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Arrangierte Liebe

von

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Kapitel 1

Als ich aufwachte, wusste ich zuerst nicht, wo ich war. Die Sonne schien durch die hohen Fenster direkt auf das Bett. Ich setzte mich auf und sah mich um, dann kamen so langsam die Erinnerungen an den letzten Tag wieder. Mein Hochzeitstag. Ich schaute neben mich, doch die andere Seite des Bettes war leer. Unvermittelt stiegen mir Tränen in die Augen, ohne dass ich wusste warum. Mit einer wütenden Bewegung wischte ich sie mir von den Wangen, schlug die Bettdecke zurück und stand auf.

In Jeans und eine dunkle Bluse gekleidet ging ich die Wendeltreppe hinunter und betrat die Küche. Draco saß auf einem der Barhocker, vor ihm eine Tasse dampfender Kaffee und der Tagesprophet. Ich konnte mir ein leichtes Grinsen nicht verkneifen, ich arbeitete nämlich in der Redaktion des Tagespropheten. Ich war dafür zuständig, gute Stories ausfindig zu machen, unsere Reporter darauf anzusetzen und letztendlich zu entscheiden, welche Artikel auf welcher Seite erschienen. Daher brauchte ich auch ein Büro zu Hause, da ich viel unterwegs war und es nicht immer in die Redaktion schaffte. Ich liebte meinen Job, allerdings hatte ich keine Ahnung, ob Draco davon wusste.

„Guten Morgen“, sagte ich und ging an ihm vorbei, um mir einen Tee zu machen. Kaffee hatte mir noch nie geschmeckt, daher konnte ich auch nichts mit neumodischen Kaffeemaschinen anfangen. Mir zuliebe war die Küche mit den unterschiedlichsten Teesorten aus aller Welt ausgestattet worden, was mich in gewisser Weise sehr zufrieden machte. Als Draco nach einer Weile immer noch nichts gesagt hatte, drehte ich mich zu ihm um mit dem Gedanken, dass er mich wohl nicht gehört hatte. Aber da irrte ich mich. Er hatte mich gehört und starrte mich jetzt merkwürdig an.

„Wir müssen das nicht tun“, sagte er.

„Was tun?“, fragte ich zurück.

„Wir müssen uns keinen guten Morgen wünschen oder zusammen frühstücken oder abends gemeinsam vor dem Kamin sitzen, über unseren Tag reden und kuscheln. Das interessiert mich alles nicht.“ Seine Stimme war eiskalt und das machte mich rasend.

„Niemand hat etwas von Kuscheln erzählt, ich habe einfach aus Höflichkeit Guten Morgen gesagt“, gab ich patzig zurück.

„Was auch immer“, nuschelte er, trank seinen Kaffee aus, faltete die Zeitung zusammen und stand auf. „Ich gehe ins Ministerium… Wichtiges Meeting…“

Ach ja, Draco arbeitete jetzt im Zaubereiministerium, ging es mir durch den Kopf. Doch ich hatte keinen blassen Schimmer, was genau er dort tat. So wie es aussah, würde er mir das wohl auch nicht erklären, denn ohne ein weiteres Wort verließ er die Küche. Kurz darauf hörte ich die Wohnungstür auf- und wieder zugehen. Seine Kaffeetasse hatte er einfach auf der Theke stehen lassen.

Während ich langsam meinen Tee trank und meine Gedanken wandern ließ, hatte ich meinen Blick fest auf die Kaffeetasse geheftet. Wenn Draco dachte, dass ich ihm hinterherräumen würde, hatte er sich aber geschnitten. Ich war eine berufstätige, eigenständige Frau und nicht sein Hausmädchen.

„Idiot“, murmelte ich.

Wieder fragte ich mich, wie ich in dieser Situation hatte landen können. Ich dachte an meine Eltern, die auch nach über 30 Jahren Ehe noch so verliebt waren wie am ersten Tag. Ich dachte an meine Schwester, die ihr Singleleben genoss, ständig neue Männer kennenlernte und auf die ich in diesem Augenblick so neidisch war, dass ich merkte, wie ich rot anlief. Im nächsten Moment wurde mir allerdings klar, dass es überhaupt nichts brachte, in Selbstmitleid zu baden. Ich musste mit dieser Situation eben so gut wie möglich klar kommen.

Ich räumte meine Tasse weg und ließ die von Draco absichtlich stehen. Oben holte ich mir eine dünne Jacke, da das Wetter in London immer unberechenbar war. Wutentbrannt ging ich dann die Treppe wieder hinunter, säuberte schnaufend Dracos Tasse, schnappte mir meine Handtasche und verließ die Wohnung.

