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Gleipnir

von

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Kapitel 12: Könnt ihr mal aufhören zu streiten?


 

Als ich meine Augen wieder öffnete, war meine Zelle mit einem diffusen Licht erfüllt. Ich konnte nicht sagen, woher es kam, aber viel wichtiger war für mich auch, dass die Tür weit offen stand. Ich stand auf und ging langsam hinüber. Auf dem Gang war dieses seltsame Licht noch heller, der Boden war in dichten weißen Nebel gehüllt durch den alles einen merkwürdigen Schimmer erhielt. Instinktiv wollte ich Soma fragen, was er darüber dachte und was wir tun sollten. Doch bevor ich dazu kam, erklangen tapsige Schritte auf dem Gang. Im nächsten Moment rannte jemand lachend an der offenen Tür meiner Zelle vorbei. Obwohl ich sie nur für den Bruchteil einer Sekunde sah, wusste ich sofort, wer das war.

»Shio?!«

Es war unmöglich, dass sie hier war, aber meine Vernunft weigerte sich, mich aufzuhalten, als ich ihr hinterherrannte. Es war einfach gewesen, mir zu sagen, dass sie mir nicht fehlte, während ich sie nicht gesehen hatte, aber da sie nun so nah war, brach die Sehnsucht hervor. Deswegen war es umso schlimmer, dass ich ihr nicht näher kommen konnte. Jeder meiner Schritte fühlte sich an, als müsste ich gegen einen Widerstand ankämpfen, als wäre der Nebel aus einem festen Material, das mich aufzuhalten versuchte. Shio schien dagegen keine Probleme zu haben, während sie sich immer weiter von mir entfernte.

»Shio, warte!«

Als Antwort auf meinen Ruf lachte sie nur und begann dann das Lied zu summen, das ich normalerweise von meiner Mutter in meinen Träumen hörte.

Der viel zu lange Gang endete plötzlich in einem gleißenden Licht. Ich kniff die Augen zusammen, hielt einen Arm vor mein Gesicht, um mich vor dem Blenden zu schützen – da schossen dornige Ranken aus dem Nichts heraus, wickelten sich um meine Handgelenke und zogen meine Arme auseinander. Fluchend versuchte ich mich zu befreien, doch die Ranken verkürzten sich dadurch und verstärkten den Zug an meinen Gliedmaßen.

Irgendwo im weißen Nebel lachte Shio. Ich rief noch einmal nach ihr, doch sie kam nicht zurück.

»Das ist nicht real«, flüsterte ich. »Das muss ein Traum sein, es muss

Ein scharfer Schmerz zuckte plötzlich durch mein rechtes Handgelenk. Direkt danach ließen die Ranken mich wieder los. Ausgehend von meinem Reif liefen schwarze Linien meinen Unterarm hinab, ich konnte regelrecht zusehen, wie meine Adern sich immer weiter verdunkelten.

Zu meinem Glück war ich noch nie in der Situation gewesen, beobachten zu müssen, wie ein God Eater zu einem Aragami wurde, aber ich war überzeugt, dass genau das gerade mit mir geschah. Mein Arm zitterte, während er sicher immer schwärzer färbte.

»Nein … nein, das darf nicht sein!«

Aus der Tiefe des weißen Nebels erklang Keis Stimme: »Du wärst bestimmt ein ganz außergewöhnliches Aragami~.«

»Nein, das will ich nicht!«

Niemals wollte ich zu einem Aragami werden, das eine Bedrohung für die Menschheit und vor allem für meine Freunde darstellte. Eher würde ich den Freitod wählen.

In diesem Fall blieb mir aber keine Wahl, denn plötzlich schälte sich Somas Gestalt aus dem Nebel, er schwang sein God Arc und ließ es auf mich niedersausen. Ich schloss die Augen, erwartete den kommenden Schmerz – und hörte plötzlich, wie jemand meinen alten Namen sagte.

»Kara? Kara, wach auf.«

Als ich meine Augen öffnete, war ich tatsächlich wieder in der Zelle. Es gab kein seltsam unwirkliches weißes Licht, keinen Nebel, nur eine grelle gelbe Glühbirne, die lediglich einen Ausschnitt erhellen konnte und die Schatten in den Ecken dafür umso dunkler werden ließ. So war es immer in diesem Bunker gewesen.

