Zum Inhalt der Seite

Der Duft von Hyazinth

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Das Herz des Feindes

Der Regen hatte das Land in einen Sumpf verwandelt. Sesshōmaru beobachtete einen Wassertropfen, der an einer gelösten kleineren Strähne herab rann und schließlich herunter tropfte.

Er rechnete damit, dass Takaitayo selbst natürlich nicht in der ersten Reihe bei seinen Männern stand. Das wäre auch zu einfach. Sesshōmaru widerstrebte es eigentlich seine Soldaten wie Bauernopfer in den Kampf zu schicken, doch er hatte keine andere Wahl, wenn er an Takaitayo herankommen wollte. Der Südfürst war einfach eine zu große Gefahr für den Frieden geworden.

Dein Vater hätte diesen Krieg vermeiden können, zischte eine boshafte Stimme in seinem Kopf, Aber du bist halt nicht wie er und du wirst niemals wie er sein

Sesshōmaru wischte diese Stimme fort wie ein lästiges Insekt, doch ihr Nachhall blieb. Das war nicht der richtige Zeitpunkt für Selbstzweifel. Und da hallte ihm die strenge Stimme seiner Mutter durch den Kopf: Zweifle niemals. Wenn du einmal damit anfängst, hörst du nie wieder auf.

Er wusste, dass seine Männer loyal waren, dass sie nie einen Kampf gescheut hätten und in ihren grimmigen Mienen konnte er ihre Entschlossenheit lesen.

Vielleicht schaffte er es, Takaitayo zu vernichten, ehe Schlimmeres geschah, denn er hatte ein ganz abscheuliches Gefühl.

 

Er sah bald am Horizont durch den Nebel das fremde Heer und der Hauch einer Erinnerung an seine letzte Schlacht geisterte ihm durch den Kopf. Dann gab er das Zeichen zum Angriff.

 

~*~

 

Die Heere prallten in etwa in der Mitte der Ebene aufeinander und es dauerte nur Sekunden bis die ersten Soldaten wie gefällte Bäume zur Erde stürzten. Inu Yasha stieg der Gestank von Blut in die Nase und nicht zum ersten Mal kam ihm der Gedanke, wie falsch das hier war und wie wenig sich Yōkai und Menschen doch unterschieden.

Er mähte mit Tessaiga einige Feinde nieder, merkte jedoch bald, wie schwer es war, das Schwert mit seiner vollen Kraft einzusetzen in diesem Getümmel, wo dazu noch dieser kreuzverdammte Regen einem die Sicht erschwerte.

Es wurde bald immer schwerer, Freund und Feind auseinander zu halten, was nicht nur an Regen und Schlamm lag, sondern auch, dass sich alle Gerüche hier bis zur Unkenntlichkeit vermischten. Trotz des Wetters lief ihm bald der Schweiß in Strömen und trotzdem war er dankbar für seines Vaters Rüstung, denn es geschah nicht nur einmal, dass feindliche Schwerter einfach an ihr abglitten.

Sein Blick suchte immer wieder den Südfürsten, doch er konnte ihn nirgendwo entdecken. Sesshōmaru hatte gesagt, Takaitayo gehörte ihm, doch er hatte selbst noch eine Rechnung mit ihm offen. Allerdings schien es als sei der Südfürst wie vom Erdboden verschluckt.

 

Mit einem gereizten Knurren schlug er gleich mehrere Feinde gleichzeitig zurück als plötzlich ein Schrei ertönte: „Pfeilregen!!!“ und Inu Yashas Blick ruckte zum Himmel, wo augenblicklich eine Wolke an silbrig glänzenden Pfeilen niederging.

Instinktiv griff er nach dem herumliegenden Schild eines feindlichen Soldaten und ging in die Hocke um sich darunter klein zu machen und fragte sich, wie wenig Takaitayo das Leben seiner eigenen Soldaten wert sein mochte, dass er deren Tod so großzügig riskierte. Die Pfeile schlugen laut in den Schild und er sah aus dem Augenwinkel wie Krieger durchbohrt von Pfeilen zu Boden stürzten, die Luft wurde vom Blutgestank geschwängert.

