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Amigo del alma

Boston Boys 5
von

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Visita al hospital

Nachdem ich geklopft hatte, öffnete ich langsam die Tür und sah mich im Zimmer um. Sofort richteten sich drei Augenpaare auf mich. Leise grüßte ich in die Runde und lief auf das Bett ganz hinten rechts zu. Nun wanderte auch der letzte Blick in meine Richtung. Für einen ganz kurzen Moment leuchteten seine Augen, dann nahm seine Miene wieder einen neutralen Ausdruck an.

»Hi«, grüßte er, sobald ich an seinem Bett stand. Er sah einfach schrecklich aus. Seine Wangen waren noch weiter eingefallen und seine Haut unglaublich fahl. Dicke Augenringe hatten sich gebildet und von den tiefen Furchen, die auf seiner Stirn standen, wollte ich gar nicht erst anfangen. Die Schläuche, die aus seinen Armen und der Nase hingen, rundeten das Bild noch ab. »Danke, dass du hier bist.«

Ich strich kurz über seinen Oberarm. Gern hätte ich ihn herzlicher begrüßt, doch die drei anderen Augenpaare, die ich noch immer auf mir spürte, hielten mich davon ab. »Ich muss doch nach dir sehen. Wie geht es dir?«

Mat deutete in Richtung eines Tisches, um den mehrere Stühle verteilt waren. »Nimm dir ’n Stuhl.«

Ich tat, wie mir geheißen und zog mir einen heran, um mich neben sein Bett zu setzen. Dabei bemerkte ich, dass Mat seinen Blick die ganze Zeit auf meinen Rucksack gerichtet hielt. Nachdem ich mich gesetzt hatte, nahm ich diesen auf den Schoß. »Ich hab dir ein paar Sachen mitgebracht, von denen ich glaube, dass du sie die nächsten Tage gebrauchen kannst.«

Zuerst zog ich die Schlafanzughose heraus und reichte sie ihm. Er lächelte dankbar, nahm sie entgegen und krabbelte dann umständlich halb unter die Decke, um sie überzuziehen. Nachdem er fertig war, lehnte er sich nach hinten gegen das Kissen und atmete schwer. Ohne darüber nachzudenken, strich ich über seine Schulter.

Es dauerte sicher zwei Minuten, bis er wieder normal atmete. Dann fragte er mit angestrengter Stimme: »Was hast du noch für mich?«

Ich hielt zwei Bücher in die Höhe. Das eine hatte er wahrscheinlich in den letzten Tagen gelesen, zumindest lag es auf seinem Nachttisch. Das zweite hatte ich nach einiger Recherche im Internet auf dem Weg in einer Buchhandlung besorgt. Es hatte gute Kritiken erhalten und offenbar freute Mat sich darüber, denn er grinste.

Erstmal legte ich sie in die Schublade des Nachttischchens. Außerdem legte ich das Etui mit seiner Brille dazu. »Wenn ich dir noch welche bringen soll, dann sag Bescheid.«

»Danke. Kannst du mir von der Reihe auch den zweiten Band besorgen? Du bekommst das Geld wieder, wenn ich zu Hause bin.«

Ich grinste kurz. Bei seiner Lesegeschwindigkeit brauchte er es vermutlich direkt morgen. Dennoch hob ich bei seiner zweiten Aussage die Augenbrauen und sah ihn mahnend an. »Ich bring es dir gerne morgen mit. Aber es ist ein Geschenk.«

Er nickte leicht und warf dann wieder einen neugierigen Blick auf den Rucksack. Die nonverbale Aufforderung, weiter auszupacken.

Ich holte noch die T-Shirts heraus und verstaute sie in dem Schrank, der ihm zugewiesen wurde. Außerdem packte ich gleich die Sachen ein, die er getragen hatte, als er eingeliefert wurde. Im Moment würde er sie nicht brauchen. Frische konnte ich ihm bringen, wenn ich ihn abholen kam.

Nachdem alles ausgepackt war, setzte ich mich wieder zurück. Er zog die Augenbrauen zusammen, sah mich einen Moment fragend an, dann legte er Zeige- und Mittelfinger leicht gespreizt vor die Lippen und zog sie wieder weg.

»Nicht dein Ernst, oder? Vergiss es!«

»Dann gib mir Geld!«, krächzte er.

»Nein, ich werd dich nicht dabei unterstützen, weiter zu rauchen! Ich hab gerade mit einer Pflegerin gesprochen. Die Ärzte vermuten Lungenkrebs!« Daher hatte ich die Zigaretten, die ich ursprünglich eingepackt hatte, auch direkt im nächsten Mülleimer entsorgt.

