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TETSUO

When one person changes everything
von

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A storm is approaching

Es war später am Nachmittag.

Die Sonne ging schon unter und tauchte alles in orangenes Licht. Der überfüllte Spielplatz wurde deswegen auch immer leerer und die Kinder machten sich einem nach dem Anderen in das Gebäude um zu Abend zu essen. Schaukeln, schwungen langsam aus vom Spielen und Sandburgen wurden im Sandkasten kaputt getreten. Eine Ziehmutter schrie laut über den Hof und trommelte alle Kinder nach und nach zusammen. Alle…bis auf Shotaro.

Er saß sehr weiter außerhalb des abgegrenzten Spielplatzes vom Waisenhaus, um den sich ein Maschendrahtzaun zog. In der Nähe von einem Gebüsch das an den Zaun gedrückt war und auch teils durch diesen wucherte. Und gekonnt ignorierte er den Ruf der alten Schabrake. Stattdessen saß er in der Hocke da und beobachtete etwas in der Dunkelheit des Gebüschs. Seine ganze Aufmerksamkeit lag darauf. Leise schwirrte dort ein einzelnes Glühwürmchen herum. Schimmerte wunderschön grün auf und wurde wieder dunkel. Im Wechsel schaltete es sich an und aus, wie eine Ampel. Bis es sich auf einen dünnen Ast setzte und nicht mehr glühte, dort ruhte. So das er es genau begutachten konnte. Eigentlich ein hässlicher Käfer, aber es gab noch schlimmere. Doch gerade weil sie so leuchten faszinierten sie ihn. Und weil sie fliegen konnten wo hin sie wollten…

Er war nun seit sechs Monaten schon in diesem Waisenhaus gestrandet. In der Hölle, in welche seine Eltern ihn brachten und dort zurückließen. Bewusst oder genötigt das war inzwischen egal. Und er hatte auch sein Bestes gegeben um sich unbeliebt zumachen. Warum eigentlich? Hoffte er echt darauf dass seine Eltern ihn wieder abholen würden, wenn die Leute hier die Schnauze voll von ihm hatten? Das würde nicht passieren.

Shotaro war…eines von diesen Kindern geworden dass verloren hatte das Gute in dieser Welt zu sehen. Er war am Boden zerstört. Und das zeigte sich in einer rebellischen Ader. Er hatte keine Freunde. Warum auch. Sein Vertrauen war zerstört und das auch in andere Menschen. Lange hatte er darüber nachgedacht warum er ausgesetzt wurde. Sehr lange. Und er fand keine Antwort darauf. Vielleicht niemals. War es Hass auf ihn gewesen? Wurde er eine Bürde? Zermaterte sich zu sehr den Kopf darüber für ein Kind in seinem Alter…Nichts…Er fand keine Lösung. Und dann verfielen die Trauer und die Gedankenspiele in etwas anderes. Verwandelten sich um. Aus Furcht wurde dann Wut und aus der Wut wurde Hass. Und der Hass wurde zu unvermeidbarem Leid, dass er dann auch öfter zu spüren bekam. So wie gerade…

Er hörte wie hinter ihm, sicherlich nur 4 Meter entfernt, ihn ein Junge verpetzte. Weswegen er bei der Stimmte hinter sich sah und einen düsteren Blick aufgelegt hatte. Natürlich. Er wusste an dem Klang der Stimme, dass es dieses fette Arschloch Toshi war. Der klassische Junge, der König des Spielplatzes war und mit seinen Freunden andere mobbte. Shotaro stand auf und lief langsam zu ihnen hin. Denn Toshi stand neben der alten Frau und zeigte auf ihn. Und der Blick von Shotaro…Wenn Blicke töten könnten, dann wären alle schon längst umgefallen. Die ältere Dame legte ihre Hände in die Hüfte und sprach etwas sauer:

„Shotaro! Du weist das wir alle reingehen, ohne Ausnahme! Warum bist du also so ungehorsam?“

Der Kleine blieb vor ihr stehen und sah sauer zu dem dicken Kind rechts neben ihr rüber, der nur fies grinste. Danach zuckte er mit den Schultern und sprach:

„Keine Lust.“

„Mitkommen. Alle beide.“

Sagte sie dann bestimmt, auf der Apell-Ebene und lief los. Noch bevor die Kinder ihr folgen konnten sagte Shotaro sauer zu Toshi rüber:

„Sag mal hast du ein Problem? Warum petzt du Toshi?“

Der sah wieder mies zu ihm.

„Klar hab ich ein Problem. Wir sollen alle rein und du hast nicht gehört, also hab ich das gesagt. So soll das doch sein, oder Shotaro?“

Und dann lief er vorne weg. Natürlich lag es daran. Sarkasmus. Das war nicht das Problem gewesen. Er hatte Probleme mit ihm, deswegen petzte er. Wie konnten Kinder in dem Alter schon so giftig sein? Dieser Ort verwandelte sie alle in Monster. Nein. Diese ganze Welt war verdorben und schlecht. Dinge die der junge Shotaro noch besser sah als früher…

In dem großen Speisesaal des Waisenhauses saßen dann schließlich alle Kinder zusammen und warteten auf das Essen. Drei lange Tische waren in dem Raum aufgestellt und ebenso lange Sitzbänke auf denen sie saßen und warteten. Dadurch dass es Kinder waren wurde es schnell unruhig in dem Raum. Erzieher mussten die Kinder ruhig halten und sprachen deswegen auch laut, oder nehmen einigen auch noch Spielsachen weg, die sie am Tisch dabei hatten, obwohl es verboten war. Einzig Shotaro saß leise an dem Tisch und starrte nur auf seine Hände die er vor sich auf dem Schoß liegen hatte. Sechs Monate…seit Sechs Monaten schlich sich immer wieder der Gedanke in seinen Kopf: Warum er abgegeben wurde. Er konnte es nicht abschalten. Es legte sich meist, wie ein Virus das sein Programm überspielte, in seine Gedanken. Und auch genau in diesem Moment passierte es erneut. Er schüttelte den Kopf. Wollte kindisch die Gedanken damit abschütteln. Es funktionierte nur teils. Und der andere Teil…wurde wieder zu Wut…

Toshi saß ihm gegenüber. Sie hatten die zwei Plätze bekommen, ohne das die Erzieher wussten dass die Jungs sich nicht leiden konnten. Und so wie ein Sturm sich meist erst ruhig ankündigte, wurde es schnell lauter und drohte zu eskalierten. Was genau in dem Moment begann, als das Essen auf den Tisch gestellte wurde und Toshi anfing zu essen. Es war nichts Besonderes. Nur Kartoffelbrei und Gemüse mit etwas Fisch. Aber zur Abwechslung schmeckte es mal gut. Aber wie gesagt nach einer Weile fing Toshi an Shotaro zu ärgern. Er trat ihm beim Essen immer mal wieder absichtlich, unter dem Tisch, an das rechte Bein. So das der Junge nach einer Weile genervt von seinem Teller aufsah und mürrisch sprach:

„Würdest du das sein lassen?!“

Toshi aber zuckte nur mit den Schultern.

„Ich kann nichts dafür. Dein Bein ist halt einfach im Weg, ich habe keinen Platz.“

Bullshit. Alles Lügen…Shotaro musste sich zusammenreißen und aß weiter. Aber dann passierte etwas was er seinen Lebtag nicht bereuen würde…Toshi schnickte egoistisch und frech etwas Kartoffelsalat von seinem Löffel zu Shotaro rüber. Traf ihn genau an der rechten Brusthälfte und versaute damit sein lilanes Oberteil. Die Kinder neben ihnen schraken kurz auf, aber aßen auch schnell weiter. Keiner wollte sich da einmischen und Ärger bekommen. Shotaro saß wie erstarrt da und sah nur auf seinen Teller. Er musste…ruhig bleiben. Aber sein Gegenüber machte es ihm nicht leicht und fing an zu lachen, sprach dann flüsternd rüber:

„Oh je. Da bekommst du aber ganz schön Ärger wenn du deine Sachen einfach so dreckig machst.“

Er drehte sich um und winkte nach einer Erzieherin und rief:

„Frau Sato! Shotaro hat sich dreckig gemacht und spielt mit dem Essen!“

Und noch nie zuvor…fuhr so viel Hass durch den jungen Körper des kleinen Shotaro. Er saß noch immer geschockt da und sah weiterhin auf seinen Teller hinab. Aber der Griff um seine Stäbchen in der rechten Hand verkrampfte sich bereits. Frau Sato kam derweil angelaufen. Eine etwas jüngere Dame mit langen schwarzen Haaren, die zu einem Pferdeschwanz gebunden waren und stellte sich dann neben Shotaro, da er am Rand des Tisches saß. Schließlich kam sie zu ihm in die Hocke und sprach erstaunlich ruhig:

„Das schöne Oberteil. Sowas kann passieren. Zieh dich danach sofort um, ja Shotaro?“

Er nickte nur still und dann strich sie ihm sanft über den Rücken und ging wieder weiter. Frau Sato war eine der wenigen Personen die nett zu ihm waren, was sich in der Sekunde wieder bestätigte. Und schließlich fand er wieder die Kraft weiter zu essen. Toshi schien aber nicht zufrieden zu sein. Das lief anscheinend nicht wie er es geplant hatte. Aber er wusste auch nicht dass er bei dieser Dame ausgerechnet die Falsche erwischt hatte zu dem Thema. Er sah Shotaro giftig beim Essen zu…

„Hatte deine Mama dich nicht lieb?“

Und da erstarrte der Kleine aufs Neue. So sehr das er noch mit den Stäbchen das Stück Brokkoli in der Luft hielt und es nur ansah. Aber bedauerlicherweise zuhörte.

„Sie hatte bestimmt keine Lust mehr auf dich. Deswegen bist du hier. Ich habe nie Eltern gehabt und da bin ich froh drüber, wenn ich dich so sehe. Tja böse Kinder kommen hier her, wenn die Eltern sie nicht mehr wollen. Oder deine Mama war einfach nur blöd.“

Und da legte Shotaro seine Stäbchen samt dem Essen ab und sah zu ihm rüber. Erstaunlicherweise…gelassen. Er lächelte sogar dabei etwas. Ein sehr böses Lächeln. Denn innerlich kochte die Wut.

„Ich muss mal aufs Klo.“

Sagte er unglaublich kühl und erhob sich endlich von der Sitzbank. Die Aura die ihn umgab was blutrünstig und voller Rache. Aber keiner in diesem Raum bekam dies mit. Bis es zu spät war…Shotaro ging um die Ecke an der er saß und rüber zu Toshi, der einfach wieder angefangen hatte zu essen. Und kaum als er neben ihm war…warf er ihm einen Blick in den Nacken der hätte töten können. Und als würde er von jemand anderem gelenkt werden…passierte es.

