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For the first time

von

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Bruder

Eine unverhoffte Berührung. Zu viel Ungesagtes und ein überfälliges Gespräch. Ein vergessenes Geschenk. Und ein schmerzliches Kompliment.
 

Castiel hasste das erste Mal, als er glaubte zu wissen, wie Dean zu ihm stand.
 

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Die Finsternis war noch da draußen, ihnen blieb kaum eine ruhige Minute. Und so hatte Castiel lang warten müssen, bis er den älteren Winchester unter vier Augen sprechen konnte, bis er endlich allein mit ihm war. Das hier war nicht für fremde Ohren bestimmt.

„Ich konnte dich plötzlich für eine Weile nicht mehr fühlen. Was war los?“ Trotz des ernsten Untertons war er bemüht einen möglichst unverfänglichen Eindruck zu erwecken.
 

Zu Castiels Überraschung ging sein Gegenüber nicht auf das implizierte Für-gewöhnlich-kann-ich-dich-fühlen ein. „Nichts, alles bestens“, antwortete er knapp, doch an seinem ausweichenden Blick konnte der Engel erkennen, dass das nicht stimmte.
 

„Dean, was ist passiert?“, weiderholte er also seine Frage mit deutlich mehr Nachdruck. Eine tiefe Sorgenfalte hatte sich unterdessen auf seiner Stirn gebildet, die auch dem Jäger nicht verborgen geblieben war.
 

„Reg dich ab, Cas.“ Der Versuch genervt zu klingen scheiterte sichtlich. War das Angst?
 

Noch immer schaute Dean ihn nicht an. Einem Impuls folgend legte Castiel eine Hand an seine Wange. Der Jäger war zu perplex um zurückzuweichen. Und als seine Finger Deans Schläfe berührten, konnte der Engel in den menschlichen Geist blicken. Er sah Sam blutüberströmt am Boden einer Waldhütte liegen, Dean in einem Krankenhaus wie er wahllos eine Unmenge Tabletten schluckte, wie Deans Herz aufhörte zu schlagen, wie seine Seele seinen Körper verließ…

Erschrocken zog der Engel seine Hand zurück, er hatte genug gesehen.

„Was hast du getan?!“, drang tonlos aus seiner plötzlich viel zu trockenen Kehle.
 

Dean war bleich geworden. „Cas, hör mir zu, ich…“
 

„Du hast versucht dich umzubringen?!“ Dieses Bild ertastet in Deans Erinnerungen war so furchtbar, dass es ihm fast surreal erschien. „Auch wenn man das von dir nicht behaupten kann, gibt es andere, denen dein Leben etwas bedeutet, denen du etwas bedeutest!“ Verdammt, Dean! Es gibt Leute, die dich lieben… Hast du auch nur eine Sekunde daran gedacht, was du denen damit antust?! Die letzten Sätze schluckte der Engel mühevoll hinunter, bezwang den Drang sie auszusprechen. Manches sollte besser ungesagt bleiben.
 

„Ich dachte, Sam wäre… Sam wäre tot… und ich… ich war verloren…“, hörte er ihn leise hervorbringen.
 

„Was glaubst du denn, wie es mir gegangen wäre, wenn du gestorben wärst?!“, entgegnete Castiel aufgebracht. Die Erkenntnis, dass Dean gestorben war, dass die Wiederbelebungsmaßnahmen hätten scheitern können, dass er ihn beinahe verloren hatte, überrollte seinen Verstand wie eine nicht enden wollende Lawine.
 

„Ich… ich habe nicht nachgedacht.“

Natürlich hatte er das nicht. Auch wenn sein letzter Gedanke stets diesem einen Menschen galt, wie könnte er erwarten, dass Dean in solch einem Moment auch nur einen an ihn verschwendete? Trotzdem war die Einsicht ernüchternd, dass Dean in ihm keinen Grund sah am Leben zu bleiben, wo der Jäger doch immer der seine gewesen war. Sein Grund den höchsten Preis zu zahlen und doch niemals aufzugeben. In dem Licht dieser Seele fand er etwas, wofür es sich zu leben lohnte. Dass Dean dieses Empfinden nicht teilte, nicht erwiderte, war nicht überraschend und schmeckte doch bitter.
 

„Schon gut, ich…“, Castiel atmete tief durch, versuchte sich zu beruhigen, „Ich verstehe dich.“ Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn du… „Es ist nur… Ich muss an die Luft. Ich brauche etwas Zeit.“ Und damit verließ er beinahe fluchtartig den Bunker, bevor er etwas sagen konnte, das er später bereuen würde.
 

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Er war nicht weit gekommen. Die rauen Betonstufen vor dem alten Gemäuer drückten unnachgiebig gegen seinen Rücken seit er sich darauf niedergelassen hatte. Verloren in seinen Gedanken hatte Zeit an Bedeutung verloren, und so erschrak er beinahe, als er die Präsenz des anderen neben sich spürte. Wortlos setzte Dean sich zu ihm, nah genug, dass er seine Wärme fühlen, seinen Körper wahrnehmen konnte. Das Bedürfnis von ihm fortzurücken und das Sehnen ihn zu berühren fochten in dem Engel einen ungleichen Kampf aus und verdammten ihn zur Untätigkeit.

