Zum Inhalt der Seite

Shards of Red

Endeavor x Hawks
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Cherry Red

Blitzende Lichter in der Dunkelheit, die eigentlich gar nichts bringen, weil man die Leute trotzdem nur schwer erkennen kann. Der Bass, der aus den Boxen dröhnt, während die Musik unablässig läuft, wird später einen unangenehmen Tinnitus in seinen Ohren verursachen. Schon jetzt hat er das Gefühl, taub zu werden, und er kann nicht verstehen, wieso sich die tanzenden, jungen Leute dies freiwillig antun. Er selbst will gar nicht hier sein, an diesem Ort, an dem er sich so deplatziert wie nur möglich fühlt – zumal er gar nicht wissen will, was passiert, wenn die Medien spitz kriegen, dass er hier ist. Ein verheirateter Familienvater, der noch dazu die aktuelle Nummer eins des Landes ist…und sich in einem zwielichtigen Nachtclub voller hormongesteuerter Menschen, die seine Kinder sein könnten, aufhält.

Und dann ist da noch der Grund für seine Anwesenheit, der über die Tanzfläche wirbelt, als würde ihm diese gehören. Er bewegt sich dabei so selbstbewusst und vor allem lasziv, dass Enji ihn am Kragen packen und aus dem Club schleifen will. Wie kann ein Mann so einen Hüftschwung haben?! Und es schaffen, dabei niemanden mit den riesigen, roten Schwingen umzuwerfen?

Natürlich wird Hawks erkannt…die Leute werden von ihm angezogen, wie die Motte vom Licht. Nicht nur eine der knapp bekleideten Damen versucht, mit ihm zu tanzen – manch eine schafft es sogar, bekommt kurz ein wenig Aufmerksamkeit, bis sich der Blondschopf mit einem Lächeln abwendet. Zu Enjis Missfallen sind es jedoch nicht bloß Frauen, die sich dem Winged Hero nähern. Er muss sich jedes Mal beherrschen, wenn irgend so ein betrunkener Idiot versucht, Hawks anzutanzen…oder anzufassen. Mit finsterem Blick packt er sein Glas, gefüllt mit irgendeinem Whiskey, fester und nimmt einen Schluck, wobei er den anderen nicht aus den Augen lässt.

Enji fragt sich, ob Hawks es genießt, von solchen überschminkten Weibern und halbstarken Typen belästigt zu werden. Zumindest scheint er nicht einmal genervt oder verärgert zu sein, sondern grinst sein unbekümmertes Grinsen und ist selbst, wenn er sich abwendet, nie unhöflich. Enji ist von deutlich weniger genervt, denn er hat nach wie vor eine kurze Geduldsspanne. Es zeigt ihm einmal mehr, wie unterschiedlich Hawks und er sind.

Missgelaunt stellt Enji für sich fest, dass er immer noch nicht weiß, warum ihn die Nummer zwei hier treffen wollte. “Entspann dich erstmal, ich bestell dir’ n Drink!“, hat Hawks gesagt und es auch getan. Sie haben nicht viel gesprochen, da angeblich Hawks‘ Song gespielt wurde und dieser zur Tanzfläche gewuselt war. Nun, das ist jetzt schon der fünfte Song. Enji ist gereizt…und kurz davor, einfach zu verschwinden. Da sich Hawks ja offensichtlich in bester Gesellschaft befindet, wird er ihn sicher nicht vermissen.
 

Als hätte der Jüngere seine Gedanken gehört, fährt er plötzlich herum und lehnt in Sekundenschnelle neben ihm am Tresen, atmet pfeifend durch.

„Hach…das hat gutgetan!“, verkündet er breit grinsend und fährt sich durchs Haar, um die blonden Strähnen zurückzukämmen. „Hoffe, ich hab dich nicht zu lange warten lassen, Großer?“

Enji wirft ihm einen schlecht gelaunten Blick zu, der genug aussagen sollte, ehe er die muskulösen Arme vor der Brust verschränkt.

„Oh oh…ich hab dich zu lang warten lassen, richtig? Tut mir Leid, ehrlich! Ist wohl mit mir durchgegangen…ich liebe es zu tanzen! Tanzt du eigentlich?“

Es klingt nicht danach, als würde es ihm leidtun, eher nach einer halbherzigen Entschuldigung, doch Enji legt ohnehin keinen Wert darauf. Ebenso wie er die Frage ignoriert, denn nein, er tanzt nicht. Hat er nie.

