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Shards of Red

Endeavor x Hawks
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
(!!Warnung: SPOILER Kapitel 231!!) Komplett anzeigen

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Scarlet

Enji weiß nicht, was passiert ist. Er kann sich an erstaunlich wenig erinnern, was in der letzten Nacht geschehen ist. Er weiß nur, dass er einen Mordskater hat, der dafür sorgt, dass er kaum die Augen aufbekommt. Glücklicherweise sind die Jalousien heruntergezogen, lassen nur vereinzelte Sonnenstrahlen hinein – mehr würde Enji nicht ertragen. Er hat das Gefühl, sich übergeben zu müssen, wenn er sich auch nur einen Zentimeter bewegt. Die Kopfschmerzen machen es nicht besser, doch seine Orientierungslosigkeit zwingt ihn, die Lider wieder zu öffnen.

Wo zur Hölle ist er? Und wie ist er hierhergekommen, in dieses…Schlafzimmer? Das Bett ist so groß, es füllt den winzigen Raum fast komplett aus, lässt nur Platz für einen Nachtschrank daneben und einen hohen Schrank an der Wand. Enji unterdrückt ein Stöhnen, während er auf dem Rücken liegt und…feststellt, dass er bis auf die Unterwäsche nackt ist. Nackt. Oh nein. Das dumpfe Hämmern breitet sich in seine Schläfen aus, die Übelkeit wird stärker…und er hofft einfach, dass es sich hierbei um einen bösen Traum handelt. Bitte lass es einen scheiß Albtraum sein…

Der unangenehme Geschmack von Sake klebt an seinem Gaumen, erinnert ihn daran, wie lange er schon nicht mehr getrunken hat. Jedenfalls nicht so viel, dass er einen Filmriss bekommt…und den hat er zweifellos. Alkohol ist so eine Sache bei ihm, denn er verträgt mehr als die meisten Menschen…allerdings macht er ihn redselig und im schlimmsten Fall verstärkt er seine Aggressionen. Beides sind Gründe, lieber nüchtern zu bleiben, denn er hat in der Vergangenheit schon genügend Fehler gemacht. Fehler, die er bereut und die er wiedergutmachen will, auch wenn er bis jetzt nicht weiß, wie er das anstellen soll. Vielleicht ist es schon zu spät…und je nachdem, was er in dieser Nacht zu wem gesagt oder getan hat (er hofft inständig, dass er niemandem etwas angetan hat), könnte es alles noch schlimmer machen.

Eine seiner Pranken tastet sich über die Matratze, erfühlt das weiche Laken…und…etwas, das er nicht sofort zuordnen kann. Es ist ebenfalls weich und er schließt die vom Feuer rauen Finger darum, spürt das Kitzeln in seiner Handfläche. Wie in Trance drehte er den Kopf zur Seite und ihm wird entsetzlich schlecht, als er erkennt, um was es sich handelt. Eine Feder. Eine rote Feder. Groß genug, um von einem Papagei zu stammen…von der Farbe her etwas dunkler. Oder es liegt an dem spärlichen Licht. Doch es gibt ein Problem; er sieht und hört keinen Papagei. Stattdessen hört er Schritte von nebenan durch die angelehnte Tür, ein leises Pfeifen…und das Klirren von…Geschirr? Enji drehte sich auf die Seite, als die Panik überhandnimmt und er – oh Gott, ein Eimer! – sich geräuschvoll übergibt. Seine türkisfarbenen Augen tränen, während er über dem Eimer hängt und sich die Seele aus dem Leib kotzt. Der Geschmack nach Alkohol und der Nahrung, die sein Magen halb verdaut hat, ist furchtbar. Jeder Muskel in seinem durchtrainierten Körper ist angespannt, seine Kehle kratzig und in seinen Ohren rauscht es, erstickt jeden Laut von außerhalb. Wie lange ist es her, dass er sich wegen Sake so mies gefühlt hat?
 

„Guten Morgen, Sonnenschein!“

Gerade als er denkt, es könnte nicht schlimmer werden, platzt die Person herein, die er am allerwenigsten sehen will. Wobei…nein, so ganz stimmt das nicht. Besser, dieser freche Vogel sieht ihn in diesem Zustand, anstelle eins seiner Kinder. Oder All Might. Oh Gott, ihm wird schon wieder schlecht und er macht sich gar nicht erst die Mühe, sich aufzurichten, bleibt über der Bettkante hängen. Was für einen erbärmlichen Anblick er abgeben muss…

„Woah, Number One, du hast ja echt alles gegeben gestern, was? Soll ich dir die Haare halten?“, witzelt der Winged Hero breit grinsend. „Kleiner Scherz, haha! Aber mal im Ernst, du siehst richtig scheiße aus…dabei sollten alte Männer doch ihre Grenzen kennen?“

„Hawks…“, würgt er hervor und versucht, so viel Zorn wie möglich in seine Stimme zu legen.

Leider weiß Enji, dass selbst, wenn er nicht kotzend von Hawks‘ Bett hängen würde, dieser sich davon nicht würde beeindrucken lassen. Der mangelnde Respekt des jungen Mannes sollte ihn wütend machen, er sollte diesen in seine Schranken weisen…doch wenn Enji ehrlich ist, empfindet er Hawks‘ unbeschwertes Verhalten ihm gegenüber als Erleichterung. Auch, wenn er ihm gleichzeitig eine runterhauen will.

„Du hast aber auch gebechert gestern, herrje…“, hört er den Vogel zwitschern und knurrt leise. „Schaffst du’s in die Dusche? Also, wenn du damit fertig bist, deinen Mageninhalt wieder hoch zu würgen...“

Da sind so viele Fragen, die Enji ihm stellen will, aber stattdessen wischt er sich den Schweiß von der Stirn und das Erbrochene vom Kinn. Obwohl ihm Hitze eigentlich nichts ausmacht (sein Quirk ist das Feuer, verdammt), wünscht er sich sehnlichst eine kühle Dusche. Er hievt sich wieder in eine sitzende Position und bemerkt nebenbei, wie viele Kissen und Decken in dem Bett liegen. Unnormal viele. Aber gut, Hawks ist ein Vogel…irgendwie…und die bauen Nester. Warum denkt er jetzt über so etwas nach? Der Restalkohol befindet sich anscheinend noch nicht vollständig im Eimer.