Schnell und geschickt hatte er Toshi am Nacken gepackt und drückte ihn nach vorne in das Essen! Es schepperte laut auf, als das Gesicht den Teller und Tisch küsste. Und die anderen Kinder daneben fingen an zu schreien. Etwas was Shotaro aber nicht mehr wahrnahm. Denn kurz darauf riss er den dicken Jungen von der Bank nach hinten und ließ ihn auf den Boden schmettern. Es war verdammt laut gewesen. Die Aufmerksamkeit von Jedem in dem Saal lag nun auf ihnen. Und Entsetzten ebenfalls. Dann schmiss Shotaro sich sofort über ihn und schlug auf ihn ein. Immer und immer wieder. Saß da und ließ seine Faust immer wieder in das Gesicht des Jungen unter ihm schmettern. Und zum ersten Mal, seit er in diesem Irrenhaus gelandet war…fühlte er sich gut. All die aufgestaute Wut ließ er aus sich strömen. So sehr das Toshi nur noch schrie und sich vor Schmerz nicht mehr wehren konnte. Das Gesicht rot von den heftigen Schlägen und die Nase bereits blutig. Und Shotaro genoss es. Denn das war schon lange überfällig gewesen. Es setzte Urinstinkte in ihm frei…

Kurz darauf wurde er von jemand runter und nach hinten gerissen. Sanfte Arme umschlossen ihn und drückten ihn fest an einen Körper. Es war Frau Sato gewesen die ihn fest an sich drückte und dabei laut sprach:

„Schluss Shotaro! Lass das!“

Der aber zappelte nur und wand sich in ihren Armen. Sie sollte ihn loslassen. Er wollte ihn weiter verprügeln! Er sollte bluten! Er sollte leiden! So wie er! Dabei Schrie er und versuchte nach dem Arschloch vor sich zu greifen:

„LOS LASSEN! ER HAT ES VERDIENT! ICH BRINGE IHN UM! ICH HASSE IHN!!“

Es hallte durch den ganzen Raum. Und während ihn Frau Sato noch immer mit alle Kraft fest hielt, wurde Toshi bereits von einer Kollegin ins Krankenzimmer gebracht. Wie ein Häufchen Elend und weinend. Aber genau so…wollte Shotaro ihn sehen…Er war fest in der Zange von Frau Sato. Saß in ihrem Schoß und atmete schnell und wütend. Sein ganzer Körper war verkrampft. Sein Blick Toshi folgend. Wie ein Raubtier das seine Beute nicht aus den Augen verlor…

Als es dann später bereits dunkel draußen war, saß Shotaro alleine in einem Zimmer auf einem Bett und sah auf dem Boden. Er wurde durch den Anfall in ein Zimmer gesteckt wo keine anderen Kinder schliefen und nicht normalerweise in sein Zimmer dem er zugewiesen wurde. Die Erwachsenen hielten es besser ihn diese Nacht zu isolieren. Und so saß er nun da. Allein in der Stille und nur das Mondlicht das ins Zimmer schien erhellte den Raum. Aber er fühlte sich nicht schlecht deswegen. Ganz im Gegenteil…es ging ihm großartig. Als hätte man eine Last von ihm genommen. Und er hatte seine Ruhe. Aber kurz darauf öffnete sich die Zimmertür rechts von ihm und er sah wütend hin. Frau Sato kam wieder rein und hatte ein Tablett mit Essen dabei. Sie lächelte ihm sanft zu und verschloss die Tür hinter sich. Als sie langsam auf ihn zukam sah er wieder weg und schwieg auch weiterhin. Bis sie sich rechts von ihm auf das Bett setzte und sanft zu ihm sprach:

„Hier. Du hast doch kaum was gegessen.“

Aber er reagierte nicht. So das sie das Tablett neben sich abstellte und sanft sprach:

„Was sollte das vorhin Shotaro? Du bist doch ein guter Junge. Toshi so zusammen zu schlagen das passt nicht zu dir.“

„Sprechen sie nicht mit mir als wären sie meine Mutter! Sie sind nicht meine Mutter!“

Kam es sauer aus ihm und er fauchte es zu ihr rechts hoch. In seinem Blick lag noch immer so viel Zorn. Zorn den er ihr zuwarf obwohl sie nichts damit zu tun hatte. Sie ihm nur helfen wollte. Aber das verstand er nicht. Er verstand die Welt an sich nicht mehr. Obwohl…doch er verstand sie. Es ging nur darum zu überleben. Es ging nur noch um ihn.

„Ich habe…keine Mutter mehr. Keine Eltern. Sie sind gestorben. Bei einem Unfall gestorben.“

„Shotaro, du musst so nicht sein. Du bist ein gutes Kind und manchmal passieren guten Kindern schlimme Dinge. Deswegen musst du nicht böse werden und aufhören das Gute in dieser Welt zu sehen. Wir wollen dir alle helfen, auch wenn du das nicht so siehst.“

„Ich will ihre Hilfe nicht!! Ich will von niemanden Hilfe!!“

Er sprach das sehr laut, krisch es schon fast weil er so wütend war. Seine Nachbarin sah ihn nur an und griff dann wortlos das Tablett. Stellte es auf ihnen Schoß und pickte sich mit den Essstäbchen ein Stück Fisch das sie ihm dann reichte und lieb sprach:

„Hier. Ess erst mal was.“

Aber sofort wurde ihr alles aus der Hand gefeuert. Shotaro hatte ihr wütend die Stäbchen samt essen aus der Hand geschlagen und es fiel auf den Boden. Sie sah ihn erschrocken dabei an. In seinen Augen…war so viel Hass. Dieses Kind…hatte sich komplett in seinen Gefühlen verlaufen. An einen Ort wo es dunkel war.

„Ich will nicht von ihnen gefüttert werden! Lassen sie mich in Ruhe! Lasst mich alle in Ruhe!“

Es war endgültig und sie sah ihn nur an. Es brachte nichts mit ihm zu reden. Er war noch immer zu geladen und unerreichbar. Also stand sie wortlos auf und ließ das Essen auf seinem Bett stehen. Hob alles was er auf den Boden gefeuerte hatte noch auf und legte es auf das Tablett. Und dann schüttelte sie nur den Kopf.

„Irgendwann wirst auch du wieder anfangen zu vertrauen. Auch wenn du jetzt denkst du kannst alles alleine. Die Welt ist nicht nur böse. Anstatt diesen Ort als Gefängnis zu sehen, solltest du ihn als etwas sehen was dir eine zweite Chance gibt.“

Aber Shotaro sah sie nur ernst an.

„Ich bin aufgewacht…aber sie nicht.“

Und damit war für ihn das Thema abgeschlossen und er drehte sich mit dem Rücken zu ihr und sah auf dem Fenster in der Ferne. Und als hätte sie den Kampf verloren verließ die liebe Dame schweigend das Zimmer und im Herzen von dem Kind machte sich immer mehr Wut breit. Aber plötzlich…wurde aus dieser Wut und der Stille…Trauer. Und er fing bitterlich an zu weinen. Nicht laut. Keiner bekam es mit außer ihm. Es brach einfach alles über ihm ein. Wurde zu viel. Doch zwischen seinem vertränten Blick sah er etwas hell grünlich schimmern. Etwas was draußen am Zimmer vorbeiflog und wieder seine Aufmerksamkeit erhaschte. Genau das Selbe was auch vorhin ihn in den Bann zog. Es waren Glühwürmchen. Und ohne lange darüber nachzudenken stand er auf und öffnete das Fenster. Bestaunte sie vertränt und kletterte dann aus dem Fenster. Wie hypnotisiert folgte er. Flog beinahe wie ein Glühwürmchen selbst raus in die Nacht. Als würde ihn etwas rufen. Oder als würde er etwas suchen. Jemanden suchen der ihn versteht. Ihn liebte wie er war. Mit all seinen Fehlern. Als würde er sein Weibchen suchen…Wie ein männliches Glühwürmchen…
 

Der Wind zog leise durch die Bäume und brachte die Blätter damit zum rascheln.

Bäume die am Rande des Feldes standen auf denen Kürbisse gezogen wurden. Inzwischen war es auch schon soweit das sie groß genug waren um sie zu ernten und zu essen. Und genau an diesem Feld, an einem Zaun der um eines der vielen Felder gestellt war, saß Tetsuo.

Er war angelehnt an den Pfeiler und blätterte im Schneidersitz in einem Buch rum. Es war sehr alt. Kam wahrscheinlich aus der alten Welt. Und war eigentlich auch zusammengeflickt aus verschiedenem Wissen der alten Welt. Darin stand alles, von einigen Maschinen, zu Tieren und Pflanzen. Er hatte es sich still aus dem Haus von Miyako mitgenommen. Da er nicht gerne mit anderen Kindern spielte, las er lieber für sich alleine in Büchern. Eigentlich sollten Kinder in dem zarten Alter von 6 Jahren anders sein. Aber er konnte schon richtig gut lesen und nutzte das auch. Er war schon immer anders gewesen. Begabter als andere. Aber leider auch verstoßener als sie. Warum wusste er nicht.

Und so kam es das er lieber für sich und allein war. Einzig Kaori ihre Anwesenheit mochte er. Sie war seine beste und einzige Freundin. Und genau jenes Mädchen kam langsam den Hügel hoch, auf dem er sich oben niedergelassen hatte und schlich sich leise an den Zaun ran. Hinter ihm kletterte sie dann auf das erste Stück Holz von unten und sah dann über den Zaun zu ihm runter. Sie lächelte und sprach:

„Was machst du hier Tetsuo?“

„Ich lese.“

Kam es in Gedanken aus ihm, als er noch weiter seine Nase im Buch auf seinem Schoß stecken hatte und sie nicht mal ansah. So das sie schließlich über den Zaun kletterte und zu ihm runter kam. Setzte sich rechts neben ihn und umschlang ihre angewinkelten Beine dabei, als sie zu ihm in das Buch sah. Er war gerade auf einer Seite auf der man eine Eidechse abgebildet sehen konnte. Schleimiges Tier. Kaori mochte sie nicht. Tetsuo aber fasste das Bild mit der rechten Hand sanft und strich drüber.

„Wusstest du das Eidechsen viele Eier auf einmal legen können? In einem Rutsch? Aber sie kümmern sich nicht um ihre Kinder. Sie schlüpfen ganz allein und überlassen sie sich selbst.“

Kaori sah ihn traurig an. Sie wusste warum er das sagte…Und da war er nicht anders als sie. Auch sie hatte keine Eltern und war allein. Sie waren sich sehr ähnlich…wenn auch mit einem großen Unterschied. Nicht der das sie Junge und Mädchen waren. Noch etwas anderes…Tetsuo blätterte dann weiter bis er auf eine Seite mit Insekten kam. Auch etwas was sie nicht mochte. Aber Jungs halt. Typisch. Er zeigte auf einen hässlichen Käfer und sprach dann:

„Die hier sind toll. Sie heißen: Glühwürmchen. Aber eigentlich sind es Glühkäfer. Ihr Hinterteil leuchtet im Dunkeln grün. Wusstest du dass sie so ihre Partner finden? Die Weibchen leuchten im Dunkeln und so können die Männchen sie finden.“

Da musste auch Kaori plötzlich lächeln.