Zorn durchfuhr Inu Yasha und er warf den Schild weg, um in die Richtung loszusprinten, aus der die Pfeile gekommen waren. Er hatte beinahe freie Bahn, da die anderen sich alle in Sicherheit gebracht hatten – das war die Gelegenheit.

100 Feinde, ging es ihm durch den Kopf, Tessaiga lass mich nicht im Stich!

Es war noch ein gutes Stück bis hin zu dem feindlichen Trupp und er bemerkte, dass sie schon die nächsten Pfeile anzusetzen.

Inu Yasha konzentrierte sich und spürte die Energien, die durch sein Schwert pulsten, ehe er es schwang und mit einem lauten „Kaze no Kizu!!!“ eine Energiewelle in Richtung der Gegner schickte.

Es riss sie von den Füßen und zerschmetterte, zerteilte sie, Blut spritzte und abgetrennte Körperteile fielen zu Boden, zuckten hier- und da und dann war es für einen Moment still. Eine gruselige Stille und Inu Yasha spürte das Gefühl von Triumph, eine bittere Genugtuung und war im nächsten Moment erschrocken über sich selbst, denn jedes Leben war etwas Kostbares und er hatte nie getötet, wenn es nicht hatte sein müssen. Aber es hatte gut getan. Verdammt, hatte das gut getan!

„Kommt ruhig“, knurrte er mit einem schaurigen Grinsen als er weitere Soldaten auf sich zustürzen sah, bereit ihn in seine Einzelteile zu zerlegen.

 

Akiras eisenhartes Training zeigte jetzt seine Wirkung. Inu Yasha spürte selbst, wie viel sicherer er sich fühlte, wie viel gezielter er Tessaiga einsetzen konnte und das obwohl er nur mit einfachen Katana geübt hatte.

Das Schwert, das hundert Feinde tötet, tat seinen Dienst und schon bald flohen die feindlichen Soldaten vor seiner Macht,den sie erkannten die Macht des legendären Tōga-O.

Doch wo war Takaitayo? Inu Yasha konnte ihn nirgendwo entdecken und ein ungutes Gefühl beschlich ihn. Er witterte im Wind, doch alles, was an seine Nase drang, war der Geruch von Blut und Tod.

Inu Yasha wischte sich mit dem Handrücken etwas Blut von der Wange und sah sich hastig um. Der Kampf war in vollem Gange und mit dem zunehmenden Regen war es schwerer, Freund und Feind zu unterscheiden.

„Verdammt“, knurrte er und konnte gerade noch so einem feindlichen Schwerthieb ausweichen – er zerteilte den Angreifer mit Tessaiga einmal in der Mitte, sodass seine Eingeweide stinkend und dampfend zu Boden fielen.

 

Sein Instinkt schlug Alarm und er konnte gerade noch so einer riesigen stachelbewehrten Stahlkugel ausweichen – Inu Yasha sprang zurück und erblickte einen Hünen in der Größe etwa von dem Shichinintai Kyokotsu. Er hatte nur ein gesundes Auge und ledrige, vernarbte Haut mit Stellen, die nach üblen Verbrennungen aussahen.

„Hey du Fleischlops, wo bist du denn rausgekrochen?“, höhnte Inu Yasha und wollte zum Gegenangriff ansetzen, doch der Hühne war schneller als gedacht und im nächsten Moment wurde er von dem Morgenstern hart in die Brust getroffen – hätte er nicht seines Vaters Rüstung getragen, wäre sein Brustkorb nun Brei gewesen. So drückten sich nur die Metallkanten leicht schmerzhaft in seine Haut. Inu Yasha riss es von den Füßen und er durchbrach eine Gruppe maroder Bäume nur um in brackigem Wasser zu landen.

