual dabei an. „Ohne Verhörresultat kann ich keine Entscheidung zu deinen Gunsten fällen.“

Kasumi warf ihr einen Blick über die Schulter zu. Sie lächelte vergnügt. „Keine Sorge, Meister Tsunade. Ich schaffe das schon.“
 

~. . . ~
 

Die Stille, die sie umgab, war beängstigend. Das leise rauschen der Fackeln klang wie das Zischeln einer Schlange. Mit Schaudern musste Kasumi unwillkürlich an Orochimarus Verstecke denken. Sie glaubte sogar hin und wieder seine fahlen, unmenschlichen Gesichtszüge aus den Augenwinkeln zu erspähen.

Doch hinter ihr war nur die dunkle, Furcht einflößende Gestalt von Ibiki-san, der sie wie aus kalten, toten Augen beobachtete. Von dem Mann ging eine unheimliche Aura aus. Der Mantel flatterte fast lautlos bei seinen energischen Schritten, dabei verschmolz er unmerklich mit der Dunkelheit hinter ihm.

Fröstelnd drehte sie sich wieder um, folgte weiterhin den Jonin Inoichi-san und den beiden ANBU durch die feuchten Tunnel, die sich wie ein Labyrinth unterhalb von Konoha durch das ganze Tal zogen. So oft wie sie schon abgebogen waren, mussten sie sich bereits weit von Kakashi und Tsunade in der Residenz entfernt haben.

Immer tiefer drangen sie vor, immer mehr Gänge passierten sie, die sie unbeachtet hinter sich ließen. Ihre Körper warfen flackernde, lang gezogene, unnatürliche Schatten an die aus verhärteter Erde bestehenden Wände. Die Fackeln reichten nicht aus, um alles vor ihnen zu erhellen, doch die Männer kannten den Weg zielsicher.

Schließlich wurde eine kaum erkenntliche Tür aufgestoßen, die dumpf gegen die Wand schlug.

Eine steile Treppe schraubte sich in schwindelerregende Höhe empor. Es gab kein Geländer, das Halt geboten hätte und die Stufen waren so schmal und feucht, dass die fünf Shinobi hintereinander und äußerst vorsichtig gehen mussten. Weit entfernt, ganz am Ende der Treppe, glomm unerwartet ein Licht auf.

Eine weitere Tür war am Ende ihres Weges in Erwartung der Ankommenden geöffnet worden.

Was würde Kasumi bei diesem Verhör erwarten? Konnte sie es überhaupt bestehen? Zweifel nagten an ihr wie ätzende Säure. Zweifel, die sie vor Kakashi geschickt verborgen hatte.

Vom Ausgang dieses Geschehens hing ihre gesamte Zukunft ab.
 

~. . . ~
 

Ibiki beugte sich drohend vor und musterte die junge Frau, die am Tisch vor ihm saß. Er musste ihr zugutehalten, dass sie nicht klein beigab. Besonders in Angesicht des Raumes, in dem sie saß. Der Spezial-Jonin hatte sie mit Absicht in die Folterkammer geführt, in der die abstraktesten Geräte an den Wänden hingen, an welchen noch dunkles, eingetrocknetes Blut klebte.

Er hatte ihren flackernden Blick bemerkt, als sie eingetreten war und ihr kurzes, ängstliches Keuchen vernommen. Ihr Körper hatte sich plötzlich angespannt, als würde sie gleich einen Angriff planen, um zu entkommen. Kurzzeitig war ihr Dojutsu, ihre Augenkunst, aktiviert, aber genauso schnell war ihre angespannte Haltung verschwunden und sie ließ sich widerspruchslos auf den Stuhl drücken.

„Uchiha Kasumi, Sie werden mir alles erzählen, was ich wissen will, sonst ...“ Ibiki deutete fahrig hinter sich. Ein kaltes Lächeln lag auf seinen Lippen.