»Ach nee?! Ich dachte, die bringen mich einfach aus Langeweile in die Onkologie.« Er zuckte mit den Schultern, während Zorn in seinen Augen aufflackerte. »Ist doch egal, wann ich daran krepiere. Aber ich werde keinen kalten Entzug machen!«

»Dann lass dir Nikotinpflaster geben und mach eine Entzugstherapie. Es wird sich keine bessere Gelegenheit ergeben.« Ich zog ein Informationsheftchen, das mir die Pflegerin zuvor gegeben hatte, aus der Jackentasche und hielt es ihm entgegen.

Mat nahm es entgegen und pfefferte es in die nächstgelegene Ecke. »Fick dich! Ich werd keinen Entzug mehr machen! Du hast doch überhaupt keine Ahnung! Lasst mich doch endlich sterben, verdammt!« Er fiel wieder zurück in die Kissen und atmete schwer. An den Geräten zeichnete sich sein Ärger deutlich ab.

Die Tür zum Zimmer wurde aufgerissen und eine Pflegerin kam eilig auf sein Bett zu. »Was ist passiert?«

»Er hat sich aufgeregt.« Ich stand auf und zog den Vorhang zu, damit sich die Pflegerin in Ruhe um Mat kümmern konnte. Er sollte sich erst einmal beruhigen.

Und ich brauchte nach diesem Ausbruch ebenfalls etwas Abstand.

Ich verließ das Zimmer und begab mich zum Aufenthaltsraum.

 

»Ihr Lebensgefährte hat sich beruhigt. Wenn sie wollen, können sie noch eine Weile zu ihm.«

Ich stand von meinem Stuhl auf und warf den Kaffeebecher in den Eimer. Um überhaupt ein paar Informationen über Mats Gesundheitszustand zu bekommen, war mir nichts anderes übrig geblieben, als erneut diese Lüge zu erzählen.

Während ich an der Pflegerin vorbeiging, erklärte sie noch: »Es kann sein, dass er etwas durcheinander ist. Er hat ein paar Beruhigungsmittel genommen.«

»Danke.« Ich lächelte sie kurz an, bevor ich mich wieder auf den Weg zu Mat machte. Für heute würde ich das Thema meiden, aber er kam aus der Nummer nicht raus.

Da die Vorhänge noch immer zugezogen waren, machte ich sie nur ein Stück auf und trat dann dahinter wieder an sein Bett.

Er brauchte einen Moment, bis er mich mit dem Blick richtig fixiert hatte, dann flüsterte er: »Tut mir leid.«

»Schon gut. Das ist jetzt gerade nicht der richtige Zeitpunkt, darüber zu streiten.« Ich setzte mich wieder und legte die Hand auf seinen Unterarm.

Er zog den Arm ein Stück zurück, bis meine Hand auf seiner lag. Dann spreizte er die Finger, sodass meine dazwischen rutschten. Da er leicht zudrückte, konnte ich spüren, wie er zitterte. Seine Stimme klang noch schwächer als zuvor. »Danke, dass du da bist.«

Ich streichelte mit dem Daumen leicht über seinen. »Natürlich.«

Wir schwiegen eine ganze Weile, bis er leise und ganz langsam fragte: »Wo ist Chico?«

»Bei Toby und Roger. Sie haben angeboten, ihn zu sich zu nehmen, bis es dir besser geht. Dann muss er nicht immer hin- und herfahren«, antwortete ich ebenso leise.

Mat hatte bereits die Augen geschlossen und lächelte. »Das ist gut, es gefällt ihm dort bestimmt.«

»Ja, ich denke auch. Der Garten und das Haus sind wirklich schön. Er kann da überall rumrennen. Sobald er aus dem Auto war, hat er gleich alles erkundet. Es schien ihm wirklich zu gefallen.«

Bis Mat eingeschlafen war, erzählte ich ihm von Chico. Es schien ihn wirklich zu beruhigen. Dann zog ich die Decke noch etwas hoch, achtete aber darauf, dass er frei atmen konnte.

Leise stand ich auf und verließ das Zimmer, wobei mich noch immer die Blicke der anderen Patienten verfolgten. Mehr als ein leises »Auf Wiedersehen« brachte ich jedoch nicht zustande.