Ich war den ganzen Tag in London unterwegs. Zuerst ging es zum Covent Garden wegen einer eindeutig magischen Explosion, von dort aus zur National Gallery am Trafalgar Square, weil sich eines der Bilder selbstständig gemacht hatte und dann noch in eine Antiquitätenhandlung am Oxford Circus, in der ein Niffler sein Unwesen trieb. Ich hatte überall Reporter und Fotografen verteilt und war so lange vor Ort, bis ich das Gefühl hatte, dass die Stories gut werden würden. Wir mussten uns immer beeilen, dass wir vor den Mitarbeitern des Zaubereiministeriums vor Ort waren, bevor sie alles wieder in Ordnung brachten. Doch ich hatte sehr gute Informanten und war meistens tatsächlich schneller. In Ausnahmefällen schrieb ich auch selbst, doch dann musste die Story wirklich brisant sein.

Als ich abends todmüde nach Hause kam – es war immer noch komisch, die Wohnung „zu Hause“ zu nennen – wollte ich nur noch auf die Couch und die Füße hochlegen. Als ich gerade meine Tasche und meine Jacke abgelegt hatte und ins Wohnzimmer wankte, stellte sich mir ein großer Schatten in den Weg. Ich wollte schon meinen Zauberstab ziehen, doch dann erkannte ich Draco, der mich wütend anstarrte.

„Wo warst du?“, verlangte er zu wissen.

Ich schaute ihn an, als ob ich ihn zum ersten Mal sehen würde. Was sollte das? Was interessierte ihn, wo ich gewesen war? Und warum war er so sauer?

„Ich war arbeiten, genau wie du“, antwortete ich abwehrend.

„Arbeiten?“, fragte Draco ungläubig.

„Ja, arbeiten. Was dagegen?“

„Du bist eine Frau“, sagte er.

„Das hast du gut erkannt. Sonst noch etwas?“

„Warum gehst du arbeiten?“, fragte er.

So langsam platzte mir der Kragen. Wenn er schon sexistische Ansichten hatte, sollte er sie gefälligst für sich behalten. So wie er mich ansah, fühlte ich mich wie ein Alien, das auf dem Arbeitsmarkt nichts zu suchen hatte. Ich hasste es, dass er es schaffte, mein Selbstvertrauen und meine Gefühle so durcheinander zu bringen. Wenn ich wollte, dass das aufhörte, musste ich ihm eben Paroli bieten.

„Was glaubst du eigentlich, wer du bist?“, fuhr ich ihn an. „Ich habe genau so ein Recht wie du, arbeiten zu gehen. Denkst du etwa, ich bleibe den ganzen Tag zu Hause, putze und warte, bis du wieder kommst? Heute Morgen hast du deutlich genug gemacht, dass du an meinem Leben nicht interessiert bist, also halte dich gefälligst auch raus!“ Mit diesen Worten schob ich mich an ihm vorbei, ging die Treppe nach oben und verschwand mit knallenden Türen im Bad.

Schwer atmend stützte ich mich auf dem Waschbecken ab und betrachtete mich im Spiegel. Mein Gesicht war rot und auch am Hals waren rote Flecken zu sehen. Meine Gedanken wollten sich einfach nicht beruhigen, immer wieder kehrten sie zu Draco zurück. Mir war nicht klar, warum er mich so wütend machte. Eigentlich sollte er mir komplett egal sein, genauso egal, wie ich ihm zu sein schien. Ich durfte mich nicht mehr so von ihm provozieren lassen, sonst würde ich wahnsinnig werden. Als sich meine Atmung einigermaßen beruhigt hatte, zog ich mich aus und ließ mir ein heißes Bad ein. Wozu hatte man immerhin so eine Luxusbadewanne? Ich ließ mir absichtlich Zeit, nicht nur um wieder runterzukommen, sondern auch um Draco aus dem Weg zu gehen. Ich hatte keine Lust, ihm heute noch einmal ins Gesicht zu sehen.

Als das Wasser kalt wurde und ich zu frieren begann, stieg ich widerwillig aus der Wanne und trocknete mich ab. Vor lauter Wut und knallenden Türen hatte ich vergessen, mir Schlafsachen mit ins Bad zu nehmen. Vorsichtig öffnete ich die Tür zum Schlafzimmer und spähte hinaus. Erleichtert stellte ich fest, dass das Zimmer leer war. Splitterfasernackt verließ ich das Bad und ging in Richtung Kleiderschrank. In dem Moment, als ich einen Schritt ins Zimmer machte, ging die Tür am anderen Ende des Raumes auf und Draco kam herein. Hätte ich die Zeit gehabt, wäre ich zurück ins Bad geflüchtet, doch Draco kam so schnell in das Zimmer herein, dass ich auf der Stelle stehenblieb. Einen Augenblick lang sahen wir uns irritiert an. Mein Kopf war komplett leer und ich wusste nicht, was ich tun sollte. Doch dann entschied ich mich, dass beste daraus zu machen und mir nichts anmerken zu lassen. Ich stellte mich gerade hin und hob trotzig mein Kinn an, um Draco zu verstehen zu geben, dass ich mich für nichts schämte. Immerhin waren wir verheiratet, sollte er doch den ersten Schritt machen.

Und das tat er dann auch.