„Endeavor-san? Hallo? Jemand zuhause?“

Er hört das Rascheln der scharlachroten Federn, als sich die Flügel auf Hawks‘ Rücken zusammenfalten und dieser näher kommt. Enji verengt die türkisfarbenen Augen, während er den Winged Hero mustert und…sein eigenes Gesicht auf dessen Shirt findet. Nicht sein Ernst. Die Situation ist so skurril, er will seine Sachen nehmen und verschwinden. Apropos…wo ist seine Kleidung überhaupt? Warum liegt er in Hawks‘ Bett? Halbnackt? Warum trägt Hawks dieses peinliche, blaue Endeavor-Fan-Shirt zu der schwarzen Jogginghose und...

„Ich kann dich denken hören, Endeavor-san~“, flötet Hawks viel zu gut gelaunt und zieht die verdammten Jalousien mit einem Ruck hoch. „Hier riechts ganz schön streng, oder? Bisschen frische Luft wird dir sicher guttun!“

Mit diesen Worten öffnet er das Fenster und tatsächlich ist der laue Luftzug angenehm, auch wenn das Licht in seinen Augen brennt. Zu seinem Bedauern nimmt er nun mehr von dem Zimmer wahr…und findet gleich drei Endeavor-Poster an der weißen Wand. Eine Action-Figur steht auf dem Nachtschrank, den er zuvor nur flüchtig bemerkt hat, und…ist das da ein Plüschtier von ihm? Enjis Blick heftet sich automatisch an den Eimer, da er das Gefühl hat, diesen gleich erneut zu brauchen.
 

„Gefällt dir mein Schlafzimmer? Klein, aber fein, was? Passt wenig Deko rein, aber wie du siehst, ist das Wichtigste da“, plappert Hawks wieder los und zwinkert ihm zu.

Was zur Hölle redet er da?! Und…liegt es an seinem Kater oder klingt das absichtlich zweideutig? Würde Hawks auch nur einen Funken Scham besitzen, hätte er das Zeug weggeräumt, anstatt ihn direkt damit zu konfrontieren. Enjis mitgenommenem Verstand wird im selben Moment klar, dass Hawks dies mit voller Absicht tut. Was auch immer er damit bezwecken will…und wieder fragt er sich, was in der Nacht passiert ist. Abermals fühlt er, wie ihm heiß und kalt wird, sein Herz beginnt zu rasen. Nein. Oh Gott, nein…das darf nicht sein.

Vielleicht erkennt Hawks das stumme Entsetzen in seinem Blick, denn er legt mit einem Mal den Kopf schief (was ihn einem Vogel noch ähnlicher sehen lässt) und blinzelt ihn an.

„Alles okay, Number One? Wenn du dich noch mal übergeben musst, tu dir keinen Zwang an! Immer raus damit!“, fordert er ihn auf und Enji atmet einmal tief durch.

Da ihm plötzlich bewusst wird, wie schamlos er selbst ist, fast unbekleidet vor dem anderen zu sitzen, nimmt er eine der Decken und zieht diese über seinen Schoß. Hawks‘ bernsteinfarbene Augen folgen jeder Bewegung und irgendetwas in seinem Blick erinnert Enji mehr denn je an einen Raubvogel. Es jagt ihm einen kalten Schauer über den Rücken und er räuspert sich, kämpft die Übelkeit zurück.

„…geht schon“, brummt er und lehnt sich ans Kopfteil des Bettes. „Wasser wäre gut und…auch, wenn ich das vielleicht bereuen werde, eine Erklärung.“

Hawks funkelt ihn auf eine Art an, die ihm nicht geheuer ist. Allerdings grinst er im nächsten Moment und salutiert gespielt vor ihm.

„Zu Befehl, Chef!“, ruft er aus und wuselt aus dem Zimmer.

Enji sieht ihm nach, froh, dass der Jüngere keine Verletzungen zu haben scheint, so energetisch, wie er sich bewegt. Da der Flame Hero um sein Temperament weiß, welches er manchmal nicht zügeln kann, ist seine Befürchtung begründet. Sein Magen krampft sich plötzlich nicht bloß wegen des Katers zusammen…
 

„So, bitteschön!“, zwitschert Hawks, kaum dass er den Raum betreten hat. „Trink erstmal was und dann können wir gern in allen Einzelheiten über gestern reden~!“

Enji wirft ihm einen misstrauischen Blick zu, nimmt aber die Wasserflasche entgegen und setzt sie an die Lippen. Dort, wo die riesige Narbe sein halbes Gesicht überzieht, fühlt sich die Haut immer noch wund und taub an. Mittlerweile hat er sich daran gewöhnt, immerhin lebt er. Hawks und er haben es überlebt. Er sieht zu dem Winged Hero, der sich einfach ihm gegenüber aufs Bett fallen lässt, dort sitzen bleibt und ihn angrinst.

Nein. Verletzt hatte er ihn wohl nicht, so zufrieden, wie der andere wirkt. Hätte er ihm etwas angetan, würde dieser sich bestimmt nicht so sorglos verhalten und ihm Wasser bringen. Es reicht zwar nicht, um ihm alle Bedenken zu nehmen, aber es ist ein Anfang.

„…wieso…bin ich hier?“, zwingt er sich zu fragen und Hawks schmunzelt.

„Oh Mann, du hast wirklich einen totalen Filmriss, was? Haha, aber na gut, ich will mal nicht so sein und dich aufklären!“

Hawks verändert seine Position, sodass er im Schneidersitz vor ihm sitzt…dabei ein Stück näher kommt.

„Du bist hergekommen, um mich zu besuchen! Anscheinend habe ich dir ziemlich gefehlt und-“

„Lass den Scheiß!“, schneidet er dem Jüngeren das Wort ab, woraufhin dieser seufzt.