Kei stand mit einem besorgten Blick neben mir. »Hattest du einen Albtraum?«

Ich wollte lieber nicht darüber reden, schon gar nicht mit ihm. Deswegen setzte ich mich lediglich aufrecht hin. »Was ist los?«

Vielleicht war er auch froh darüber, nicht über Albträume sprechen zu müssen, denn er beantwortete meine Frage: »Erling hat mir erlaubt, dich zu deiner Mutter zu bringen. Er meinte, eine Nacht reicht bestimmt, damit du weißt, wem du dich fügen musst.«

Ich hatte immer noch nicht vor, irgendwem außer meinen Chefs bei Fenrir zu gehorchen, aber die Diskussion wäre an dieser Stelle sinnlos gewesen. »Was ist mit Soma?«

Kei sah zur Wand, die unsere Zellen voneinander trennte. »Ihn hat er nicht erwähnt.«

»Ich werde jedenfalls nicht ohne Soma gehen.«

Unsicher neigte Kei den Kopf.

»Was soll schon passieren?«, sprach ich weiter. »Der Bunker ist wie ein Labyrinth und noch dazu voller Wachen, wir können ohnehin nicht abhauen.«

Entweder überzeugte ihn das oder er war nicht in der Stimmung darüber zu diskutieren; er neigte lediglich ergeben den Kopf. Gemeinsam verließen wir meine Zelle, dann schloss er die von Soma auf. Dabei behielt er einen großzügigen Abstand zwischen sich und der Tür. »Soma Schicksal, Kara möchte, dass du sie begleitest.«

Ich war vor meiner Zelle stehengeblieben und konnte deswegen nicht sehen, was bei ihm vor sich ging. Lange Zeit war aber nichts von dort zu hören. Kei beugte sich etwas vor. »Soma Schi-«

»Wenn du noch einmal meinen ganzen Namen sagst«, erklang plötzlich Somas Stimme, »sorge ich dafür, dass es das letzte ist, was du je sagen wirst.«

Im nächsten Moment stand Soma in der Tür und blickte auf den Gang. Erst als er mich sah, schien er zufrieden und verließ die Zelle. Er schloss sich mir sofort an. »Ich werde jetzt also deine Mutter kennenlernen?«

Also hatte er das Gespräch mitgehört. Das wunderte mich nicht einmal, Soma war immer aufmerksam, diese feindliche Einrichtung musste das Verhalten nur verstärken.

»Ist sie besser als dein Vater?«

»Soweit ich mich erinnere. Aber die Messlatte hängt ja nich sonderlich hoch, oder?«

Er schmunzelte ein wenig. Kei betrachtete uns beide, ehe er an uns vorbeiging, um uns zu der Wohnung zu führen, in der ich früher gewohnt hatte. Auch auf diesem Weg kamen mir die Gänge nicht im Mindesten bekannt vor. Nicht einmal die Tür, die schließlich zur Wohnung meiner Familie führte. Gewaltsam versuchte ich eine Erinnerung hervorzuzerren, in der ich hier stand, aber nichts regte sich. Ich war überzeugt, diese Tür zum ersten Mal zu sehen.

Kei klopfte. Im Inneren erklangen eilige Schritte, dann wurde die Tür geöffnet. Vor uns stand eine Frau mit einem blassen, schmalen Gesicht, das durch ihr langes schwarzes Haar nur noch bleicher wirkte. Ihre braunen Augen schienen von innen heraus zu leuchten, obwohl dunkle Schatten darunter lagen. Das war eindeutig die Frau aus meinen Träumen, nur mit Schlafmangel.

Bei meinem Anblick lächelte sie sofort erleichtert. »Kara, du bist wirklich zurück!«

Noch bevor ich antworten konnte, legte sie ihre Arme um mich und drückte mich an sich. »Ich bin so glücklich, dich endlich wiederzusehen.«

Etwas in mir sagte, dass ich die Umarmung erwidern sollte, aber das Gefühl war zu unangenehm, ich brachte es einfach nicht über mich. So ließ ich die Arme an meinen Seiten hängen, bis meine Mutter mich wieder losließ. Sie betrachtete mich noch einen Moment, dann wanderte ihr Blick zu Soma hinüber. »Oh, ist das der God Eater, den du hergebracht hast?«

»Ja, das ist Soma.« Ich wandte mich ihm zu, froh darüber, jemanden sehen zu können, bei dem ich wusste, was ich denken und fühlen sollte. »Und das hier ist meine Mutter, Honoka.«

Er musterte sie prüfend, in seinem Gesicht las ich keinerlei Emotion, die mir verraten könnte, was er gerade dachte. Schließlich nickte er ihr zu. Damit schien das Thema für ihn erledigt.