Sein Gesichtsausdruck wechselte von überrascht zu beherrscht. Sein Blick wanderte an meinem Körper hinab und ich bemerkte, dass seine grauen Augen dunkel wurden. Langsam kam er auf mich zu und blieb direkt vor mir stehen. Ich hatte mich immer noch nicht bewegt und versuchte ruhig zu bleiben, aber mein Herz klopfte wild. Dann hob Draco seinen Arm. Ich hatte schon die Befürchtung, dass er mich vielleicht schlagen würde, doch dann legte er seine Hand ganz zärtlich an meinen Hals. Seine Beherrschung war nur eine gut gespielte Fassade, denn als er so nah vor mir stand, merkte ich, dass sein Atem genauso schnell ging wie meiner. Langsam hob er mein Kinn an, sodass ich ihm in die Augen sehen musste. Sein Gesicht kam meinem immer näher und ich merkte, wie meine Knie weich wurden. Als ich dachte, dass er mich gleich küssen würde, schloss ich meine Augen. Doch dann spürte ich, wie er mich im letzten Moment losließ. Verwirrt öffnete ich meine Augen wieder und dann hörte ich nur, wie sich die Badezimmertür schloss. Immer noch nackt stand ich mutterseelenallein mitten in unserem Schlafzimmer.

Was war nur gerade passiert? Ich schüttelte mehrmals meinen Kopf, in der Hoffnung, einen klaren Gedanken fassen zu können. Das war nur leider gar nicht so einfach. Ohne darüber nachzudenken ging ich zum Kleiderschrank, zog mir etwas an, löschte das Licht und legte mich ins Bett. Als mein Herz und mein Gehirn anfingen, die Szene mit Draco zu verarbeiten, wurde mir das ganze Ausmaß an Peinlichkeit bewusst. Schwere, heiße Tränen liefen mir über die Wangen, ohne dass ich eine Chance hatte sie aufzuhalten. Ich hatte mich ihm einfach ohne Scham präsentiert und als er mir so nah war, hätte ich mich ihm einfach hingegeben, das war glasklar. Ich hatte mich plötzlich so sehr zu ihm hingezogen gefühlt, dass ich schon fast gewollt hatte, dass er mich küsste und dann unaussprechliche Dinge mit mir tat.

Als Draco schließlich aus dem Badezimmer kam, hatte ich mich unter der Decke zusammengerollt und lag mit dem Rücken zu ihm. Meine Tränen waren mittlerweile versiegt, doch ich fühlte mich immer noch schrecklich. Draco verlor kein Wort, sondern legte sich einfach auf seine Seite. Genau wie am Tag zuvor, fiel es mir schwer einzuschlafen, doch irgendwann driftete ich weg und sank in einen schwarzen Schlaf.

So vergingen die Tage und Wochen. Wir standen früh auf, ignorierten uns, gingen zur Arbeit, kamen nach Hause, ignorierten uns und gingen ins Bett. Wenn ich von zu Hause aus arbeitete, hatte ich die Wohnung wenigstens ein paar Stunden für mich. Dann räumte ich zwischendurch auf oder dekorierte die Zimmer mit Dingen, die ich in der Stadt kaufte. Draco schien das egal zu sein, zumindest sagte er dazu nichts. Er sagte allgemein nicht viel, nur das nötigste, um mich zu informieren, wann er zur Arbeit ging und wann er wiederkam. Mit der Zeit machte mich das spürbar trübsinnig, doch ich wusste nicht, was ich tun sollte, um die Situation zu ändern.

Eines schönen Nachmittages traf ich mich mit meiner Schwester Daphne zum Mittagessen, bevor ich wieder in die Redaktion musste. Sie spürte sofort, dass mit mir etwas nicht stimmte und löcherte mich so lange, bis ich ihr schließlich alles erzählte.

„Das klingt wirklich schrecklich“, sagte sie, als ich geendet hatte und nur mit Mühe die Tränen zurückhalten konnte. „Vielleicht solltest du mit Mum und Dad reden, ob die Ehe nicht wieder aufgelöst werden kann.“

Empört schaute ich auf. „Das kann ich nicht machen“, sagte ich. „Ich könnte die Enttäuschung nicht ertragen.“

„Stattdessen lebst du lieber vor dich hin und ich sehe zu, wie du daran zerbrichst?“, fragte sie ungläubig.

„Ich zerbreche schon nicht“, gab ich zurück. „Irgendwie komme ich klar.“

„Willst du denn nur klar kommen oder willst du, dass es besser wird?“

Ich überlegte. „Na ja“, sagte ich dann, „ich möchte, dass wir uns verstehen und wenigstens vernünftig miteinander umgehen.“

Daphne nickte. „Dann musst du dir etwas einfallen lassen. Rede mit ihm. Sag ihm, wie du dich fühlst. So kalt kann doch kein Mensch sein. Wahrscheinlich wünscht er sich auch einen ganz anderen Umgang mit dir.“

„Hoffentlich“, antwortete ich. „Aber du hast Recht, ich muss mir irgendetwas einfallen lassen.“ In meinem Kopf formte sich bereits ein Gedanke. Ob er funktionieren würde, würde sich zeigen.
 

Fortsetzung folgt



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