„Okay, okay, erwischt…aber du bist wirklich meinetwegen hergekommen!“

„Ja, um etwas Berufliches mit dir zu besprechen“, knurrt er finster. „Das weiß ich alles noch…was ich nicht weiß, ist, wieso ich hier gelandet bin.“

„Du meinst, in meinem bescheidenen Heim?“, fragt Hawks amüsiert und seine Federn rascheln, als sich die Schwingen spreizen. „Nun, wir sind zusammen in eine Bar gegangen, haben etwas getrunken…und dann kam die Nachricht rein, dass Shouto seine Provisional Hero License erhalten hat, und du bist vollkommen abgedreht, haha…“

Enji stutzt merklich, als er das sagt, denn bei diesen Worten klingelt etwas bei ihm. Daran erinnert er sich sogar noch…eine kurze Nachricht von seinem Sohn. Bestanden. Ohne irgendwelche Smileys, keine langen Reden, aber immerhin hat er es ihm mitgeteilt. Mehr kann er nicht von seinem jüngsten Sohn verlangen.
 

„Du hast ordentlich rumgebrüllt und eine komplette Runde für alle Leute in deiner Reichweite geschmissen. Ich meine, ich wusste, dass du Kohle hast, aber dass du so spendabel bist…wer hätte das gedacht~“, fährt Hawks grinsend fort.

„Red‘ keinen Stuss!“, murrt der Flame Hero, wissend, dass Hawks nicht lügt.

Tatsächlich ist er aufgrund seiner Freude ein bisschen…aus der Rolle gefallen. Zu dem Zeitpunkt war er nur angetrunken, doch scheinbar hat er sich am Ende übernommen.

„Du hast gebechert, was das Zeug hält und Mann, so viel hab ich dich noch nie reden hören! War wirklich sehr aufschlussreich!“

Mit einem Mal kehrt das unwohle Gefühl zurück. Die leichte Ahnung, der Eimer wäre auf seinem Schoß besser aufgehoben, als neben dem Bett. Er schluckt seine Magensäure herunter, versucht, nicht vor Ekel zu schaudern. Am liebsten würde er im Bad verschwinden…sich noch mal erbrechen, duschen…doch er muss es wissen.

„Was…meinst du?“

Seine Stimme klingt nun heiserer als vorher und es missfällt ihm. So wie ihm die Situation missfällt, in die er sich selbst gebracht hat, was er weiß, aber nur schwer akzeptieren kann. Es wäre einfacher, Hawks die Schuld für diese verkorkste Nacht und den Morgen danach zu geben, aber...das wäre falsch. Und ein Schritt in die Richtung, die er nicht mehr einschlagen will.

„Och, wenn du so fragst~“, säuselt Hawks so lieblich, dass es in Enjis Magen rumort. „Du hast viel von deiner Familie geredet. Vor allem von deinen Söhnen…dass sie dich hassen und allen Grund dazu haben. Was für ein schrecklicher Vater du warst, wie viele Fehler du gemacht hast, aber dass jetzt alles anders wird, weil du ein besserer Mensch, Vater, Held wirst und so weiter…keine Sorge, Number One. Ich hab dich rechtzeitig hierher gebracht, bevor noch mehr Leute zuhören konnten – falls du dich sorgst, dass was gegen dich verwendet wird. Also, falls es nicht sowieso irgendwann rauskommt. Du weißt ja, wie das ist, wenn man im Zentrum der Öffentlichkeit steht…irgendeiner plappert immer~“

Enji starrt ihn einfach nur an, fühlt sich wie betäubt.

„Oh, mach dir keinen Kopf!“, entfährt es Hawks bei seinem Blick. „Ich hab kein Interesse daran, dich an die Presse zu verkaufen. Echt nicht…auch wenn du aufpassen solltest, wie detailliert du wem was erzählst, Großer! Nicht jeder ist so verschwiegen wie ich!“

Und das ist der Punkt, an dem Enji geistesgegenwärtig den Eimer packt und sich zum zweiten Mal geräuschvoll übergibt.

„So ist’s gut, alles raus, was keine Miete zahlt!“

Danach muss er duschen…und diesem Plappermaul den Hals umdrehen.
 

Ungefähr eine halbe Stunde später sitzt er auf Hawks‘ Couch, immer noch nackt, jedoch mit einem Handtuch um die Hüften und in die flauschige, braune Decke gehüllt. Seine roten Haare tropfen noch von der Dusche und er riecht nach einem dieser penetranten Shampoos, die Hawks benutzt. Nun, immerhin ist der schale Geschmack aus seinem Mund verschwunden, nachdem er sich die Zähne geputzt hat. Kurzum, er fühlt sich wieder wie ein Mensch, auch wenn ihm weiterhin übel ist.

„Nicht, dass mir der Anblick nicht gefällt, Number One, aber ich könnte dir immer noch ein Shirt leihen? Diese Merchandise-Shirts hab ich teilweise in XL, weil ich drin penne, also-“

„Halt einfach die Klappe“, unterbricht er den Winged Hero genervt.

Er weiß nicht, was unangenehmer ist…die Art, wie Hawks mit ihm…spricht oder dass er soeben zugibt, in Klamotten zu schlafen, auf denen man sein Gesicht abgedruckt hat. Der ganze Fan-Kram in seinem Schlafzimmer ist schon verstörend genug, da braucht er solche Kommentare nicht.

„Sicher? Ich wollte dir Rührei anbieten. Nicht typisch japanisch, aber ich schwöre dir, nach einem fetten Kater gibt es nichts Besseres!“, redet Hawks einfach weiter und tatsächlich riecht es in der kleinen Wohnung bereits danach.

„Hmpf…na schön…“

„Kommt sofort~!“, erwidert Hawks in einem regelrechten Singsang und verschwindet Richtung Küche.

Enji sieht ihm matt hinterher, ehe er seufzend den Kopf sinken lässt, sich zum hundertsten Mal fragend, wie er hier hineingeraten ist? Und ob er Hawks soweit vertrauen kann, dass dieser dicht hält. Wie viel weiß er schon über den frechen Vogel? Sie sind ein gutes Team im Kampf gegen den Nomu gewesen und offensichtlich ist der jüngere Mann ein Fan von ihm – was eigenartig genug ist, denn Endeavors Fanbase ist nicht annähernd so groß wie All Mights. Er hat aufgegeben, sich deswegen verrückt zu machen, versucht nun, seinen eigenen Weg zu gehen. Anders als bisher, aber keine Kopie von dem blonden Skelett, das vor den Ereignissen in Kamino die unangefochtene Nummer eins war. Number One.