„Anstatt mich mit Unsinn voll zu schwatzen, sag mir lieber, wozu ich hier bin“, raunzt er den anderen an, dessen Grinsen nicht wankt.

„Direkt zur Sache kommen, was? Dabei wollte ich dir gerade sagen, wie gut du heute aussiehst…schickes Hemd~“

Enji weiß nicht, wie er mit der Schmeichelei umgehen soll. Eigentlich sollte er solche Sprüche von Hawks gewöhnt sein und nichts darauf geben. Sicherlich macht sich der Winged Hero einen Spaß daraus, ihn damit zu verwirren…und er will ihm nicht in die Hände spielen.

Da Hawks ihm gesagt hat, dass er in zivil kommen soll, trägt er eine dunkelgraue Anzughose und ein weißes Hemd. Trotzdem er keine Krawatte umgebunden hat, fühlt er sich overdressed. Die meisten Männer, sofern man sie als solche bezeichnen kann, tragen Shirts und Hosen, die ihnen halb in den Kniekehlen hängen.

„Hawks…“, knurrt er mit warnendem Unterton, was den Jüngeren schwer seufzen lässt.

Im Gegensatz zu dem, was die meisten Typen hier tragen, scheint Hawks ausgewaschene Jeans fast schon zu eng und sein schwarzes Muskelshirt zu locker zu sitzen; Enji trägt so etwas ausschließlich, wenn er trainiert. Kurz bleibt sein Blick an der silbernen Kette, sowie den zahlreichen Armbändern und Ringen hängen, ehe er sich daran erinnert, dass es sich nicht gehört, jemanden so anzustarren. Selbst, wenn dieser jemand ein unverschämter Vogel ist.

„Hier kann ich nicht darüber reden“, meint Hawks ernster. „Mein Vorschlag…lass uns den Abend noch etwas genießen und ich erzähle es dir später?“

Das ist nicht sein Ernst. Warum treffen sie sich dann überhaupt hier? Abermals ist Enji kurz davor, einfach rauszustürmen – und am besten zündet er Hawks‘ Federn vorher an. Dieser lächelt unter seinem zornigen Ausdruck, scheint sich kein Stück davon beeindrucken zu lassen. Das ist typisch für den Vogel.
 

„Wir gehen. Jetzt!“, grollt er über den Bass hinweg.

„Nun gib dem Club doch ne Chance? Du bist ja nicht mal eine halbe Stunde hier!“, widerspricht Hawks und Enji kann nicht glauben, dass er die Nerven besitzt, mit ihm zu diskutieren.

„Nein!“, ist seine eindeutige Antwort, doch Hawks hört ihm gar nicht zu.

Stattdessen dreht er sich zum Barkeeper um und ordert für sie beide etwas zu trinken…und ja, Enjis Glas ist mittlerweile leer, doch er will keinen neuen Drink. Er will gefälligst wissen, was hier Sache ist und nicht hingehalten werden.

„Hawks-“

„Kampai!“, fällt ihm Hawks dreist ins Wort und drückt ihm einfach einen Drink in die Hand.

Schon wieder Whiskey. Enji erinnert sich noch viel zu gut an seinen letzten Hangover und er möchte ungern ein zweites Mal halbnackt in Hawks Bett wach werden. Aus diesem Grund knallt er sein Glas auf den Tisch, die türkisfarbenen Augen zu schmalen Schlitzen verengt – und die Luft beginnt zu flirren. Hawks scheint es zu bemerken, denn er stutzt merklich, blinzelte ihn an.

„Oh…du bist echt sauer?“

„Natürlich bin ich sauer!“, pflaumt er ihn an.

Hawks legt den Kopf schief, was ihn noch mehr an einen Vogel erinnern lässt, die buschigen Brauen wandern ein Stück höher. Kann er wirklich nicht nachvollziehen, dass sich Enji unwohl fühlt? Unwohl und verarscht.

„Ich dachte, es handelt sich um einen Notfall…was Berufliches“, knurrt er ihn an. „Ich bin nicht hergekommen, um dir dabei zuzusehen, wie du…wie du…“

Klasse. Nun hat er nicht mal Worte für das, was Hawks hier treibt.