 

Nachdem ich die Station verlassen hatte, musste ich mich erstmal setzen. Ich hatte es nicht erwartet, aber der Besuch machte mich fertig. Erst die Erkenntnis, dass Krebs vermutet wurde, dann Mats unvermittelter Wutausbruch. So hatte ich ihn noch nie erlebt. Sonst gehörte er zu den Leuten, die Provokationen einfach weglächelten und ruhig blieben. Ich konnte mich also auf einen harten Kampf einstellen, ihn von den Zigaretten wegzubekommen.

»Hallo Eloy«, riss mich Peter plötzlich aus den Gedanken. Ich hatte ihn nicht einmal bemerkt.

»Hi«, grüßte ich zurück. »Du willst zu Mat?«

Er nickte auf die ziemlich überflüssige Frage und legte den Kopf etwas schief. »Ist mit ihm alles in Ordnung?«

Sah man mir wirklich so sehr an, dass es mich mitnahm? Vermutlich.

Ich seufzte. »Ja, den Umständen entsprechend. Aber im Moment schläft er.«

»Oh verdammt. Schlechtes Timing, hm?« Er grinste ein wenig und rieb sich über den Nacken. Als junger Mann war er mit diesem Lächeln sicher ein gewaltiger Frauenmagnet.

»Darf ich dich auf einen Kaffee einladen? Dann erzähl ich dir, was mir das Pflegepersonal gesagt hat. Bis dahin ist Mat sicher wieder wach.« Ich hatte keine Lust, schon nach Hause zu fahren. Dort wäre ich mit meinen Gedanken allein. Schon jetzt bereute ich, Chico für die nächste Zeit abgegeben zu haben.

Toby und Roger hatten mir zwar angeboten, dass ich zu ihnen konnte, wenn mir die Decke auf den Kopf fiel, aber ich wollte sie nicht belästigen. Im Grunde kannte ich sie kaum und war schon dankbar, dass sie mir überhaupt halfen. Dennoch würde ich sie später anrufen und sie auf den aktuellen Stand bringen. Außerdem würde ich sie mit dem Krankenbesuch eine Weile vertrösten. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Mat im Moment Besuch von ihnen wollte. Morgen würde ich ihn fragen, dann war er hoffentlich etwas fitter.

Verwirrt sah ich auf, als ein Finger vor meinen Augen schnipste. Peter grinste noch immer. »Steht wohl nicht so gut? Natürlich komm ich mit.«

Ich erhob mich und wir gingen gemeinsam ins Krankenhauscafé. Der Kaffee war nicht gut, aber er lenkte ab.

So ruhig wie möglich erzählte ich ihm, was ich über Mats Zustand wusste. Außerdem nutzte ich die Gelegenheit, um ihn auf meine Seite zu ziehen, was das Nichtrauchen anging. Zumindest versuchte ich es.

»Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist«, merkte er an. »Die Zigaretten waren immer seine Ersatzdrogen. Je nachdem, was sie ihm geben, wird der Suchtdruck noch schlimmer werden. Dann braucht er erst recht etwas, woran er festhalten kann. Du hast den Leuten aber gesagt, dass Mat mal opiatabhängig war, oder?«

»Äh, nein, ich wüsste nicht, was es sie angeht.«

Er atmete tief ein und seufzte dann. Was war denn jetzt an meiner Aussage so falsch? »Die Ärzte müssen das wissen, falls sie ihm Schmerzmittel geben. Das muss etwas kontrollierter passieren und besser ausgeschlichen werden. Sonst kann er einen Rückfall erleiden.«

»Warum? Das ist doch ewig her.« Mir fiel es schwer, ihm das zu glauben.

»Trotzdem ist das noch möglich, wenn bei ihm auch unwahrscheinlich. Aber wenn er jetzt nicht mal rauchen darf, dann befürchte ich, wird es wahrscheinlicher. Wir haben damals nach dem Heroin Gras konsumiert und er ist dann auf Zigaretten umgestiegen, um völlig clean zu werden. Wenn sie ihm Opiate als Schmerzmittel geben und er Entzugserscheinen hat, egal ob davon oder vom Nikotin, kann es ziemlich unangenehm werden. Ich werd mal nachher mit den Schwestern wegen eventueller Schmerzmittel reden.«

»Mach das«, murmelte ich nachdenklich. »Ich vermute, Mat wird auf Entzug aggressiv? Also für seine Verhältnisse?«

»Kann gut sein, ja. Warum?«

»Ich wollte ihn nur ein paar Informationen zur Raucherentwöhnung geben. Statt mich wie erwartet zu beleidigen, hat er sie durchs Zimmer geworfen.«

Peter schien einen Moment nachzudenken, dann nickte er. »Ja, das kann gut sein. Er ist immerhin schon den zweiten Tag hier. Wobei das für mich jetzt nicht so schlimm klingt.«

Ich seufzte leise. »Nein, er hat auch noch rumgeschrien, dass wir ihn endlich sterben lassen sollen.«

Peter atmete tief durch und legte dann die Stirn auf der aufgestützten Hand ab. Kaum merklich nickte er.

