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Im Wechsel der Jahreszeiten

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Collage / Gipfelstürmer - Teil 3

Die Fahrt mit der Harzquerbahn gestaltete sich für Marti unfreiwillig zu einem eher unangenehmen Abenteuer.

In Unkenntnis der Sachlage hatten sie sich in Fahrtrichtung links hingesetzt, zu zwei anderen jungen Leuten, die jedoch sehr intensiv mit sich selber beschäftigt waren.

Die Bahn zockelte gemütlich durch Wernigerode; schnaufte pfeifend und dampfend über die Westerntorkreuzung an winkenden Menschen vorbei; schnaufte durch Gärten und vorbei an Hinterhöfen. Soweit war das echt schön, und sie waren beide begeistert. Aber dann tauchte die Bahn in den Wald ein, und es dauerte nicht lange, da wand sich sie Strecke am Berghang entlang, und die steilen Abhänge direkt neben den Bahngleisen, die für Martis Empfinden in schwindelerregende Tiefen führten, machten ihm mächtig zu schaffen. Höhenangst kann echt anstrengend sein.

Zitternd klammerte er sich an Jako, der beschützend den Arm um ihn legte. Marti schloss die Augen und kuschelte sein Gesicht an Jakos Brust.

Jako, der diese anschmiegsame und schutzsuchende Geste durchaus genoss, streichelte ihm liebevoll übers Haar.

Trotzdem schaute er sich suchend um, aber die Bahn war rappelvoll, keine Chance, sich auf die andere Seite zu setzen.
 

„Entschuldigen Sie...“

Eine alte Dame, die mit ihrem Mann und zwei Jungen den Vierersitz auf der anderen Seite des Ganges belegte, sprach ihn an.

„Junger Mann, Ihrem Freund scheint es ja dort drüben nicht so gut zu gehen... wenn sie möchten, tauschen unsere Enkelsöhne mit Ihnen beiden die Plätze.“

Jako schaute Marti fragend an. Der nickte erleichtert.

Also setzten sie sich rüber zu den beiden alten Leuten, und die Jungs, beide ca. 10 Jahre alt, setzten sich auf die Seite am Abhang. Die beiden stritten erst mal um den Fensterplatz, ein kurzer Ordnungsruf vom Opa brachte sie dann dazu, sich zu einigen und abzuwechseln.
 

„Danke“, sagte Marti und reichte beiden die Hände. „Ich bin Marti Fischer, und das ist mein Mann, Jakob.“

Die beiden alten Herrschaften schauten einen Augenblick erstaunt, schienen jedoch weiter kein Problem damit zu haben.

Man reichte sich die Hände und die beiden anderen stellten sich ebenfalls vor.

„Walter Wittek, meine Frau Anita.“

„Wir fahren die Strecke öfter“, sagte Frau Wittek, „und die Jungs waren vorhin schon enttäuscht, dass auf der Abhangseite kein Platz mehr frei war. Sie lieben das.“

Marti schnaufte.

„Oh Mann, das ist mir fast peinlich mit dieser Höhenangst.“

Die andern drei lächelten belustigt.

„Macht doch nix“, sagte Jako, „wir haben alle unsere Schwächen.“

Er küsste Marti sanft auf die Nase.

Dann wandte er sich an die Witteks.

“Wissen Sie, ansonsten ist Marti eindeutig der Mutigere von uns beiden.“

Er sagte das mit einer solchen Selbstverständlichkeit, dass Marti ganz warm ums Herz wurde.
 

Sie unterhielten sich sehr angeregt mit den Witteks, die aus Hamburg kamen und hier ihre in Wernigerode ansässigen Kinder besuchten und heute mit den Enkeln einen Ausflug nach Drei Annen Hohne machten.

Sie interessierten sich für die jungen Männer, und Marti und Jako erzählten auch von ihrer Arbeit, Jakos Studium...

Durch die nette Unterhaltung konnte am Ende auch Marti die Bahnfahrt genießen.

In Drei Annen Hohne stiegen etliche Leute aus, andere stiegen zu. Ihren Wagon eroberte eine Großfamilie. Die beiden Plätze gegenüber wurden von einem Ehepaar belegt.

Einige Zeit später kam ein ca. vierzehnjähriges Mädchen, offensichtlich die Tochter, zu den beiden.