 

„Scheiße!“, fluchte er als er sich aufrappelte und Tessaiga nicht mehr in seiner Hand vorfand. Hastig tastete er in der trüben Brühe nach dem Schwert und er fand es gerade noch so ehe der Hühne ihm nachsetzte und mit einem unmenschlichen Brüllen durch die Bäume sprang. Inu Yasha wälzte sich zur Seite um erneut dem Morgenstern zu entgehen, doch der Hühne war schnell. So schnell, dass Inu Yasha kaum Zeit fand, die Kaze no Kizu einzusetzen, vor allem nicht auf diese kurze Distanz, da würde ihm alles um die Ohren fliegen. Aber was blieb ihm für eine Wahl? Der Hühne hob die Keule erneut um sie in seine Richtung zu schmettern. Inu Yasha ließ die starke Attacke des Schwertes los und - sie verfehlte ihr Ziel!

„Unmöglich!“, keuchte der Hanyō und diesen fatalen Moment nutzte sein Gegner um ihn erneut von den Füßen zu holen. Inu Yasha landete mit einem schmatzenden Geräusch im Sumpf und als er aufblickte stand der feindliche Yōkai direkt über ihm, mit einem schaurigen Grinsen seinen Morgenstern erhoben. Er ließ ihn niedersausen und Inu Yasha konnte gerade noch so ausweichen – er nutzte den Schwung und die Schwerkraft um dem Hühnen so fest gegen den Unterarm zu treten, dass dieser trotz der vielen Muskeln, die ihn umspannten mit einem morschen Knacken brach, wobei ihm der Morgenstern aus den Händen glitt. Der Yōkai heulte wütend auf und schlug mit dem anderen Arm hart nach Inu Yasha – der verlor auf dem rutschigen Boden den Halt und knallte gegen einem aus dem Boden ragenden Felsen.

Mit einem Keuchen wurde ihm die Luft aus den Lungen gepresst und er konnte gerade noch so aufsehen um zu sehen, wie der Hühne sich über ihn beugte – und ihn an der Kehle packte. Instinktiv krallten sich Inu Yashas Hände in das Handgelenk, aber es war, als versuchte er Stahl aufzubiegen.

Er krallte die langen Klauen in die Haut und er roch und spürte, wie dessen Blut zu fließen begann und er zitterte vor Anstrengung. Ihm begannen schon schwarze Punkte vor der Sicht zu tanzen... und plötzlich explodierte ein blaues Licht vor seinen Augen und er presste selbige zusammen, weil es unglaublich grell war.

 

„Inu Yasha jetzt!“, schrie jemand und instinktiv fuhr er die Klauen aus und preschte mit seinem ganzen Körpergewicht nach vorne. Erst als er spürte, wie seine Klaue auf der anderen Seite des warmen Leibes wieder austrat, wusste er, dass er es geschafft hatte.

Der Körper des Hünen fiel zerfetzt und blutend zu Boden... doch Moment!

Inu Yasha Blickte sich blinzelnd um...

 

„Shippo!“, entfuhr es ihm wütend und überrascht zugleich. „Was hast du hier verloren, das ist kein Platz für Kinder!“

„Aua!“, jammerte der Kitsune nachdem Inu Yashas Kopfnuss ihn ereilt hatte. „Dir das Leben retten wie es aussieht, du undankbarer Arsch!“

„Keh, ich hatte alles unter Kontrolle.“

„Ja, das hat man ja gesehen“, schmollte der Kleine, sich den Kopf reibend. Inu Yasha wischte sich abwesend das Blut von den Wangen.

„Wie kommst du überhaupt hierher? Du solltest dich irgendwo verstecken, bis das alles vorüber ist.“

„Im Lager stand ich nur im Weg rum. Außerdem hab ich... mir Sorgen gemacht, blöde Töle!“

Inu Yasha juckte es in den Fingern dem kleinen Fuchs noch eine Kopfnuss zu verpassen, doch für solche Kindereien hatten sie keine Zeit. Und Shippo hatte recht. Er hatte ihm wirklich gerade den Arsch gerettet.