»Gibt es da etwas, was ich wissen sollte?«, fragte ich leicht nervös. Er schien zu wissen, was Mat damit meinte. Verschwieg er mir etwas? Hatte er wirklich Todessehnsucht? »Warum will Mat sterben?«

»Ich glaube nicht, dass Mat wirklich sterben will«, versuchte Peter, mich zu beruhigen, und legte seine Hand auf meinen Unterarm.

Einen Moment sah ich verwirrt auf seinen Daumen, der darüber strich, bis ich meinen Arm wegzog.

»Er hat einfach nur schon lange mit dem Leben abgeschlossen. Kannst du dir vorstellen, wie das ist, wenn du erfährst, dass du eine unheilbare Krankheit hast, an der du schon einige elendig hast krepieren sehen? Als Mat den ersten positiven Test bekommen hat, kam gerade das erste Medikament auf den Markt. Unser Vater hat ermöglicht, dass er die Medikamente bekommt, und wir dachten alle, dass er damit wieder gesund wird. Sobald klar wurde, dass es zwar die Krankheit aufhält, aber nicht heilen kann, hat er sie abgesetzt. Er hat sie nie gut vertragen und die Wirkung hat auch nachgelassen. Später kam raus, dass er eine Resistenz entwickelt hat. Jedenfalls hat Mat da mit dem Thema Medikamente komplett abgeschlossen. Er wollte es nicht mehr versuchen und ist davon ausgegangen, nicht einmal dreißig zu werden. Weiß der Geier warum, aber er hat unbehandelt fast zwanzig Jahre überlebt.«

Die Einstellung fand ich merkwürdig und konnte sie auch nicht nachvollziehen, aber darüber würde ich später mit Mat sprechen. Er würde mir das sicher besser erklären können als sein Bruder. »Wie kommt es dann, dass er jetzt doch welche nimmt?«

Peter zuckte mit den Schultern. »Vor etwa fünf Jahren kam er plötzlich an, dass seine Entscheidung falsch gewesen wäre und er damit andere gefährdet. Keine zwei Tage später hat er die erste Kombitherapie versucht.«

Langsam und nachdenklich nickte ich. Meine Frage nach Mats Ausspruch beantwortete es dennoch nur unzureichend.

»Mach dir keine Sorgen. Mat würde schon dir zuliebe keine Dummheiten anstellen. Er hat dich viel zu gern, um den Gedanken ertragen zu können, dich zu verletzen.« Wieder tätschelte Peter meinen Arm und lächelte.

Ich zog ihn erneut weg und erhob mich. Das wurde mir zu viel und offenbar verstand er nicht, dass ich nicht angetatscht werden wollte. Es war sicher nett gemeint, aber ich empfand es als unangenehm. »Ich sollte langsam nach Hause. Danke, dass du mir etwas Gesellschaft geleistet hast.«

Er erhob sich ebenfalls und lächelte noch stärker, während er meinen Blick suchte. »Kein Problem. Wenn ich dir helfen kann, sag Bescheid.«

Das irritierte mich, daher brauchte ich eine Weile, bis ich erwiderte: »Du kannst Mat noch ein Buch organisieren, um das er mich gebeten hat. Er wird es morgen sicher haben wollen.«

»Natürlich«, erwiderte er, grinste noch etwas breiter.

Nachdem ich ihm den Titel genannt hatte, machte ich mich auf den Weg zu meinem Auto. Es gab so einiges, worüber ich nun nachdenken wollte. Hoffentlich würde ich Mat dann verstehen.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Krankenhausbesuch Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  chaos-kao
2021-03-09T16:22:42+00:00 09.03.2021 17:22
Mat macht es Eloy wirklich nicht leicht... und auch wenn ich weiß was im Prolog steht, hoffe ich trotzdem, dass sich das mit dem Krebs nicht bestätigt :( Es ist mir übrigens unheimlich wenn Peter so nett und touchy ist.
Antwort von:  Vampyrsoul
16.03.2021 13:13
Schön, dass jemand merkt, wie creepy Peter hier ist XD Also mal ganz unabhängig davon, zu ignorieren, dass Eloy nicht angefasst werden mag. Es ist halt doch seine Art, Menschen zu manipulieren.


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