„…wie ich mich amüsiere?“, hilft dieser nach und Enji will ihm ins Gesicht boxen.

„Wenn das für dich amüsieren ist…“, meint er nur und weicht den bernsteinfarbenen Augen aus.

Je nach Lichteinfall wirken sie heller oder dunkler. Manchmal ein leuchtendes Bernstein, dann eher ein warmes Braun…und Enji weiß nicht, warum ihm das überhaupt bewusst ist. Er hatte einen harten Tag, er ist müde und will nach Hause. Wobei…eigentlich will er nicht mal das. Ohne Hawks‘ Nachricht würde er immer noch in seiner Agentur sitzen und den Papierkram erledigen – und vielleicht irgendwann über den Unterlagen einschlafen. Nicht besonders komfortabel, aber manchmal ist ihm das lieber, als zuhause zu sein. Vor allem wenn Natsuo da ist.

„Wie amüsierst du dich denn, hm?“

Er blickt auf, als ihn Hawks aus seinen düsteren Gedanken reißt und…er weiß nicht, was er antworten soll. Amüsieren? Wenn er ehrlich ist, weiß er nicht, wann er sich das letzte Mal Zeit für so etwas genommen hat. Der Jüngere braucht scheinbar keine Antwort, denn er drückt ihm wieder den Drink in die Hand, wobei die Finger seine Haut streifen. Hawks‘ Hände sind viel kleiner als seine Pranken und sie fühlen sich ganz weich an. Sicher, schließlich kämpft Hawks hauptsächlich mit seinen Federn.

„Dachte ich mir“, hört er ihn sagen. „Vielleicht glaubst du’s mir nicht, aber mir geht’s oft genauso. Ich sag ja…in einer perfekten Welt hätten wir so viel Freizeit, dass wir gar nicht mehr wohin damit wüssten…“

Er stößt mit ihm an und nimmt einen Schluck von seinem eigenen, kirschroten Drink, den Enji nicht zuordnen kann.

„Du lenkst ab“, stellt er trocken fest, nippt aber an seinem Whiskey. „Es gibt keinen Notfall, oder?“

Hawks zwinkert ihm zu, leckt sich die feuchten Lippen und zuckt dann mit den Schultern.

„Ist es kein Notfall, wenn sich zwei Pro Heroes mal dringend eine kleine Auszeit gönnen müssen~?“

„Ich brauche keine Auszeit…und schon gar nicht in so einer Absteige!“

„So? Kein Problem…sag mir, wo du lieber wärst und ich folge dir~“, flötet der Winged Hero unbekümmert.

„Vielleicht wäre ich lieber allein“, gibt Enji angefressen zurück und nimmt noch einen Schluck Whiskey zu sich. „…wie’s aussieht, bist du hier in bester Gesellschaft, also brauchst du mich ja wohl nicht.“

Er bereut bereits, es gesagt zu haben, bevor Hawks sich dazu äußert. Der überraschte Blick macht ihm direkt deutlich, dass es genauso klingt, wie Enji befürchtet: eifersüchtig. Und das ist so unpassend und falsch, wie die ständigen, zweideutigen Sprüche, mit denen Hawks ihn aufzieht.

„Weißt du, Number One, ich-“

„Danke für den Drink“, unterbricht er ihn, bevor es noch unangenehmer werden kann. „Melde dich nicht mehr grundlos. Irgendwann nimmt man dich nicht mehr ernst.“

Und mit diesen Worten stellt er sein halbleeres Glas auf den Tresen und lässt Hawks einfach stehen. Eigentlich hat er fest damit gerechnet, dass ihn der Winged Hero aufzuhalten versucht. Notfalls mit seinen Federn, doch als er am Ausgang einen flüchtigen Blick zu diesem wirft, steht dieser immer noch dort. Enji kann seinen Ausdruck nicht deuten und er macht sich auch nicht die Mühe, dem mehr Bedeutung beizumessen.
 

Als er endlich draußen ist, schlägt ihm die kühle Nachtluft entgegen und er genießt sie für einen Moment. Kalt ist ihm sowieso nie, schließlich brennt ein Feuer in ihm, das alles zu verschlingen vermag, wenn er sich nicht kontrolliert. Tief atmet er durch, hört das leise Piepen in seinen Ohren, was der lauten Musik zuzuschreiben ist. Er weiß schon, warum er solche Clubs in der Regel meidet.