Inu Yasha sah sich hektisch um. „Hör zu, ich hab jetzt keine Zeit, mich um dich zu kümmern. Meinst du, du findest den Weg zurück zum Lager allein ohne entdeckt zu werden?“

Shippo nickte beklommen. Eigentlich wäre er lieber bei Inu Yasha geblieben, aber gerade wagte er es nicht, sich mit ihm anzulegen.

„Gut und – Shippo?“ Der Kleine wandte sich nochmal um und Inu Yasha zwinkerte ihm zu.

„Danke.“

Ein schwaches Lächeln breitete sich auf den Lippen des Kitsune aus. Auch wenn er nicht vor hatte, jetzt zum Lager zurück zu gehen, erfüllte ihn dieses kleine Wort des Dankes mit Stolz.

 

~*~

 

Sesshōmaru räumte beinahe beiläufig die gegnerischen Soldaten aus dem Weg, die versuchten ihn aufzuhalten. Er hatte keine Zeit, sich mit dem Fußvolk aufzuhalten, er wollte einzig und allein Takaitayo und seine Männer taten ihr möglichstes ihm den Rücken frei zu halten.
 

Er ahnte, dass Takaitayo auf ihn wartete. Dass er sich nicht bloß hinter seinen Soldaten versteckte, wie es den Anschein machte. Doch es war ihm unmöglich in dem ganzen Geruch von Blut, Kampf und Schweiß den anderen Daiyōkai auszumachen. Vor allem in dem verdammten Regen. Plötzlich krachte ein Blitz und schlug auf einer Anhöhe in der Nähe in einen hohlen Baum. Das morsche Holz glühte, fing aber dank des Regens kein Feuer. Doch der Blitz hatte die Gestalt kurz beleuchtet, die nahe des Baumes stand. Sesshōmarus Augen verengten sich und er straffte unbewusst die Gestalt.

Takaitayo kam langsam, mit knirschender Rüstung den Hügel hinab auf ihn zu.

 

„Seht nur, was Ihr angerichtet habt... Das hier alles hätte vermieden werden können, wärt Ihr nicht zu stur und zu stolz gewesen, Euch unterzuordnen.“

„Ich bin nicht hier, um mir Eure Plattitüden und Verleumdungen anzuhören“, erwiderte Sesshōmaru kalt, „Ihr beginnt einen Krieg, weil Ihr Euren Willen nicht bekommt, wie ein verwöhnter Welpe der den Zucker von seiner Kinderfrau verboten bekommt.“

„Und was ist mit Euch?“, erwiderte der Südfürst samten und in seinen Augen flackerte etwas so Hasserfülltes und Böses, dass Sesshōmaru sich zusammenreißen musste, seinen eigenen Blick nicht abzuwenden.

„Tötet einen unschuldigen Welpen und enthaltet mir mein Land vor, bloß weil Ihr es könnt? Habt Ihr Euch nie vorgestellt, wie stark er hätte sein können und wie schön?“

Sesshōmarus Hand fasste unbewusst den Schwertgriff nach.

Der Südfürst hob die Zweililie die er führte und die scharfen Klingen summten leise in der Luft.

 

Es knirschte laut als die Zweililie auf Bakusaigas blanke Klinge traf und Sesshōmaru spürte das Vibrieren der Kraft auf seinen Körper übergehen. Den nächsten Schlag, der mit der anderen Seite folgte, wehrte er ebenfalls ab. Dann drehte er sich aus der der unmittelbaren Reichweite der Waffe und führte nun seinerseits mehrere Hiebe aus, die der Südfürst alle parierte, bis er ausweichen musste, weil Bakusaiga beinahe den Mittelstahl seiner Waffe getroffen hätte.

Ein kaltes Lächeln breitete sich auf Takaitayos Gesicht aus.