Er lächelt bitter, blickt vor sich hin, während er Hawks in der Küche hantieren hört. Dann schweift sein Blick durch das Wohnzimmer, das in warmen, sandigen Tönen gehalten ist. Beigefarbene Wände, die Schränke aus dunklerem Holz, was zur Farbe der Couch passt. Eine runde Couch, auf die vielleicht fünf Menschen Platz haben, die nicht so breit wie Enji sind, denn er nimmt fast die Hälfte des Möbelstücks ein. Auch hier gibt es viele Kissen und Decken – was auf den Flame Hero überladen wirkt. Kein Wunder, da er auf einem Futon schläft. In einem riesigen, japanisch eingerichteten Haus, dessen Einrichtung dezent ist.

Hawks‘ Wohnung macht einen sauberen Eindruck, doch hier und da liegen diverse Sachen rum. Ein paar Bücher, eine Uhr, seine Jacke, die zu seinem Helden-Outfit gehört, eine leere Tasse. Enji fragt sich unweigerlich, ob Hawks oft Besuch hat. Schließlich ist er die Nummer zwei und ziemlich beliebt bei den Leuten – trotz seiner großen Klappe. Es muss an seinem Aussehen liegen, schließlich ist Hawks eine ganze Ecke jünger als er, um nicht zu sagen halb so alt. Zweifellos kommt er mit seinem attraktiven Äußeren gut bei den Frauen an und Enji ist bekannt, wie gern der Vogel flirtet. Moment…hat er das vorhin etwa mit ihm getan? Geflirtet? Sein blasses Gesicht läuft innerhalb von Sekunden so rot an, dass es vermutlich mit seinen Haaren konkurrieren kann. Unmöglich. Niemals. Und selbst wenn, muss es sich um einen geschmacklosen Scherz handeln. Das ist es. Ein Scherz. Hawks macht gern dumme Witze und amüsiert sich auf seine Kosten, also alles im grünen Bereich.
 

Nachdem er das für sich geklärt hat, wird er wieder ruhiger, doch bevor er seine Gedanken über Hawks weiter ausführen kann, wuselt dieser mit zwei Tellern beladen zurück ins Wohnzimmer.

„Da bin ich wieder~! So, guten Appetit, ich hoffe, es schmeckt dir!“

Zugegeben, nun, wo das Rührei so vor ihm liegt, spürt er einen immensen Hunger und wie auf Kommando knurrt sein misshandelter Magen.

„Da hat wohl wer Hunger! Hau rein!“

Ohne auf Hawks einzugehen, greift er nach den Stäbchen, wünscht ihm einen guten Appetit und probiert. Es ist nicht die Art Ei, die er gewöhnt ist, nicht auf die japanische Art zubereitet, doch es schmeckt. Sogar verdammt gut und er genießt jeden Happen davon, weil sein Körper dringend Nährstoffe braucht.

„Und?“, hakt Hawks nach. „Lecker, oder? Ist fettiger als Tamagoyaki, aber gerade deshalb ist es das Richtige, wenn man einen über den Durst getrunken hat!“

Enji fällt auf, dass der andere seine Portion bereits aufgefuttert hat, und er fragt sich nicht zum ersten Mal, wo der Kerl das ganze Essen hinsteckt. Eigentlich fragt er sich vieles bei Hawks, wieso dieser zum Beispiel auf Geflügel basierende Speisen bevorzugt. Selbst das Rührei stammt von Vögeln.

„Schmeckt“, gibt er knapp zurück und nimmt einen weiteren Happen zu sich.

Hawks schnaubt empört.

„Etwas mehr Begeisterung! Ich stehe nicht für jeden in der Küche, klar? Fühl dich geehrt!“

„Ah“, macht Enji trocken und ohne ihn anzusehen. „Also schmeißt du deine Bekanntschaften ohne Frühstück raus.“

Er weiß selbst nicht, warum er das so angefressen sagt. Vielleicht, weil ihn Hawks‘ hemmungsloses Flirten in der Öffentlichkeit verärgert. Er ist mit allem so schamlos und das gehört sich einfach nicht. Außerdem verstummt der sonst so vorlaute Hero für einen kurzen Moment tatsächlich und das reicht Enji als Grund aus.

„Bekanntschaften?“, wiederholt er irritiert, was Enji mit den breiten Schultern zucken lässt.

„Deine Fans, was weiß ich…die, mit denen du ständig flirtest.“

„Oh…das meinst du“, kommt es sehr langsam von dem Jüngeren, dann grinst er wieder übers ganze Gesicht. „Wusste gar nicht, dass du mich so genau beobachtest…muss ich mir Gedanken machen? Oder mich geschmeichelt fühlen? Aww, ja, ich denke, ich fühle mich geschmeichelt~“

„Schwachsinn!“, blafft er den Blonden an. „Du machst es halt nicht sehr subtil! Das ist alles!“

Normalerweise kuschen die Leute vor ihm, wenn er laut wird, die Muskeln anspannt – All Might einmal ausgenommen. Es ist nicht so, dass er jedes Mal handgreiflich wird oder werden will, das ist seine Art. Er ist es gewöhnt, Stärke zu zeigen und das in jeder Situation – was seinen Aufenthalt bei Hawks umso peinlicher macht. Nun…Hawks ist in jeder Hinsicht anders als die Menschen, mit denen er sonst zu tun hat, denn er weicht nicht mal im Ansatz zurück. Stattdessen wird sein Grinsen noch breiter, sodass er die gleichmäßigen Zähne sehen kann und die bernsteinfarbenen Augen funkeln ihn an.
 

„Schon gut, schon gut~“, summt er heiter und lehnt sich neben ihm entspannt auf der Couch zurück.

Ein paar der äußeren, scharlachroten Feder streifen seinen Arm, da ihm die Decke beim Essen vom Oberkörper gerutscht ist. Sie fühlen sich widerstandsfähig an, nicht so weich wie die, die er im Bett gefunden hat und…er stutzt.

