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Fäden des Schicksals

von

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Ein Gott zieht aus

„Die Tochter wird dir ebenbürtig sein, der Sohn dich aber stürzen.“ Dies hatten Gaia und Uranos, die Erde und der Himmel, dem jungen Zeus damals geweissagt. Durch einen Trick hatte er Metis, seine damalige Frau, verschlungen und war genauso zu dem Tyrannen geworden, der sein Vater Kronos dereinst gewesen war. Doch Prophezeiungen erfüllen sich irgendwann und niemand verschlingt die Göttin des Scharfsinns ungestraft.
 

Metis, die junge Okeanide und erste Frau des Zeus. Sie stand für Scharfsinn, eine Eigenschaft, die dem jungen König der Götter gefehlt hatte. Ohne sie hätte er nie seine Geschwister aus dem Bauch des Kronos befreien können, genauso wenig wie der Omphalosstein, der Nabel der Welt, an diese glorreiche Geschichte hätte erinnern können. Sie war ihm eine Stütze gewesen und hatte ihm schlussendlich auch die Lieblingstochter geschenkt, die er sich immer gewünscht hatte: Athene. Der Bruder der Göttin der Weisheit aber; er war mit seiner Mutter im Leib des Vaters verblieben. Bis zum heutigen Tag, denn Scharfsinn triumphiert über den Willen, an der Macht festzuhalten.
 

Metis war still und heimlich in einer Höhle auf Kreta niedergekommen. Zeus hatte sie aus Unachtsamkeit heraus aus seinem Körper ausgeschieden; ein einzelner Schweißtropfen genügte, um sie zu befreien. Gaia selbst, die Großmutter des allmächtigen Zeus, diente als ihre Patronin. In der Vergangenheit war die Erde oft als stille, jähzornige oder fürsorgliche Ratgeberin aufgetreten, hatte sich am Ende aber mit Zeus zerstritten. Ihre Kinder waren in den Tartaros geworfen und Kronos dazu verdammt worden, darin umherzuwandern. Außerdem hatte der Göttervater sämtliche Giganten ausgelöscht, ein Vergehen, dass ihm Gaia nicht vergeben konnte.
 

Jedenfalls hatte Metis den prophezeiten Sohn zur Welt gebracht. Sie hatte ihn Zeuxis genannt, was so viel wie „Verbinden“ bedeutete. Er sollte einen was zerbrochen war und den grausamen Vater vom Thron stoßen. Ironischerweise hatte Zeus wie sein Vater gehandelt um das Schicksal zu betrügen, doch niemand konnte seinem Schicksal entfliehen, nicht einmal der König der Götter. Die Moiren hatten etwas Besonders für den Gottvater vorbereitet: Einen Scheideweg.
 

Mit den Jahren wuchs der junge Zeuxis zu einem starken Mann, nein, einem Gott heran, der seiner Schwester Athene in nichts nachstand. Er hatte viele gute Eigenschaften aus der Verbindung der Metis und des Göttervaters geerbt: Er war klug, mutig, stark, aber auch aufbrausend, zornig und stur. Dazu kam noch der Einfluss seiner Urgroßmutter Gaia, die ihm dementsprechenden Hass gegenüber seinem Vater einimpfte und die verschmähte Metis, die sich hintergangen fühlte.
 

„Ihr verlangt das Unmögliche“, brüllte der junge Mann seine beiden einzigen Bezugspersonen an. Sie wollten, dass er den Göttervater selbst stürzte und dessen Platz einnahm. Niemand war bisher so dreist gewesen sich direkt mit Zeus messen zu wollen. Die Titanen hatte er bezwungen und ihnen scheußliche Aufgaben aufgetragen. Atlas war gezwungen den geschwächten Uranos zu tragen, Prometheus an den Kaukasus gekettet worden und für den eigenen Vater hatte er ein schlimmeres Schicksal vorhergesehen.
 

„Es ist nicht unmöglich, sondern deine Bestimmung. Ich und dein Urgroßvater Uranos haben des deinem Vater so prophezeit.“ Gaias Stimme kam aus dem Nirgendwo und Überall, denn die Erde, sie war omnipräsent. Zeuxis hatte die behütende Kraft, die ihn und seine Mutter vor den Augen des Göttervaters verbarg, nie körperlich gesehen, aber er konnte sie spüren, fühlen.
 