„Wusstet Ihr eigentlich...“, begann er im Plauderton, während sie verbissen miteinander kämpften, „Dass mein eigener Sohn nun in Eurem Alter wäre, hätte er nicht in Eures Vaters Krieg sein Leben verloren?“

 

Es war nur das Zehntel einer Sekunde, dass Sesshōmaru stutzte, nur das Zehntel einer Sekunde, dass sein Gegner nicht seine volle Aufmerksamkeit hatte und der kunstvoll geschwungene Stahl der Zweililie bohrte sich in seinen Bauch, hob ihn von den Füßen und schleuderte ihn durch die Luft, bis er durch eine morsche Baumgruppe brach und nach Luft japsend im Morast liegend blieb.

Verbissen keuchend presste er eine Hand auf die Verletzung und beglückwünschte sich im Geiste dafür, die schwerere Rüstung angelegt zu haben, sonst würden ihm vermutlich jetzt die Eingeweide aus dem Bauch quellen. Er hörte, wie Takaitayo ihm nachkam und konnte sich gerade noch so zur Seite rollen, ehe die Klinge sich mit einem Schmatzen dort in den Boden bohrte, wo eben noch sein Kopf gewesen war.

Er kam wieder auf die Füße. Nur um daraufhin der nächsten Attacke ausweichen zu müssen.

„Er starb, während Ihr so wohlbehütet in Eurem Schloss gesessen habt!“, giftete Takaitayo zornig, „Ihr seid mir einen Nachkommen schuldig!“

„Einen Scheißdreck bin ich Euch!“, knurrte der junge Fürst recht unfürstlich und sprang um dem wütenden Hieb der Zweililie auszuweichen – und da bemerkte er eine Lücke. Eine winzige Unaufmerksamkeit und während die Schwerkraft ihn wieder zu Boden zerrte, riss er Bakusaiga herunter und zerteilte die Griffstange der Zweililie sauber in zwei Teile. Bakusaigas Attacke fraß sich grünlich an dem gebrochenen Stahl nach oben und der Südfürst starrte eine Weile darauf, ehe er geistesgegenwärtig beide Teile von sich warf, ehe sie seine Hände erreichten.

Der Regen wurde schwerer. Wasser, Blut und Schweiß klebte an ihrer beider Körpern und fraß sich in die Kleidung, machte sie schwer.

Und obwohl der Südfürst nun entwaffnet war und Sesshōmaru einen entscheidenden Vorteil hatte, wirkte Takaitayo nun nicht einmal ansatzweise beunruhigt, als Sesshōmaru die Klinge auf ihn richtete.

„Ich gebe Euch jetzt die Möglichkeit, zu kapitulieren und augenblicklich Eure Truppen zurück zu rufen“, sagte Sesshōmaru drohend leise, „andernfalls wird das Reich des Südens in spätestens zwei Minuten keinen Herrscher mehr haben.“

Der Südfürst knurrte nur und dann breitete sich ein unheimliches Grinsen auf seinem Gesicht aus.

Er spuckte aus. „Ihr werdet mir langsam lästig, schöner Sesshōmaru.“

Langsam kam er dabei näher, wobei sein Blick sich in den Sesshōmarus bohrte und Sesshōmarus Hand krampfte sich unbewusst um Bakusaigas Griff, denn diese Art und Weise, wie Takaitayo ihn schöner Sesshōmaru genannt hatte, die kannte er nur von einem Einzigen...

Unbewusst griff er das Schwert nach.

„Nur zu. Erschlagt mich ruhig. Aber seid Euch auch sicher, dass Ihr die Konsequenzen tragen könnt.“

„Ich warne Euch ein letztes Mal. Zieht Eure Truppen zurück.“

„Sehe ich da Zweifel in Euren jungen Augen?“ Takaitayo kam einen Schritt auf ihn zu und er brauchte plötzlich alle Willenskraft, um nicht zurück zu weichen. Was war nur los? Er musste es tun. Er hatte keine Wahl. Er...