„Wie schön. Dann finden sie so also den Jungen den sie lieben? Das ist so romantisch.“

Typisch Mädchen. So einfach war das dann doch nicht. Es kam einfach irgendein Männchen vorbei das schneller war. Nicht aus Liebe…Und da wechselte der Blick des Kleinen schnell wieder in das Traurige um. Er schniefte kurz mit der Nase und fragte dann:

„Meinst du…auch ich finde mal jemanden der mich liebt? Mich so liebt wie ich bin? Miyako sagte mir mal sowas, aber ich weis nicht was ich davon halten soll…“

Da rutschte Kaori etwas näher zu ihm und legte ihren einen Arm um seine Schultern. Drückte sich dabei etwas an ihn und sah runter auf das Bild von diesem hässlichen Käfer.

„Wenn sie das so sagt wird das schon stimmen. Ich denke dass da draußen für jeden ein Partner wartet. So wie Gott es will. Aus zwei Hälften wird eins. Und du bist auch eine Hälfte. Du wirst genauso wie die Anderen auch deine fehlende Hälfte finden die dich dann komplett macht. Miyako sagte mal: sie kommt in verschiedenen Formen. Junge oder Mädchen. Das ist egal und man würde sie erkennen. Man würde es fühlen.“

Er sah zu ihr und verzog etwas angewidert das Gesicht.

„Bäh! Ich liebe keinen Jungen! Ich bin doch selber einer! Sowas geht doch nicht!“

Aber er wusste es inzwischen auch anders. Er hatte schon Jungs gesehen die sich lieben. Und ehrlich gesagt…fand er das nicht mal schlimm. Da sprach nur die kindliche Trotzigkeit aus ihm. In der Sekunde zumindest. Kaori lächelte und sprach lieb:

„Wenn deine Liebe in der Gestalt eines Jungen auftaucht hast du keine Wahl, hehe!“

„S-Sag nicht sowas Kaori! Sowas gibt es nicht!“

Er meinte damit das Schicksal. Bei ihnen war es der Glaube, das Gott für jeden ein Schicksal hatte dem er folgen musste und von dessen Weg er nicht abkommen konnte. Aber Tetsuo glaubte nicht daran. Er wollte nicht daran glauben dass sein Weg fest in Stein gemeißelt war und er von diesem nicht abweichen konnte. Er wollte selber bestimmen wohin er geht und was er aus seinem Leben macht. Und wen er liebt. Mit der Einstellung stieß er nicht gerade auf Freunde. Nicht das ihn andere Kinder als Freund haben wollten. Sie gaben ihm nicht mal ne Chance…Kaori aber wusste woher seine Einstellung kam. Die anderen Kinder sahen es ihm nicht an, weil sie ihm keine Chance gaben ihn kennenzulernen. Aber sie wusste es. Er war ein kleiner Junge der sich nacheinem mehr sehnte als alles andere…und das war Liebe. Er hatte ein so reines und gutes Herz das nach Liebe schrie, aber keiner gab ihm diese. Nicht so wie er es brauchte zumindest. Auch sie konnte das nicht, so sehr sie auch wollte. Sie liebte ihn. Aber nicht als Mädchen sondern als Schwester. Als wäre er ihr Bruder. Aber was er brauchte war jemand der ihn als Person liebte. Aus tiefsten Herzen romantisch liebte.

Sie hörten Schritte und sahen beide hinter sich am Zaun vorbei. Drei Jungs kamen zu ihnen den Hügel hochgelaufen und bei ihrem Anblick drehte sich Tetsuo der Magen um vor Sorge. Es waren nämlich Watanabe, Kuwata und Takeyama. Die Drei hatten ihn schon immer auf dem Kiker gehabt und er wusste nicht mal wieso. Wahrscheinlich aber aus dem selben Grund wie jeder andere im Dorf…weil er ein rotes Cape trug. Sofort schlug er das Buch schnell zu und stellte sich hin, Kaori tat es ihm gleich und sie kamen über den Zaun, das Einzige was als eine Art Schutz zwischen ihnen angesehen wurde. Sie waren nicht feige, also machten sie es. Dennoch drückte Kaori sich etwas unsicher an Tetsuo und der musste sich allerdings ebenfalls die Unsicherheit unterdrücken. Zumindest für sie. Er musste jetzt ein Mann sein. Für sie ein Mann sein. Denn er spürte das die Drei nichts Gutes im Schilde führten. Das roch er zehn Meilen gegen den Wind.

Watanabe war der Anführer der Kids und kam vorne weg. Er hatte frech die Hände in den Hosentaschen und lächelte auch so. Mit einem Hauch des Bösen dabei. Sie waren alle natürlich weiß gekleidet und mit Cape. Nur Tetsuo seins stach in einem grellen Rot hervor, zu dem Blau der Anderen. Und dann waren sie auch fast vor ihnen. 2 Metern entfernt und standen da. Sahen Tetsuo fies an und Watanabe sprach:

„Ohhhhh, ist das nicht süß Jungs? Zwei Stinktiere die auf dem Pfad der Liebe wandeln wollen. Warum wollt ihr immer allein sein? Liebt ihr euch? Oder spielst du gerne mit Mädchen Tetsuo?“

Und dann fingen sie an zu lachen. Klassische kindliche Stichelleien. Tetsuo lief etwas rot an. So war das nicht! Aber er wollte sich auch nicht streiten. Seine Männlichkeit war sofort in den Keller gerutscht und er verlor den Mut. Fasste Kaori mit der rechten Hand an ihre Linke, da er das Buch in der Linken hatte, und sprach dann zu ihr:

„Komm wie gehen Kaori.“

Und erzog sie mit sich. Natürlich folgte sie ihm still und unsicher. Er war sehr erwachsen in dem Moment, dass er sich nicht auf Stichelleien einließ. Aber die Kids ließen sich nicht davon abschrecken. Zumindest Watanabe nicht. Er grinste frech und stellte Tetsuo genau in dem Moment ein Bein, als er an ihnen vorbei lief. Vor Schreck ließ er Kaori los und knallte auf den Boden. Quiekte kurz auf vor Schmerz als er unsanft auf dem rechte Knie landete und es etwas blutig geschrammt war. Dennoch blieb er still und sah auf seine Wunde. Es tat weh…

Die Jungs lachten ihn aus und Watanabe sagte:

„Was ist los Tetsuo? Du kannst so toll fliegen, aber anscheinend nicht mal richtig laufen!“

Kaori kam gleich zu dem Kleinen runter und rieb ihm über den Rücken. Er sah so…traurig aus. Und da platzte ihr der Kragen. Sie kam wieder wütend hoch und drehte sich zu den Jungs um. Fauchte:

„Was soll das?! Er hat euch doch nie etwas getan! Warum seid ihr so gemein zu ihm?!“

Überrascht sahen die Jungs sie an. Bis Takeyama dann verspottend sprach:

„Und bist du jetzt seine Mama? Das du ihn wie ein Baby in Schutz nehmen musst?“

Sie lachten wieder.

„Er ist kein Baby! Er ist viel erwachsener als ihr! Und ich denke ihr ärgert ihn nur weil ihr WISST dass er besser ist als ihr! Tetsuo kann alles im Unterricht besser! Aber ihr seid so kindisch dass ihr das nicht akzeptieren könnt und ihn deswegen ärgert! Lasst ihn gefälligst in Ruhe!“

Tetsuo sah erstaunt auf, als er das hörte und zu ihr hinter und hoch. Sie setzte sich so sehr für ihn ein. Obwohl sie doch keine Chance hatte…Denn als sie das gesagt hatte bekam sie Blicke zugeworfen die töten könnten. Und auch die Stille war unerträglich geworden. Und dann machte Watanabe einen Schritt auf sie zu.

„Sonst was? Was willst du schon tun? Hm? Du Schwächling. Du bist nicht mal gesegnet! Du bist einfach nur ein Mensch der die nächste Stufe nicht erreicht hat! Du kommst von außerhalb! Genau wie er! Du bist sogar noch weniger wert als er! Also erhebe nicht deine Stimme Mädchen!“

Es stimmte. Kaori war anders. Sie war ein ganz normaler Mensch. Genau wie Tetsuo kam sie von außerhalb ihrer Welt. Miyako fand sie als Baby in den Armen ihrer sterbenden Mutter, ganz in der Nähe ihrer Schutzbarriere. Sie versprach das Kind zu schützen und nahm sie auch mit. Sicher konnte sie nichts was die Anderen konnten. Aber sie gehörte zum Stamm. Lernte bei ihnen und ganz besonders in der Heilkunde. Das konnte sie auch richtig gut. Das Watanabe so mit ihr sprach…das ging gar nicht! Es war verachtend und gemein! Und kurz darauf sah Tetsuo mit Schrecken zu, wie das Mädchen das ihn eben beschützt hatte, sich gegen Jungs auflehnte sie stärker waren als sie, von den Füßen gerissen wurde und gegen den nächsten Baum geworfen wurde! Sie knallte dagegen und jammerte kurz auf dabei. Lag dann an dem Baum und kam auf die Knie. Sie schlotterte und weinte leicht. Und sie so zu sehen…legte in Tetsuo einen Schalter um. In Sekunden sah er plötzlich rot. Denn das Mädchen weinen zu sehen, die wie eine Schwester für ihn war…das durfte nicht sein…da wurde er zum Tier!

Er kam auf die Beine hoch und atmete schnell und wütend. Ihr Jammern das zu ihm drang feuerte seinen Wut und seinen Zorn nur noch mehr an. Etwas was er immer unter Verschluss gehalten hatte, aber nun wie ein Monster aus ihm hervorbrach. Die Ketten sprengte und die Barriere in ihm einriss. Und kurz darauf…blieb den Kids das Lachen im Hals stecken. Denn dann flog schon der Erste. Ohne Vorwarnung hatte sich Tetsuo Kuwata geschnappt, ihn mit seinen Gedanken von den Füßen gerissen und ihn in voller Stärke gegen den Zaun gedonnert. So stark das dieser dabei sogar sprang und Holzsplitter sich in den Rücken des Kindes bohrten. Kuwata schrie auf und heulte dabei. Es tat sehr weh. Aber Tetsuo war blind dafür geworden. Er sah zu den anderen Beiden, die sichtlich erstarrt waren. Nie hätten sie mit sowas gerechnet. Und dann sah Takeyama zu ihm und sprach sauer:

„Du Blödmann! Spinnst du?! Das bekommst du…!“

Er redet zu viel…Und kurz darauf wurde auch er in die Luft gehoben und mit voller Wucht auf den Boden geschmettert! So stark das er sich im Gesicht verletzte dabei. Seine Nase anfing zu bluten. Und Tetsuo…lächelte. Auf seinen Lippen machte sich ein genüssliches Lächeln breit, das Kaori mit einem Schrecken sah. Was…war mit ihm los? Sie bekam plötzlich Angst vor ihm. Das war…nicht Tetsuo. Und so rappelte sie sich auf und rannte davon.

