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Adventskalender 2020

All I Want For Christmas ...
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
https://www.youtube.com/watch?v=I776VyXJab4&ab_channel=johnlegendVEVO
John Legend feat. Kelly Clarkson: Baby It's Cold Outside
Dieses Kapitel ist universumsunabhängig: Wer sagt, dass es nicht tatsächlich in (oder eher nach) Crisis Core passieren könnte? Komplett anzeigen

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Türchen 3: Baby, It's Cold Outside (Cissnei)


 

~ But baby it's cold outside ... ~
 

Cissnei sah unauffällig auf die Uhr: Sie saß hier erst seit etwas über einer Stunde und dennoch fühlte es sich an, als wäre sie schon den ganzen Abend an diesen Stuhl gefesselt. Während sie ihren Blick zum Fenster schweifen ließ, hinter dem dicker Schneefall zu erkennen war, und schließlich ihr Date uninteressiert anschaute und so tat, als würde sie ihm bei seinen ewig langen Reden zuhören, suchte sie in Gedanken nach einer höflichen Ausrede, um endlich gehen zu können. Mr Nice Guy, wie sie ihn insgeheim getauft hatte, war so gut wie ununterbrochen am Reden, seit sie in seiner Wohnung angekommen war, wo er ihr das sicherlich simpelste Nudelgericht vorgesetzt hatte, das sie je das Pech gehabt hatte zu probieren.

Cissnei hatte das Gefühl, ihn durchschaut zu haben: Er war ein Poser erster Güte, so als ob Dunning-Kruger-Effekt und Narzissmus ihr Wunschkind bekommen hätten. Sie konnte kaum fassen, wie widerlich aufgesetzt, unaufrichtig und egozentrisch ein einzelner Mensch sein konnte. Er hatte ihr nicht eine Frage über sie selbst gestellt, tatsächlich war sie sich nicht einmal sicher, ob er sich eigentlich an ihren Namen erinnerte oder ob sie für ihn einfach irgendeine Frau war, mit der er sich potentiell schmücken konnte.

Mit einem schmerzvollen Lächeln nickte sie, als sie das Gefühl bekam, dass er wieder einen seiner diskriminierenden „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“-Witze gemacht hatte. Sie nahm ihr Weinglas zur Hand, doch eigentlich wollte sie von dem Wein nicht trinken: Er war so furchtbar süß. Ihre Bewegung schien seine Aufmerksamkeit wohl auf den Tisch zu lenken. „Vielleicht räum ich besser mal unsere Teller ab“, sagte er. Während er die Teller wegbrachte, dachte Cissnei, dass es rein vom Prinzip vielleicht höflich gewesen wäre, sie irgendwann zu fragen, ob sie noch etwas wollte, selbst wenn sie froh war, nicht noch mehr von der Pasta aufgezwungen zu bekommen. Sie nahm einen Schluck Wein, schüttelte sich unwillkürlich vor Ekel und kippte den Rest ins Glas von Mr Nice Guy, der den Unterschied von einem Zentimeter Wein mehr oder weniger vermutlich nicht bemerken würde, da das Glas ja nicht Teil seiner selbst war.

Cissnei beschloss, die allgemeine Geschäftigkeit zu nutzen, um aufzustehen und zu gehen. Sie warf einen Blick in ihre kleine Handtasche, um zu prüfen, ob sie auch nichts vergessen hatte, und erhob sich mit einem sich anbahnenden Gefühl der Freiheit vom Stuhl, als Mr Nice Guy zurückkehrte. Er sah sie fragend an. „Ich denke, ich sollte langsam gehen“, erklärte sie ihm.

„Oh, ich hatte die Hoffnung, du würdest noch auf, ähm, ein Glas Wein bleiben“, sagte er schleimig und sie konnte kaum den schmutzigen Blick aushalten, mit dem er es sagte.

„Nein, besser nicht“, sagte sie mit einem falschen Lächeln, „ich vertrage nicht so viel.“ Die Wahrheit war, dass sie befürchtete, am nächsten Tag mit heftigen Kopfschmerzen aufzuwachen, wenn sie nur einen weiteren Tropfen von diesem Gesöff zu sich nahm.

„Ja, gut, vielleicht besser so“, sagte er, „Alkohol bläht ja auch auf.“

Das würde einiges erklären, dachte sich Cissnei mit einem genauen Blick auf Mr Nice Guy. Ihrer Meinung nach passte es zu ihm, nicht zu merken, dass er selbst am Aufgehen war wie ein Hefeteig, während er von einer Frau erwartete, ewig schlank zu bleiben.

„Aber kann ich dir vielleicht stattdessen eine Zigarette anbieten?“, schob er noch nach, als sie sich gerade in Richtung Ausgang bewegen wollte.

„Ähm“, machte sie, „ich rauche nicht.“

„Ah, gut“, sagte er, vollkommen übergehend, dass sie ihm eine Absage nach der andern erteilte. „Rauchende Frauen sind einfach so unsexy.“

„Aha.“ Sie wollte wirklich gehen. „Hör mal, wie gesagt, ich wollte eigentlich langsam los, es wird sonst so spät ...“

„Oh, aber findest du es dafür nicht zu kalt?“, fragte er. Dann fügte er mit einem widerlichen Augenzwinkern hinzu: „Dafür bist du doch gar nicht angezogen.“

„Ich hab ja noch meinen dicken Wintermantel, der im Flur hängt“, erinnerte sie ihn steif, während sie sich ihres figurschmeichelnden Kleides schmerzlich bewusst wurde.

„Aber draußen fängt es an zu stürmen, da wirst du kleine Elfe doch weggeweht“, beharrte er mit einem weiteren Augenzwinkern; es fehlte nur noch, dass er sich lasziv über die Lippen leckte, dachte sich Cissnei.

Allmählich wurde es ihr zu bunt. „Tja, was denkst du denn, was ich machen soll?“, fragte sie ihn gerade heraus.

„Na ja ...“, sagte er, und mehr musste er auch nicht sagen. Cissnei war angewidert.

„Dann nehm ich eben ein Taxi“, sagte sie entschieden.

„Das bezahl ich natürlich“, beeilte er sich zu sagen.

„Das kann ich mir gerade eben auch so leisten“, widersprach sie ihm fest.

„Ach“, machte er abfällig. „Frauen, die arbeiten, haben immer diese fixen Ideen, lass mich doch zahlen.“

„Nein. Danke“, sagte sie bestimmt. „Ich werd dann jetzt gehen.“ Sie schnappte sich ihre Tasche und lief in den Flur, wo sie sich ihren Mantel überzog, während er sie verfolgte.

„Das ist wieder so typisch für euch Frauen!“, warf er ihr vor. „Immer beschwert ihr euch, dass Männer ‚Schweine‘ wären und kaum, dass mal jemand nett zu euch ist, wollt ihr das auch wieder nicht, ich hab extra –“

„Es ist mir egal, was du extra besorgt hast oder nicht“, unterbrach sie ihn. „Und ich werd dir ganz sicher keine Medaille verleihen, weil du dich für ein paar Minuten wie ein verdammter ordentlicher Mensch verhalten und weil du mich auf billige Pasta eingeladen hast, ich hab dich nicht drum gebeten, wenn ich dich erinnern darf. Und ich möchte jetzt bitte endlich gehen, wenn’s recht ist!“

Plötzlich wechselte er die Spur. „Erst ziehst du dieses sexy Kleid für mich an, jetzt spielst du schwer zu kriegen, das macht mich total an, aber das ist gar nicht nötig, du kannst einfach sagen, was du willst, Schätzchen ...“ Und noch während sie sich zur Tür umwandte, spürte sie seine Hand an ihrer Taille. Sie wirbelte herum und schlug seine Hand weg.