Seinen Wagen hat er ein paar Meter weiter in einer Seitenstraße geparkt – und seinem Chauffeur freigegeben. Er fährt selten, was aber hauptsächlich daran liegt, dass er meist seinen Quirk als Fortbewegungsmittel nutzt. Hawks ist einer der wenigen, die ihn in Punkto Schnelligkeit schlagen können.

„Und ich dachte, jemand wie du würde einen richtig krassen Schlitten fahren.“

Enji sollte es eigentlich nicht wundern, dennoch gefriert er an Ort und Stelle, die Finger bereits nach der Autotür ausgestreckt. Es sollte ihm wohl zu denken geben, dass er Hawks nicht sofort bemerkt hat, doch da steht er. An die Wand gelehnt, die Arme verschränkt und den Kleinwagen neugierig musternd.

„Eine Limo oder so einen überteuerten Ferrari…mit so coolen Flammen-Tattoos drauf! Das Endeavor-Mobil!“

Nein. Aus gegebenen Gründen wäre das Geldverschwendung und ja, er ist reich und kann sich leisten, was er will, doch wozu sich etwas anschaffen, das er im Endeffekt kaum benutzt? Endeavor-Mobil, huh?

„Du schaust wohl zu viel Fernsehen, Junge…“, brummt er. „Der Wagen reicht. Ich habe kaum Freizeit, wie du weißt…und ich bin schneller als ein Ferrari.“

Wenn es Hawks vorhin irgendetwas ausgemacht hat, dass er ihn stehen gelassen hat, so versteckt er es gut, denn er grinst breit, als er sich von der Wand abstößt.

„Aber nicht schneller als ich~“

Enji verengt die türkisfarbenen Augen, nicht wissend, was das jetzt wieder soll. Er mustert den Jüngeren und fragt sich, ob dieser in seinem dünnen Shirt nicht friert – das Ding hat nicht mal Ärmel. Wobei ihn seine Federn sicherlich wärmen könnten…

„Ist das eine Herausforderung?“, fragt er, obwohl es besser wäre, einfach zu fahren.

Hawks‘ Bernsteine leuchten bei seinen Worten auf, lässt Enji direkt bereuen. Er trägt seinen feuerfesten Anzug zwar drunter und den Rest seines Kostüms hat er im Kofferraum verstaut, doch warum sollte er sich ein kindisches Wettrennen mit der Nummer zwei liefern?

„Jetzt schon“, bestätigt Hawks seine Befürchtung fest und spreizt die Flügel. „Also los, Number One…wer zuerst bei deiner Agentur ist…und der Gewinner darf sich was wünschen~“

Er fragt besser nicht nach, woher Hawks so genau weiß, wie man zu seiner Agentur kommt. Das Grinsen in dessen jugendlichem Gesicht lässt Enji Böses ahnen, doch wenn er jetzt kneift oder es als kindisch abtut, wird ihn der andere dies nie vergessen lassen. Folglich hat er keine andere Wahl, als seinen Kofferraum aufzuklappen.

„Zieh das über.“

Er wirft Hawks sein Hemd ins Gesicht, woraufhin dieser erst verdutzt dreinsieht…und dann auflacht.

„Du bist so ein Gentleman, Endeavor-san~!“

„Schnauze!“

Da ist sie wieder, die Hitze, die alles zu verschlingen droht. Enji bereut das hier schon jetzt…
 

Es ist ein Kopf-an-Kopf-Rennen, doch damit hat Enji von vornherein gerechnet. Seine Flammen können Hawks Geschwindigkeit bloß für einen kurzen Zeitraum übertreffen, während dieser sein Tempo konstant hält. Der Weg zu seiner Agentur ist kein Katzensprung, weswegen klar ist, dass der Jüngere im Vorteil ist. Enji muss seine Kräfte einteilen, darf auf dem Weg nicht stetig beschleunigen, sondern muss den Abstand immer wieder genügend verringern, um am Ende an ihm vorbeiziehen zu können. Es ist ein knapper Sieg für Hawks, als dieser nur wenige Sekunden vor ihm das Gebäude erreicht und es mit der Hand abklatscht.

„Gewonnen~!“, tschilpt er freudig und überhaupt nicht außer Atem.