Watanabe war der Einzige der noch stand und sah dann von Takeyama erschrocken zu Tetsuo rüber. Er genoss es…wieso genoss er es so?! Diese Kraft in ihm! Diese Macht tun zu können was er wollte! Sie hatten keine Chance gegen ihn. Er war ihnen überlegen. Und es gefiel ihm so sehr! Er würde jeden leiden lassen! JEDEN! Dieses Band lief immer wieder im Kopf des Kindes ab. Das Monster in ihm hatte übernommen und Tetsuo sein Selbst in einen Käfig gesperrt. Es gab keinen Ausweg mehr. Watanabe schrie zu ihm:

„Lass das Tetsuo! Du tötest niemanden von uns! Dazu bist du nicht mutig genug!“

Und kurz darauf machte Tetsuo eine Kopfbewegung nach rechts. Sie kam schnell und zuckend. Und synchron zu dieser Bewegung…brach ein Knochen. Es war der Knochen im rechten Bein seines Gegenübers. Schreiend brach Watanabe zusammen und hielt sich jammernd sein gebrochenes Bein. Es war sauber in der Mitte gebrochen. Nicht am Gelenk oder so, sauber der Knochen im Bein. Und es tat so gut ihn am Boden zu sehen…

„Nein…Aber ich will dich nicht töten. Nur leiden sehen!“

Sprach Tetsuo sauer und sadistisch und fing dann an zu lachen. Diabolisch wie man es einem Kind nicht zutrauen würde. Und zum ersten Mal…fühlte er sich frei.

„TETSUO!“

Sprach dann eine Stimme laut zu ihm und sein Lachen blieb ihm im Hals stecken. Langsam drehte er sich um und sah die Person die zu ihm gerufen hatte. Streng aber mit Verständnis sah sie zu ihm rüber…Miyako war gekommen und Kaori stand direkt neben ihr, so wie auch Kei. Kaori war nicht einfach weggerannt. Sie hatte alles der Hohepriesterin erzählt und sie geholt. Denn sie wusste nur SIE konnte ihn stoppen. Zu ihm durchdringen. Denn immerhin…war sie wie eine Mutter für ihn. Und es funktionierte. Der Junge stand nur da und sah sie erschrocken an. Die alte Frau tippte mit ihrem Gehstock einmal auf den Boden und sprach weiter:

„Es ist genug Kind. Lass deinen Zorn nicht weiter wüten. Er hatte seinen Spaß. Nun ist es genug Tetsuo.“

Keine Ahnung wie sie das machte, aber Tetsuo hörte auf. Der böse Blick in seinen Augen verschwand und es war als konnte man sehen wie der wahre Tetsuo zurück an die Oberfläche kam. Sie hatte ihn erreicht und aus dem Käfig geholt. Wie auch immer sie das getan hatte, dass konnte sich Kaori nicht erklären. Und dann fing der Kleine an zu zittern. Er sah voller Schrecken um sich. Sah was er angerichtet hatte und hielt sich dann die Hände vor den Mund. Er hatte das…getan. Er hatte Menschen…Und dann rannte er einfach los. Er floh panisch und mit Schrecken von dem Hügel und dem Feld. Rannte nach Hause. Das Buch ließ er einfach auf dem Boden liegen. Die Seite mit den Glühkäfern aufgeschlagen und im Wind wackelnd. Und als er endlich zuhause ankam, saß er dann im Dunkeln in der Ecke seines Zeltes. Er schlotterte und weinte schrecklich. Es war finster. Er war so allein. Er hatte schreckliche Angst. Er wollte das nicht. Er wollte nicht verletzten. Er wollte doch nur geliebt werden. So wie er war. Das eben war nicht er gewesen! Und dann saß er einfach nur da im Dunklen. Sendete Signale nach außen die keiner verstand oder wahrnahm. Nicht mal er selbst. Als würde er nur da sitzen…und auf ein Männchen warten das ihn nur so finden kann. Und ihn einfach liebt wie er ist…mit all seinen Fehlern. Wie ein weibliches Glühwürmchen…
 

Die schwere Luke zu ihrem Unterschlupf öffnete sich langsam nach oben.

Dadurch ließ sie die muffige Luft der Kanalisation in den Raum und Yamagata kam hustend nach oben geklettert und legte den Lukendeckel hinter sich ab, den er mit beiden Händen schwer geöffnet hatte. Das scheiß Ding wog immer wieder viel. Aber Hauptsache er kam aus diesem Scheißloch raus. Und so kletterte er in ihre Basis und reichte hinter sich nach unten. Eine Geste für Kai das er die Hand nahm und sich in den Raum hoch helfen ließ. Es war nicht viel Zeit vergangen seit sie weg gewesen waren. Vielleicht nur ne Stunde. Was aber auch an dem genialen Einfall des Kleinen gelegen hatte. Im Gegensatz zu ihnen machte sich Kai nämlich über die Karte der Stadt her und recherchierte alles gründlich und machte sich dabei sogar noch Notizen. Schrieb Orte nieder an denen sie waren oder es noch sinnvoll wäre diese zu überprüfen. Für Vorräte versteht sich. Und genau so haben sie nämlich einen Laden gefunden und kamen endlich an Medikamente ran, etwas was schon länger überfällig gewesen war. Denn so langsam wurden ihre Vorräte knapp in der Beziehung. Also ein voller Erfolg bei dem man sich auf die Schulter klopfen durfte.

Doch kaum als sie beide in den Raum hoch kamen, Yamagata die Luke wieder schloss und Kai sich umsah…stimmte etwas nicht. Besonders dem Jüngsten wurde unwohl…Kaneda und Tetsuo waren nicht da. Er sah besorgt zu Yamagata hinter der sich am rechten Arm etwas kratzte und sich ebenfalls umsah. Er schien allerding nicht so besorgt zu sein.

„Sind die noch immer Joker am foltern?“

Yama zuckte mit den Schultern auf diese Frage. Wenn ja war das ebenfalls beunruhigend, denn das würde zeigen das Kaneda echt mies drauf war im Moment wenn der ihn so lange foltern konnte. Aber das konnte eigentlich nicht…Der Große lief an ihm vorbei und setzte sich auf sein Bett, zückte ne Packung Kippen unter dem Kopfkissen hervor und nahm eine raus. Kai sah ihn fassungslos an, als er da so einfach saß und sich das Ding anzündete. Bis er auf ihn zeigte und sprach:

„Ist das dein Ernst?“

Yamagata sah zu ihm und hauchte den Rauch aus.

„Hm? Was denn?“

„Kaneda ist wahrscheinlich noch immer da drin und foltert Joker. Verliert sich dabei vielleicht sogar selbst. Und du sitzt einfach nur da und rauchst eine?!“

Er nahm die Kippe aus dem Mund.

„Jetzt stell dich nicht so an. Kaneda ist nicht so einer. Das weist du genauso gut wie ich Kaisuke. Außerdem ist der Spinner Tetsuo bei ihm, der passt schon auf ihn auf.“

Nach der Ansagte machte er sich gemütlich auf seinem Bett breit und steckte die Kippe wieder in den Mund. Dann verschränkte er die Arme hinter seinem Kopf, schloss die Augen und rauchte einfach wieder weiter. Er wollte sich endlich mal entspannen. Tetsuo würde ihn schon daran hindern Scheiße zu machen. Immerhin ist er sein Partner geworden. Sie passten aufeinander auf. Kai auf der anderen Seite allerdings stand nur noch fassungsloser da. War das sein Ernst?! Er schnaubte aus und drehte sich von ihm weg. Na gut! Er liebte diesen Mann wirklich, aber manchmal machte er ihm doch zu sehr einen auf: Is mir schnurz ich will chillen. Also nahm der Kleine das selbst in die Hand. Er zog seine Jacke aus und hängte sie über einen Stuhl, so das er oberhalb nur noch sein grünes Hemd trug und eine rote Krawatte. Eigentlich konnte man bei der Wärme draußen auch ohne Jacke fahren, aber wenn man sich dann so mit der Karre hinlegte, konnten deine Freunde dich mit nem Spachtel vom Asphalt kratzten. Kurz gesagt: Es gab ne riesen Sauerrei. War also immer besser mit ner Lederjacke. Aber in ihrem Quartier war es damit doch zu warm, denn die Luft staute sich dort gerne. Schließlich lief er zu der Tür, die zu Joker seiner persönlichen Folterkammer führte und öffnete diese langsam einen Spalt breit, da sie auch sonderlich schwer und aus Metall war. Er sah noch mal hinter sich und sprach:

„Blödmann.“

„Ich liebe dich auch.“

Kam es locker von Yamagata und Kaisuke schüttelte nur den Kopf. Öffnete die Tür breit genug dass er durch passt und verschwand dann in den Raum dahinter. Schloss sofort die Tür.

Zu seiner Überraschung…war niemand da. Zumindest die die er suchte waren nicht da. Er stand noch etwas erstarrt an Ort und Stelle und sah sich in dem düsteren Raum um. Kaneda und Tetsuo waren nicht hier. Nur Joker saß noch immer fest gebunden auf seinen Stuhl und in sich gesackt. Wenn sie aber nicht hier waren…wo konnten sie dann sein? Und schlagartig verwandelte sich seine Sorge in leichte Panik. Es war so nicht abgesprochen. Normalerweise war es so: Zwei gehen und zwei warten. Wenn er und Yamagata weg waren, passten Kaneda und Tetsuo auf ihr neues Zuhause auf. Und genauso war es dann auch andersrum. Nie wurde es unbewacht gelassen! Etwas stimmte nicht.

Er machte einige Schritte auf Joker zu. Er saß ihm…etwas zu still auf dem Stuhl ehrlich gesagt…Und kaum als er vor ihm war…hustete der Clown auf. Was dazu führte das Kai innerlich aufatmete. Er dachte beinahe das Kaneda ihn vielleicht getötet habe. Es war schon schlimm dass er ihm inzwischen sowas zutrauen konnte.

Joker sah zu ihm auf und grinste breit. Widerlich, so dass Kai gleich die Arme vor sich schützend verschränkte und fragte:

„Macht dir das Spaß ja? Könnte man echt denken wenn du so grinst.“

„Wer hätte das gedacht? DU bist der Letzte mit dem ich gerechnet hätte…da ist sogar diese Nutte Tetsuo noch öfter hier drin als du. Verträgst den Anblick von Gewalt nicht was? Hast mich auch damals wie ein Mädchen feige von Hinten angegriffen.“

Es stimmte das er nicht so für Gewalt war. Aber der Schlag damals von hinten tat tatsächlich sehr gut. Den hatte Joker verdient.