„Und woher willst du das wissen, Urgroßmutter?“ Zeuxis war noch jung, gerade einmal im Mannesalter angekommen. Furcht umschloss sein Herz. Wie sollte er den Vater der Moiren, des Schicksals selbst, besiegen? Nur weil Erde und Himmel es so angedacht hatten? Weil seine Mutter wollte, dass er Rache für ihr Leiden nahm? Außerdem war da nicht nur Zeus, sondern auch das restliche Pantheon der Götter, mit dem er sich messen musste.
 

„Weil ich der Anfang und das Ende bin. Ohne mich gäbe es niemanden; kein Lebewesen wäre ohne mich, weder du, noch dein Vater, noch dein Großvater.“ Gaias Stimme ließ die Höhle, die er seit seiner Geburt nicht verlassen hatte, erbeben. Sie war zornig und doch auch ein wenig besorgt. Der Junge war trotz allem ihr Urenkel und somit ein direkter Teil von ihr.
 

„Wie soll ich vernichten, was nicht vernichtet werden kann?“ Die nächste Frage, die man ihm wahrscheinlich nicht beantworten konnte, oder wollte. Der junge Mann raufte sich mit den Fingern die ebenholzschwarzen, kurzgeschorenen Haare. Warum konnten Mutter und Urgroßmutter ihn nicht einfach sein lassen? Er wollte frei sein.
 

„Zeus hat sich im Laufe der Zeit viele mächtige Feinde gemacht, nicht nur die Monster und Bestien, die deine Halbbrüder bezwungen haben.“ Es war dieses Mal Metis, die blonde Okeanide, die sich zu Wort meldete. Ihrem Blick entging, in Kombination mit den Informationen von Gaia, nichts. Sie wusste ob der Entwicklungen der letzten Jahrhunderte Bescheid. „Deine eigenen Geschwister, egal ob Halbgott oder Gott, sowie deine Stiefmutter, hegen einen tiefen Groll gegenüber deinem Vater.“
 

Von allen Göttern fürchtete Zeuxis, neben seinem Vater, seine Stiefmutter Hera. Die Göttin der Ehe und Gemahlin des Königs war als rachsüchtige, grausame Frau bekannt, der Mitleid und Einfühlsamkeit Fremdwörter waren, wenn es um die Eskapaden ihres Ehemannes ging. Warum sollte gerade sie einem Bastard des Zeus zur Seite stehen?
 

Der junge Gott rieb sich mit Zeigefinger und Daumen die Stelle zwischen Nase und Stirn. Er hatte dieses Gespräch gefürchtet, denn nun würde er aus dem Schutz seiner Höhle, seiner Kindheit, steigen müssen, um sich den Gefahren der Welt zu stellen. Konnte seine Existenz wirklich nur darauf basieren ein einzelnes Wesen im Universum zu fällen? War er dazu erschaffen worden?
 

„Du beginnst am besten mit deinem Halbbruder Ares.“ Gaias Stimme war nun wieder sanfter, einfühlsamer, wie die einer liebenden Großmutter, die sich um ihr Enkelkind sorgte. Sie würde ihn beschützen und behüten und vor den Augen des Zeus verbergen. Helios würde den Jungen auf seinem Wagen nicht erspähen können.
 

„Dem Kriegsgott?“ Zeuxis´ Stimme zitterte. Seine Mutter hatte ihm vom cholerischen Gott erzählt, dessen einzige Aufgabe darin bestand, Kriege zu entfachen, zu befeuern und sie zu führen. Er war ein verhasster Gott im griechischen Pantheon, ein Wesen, das bloß angebetet wurde, um sich den Sieg in der nächsten Schlacht zu sichern. Einzig in Thrakien und Lakonien, besser gesagt in Sparta, verehrte man den Gott des Krieges aufrichtig.
 