 

Plötzlich lagen Taikaitayos Klauen um seine Kehle und er spürte, wie das Südgift in seinen Körper drang. Sesshōmaru keuchte und wollte sein Schwert hochreißen, doch zu seinem Entsetzen befand es sich nicht mehr in seiner Hand. Er begegnete dem irren Blick es Südfürsten, der mit seiner ganzen Kraft Sesshōmarus Kehle zusammendrückte und der schlug reflexartig die eigenen Klauen in die Unterarme seines Gegners, doch die waren unnachgiebig und hart wie Stahl. Er spürte wie ihm Blut aus den Augen lief und sein Blick suchte fieberhaft nach Bakusaiga, welches in unmittelbarer Nähe im Schlamm lag.

Wie hatte ihm nur so ein fataler Fehler unterlaufen können? Wie hatte er sich auch nur einen Wimpernschlag so aus dem Konzept bringen lassen können?

„Wie wäre es-“, zischte der Südfürst, „wenn ICH Euch eine letzte Möglichkeit gebe, mir einen Nachkommen zu schenken anstatt dass ich Euch töte... Ihr seid so jung... Ihr wisst doch gar nichts....!“

Und da glaubte Sesshōmaru einen Moment Schmerz in den Augen seines Gegners zu sehen. Den Schmerz darüber, einen Teil von sich für immer verloren zu haben. Sesshōmaru kannte diesen Schmerz, denn er hatte ihn zweimal durchlebt. Seine Klauen glitten erschlafft von den Unterarmen des Südfürsten, er spürte Schwindel und einen Wimpernschlag lang die Sehnsucht, jetzt loszulassen und sich zu Saddin und seinem Vater zu gesellen.

 

Donner grollte berstend laut und ein heller Blitz erleuchtete die fast nachtdunkle Landschaft.

Und da kehrte die Kraft in den jungen Daiyōkai zurück.

Ein weiterer Blitz.

Die Hände um seine Kehle erschlafften.

Warmes Blut.

Das Herz pulsierte gegen seine Hand ehe er es seinem Gegner mit einem Ruck aus dem Leib riss.

 

Sesshōmaru stieß Takaitayos schweren Körper von sich, erhob sich wankend und sah mit einem mitleidlosen Blick auf ihn herab. Er hatte sich geirrt. Takaitayo und er hatten nichts gemeinsam. Nicht das geringste.

Er sah auf das Herz in seiner Hand. Erinnerte sich an die alte Tradition seiner Art. Er hatte nie viel von diesen Traditionen gehalten, sie waren primitiv und barbarisch, doch als er das Herz fraß, Stücke aus ihm reißend, wie seine wilden Vorfahren, da erfüllte es ihn mit tiefer Genugtuung.

 

Und dabei bemerkte er nicht, wie ein Langbogen sich mit einem leisen Knistern spannte.

Bemerkte nicht, wie der vergiftete Pfeil von der Sehne schnellte.

 

~*~

 

Inu Yasha richtete sich keuchend auf und blickte sich hektisch um. Der Kampf war noch in vollem Gange und doch meinte er, eine Tendenz bemerken zu können, dass der Süden langsam zurück gedrängt wurde.

Er strich sich eine schlammige, blutverklebte und triefend nasse Strähne aus dem Gesicht als ihn etwas durchzuckte. Eine Vorahnung, die sich in Form einer eisigen Klauenhand um sein Herz krallte.

 

„Sesshōmaru“, entfuhr es ihm und er sprintete los, suchte gestresst nach dem vertrauten Geruch seines Bruders und verfluchte zum ersten Mal seine schwache Hanyōnase. Verdammt, wo – plötzlich konnte er ihn riechen, schwach zwar, doch er hatte eine Richtung, der er folgen konnte. Sein Puls raste, alles um ihn herum war ausgeblendet. Die Spur führte zu einem Hügel und dann sah er schemenhaft seinen Bruder, der sich über einen Leichnam gebeugt hatte, das Gesicht und die Kleidung blutverschmiert – war er verletzt?

 

Und dann sah er den Schützen. Zu weit weg. Sah den Pfeil. Irgendetwas stimmte mit Sesshōmaru nicht, er hätte den Pfeil doch längst bemerkt! Der Pfeil glitt von der Sehne. Mit Ziel auf Sesshōmarus Herz.