Enji schnaubt nur, ehe seine Flammen erlöschen und er wieder Boden unter den Füßen spürt. Die letzten Meter hat er sich noch mal mit all seiner Kraft nach vorn katapultiert und sie wissen beide, dass nicht viel gefehlt hat, damit er dieses alberne Wettrennen…oder eher Wettfliegen gewinnt.

„Glückwunsch…“, brummt er trocken und beobachtet, wie Hawks vor ihm landet.

„Aww~ nun sei doch nicht so angefressen!“

„Tse…ich bin nicht angefressen. Es war ein knapper Sieg, von daher…“

„So knapp nun auch nicht~“, flötet der Vogel und zwinkert ihm zu. „So…gehen wir rein? Wo wir schon mal da sind? Ich war noch nie in der berühmten Endeavor-Agentur!“

„…es ist mitten in der Nacht.“

„Und? Hätte ich dir nicht geschrieben, würdest du doch immer noch hier hocken und arbeiten, oder?“

„…“

„Ha! Ich wusste es! Also los, lass uns reingehen! Komm schon, Großer~!“

Es missfällt Enji wirklich, vor allem da der verdammte Vogel auch noch Recht hat. Mit Sicherheit würde er noch in seinem Büro sitzen, wenn dieser ihn nicht unter einem falschen Vorwand weggelockt hätte. Er könnte trotzdem einfach nein sagen und Hawks stehen lassen. Es ist spät. Fuyumi wird bereits schlafen, Shouto ist in der UA, Natsuo…kommt selten heim. Zuhause erwartet ihn nichts…und niemand. Nur sein Bett und ein unruhiger Schlaf inklusive der Schuldgefühle, die ihn täglich plagen.

Enji kehrt Hawks den Rücken, bedeutet ihm mit einer Handbewegung, ihm zu folgen.

„Oh? Echt? Ich darf? Woohoo, ein Kindheitstraum wird wahr!“

Und schon bereut Enji erneut…
 

Tatsächlich treffen sie nur auf zwei seiner Sidekicks, die jedoch andeuten, auch bald Feierabend machen zu wollen. Überrascht, ihn hier zu sehen, sind sie nicht…nur Hawks scheint sie zu irritieren, aber das kann Enji verstehen. Vor allem, da der Winged Hero eigentlich in Kyushu ansässig ist und nicht in Musutafu.

Nun, da Hawks ihm seine Hilfe bezüglich des immer noch vermissten Best Jeanist zugesichert hat, treibt er sich öfter hier herum. Noch haben sie keine neuen Erkenntnisse, was Enji gewissermaßen wurmt. Er hat gehofft, dass Informationen der Grund für Hawks‘ Nachricht sein könnten.

„Woah! Nicht schlecht, Number One! Das ist ja ein riesiges Büro…und so stilvoll eingerichtet~! Bisschen kahl vielleicht, aber an sich gefällt’s mir!“, reißt ihn Hawks‘ Gezwitscher aus den Gedanken.

Enji hebt eine Braue, als sich der Jüngere mit Schwung auf die Couch an der Wand fallen lässt und sich weiter umsieht. Sein Büro ist tatsächlich kahl, da hat er Recht; Enji erträgt persönliche Gegenstände wie die Familienfotos nicht mehr.

Für einen Moment beobachtet er den anderen still, hört dessen Geplapper kaum zu. Wie er dort sitzt, völlig ungeniert, die Flügel ausgestreckt und in seinem Hemd, das ihm viel zu groß ist. Hawks wird es wegschmeißen müssen, da er aufgrund der Flügel zwei Löcher hineingerissen hat. Sei es drum, Enji hat genügend Hemden, auf eines kommt es also nicht an.

Er weiß immer noch nicht, warum er sich darauf eingelassen hat, sowohl auf das Wettfliegen, als auch das Betreten seiner Agentur. Hat er Hawks nicht loswerden wollen, nachdem dieser ihn so an der Nase herumgeführt hat? Plötzlich stellt sich Enji jedoch die Frage, warum Hawks dies getan hat. Vorhin war er so wütend, dass er überhaupt nicht genauer darüber nachgedacht hat. Unweigerlich erinnert er sich daran, wie sie beide in Hawks‘ Wohnung auf dessen Couch ferngeschaut hatten. Der Gedanke, dass Hawks vielleicht trotz seiner Beliebtheit manchmal ähnlich einsam wie er selbst ist, keimt erneut in ihm auf. Obwohl sie unterschiedlicher nicht sein könnten, haben sie dies möglicherweise gemeinsam.