Nun da die bebende Wut verklungen war, wurde Castiel sich der Übergriffigkeit seines Handelns bewusst. Ohne Erlaubnis in das Gedächtnis des Menschen eingedrungen zu sein, ihm nach einem Selbstmordversuch Vorwürfe gemacht zu haben, waren nur weitere Vertrauensbrüche in einer langen Reihe von Enttäuschungen zwischen ihnen. Er konnte Dean verstehen. Er wollte sich entschuldigen, aber das Schweigen wog so schwer, dass er nicht wusste, wie er es durchbrechen sollte.
 

Deans Atem bildete flüchtige Wolken in der kühlen Luft. Der Engel hatte sie nicht bemerkt, die Kälte. Es war Abend geworden, der Tag neigte sich seinem Ende entgegen. Sie sahen zu wie der Horizont sich allmählich verdunkelte und ihnen die Sonne zum Abschied ein vergängliches Meer aus Farben hinterließ.

Was nie begonnen hatte, musste auch nie enden? Was man nie hatte, musste man auch nie vermissen? Was man nicht festhielt, musste man nicht loslassen? Alles Lügen.
 

Zögerlich lockerte Castiel seine Krawatte und öffnete den ersten Knopf seines Hemdes. Dann griff er unter seinen Kragen und nahm sich das Amulett vom Hals. Das Amulett, das Sam einst seinem Bruder geschenkt hatte als sie noch Kinder gewesen waren. Behutsam legte Castiel es ihm in die Hand, gab es ihm zurück.

Dean betrachtete es verblüfft. Er war sich sicher es weggeworfen zu haben. Cas musste es damals aus dem Müll geholt haben. „Warst du immer noch auf der Suche nach Gott?“ Es fühlte sich seltsam an, wie die Worte in der Stille klangen.
 

Der Engel sah ihn an mit diesem Blick, der immer nur ihm gegolten hatte. „Nein, Dean, ich war auf der Suche nach dir.“ Kaum gelang es ihm die Wehmut in seiner Stimme zu verbergen.
 

Aber ich war doch nie weg, nicht wirklich zumindest, wollte Dean erwidern, aber er wusste, dass der Engel das so nicht gemeint hatte. Er konnte es in seinen Augen sehen. Dean wandte sich ab, brach den Blickkontakt. Ein Laut verließ seine Kehle, einem Seufzen ähnlich.

„Weißt du, du bist der beste Freund, den ich jemals hatte. Du bist wie ein Bruder für mich, Cas. Ich will, dass du das weißt.“ Was ich wegen Sam getan habe… Ich hätte dasselbe für dich getan. Ich würde für dich sterben. Doch diese letzten Worte würden seine Lippen nie verlassen. Dabei wollte er Cas doch noch so viel mehr sagen. Aber er konnte nicht. Er durfte es ihm nicht noch schwerer machen, denn tief in sich wusste der Jäger, worauf es hinauslaufen würde.
 

„Ich verstehe.“ Du bist wie ein Bruder für mich. Es tat weh. Jemanden als Teil seiner Familie zu bezeichnen, war wohl das größte Kompliment, das Dean geben konnte, aber es tat verdammt weh. Wieso? Wieso fühlte es sich so an? „Danke.“ Castiel rang sich ein Lächeln ab, das seine Augen jedoch nicht mehr erreichen würde.
 

 

"I'm begging you, please, bring him back. Bring him back and take me instead."

Dean zu Billy 11x17

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"Sometimes me and Sam have got so much going on that we forget about everyone else. But you're always there, you know? You're the best friend we've ever had. You're our brother, Cas. I want you to know that."

Dean zu Castiel 11x23


Nachwort zu diesem Kapitel:
Meine Destiel-FF "Die Lüge" kann als mögliche Fortsetzung gelesen werden.

Musik dazu:
Die For You - Starset
Die for You - The Seige
I Would Die 4 U - Noah Guthrie
Brother - Kodaline
Brother - Anna Pancaldi

"You'll never guess where the amulet has been the entire time!" Chuck S11

"Tell the nurse to bring me back, if she can. If not, no hard feelings, okay?" Dean 11x17

Cas: "I was just trying to help."
Dean: "Well, and you do help, Cas."
Cas: "You know, I -"
Dean: "You know, sometimes me and Sam have got so much going on that... we forget about everyone else."
Cas: "Well, you do live exciting lifes."
Dean: "Yeah, that's one word for it. But you're always there, you know?" [Dean looks over at Cas] "You're the best friend we've ever had. You're our brother, Cas. I want you to know that."
Cas [sad]: "Thank you." 11.23
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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  KiraNear
2020-12-26T22:58:47+00:00 26.12.2020 23:58
Hach, das macht zum einen fröhlich, aber auch schwermütig T_T


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