Und er schlug mit einem dumpfen Geräusch ein.

 

~*~

 

Rin hielt plötzlich inne und sah auf. Ihr Blick wanderte zum Eingang des Lazarettzeltes. Draußen regnete es noch immer, jedoch war der Starkregen in ein sanfteres Nieseln übergegangen. Abwesend strich sie sich eine schwitzige Strähne aus der Stirn. Warf dann einen Blick in den Raum des Zeltes, doch alle Verwundeten, die bisher hergebracht worden waren, waren soweit versorgt.

„Rin-san?“ Homoto tätschelte ihre Hüfte, „du bist erschöpft. Ruhe dich aus, solange es noch möglich ist, du wirst deine Kräfte später noch brauchen.“

Rin lächelte schwach und nickte dann. „Wie Ihr wünscht.“

Sie wusch sich die Hände in einer Schüssel mit trübem Wasser und trat dann zum Zelteingang. Irgendwo da draußen waren Sesshōmaru und Inu Yasha. Und Akira.

Plötzlich fiel ihr etwas auf.

„Shippo?“, murmelte sie und sah sich suchend um, „He, hast du Shippo gesehen?“, fragte sie ein Mädchen, das vorbeilief. Es schüttelte den Kopf. „Tut mir leid.“

Wortlos und mit einem unangenehmen Gefühl im Magen, begann Rin sich auf die Suche nach dem kleinen Kitsune zu machen. Doch keiner hatte ihn gesehen. Sie schalt sich selbst eine Närrin, nicht besser aufgepasst zu haben. Sie wusste doch, wie kleine Jungs waren. Rin biss sich unschlüssig auf die Unterlippe. Wenn Shippo etwas zustieß, dann... kurz dachte sie daran, dass Sesshōmaru Ah-Uhn hiergelassen hatte zu ihrem Schutz. Wenn sie nun hinausritt auf seinem Rücken könnte sie schnell das Gelände absuchen ohne sich in direkte Gefahr zu begeben?

Ehe sie den Gedanken zu Ende gesponnen hatte, bewegten sich ihre Füße schon von alleine.

 

Der Drache schnaubte vertrauensvoll, als die junge Frau ihm über die Seite des Halses strich. Dann machte sie ihn los und sah sich noch einmal um. Sie war eigentlich nicht ungehorsam. Rin atmete tief durch, dann kletterte sie auf den Rücken des Drachen.

„Na dann los“, flüsterte sie und drückte leicht ihre Waden in seine Flanken, woraufhin sich der Drache in Bewegung setzte und sich kurz darauf in die Lüfte erhob. Wenn sie Glück hatte, konnte sie zurück sein ehe jemand ihr Verschwinden bemerkte.

Der Nieselregen war kalt und unangenehm und es war schwer, dort unten etwas zu erkennen, allerdings, so hoffte sie, würde Shippos rotes Haar sich genug von der Umgebung abheben.

„Ah-Uhn“, flüsterte sie leise, „bitte mein Lieber, versuch den kleinen Kitsune zu wittern!“

Der Drache blähte die Nüstern und reckte die Köpfe in unterschiedliche Richtungen. Und dann nach einer Weile schien er tatsächlich etwas zu wittern und schlug eine bestimmte Richtung ein.

 

~*~

 

Als Sesshōmaru sich umwandte, sah er Inu Yashas geweitete Augen. Sah ihn schwanken und wie ihn schließlich die Kräfte verließen. Er fiel ihm entgegen und Sesshōmaru griff nach ihm ehe er auf den Boden schlagen konnte und da sah er den Pfeil aus Inu Yashas Rücken ragen, das Zeugnis seiner eigenen Unachtsamkeit. Er hatte sich direkt zwischen zwei beschädigte Rüstungsplatten gebohrt.

„Narr!“, fluchte er, „was hast du getan!?“

Inu Yasha hob den Blick und grinste ihm schwach entgegen. „Selber Narr. Der … der wäre … tödlich gewesen...“

Sesshōmarus Blick ruckte herum und da sah er den Schützen im Schatten stehen und einen neuen Pfeil anlegen. Er tötete ihn mit seiner Energiepeitsche. Das Gift war schnell, er musste handeln.