„Mama, in welcher Tasche sind denn die Kekse...“

In dem Augenblick fiel der Blick des Mädchens auf Jako.

Ihre Augen wurden riesengroß.

„A..aber...“, stotterte das Mädchen. Dann fasste sie sich halbwegs.

„Entschuldigung, aber... bist du nicht der Jako? Von Fewjar?“

Jako nickte grinsend.

Hinter ihr tauchte ein zweites Mädchen, etwas älter, mit ebenso großen Augen, auf.

„Ich bin Melanie, und das ist meine Schwester Sandra. Wir mögen eure Musik total gerne.“

Nun schaute sie zu Jakos Begleiter.

„Oh Mann, und Marti Fischer ist auch da...ich bin ganz hin und weg...“

Marti musste lachen.

„Schön, dass wir euch so begeistern.“

Die Mutter der Mädchen hatte der ganzen Szene kopfschüttelnd zugeschaut.

„Nun lass mal, Mellie, die jungen Männer wollen hier sicher in Ruhe ihren Urlaub genießen...“

„Schon in Ordnung“, sagte Jako, „wir freuen uns immer, wenn wir auf Fans treffen.“

„Mama“, sagte Sandra mit flehendem Blick, „können wir tauschen?“

Die Mutter schaute Jako und Marti fragend an.

„Ja klar“, sagte Marti, der sich wieder Unterhaltung und damit Ablenkung von eventuellen Abhängen erhoffte.

„Also gut“, sagte die Mutter, „aber wenn meine beiden verrückten Teenagertöchter Ihnen auf die Nerven gehen, sagen Sie Bescheid!“

„Mama!“

Grinsend setzten die Eltern sich ein Sitzabteil weiter und die beiden jungen Damen stürzten sich begierig auf die Sitzplätze gegenüber ihrer YouTube-Stars.
 

„Mütter können anstrengend sein, was?“, fragte Marti grinsend.

„Kenn ich nur zu gut, meine ist das auch. Aber trotzdem total lieb.“

„Ach Mann“, stöhnte Melanie, „aber ihr seid immerhin erwachsen und könnt trotzdem tun und lassen, was ihr wollt!“

Jako lachte.

„Das lass bbloß nicht unsere Mütter hören, wenn drauf an kommt, ziehen die uns heute noch die Ohren lang! Na ja, und so lange sind wir ja nun auch noch nicht vom Teenageralter weg“, sagte er.

Dann zeigte er auf Marti.

„Und der hier benimmt sich gerne mal alles andere als reif und erwachsen.“

„Hey", knurrte Marti, „Der werte Herr Jako ist manchmal auch albern wie ein dreijähriger!“

Jetzt mussten sie alle vier lachen.

„Sagt mal“, fragte Sandra, „ihr seid also wirklich verheiratet? Weil, na ja, in meiner Klasse hat wer behauptet, das wäre doch alles nur ein Marketing-Gag...“

„Quatsch“, sagte Marti. „Ich weiß zwar nicht, wie ich den da tagtäglich aushalte, aber wir sind tatsächlich verheiratet.“

„Nana“, knurrte Jako und gab ihm eine liebevolle Kopfnuss.

Marti grinste.
 

„So“, sagte Jako und schaute Sandra dabei an, die unschlüssig ein Smartphone in den Händen drehte, „was haltet ihr davon, wenn wir als erstes mal das machen, was du ganz offensichtlich gerne möchtest, dich aber nicht zu fragen traust? Selfies und Autogramme, richtig?“

Sandra wurde knallrot vor Verlegenheit, strahlte sie aber begeistert an, und auch die Schwester nickte erwartungsvoll.

Also wurden ein paar Bilder gemacht, und von irgendwoher ein Kuli beschafft und auf einem Prospekt der Harzquerbahn unterschrieben.

Die beiden freuten sich wie bolle, und anschließend unterhielten sie sich, alberten rum, und hatte alle vier viel Spaß miteinander, bis die Bahn endlich in Schierke ankam.
 

Der Höhenunterschied machte sich bemerkbar, es war ein paar Grad kühler, aber immer noch strahlend sonnig.

Sie verabschiedeten sich von Melanie und Sandra.
 

„Und nun komm, du Gipfelstürmer“, sagte Jako und sie machten sich Hand in Hand auf den Weg, den Brocken zu erklimmen.



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