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Unmei no akai ito

Der rote Faden des Schicksals
von

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Gewissensbisse

Ich kam als erster im Klassenzimmer an.

Unbewusst registrierte ich, dass der Boden sauber war. Von meinem gestrigen Benehmen war nichts mehr zu sehen. Kacchan hatte wohl wirklich etwas getan und alles weg geräumt.

Müde ließ ich mich auf meinen Platz sinken, legte den Kopf auf meinen Tisch und starrte aus dem Fenster.

Nach und nach kamen die anderen ins Zimmer und setzten sich auf ihre Plätze, unterhielten sich miteinander. Ich wurde in Ruhe gelassen, was mich etwas wunderte. Ich hörte Ochakos Stimme, wie sie sich mit Ten'ya und Tsuyu unterhielt. Doch keiner der drei kam zu mir und begrüßte mich.
 

Das Kratzen eines Stuhls, der direkt vor mir über den Boden gezogen wurde, ließ mich zusammenzucken. Kacchan war da. Jetzt bekam ich gleich was zu hören.

Ich kniff die Augen zu und wartete wie ein Verurteilter auf meine Strafe. Doch sie blieb aus. Es kam... rein gar nichts von ihm.

Blinzelnd hob ich leicht den Kopf und sah nach vorne. Direkt in seine roten Augen, die mich musterten.

Schnell kauerte ich mich auf meinem Stuhl zusammen. Doch auch jetzt kam nichts von ihm.

Verunsichert schluckte ich, wagte einen Blick zu ihm. Er hatte sich umgedreht und blickte nach vorne an die Tafel.
 

Mit einem Mal war ich vollkommen überfordert mit der ganzen Situation.

Sollte es endlich vorbei sein? Hatten meine Worte wirklich die Wirkung gehabt und Kacchan ignorierte mich nun statt seinen Frust an mir auszulassen? Oder überlegte er sich gerade, wie er sich am Besten an mir rächen konnte? Bestimmt würde er das ganze nicht auf sich sitzen lassen. Dazu war er viel zu stolz!
 

Erneut strich ich unbewusst über mein Muttermal auf der rechten Hand, zeichnete mit meiner Fingerspitze die Ränder nach.
 

„Murmel nicht zu laut, sonst bekommen es die anderen noch mit...“, hörte ich plötzlich.

Ich schreckte auf. Kacchan hatte sich zu mir umgedreht und hielt mir auffordernd einen Stapel Papier unter die Nase.

Ich blinzelte verwirrt und spürte die Hitze in meinem Gesicht. Ich hatte es schon wieder getan!

Ich musste es mir unbedingt abgewöhnen.

Aber viel wichtiger war, dass Kacchan mich leise darauf aufmerksam gemacht hatte. Es war so absolut untypisch für ihn, mich nicht wie sonst anzubrüllen.
 

Mechanisch nahm ich den Stapel Papier entgegen und reichte ihn weiter nach hinten, behielt ein Exemplar davon auf meinem Tisch zurück.

Kacchan hatte sich wieder nach vorne gedreht und beugte sich über das Blatt, auf welchem einige Geschichtsfragen aufgedruckt waren.
 

Nun war ich gänzlich verwirrt.

Penibel darauf achtend, nicht wieder mit dem Murmeln anzufangen, brütete ich über die Situation, die sich aus meiner Kurzschlussreaktion ergeben hatte.

In diesem Zustand brachte ich die Zeit hinter mich bis zur Mittagspause.
 

„Midoriya?“

Eine ruhige Stimme, die ich im ersten Moment nicht zuordnen konnte, riss mich aus meinen Gedanken.

Ich sah, dass jemand rechts neben meinem Tisch stand und hob den Blick.

Zwei ungleiche Augen blickten mich an.

Shôto stand bei mir und musterte mich.

„Kommst du mit in die Cafeteria?“, wollte er wissen.

Ich blinzelte verwirrt, blickte mich im Zimmer um.

Ten'ya, Tsuyu und Ochako standen an der Tür und blickten zu uns herüber. Alle anderen waren bereits gegangen.

„Oh... äh... ja... ich denke schon...“, meinte ich leise.
 

Ich hatte nicht mitbekommen, wie die Zeit vergangen war. Was hatte ich alles im Unterricht verpasst? War es aufgefallen? Warum hatte mich niemand ermahnt?
 

Ich erhob mich langsam. Mein Körper fühlte sich schwer an. Der fehlende Schlaf machte sich bemerkbar. Ich gähnte, hielt mir schnell die Hand vor den Mund und warf mir dann meinen Rucksack über die Schulter.

Zusammen mit Shôto ging ich zu den anderen und weiter in Richtung Cafeteria.
 

„Geht es dir gut?“, wollte Shôto leise wissen. Er trottete neben mir den Gang entlang.

Ich sah ihn an, nickte dann. „Ja, alles bestens...“, versuchte ich ihn mit einem schiefen Lächeln zu beruhigen.

Er musterte mich wieder. Seine Augen verengten sich dabei. Ich sah ihm an, dass er mir nicht glaubte. Aber er beließ es dabei und bohrte nicht weiter nach.

Ich war ihm dankbar dafür. Niemand musste erfahren, was für ein schrecklicher Mensch ich in Wirklichkeit war. Niemand durfte es erfahren!

Natürlich blieb mein Verhalten auch den anderen nicht verborgen.
 

Unvermittelt blieb ich stehen. „Ich geh mir kurz das Gesicht waschen...“, meinte ich leise und verschwand in der Jungentoilette, an der wir gerade erst vorbei gekommen waren.

Vor dem Waschbecken blieb ich stehen, drehte das Wasser auf und warf mir zwei Hände voll der kühlen Flüssigkeit ins Gesicht.

Einen kurzen Moment sah ich dem Wasser zu, wie es im Abfluss verschwand und drehte dann den Hahn wieder zu, blickte nach oben in den Spiegel.

Das Bild, das sich mir zeigte, war erschreckend.

Meine Augen hatten jeglichen Glanz verloren. Dicke, dunkle Augenringe waren darunter zu sehen. Meine Haare standen wie immer in alle Richtungen ab. Sie zu bändigen hatte ich schon vor Jahren aufgegeben, daher ließ ich sie einfach so und achtete nur darauf, dass sich keine Knoten bildeten. Aber noch nicht einmal das hatte ich heute morgen fertig gebracht.

Unwirsch fuhr ich mir mit meinen nassen Händen durch die Haare und schüttelte danach den Kopf.

Mit Papiertüchern trocknete ich mir mein Gesicht ab. Einige Wassertropfen waren auf meiner Uniform gelandet. Aber es störte mich nicht. Es war nur Wasser und würde bald getrocknet sein.

Mit einem tiefen Seufzen schlug ich mir selbst auf die Wangen und zwang mich zu einem Lächeln. Es sah eher gequält aus, doch zu mehr war ich gerade nicht in der Lage.
 

Mit langsamen Schritten verließ ich die Toilette wieder und ging zu den anderen in die Cafeteria. Sie hatten mir einen Platz freigehalten und freuten sich, als ich mich neben Shôto auf den Stuhl fallen ließ.
 

Wortlos und vor allem lustlos begann ich mein Bento zu essen. Mein Magen verlangte nach Nahrung, doch Appetit hatte ich immer noch keinen.

Ich hing weiter meinen Gedanken nach, bis ich von Ochako angesprochen wurde.

„Izu-kun?“, fragte sie und berührte mich über den Tisch hinweg am Arm, da ich nicht sofort reagierte.

Ich erschreckte mich und sah sie mit großen Augen an. „Sorry, was meintest du gerade?“

Sie lächelte mich an. „Wir hatten es gerade davon, dass Mina die Idee hatte, dass wir klassenintern unsere Telefonnummern austauschen könnten.“

Ich ließ mir den Gedanken durch den Kopf gehen und nickte dann. „Ja, keine schlechte Idee.“

Ich gab ihr meine Nummer, die sie direkt in die Messenger-Gruppe, die Mina bereits erstellt hatte, hinzufügte.

Ich warf kurz einen Blick darauf und lächelte sie dann an, ehe ich weiter in meinem Essen herumstocherte und meinen Gedanken erneut erlag.
 

Das nächste Mal erschrak ich, als sich eine Hand auf meine Schulter legte.

Die Pause war fast zu Ende und Shôto hatte mich aus meiner eigenen kleinen Welt zurück in die Realität gebracht.

Er sah mich an und ich konnte in seinen Augen sehen, dass es ihm nicht gefiel, was er sah. Trotzdem sprach er mich nicht darauf an.

„Lass uns zurück in den Unterricht gehen...“, meinte er ruhig und wartete, bis ich meine Bentobox im Rucksack verstaut hatte. Sie war noch fast komplett gefüllt. Viel gegessen hatte ich nicht.

Ich folgte ihm schließlich zurück zum Klassenzimmer, setzte mich still hinter Kacchan auf meinen Platz, der mich erneut mit einem prüfenden Blick ansah.

Aber auch diesmal kam nichts von ihm. Und trotzdem fühlte ich mich immer noch schlecht.

Ich hatte das Bedürfnis mich bei ihm zu entschuldigen. Doch ich fand nicht den Mut dazu.
 

Tbc...



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Angel_Cas
2020-07-22T19:01:51+00:00 22.07.2020 21:01
Guten Abend,
Mal wieder sehr schön geschrieben.
Freue mich auf die weiteren Kapitel!
LG

Von:  Yuna_musume_satan
2020-07-22T10:06:09+00:00 22.07.2020 12:06
Ach Izuku warum machst du dich denn so fertig ja Katsuki ist kein einfacher Charakter aber dennoch.
Ein wirklich tolles Kapitel obwohl nicht sehr viel geschah. Ich freue mich schon darauf wie es weiter geht


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