„Wo sind sie? Wo sind Kaneda und Tetsuo hin?“

„Woher soll ich denn das wissen? Bin ich ihr Babysitter? Nachdem euer PsyKI den Raum fluchtartig verließ ist ihm Kaneda wie ein treuer Köter sofort hinterhergerannt…Da fragt man sich doch: wer WEN da an der Leine hat, oder?“

Kai machte einen Schritt näher auf ihn zu.

„Du hast doch keine Ahnung! Was weist du denn schon von Liebe? Du könntest sowas nie verstehen. Du hattest lediglich eine Olle zum vögeln, mehr nicht.“

Joker grinste noch breiter. Warum…machte er das? Seit er bei ihnen gefangen genommen wurde war er so. Er wirkte so…zuversichtlich. Jeder müsste bei dem was ihm zugefügt wird brechen, oder um sein Leben bangen, aber er machte das nicht. Okay wenn man sich mit den neuen Kindern einließ musste man ein verrückter religiöser Fanatiker sein, aber reichte es echt so tief bei ihm? Woher kam dieses Selbstvertrauen? Und irgendwie wurde Kaisuke unwohl wenn er das sah. Es war als…würde Joker etwas aushecken. Spielte er Spielchen mit ihnen? Und nun sorgte er sich noch mehr um Kaneda und Tetsuo. Vor allem weil er sagte das Tetsuo den Raum vorhin fluchtartig verlassen haben soll. Vorausgesetzt das stimmte. So kam er noch einen Schritt näher und stand direkt vor ihm. Beugte sich zu ihm runter, das er auf der selben Augenhöhe war und sprach:

„Ich bitte dich…Ich weis das die Dinge die wir momentan alle machen nicht richtig sind. Und ich wünsche mir dass diese Gewalt aufhört. Aber das kann es nur wenn du mit uns zusammen arbeitest Joker! Bist du wirklich so verkommen oder verzweifelt das du die Welt brennen sehen willst?! Durch die Hände von Fanatikern?! Joker wenn die so weiter machen wirst auch du sterben! Sie wollen keine Menschen! Sie wollen nur PsyKI auf dieser Erde! Was bedeutet jeder Mensch wird ausradiert! Das ist eine Ausrottung! Und da zählst auch du dazu! Wir müssen das stoppen!...Was Kaneda und Tetsuo da tun…das könnte alles ändern, verstehst du?“

Und da fing Joker an zu lachen. So laut das Kai kurz zusammenzuckte deswegen, aber in seiner Position verblieb.

„Verändern? Was willst du mir damit sagen? Das Kaneda und Tetsuo die neuen Adam und Eva sind?! Das mit ihnen ein Zeitalter des Beisammenseins zwischen PsyKI und Menschen entsteht?! Das wir uns genetisch vermischen sollen?! Das glaubst du doch selber nicht! MENSCHEN UND PSYKI KÖNNEN NICHT GEMEINSAM LEBEN! Es liegt…nicht in unserer Natur. Aber noch erschreckender ist…das wir selber für unsere Ablösung gesorgt haben. Indem wir sie erschaffen haben.“

„Was redest du da? Neue Arten entstehen jeden Tag Joker. Das hat nichts mit…“

„Du glaubst doch nicht etwa den Müll? Ich erzähle dir jetzt mal eine Geschichte…Etwas was ich auf meiner Suche nach der Wahrheit und dem Treffen von Gott gelernt habe…Vor 100 Jahren passierte hier etwas im Land. Die Regierung hat ein Kind gefunden das außergewöhnliche Fähigkeiten besaß. Es konnte Dinge mit seinen Gedanken in Flammen setzten. Forscher studierten sie und versuchten herauszufinden woher diese Kraft kam. Gingen sogar soweit dieses Kind auseinander zu nehmen und versuchten ihre Fähigkeiten nachzubauen. Verstehst du? Die PsyKI wurden von UNSERER Regierung geschaffen! Mit der Absicht Supersoldaten zu schaffen oder so ein Blödsinn! Tja lief nicht so gut und einige sind abgehauen. Klar die sehen ja auch aus wie normale Menschen. Alles war hier in Neo Tokyo ablief ist ein Versuch den Scheiß den sie angerichtet haben wieder grade zu biegen! Was glaubst du denn sonst warum wir Aufträge bekommen sie zu töten um uns etwas Kohle zu verdienen. Es ist alles wahr. Diese ganzen Gerüchte. Ich habe es persönlich herausgefunden.“

Kai schüttelte nur den Kopf.

„Du lügst. Ich habe diese Geschichten auch schon gehört! Keiner weis ob sie wahr sind oder nicht! Und das spielt auch keine Rolle mehr! Fakt ist: das sie hier sind und wir mit ihnen leben müssen. Nein, dass wir mit ihnen leben können uns sollten! Sie sind nicht anders als wir Joker!“

„Sie sind Ungeheuer die unsere feine Regierung erschaffen hat, indem sie mit unseren Genen rumspielten! Und nun ist es an der Zeit das Recht gesprochen und dies sich in die Tat umsetzt! Sie werden uns ablösen! Und es ist mir egal ob ich dabei sterbe oder nicht! Gott wird mich zu einen von ihnen machen!“

Und da wurde Kai hellhörig. Gott…was meinte er damit?

„Was? Du spinnst doch Joker.“

„Er hat es…mir gesagt. Mir versprochen. Er sagte ich kann ebenfalls die nächste Stufe erreichen. Jeder der ihm treu ist kann das…Ich brauche nur einen starken PsyKI. Mehr nicht…Du kannst es nicht mehr aufhalten. Es ist alles in die Wege geleitet…“

In die Wege gelei…Kai erstarrte förmlich und sah ihn voller Schrecken an. Er hatte doch nicht etwa vor…

„Und ich weis genau was Liebe ist Kleiner…Meine Freundin wird mit mir zusammen den Himmel erreichen…Meine treue Saya…“

Und da fuhr Kai ein Schock durch die Glieder. Denn er kannte diesen Namen zu gut. Und Joker grinste noch breiter.

„Habt ihr euch nie gefragt woher ich immer wusste was ihr plant? Warum ich euch immer einen Schritt voraus war? Ich hatte meine kleine fast immer bei euch. Sie sollte sich an Kaneda ranmachen und behielt ihn damit im Auge. Was mit einer Perücke und ner Fotze zwischen den Beinen doch so alles möglich ist oder?“

Saya. Das Miststück das sich immer wieder an Kaneda rangemacht hatte war Joker seine Freundin?! Zugegeben die orangen Haare sahen schon immer etwas unnatürlich aus, aber das es eine Perücke war…So schlimm diese Erkenntnis in dem Moment auch einschlug, es war nur zweitrangig, er musste wissen wo Kaneda und Tetsuo waren! Denn nun stand es fest: sie waren in Gefahr! Und da fasste er ihn wütend am Kragen und fauchte Joker ins Gesicht:

„WO SIND SIE?! Was hast du Tetsuo gesagt?! Wo hast du sie hingeschickt?!“

Joker lächelte ihn böse an.

„…Dort hin wo man sich Versuchstiere hält natürlich…Und…du hast nicht „bitte“ gesagt, du Schwächling.“

Und kurz darauf riss sich Joker aus seinen Fesseln! Es ging so schnell und stark, dass Kai nicht mal reagieren konnte. Im Nu hatten sich zwei große und starke Hände an seine Kehle gelegt und drückten zu! Was dazu führte dass ihm schlagartig die Luftzufuhr abgedrückt wurde und er an die Arme des Hünen fasste. Versuchte den Griff zu lösen und sogar zutrat. Nichts. Joker erhob sich von dem Stuhl und drückte Kai mit Leichtigkeit nach vorne auf den Boden vor sich. Wie konnte er sich befreien? Durch tagelange Arbeit. Er hatte immer wieder seinen Fesseln an einem Holzstück, das am Rücken des Stuhls raus ragte, dran gerieben. Und schließlich waren sie durch. Nie hatte einer danach gesehen. Es war dumm gewesen nie seine Fesseln zu überprüfen. Das biss ihm jetzt in den Arsch.

Verzweifelt kämpfte er gegen das Gewicht über sich an und schlug mit dem rechten Arm immer und immer wieder gegen einen der starken Arme die ihn im Griff hatten. Während die Andere versuchte am Handgelenk den Griff zu lösen. Alles hoffnungslos. Und er bekam immer schlechter Luft. Er wollte nach Yamagata schreien, aber dazu bekam er nicht genug Sauerstoff in die Lungen. Und so langsam wurde ihm auch deswegen schummrig vor den Augen. Ein Schleier fing an sich vor seinen Augen zu bilden und Panik kroch innerlich in ihm hoch. Er würde…ersticken. Ganz simpel. Joker dachte nicht mal daran den Griff auch nur leicht zu lockern. Immerhin fühlte es sich für ihn gut an jemanden mit bloßen Händen zu erwürgen…Er lächelte böse und sprach:

„Verrückt oder? Was hast du kleiner Scheißer nur an dir, dass man die Finger nicht von dir lassen kann? Echt schade, hübsch bist du schon für einen Kerl. Aber hab keine Angst…ich schicke dich nur schon vor. Deine Freunde werden dir noch alle folgen.“

Und er drückte noch fester zu. Kai fing langsam schon an blass anzulaufen. Sein Herz rannte wie verrückt, versuchte verzweifelt Sauerstoff durch den Körper zu pumpen der einfach nicht kam. Und dann fühlte er wie sein Verstand langsam anfing auszusetzten. Er starb. So lief das ab. Zuerst wurde man bewusstlos. Das Gehirn schaltete zuerst ab. So starb man beim ersticken. Und dann erschlafften seine Arme und fielen neben ihm auf den Boden. Er wollte nicht…sterben. Und in einem letzten Aufleben und der Angst…griff er neben sich leise in die Hosentasche. Der letzte Funken Hoffnung den er noch hatte befand sich darin. Joker bekam nichts mit durch den Rausch des Mordens. Drückte einfach weiter und genoss es. Immer und immer wieder…Und dann zückte Kai sein Taschenmesser! Die Klinge schnellte automatisch hervor und er hob ein letztes Mal den rechten Arm…und stach schließlich zu! Verfehlte auch nicht sein Ziel. Er traf Joker volle Kanne in das linke Auge und dieser schrie auf. Ließ ihn natürlich dadurch los und als die Luft wieder in Kai seine Lugen kam wurde er sofort aktiv. Er schrie auf und schubste Joker über sich runter, der noch immer in sein blutiges Gesicht fasste und brüllte. Und im Adrenalinrausch kam der Kleine hoch und warf Joker um. Setzte sich auf den nun am Boden liegenden drauf und holte aus…ließ die Klinge wieder herabfahren und ihr Ziel treffen. Joker lag auf dem Rücken und fühlte wie der kalte Stahl immer und immer wieder in seine Haut drang. Immer wieder in das Gesicht und sich seine Sicht rot färbte. Kai hörte nicht auf. Er stach immer und immer wieder schreiend zu und weinte dabei auch leicht. Er verlor komplett die Fassung Noch nie war ihm sowas passiert. Er stach immer wieder zu…bis das Leben den Clown komplett verlassen hatte und er nur noch wie ein Sack unter ihm lag. Und so wie es aussah war Gott nicht da um ihm helfen…Und selbst jetzt schlug Kaisuke noch immer auf den leblosen Körper unter ihm ein. Wie ein kaputtes Band das sich immer wiederholte. Bis er schließlich in seiner Trance von hinten gepackt wurde. Mit einem Ruck wurde er von dem Hünen runtergezogen und hörte eine Stimme die bestimmt und laut sprach:

„KAISUKE! Es reicht! KAI!“

Es war Yamagata der im selben Zug das rechte Handgelenkt des Kleinen packte in der er das Messer verkrampft hielt. Er drückte zu und zwang ihn damit es aus der Hand fallen zu lassen, was auch nach wenigen Sekunden passierte als der Griff zu stark wurde. Er ließ es fallen und extrem laut schlug das Metall auf dem Boden unter Kai auf. Blut spritze noch von der Klinge dabei und verteilte sich am Boden. Und dann drückte Yamagata den aufgebrachten Jungen an sich. Erstaunlicherweise musste er echt kämpfen, da Kai durch das Adrenalin und die Angst Kräfte entwickelt hatte die man ihm auf den ersten Blick nicht zutrauen würde. Dabei drückte er ihn an seine Brust und Kai schrie immer und immer wieder, wehrte sich dabei:

„LASS MICH LOS! GEH WEG!! LASS MICH!!“

Er war so panisch und von der Realität gelöst, dass er nicht mitbekam wer ihn da in seinen Armen hielt. Die Todesangst hatte ihn komplett lahmgelegt. Seinen Verstand lahmgelegt. Yamagata aber hörte nicht auf und drückte ihn weiter an sich.

„Ich bin es! Es reicht Kai! Schhhhht….Es ist vorbei. Hör auf.“

Und er wurde sanfter. Und je sanfter die Fesseln wurden, in denen er sich befand…umso weniger wehrte sich der Kleine in seinen Armen. Bis er nur noch an ihn geschmiegt und zittrig lag, dabei weinte und er sich freiwillig an ihn drückte. Verstand endlich wer da war, ihn hielt und er dadurch keine Angst mehr hatte. Blutspritzer klebten in seinem Gesicht und an seinen Händen. Noch nie zuvor…hatte Kai jemanden getötet. Verletzt, aber nie getötet. Und das schockierte ihn in dem Moment. Nicht die Tatsache dass er fast gestorben wäre. Sondern zu was er fähig war, wenn es so knapp wurde und sein eigenes Leben auf dem Spiel stand. Er weinte nur noch. Jammerte immer mal wieder den Namen seines Liebsten. Und Yamagata sah rüber. Sah zu dem zerstochenen Körper des Clowns und spuckte noch mal nach. Von seinem Gesicht war nichts mehr klar zu erkennen…Geschah dem Scheißkerl recht. Er hielt weiter seinen Kleinen in den Armen und schmiegte sich an ihn. Er hatte ihn noch nie…so aufgelöst gesehen. Und das tat ihm schrecklich weh. Und er musste selber die Angst abschütteln…das Kai beinahe gestorben wäre und er nicht mal da war um es zu verhindern. Wäre etwas anders gelaufen…Er durfte nicht daran denken.

„Sie…sind in Gefahr…Yamagata.“
 

„Ich erzähle euch etwas, was ich jedem bereits erzählt habe. Kennt ihr die Prophezeiung des Lichtbringers? Es ist eine alte Geschichte. Etwas was ich gesehen habe, als ich in eurem Alter war. Als ich meine Kräfte bekam sah ich einen Jungen. Ich sah dass er Frieden und Schutz über unsere Art bringen würde. Uns in ein friedliches Zeitalter leitet, wenn die Menschheit bereits am Aussterben ist. Er wird unermessliche Kräfte besitzen und beide Arten ins sich vereint haben. Mit seinem Mut, seiner Stärke, Güte und seiner Liebe wird er uns alle beschützen. Sein Herz gereinigt von dem Blut derer die verloren wurden und gestärkt durch deren Seelen. Eines Tages wird er zu uns kommen. Aber bis dahin dürft ihr nie die Hoffnung aufgeben. Denn es wird alles gut werden für unsere Art.“

„Ich glaube ich habe ihn auch gesehen…Mutter Miyako.“
 

Nachdem sie schon eine Weile tiefer in das Sperrgebiet im Norden gefahren waren, hatten Kaneda und Tetsuo nun endlich eine Pause eingelegt.

Inzwischen stand die Sonne am höchsten Punkt im Himmel und brannte gnadenlos auf sie nieder. Inzwischen hatte der Sommer seinen Höhepunkt erreicht. Die Tage wurden länger und die Nächte kürzer. Unter anderem wurden die Tage sehr heißt. Es war nichts ungewöhnliches aber diesem Zeitpunkt im Jahr, aber dieser Sommer war im Vergleich richtig heiß. Es gab seit langem Gerüchte das sich die Erde verändert und damit auch das Wetter. Das in ferner Zukunft alles überschwemmt oder Ödland sein könnte. Das hörte man immer wieder in den Medien. Und wenn Kaneda so zurück dachte konnte er sich das vorstellen. Vielleicht war es der Mensch der dies alles verursachte, mit seiner Technik und den Experimenten. Vielleicht war es aber auch die Erde selber die anfing sich zu reinigen. Er war kein Crack in Biologie, aber sogar er wusste, dass wenn ein Körper gegen eine Infektion kämpfte, er dies mit Fieber tat. Er brannte die Keime einfach aus. Ob das mit der Erde auch passierte? Gab es deswegen diesen Wetterwechsel und die immer wieder auftretenden Krankheiten die Menschen plagen? Keine Ahnung. War auch zu viel Kopfgeficke für ihn. Er würde eh nicht lange genug leben um das mitzuerleben…

Sie hatten Rast in einer verlassenen Tankstelle gemacht. Draußen in der Hitze standen die leeren Zapfsäulen und man sah die Hitze über den Asphalt der Straße tanzen, was wie Flimmern wirkte. Seine Karre stand dicht an dem Laden der Tankstelle, in dem sie sich befanden. Dennoch würde sie nachher heiß sein, Metall erhitzt sich auch im Schatten. Er saß locker auf dem Verkaufstresen und trank eine Cola. Nicht mal sie kamen unvorbereitet. Kaneda hatte vorher noch Proviant eingepackt und im Sattel seiner Karre verbunkert, da wo eigentlich die Decke zum Schutz des Motorrads vorher drin war. Durch die Hitze hatte er alles rausgenommen. Nun musste es besser gegessen werden, denn Sushi sollte man nicht lange warm werden lassen, von denen er sich wieder eins in den Mund schob. Und während er sich etwas den Bauch füllte sah er zu Tetsuo rüber, der durch den alten und zerstörten Laden lief und sich neugierig umsah. Inzwischen hatte der PsyKI seinen Hoodie ausgezogen und lief nur noch in seinem weißen Hemd, oberhalb bekleidet, rum. Dieser war inzwischen in seiner Karre verstaut. War klar in dem Ding schwitzte Kaneda nur schon vom Zusehen. Nicht das es in seiner Lederkluft besser war, ihm war auch warm. Es war immer wieder interessant zu beobachten wie der Kleine sich neugierig umsah. Alle Dinge die er nicht kannte und von denen er lernen wollte, beäugte er genauer. Er war an sich sehr aufmerksam und neugierig. So blieb Tetsuo plötzlich an einem Regal stehen und zog eine Tüte Chips raus. Stirnrunzelnd sah er sie an und drehte sie um, da sie aber schon sehr alt war, konnte er nicht mehr lesen was auf der Rückseite stand. Das war was zu essen. Ganz bestimmt. Aber warum sah es so komisch aus? Kaneda schluckte das Sushi in seinem Mund runter und sprach dann rüber:

„Die würde ich nicht essen, wenn ich du wäre. Es sei denn du möchtest danach kotzen, oder schlimmer.“

Tetsuo sah wie ertappt zu ihm und legte sie wieder schnell in das alte Regal zurück. Er lief leicht rot an und sprach muffig:

„Du musst mich nicht die ganze Zeit beobachten.“

Kaneda lächelte. War leider ein Fakt dass er das Tat. Er bekam nun mal nicht genug von dieser Schönheit…

„Ich pass nur auf das du dich nicht selbst vergiftest.“

Kam es frech und Tetsuo sah mit verschränkten Armen und weiterhin muffig zu ihm rüber.

„Hältst du mich echt für so blöd?!“

„Nein nur für etwas treudoof, hehe.“

„Halt die Klappe!“

Und kurz darauf flog eine Tüte faule Chips durch den Raum und traf ihn seitlich am Kopf. Knallte dann auf den Boden. Kaneda lachte aber nur und rieb sie die Wange. Genau so war es zwischen ihnen. Was für andere aussah als würde es in einem Streit eskalieren, war bei ihnen eine lockere Stimmung. DAS war Normalität zwischen ihnen. Aber nicht negativ. Kaneda hielt ein Sushi hoch und streckte es zu ihm, wedelte sogar damit etwas und sprach dann frech:

„Na komm her. Du magst doch Sushi. Es muss jetzt alles gegessen werden.“

„Köderst du mich gerade mit Essen?“

„Nein mit meinem Charme. Funktioniert es?“

„Nein.“

Und dennoch kam Tetsuo zu ihm gelaufen und setzte sich links neben seinen Geliebten, nahm das Sushi und sprach etwas leicht arrogant:

„Aber ich habe hunger, also lasse ich dir das durchgehen.“

Kaneda grinste frech. Ja klar, natürlich nur deswegen…Und so saßen sie einfach da, dort wo es wenigstens etwas kühler war und man ausharren konnte bis die Hitze weniger wurde und aßen. Tetsuo trank dann auch einen Schluck von der Cola und aß weiter. Er hatte echt kohldampf so wie er schlang. Und er liebte Suhsi. Seit dem Tag wo er es mal bei Kaneda zuhause essen konnte. Cola war nicht so sein Fall, aber es war momentan okay. Er hatte bei dem Zeug das Gefühl er würde unruhig werden, also innerlich. Und als würde es ihn noch durstiger machen. Dann lächelte der Ältere plötzlich auf den Boden vor sich…

„Hey Tetsuo. Erinnerst du dich noch an die alte Frau Nakamura?“

Tetsuo sah zu ihm und schluckte runter.

„Hm? Das war doch die alte Frau die neben dir gewohnt hat, oder? Ja, aber wie kommst du denn jetzt da drauf?“

Frau Nakamura…ob sie noch lebte? Seit der Chaos auf den Straßen ausgebrochen ist haben sie sie nicht mehr gesehen, oder waren in der Wohnung von Kaneda gewesen. Aber wie kam er auf sie?