„…vielleicht hier und da noch ein hübsches Bild an der Wand…oh oder du platzierst Regale mit coolen Figuren! Vielleicht nicht unbedingt All Might Figuren, haha…“

Enji blinzelt, vernimmt gerade noch die Erwähnung seines einstigen Rivalen…und kann sich zusammenreimen, dass Hawks immer noch über die Einrichtung plaudert. Als ob ihn das interessiert…

„Aber besser auch keine Figuren von dir, das wäre irgendwie ziemlich gruselig, also ich meine-“

„Hawks“, unterbricht er ihn genervt und das Plappermaul sieht auf. „…willst du was trinken?“

Enji sieht ihm an, dass er mit einem Rausschmiss gerechnet hat, denn er blickt ihm verdutzt entgegen.

„Eh…klar…“

Die Antwort ist ja beinahe besorgniserregend kurzangebunden, was den Flame Hero schmunzeln lässt, als er sich umdreht und zum Schrank geht, um den Whiskey hervorzuholen. Er weiß nicht, ob Hawks Whiskey überhaupt mag, aber es ist nichts anderes da, erst recht kein süßes, kirschrotes Zeug, also muss er da durch. Wie lange die Flasche wohl schon ungeöffnet dort steht? Er hat selten Besuch, der nicht mit Arbeit verbunden ist.
 

„Dachte, du willst nicht trinken?“, fragt Hawks, während er die Gläser auf dem Schreibtisch füllt.

„Hab ich nicht gesagt.“

„Du hast den Drink stehen lassen.“

„Ja, weil ich mich nicht in so einem heruntergekommenen Club betrinke“, erwidert Enji schroff, woraufhin Hawks grinst.

„Ich fand’s nett.“

„Das hat man gesehen“, brummt er und drückt Hawks eines der Gläser in die Hand, prostet ihm zu.

Gleichzeitig wünscht er sich, er hätte es nicht gesagt. Schon wieder so ein Spruch, den der Jüngere falsch auslegen kann, um ihn aufzuziehen. Zu seiner Überraschung tut er es nicht, sondern mustert ihn regelrecht nachdenklich, bevor er an seinem Whiskey nippt. Trotzdem er keine Miene verzieht, ist Enji sicher, dass es ihm nicht schmeckt.

„Das hat dich echt gewurmt, oder?“, murmelt Hawks und Enji nimmt einen großen Schluck, schon allein um seine Antwort heraus zu zögern.

„Quatsch!“, knurrt er dann zurück. „Du kannst machen, was du willst…nur muss ich da nicht zuschauen. Das ist widerlich.“

Hawks schwenkt das Glas leicht, betrachtet die gelbe Flüssigkeit darin, wobei er immer noch ungewohnt ruhig wirkt. Kein dummer Spruch? Kein dreckiges Grinsen? Enji wappnet sich, indem er noch einen Schluck nimmt.

„Was genau ist daran denn so widerlich für dich, hm?“, fragt Hawks mit einem Lächeln, das der Ältere als unheimlich empfindet.

„…das weißt du genau.“

„Eigentlich nicht“, widerspricht Hawks ihm. „Ich meine…ich habe ein bisschen getanzt, ein bisschen geflirtet…wüsste nicht, was daran widerlich ist, aber du darfst es mir gern erklären.“

Warum unterhalten sie sich darüber? Ist das etwa seine Schuld? Enji hadert mit seinen Worten, wissend, dass er eigentlich nur das Falsche sagen kann. Schweigen ist jedoch nicht besser.

„Das…du weißt, was ich meine“, grollt er defensiv, doch Hawks‘ Lächeln wankt nicht.

„Tut mir leid. Du musst schon konkreter werden“, meint er und zuckt die Schultern, stellt dabei das Glas ab.

„Nein. Vergiss es einfach…“

Natürlich vergisst Hawks es nicht. Stattdessen steht er langsam auf und verringert den Abstand zwischen ihnen. Sein Blick ist dabei scharf wie der eines Raubvogels, irgendwie lauernd…und es jagt Enji unangenehme Schauer über den Rücken.