»Danke, dass du auf Kara aufgepasst hast«, sagte Honoka. »Ich war immer so besorgt um sie.«

Soma runzelte die Stirn und wandte mir den Blick zu, als er antwortete: »Dafür gibt es keinen Grund, sie kann gut auf sich selbst aufpassen.«

Ich lächelte ihm zu, dabei bemerkte ich aus den Augenwinkeln, dass Kei lautlos schnaubte.

Meine Mutter trat zurück und bat uns, hereinzukommen. Ich ging als erstes hinein.

Jenseits der Tür stand man direkt in einem Raum, der in einer normalen Wohnung als Wohnzimmer durchgehen könnte. Es gab drei Sofas (die einzigen im ganzen Bunker, wie ich wusste), gruppiert um einen niedrigen Tisch auf dem ein Schachspiel aufgestellt war. Ich verstand aber nicht genug davon, um zu wissen, wer in der Partie gerade führte. In einer Ecke stand ein Sessel, daneben ein Regal mit zahlreichen Büchern. Ich glaubte, mich daran erinnern zu können, wie Honoka oft dort gesessen und gelesen hatte, doch die Erinnerung war derart unklar, dass ich mir nicht sicher war, ob sie real war oder nicht.

In einer anderen Ecke entdeckte ich etwas, das mich erleichtert aufatmen ließ: unsere Rucksäcke lagen fein säuberlich nebeneinander. Soma bemerkte sie im selben Moment, ging mit raschen Schritten und hinüber und suchte darin nach dem Selektionsfaktor.

»Baldur hat sie gestern Abend hergebracht«, erklärte Honoka. »Er meinte, ihr würdet sie brauchen, sobald ihr hier ankommt.«

Kei betrachtete Soma misstrauisch, als dieser eine Spritze hervorzog. Noch bevor er sich mir zuwandte, stand ich neben ihm und hielt ihm den rechten Arm entgegen. Innerhalb weniger Sekunden war mein Selektionsfaktor aufgefrischt und ich außerhalb jeder Gefahr in dieser Richtung. Ich bedankte mich bei ihm, er nickte lediglich.

»War das dieses Zeug, das du unbedingt brauchtest?«, fragte Kei. »Das verhindert, dass du ein Aragami wirst?«

Honokas Augen weiteten sich ein wenig, aber sie hinterfragte nichts. Ausgehend davon, wie sie nervös ihre Finger knetete, war ich ihr wohl genauso fremd, wie sie mir, deswegen wusste sie nicht, was sie tun oder sagen sollte. Ähnlich ging es mir auch, nachdem das erledigt war. Soma musste derartige Situationen aber bereits von seinem eigenen Vater gewöhnt sein, denn ihn traf das überhaupt nicht. »Wenn wir schon in deiner alten Wohnung sind, könntest du mir auch mal dein Zimmer zeigen, oder?«

»Wir haben es in dem Zustand gelassen, in dem du es verlassen hast«, sagte Honoka sofort und deutete auch direkt in die Richtung, in die wir gehen mussten.

Mein altes Zimmer war ... leer. Neben einem Feldbett und einer Truhe, in der meine Kleidung verstaut war, gab es nichts. Die Wände waren nackt, bis auf eine Flagge von Gleipnir. Der einzige Unterschied zu der Zelle, in der ich die Nacht zuvor verbracht hatte, war die Tür ohne Gitter.

Ich erinnerte mich an Tage, an denen ich hier mit Kei auf dem Boden saß, wir über unsere Zukunft sprachen und es kaum erwarten konnten, dass die Menschheit von den Aragami verschlungen wurde. Sogesehen musste es allen wirklich seltsam vorkommen, wie ich zurückgekehrt war.

Soma schloss die Tür, bevor uns jemand folgen konnte. Als er sich mir mit gerunzelter Stirn zuwandte, war mir klar, dass er nicht über die fehlende Inneneinrichtung sprechen wollte.

»Hast du schon eine Idee, wie wir hier rauskommen?« Er klang ungeduldiger als gestern, was ich ihm nicht verübelte.

»Erst einmal bräuchten wir unsere God Arcs zurück. Dann könnten wir uns einfach hier rauskämpfen. Theoretisch.«

Es war eine ungeschriebene Regel, mit den God Arcs nie Menschen anzugreifen, aber hier dürfte eine Ausnahme gelten.