„Ich weis nicht ich…musste gerade an sie denken. Sie war immer sehr hilfsbereit und lieb zu mir gewesen. Und…hehe, ich musste daran denken wie sie dich für ein Mädchen gehalten hatte. Hoffentlich geht es ihr gut.“

Der PsyKI lief etwas rot an.

„Warum erinnerst du dich ausgerechnet an diese Situation?!“

„Naja weil das eine Mädchen letztens dich auch für eins gehalten hat. Passiert dir öfters wenn du neben mir stehst hehe.“

„Kaneda!“

Es stimmte. Es war schon einige Wochen her. Bevor alles in der Stadt den Bach runter ging. Sie waren zusammen auf dem Markt in der Nähe von der wieder aufgebauten Shibuya-Kreuzung gewesen. Dort hatten sie sich einige Takoyaki geholt. Das waren Oktopusbällchen in Teig. Um diese dann nebenan in einem Park zu futtern. Als sie auf der Parkbank saßen kam ein kleines Mädchen vorbei. Sie war vielleicht gerade mal 7 Jahre alt gewesen oder so und ganz schmutzig angezogen. Also ein Kind von der Straße. Kam auf die Beiden zu, kaum als sie sie erspäht hatte und noch bevor sie was sagen konnte reichte ihr Tetsuo schon die Hälfte der Bällchen die er hatte. Ohne zu zögern. Die Kleine war verwirrt das es so ohne zu zögern kam und sah ihn auch verdutzt mit dem Essen in den Händen an. Noch bevor Tetsuo was sagen konnte lächelte sie lieb und sprach dann zu Kaneda rauf: „Deine Freundin ist echt lieb und hübsch! Auch wenn sie keine große Oberweite hat!“, und dann lief sie fröhlich weg. Tetsuo saß erstarrt und errötet auf der Bank. Kaneda dagegen pisste sich weg und musste das Essen abstellen, denn kurz darauf krachte er rechts von der Parkbank runter und lachte weiter am Boden. Und während er sich dort eingekugelt hatte und lachte, maulte ihn Tetsuo nur an: Er solle aufhören, oder das wäre nicht witzig! Vielleicht lag es daran das Tetsuo den Hoodie trug und Kinder daher nicht ganz erkennen konnten was da vor ihnen saß. Offenbar hatte er eine kleine feminine Ausstrahlung und das verwirrt Kinder. Auf jeden Fall war es köstlich und Kaneda lachte noch am Abend darüber. Der PsyKI fand das nicht so witzig. Auch wenn er von den Beiden das Weibchen war, kratzte es an seiner Männlichkeit. Sah er wie ein Mädchen neben Kaneda aus?

„Das war schon das zweite Mal dass man dich für ein Mädchen gehalten hat.“

„Ja genau, weil das auch total zählt! Von einem Rotzgör was den Unterschied kaum auseinanderhalten kann vom 30 Sekunden hinsehen und von einer alten Oma die halb blind war! Total aussagekräftig!“

Kam es leicht pissig von Tetsuo zurück und er aß dann einfach weiter und drehte sich dabei sogar etwas von Kaneda weg. Der aber schmunzelte nur und sah den wunderschönen Rücken vor sich an. Schön geschwungen und mit zarten Muskeln übersät. Wenn er ihn so sah kamen ihm verschiedene Gedanken in den Kopf. Die meisten nicht gerade jugendfrei. Aber einer ganz besonders: Er verglich Tetsuo seinen Rücken mit denen der Frauen mit denen er damals Sex hatte. Und wenn er daran zurück dachte und das verglich…viel ihm auf das er mehr auf den Rücken des Kleinen stand. Vielleicht gerade weil er etwas kräftiger war und es dort was zum Packen gab. Zarte Muskeln unter der Haut…Und wenn sein Blick noch tiefer fuhr, was er natürlich tat, sah er den Hintern des Kleinen. Der…ohne Witz nicht der klassische Jungen-Arsch war. Tetsuo hatte eine leicht weitere Hüfte, was ihm einen schwachen Mädchen-Arsch gab. Also da war mehr Hüfte zum packen als bei anderen Jungs. Und wenn er das so sah fuhren wieder seine Instinkte hoch. Er wollte diesen Arsch schon gerne endlich mal knallen…Aber warum fühlte es sich noch nicht intensiv genug an? Das Verlangen war da, aber nicht stark genug das er über ihn herfallen würde. Das ergab keinen Sinn. Damals in seiner Wohnung wollte er es auch sofort und hätte es getan. Warum war jetzt diese Sperre da? War es…wirklich nicht der richtige Zeitpunkt? So fühlte e sich irgendwie an…

Tetsuo spürte das Kaneda gewisse Schwingungen von sich gab und sah verwirrt zu ihm hinter. Nur um das noch zu erhaschen wie der Ältere schnell weg sah und weiter aß. Okay…Was sollte das denn? Er drehte sich wieder leicht zu ihm und runzelte die Stirn. Sah dann mal kurz zu seinem Hintern runter und dann wieder auf, als er fragte:

„Hast du mir auf den Arsch geklotzt?“

„Was? Nein!“

Kam es abhackend von dem Älteren…Was war denn da los? Warum so zurückhalten? Tetsuo schmunzelte. Das Spiel konnte er auch spielen.

„Bist du dir sicher?“

„Ja!“

„Gefällt dir denn was du siehst?“

„Ja!...Ach fuck! Ich meine…!“

Und da fing Tetsuo an zu lachen. Es war ein glockenhelles und fröhliches Lachen. Ehrlich und rein, so das Kaneda ihn ansah und…verzaubert war. Sein Herz machte bei dem Lachen einen Sprung und er errötete leicht. Es geschah immer wenn er so lachte. Er…liebte es wenn Tetsuo so glücklich war. Und wenn er ihn so lachen sah da…Der PsyKI hörte auf und lächelte nur zu ihm, als er sprach:

„Du bist so ein Blödmann. Es ist völlig okay, dass du mir auf den Arsch glotzt. Es ist mir nicht aufdringlich Kaneda, auch wenn ich vielleicht etwas verklemmt wirken kann dabei. Ich bin das halt noch nicht gewohnt. Aber danke dass er dir gefällt. Tut irgendwie gut.“

Und kaum als er den Satz beendet hatte senke Kaneda den Kopf und sah wieder auf den Boden vor sich. Er schien plötzlich in Gedanken zu sein. Und er wirkte betrübt. Was war plötzlich los mit ihm? Hatte Tetsuo was Falsches gesagt? Nein das kann es nicht gewesen sein. Der Jüngere drehte sich komplett zu ihm und fasste dann sanft die linke Hand des Älteren, die auf dem Tresen ruhte. Dies ließ ihn erwachen und er sah zu seinem Gegenüber, der ihn besorgt fragte:

„Hey. Was hast du denn? Es ist doch gar nicht deine Art so schnell den Gemütszustand zu wechseln Kaneda.“

Kaneda sah ihn an…Er wollte…Er wollte das dieser Junge glücklich ist. Er wollte ihn beschützen und ihm ein sicheres Leben schenken. Eine Zukunft schenken in der sie zusammen leben konnten, ohne Angst und ohne Vorurteile. Erst glaubte er daran dass Menschen und PsyKI miteinander leben können. Das sie lernen könnten sich zu verstehen und miteinander zu existieren. Sich zu akzeptieren. Aber…aber je mehr passierte in der letzten Zeit…umso mehr wurde ihm mit Sorge bewusst das es vielleicht nie klappen könnte. Es wirkte aussichtlos. Inzwischen war er sich auch immer mehr bewusst dass es nicht an den PsyKI lag, die dies nicht ermöglichen wollten, sondern an den Menschen. An seiner eigenen Art, die ihnen böses angetan hatten und noch immer machten. Und DAS machte ihm Angst. Er war ein Mensch. Aber er liebte diesen Jungen vor sich und er würde alles für ihn tun. Sie waren verbunden. Das spürte er. Aber konnte er…? Und endlich machte er den Mund auf:

„Bist du hier eigentlich glücklich?“

Tetsuo legte den Kopf leicht schief vor Verwirrung. Woher kam das denn jetzt?

„Was? Wie kommst du denn jetzt darauf? Was ist denn heute los mit dir?“

Er war nicht oft so nachdenklich…Kaneda sah wieder auf den Boden vor sich und stütze sich mit den Armen auf seinen Beinen ab, so dass er gekrümmt nach vorne da saß.

„Seit du hier bist hast du so viel Leid erlitten. Hier in Neo Tokyo bist du wie in Ketten gelegt. Du kannst nicht sein wer du bist, ohne in Angst leben zu müssen. Vielleicht wäre es bei dir zuhause besser. Wenn du dorthin zurückkehren würdest könntest du sein wer du bist. Und daher frage ich mich ob du überhaupt hier glücklich bist, mit all diesen Einschränkungen.“

Dieser Satz traf Tetsuo wie ein Schlag. Es wäre…vielleicht besser? Nein. Er hatte keine Ahnung. Aber woher auch? Er hatte ihm ja nie die ganze Wahrheit erzählt. Und…und vielleicht war es endlich mal an der Zeit damit rauszurücken…Er holte tief Luft und schob das Essen zwischen ihnen nach hinten, so das er an ihn ran rutschen konnte. Fasste Kaneda seine linke Hand dabei und er sah zu ihm. War leicht verblüfft. Und dann seufzte der Kleine vor ihm, so das sein Gegenüber ihn weiter ansah. Er spürte…das da gleich was Wichtiges kommen würde. Wo hatte er sich nur wieder rein manövriert? Aber vielleicht war es auch gut so…

„Ich bin hier glücklich Kaneda, weil ich bei dir bin…Habe ich dir jemals erzählt warum ich meine Heimat verlassen habe?“

Kaneda schüttelte den Kopf.

„Nicht das ich mich daran erinnern könnte. Du hast mal was angeschnitten. Sowas wie: Du warst nicht da wo ich war, oder so. Ist aber schon ne Weile her.“

Tetsuo sah auf die Hand seines Liebsten runter, die er gefasst hatte und dann wieder zu ihm hoch.

„…Ich denke…Es wird Zeit das ich dir die Wahrheit sage. Ich liebe dich und ich möchte…dass du es weist. Ich habe endlich den Mut und das Vertrauen gefunden es dir zu sagen.“

Wenn er sagte: Ich liebe dich, machte das Herz des Älteren immer einen Sprung vor Freude.

„Okay…Dann sag es mir.“

Er wollte alles von ihm wissen. Tetsuo stockte kurz und sah ihn nur an. In die Augen…Und dann fasste er sich und fing an zu erzählen. Wusste wo er anzufangen hatte:

„Ich bin weggelaufen…aus Angst. Ich habe fluchtartig mein Zuhause verlassen und dabei ließ ich auch alles hinter mir. Auch meine beste Freundin und meine Mutter.“

Das erstaunte Kaneda nun doch. Er war geflohen? Er dachte her mehr daran dass er wegging weil ihn dort Sachen nervten. Strukturen des Clans oder so.