„Hawks…“

„Ja?“

Ein unschuldiges Lächeln begegnet ihm, auch wenn der Mann dahinter dies nicht mal im Entferntesten ist.

„Wieso bin ich ohne Kleidung wachgeworden…und wo…hast du geschlafen?“

Das Lächeln wankt nicht mal eine Sekunde, beinahe wirkt es, als hätte der Blonde auf diese Frage gewartet.

„Mh~“, macht er dennoch gespielt nachdenklich. „Lass mich mal überlegen…ah ja, zum Ersten, ich hab dich ausgezogen. Dachte, es kommt nicht gut, wenn du auf deine Klamotten kotzt und damit sie wieder frisch sind, hab ich sie für dich gewaschen und aufgehängt, während du duschen warst. Nett von mir, nicht wahr? Brauchst dich nicht bedanken, immerhin sind wir ja ein Team, haha! Oh und was mich angeht…natürlich neben dir. Du hast vielleicht ne Hitze ausgestrahlt…hat mich richtig ins Schwitzen gebracht. Vor allem, als du immer näher gekommen bist…dachte schon, du verbrennst mir die Federn. Aber war schön kuschlig, können wir gern mal wieder machen, so mit Übernachtung! Nur wäre es cool, wenn du dann wach wärst und dich dran erinnerst.“

Es fehlt nicht viel, damit Enji die Kinnlade herunterfällt, aber er nimmt sich zusammen, weitete jedoch die türkisfarbenen Augen. Was zur Hölle?! Allerdings sagt er sich, dass er gerade übertreibt, denn ja, er schätzt seine Privatsphäre, aber sie sind beide Männer. Da gibt es nichts zu schämen und vielleicht…wollte Hawks wirklich bloß…nett sein. Dann haben sie eben nebeneinander geschlafen und mit Sicherheit hat er sich nicht an den Jüngeren gekuschelt. Sowas tut er nicht. Nicht mal im Schlaf…oder?

„Schau nicht so entgeistert“, meint Hawks und winkt ab. „Ist doch nichts dabei? Mir hat’s gefallen! Oh und zu deiner Frage…ich nehme nie jemanden mit nach Hause, also gibt’s auch kein Frühstück. Folglich bist du gleich zweimal was ganz Besonderes, Endeavor-san…“

Diesmal ist sich Enji sicher, dass Hawks mit ihm flirtet, so wie er ihm zuzwinkert und grinst. Zwar weiß er keinen Grund dafür, aber anders kann man das nicht deuten. Definitiv nicht und es…macht ihn sprachlos, weil er nicht damit umgehen kann. Um sich aus der Situation zu winden, wendet er sich mit finsterem Blick wieder seinem Rest Rührei zu, das mittlerweile kalt geworden ist.

„Fühle mich geehrt“, brummt er sarkastisch.

„Kannst du auch~“

„Hmpf…“

Da er unsicher ist, was er noch dazu sagen soll, lässt er stattdessen den Blick abermals durch den Raum schweifen. Jetzt, wo Hawks es sagt, fällt Enji auf, dass es keine Fotos gibt. Er nimmt also nie jemanden mit nach Hause? Bezieht sich das auf seine Affären oder auch auf potenzielle Freunde? Hat Hawks Freunde? Eigentlich kann Enji nicht glauben, dass jemand, der dermaßen polarisiert, keine Freunde hat…bei ihm selbst ist das nicht verwunderlich, schließlich gilt er als Einzelgänger.
 

„Willst du mich gar nicht nach den Details fragen?“

Enji hält inne, als Hawks das Schweigen zwischen ihnen bricht, und als er aufsieht, bemerkt er, dass das Lächeln verschwunden ist. Er kann den Blick nicht ganz deuten…lauernd?

„…nach den Details?“, wiederholt er stirnrunzelnd. „Du meinst, ob ich die Dinge aus meinem Leben, die du gar nicht wissen solltest, noch mal durchgehen will, um mich daran zu erinnern, was für ein miserabler Ehemann und Vater ich bin? Nein. Ich glaube nicht, dass ich das will.“

Hawks mustert ihn eine Weile still, was ungewöhnlich ist. Normalerweise hält er keine fünf Sekunden den Schnabel, doch wenn Enji ihm wirklich von seinen Taten erzählt hat…

„Wenn ich ehrlich bin, wundert es mich, dass du mich überhaupt hierhergeschleppt hast“, fährt er ernst fort. „Was ich getan habe, ist nicht zu entschuldigen.“

Der Flame Hero weiß selbst nicht, wann sein Sinneswandel begonnen hat – vielleicht hat es mit Midoriya Izuku begonnen. Seitdem Shouto dem Jungen begegnet ist, hat er sich verändert…und Enji ebenso. Er hat einen winzigen Zugang zu seinem Sohn gefunden, wenn es auch noch lange keine Beziehung ist. Shouto benutzt ihn, um an Stärke zu gewinnen, wendet sich an ihn, wenn es seiner Zukunft dient…und es ist geradezu zynisch, denn dies hat Enji immer gewollt.

Er will es jetzt noch, doch er will ebenso Teil des Lebens seiner Kinder werden. Er wünscht sich, dass Rei gesund wird und sie irgendwie miteinander umgehen können. Ihre Ehe ist nicht zu retten, das ist ihm klar, dafür ist zu viel passiert. Er hat Dinge getan, die unverzeihlich sind…und falls sie jemals nach Hause kommt, wird er ausziehen müssen. Er kann ihr nicht zumuten, mit ihm im selben Haus zu leben, nachdem er ihr Gewalt angetan hat. Sowohl psychisch als auch physisch.

Fuyumi kann sie unterstützen, für ihre Brüder sorgen, denn das tut sie bereits und macht es besser, als er es je könnte. Sie ist die Einzige, die sich um eine Beziehung zu ihm bemüht…obwohl es ihr schwerfällt. Natsuo lehnt ihn vollkommen ab, Shouto redet das Nötigste mit ihm und Touya…Touya hat er vermutlich endgültig verloren. Was er betreibt, ist Schadensbegrenzung.
 