Kasumi schluckte. „Ich ... ich ...“, begann sie. Ihre Worte klangen abgehackt und mit Mühe hervorgepresst. „Ich ... ... ... kann nicht“, würgte sie schließlich hervor. Schweiß bildete sich auf ihrer Stirn, die Hände zitterten unkontrolliert und sie verdrehte die Augen, so dass nur noch das Weiße darin zu sehen war.

„Wasser!“, befahl Ibiki barsch. Heftig knallte er das Glas auf den Tisch; dabei schwappte sein Inhalt über. Das Verhör würde sich als schwieriger gestalten, als er gedacht hatte. Als die Frau vor ihm keine Anstalten machte, die nun im Holz des Tisches verkrampften Finger zu lösen, fluchte er ungehalten, packte grob eine Hand und drückte ihr rücksichtslos das Glas in die verkrampften Finger.

Dass kaum mehr Flüssigkeit enthalten war, störte ihn nicht.

„Trink!“ Ruppig schob er das Glas an die spröden Lippen.

Wie aus Trance erwacht, schnappte Kasumi nach Luft, als sie die Kälte an ihren Lippen fühlte. Verdurstend kippte sie den Inhalt hinab.

„Mehr“, bat sie rau, ein Tropfen hing an ihrer Oberlippe. Der Jonin winkte ungeduldig. Ein weiteres Glas wurde gebracht. Auch dieses stürzte Kasumi hinab.

„Nun gut, wenn sie mir freiwillig nichts erzählen wollen, dann werde ich sie zwingen müssen! Sie werden es mir erzählen!“

Sein irres Lachen hallte von den Wänden wieder, dessen Geräte in Kasumis Augen genauso höhnisch funkelten, wie seine kalten Iriden.
 

~. . . ~
 

Gespenstige Stille umgab Inoichi, der regungslos in der Dunkelheit schwebte. Eine gewaltige Schiebetür versperrte ihm den Weg in Kasumis Geist. Die beiden mächtigen steinernen Säulen davor wurden von zwei täuschend echt aussehenden, fein ziselierten Schlangen umschlungen, deren Köpfe bedrohlich über dem Besucher schwebten. Ihre Augen funkelten rubinrot im diffusen Licht.

Langsam glitt er vorwärts, konnte so die kunstvollen Schnitzereien und kostbaren Verzierungen im Holz erkennen. Sah den feinen Stoff, mit dem die Türen bespannt waren, erkannte darauf die gestickten Szenen aus einer alten Mythologie. Golden schimmerten die Verzierungen, als urplötzlich die dunklen Schiebetüren lautlos zur Seite glitten und Treppen, dunkle Gänge, verwinkelte Ecken und Türen offenbarten.

Sehr viele Türen.

Blinzelnd öffnete der Yamanaka langsam die Augen. „Was für ein unglaubliches Genjutsu-Schild. Kein Wunder, dass das Wahrheitsserum im Wasser keinen Effekt hatte.“

Ruhig lag seine Hand auf Kasumis Kopf, deren Augen halb geschlossen waren. Ibiki stand hinter ihm, die Hände in den Manteltaschen.

Weiter drang Inoichi in ihren Geist vor. Er schwebte Treppen hoch und runter, öffnete wahllos Türen, die mit Belanglosigkeiten gefüllt waren. Fackeln an den Wänden spendeten seiner Suche ein wenig Licht. Immer weiter stieß der Yamanaka in das labyrinthartige Chaos in Kasumis Kopf vor.

„Es hilft nichts.“ Keuchend öffnete der Shinobi die Augen. „Jemand hat Sicherheitsvorkehrungen in ihrem Gehirn platziert. Welche, die sehr schwer zu umgehen sind.“

„Es muss eine Technik von Orochimaru sein.“ Ibiki trat neben ihn. Besorgnis spiegelte sich in seinen vernarbten Gesichtszügen wieder. „Bitte sei vorsichtig, er könnte auch Genjutsu-Fallen hinterlassen haben.“

„Das ist mir klar.“ Eine Schweißperle lief ihm über Schläfe und Wange hinab, ehe Inoichi wieder die Augen schloss und sich weiter vorarbeitete. Seine Gesichtszüge verspannten sich unmerklich immer mehr, je tiefer er vordrang. Sein ganzer Körper war angespannt, die Hand auf Kasumis Kopf zitterte vor Anstrengung. Noch immer stand der Morino hinter ihm.