Etwas in Zeuxis regte sich. Vor seinen Augen verschwammen die Höhle und das wärmende, lauschige Feuer, dass die Dunkelheit vertrieb. Seine Pupillen wurden ganz weiß und es schien, als hätte er den Ort gewechselt, wäre sogar durch die Zeit selbst gereist.
 

Er sah einen großen Mann, muskelbepackt, mit schulterlangem, feuerrotem Haar. Sein Blick war wütend, fast schon hasserfüllt, wie er halbnackt, mit einer wunderschönen Frau im Bett lag und sich nicht bewegen konnte. Das weibliche Wesen war so atemberaubend, dass Zeuxis sofort wusste, um wen es sich handeln musste. „Aphrodite“, hauchte er. Seine Tante, die Göttin der Liebe und Schönheit. Sie machte ihrem Namen alle Ehre.
 

Das braune, schulterlange Haar bedeckte nur spärlich mit einigen Strähnen, was Ares´ restlicher Körper nicht zu verbergen mochte. Ihre Züge waren weich, sanft, anmutig, und weckten im jungen Gott das Begehren, ihr nahe sein zu wollen. Fast schon eifersüchtig betrachtete er seinen Halbbruder, der sich noch wenige Minuten zuvor, ohne fremde Zuschauer, mit ihr im Bett des Hephaistos vergnügt hatte. Die Erinnerung verblasste und ihm war klar was geschehen war.
 

„Zeuxis?“ Seine Mutter rüttelte an seinen Schultern, wirkte krank vor Sorge. Ihr Sohn schüttelte noch ein wenig weggetreten den Kopf und streifte Metis´ Hände ab.
 

„Ares ist ins Exil gegangen, nach Thrakien, oder?“ Sowohl Mutter als auch Urgroßmutter betrachteten ihn fassungslos. Das konnte der Junge gar nicht wissen. Beide waren beunruhigt ob der Fähigkeiten des Gottes, die er noch nicht einzuschätzen vermochte. Während Metis ihn noch eine Weile bei sich behalten wollte, pochte Gaia darauf, den Jungen bald auf Zeus loszulassen.
 

Entschlossen löste sich der junge Gott aus dem Griff seiner Mutter und stand auf. Er wusste was zu tun war. Er würde mit Ares beginnen und wusste auch, wie er ihn auf seine Seite ziehen konnte. Mit dem Gott des Krieges als Verbündeten hätte er rohe Gewalt auf seiner Seite. Eine Waffe, die er nur führen musste, nicht einmal damit zuschlagen.
 

„Ich bin bereit aufzubrechen.“ Seine Stimme war fest und klar und übertünchte ein wenig den letzten Rest Selbstzweifel, den er beiseiteschob. Zeuxis war bereit sich seinem Schicksal zu stellen und das zu tun, wofür man ihn auf diese Welt geschickt hatte: Es mit seinem Vater, dem König der Götter, aufzunehmen.
 

„Bevor du gehst“, meldete sich Gaia und ließ die Höhle erneut erzittern und erbeben. Aus einem kleinen Spalt nahe dem Lager, auf dem Zeuxis immer geschlafen hatte, schob sich ein weißer Stoff, wie er ihn noch nie zuvor gesehen hatte. Das Material wirkte feiner als Seide und robuster als Bronze.
 

Wortlos warf sich der junge Gott den Mantel um die Schultern und zog sich die Kapuze über den Kopf. Der Stoff fühlte sich unfassbar leicht, wie auch angenehm an, als er sich so an seine Haut schmiegte.
 

„Damit solltest du vor den Augen deines Vaters sicher sein“, murmelte Gaia und Zeuxis war sich sicher, dass seine Urgroßmutter lächelte. Seine Mutter tat es nämlich, als sie ihn ein letztes Mal in den Arm nahm und auf die Stirn küsste: „Pass auf dich auf, mein Sohn.“ Er erwiderte die Geste und ging mit klopfendem Herzen zum Höhlenausgang. Das Licht der Sonne blendete ihn und er hielt seine Hand vor die Augen, um klar sehen zu können. Ein letztes Mal blickte er zurück zu Mutter und Urgroßmutter, dem vertrauten Nest seiner Kindheit, bevor er sich auf den Weg machte in Richtung Thrakien, zum Exil seines Bruders.



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