„Weißt du, warum ich nie ein großer Fan von All Might war?“

Es ist eine seltsame Frage, die er zuerst nicht versteht; dass Hawks ein Endeavor-Fan ist, weiß er bereits. Er kann nur nicht nachvollziehen, was dies nun mit ihrem Thema zu tun hat. Sein Groll auf All Might ist schwächer geworden, auch wenn er diesen Kerl nie wird leiden können. Da er bloß die Stirn in Falten zieht, aber nichts sagt, spricht Hawks weiter.

„Er schien immer so perfekt zu sein. Das Symbol des Friedens. Unbesiegbar. Der geborene Held. Das haben sie über ihn gesagt.“

Der Winged Hero sieht ihn nicht an, hat den Blick an die Decke geheftet, die Arme hinterm Kopf verschränkt.

„Die Sache ist die…kein Mensch ist perfekt oder hat bloß gute Seiten. Dieses Bild zu vermitteln, ist…falsch. Manche Menschen tun schlimme Dinge und haben dabei Gutes im Sinn. Ein höheres Ziel…und wer bin ich, dich dafür zu verurteilen, aus deinen Kindern das Beste rausholen zu wollen. Einen Helden zu erschaffen, der All Might übertreffen kann, nachdem du es dein ganzes Leben lang versucht und nie aufgegeben hast.“

Enji blickt ihn an, hat keine Worte für das, was der andere soeben gesagt hat. Er fragt sich, ob das sein Ernst ist, weil er selbst sich dies jahrelang eingeredet hat. Der Zweck heiligt die Mittel. Heute denkt Enji anders darüber und er will nicht, dass Hawks sein Gewissen beruhigt. Das hat er nicht verdient.

„Du weißt nicht, wovon du redest.“

Hawks löst seinen Blick von der Decke, lenkt ihn langsam in seine Richtung und wartet. Da liegt ein Ausdruck in seinen bernsteinfarbenen Augen, der Enji neu ist…und der ihm missfällt.

„Diese Einstellung hat meine Familie zerstört…und ich brauche niemanden, der mir einreden will, es sei in Ordnung. Das war es nicht. Es war mein Ehrgeiz…mein Egoismus, der mich getrieben hat. Ich hätte meinen Sohn auch stark machen können, ohne ihn wie ein Werkzeug zu behandeln…meine Ignoranz und mein Hass auf All Might…haben mich blind für alles andere gemacht.“

Dass er solche privaten Themen mit jemandem wie Hawks bespricht, ist seltsam. Es geht den Jüngeren nicht das Geringste an und dennoch kann er das nicht so stehen lassen. Er will keine Absolution…schon gar nicht von diesem Grünschnabel.

Auch wenn ihm etwas in Hawks‘ Blick den Eindruck vermittelt, dass dieser mehr begreift, als er einem durch sein heiteres Wesen vermuten lässt. Als hätte er seine Gedanken gelesen, breitet sich das vertraute Grinsen auf seinen Zügen aus.

„Wow…du hast dich wirklich verändert, huh? Da sag mal einer, dass alte Männer nicht dazulernen! Ich bin beeindruckt!“

Durch seine Flügel richtet sich Hawks wieder in eine sitzende Position auf, die dunkle Stimmung von eben scheint wie weggeblasen. Enji überlegt gar nicht, Hawks darauf anzusprechen…etwas sagt ihm, dass er keine Antwort darauf bekommen wird.

„Hey, ich find’s gut! Das war bloß meine Meinung und ich will gar nicht, dass du dich davon beeinflussen lässt. Ich meine, Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung oder wie heißt es?“

Enji nickt nach wenigen Sekunden, will das Thema lieber beenden. Eigentlich wollte er nie darauf eingehen, aber Hawks kann ein Plagegeist sein. Doch so sehr er ihn oftmals erzürnt, fühlt sich Enji in seiner Nähe nicht eingeengt. Diese Nacht ist eine Geschichte für sich, die er nicht dazu zählt.

Was er meint, ist die Art, wie Hawks auf seinen Charakter, der die meisten einschüchtert, reagiert. Ob er ihn anbrüllt, seine Flammen lodern lässt…oder ihn scharf zurechtweist, der Winged Hero wirkt nie verängstigt. Und trotzdem Enji es verdient, verurteilt zu werden…ist es zur Abwechslung mal angenehm, mit jemandem ungezwungen umzugehen. Sich nicht verstellen oder zusammenreißen zu müssen, denn das ist in seinem sonstigen Umfeld notwendig. Er muss behutsam mit seiner Familie umgehen, ihnen beweisen, dass er sich ändern kann und will, um das zu flicken, was er angerichtet hat. Er muss in den Medien zeigen, dass er es verdient, die Nummer eins zu sein, obwohl All Mights Fußstapfen so gewaltig sind, dass er das Gefühl hat, sie nie ausfüllen zu können. Auf ihm liegt ein Druck, den er nicht abstreifen kann. Warum also ist es mit Hawks so einfach?
 

„Hey Number One“, reißt ihn der Jüngere aus seinen Gedanken. „Was hältst du davon, wenn ich dir einen Tee mache und du solange, wie deine Klamotten trocknen, hierbleibst? Mich störts nicht, ehrlich nicht…und dann kannst du mir auch sagen, bei was du meine Hilfe brauchst! Das ist gestern ja irgendwie untergegangen, nicht wahr?“

Anscheinend ist das Hawks‘ Ernst, so fröhlich, wie er ihn anstrahlt. Enji weiß im ersten Moment nicht darauf zu reagieren, aber der Vorwand mit seiner Kleidung ist eigentlich hinfällig. Ist es ein Vorwand? Er muss daran denken, dass Hawks ihn in der Nacht ausgezogen hat. Bei dem Gedanken wird ihm irgendwie anders und er verdrängt ihn rasch, räuspert sich.

„Nicht nötig“, grummelt er. „Ich kann das Feuer so regulieren, dass die Kleidung schneller trocknet.“

Hawks zieht eine Schnute, die deutlich macht, dass er nicht will, dass er geht…und Enji fragt sich unweigerlich, ob der Winged Hero…einsam ist. Kaum zu glauben, wenn man diesen in der Öffentlichkeit erlebt. Nein, er bildet sich dies sicher ein und außerdem ist es nicht sein Problem. Andererseits hat Hawks ihn aus einer Situation gerettet, die ihm vielleicht zum Verhängnis geworden wäre. Wenn die Medien Wind davon bekommen hätten, dass Endeavor von seinen zerrütteten Familienverhältnissen plaudert…ihm wird schon bei der Vorstellung dieses Szenarios schlecht.