Soma verschränkte die Arme vor seinem Körper. »Wo würden diese Leute unsere God Arcs verstecken?«

Auch ohne meine vollständigen Erinnerungen war das eine klare Sache: »In dieser Wohnung. Erling will sie bestimmt nicht einfach aus den Augen lassen.«

Soma nickte und senkte die Stimme: »Dann lass uns zuerst mitspielen. Vielleicht schaffen wir es so, einen Ausgang zu finden, dann können wir einen vernünftigen Fluchtplan schmieden. Da draußen sind immerhin noch mehr von denen – und sie können Aragami kontrollieren.«

Das war immer noch eine Sache, die mir unbekannt vorkam. Vor einem Jahr hatten sie dieses Talent definitiv noch nicht besessen, wie waren sie dazu gekommen? Ich bezweifelte, dass mir das jemand erklären würde, also sollte ich mich davon verabschieden, das im God Eater Alltag benutzen zu können, obwohl es wirklich praktisch wäre.

»In Ordnung«, sagte ich. »Solange wir dafür sorgen, dass du nicht der Kern dieses Dings werden wirst.«

Einer seiner Mundwinkel hob sich ein wenig. »Das wird schon nicht passieren, keine Sorge.«

Ich lächelte ihn zuversichtlich an.

Plötzlich wurde die Tür aufgerissen, Kei betrachtete uns aufmerksam und schien zufrieden, dass zwischen Soma und mir ein gewisser Abstand herrschte.

»Honoka sagt, das Essen ist fertig«, teilte er uns mit.

»Oh, etwas Selbstgekochtes«, entfuhr es mir. »Das wird hoffentlich besser sein als die Rationen.«

»Ist ja wohl kein Kunststück«, murmelte Soma.

Wir unterhielten uns nicht weiter über das Grauen, das unser Essen beinhaltete, sondern verließen mein altes Zimmer und fanden uns gleich danach in einer improvisierten Küche wieder. Tisch und Stühle waren billiges Plastik, schnell zu Beginn der Aragami-Plage zusammengeschustert, um zumindest ein bisschen Komfort aufweisen zu können. Die Schränke waren nach dem Zufallsprinzip von irgendwo gestohlen und hier eingebaut worden, auf einem davon stand ein Gaskocher auf dem wiederum ein Topf stand. Das Waschbecken bestand lediglich aus einer Eisenwanne in die ein Wasserschlauch führte. Dort hatten Honoka und ich oft gestanden, um das bereits angeschlagene Geschirr zu waschen, sorgsam darauf achtend, dass wir nicht aus Versehen noch etwas kaputtmachten, was wir doch noch benötigten. Damals war das meine größte Furcht gewesen – inzwischen wünschte ich, wir hätten damals alle Teller zerschlagen.

Soma und Kei warteten, bis ich mich gesetzt hatte – die Schüsseln waren bereits mit Reis gefüllt –, dann nahmen sie jeweils neben mir Platz. Zumindest Kei warf Soma dabei einen finsteren Blick zu, den ich lediglich mit einem Augenrollen quittierte. Honoka stellte den Topf auf dem Tisch ab. »Ich hoffe, ihr mögt Curry. Erling ist leider ... kein Freund davon. Deswegen komme ich selten dazu, es zu kochen.«

Sie schöpfte uns allen etwas von dem Curry aus.

»Hieß er schon immer Erling?«, fragte Soma derweil. »Das ist doch ein eher ungewöhnlicher Name in dieser Gegend.«

Bei Fenrir waren Namen aus den unterschiedlichsten Gegenden der Welt nichts Ungewöhnliches, immerhin kamen die God Eater auch von überall. Wer in Japan geboren war und noch immer in Fernost arbeitete, war zu beneiden, denn normalerweise wurden God Eater zwischen den Abteilungen herumgeschickt, um überall Erfahrungen zu sammeln oder diese einzusetzen. Aber für Zivilisten sollte das eigentlich nicht gelten.

»Oh,nein, früher hieß er anders«, antwortete Honoka ohne zu zögern. »Aber als die Aragami kamen und Fenrir gegründet wurde, erwachte eine Obsession in ihm, die sich auf nordische Mythen bezog. Deswegen wählte er diese Änderung, und er bestand auch darauf, dass unsere Kinder nach diesem Motiv benannt werden.«

Wen wunderte es da, dass er derart verrückt genug war, zu glauben, er könnte ein künstliches Aragami dazu bringen, Fenrir – oder zumindest die Fernost-Abteilung – zu zerstören? Vielleicht funktionierte dieser Plan ja nicht einmal. Jedenfalls glaubte ich nicht, dass er das mit einem richtigen Prototypen ausprobiert hatte. Dennoch wollte ich Soma nicht opfern lassen.

Honoka setzte sich endlich, so dass wir zu essen beginnen konnten, ohne uns unhöflich zu fühlen. Das Curry schmeckte deutlich besser als die Rationen und überzeugte mich noch einmal davon, dass ich Sakuya darum bitten müsste, mir das Kochen beizubringen. Ein wenig gute Abwechslung konnte sicher nicht schaden.

In aller Stille nahmen wir das Mahl zu uns. Immer wieder glaubte ich, dass Honoka etwas sagen wollte, sich im Endeffekt dann aber doch nicht traute oder es sich aus anderen Gründen anders überlegte. Vielleicht fand sie die Situation genauso seltsam wie ich.

»Das war eine richtig unhöfliche Frage«, tadelte Kei plötzlich.

Soma sah zu ihm hinüber. »Hast du jetzt so lange darüber nachgedacht, mir das zu sagen?«

Kei erwiderte seinen Blick trotzig. »Erling sagte, wir sollen dich mit Respekt behandeln, aber ich kann das nicht einfach durchgehen lassen.«

Honokas Nervosität nahm schlagartig zu. Mit geweiteten Augen sah sie zwischen den beiden hin und her. »Bitte, ich fand es nicht unhöflich, es ist okay ...«

Doch keiner von ihnen ließ sich von ihren Worten beirren.

»Wenn du mir Respekt zollen willst«, erwiderte Soma, »wäre es angebracht, uns einen Ausgang zu zeigen. Wir haben nämlich nicht vor, bei euren Versuchen mitzumachen.«

Kei presste die Lippen aufeinander. Sein Blick huschte zu mir, ich deutete ein Nicken an. Ich war immer noch derselben Meinung wie in der Nacht zuvor, deswegen sagte ich nichts. Schließlich schüttelte Kei mit dem Kopf. »Ihr könnt nicht mehr weg. Wir sind so nahe dran, unseren Plan zu erfüllen, unser Ziel zur Welterneuerung. Du solltest es dir wirklich überlegen.«

Honokas Gesicht verdüsterte sich, als Kei das erwähnte. Sie seufzte lautlos.

»Ich muss mir das nicht überlegen«, konterte Soma. »Mein Entschluss steht bereits.«

»Erling hatte unrecht, wir hätten euch nicht aus den Zellen lassen sollen.«

Bevor Soma noch etwas sagen konnte, schaltete ich mich dazwischen: »Könnt ihr mal aufhören zu streiten? Das nervt wirklich.«

Und brachte ohnehin niemanden weiter. Wir würden Kei nicht von der Falschheit der ganzen Sache überzeugen können, genauso wenig wie er uns von ihrem Plan. Dazu waren die Fronten ohnehin zu verhärtet.

Kei grummelte leise, aß aber ohne jedes Wort weiter. Soma tat dasselbe, nur ohne zu grummeln. Honoka sah mich erleichtert an und nickte mir zu. Ich erwiderte das mit einem kurzen Lächeln. Noch vertraute ich ihr nicht vollends, ich würde erst mehr mit ihr reden und mehr Erinnerungen dazu wieder hervorholen müssen. Aber wenn sie keine Anhängerin dieses Plans war, könnte sie mir und Soma vielleicht helfen zu entkommen. Auch wenn ich berechtigten Zweifel daran hegte, dass Erling das einfach so zuließ. Außerdem wusste Erling vermutlich auch, dass eine Nacht nicht ausreichte, um unseren Willen zu brechen. Uns so früh rauszulassen musste Teile eines Plans sein, den ich noch nicht durchschauen konnte, aber ich war nicht gewillt, ihn so einfach gewinnen zu lassen. Früher mochte ich mich vor ihm gefürchtet haben, bereit, alles zu tun, was er wollte, damit er keinen Grund fand, wütend zu werden. Doch heute war ich jemand ganz anderes, ich war Frea, die Kommandantin der Ersten Einheit von Fenrirs Fernost-Abteilung. Ich hatte eine Apokalypse der Verschlingung verhindert, das gelang mir sicher noch mit einer weiteren, und ich würde keinesfalls vor einem verblendeten Mythen-Fan zurückschrecken. Noch dazu war ich nicht allein in dieser Situation. Gemeinsam mit Soma würde mir nichts passieren, daran glaubte ich in diesem Moment noch felsenfest.

Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass es nur einige Tage dauern würde, bis meine Entschlossenheit ins Wanken geraten sollte.

 
 



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