„Was ist es, das dich so gestört hat? Dass ich so gut bei den Leuten ankomme? Hey, ich bin nun mal attraktiv und ziemlich kommunikativ~! Das mögen die Menschen!“

Hawks lacht zwar, doch der seltsame Blick bleibt bestehen. Er steht ein bisschen zu nah vor ihm und Enji weiß nicht, was er davon halten soll. Attraktiv, ja? Das ist er zweifellos. Kommunikativ? Manchmal sogar viel zu sehr.

„Es ist mir egal, was du-“

„Dann sag es!“, fährt Hawks ihm dreist über den Mund. „Sag, was dir egal ist. Komm schon, ich will es hören.“

Enjis Mund ist plötzlich staubtrocken und er weiß nicht, ob der Alkohol daran schuld ist, dass ihm wärmer wird…oder dass sein Herz in seinem Brustkorb rast. Hoffentlich ist dem so. Es gibt keine andere Erklärung.
 

„Es…ist mir egal, mit wem du flirtest. Mit wem du tanzt…wenn dich einer dabei anfasst – und ich hab gesehen, wo sie hin gefasst haben! Sogar diese…Typen. Ich versteh zwar nicht, warum du dich so billig anbietest, aber…es geht mich nichts an. Ich…denke bloß, du solltest aufpassen…keine falschen Signale zu senden…nicht jeder meint es gut mit dir.“

Hawks unterbricht sein Stammeln nicht, sondern fixiert ihn aus seinen Bernsteinen. Mittlerweile lächelt er nicht mehr und das beunruhigt Enji gerade. Es wäre ihm lieber, dieser würde wieder einen seiner dummen Witze reißen und ihn aufziehen, doch der Ernst der Situation lässt ihn sich unbehaglich fühlen.

„…wow!“, kommt es schließlich von Hawks. „Du hast mich eben gleichzeitig beleidigt und zugegeben, dass du dir Sorgen um mich machst.“

Hat er das? Offensichtlich schon.

„Aber um dir diese Sorgen zu nehmen, Endeavor-san…ich bin ein großer Junge und ich kann auf mich aufpassen. Wenn ich mich also so billig anbiete, dann ist das pure Absicht. Ich provoziere bewusst…meistens für eine schnelle Nummer…und heute, um etwas herauszufinden.“

Enji weiß nicht, wie er darauf reagieren soll, geschweige denn, dass er dem anderen folgen kann. Das Glas in seiner Hand empfindet er mittlerweile als störend, doch er fühlt sich wie paralysiert. Irgendetwas an dieser Unterhaltung geht in die völlig falsche Richtung.

„…und?“, brummt er tonlos. „Was hast du herausgefunden?“

Hawks‘ Lächeln ist nach wie vor gefährlich, als er noch näher kommt – und Enji fällt auf, wie viel kleiner er ist. Er reicht ihm gerade mal bis zur Brust, wirkt durch die roten Schwingen bloß optisch größer. Mit 22 Jahren wird er nicht mehr viel wachsen, aber vielleicht muss das so sein, damit ihn die Flügel tragen können?

Warum er sich über solch einen Stuss Gedanken macht, weiß er nicht. Es lenkt ihn von Hawks‘ Nähe und seinem intensiven Blick ab, welcher sich in seinen bohrt. Obwohl er erwachsen ist, wirkt er jünger…da hilft auch der seltsam gestutzte Kinnbart nicht.

„Das, was ich herausfinden wollte~“, summt der Winged Hero und bleckte grinsend die Zähne.

„…“

Enji kann sich nicht bewegen, als sich der andere auf die Zehenspitzen stellt. Er ist immer noch zu klein, um mit ihm auf Augenhöhe zu sein, doch zu nah ist es trotzdem. Viel zu nah. Er vernimmt Hawks‘ Parfüm, den Hauch von Moschus…und den schwachen Geruch von Kirsche. Vermutlich von dem schrecklichen Drink, der er im Club hatte. Er muss an seinen Lippen kleben, denn diese schimmern leicht im Licht.

Ihm wird heiß und kalt, als er begreift, dass er Hawks die ganze Zeit anstarrt, obwohl seine Reaktion daraus bestehen sollte, ihn anzuknurren und Abstand zu suchen. Männer sollten sich nicht so anschauen, wie…Hawks ihn anschaut. Wie ein…Raubvogel. Will er wissen, wie er selbst den Jüngeren ansieht? Nein.