„Na schön~“, flötet Hawks scheinbar unbehelligt und lächelt ihn an. „Dann sag mal, was du zu sagen hast – bin ganz Ohr!“

Synchron zu seinen Worten lässt er sich auf der Couch nach hinten fallen, die scharlachroten Schwingen links und rechts von sich gespreizt. Wieder berühren die Federn Enjis Haut, lassen ihn schaudern. Kurz hadert er mit sich, dann seufzt er innerlich; diese Entscheidung wird er definitiv noch bereuen.

„Wenn ich’s mir recht überlege, können wir das später besprechen“, brummt er und weicht Hawks‘ Blick aus. „Mir geht’s immer noch beschissen…ich werde also noch eine Weile bleibe.“

Trotzdem er lieber angezogen wäre, anstatt nur in Handtuch und Decke gehüllt. Er sollte das mit dem Kleidung trocknen schnell umsetzen. Hawks blinzelt ihn zuerst verdutzt an, ehe er übers ganze Gesicht zu grinsen beginnt.

„Kein Problem! Bleib, solange du willst! Wir können uns einen Film reinziehen, na? Was sagst du?“, plappert er los und schaltet den Fernseher direkt ein.

Es sollte Enji wirklich nicht wundern, dass der Jüngere so aufgedreht ist, schließlich ist er das die meiste Zeit. Laut und frech, er bringt ihn jedes Mal zur Weißglut – im wahrsten Sinne des Wortes. Enji schnaubt leise, ehe er die Decke wieder um seinen Körper wickelt und sich eins der Kissen schnappt – wenigstens kein Endeavor-Kissen.
 

„Willst du Tee?“

„Später.“

Eigentlich will er bloß zur Ruhe kommen und warum soll er dafür auf sein Hotelzimmer gehen? Hawks hat sich um ihn gekümmert, er verurteilt ihn nicht…und er will, dass Enji bleibt. Tut er ihm eben den Gefallen. Damit bricht er sich keinen Zacken aus der Krone.

„Okay~“

Der Winged Hero schnappt sich ebenfalls eine der Decken und rollt sich in dieser zusammen, ehe er die Kissen so platziert, dass er bequem liegen kann. Wie in einem Nest. Es ist gut, dass Hawks so klein ist, sieht man mal von seinen Schwingen ab, die er mittlerweile zusammengefaltet hat. Sie beide passen gerade so auf die Couch, nur ihre Beine berühren sich leicht und da sich Hawks nicht beschwert, belässt Enji es dabei. Sie haben in einem Bett geschlafen…dagegen ist das hier erträglich.

Hawks hat irgendeinen Actionfilm eingeschaltet und ausnahmsweise ist er ganz ruhig, schaut still zur Mattscheibe. Enji versucht, sich daran zu erinnern, wann er das letzte Mal mit jemandem entspannt auf der Couch gelegen und einen Film geschaut hat. Es gab immer nur die Arbeit und das Training für ihn…auch seinen Kindern hat er nichts gegönnt. Vor allem Shouto nicht. Seinem Meisterwerk.

Bitterkeit kommt in ihm auf und er sieht dem Film zu, ohne wirklich zu realisieren, was dort passiert. Er zuckt zusammen, als Hawks ihn ohne Vorwarnung etwas gröber mit dem Fuß anstößt.

„Ups, sorry! Bin kurz eingedöst, haha…“

Ob er ihm das glauben soll? Dafür wirkt er ihm viel zu energiegeladen, doch er schnaubt bloß. Da fällt ihm ein, er hat Hawks noch nicht gesagt, weshalb er ihn aufgesucht hat. Vielleicht sollte er das tun. Er ist beruflich hier, nicht zum Vergnügen. Alte Gewohnheiten sind schwer abzulegen.

„…Best Jeanist wird vermisst.“

Bei der Nachricht schaut Hawks irritiert auf und Enji bemerkt, dass seine blonden Haare etwas zerzauster als sonst wirken. Hat er sich so sehr in seinen Kissen vergraben? Wie ein in Mitleidenschaft gezogener Vogel.

„Ja, ich hab’s mitbekommen“, murmelt der Jüngere und gähnt verhalten. „Das ist es, wobei du Hilfe brauchst? Ich meine…sicher, dass er nicht irgendwo heimlich Urlaub macht? Vielleicht braucht er nach der ganzen Geschichte in Kamino einfach mal ne Auszeit? Die Medien kleben ihm ziemlich an den Hacken…“

Enji muss zugeben, dass auch er schon an so etwas gedacht hat, und dass er es zu Anfang ebenfalls für überstürzt gehalten hat, so einen Aufruhr zu veranstalten.

„Das wurde bereits bedacht, vor allem da es keine Hinweise auf einen Kampf gab. Dennoch sind wir Pro-Heroes angehalten, nach ihm zu suchen. Davon abgesehen, dass Best Jeanist angeblich nie gegangen wäre, ohne seinen Sidekicks Bescheid zu geben.“

„Hm…ja, okay. Das ist etwas merkwürdig...also von mir aus helfe ich dir dabei, ihn zu suchen. Auch wenn ich denke, dass das eher Aufgabe der Polizei ist“, erwidert Hawks mäßig motiviert.

„Es ist eine zusätzliche Maßnahme, da die Polizei bislang keine Spur hat“, klärt Enji ihn auf und Hawks nickt verstehend.

„Schon klar…wie gesagt, bin dabei, Großer. Ich meine, unser Team hat letztes Mal super funktioniert, oder?“

Das ist nicht zu leugnen, wenn man bedenkt, dass er ohne Hawks Unterstützung möglicherweise tot wäre. Ihre Fähigkeiten ergänzen sich besser, als man meinen könnte. Enji versucht sich an einem schiefen Lächeln – und er lächelt wirklich nicht oft.

„Ja…hoffen wir, dass er wirklich nur untergetaucht ist und es keine große Sache ist. Ich brauche so schnell keine zweite Nahtoderfahrung.“

Es ist Galgenhumor, aber Hawks muss darüber schmunzeln.

„Keine Sorge. Falls doch, bin ich rechtzeitig zur Stelle“, verspricht er grinsend und streckt ihm den Daumen entgegen.

Seltsamerweise glaubt Enji ihm und das ist der Grund, weswegen er ohne Zögern antwortet.

„Ich weiß.“

Hawks ist ein alberner Vogel, der nie weiß, wann er seinen Schnabel zu halten hat, doch im Kampf ein verlässlicher Verbündeter. Er ist stärker, als er aussieht…und trotzdem Enji ihm oftmals den Hals umdrehen will, mag er ihn. Auf eine verquere Art und Weise, obwohl sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Hawks scheint von der raschen Zustimmung überrumpelt, denn er starrt ihn verdutzt an...und sie sehen sich länger in die Augen, als es normal wäre. Da Enji selbst merkt, dass es langsam komisch wird, legt er sich wieder hin, grummelt vor sich hin.

„Gut. Dann hätten wir das ja geklärt.“

Es dauert nur zwei Sekunden, bis Hawks aus seiner Starre erwacht, und schon schallt sein Lachen zu Enji herüber, woraufhin er leise knurrt.

„Aww, bist du nun verlegen? Also wirklich, Endeavor-san, dabei war es gerade so herzerwärmend! Wer hätte gedacht, dass du so goldig sein kannst, haha~“

„Schnauze! Guck den Film!“

„Ich hab dich auch gern~“

Enji knirscht mit den Zähnen, enthält sich eines weiteren Kommentars jedoch. Das würde nur dazu führen, dass Hawks ihn noch mehr aufzieht. Während er auf Hawks‘ Couch, in Hawks‘ unmittelbarer Nähe liegt, redet er sich zwanghaft ein, dass sein Herzrasen von der Wut über das unverschämte Benehmen des anderen herrührt. Es gibt keinen plausibleren Grund dafür. Punkt. Seine türkisfarbenen Augen haften an der Mattscheibe, versuchen, dem Film zu folgen.
 

Er ist so konzentriert darauf, sich abzulenken, dass ihm dabei der dunkle Schatten entgeht, der über Hawks’ scheinbar so fröhliche Miene huscht. Und das ist auch besser so.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Huhu!
Ich muss sagen, ich bin selten so gespannt auf (eventuelle) Resonanz gewesen wie bei dieser Story.
Es wird vermutlich, wie auch bei "The good part" eine Art Sammlung werden...
Das hier war OS No. 1 und ich weiß noch nicht, wann ich weiterschreibe...
Mir ist bewusst, dass Endeavor vermutlich wenige(r) Fans haben wird und mir war er zu Anfang auch unsympathisch.
Wer den Manga verfolgt, kann vielleicht verstehen, warum er mittlerweile mein Interesse geweckt hat - mir gefällt seine Entwicklung, die natürlich nichts von dem, was er getan, hat, gut macht.
Der Altersunterschied ist für mich kein Hindernis...Hawks ist erwachsen und garantiert nicht ohne...
Der OS ist noch recht harmlos, sozusagen ein Anfang...mal sehen, was draus wird.
Würde mich freuen, wenn sich jemand für die zwei begeistern kann. :)

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: Lichtregen
2020-11-13T21:50:26+00:00 13.11.2020 22:50
Da ich jetzt auch endlich bei Kapitel 242 bin und die Spoiler nur bis 231 gehen, dachte ich, ich werde jetzt auch mal einen Blick in deine EndiHawks Sammlung. Ich muss sagen, es ist ein bei mir fast schon verloren gegangenes und daher neues Gefühl, ein Pairing durch FFs zu entdecken. Ich weiß gar nicht mehr, wie es damals bei Naruto und Bleach war... irgendwie habe ich da so viel verschlungen, dass ich recht schnell wusste, wie sich die Charaktere in FFs und als Pairing verhalten (sollen), und losgelöst war von den wenigen Infos, die man im Manga dazu bekam. Deshalb musste ich mich erst mal auch in das erste Kapitel hier reinlesen und es kam mir alles sehr neu und ungewohnt vor. Eben eine andere, tiefgründigere Seite als im Manga. So allein der Name Enji. Klar, er heißt so, aber da im Manga in 95% der Fälle nur Endeavor gesagt wird, kam mir sein echter Name vor wie ein niedlicher Spitzname. Und dass du den Namen von Hawks nicht magst, hast du mir ja schon gesagt. ;-)
Die Geschichte aus der Sicht von Enji finde ich jedenfalls sehr interessant. Hawks lockert das Ganze durch seine flapsige Art auf, die mir (zumindest im Manga) nie so flirtig rübergekommen ist, wie du sie jetzt beschreibst. Gefällt mir aber gut. Wie gesagt, durch FFs lernt man die Charaktere ja nochmal ganz anders kennen, so, dass es auch zum Original passen kann.
Dein Schreibstil kommt mir hier auch deutlich anders vor. Nicht nur wegen der anderen Zeitform. Auch wenn ich überwiegend KisaIta von dir lese, glaube ich nicht, dass es alleine an der anderen Personetypen liegt. Ulquiorra ist ja auch eher ein verschlossener Typ und Orihime quirlig. Ich kann es nicht genau benennen, aber es kommt mir... direkter vor. Vielleicht kommt es auch daher, dass Enji ständig den nachvollziehbaren Wunsch nach dem Eimer verspürt. XD
Wie du die Story ins Rollen gebracht hast, gefällt mir auch und macht Lust auf mehr. Wo ich zuerst gedacht habe, dass das ja schnell ging, dass die beiden eine Nacht zusammen haben, entpuppte sich das ja zum Glück als harmloser als gedacht. Du weißt, ich mag gerne langsame Entwicklungen. :) Das Ende mit Hawks verdunkelter Miene lässt mich auf Großes hoffen, was verwirrte Gefühle und vielleicht ein wenig Herzschmerz und enttäuschtes Vertrauen angeht.
Du kannst mir gerne noch andere Empfehlungen schicken, ich denke, ich kann mich gut für die beiden erwärmen. :D


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