Dunkle Gänge, Treppen, verschachtelte Aufgänge und vor allem Türen über Türen. Das zeigte alles eindeutig Orochimarus Handschrift. Die Fackeln fingen immer mehr an zu rußen, je weiter Inoichi sich seinen Weg im Labyrinth bahnte, tiefer zu Orochimarus Geheimnis vorstieß.

Plötzlich stutze er. Er hatte einen Pfad übersehen, war einfach vorbeigegangen, ohne die Verzweigung zu bemerken, so unscheinbar, dass es nur der sein konnte, der ihn zum Ziel führen würde. Und in der Realität sagt er: „Hab's gefunden.“
 

~. . . ~
 

Sie waren zu viert. Drei Männer waren mit Hilfe von Inoichi mit Gewalt bis ins Innerste von Kasumis Geist vorgedrungen, nun hatte sie begonnen ihr Gehirn anzuzapfen und riesige Mengen an Informationen, in Form von gewaltigen Schriftrollen, zu lesen. Leise raschelnd entrollten sie sich; der gelesene Teil verschwand rauschend in der Tiefe.

„Inoichi, du bist schon 'ne Nummer. Durchsuchst einen ganzen Tag von ihr innerhalb von Sekunden. Bald haben wir es geschafft“, rief Tonbo aus dem Tobitake Clan begeistert.

Der Yamanaka arbeitete verbissen an der Schriftrolle weiter, ging nicht auf die Begeisterungsrufe seines Teamkameraden ein. Zu wichtig war diese Arbeit für die Hokage. Gewiss wartete sie bereits ungeduldig auf die Ergebnisse. Und er wusste, wie aufbrausend sie sein konnte.

„Baka!“, schimpfte Mozuku. „Verschwende keine Zeit mit sinnlosem Geplänkel, wenn du gleichzeitig mehr herausfinden könntest“, wies er den Jüngeren scharf zurecht.

Schuldbewusst zog der Tobitake die Schultern hoch und bemühte sich verstärkt dasselbe Tempo wie Inoichi einzuhalten.

In der Wirklichkeit kam Kasumi ein schwacher, gequälter Laut über die rissigen Lippen. Eine Träne stahl sich ungesehen aus ihrem Augenwinkel davon und schwarz zeichnete sich Orochimarus Siegel gegen die blasse Haut auf ihrer Stirn ab, als Inoichi die Barriere schonungslos durchbrach.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Makibishi sind Streumesser, die auf dem Boden verteilt werden, um die Bewegungsfreiheit des Gegners einzuschränken und ihm Zeit zu nehmen, da er aufpassen muss, dass er nicht auf sie tritt. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Scorbion1984
2021-06-27T20:32:22+00:00 27.06.2021 22:32
Die drei Alten soll der Teufel holen. Selbstgemachte arrogante, ich weiss nicht was .
Ich kann sie absolut nicht leiden. Nach all dem was sie bei Oro erlebt hat nun das noch.
Toll das Du wieder fit bist, ich habe auch schon meine zweite Impfung, hatte aber überhaupt keine Nebenwirkungen. Glück gehabt .
Antwort von:  OmShantiOm
28.06.2021 20:29
Hey du,

ja, meine Mama hatte auch schon ihre Zweite und hat auch nichts gemerkt.
Was bin ich doch für ein Weichei. -.-'

Aber echt! Die sind so zum kotzen! Grr, wenn es die nicht in der Geschichte gäbe, wäre Naruto um vieles friedlicher.
Ja, Ibiki ist auch nicht ohne. Er quält sie ganz furchtbar. -.-

Liebe Grüße

Shanti


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