„…was…wird das?“

Seine Stimme hat selten so dünn, so heiser geklungen, doch er fühlt sich in die Ecke gedrängt, trotzdem er größer und stärker ist. Obwohl Hawks einfach nur da steht und ihn ansieht, als würde er…ja…was würde er?

Das Grinsen wird plötzlich so breit, dass es einfach nur noch unheimlich ist. Hawks beugt sich ein Stück vor, wird von seinen Flügeln gestützt…empor gehoben, sodass ihre Gesichter nur wenige Zentimeter trennen. Nun befinden sie sich auf Augenhöhe und der Geruch nach Kirsche wird stärker. Scheiße. Hawks soll verschwinden. Sofort. Das wird er ihm sagen. Jetzt. Besser spät als nie, denn das hier geht einfach nicht. Das bildet er sich nicht ein, oder? Selbst wenn es ein Scherz ist…was es sein muss. Offensichtlich muss es ein Scherz sein…oder? Alles andere wäre…
 

„Also dann, Number One…ist spät geworden. Danke für den netten Abend~“, reißt ihn Hawks‘ heitere Stimme aus seinem inneren Dilemma.

Enji ist sich sicher, dass man ihm ansieht, wie er sich fühlt…und damit kann er nicht umgehen. Er zeigt keine Schwäche, wenn er es vermeiden kann. Eigentlich beschränken sich hilflose Situationen auf seine Familienverhältnisse, doch anscheinend ist das nicht alles.

Hawks zieht es scheinbar vor, nicht darauf einzugehen, denn seine Füße berühren wieder den Boden. Er hebt die Hand und grinst wieder so dümmlich wie sonst auch, ehe er ihm den Rücken kehrt und zum Balkon stiefelt.

„Ich melde mich dann bei dir~! Schlaf gut~! Man sieht sich~! Danke für das Hemd! Ich werde es nie wieder ausziehen, haha~“

Hawks‘ Gesäusel und sein abrupter Abschied geben Enji keine Gelegenheit, darauf zu reagieren, denn er ist immer noch vollkommen aus dem Konzept gebracht.

So kann er lediglich stumm dabei zusehen, wie der Winged Hero ihm frech über die Schulter zuzwinkert und dann mit kräftigen Flügelschlägen verschwindet. Einzelne Federn bleiben an der Schwelle der offen stehenden Balkontür liegen, während Enji an Ort und Stelle stehen bleibt.

Dann…ganz langsam…hebt er das Glas an seine Lippen und kippt den restlichen Whiskey herunter. Leider kann auch der Alkohol nicht dafür sorgen, dass er die Situation anders deutet.
 

Enji ist sich sicher, dass Hawks eben kurz davor gewesen ist, ihn zu küssen…und dass er selbst nichts getan hat, um dies zu verhindern, ist genauso verstörend, wie die Tatsache an sich.
 

Scheiße…


Nachwort zu diesem Kapitel:
Next...
Und ein bisschen eindeutiger als der Letzte.
Ich liebe Hawks...von Kapitel zu Kapitel mehr...und ja, Endeavor, den alten Mistkerl, den auch.
Wir werden sehen, wohin die Sammlung führt~

LG Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: Lichtregen
2020-11-13T22:19:59+00:00 13.11.2020 23:19
Ich war gefühlt die ganze Zeit am Dauergrinsen während dieses Kapitels. XD Hawks ist echt so frech und kokett und Enji irgendwie so hilflos, dass es süß ist, ohne aber ins Erniedrigende abzurutschen. Man merkt es ja auch im Manga, dass er sich schwer damit tut, auf Hawks‘ Art eine richtige Entgegnung und Reaktion zu finden. Wie Hawks ihn verbal in die Ecke drängt und dann zu Aussagen und Handlungen hinreißen lässt, ist echt gewitzt. Und Enji weiß nicht, wie ihm geschieht. Diese Dynamik gefällt mir echt gut, gerade weil Hawks hier die treibende Kraft scheint und Enji eher der, der nur reagiert statt agiert. Trotz der unterschiedlichen Körpermaße, auf die Enji ja auch zu sprechen kommt, sind die beiden ziemlich ausgeglichen. Und Enji zeigt auch eine weiche Seite, die er ja sonst gut verbergen kann. Ich glaub, ich werde noch zum Fan. :D


Zurück