„Jetzt hör mir mal zu, Schätzchen“, sagte sie und hob eine Hand, deren Finger sie in seine Brust bohrte. „Ich weiß genau, was du für ein Typ bist: Du tust so chic, aber setzt mir Wein vor, der keine zwei Gil gekostet hat, ich kenn die Discounter, die diese Billigmarke verkaufen, du willst zwar elegant tun, bist aber viel zu geizig, um Geld für andere auszugeben.“ Sie redete sich in Fahrt und langsam wich er vor ihr zurück, während sie nachsetzte. „Du tust so modern, bist aber in Wahrheit reaktionär, findest, dass Frauen Menschen zweiter Klasse sind, wenn überhaupt, und in die Küche gehören, wo sie die Nudeln aus dem Angebot kochen können, und dass wir zu nichts eine Meinung haben sollten, oder zumindest keine, die von deiner abweicht.“ Allmählich waren sie die Länge des Flurs abgelaufen und fast wieder am Esstisch angelangt. „Und du tust ach so gönnerhaft, aber das nur, weil du glaubst, dass Menschen anderen Geschlechts, anderer Hautfarbe oder Sexualität oder mit Einschränkungen jedweder Art weniger sind als du, sodass du dich als Retter aufspielen kannst, tja, Newsflash für dich: Du bist so ein armes Würstchen, kein Mensch braucht deine Hilfe, wie auch, du bist so inkompetent, so geizig, so dumm und offensichtlich verfügst du nicht mal über einen Spiegel, sonst würdest du dir abfällige Kommentare über das Aussehen anderer, die im Gegensatz zu dir wenigstens gepflegt erscheinen, sparen!“

An dieser Stelle holte sie Luft, um ihre Tirade fortzusetzen, o, ihr fielen noch einige Dinge ein, die an ihm absolut unerträglich waren und die sie ihm nur zu gerne an den Kopf werfen wollte, doch er nutzte sofort die günstige Gelegenheit, um sie abzuwürgen. „Schon gut, schon gut, du bist hysterisch, aber sei doch mal vernünftig und beruhige dich!“

In ihrem Magen explodierte ein unbändiger Zorn, der sich gewaltig entlud: Mit beiden Händen stieß sie ihm heftig vor die Brust, dass er, auf dem falschen Fuß erwischt, ins Straucheln geriet und auf dem Hosenboden landete. Schwer atmend schaute sie auf ihn herab, schockiert starrte er sie mit weit aufgerissenen Augen an. Es vergingen Momente, in denen sie langsam ihre Überlegenheit begriff. Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Sie richtete sich gerade auf, griff lässig nach der billigen Weinflasche auf dem Tisch und verließ triumphierend die Wohnung; das Klicken des Schlosses war die Melodie ihres Siegs.
 

~ Oh baby it's cold outside! ~
 


Nachwort zu diesem Kapitel:
weitere Versionen des Liedes:
Original '49: https://www.youtube.com/watch?v=iImqdl7gsHY&ab_channel=HurricaneTroy
Idina Menzel und Michael Bublé: https://www.youtube.com/watch?v=6bbuBubZ1yE&ab_channel=IdinaMenzel
Avril Lavigne und Johnny Blu: https://www.youtube.com/watch?v=SVFhe5XEMUU&list=PLNzWgLVJd0JOpFLBWp1Te0i4bK2WSvC_H&index=6&ab_channel=AvrilLavigneScotland
Lady Gaga und Joseph Gordon Levitt: https://www.youtube.com/watch?v=_9VQ6f3jzEw
Ariana Grande und Mac Miller: https://www.youtube.com/watch?v=52IY7Zv121A&ab_channel=LuisGrande

Zum Nice Guy in Film und Fernsehen empfehle ich auch das umfassende Erklärvideo von The Take:
https://www.youtube.com/watch?v=8JkZ55np3z8&ab_channel=TheTake

Ich weiß, das Lied ist kontrovers. Mir persönlich würde es gruselig vorkommen, wenn jemand nicht akzeptieren möchte, dass ich jetzt gehe -- natürlich kommt es drauf an, wie gut ich die Person kenne. Bei einer Freundin versteh ich es, angenommen, ich wäre mit dem Typen auf einem ersten Date und kenne ihn kaum, würden bei mir alle Alarmglocken schrillen. Auch "What's in that drink?" klingt nicht sehr vertrauenserweckend. Das Kapitel entspricht natürlich nicht 100%ig dem Lied, es geht deutlich darüber hinaus. Ich dachte einfach, ich biete mal eine neue, vielleicht etwas modernere Version an. Und wer jetzt nach einmal Drüberfliegen ankommen will mit "Aber er hat doch nur versucht, nett zu ihr zu sein", kann gleich gehen, ciao. :)
An alle anderen: bis hoffentlich morgen.
Tobie <3 Komplett anzeigen

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