„Du bist aus Angst weggelaufen? Wovor? Ich meine du hast doch gesagt das ihr dort in Frieden lebt und eine geregelte Struktur habt. Das ihr euch von den Kriegen unserer Welt schützt indem ihr euch versteckt. Ich dachte ihr seid friedlich. Warum solltest du also vor Angst wegrennen?“

„Weil ich das Gefühl hatte ich müsste sonst sterben. Also wenn ich dort bleibe.“

„Du müsstest sterben? Wovon redest…Erklär mir das Tetsuo.“

„…Du weist das ich ein Findelkind bin. Ich wurde von Mutter Miyako gefunden. Ausgesetzt und fast tot. Sie hat mich mitgenommen und mich bis zu einem gewissen Alter erzogen, danach macht dass das gesamte Dorf zusammen. Das ist Tradition. Aber nicht viele haben sich mit mir abgegeben, weil ich dieses rote Cape trug, dessen Bedeutung ich nicht kenne. Ich war verstoßen unter den Anderen, obwohl ich nie was getan hatte. Lediglich Mutter Miyako und meine beste Freundin Kaori waren für mich da und behandelten mich wie einen Menschen.“

Kaneda sah ihn erstaunt an.

„Kaori? Du hattest eine Freundin?“

Tetsuo errötete etwas.

„Sie war mir mehr eine Schwester. Sie…sie hat sich wahrscheinlich mit mir angefreundet, weil auch sie verstoßen war. Ich hab sie nie danach gefragt ehrlich gesagt…“

„Trug sie auch diesen roten Lappen?“

Tetsuo schüttelte den Kopf.

„Nein sie trug gar nichts in der Hinsicht. Also kein Cape. Sie war…sie war ein normaler Mensch.“

Und diese Aussage traf Kaneda wie ein Blitzschlag! Sie war ein Mensch?! Inmitten der PsyKI?! Das war ja sehr seltsam aber auch höchst interessant zugleich.

„Warte mal! Sie war ein gewöhnlicher Mensch unter euch?! Ich dachte ihr habt keine Menschen bei euch, sondern nur eure Art! Wie geht das denn?!“

„Ich weis es auch nicht, sie war so alt wie ich, aber ich hab sie erst mit 4 Jahren besser kennen gelernt. Weis nicht mal ob sie vor mir da war im Dorf. Sie…sie hat mich genommen wie ich bin. Und ich hatte sie immer gern an meiner Seite. Wir waren Freunde. Ich…ich hab andere sogar für sie verletzt. So gute Freunde waren wir. Sie wurde einmal von Takeyama, Kuwata und Watanabe geärgert und verletzt. Und da hab ich mich zum ersten Mal verloren. Die Kontrolle verloren über meinen Zorn.“

Die Kontrolle verloren…wie damals auf der Baustelle, als dieser eine PsyKI starb…

„Moment mal. Diese Namen kenn ich. Das sind alles die PsyKI die wir getötet haben oder vor kurzen umkamen. Daher kanntest du sie also.“

Tetsuo nickte ihm zu und sah dann auf den Boden vor sich.

„Ich weis nicht was sie hier wollten. Angeblich waren sie hier um mich zurückzuholen, aber das glaube ich nicht. Wer das Dorf verlässt ist Geschichte. Der braucht sich nicht mehr blicken zu lassen, so wurde es immer gesagt. Daher ergab es keinen Sinn. Sie kamen nicht meinetwegen her…Aber wie gesagt Kaori war immer für mich da und Mutter Miyako auch…Und dennoch hab ich alles hinter mir gelassen.“

Kaneda sah ihn an…und rückte dann noch etwas näher.

„Warum bist du gegangen?“

Tetsuo sah wieder zu ihm hoch.

„…Weil sich jemand gegen meinen Willen mit mir paaren wollte.“

Und diese Aussage schockte Kaneda zu tiefst, man sah es ihm auch an und er brauchte einige Sekunden um wieder sprechen zu können. Wut machte sich auch in ihm breit und er fragte lauter:

„Was? Wer?! Jemand wollte dich vergewaltigen?!“

Tetsuo schüttelte den Kopf.

„Bei uns ist das anders. In gewisser Weise hast du recht. Eine Paarung muss immer von beiden Seiten kommen, das ist richtig. Aber es gibt verschiedene Arten von Paarungen.“

„Wie kann man denn anders Sex haben als wie man Sex hat?“

Er erzählte ihm wirklich alles…

„Bei uns gibt es zwei Arten von Paarung. Man kann sich wie gesagt mit jedem Paaren wenn es von beiden Seiten kommt. Zu jeder Zeit. Diese Art ist nicht bindend. Aber die andere Paarung…ist bindend. Es gibt einmal im Monat eine Nacht die wir die „Nacht der Paarung“ nennen. Kōbi no yoru, sagen wir auch dazu. Wenn man sich in dieser Nacht mit jemand vereint, dann ist das bindend und auf Ewig. Es ist wie ein Pakt. Und…und in jener Nacht wollte mich einer auf ewig zu seinem Eigentum machen. Ich hätte die Hand einfach nicht annehmen müssen, die mir gereicht wurde und das Thema wäre vom Tisch gewesen. Aber mein Artgenosse…der mich wollte…er versuchte mich mit seinen Kräften dazu zu zwingen. Er manipulierte mich und beinahe hätte es auch geklappt. Ich weis nicht wie aber ich konnte mich losreißen und bin nur noch gerannt! Dieser Mann er…er ist schon lange in diesem Dorf und er trägt genau wie ich ein rotes Cape. Schon als ich klein war hat er mich immer mal beobachtet und jedes Mal jagte es mir eine gewaltige Angst ein! Ich spürte dass er böse war! Er ist viel zu mächtig und jeder im Dorf weis das auch! Aber keiner traut sich sich gegen ihn zu wehren! Er kann tun und lassen was er will!“

„Warte Mal! Du sagtest deine Mutter ist die Stärkste im Dorf! Warum unternimmt sie nichts gegen ihn?! Du hättest ihr sagen sollen was er getan hat! Er durfte damit nicht durchkommen!“

„Sie ist schon sehr alt! Ich hatte Angst dass er sie töten würde! Jeder in dem Dorf hat Angst vor ihm! Einfach jeder! Mutter Miyako ist nicht von Angst verfüllt. Sie hat vielleicht als Einzige keine Angst vor ihm, aber sie kann nicht mehr kämpfen! Jedes Mal wenn sie ihre Kräfte benutzt schwächt es sie stark. Sie braucht länger um sich zu erholen. Er würde sie töten! Deswegen habe ich nichts gesagt! Das ist mein Problem das ich tragen muss! Ich wollte sie da nicht mit reinziehen! Und ich hatte auch Angst das er Kaori was tun würde, wenn ich nicht spurte wie er will!“

„Also bist du Hals über Kopf aus dem Dorf geflohen…“

Fasste sein Liebster zusammen. Und ihm wurde langsam bewusst…was Tetsuo doch schon für Scheiße erlebt hatte. Das setzte dem ganzen noch mal die Krone auf. Nun ergab es Sinn warum er in Neo Toyko war. Er war nicht aus freien Stücken da. Sondern aus Angst. Er brachte sich selbst aus Angst ins Visier von Menschen, die ihm auch nur böses wollten. Er stand also zwischen zwei Stühlen. Tod hier, oder Tod da. Aber warum eigentlich Tod?

„Aber warum sagst du: Du hättest angst sterben zu müssen? Ich meine hattest du Angst das er dich zu tote bumst oder so?...Tut mir leid ich sollte sowas nicht so unverblümt sagen.“

Kam es auch gleich hinterher. Er kratzte sich kurz verlegen am Hinterkopf. Das war sehr uncharmant gewesen. Aber Tetsuo nahm ihm das nicht übel, so war Kaneda halt.

„Nein nicht deswegen…Ich hatte bei ihm das Gefühl…das er mich töten wollte. Ich kann es dir auch nicht erklären, aber dieses Gefühl hatte ich seit ich ihn das erste Mal sah…“

„Aber das ergibt doch keinen Sinn. Warum sollte er dich dazu zwingen, dass du dich ewig mit ihm bindest, nur damit er dich dann tötet. Da stimmt etwas nicht.“

„Das weis ich auch. Aber… ich konnte mich schon immer auf mein Gefühl verlassen…Es hat mich auch zu dir geführt.“

Da war was dran. Dieses Gespür hatte sie zusammengebracht und hatte Tetsuo Kaneda vertrauen lassen. Aber das war dennoch sehr seltsam. Warum sollte er jemanden töten wollen mit dem er sich doch auf ewig binden will…Aber so gesehen verstand inzwischen auch Kaneda das es gut war dass Tetsuo gegangen ist. Es war nicht die richtige Lösung, aber vielleicht ein Weg um gewisse Dinge aufzuschieben und eine Lösung zu finden. Oder Mut zu finden. Manchmal brauchten Lösungen Zeit. Aber das bedeutete auch…das Tetsuo noch zuhause was zu erledigen hatte…

„…Wie war der Name von dem Arschloch?“

Tetsuo sah ihn erschrocken an.

„Was?“

„Wie war sein Name? Der Typ der dir Angst macht. Wie heißt er?“

Er sagte das sehr ernst und bestimmt…Und sein Gegenüber antwortete scheu und unsicher:

„Er…sein Name ist: Akira.“

Akira also…Kaneda nahm beide Hände seines Liebsten und sah ihm entschlossen in die Augen, als er sprach:

„Er wird dir nichts mehr tun. Was auch immer passiert, ich bin jetzt bei dir. Mir ist egal was er kann oder ob alle vor ihm Angst haben. Wenn er mein…mein Weibchen bedroht oder verängstigt bekommt er es mit mir zu tun! Wir gehören zueinander. ICH gehöre zu dir! Deine Probleme sind auch automatisch meine Probleme! Und wir finden zusammen einen Weg! Das verspreche ich dir Tetsuo!“

Und ohne zu zögern umarmte er den jungen PsyKI auch gleich. Und er wurde sanft zurück umarmt und schmiegte sich an den starken Körper seines Liebsten. Er war glücklich. Natürlich war er das, denn er liebte diesen Mann über alles. Diese Worte aus seinem Mund zu hören machten ihm zu glücklichsten Menschen auf dem Planeten. Aber er würde nie zulassen das Kaneda sich mit Akira anlegt. Niemals. Akira…würde ihn töten…Es war nicht zu leugnen das Tetsuo große Angst vor Akira hatte. Aber wenn er Kaneda…

„Danke…Kaneda.“

Und es machte sich ein Gefühl in der Stille der Stadt breit. Als würde…ein Sturm aufziehen.



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