„Oh Oh Oh, das sieht böse aus“, hörte er plötzlich eine Stimme nahe seinem Ohr.

„Myoga, wenn Ihr gerade keinen nützlichen Ratschlag habt, fallt mir nicht auf die Nerven!“

„Ich habe Inu Yasha-sama gewarnt. Im Lazarett werden sie ihm nicht helfen können.“

„Was soll ich dann Eurer Meinung nach tun?“, kam es gereizt von Sesshōmaru und er verfluchte nicht zum ersten Mal die Anfälligkeit und die Zerbrechlichkeit des Menschenblutes. Er dachte daran, wie ihm Rin beinahe genommen worden war und irgendetwas zog sich zusammen. Und er wischte es sogleich wieder fort, denn das hatte hier und jetzt keinen Platz.

„Ihr musst den Pfeil sofort rausziehen.“

„Wisst Ihr, was für einen Schaden ich damit anrichten könnte?!“

„In dem Fall richtet Ihr mehr Schaden an, wenn Ihr ihn drin lasst.“

Und auch wenn sich alles in ihm dagegen sträubte, hörte er auf die Warnung des Flohgeistes, umgriff schließlich mit einer Hand den Pfeilschaft und zog ihn mit einem Ruck heraus und Inu Yashas qualvolles Aufjaulen traf ihn mehr als er es je für möglich gehalten hätte. Blut sickerte aus der Wunde und Sesshōmaru roch wie viel Gift bereits darin war. Es war eine Frage der Zeit, bis es sich im ganzen Körper verteilt und das Herz erreicht hatte. Das durfte nicht geschehen. Dieser verdammte Hanyō hatte nicht zu sterben, wenn er es ihm nicht erlaubte! Aber wenn nichtmal die alte Homoto...

Plötzlich hörte er eine längst vergessene Stimme in seinem Kopf.

 

Das Licht eines neugeborenen Sternes. Nutzt es weise.

 

Er musste Inu Yasha zurück zum Schloss bringen. Das war die letzte Möglichkeit, Inu Yasha vor einem qualvollen Tod und einem vielleicht traumatischen Erlebnis in der Nachwelt zu bewahren, ehe er ihn mit Tensaiga wieder beleben konnte.

 

„Sesshomaru-sama!“ Als Sesshōmaru verwirrt den Kopf hob – denn wie konnte die Stimme seiner Ziehtochter hier durch den Schlachtenlärm dringen – sah er gerade noch so, wie Ah-Uhn mit Rin auf seinem Rücken auf dem Boden aufsetzte. Die junge Frau rutschte von dem Rücken des Drachen und eilte zu ihnen. „Was ist passiert, kann ich-“

„Rin“, unterbrach Sesshōmaru sie schärfer als beabsichtigt, „so gespannt ich auch auf die Erklärung wäre, was du hier zu suchen hast, so wenig Zeit habe ich, sie mir anzuhören. Ich brauche den Drachen... allerdings...“

War auf dem Rücken des Drachen kein Platz für drei und er konnte Rin unmöglich hier zurücklassen.

 

In einiger Entfernung bemerkte er Akira, der bei einigen verwundeten Soldaten stand und gab ihm ein Zeichen, herzukommen. Der General und Kampfmeister brauchte nicht lange, um die Situation zu erfassen und nickte abgehackt.

„Ich werde sie mit meinem Leben beschützen.“

Beide Männer tauschten einen Blick, dann half Akira Sesshōmaru den halb bewusstlosen Hanyō auf den Rücken des Drachen zu hieven.

Ah-Uhn gab ein Schnauben von sich als Sesshōmaru härter als nötig die Hacken in seinen Bauch presste und im nächsten Moment verloren sie die Bodenhaftung und der Wind zog an ihnen vorbei als er sich in die Lüfte erhob.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück