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Wer bin ich?

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben,
ja ihr seht richtig. Einige von euch kennen sie bestimmt schon. Es war meine erste Fanfiktion, die ich je geschrieben habe.
Nach langem Hin und Her überlegen, habe ich mich dazu entschlossen, sie zu überarbeiten und neu hochzuladen. Nach fast 3 Jahren hat sich doch einiges an meinen Schreibstil geändert, und da sie mir sehr ans Herz gewachsen ist, da es nun mal meine Erste überhaupt war, bekommt sie eine Überarbeitung und wird neu hochgeladen :)
Vielleicht hat der eine oder andere, auch wenn er sie schon kennt, dennoch Lust in die überarbeitete Version hinein zu schauen. Würde mich freuen :)

Da sie ja schon fertig ist, werde ich alle 1-2 Tage ein neues Kapitel hochladen.

Liebe Grüße,
Fiamma :) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Huhu,
da ich im Zuge der Überarbeitung, dass Kapitel Nummer 5 in zwei Teile geteilt hatte, gibt es direkt nun auch noch den zweiten Teil :) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Huhu ihr Lieben,
da mich ein fieser Infekt ans Bett gefesselt hat, konnte ich die letzten Tage leider nicht weiterhochladen,
nun geht es mir aber zum Glück schon etwas besser und hier mit geht es dann auch direkt weiter ^^

Liebe Grüße,
Fiamma :) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Huhu ihr Lieben,
hier gibt es nun das letzte Kapitel zu "Wer bin ich? 2.0"
Ich wollte mich auf diesem Wege noch ein Mal für eure tollen Kommentare bedanken, und hoffe, ihr hatte genau so viel Spaß beim Lesen, wie ich beim Schreiben bzw. nun beim Überarbeiten hatte :)

Und nun viel Spaß mit dem letzten Kapitel, ich hoffe, euch gefällt das Ende^^

Liebe Grüße,
Fiamma :) Komplett anzeigen

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Kapitel 1

 

Langsam öffnete sie blinzelnd ihre Lider, nur um sie im selben Moment wieder zusammen zukneifen. Das grelle Licht schmerzte ihr in den Augen. Wo war sie? Was war das für ein seltsames monotones Piepen und Surren ganz in ihrer Nähe? Vorsichtig öffnete sie erneut ihre Augen. Jedoch nur so weit, dass sie gerade so durch einen schmalen Schlitz verschwommen einige Konturen erkennen konnte. Nur langsam gewöhnte sie sich an das Licht. Dass ihr Kopf schmerzte und pochte, als würde ein Presslufthammer darinnen herumwüten, machte die ganze Sache nicht einfacher. Was war denn nur passiert? Immer weiter öffnete sie ihre Lider, bis sie es schließlich geschafft hatte, ihre Augen komplett zu öffnen. Sie blickte auf eine weiße Decke hinauf. Einfach nur weiß mit Lampen.

Langsam drehte sie ihren Kopf zur Seite. Sie lag offenbar in einem Bett. Ihr Blick wanderte weiter und so sah sie nun zu einem kleinen Waschbecken. Es war direkt gegenüber von ihr auf der anderen Seite des Raumes. So leise, wie es in dem Zimmer jedoch war, konnte sie die Tropfen hören, die sich nach und nach aus dem silbernen Wasserhahn lösten und leise im Becken landeten. Schwer atmend lauschte sie den Wassertropfen. Es mischte sich mit diesem monotonen Piepen und Surren.

Nachdenklich hörte sie der seltsamen Geräusche Kulisse zu, als ihr eine schlimme Erkenntnis kam. Sie konnte sich an nichts erinnern. An gar nichts. Nicht nur, dass sie nicht wusste, wo sie war oder warum. Nein. Sie erinnerte sich nicht ein Mal mehr an ihren eigenen Namen. Wer war sie? Zitternd wanderte ihr Blick über das Bett, in dem sie lag. Ihr Körper wurde von einer weißen Decke mit kleinen grünen und etwas größeren gelben Punkten bedeckt. Aber es sagte ihr gar nichts. In der Hoffnung irgendetwas zuerkennen, sah sie sich weiter in dem kleinen Zimmer um. Außer einem kleinen Tisch, auf dem ein paar Zeitschriften verteilt waren und zwei Stühle darum geschoben, entdeckte sie nur noch einen schmalen Schrank. War sie etwa im Krankenhaus?

Die Vorhänge waren zugezogen. So beschloss sie einen Blick durchs Fenster zu wagen. Vielleicht erkannte sie ja dadurch, wo sie sich befand. Schwerfällig versuchte sie ihren Körper aufzurichten. Doch egal, was sie auch probierte, er machte einfach nicht mit. Ängstlich versuchte sie ihren Arm zu heben und aus der Decke zu ziehen. Nach einiger Anstrengung schaffte sie es zum Glück auch und schlug die Bettdecke beiseite. Mit großen Augen starrte sie auf ihren Körper. Überall waren irgendwelche Kabel oder Schläuche. Sie folgten ihnen und blickte dadurch hinter sich. Monitore. Sie befand sich tatsächlich im Krankenhaus. Auch wenn ihr Körper ihr gehorcht hätte, so konnte sie unmöglich aufstehen.

Irritiert erweckte dann aber ein dünnes Armband an ihrem Handgelenk ihre Aufmerksamkeit. Achtsam hob sie ihre Hand und betrachtete das Armband genau. Es stand etwas herauf.

 

Usagi Tsukino

 

Grübelnd spielte sie mit dem Armband zwischen ihren Fingern herum. War das ihr Name? War sie Usagi Tsukino? Gedankenversunken blickte sie einfach nur auf das Armband. Seufzend wollte sie dann aber gerade ihre Augen schließen, da dieser Name ihr so gar nichts sagte, als plötzlich die Tür mit einem lauten Knacken geöffnet wurde. Erschrocken fuhr sie zusammen und drehte ihren Kopf zur Tür. Eine junge Frau stand auf der Türschwelle und sah sie mit großen Augen an. Sie hatte schöne lange braune Haare, die in einen Zopf zusammen geflochten waren. Ganz in weiß war sie gekleidet. Einzig allein ihre Turnschuhe waren in einem grellen gelb und leuchteten regelrecht dadurch. Ob sie die Frau kannte?

"W-wer … s-sind … Sie?", krächzte sie heißer und sie hatte große Mühe überhaupt einen Ton herauszubekommen. Ihre Kehle war staubtrocken und erst jetzt bemerkte sie dadurch, dass sie wahnsinnigen Durst hatte. Wie lange hatte sie nichts mehr getrunken?

Lächelnd trat die Braunhaarige näher an das Bett heran. „Miss Tsukino. Sie sind endlich erwacht.“

„Meinen … Sie … mich? Wo … bin … ich?“, flüsterte sie, da es deutlich besser ging, als laut zu sprechen.

"Können Sie sich denn an gar nichts mehr erinnern? Wissen Sie, wer sie sind?"

Kopfschüttelnd senkte sie ihren Kopf und blickte wieder auf das dünne Armbändchen herunter.

Die junge Frau setzte sich zu ihr auf die Bettkante und nahm ihre Hand in ihre.

„Ihr Name ist Usagi Tsukino. Sie hatten vor drei Monaten einen Unfall.“ Sanft strich sie ihr mit den Fingern über den Handrücken. „Sie sind ins Koma gefallen.“

Geschockt riss sie ihre Augen auf. Sie hatte einen Unfall? Vor drei Monaten? Sie hatte die ganze Zeit geschlafen?

„Tschh. Sprechen Sie am Besten noch nicht. Ruhen Sie sich aus. Ich werde ihren Arzt holen. Er wird alles Weitere mit Ihnen besprechen.“

Außer einem zaghaften Nicken brachte sie nichts zustande und so stand die junge Frau auf und verließ ohne ein weiteres Wort das Zimmer.

 

 

Die junge Frau ging den langen Krankenhausflur entlang, bis sie vor einer kleinen Tür stehen blieb. Schnell klopfte sie an dieser und drückte im selben Moment auch schon die Klinke herunter.

„Doktor Takahashi, Miss Tsukino ist soeben erwacht. Sie kann sich allerdings an nichts mehr erinnern".

Der schon leicht ergraute Mann nickte der Schwester zu, schloss die Akte, die er in der Hand hielt, und wollte sich gerade aufmachen, um zu seiner Patientin zu gehen, als er sich noch mal zu der Schwester drehte.

"Könnten Sie bitte die Familie Tsukino und Herrn Chiba verständigen?"

Die Braunhaarige nickte und begab sich sofort an den Computer, damit sie die Telefonnummern aus der Akte heraussuchen konnte.

 

 

Schwer atmend lag sie einfach nur da. Alles drehte sich. Aber es waren viel mehr ihre Gedanken als wirkliche Schwindelgefühle. Sie tippte sich gegen die Stirn und drehte eine Haarsträhne um ihren Finger. Sie waren blond. Sie hatte also blonde Haare. Und ziemlich Lange, wie sie fand.

„Usagi Tsukino“, murmelte sie leise den Namen und wiederholte ihn immer wieder in ihren Gedanken. Doch all das Grübeln brachte nichts. Sie konnte mit diesen Namen, ihrem Namen, einfach nichts anfangen. Wie sehr sie sich auch anstrengte. Laut auspustend sah sie an sich herunter. Sie trug einfach nur eines dieser Krankenhaushemdchen. Es klopfte an der Tür und riss sie dadurch aus ihren Gedankengängen heraus. Ein älterer Mann mit einem weißen Kittel betrat das kleine Zimmer.

"Miss Tsukino, wie schön, dass Sie endlich aufgewacht sind. Ich bin Doktor Takahashi".

Sie nickte und so kam der Arzt näher auf sie zu. Er zog sich einen Stuhl neben ihr Bett, setzte sich und hielt eine Akte vor sich.

„Sie können sich also an nichts mehr erinnern?“

„Nein … an gar nichts. Was ist überhaupt passiert?“, krächzte sie erneut.

„Sie hatten eine schlimme Kopfverletzung … “

Der Arzt begann haargenau ihre Verletzung zu erklären und ordnete noch ein paar Tests an.

"Werde ich mich denn wieder an alles erinnern können?"

„Das können wir zum jetzigen Zeitpunkt leider noch nicht genau sagen. Auf kurze oder lange Sicht kommen in den meisten Fällen die Erinnerungen jedoch zurück … Wir verständigen auch gerade ihre Angehörigen, dass Sie erwacht sind, und werden sie, bevor sie zu Ihnen kommen, auch über ihre momentane Situation aufklären. Damit sie Sie nicht überfordern." Ein letztes Mal lächelte er sie an und verschwand dann aus dem Zimmer.

Ihre Angehörigen? Wer mochte das wohl sein? Würde sie sie erkennen? Da ihr Kopf aber wieder anfing zu schmerzen, beschloss sie, es einfach auf sich zu kommen zu lassen und abzuwarten, bis sie da wären.

 

 

 

Hastig rannte Mamoru hin und her und packte seine Sachen zusammen. Er war spät dran. Aber er brauchte die Runde joggen einfach um den Kopf freizubekommen, bevor er los zu seinem Seminar losfahren musste. Er hatte ohnehin nicht wirklich Lust dazu und hatte sowieso erst nach langem Zögern zugesagt gehabt, auch wenn es sehr wichtig war, an diesem Lehrgang teilzunehmen. Aber er wollte dort nicht hin. Er wollte hier in Tokio bleiben. Bei ihr. Erst nachdem Usagis Mutter lange mit ihm gesprochen hatte und ihm zugeredet hatte, dass Usagi es bestimmt nicht gewollt hätte, wenn er es verpasst hätte, hatte er zugestimmt. Ikuko hatte ja schon recht. Er konnte an ihrem Zustand nichts ändern, egal ob er hier bliebe oder an diesem Kurs teilnahm. Und er ging auch nur über zwei Tage. Nachdem ihm Usagis Eltern vergewissert hatten, dass sie sich sofort melden würden, wenn sich etwas ändern würde, hatte er schließlich doch zugesagt.

Schwungvoll griff er nach seiner Reisetasche, stopfte wahllos irgendwelche Kleidungstücke hinein und warf sie auf sein Bett. Unweigerlich fiel sein Blick dabei auf ein Bild von ihm und Usagi. Mit zittrigen Fingern nahm er es in die Hand. Sofort musste er dadurch an die glückliche Zeit denken, als das Bild entstanden war und Tränen sammelten sich in seinen Augen. Ob es jemals wieder so sein würde?

Er dachte an den Tag vor drei Monaten zurück, als noch alles in Ordnung war.

 

Sein Leben konnte nicht besser sein. Es waren keine neuen Feinde aufgetaucht und alle lebten glücklich. Er hatte mit ihr einen schönen Tag verbracht. Sie waren im Vergnügungspark gewesen. Danach waren sie noch zum Hikawa Tempel gegangen, da sie dort mit ihren Freunden verabredet waren.

Sie gingen etwas früher als die anderen und hatten sich verabschiedet. Sie wollten noch mit Usagis Eltern sprechen. Endlich wollten sie zusammenziehen. Sie gingen gerade die lange Treppe vom Tempel hinunter, als sich Usagi plötzlich umdrehte, da sie dachte, sie hätte jemanden gehört. Er ging derweil schon weiter hinunter. Als er schon fast unten angekommen war, rief er dann aber fragend hoch, ob alles Okay wäre, da sie da wie angewurzelt mit dem Rücken zu ihm stehen blieb. Sie drehte sich um und lächelte ihn an.

Nein, nein, alles Okay", rief sie zu ihm runter.

Doch mit einem Mal bekam er das komische Gefühl, als ob irgendjemand hinter ihr stehen würde. Er konnte aber niemanden sehen. Und dann geschah es auch schon.

Ohne Vorwarnung kam sie plötzlich ins Straucheln, verlor den Halt unter ihren Füßen und fiel schwungvoll die Stufen herunter. Es war beinahe so, als hätte sie jemand geschubst. Sie fiel und kullerte immer weiter und schlug dabei immer wieder mit dem Kopf und mit dem Rücken auf den Steinstufen auf. Er konnte überhaupt nichts machen. Er stand zu weit weg und konnte nichts unternehmen, außer zusehen, wie sie immer weiter über die Treppe fiel.

Sie wurde langsamer und blieb mit dem Gesicht nach unten auf einer Stufe liegen. Geschockt stand er wie versteinert da und konnte sich nicht rühren. Sie bewegte sich nicht mehr.

Doch dann ertönte ein lautes Stöhnen und er konnte sehen, wie sie sich wieder aufrappelte. Wankend richtete sie sich auf und drückte ihre Hand gegen ihren Kopf. Sofort nahm er seine Beine in die Hand und rannte zu ihr. Helfend stützte er sie und legte seine Arme um sie herum. „Geht es dir gut?“

"Ja, alles in-“ Doch weiter kam sie nicht.

Sie sackte plötzlich bewusstlos zusammen. Er konnte sie gerade noch festhalten, damit sie nicht ein weiteres Mal mit dem Kopf aufschlug. Vorsichtig hielt er sie fest und legte ihren Kopf behutsam auf seinen Schoß. Als er seine Hand langsam wegnahm, erfror sein Gesicht zu Stein. Seine Hand war voller Blut …

 

„Usako … “

Mit einem tiefen Seufzer stellte er das Bild zurück auf seinen Nachtschrank und zog mit einer Handbewegung die oberste Schublade auf. Bücher, eine Taschenlampe und eine kleine Schachtel füllten die kleine Schublade. Er interessierte sich im Moment aber nur für die Schachtel. Vorsichtig schob er sie auf, nahm etwas heraus und legte es in seine Hand. Es war Usagis Brosche. Er hatte sie damals, damit sie nicht in falsche Hände geriet, als sie ins Krankenhaus kam, an sich genommen. Da sie aber einfach nicht erwachte, setzte er sich mit den Sailor Kriegerinnen zusammen. Sie berieten, was mit ihr passieren sollte. Einstimmig waren alle dafür gewesen, dass er auf sie aufpassen und aufbewahren sollte. Usagi hätte dies bestimmt gewollt, hatten sie gesagt. Seit diesem Tag hütete er nun also die Brosche wie einen Schatz. Es gab ihm auch ein wenig Trost. Hatte er so immerhin das Gefühl wenigstens einen kleinen Teil von ihr in seiner Nähe zu haben. Da er nun zwei Tage fort sein würde, steckte er die Brosche, um sie mitzunehmen, in seine Hosentasche.

 

Als er alles fertig gepackt hatte, schaute er noch ein Mal durch die Wohnung, ob alle wichtigen Geräte ausgestellt waren. Schnell schnappte er sich seine Tasche. Wenn er sich jetzt nicht beeilte, kam er hoffnungslos zu spät. Hastig eilte er daher zur Haustür und verließ die Wohnung.

 

Gerade, als er die Tür verschlossen hatte und Richtung Fahrstuhl spurtete, klingelte sein Telefon. Dies aber hörte er schon nicht mehr …

 

Kapitel 2

 

Angespannt lag sie auf ihrem Bett und wartete. Sie war schon sehr neugierig auf die Personen, die der Arzt ihre Angehörigen nannte. Allerdings hatte er ihr nicht gesagt, ob er damit ihre Eltern, Freunde, Verwandte oder wen ganz anderes meinte. Blöderweise kam sie auch in dem Moment nicht auf die Idee, ihn zu fragen, wen er meinte. Daher war sie jetzt umso gespannter.

Ein paar Mal hatte es schon an der Tür geklopft, doch jedes Mal war es eine Schwester oder ein Pfleger gewesen, der sie für eine Untersuchung abgeholt hatte.

Unsicher zupfte sie an ihrem Shirt herum. Einer der Schwestern hatte ihr neue Wäsche gebracht und nachdem sämtliche Schläuche entfernt wurden, hatte sie ihr beim Umziehen geholfen. Es waren ihre eigenen Sachen. So hatte man ihr gesagt. Sie wurden extra für sie hier hinterlegt. Aber sie konnte überhaupt nichts damit anfangen. Für sie war es bloß einfach eine weiße Jogginghose und ein rosarotes Shirt. Auch der kleine Häschen Aufnäher auf der linken Brustseite löste keine Erinnerung bei ihr aus. Nichts. Also blieb ihr nichts anderes übrig, als der Schwester zu glauben.

Ihre Haare hatte man ihr auf ihren Wunsch hin auch durchgekämmt und zu einem langen Zopf gebunden.

Seufzend tippte sie erneut auf dem Armband herum. Nun lag sie hier, starrte die Decke an und versuchte nicht zu aufgeregt zu sein. Da aber auch nach weiteren Minuten des Wartens nichts weiter geschah, wurden ihre Augen immer schwerer. Jede kleinste Bewegung strengte sie noch an und sie hatte das Gefühl, als müsste ihr Körper alles neu lernen. Immer schwerer wurden ihre Lider, bis sie allmählich einschlief.

 

Lautes Gepolter weckte sie unsanft aus ihrem Schlaf. Erschrocken riss sie ihre Augen auf, als jemand sie grob an der Schulter schüttelte. Als sie sich herumdrehte, blickte sie direkt in das Gesicht eines Pflegers. Zumindest ging sie davon aus, da er dieselbe Kleidung, wie die anderen trug. Grimmig sah er zu ihr herunter.

"Sie müssen sofort mitkommen!", brüllte er schon fast.

Langsam richtete sie sich auf und betrachtete ihn. Irgendetwas an ihm jagte ihr einen eiskalten Schauer durch ihren Körper. Irgendetwas Böses strahlte er aus. Und das lag nicht daran, dass sich eine lange Narbe über seine rechte Wange zog. Auch nicht daran, dass ihm seine dunklen Haare wirr vom Kopf abstanden, oder dass er viel größer als sie war. Nein, das war es nicht. Sie konnte es sich selbst nicht erklären. Er war ihr aus irgendeinem Grund unheimlich.

„Na los. Stehen Sie auf und kommen Sie sofort mit!“

„J-ja … O-okay“, stammelte sie leise und rutschte vorsichtig über die Bettkante. Eingeschüchtert stand sie auf. Sie wusste selbst nicht, warum sie schon beinahe so etwas wie Angst in seiner Gegenwart verspürte.

Ruckartig deutete er mit seinem Zeigefinger auf die Tür und lief los. Obwohl ihr nicht ganz wohl dabei war, ging sie mit ihm mit. Vermutlich sollte er sie zu einer weiteren Untersuchung bringen und hatte einfach nur einen schlechten Tag heute.

Ohne etwas zu sagen, ging er vor und schweigend folgte sie ihm langsam. Sie hatte große Mühe ihm hinterher zukommen. Ihre Beine waren wie Pudding und mit jedem Schritt wurde es schwieriger.

„I-ich … Ich kann nicht mehr“, keuchte sie nach einigen Minuten und hielt sich an der Wand fest. Sie verstand nicht, warum er nicht wie die anderen heute, sie in einem Rollstuhl abgeholt hatte. Der Arzt hatte doch gesagt, sie sollte sich noch nicht anstrengen. Er schien plötzlich irgendetwas zu murmeln. Was hatte er denn jetzt? Doch bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, drehte er sich um und packte sie am Arm. Grob zog er sie so mit sich mit.

„Hey!“

Tonlos zerrte er sie mit sich mit und brachte sie in ein Abteil des Krankenhauses, welches sehr weit von ihrem Zimmer entfernt war und irgendwie verlassen wirkte. Schon seit einiger Zeit waren ihnen keine Personen mehr entgegen gekommen. Die ganze Sache wurde ihr immer unheimlicher. Wo wollte er denn mit ihr hin? Hier war doch nichts. Was sollte also hier also für eine Untersuchung gemacht werden?

„Wo bringen Sie mich hin?“

Doch anstatt ihr zu antworten, zog er sie einfach weiter. Sein Gesichtsausdruck wurde immer bösartiger und augenblicklich bekam sie es mit der Angst zu tun. Das hier ging doch nicht mit rechten Dingen zu.

„Lassen Sie mich los! Ich will zurück!“ Sofort versuchte sie sich aus seinem Griff zu befreien, doch in ihrem Zustand hatte sie einfach keine Chance gegen ihn. Seine Finger bohrten sich einfach weiter in ihren Arm. Zitternd stiegen ihr die Tränen in die Augen.

„Was wollen Sie denn von mir?“

„Was ich von dir will?“

Knurrend steuerte er eine Tür an, riss sie auf und trat auf die Türschwelle.

„Das wirst du noch früh genug erfahren.“ Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, schubste er sie auch schon schwungvoll in das dunkle Zimmer hinein. Sie verstand überhaupt nichts mehr.

„W-was … was soll das hier?“

Doch wieder kam keine Antwort von ihm. Stattdessen baute er sich einfach vor der Tür auf, sodass sie keine Möglichkeit mehr hatte herauszukommen. Vorsichtig drehte sie sich herum und versuchte irgendetwas in dem kleinen Zimmer zu erkennen. Es wirkte recht klein und es hatte keine Fenster. Da das Licht ausgeschaltet war, konnte man kaum etwas erkennen. Einzig allein das Licht aus dem Flur erhellte den Raum minimal.

Ein lautes Poltern ließ sie dann aber aufschrecken. Langsam drehte sie sich zu dem Geräusch herum, doch sie konnte nur einen Schatten erkennen. Es war einfach viel zu dunkel hier. Ganz langsam schien er sich aber ihr zu nähern. Was war das? Panikartig drehte sie sich zur Tür zurück. Sie wollte, so schnell es ging, hier verschwinden. Raus aus diesem Zimmer. Doch hatte sie die Rechnung ohne den Pfleger gemacht. Er ließ sie einfach nicht hindurch.

„Lass mich raus!“, schrie sie ihn an, aber er bewegte sich kein Stück zur Seite. Stattdessen packte er sie plötzlich an ihrem Hals und beugte sich ganz nah zu ihrem Gesicht herunter.

"Schrei nur. Dich wird hier eh niemand hören", flüsterte er ihr zu, schubste sie erneut, wodurch sie rücklings auf dem Boden landete.

Der Schatten kam immer näher und jetzt konnte sie auch erkennen, dass es sich dabei um einen zweiten Mann handelte. Er war genau so groß, wie der andere. Sie sahen sich ziemlich ähnlich, nur dass dieser braune Haare bis zum Kinn hatte. Beide Männer kamen langsam immer näher auf sie zu und standen jetzt nur noch einen halben Meter von ihr entfernt.

Schwer schluckend sah sie abwechselnd zwischen dem vermeintlichen Pfleger und dem anderen Mann hin und her. Schief grinsend starrten sie sie einfach an. Allmählich kullerten ihr dicke Tränen über die Wangen. Wo war sie hier nur herein geraten. „W-was wollt ihr von mir?“

Beide lachten laut auf und traten noch näher an sie heran. Der Schwarzhaarige beugte sich ganz nah zu ihr herunter. Sie konnte seinen warmen Atem in ihrem Nacken spüren. Sofort lief es ihr es eiskalt den Rücken hinunter. Mit einem Ruck packte er sie plötzlich und schlang ruppig seine Arme um ihren Oberkörper herum. Sie drückten dabei genau auf ihre Brüste.

„Hübsche Dinger“, hauchte er ihr ins Ohr, was sie sofort erstarren ließ. Was hatten die beiden mit ihr vor? Bevor sie aber noch weiter darüber nachdenken konnte, schnappte der andere wortlos ihre Beine und hob sie hoch.

„Lasst mich los“, schluchzte sie laut, und versuchte sich aus den Fängen der beiden zu befreien. Aber so, wie sie von ihnen festgehalten wurde, hatte sie einfach keine Chance.

„Was wollt ihr denn von mir?“ Erneut versuchte sie mit ihren Beinen zu strampeln und wand sich in den Armen des Schwarzhaarigen. Doch es war zwecklos, die beiden waren einfach viel stärker als sie.

Sie gingen mit ihr aus dem Zimmer heraus und trugen sie durch einen langen Flur. Die Schuhe der beiden quietschten auf dem gummiartigen Boden. Sonst war weit und breit nichts zu hören oder zu sehen. Warum waren hier denn keine Menschen? Warum kam denn keiner, um ihr zu helfen? Zitternd flehe sie die beiden immer wieder an, sie loszulassen. Unbeirrt gingen diese jedoch einfach weiter, bis sie aus einer etwas größeren Glastür traten. Direkt davor stand ein großer weißer Transporter und die Tür zum Laderaum stand offen. Sie trugen sie davor, grinsten sie kurz an und schmissen sie dann regelrecht dort hinein. Bevor sie die Chance hatte, wieder herauszuspringen, knallten sie ihr die Türen vor der Nase zu. Sofort versuchte sie von hier drinnen, sie wieder zu öffnen. Jedoch ohne Erfolg. Lautstark klopfte und hämmerte sie gegen die Tür.

„Lasst mich raus! Hallo? Ist da jemand? Ich bin hier drinnen!“ Immer wieder schrie sie heraus. In der Hoffnung, dass sie irgendjemand hören würde. Aber es kam niemand. Sie merkte, wie der Wagen gestartet wurde. Er fuhr los, wodurch sie durch den Ruck zu Boden fiel. Er musste mit einem irren Tempo gestartet sein, schoss ihr durch den Kopf. Hektisch rappelte sie sich wieder auf, hämmerte, trat und schrie weiter, auch wenn sie wusste, dass dies vermutlich nichts bringen würde. Sie weinte bitterlich. Ihre Tränen liefen ihr das Gesicht herunter und tropften auf den dreckigen Boden des Fahrzeugs.

Nach ein paar Minuten sackte sie, so entkräftet, wie sie noch war, erschöpft zusammen und mit einem Mal wurde alles schwarz vor ihren Augen.

 

Sie fuhren lange, ohne anzuhalten. Die Fahrt war auf den größtenteils abgelegenen Ackerstraßen sehr holprig. Usagi kullerte hin und her. Doch aufwachen tat sie davon nicht. Zu abgekämpft und entkräftet war sie. Unruhig war ihr Schlaf.

 

Sie träumte von ihren zwei Peinigern. Dazwischen blitzten ihr allerdings immer wieder merkwürdige Bilder vom Mond und einen Kristall auf. Sie versuchte den Kristall in die Hand zu nehmen. Bevor sie ihn erreichen konnte, verschwamm das Bild wieder.

 

Die Fahrt endete in einem kleinen Waldstückchen vor einer kleinen Hütte. Die beiden Männer stiegen aus und gingen auf die kleine Hütte zu, vor der schon jemand auf sie wartete.

"Akita, Akuma, habt ihr sie?"

Die beiden Männer nickten.

"Dann bringt sie ins Haus und alles läuft weiter wie geplant!"

Mit einem Grinsen im Gesicht verschwand die Person wieder.

Akita und Akuma gingen zum Transporter zurück und öffneten ihn. Usagi lag dort noch immer schlafend.

"Pah und DAS soll die ach so tolle Prinzessin sein? Die Stärkste im ganzen Universum?", lachte Akita.

"Wir könnten dich hier und jetzt erledigen. Kannst froh sein, dass SIE andere Pläne mit dir hat", spottete Akuma und warf sich seine braunen Haare triumphierend nach hinten.

"Aufstehen, mitkommen!", brüllte Akita und hämmerte dabei auf den Boden des Transporters.

 

Zaghaft öffnete sie ihre Augen, blinzelte ein paar Mal und sah ängstlich zur geöffneten Autotür herüber. Starr vor Angst, konnte sie sich keinen Zentimeter bewegen. Wo hatten die beiden sie nur hingebracht?

„Wird`s bald! Na los!“

Der Schwarzhaarige schien ziemlich genervt zu sein, da es ihm offensichtlich zu lange dauerte. Doch egal, wie sehr er auch schimpfte. Sie war einfach nicht in der Lage sich auf irgendeine Weise zu bewegen. Mit einem Satz sprang er plötzlich zu ihr in den Laderaum, schnappte sich ihren Arm und zerrte sie heraus.

„Bitte, was wollt ihr denn von mir? Wollt ihr Geld? Ich weiß nicht, ob ich-“

„Halt die Klappe!“, knurrte er und schleppte sie zu einer kleinen Holzhütte herüber. Mit schnellen Schritten überholte der Braunhaarige die beiden und öffnete die Tür.

"Rein da!"

Forsch wurde sie hineingeschoben und keine Sekunde später knallten sie die Tür hinter ihr zu. Sie hörte, wie etwas im Schloss herumgedreht wurde und so versuchte sie sofort die Tür wieder zu öffnen. Zwecklos. Sie war zu. Abgeschlossen. Verzweifelt schlug sie mit den Handflächen gegen das Holz.

„Bitte. Bitte lasst mich doch gehen. Was wollt ihr denn von mir?“ Minutenlang versuchte sie vergebens aus der verdammten Tür zu kommen.

Mit ihren Kräften am Ende lehnte sie sich mit dem Rücken gegen die Tür, vergrub ihr Tränen verschmiertes Gesicht in ihren Händen und rutschte kraftlos zu Boden. Eng zog sie ihre Beine an ihren Körper und schmiegte ihre Arme darum. Immer noch weinend legte sie ihren Kopf auf ihre Knie. Und blieb sitzen.

Eine ganze Weile saß sie so zusammengekauert einfach nur da. Sie verstand überhaupt nicht, was das alles sollte. Sie erwachte in einem Krankenhauszimmer, ohne jegliche Erinnerung, bekam irgendwelche Untersuchungen und wartete auf Menschen, die sie kennen sollte. Und zu guter Letzt wurde sie in eine kleine Hütte irgendwo im Nirgendwo verschleppt. Dicke Tränen kullerten ihr ungehindert die Wangen herunter. Warum passierte das alles mit ihr? Wer war sie? Und wer waren diese Typen, die sie hierher brachten?

 

Kapitel 3
 

Nachdem sie sich ein wenig beruhigt hatte, wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht und schaute vorsichtig auf. Es war vermutlich besser, sich anzusehen, wo sie hier überhaupt eingeschlossen wurde. Vielleicht fand sie ja irgendwo einen Weg hinaus. Sie hatte zwar keine große Hoffnung fündig zu werden, aber einen Versuch war es wert. Zitternd klammerte sie ihre Finger um die Türklinke und zog sich, um sich einen groben Überblick zu verschaffen, an ihr hoch. 

Sie stand in einem großen Zimmer. Einen Flur oder Eingangsbereich gab es nicht. Rasch suchte sie erst ein Mal nach einem Lichtschalter oder einer Lampe, damit sie sich ein wenig Licht machen konnte. Draußen wurde es immer dunkler und man konnte dadurch hier drinnen immer weniger erkennen. 

Direkt neben der Tür fand sie zum Glück auch einen Schalter, der zu einer kleinen Deckenlampe gehörte. Sie gab zwar nicht viel Licht her, aber man konnte wieder etwas sehen. 

Vorsichtig ging sie weiter in den Raum hinein und ihr Blick wanderte umher. Viel gab es hier nicht. An der einen Wand stand eine große abgewetzte rote Couch, auf der ein Kissen ohne Bezug und eine braune Wolldecke lagen. Direkt vor ihr stand ein kleiner Tisch mit nur einem Stuhl. Das war es dann auch schon. 

Sie ging ein paar Schritte in den Raum hinein und entdeckte eine kleine Tür. Langsam lief sie zu ihr und machte sie vorsichtig auf. Laut quietschte es dabei und erschrocken wich sie kurz einen Schritt zurück. Achtsam lugte sie hinein. Es war ein winziger kleiner Raum, ohne Fenster, mit einer Toilette und einem kleinen Waschbecken. Dort kam sie somit auch nicht heraus. Rasch lehnte sie die Tür wieder an und drehte sich wieder herum. 

Niedergeschlagen schlang sie ihre Arme um ihren Körper herum. Warum hatten sie sie bloß hier hergebracht? Wie lange sollte sie hier bleiben? Erneut stiegen ihr die Tränen in die Augen und schnell versuchte sie sie zu unterdrücken. Sie musste einen Weg hinaus finden. Ihr Blick wanderte erneut durch den Raum, als sie große Augen bekam. Die Fenster. Vielleicht konnte sie durch eines der beiden hinausklettern. Ohne Zeit zu verlieren, steuerte sie zuerst das Fenster neben der Tür an. Genau, wie das über dem Sofa, waren auch hier Vorgänge vorgezogen. Vorsichtig schob sie den blauen Stoff ein kleines Stück zur Seite. Gerade soviel, dass sie herausgucken konnte. Eine erste Enttäuschung machte sich in ihr breit. Das Fenster war mit einem Gitter versehrt. Da war nichts zu machen, dort käme sie nicht raus. Sie zog die Gardine noch ein Stück weiter auf und konnte so vor das Haus schauen. Die beiden Männer standen vor dem Transporter und diskutierten lautstark. Über was konnte sie aber nicht verstehen und so zog sie die Gardine wieder zu. 

So schnell sie ihre Beine trugen, eilte sie zum zweiten Fenster. Einen Fuß nach dem anderen stellte sie sich dazu auf das Sofa, streckte ihre Hand aus und hob den Stoff des Vorhangs etwas hoch.

„Scheiße“, murmelte sie leise und ließ sich niedergeschlagen auf die Couch fallen. Auch dieses Fenster war mit einem Gitter versperrt. Was sollte sie jetzt nur machen? Es gab keinen Weg hier raus. Was wollten sie denn nur von ihr? Wollten sie möglicherweise Geld? Wollten sie ihre Angehörigen erpressen? Sie hatte ja keine Ahnung, wer sie war. War sie oder ihre Familie vielleicht vermögend? Erneut stiegen ihr die Tränen in die Augen. Wenn es das aber nicht sein sollte, was wollten sie dann von ihr? 

Schluchzend griff sie nach dem Kissen und drückte es fest an ihren Körper. Es gab ihr ein wenig Halt, um nachzudenken. Mit ihren Füßen tippte sie auf dem Boden herum und betrachtete dadurch ihre Schuhe. Es waren einfache Hausschuhe, die man ihr gegeben hatte. Erst jetzt schaute sie sie so richtig an. Schlichte weiße Hausschuhe. Ob sie so welche früher schon getragen hatte? Kurz schniefte sie laut auf. Über was dachte sie da nach. Sie war hier gefangen und sie machte sich Gedanken um ihre Hausschuhe. Weinend vergrub sie ihr Gesicht in dem Kissen, als plötzlich das Klappern eines Schlüssels in ihre Ohren drang. Augenblicklich sah sie wieder auf und im selben Moment, wurde auch schon ein Schlüssel im Schloss herumgedreht. Mit einem Ruck wurde die Tür geöffnet und die beiden Männer standen grinsend auf der Türschwelle. Zitternd drücke sie das Kissen noch fester an sich. Irritiert sah sie dann aber auf den Schwarzhaarigen. Er hatte eine kleine Plastiktüte in der Hand. Ohne ein Wort zu sagen, ging er damit zu dem kleinen Tisch und knallte die Tüte herauf. Der andere wiederum machte nur eine schnippische Bemerkung, die sie nicht verstand, und verschwand aus ihrem Blickfeld.

Mit großen Augen sah sie auf die Tür. Der Weg nach draußen war völlig frei. Ohne einen Mucks zumachen, blickte sie herüber zu dem Schwarzhaarigen. Wild kramte er irgendwelche Sachen aus der Tüte. Er achtete überhaupt nicht mehr auf sie. Das war ihre Chance. Ohne nachzudenken, ließ sie das Kissen fallen und rannte, so schnell es ihr möglich war, Richtung Ausgang. Sie spürte schon die warme Luft auf ihrer Haut. Nur noch wenige Meter und sie hatte es geschafft. 

Doch hatte sie die Rechnung ohne den Braunhaarigen gemacht. Blitzartig stand dieser wieder mitten im Türrahmen.

„Nicht so schnell, Kleines.“, knurrte er.

Er packte sie, ging mit ihr zurück zur Couch und warf sie wieder herauf. Böse bauten sich die beiden vor ihr auf. Tonlos sah sie sie an und traute sich nicht mehr, sich auch nur einen Zentimeter zu bewegen oder gar zu atmen. Ganz langsam beugte sich der Schwarzhaarige zu ihr herunter und legte seine Finger unter ihr Kinn. 

„Das würde ich nicht noch ein Mal versuchen.“ Mit einem lauten Schnaufer ließ er sie wieder los und zeigte dann auf den Tisch. Er hatte eine kleine Schachtel und eine kleine Wasserflasche herauf gestellt.

„Eigentlich hast du es nicht verdient nach der Nummer gerade, aber wenn du hier vor Hunger umkippst, bist du uns nicht mehr von Nutzen.“ Er giftete ihr die Worte regelrecht entgegen und schwer musste sie dadurch schlucken. Nicht mehr von Nutzen? Was hatten sie denn nur mit ihr vor?

Immer noch schweigend sah sie die beiden voller Furcht an. Was wollten sie denn nur von ihr? Warum sagten sie ihr es denn nicht einfach?

Ohne ein weiteres Wort drehten sich die beiden herum, verließen wieder die Hütte und schlossen die Tür hinter sich ab. Sie konnte hören, wie eine Autotür zugeknallt wurde, aber den Transporter wegfahren, hörte sie nicht. Da sie sich aber immer noch nicht traute, sich zu bewegen, konnte sie es jedoch nicht mit Gewissheit sagen.

Eine halbe Ewigkeit saß sie einfach auf der Couch und starrte die Tür an. Immer wieder hallten ihr die Worte des Schwarzhaarigen durch den Kopf. Nicht mehr von Nutzen? Wofür sollte sie bitte von Nutzen sein? Sie wusste ja selbst nicht ein Mal, wer sie überhaupt war. 

Ein lautes Knurren aus ihrer Magenregion riss sie dann allerdings aus ihren Gedanken heraus. Schwer atmend schlang sie ihre Arme um ihren Bauch. Sie hatte, seitdem sie in dem kleinen Krankenhauszimmer wach wurde, nur eine Kleinigkeit zu essen bekommen. Und das müsste jetzt schon Stunden her gewesen sein. 

Hin und her überlegend sah sie auf die kleine Schachtel vor sich auf dem Tisch. Sie hatte wirklich großen Hunger, aber sollte sie das wirklich essen? Nachher war damit irgendetwas nicht in Ordnung.

Da sich ihr Magen aber erneut lautstark zu Wort meldetet und er ihr mittlerweile schon in die Knie rutschte, beschloss sie, es sich wenigstens ein Mal anzuschauen. Vorher wollte sie allerdings aus dem Fenster sehen, wo die beiden Typen waren. Vielleicht waren sie ja doch weggefahren. Leise und achtsam schlich sie zum Fenster herüber, schob die Gardine zur Seite und lugte aus dem kleinen Gardinenspalt heraus. Der Transporter stand noch da. Kurz hatte sie gehofft, sie wären verschwunden und sie hätte irgendwie einen Weg finden können, aus der Hütte zu kommen. Aber da hatte sie vergebens gehofft. Die beiden saßen vorne im Fahrerhäuschen und schliefen offenbar. Schwer atmend zog sie das Stück Stoff wieder zu, setzte sich an den Tisch und nahm sich die Schachtel. Rasch öffnete sie sie und zwei große Reisbällchen kamen zum Vorschein. Musternd nahm sie sie heraus. Alles sah normal aus. Wenn sie das so beurteilen konnte. Auch an der Wasserflasche konnte sie nichts Verdächtiges erkennen. 

Da ihr Magen immer lauter knurrte, beschloss sie, es mit einem mulmigen Gefühl zu essen und zu trinken. Wenn sie sie umbringen wollten, hätten sie es bestimmt schon gemacht und sich nicht die Mühe gemacht, sie hier herzubringen.
 

Nachdem sie alles aufgegessen hatte und die halbe Wasserflasche leer getrunken war, ging es ihr schon etwas besser. Mit der Wasserflasche in der Hand setzte sich zurück auf die Couch. Wo sollte sie auch sonst hingehen. Sie merkte, wie ihre Augen immer schwerer wurden und allmählich wurde sie von ihrer Müdigkeit überrollt. Sie schaffte es gerade so noch, sich die Wolldecke zu schnappen, sich damit zu zudecken und schon fielen ihr die Augen zu.
 

Usagi wälzte sich im Schlaf hin und her und träumte wieder von den Männern und dem Mond. Auch der Kristall blitzte immer wieder dazwischen, aber auch dieses Mal konnte sie ihn nicht erreichen und er verschwand immer wieder vor ihren Augen.
 

Als sich die ersten Sonnenstrahlen durch die Gardinen bahnten, wachte sie langsam auf. An ihre Träume von voriger Nacht erinnerte sie sich allerdings nicht mehr. 

Müde rieb sie sich die Augen. Wie lange sie wohl geschlafen hatte? Langsam legte sie die Decke beiseite und stand auf. Als Erstes ging sie zum Fenster herüber. Sie musste wissen, wo die beiden waren. Achtsam, damit sie sie nicht bemerkten, sah sie hinaus. Sie schliefen anscheinend immer noch im Auto. Da sie vermutlich nicht in den nächsten Minuten hier auftauchen würden, ging sie schnell in das kleine Badezimmer herüber. Sie musste nun mittlerweile doch sehr dringend. Nachdem sie damit fertig war, drehte sie den Wasserhahn auf, beugte sich herunter und spritze sich einen ordentlichen Schwall Wasser ins Gesicht. Sie musste dringend einen klaren Kopf bekommen. Mehrere Male klatschte sie sich dazu auf ihre Wangen. Doch mit einem Mal erstarrte sie. Die Tür wurde aufgeschlossen. Sie kommen, schoss ihr sofort in den Kopf. Rasch drehte sie den Hahn wieder zu, warf die Tür zu und lehnte sich dagegen. Zitternd drückte sie sich mit ihrem gesamten Gewicht gegen das Holz. Es würde vermutlich nicht viel bringen, kämpfen hatte aber noch weniger Sinn, dachte sie sich. 

„Wo ist sie hin?“, brüllte einer der beiden und sofort begann ihr Herz zu rasen.

„Los! Such sie! Sie kann ja nicht verschwunden sein!“ Sie konnte deutlich hören, wie die beiden einige Sachen umher warfen und ein lautes Poltern ließ sie zusammenzucken. Ihr Herz pochte ihr nun immer stärker gegen die Brust und ihre Atmung wurde immer hastiger. Es durfte sich nur noch um Sekunden handeln, bis sie auf die Idee kamen, im Bad nachzusehen. 

„Du Idiot, sie ist mit Sicherheit dort hinten.“ Kurz herrschte Stille und zitternd versuchte sie keinen Ton von sich zu geben. Doch keine Sekunde später merkte sie schon, wie jemand versuchte die Tür zu öffnen.

„Komm raus! Verstecken bringt auch nichts!“ 

Verzweifelt stemmte sie sich noch stärker gegen die Tür. „Ich komme nicht raus. Was wollt ihr von mir?“

Einer von den beiden lachte spöttisch auf. Nach der Stimme zu urteilen, musste es der Braunhaarige sein. „Wenn du raus kommst, dann werde ich es dir schon zeigen.“

Ihr blieb die Spucke weg und starr vor Angst drückte sie sich krampfhaft einfach weiter gegen die Tür. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis einer der beiden sie hier rausholen würde. Was sollte sie nur machen?

„Komm jetzt raus oder wir kommen rein. Es gibt eh keinen Weg an uns vorbei.“

Keinen Ton gab sie mehr von sich. Er hatte recht, aber freiwillig rauskommen würde sie auch nicht.

„Akuma, geh zur Seite!“

Der Braunhaarige hieß also Akuma, schoss es ihr durch den Kopf. Zumindest hatte sie jetzt einen Namen von den beiden. Doch weiter kam sie nicht mit ihren Gedanken, da die Tür unter ihr plötzlich zu knarzen begann, und mit einem Ruck aufgestemmt wurde. Diesen starken Druck konnte sie nicht standhalten und landete mit ihrem Hintern auf dem Boden. Sie traute sich nicht hochzuschauen. Zu groß war ihre Angst, was sie jetzt mit ihr machen würden. 

Langsam kam er auf sie zu. Sie spürte jeden seiner Schritte. Der Holzboden knarrte unter seinem Gewicht. Je näher er kam, desto schneller wurden ihre Atemzüge. Sie zitterte am ganzen Körper. Im Augenwinkel konnte sie sehen, wie er seinen Arm nach ihr ausstreckte. Reflexartig hob sie abwehrend ihre Hände in die Luft und sah ihn nun doch direkt an.

„Bitte lasst mich doch gehen!“

Ohne etwas zu sagen, grinste er sie aber nur schief an und beugte sich zu ihr herunter, wodurch ihm seine schwarzen Haare über den Augen hingen. Bedrohlich sah er unter ihnen hervor und schnappte sie am Arm. „Glaubst du, du kannst mit uns Spielchen spielen?“ 

Schnaufend zerrte er sie aus dem kleinen Badezimmer heraus. Wieder stiegen ihr die Tränen in die Augen und schluchzend sah sie zwischen den beiden hin und her. Eine Handbewegung des Schwarzhaarigen hatte gereicht und dieser Akuma trat näher an sie heran.

„Durchsuche sie!“

Panikartig schnappte sie nach Luft. Durchsuchen? Wonach sollte er denn suchen? Sie hatte doch nichts außer ihrer Kleidung am Leib. Der Schwarzhaarige schnappte sich ihren zweiten Arm und hob beide nach oben. Sofort fing dieser Akuma an, sie von oben bis unten abzusuchen und somit überall zu betatschten. Schluchzend kniff sie ihre Augen zusammen und traute sich nicht, sich zu bewegen.

„Er ist nicht hier!“ 

Knurrend ließ der Schwarzhaarige von ihr ab und ohne ein weiteres Wort, wurde sie von den beiden stehen gelassen. Schnellen Schrittes verließen sie die Hütte. Nachdem sie das Knacken im Schloss vernahm und wusste, dass die Tür wieder verschlossen war, gaben ihre Beine nach und sie sackte, immer lauter schluchzend, auf dem Boden zusammen. Eng schlang sie ihre Arme um ihren Körper. Was sollte das alles hier? Wonach suchten die beiden?
 

Den Rest des Tages ließen sich die beiden nicht mehr blicken. Starr saß sie einfach die ganze Zeit auf der Couch. Wieso wurde sie nur verschleppt? Wonach suchten die beiden? Besaß sie etwas so Wichtiges, dass es wert war, sie zu entführen? Doch egal, wie sehr sie sich auch anstrengte, sie fand einfach keine Antwort darauf. Solange sie nicht wusste, wer sie war, würde sich daran vermutlich auch nichts ändern.

Immer dunkler wurde es, bis sie schließlich ganz im Dunkeln saß. Immer schwerer wurden ihre Lider. Ohne es zu wollen, fiel sie in einen unruhigen Schlaf.
 

Schweißgebadet saß sie senkrecht auf der Couch und schnappte hastig nach Luft. Sie konnte sich dieses Mal ganz genau an ihren Traum erinnern. Sie träumte vom Mond. Sie stand in einem schönen Palast. Viele Menschen waren um sie herum. Es gab einen Ball, auf dem sie tanzte. Es war ein schöner Traum. Sie war glücklich. Doch plötzlich wurde alles schwarz. Sie hatte das Gefühl zu fallen. Irgendwo im Dunkeln konnte sie einen Kristall funkeln sehen. Sie wollte zu ihm, ihn anfassen. So schnell sie konnte, eilte sie zu ihm. Doch als sie ihn fast erreicht hatte, begann sich alles zu drehen.

Nachdenklich wischte sie sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Was hatte das zu bedeuten? Einen Reim konnte sie sich nicht daraus machen. Es wirkte alles so real. Aber das war doch absurd. Ein Palast auf dem Mond? Was war das denn für ein verrückter Traum. Offenbar hatte sie eine blühende Fantasie. 

Kopfschüttelnd lehnte sie sich zurück. Ohne weiter darüber nachzudenken, was es bedeuten könnte, hakte sie es als Ergebnis der letzten Stunden ab. Ihr Blick wanderte zur Tür. Wann sie wohl wieder kamen?

Doch ganz zu ihrem Verwundern ließen sie sich den ganzen Tag nicht wirklich blicken. Ein einziges Mal öffnete sich die Tür. Aber sie sagten nichts. Stattdessen warfen sie ihr nur eine Tüte vor die Füße und verschwanden wieder. Sie fühlte sich wie ein Tier im Zoo, welches man anschaute und fütterte. 

Gedankenversunken rollte sie sich mit der dünnen Wolldecke auf dem Sofa zusammen. Ob man schon nach ihr suchte? Der Arzt hatte ja von ihren Angehörigen gesprochen. Oder hatten ihre Entführer schon irgendwelche Forderungen gestellt? Aus irgendeinem Grund musste sie ja hier sein.
 

Es war weit nach Mitternacht und Usagi schlief schon eine Weile, als Akita leise die Tür zu der kleinen Hütte aufschloss. Er hatte sich vergewissert, dass sein Bruder auch wirklich eingeschlafen war. Auf leisen Sohlen ging er zu der kleinen Couch herüber. Verächtlich blickte er auf sie herab. Da schlief sie, seelenruhig. Der Hass auf sie überrollte ihn. Sie konnte hier friedlich leben, wo er und seine Familie in Dunkelheit fristen musste. Ruckartig riss er die Decke von ihr herunter, packte sie an ihren Armen und setzte sich so auf sie herauf, dass sie keine Möglichkeit mehr hatte, sich zu bewegen. Wenn es ihm schon nicht erlaubt war, sie hier und jetzt auszulöschen, dann konnte er immerhin ein wenig Spaß mit ihr haben.
 

Panikartig öffnete sie ihre Augen und blickte direkt in ein hasserfülltes Gesicht herauf.

„Lass … mich … los …“, stammelte sie sofort und versuchte ihn von sich herunterzuschubsen. Doch er bewegte sich kein Stück. Stattdessen funkelte er sie bloß finster an und schien ihren Körper ganz genau zu mustern. Mit einem tiefen Stöhnen, was ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ, klemmte er seine Beine eng an ihre Hüfte heran. Schief grinsend ließ er ihre Arme los. Sofort begann sie dadurch auf seinen Oberkörper zu schlagen, was ihn jedoch nicht mal mit der Wimper zucken ließ. Stattdessen beugte er sich ganz nah mit seinem Gesicht zu ihrem. Sie spürte seinen warmen Atemhauch auf ihrer Haut und eine ekelerregende Alkoholfahne stach ihr in die Nase.

„Wir werden jetzt ein wenig Spaß haben“, flüsterte er ins Ohr und sie merkte, wie er seine Hände unter ihr Shirt wandern lassen wollte. Alle Alarmglocken begannen in ihrem Kopf zu schrillen und wild begann sie sich unter ihm zu winden.

„Runter! Lass mich los!“, schrie sie ihn an, strampelte wild mit ihren Beinen und versuchte ihn von sich wegzudrücken. Aber es gelang ihr einfach nicht, ihn abzuwehren. Er war einfach viel stärker als sie.

Mit einer Handbewegung hielt er ihr den Mund zu und bohrte seine Finger in ihre Haut.

„An deiner Stelle wäre ich schön leise, wenn dir dein Leben lieb ist. Ich kann noch ganz anders.“ 

Mit weit aufgerissenen Augen blickte sie in seine und sie wusste, er machte keine Scherze. Von Angst ergriffen erstarrte sie, als seine andere Hand unter ihr Shirt rutschte. 

Zitternd schloss sie ihre Augen. Sie wusste, sie hatte keine Chance gegen ihn. Eine einzelne Träne sammelte sich in ihrem Augenwinkel und kullerte langsam ihre Wange herunter. Sie hielt die Luft an, doch mit einem Mal spürte sie plötzlich eine unerklärbare Wärme durch ihre Adern strömen. Was war das? Schlagartig riss sie ihre Augen wieder auf und bemerkte dadurch, dass ihr gesamter Körper zu leuchten begann. Das Licht breitete sich immer weiter aus und schleuderte ihren Peiniger regelrecht von ihr herunter. Einige Meter flog er dadurch durch den Raum. 
 

Wutentbrannt rappelte sich Akita wieder auf und starrte auf die in Licht getauchte Usagi, wie sie über der Couch schwebte. Sie hob ihre Arme und langsam sank sie wieder zurück. Genau in diesem Augenblick betrat auch Akuma ebenfalls die Hütte und sah zwischen Akita und Usagi hin und her.

„Dieses Mal hast du noch mal Glück gehabt. Aber ich komme wieder!“, schnaufte Akita und verließ die Hütte. 

Draußen brüllte plötzlich eine Stimme, die nicht zu Akita gehörte. Kurz warf Akuma noch einen Blick auf die bewusstlose Usagi und verließ dann auch eilig die kleine Hütte. Rasch schloss er die Tür hinter sich ab und eilte dann in Richtung des Transporters. 

„Du Schwachkopf! Wegen dir wurde ein Stück in ihrem Unterbewusstsein geweckt. Nun müssen wir den nächsten Schritt früher beginnen“, zischte die Stimme aus der Dunkelheit zu Akita.

Dieser wollte gerade etwas dazu sagen, als er sofort unterbrochen wurde.

„Ich dulde keine Widerworte! Auch wenn ihr meine Brüder seid!“

Akita und Akuma nickten, stiegen daraufhin tonlos in den weißen Transporter und fuhren los.
 

Die Sonne ging mittlerweile auf und die Nacht verschwand. Unruhig wälzte sich Usagi hin und her. 

„Lass mich los!“, schrie sie mit einem Mal und saß senkrecht auf der Couch. Verwirrt sah sie sich um. Niemand war hier. Hatte sie nur geträumt? Müde rieb sie sich die Augen und atmete tief durch. Sie musste erst ein Mal ihre Gedanken sortieren.
 

Währenddessen näherten sich unbemerkt zwei Gestalten der Hütte …

Kapitel 4

 

Erschöpft zog er seinen Schlüsselbund aus der Tasche, schloss auf und betrat seine Wohnung. Gähnend warf er die Tür hinter sich zu. Viel später als geplant hatte er den Rückweg antreten können. Zu guter Letzt musste er natürlich auch noch in einen Stau geraten. Stöhnend sah er kurz auf seine Armbanduhr. Eigentlich wollte er nicht erst so spät am Abend zurück in Tokio sein. Aber sich darüber aufzuregen brachte jetzt auch nichts. Schließlich war er endlich wieder zu Hause. Etwas mehr als zwei Tage war er nun fort gewesen. Zwei Tage, an denen er nicht zu Usagi ins Krankenhaus fahren konnte und, in der Hoffnung, sie würde jeden Moment ihre Augen öffnen, ihre Hand halten konnte. Der Lehrgang hatte ihn zwar gut abgelenkt, dennoch schweiften seine Gedanken immer wieder zu ihr.

Rasch schlüpfte er aus seinen Schuhen und stellte seine Tasche erst ein Mal zur Seite. Zum Auspacken hatte er heute absolut keine Lust mehr. Es war sonst nicht seine Art etwas liegen zulassen, aber er war einfach viel zu müde. Er wollte nur noch schnell unter die Dusche und dann in sein Bett. Da sich Usagis Eltern nicht gemeldet hatten und auch keine Nachricht für ihn im Hotel hinterlegt worden war, hatte sich somit nichts geändert. Er hatte den netten Damen am Empfang seines Hotels schon regelrecht Löcher in den Bauch gefragt gehabt, ob es neue Nachrichten für ihn geben würde. Er wusste nicht warum, aber er war irgendwie die gesamte Zeit unruhig gewesen. Irgendetwas stimmte nicht. Er hatte nur keine Ahnung, was es war. Heute war es aber auch schon zu spät, um selber bei den Tsukinos noch mal anzurufen. Daher beschloss er morgen nach dem Frühstück einfach gleich zu Usagi ins Krankenhaus zu fahren. Er wollte sich an ihr Bett setzen und hoffen. Hoffen, dass sie bald erwachen würde und er wieder in ihre wunderschönen blauen Augen schauen könnte, die er so sehr vermisste. Er musste morgen nicht arbeiten und hatte dadurch den ganzen Tag Zeit.

Schnell schnappte er sich noch seine mit hochgebrachte Post und legte sie auf dem Flurschrank ab. Das konnte er alles morgen öffnen. Irritiert runzelte er dann aber seine Stirn, als er am Telefon vorbeikam. Das rote Lämpchen des Anrufbeantworters blinkte. Was hatte Motoki denn nun schon wieder? Sein Freund war eigentlich der Einzige, der auf das kleine Gerät sprach. Alle anderen probierten es einfach noch ein Mal, wenn er nicht zu erreichen war. Sie hielten nichts davon, mit einer Maschine zu reden. Selbst Minako, die sonst alles und jeden in Grund und Boden reden konnte, wenn sie aufgeregt war.

Vermutlich waren es wieder irgendwelche Änderungen im Sitzplatz oder Ähnliches, schoss es ihm durch den Kopf. Er freute sich für seinen Freund, keine Frage, dass er nun endlich heiraten würde. Und natürlich hatte er auch direkt zugesagt, als Motoki ihn gefragt hatte, ob er sein Trauzeuge sein würde, doch hatte er eigentlich keinen Kopf gerade für so etwas. Er wollte es Motoki nicht zeigen, aber stimmte es ihn auch traurig. Vor drei Monaten plante er selbst doch noch seine Zukunft mit Usagi. Kurzerhand beschloss er also, sich erst morgen wieder dem Hochzeitswahn zu widmen.

 

Laut piepend wurde er nach einer kurzen Nacht von seinem Wecker geweckt. Er streckte alle viere von sich, warf die Decke zur Seite und schwang seine Beine über die Bettkante. Schlaftrunken schlurfte er in die Küche, füllte den Kaffeeautomaten mit Wasser und Kaffee und drückte den Knopf zum Anschalten. Laut blubbernd verrichtete das Gerät seine Arbeit und so huschte er schnell in sein Badezimmer.

Zurück in der Küche goss er sich gähnend eine große Tasse ein, kippte etwas Zucker hinein und musste erst ein Mal richtig wach werden.

Mit der Tasse in der Hand taperte in den Flur. Mit Kaffee gewappnet, war es Zeit, Motokis neueste Idee für ihn als Trauzeuge abzuhören. Ohne Umwege steuerte er das kleine Schränkchen, auf dem das Telefon stand, an. Pustend schlurfte er aus der Tasse, drückte auf den blinkenden Knopf und die Computerstimme ertönte.

„Sie haben eine neue Nachricht. Nachricht vom 10. Juli um 10.05 Uhr.“

 

Guten Tag Herr Chiba,

hier ist die Juntendo University.

Ich möchte Ihnen mitteilen, dass Miss Tsukino vor Kurzem erwacht ist.“

 

Zitternd rutschte ihm die Kaffeetasse aus der Hand und laut scheppernd landete sie neben ihm auf dem kleinen Vorläufer. Wie in Trance drückte er erneut auf den Knopf. Er hatte mit allen gerechnet, aber nicht damit. Er hörte sich die Nachricht noch einmal und noch einmal an. Er konnte es nicht glauben, sie war aufgewacht. Sie war tatsächlich wach.

Als er sich gesammelt hatte und verstand, was dies bedeutete, schnappte er sich seinen Schlüsselbund und verließ hastig die Wohnung. Wütend auf sich selbst, rannte er, als gäbe es keinen Morgen, die Treppen herunter. Warum hatte er das verdammte Ding nicht einfach gestern abgehört.

In der Tiefgarage angekommen stieg er auf sein Motorrad und fuhr los. Er konnte es kaum erwarten zum Krankenhaus zukommen.

 

In kürzester Zeit stand er nun auf dem Parkplatz des Krankenhauses, stellte sein Motorrad ab und eilte, ohne Zeit zu verlieren weiter zu dem großen Eingang. Da er seit Wochen zwischen seinem Arbeitsplatz, seiner Wohnung und hier hin und her pendelte, wusste er natürlich genau, wo er jetzt hin musste. Schnellen Schrittes eilte er durch die Flure, bis er schließlich vor Usagis Zimmer angekommen war. Außer Puste holte er noch ein Mal tief Luft, legte dann die Hand auf die Klinke und drückte sie langsam herunter. Voller Vorfreude öffnete er die Tür, doch stutzig blieb er dann mitten im Türrahmen stehen. Auf dem Bett lag nicht Usagi. Mit großen Augen sah ein Mann zu ihm herüber.

„Kann ich Ihnen helfen?“

„Entschuldigen Sie bitte, da habe ich mich wohl im Zimmer geirrt.“ Kurz verbeugte er sich, ging dann einen Schritt zurück und schloss leise wieder die Tür. Hatte er sich jetzt tatsächlich im Zimmer geirrt? Sofort sah er auf die Nummer. Sie stimmte. Es war das Zimmer, in dem sie seit Wochen lag. Was hatte das zu bedeuten? Hatte man sie verlegt? Verwirrt irrte er durch den langen Flur. Warum hatte man ihm das nicht mitgeteilt? Grübelnd steuerte er das Schwesternzimmer an und klopfte an der Tür. Nach wenigen Sekunden öffnete ihm lächelnd eine junge Krankenschwester und sah ihn fragen an.

„Entschuldigen Sie bitte. Ich bin Mamoru Chiba und ich suche Usagi Tsukino. Ich habe einen Anruf erhalten, dass sie aufgewacht ist. Sie wurde anscheinend verlegt. Könnten Sie vielleicht nachschauen wohin?“

„Ich schaue Mal im Computer nach. Usagi Tsukino sagten Sie?“

Nickend bestätigte er und so drehte sich die Schwester herum. Sie steuerte einen Computer an, setzte sich davor und tippte blitzschnell auf der Tastatur herum, bis ihre Finger immer langsamer wurden. Schlagartig änderte sich auch ihre fröhliche Miene und sie wirkte nun sichtlich gefasst. Was hatte sie denn jetzt? Langsam erhob sie sich wieder, schritt auf ihn zu und legte eine Hand auf seinen Arm.

„Hat Sie denn niemand informiert?“

Stutzig schüttelte er seinen Kopf. Er verstand überhaupt nicht, warum sie so ernst schaute. Er hatte doch nur gefragt, in welches Zimmer sie verlegt wurde. Er merkte, wie sie leise seufzte. Was ging hier vor? Sie zeigte auf zwei Stühle, die im Zimmer standen und deutete ihn an sich zu setzten.

„Wo liegt sie denn nun? Ich möchte doch nur-“

„Bitte setzen Sie sich“, unterbrach sie ihn und widerwillig nahm er also neben der Schwester Platz.

„Es tut mir sehr leid, dass ich Ihnen das nun mitteilen muss. Miss Tsukino ist zwar erwacht, es traten aber kurze Zeit später Komplikationen auf … Wir konnten leider nichts mehr für sie tun.“

Sofort riss er seine Augen auf. Er arbeitete selbst seit Kurzem als Arzt und diese Worte benutzen man nur, wenn man Angehörigen etwas ganz bestimmtes mitzuteilen hatte. Wollte sie ihm etwa gerade sagen, dass sie tot ist? „Soll das ein schlechter Scherz sein?“

Er konnte es einfach nicht glauben. Das konnte nur ein schlechter Scherz sein.

„Es tut mir wirklich leid. Miss Tsukino hat es leider nicht geschafft.“

Ruckartig sprang er auf und sah zu der Schwester herunter.

„Das kann doch überhaupt nicht sein. Sie müssen sich irren. Sehen Sie doch bitte noch ein Mal nach. Das muss eine Verwechslung sein.“

Ganz langsam erhob sich die Schwester und schüttelte bloß traurig ihren Kopf.

„Bedauerlicherweise nein. Miss Tsukino ist vor zwei Tagen verstorben. Es tut mir wirklich leid.“

„Aber …“

Nur ganz langsam verstand er, was ihm da gerade gesagt wurde. Er hatte das Gefühl sein Herz würde stehen bleiben. Ohne ein weiteres Wort sacke er zusammen und fiel zurück auf den Stuhl. Er hatte doch gerade erst die Nachricht erhalten, dass sie wach wäre. Und nun sollte er sie nie mehr wieder sehen können? Schweigend saß er einfach nur da und bewegte sich nicht. Er konnte es nicht. Mit leeren Augen sah er auf den Tisch. Er hatte das Gefühl, ihm wurde der Boden unter seinen Füßen weggerissen.

Minuten lang saß er einfach nur da. Immer wieder wiederholte er in seinen Gedanken die Worte der Schwester. Miss Tsukino hat es leider nicht geschafft.

„Möchten Sie vielleicht mit einem unserer Seelsorger reden?“ Fragend stand die Schwester neben ihm und strich ihn dabei sanft über den Arm.

„Ich möchte sie sehen.“

Ohne den Kopf zu heben, saß er weiter auf dem Stuhl.

„Was sagten Sie?“

Energisch sprang er auf und schaute der jungen Schwester direkt in die Augen.. „Ich möchte sie sehen.“

„Ich werde sehen, was ich machen kann.“

Schnell lief die Schwester zu einer weiteren Schwester und tonlos sah er ihr hinterher. Er war immer noch in einem Schockzustand und konnte keine klaren Gedanken mehr fassen. Er war wie betäubt und das Geschehen um ihn herum, rückte in weite Ferne. Wie durch Watte gepackt, hörte er irgendwelche Stimmen und bekam nur wage mit, wie die beiden Frauen wild diskutierten.

Als die Schwester zurückkam, bemerkte er sie erst gar nicht richtig. Erst als sie sanft ihre Hand auf seine Schulter legte.

„Herr Chiba? Hallo? Hören Sie mich?“

Nickend schaute er ihr wieder in die Augen und wartete darauf, was sie ihm jetzt sagen würde, wo er hin müsste.

„Ich habe bedauerlicherweise keine guten Nachrichten. Sie wurde schon abgeholt. Sie befindet sich daher nicht mehr hier im Krankenhaus.“

Er traute seinen Ohren nicht. Das konnte doch alles nicht sein. Was wurde hier für ein Spiel getrieben? Die Nachricht auf seinem Anrufbeantworter war doch nur gerade ein Mal zwei Tage her. Und nun sollte sie tot sein und er konnte sie nicht mal mehr sehen?

„Wo wurde sie hingebracht?“

Die junge Krankenschwester zuckte mit den Schultern. „Es tut mir wirklich leid. Die Akte ist diesbezüglich gesperrt. Ich darf Ihnen leider keine Auskunft geben.“

Er merkte, wie sich sein Schockzustand auflöste und einem ganz anderen Gefühl Platz machte. Wut. Er war sauer. Stinksauer. Warum durfte er nicht erfahren, wo sie war?

„Und warum bitte nicht? Ich bin ihr Verlobter!“

„Da sie nicht verheiratet sind, darf ich es Ihnen nicht sagen. Familie Tsukino erlaubt dies nicht. Warum kann ich Ihnen aber nicht sagen. Mir sind die Hände gebunden. Es tut mir wirklich leid.“

Er ballte seine Hände zu Fäusten und Tränen stiegen ihm in die Augen. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, drehte er sich um und ging. Die junge Schwester rief ihm noch irgendetwas hinter her, doch dies hörte er schon nicht mehr wirklich.

Er lief hinaus zu seinem Motorrad und fuhr los. Er musste zu ihren Eltern. Sie waren ihm eine Antwort schuldig. Warum hatte man ihm nichts gesagt? Nicht gesagt, dass sie wach ist, nicht gesagt, dass sie es nicht geschafft hat. Sie hatten es ihm doch zugesichert.

Schnell fuhr er die Straßen entlang und kam nach kurzer Zeit beim Haus der Tsukinos an. Wie in Trance stieg er von seinem Gefährt, ging mit gesenktem Kopf zur Haustür und drückte auf den Klingelknopf. Er wartete einige Minuten, aber es rührte sich nichts im Haus. Niemand öffnete. Er klingelte noch mal. Wollten sie ihm absichtlich nicht öffnen? Wieder nichts. Erneut klingelte er und drückte ohne Pause den Knopf herunter. Da sich dadurch aber auch nichts rührte, begann er jetzt lautstark gegen die Tür zu klopfen.

„Macht die Tür auf! … Warum habt ihr nichts gesagt?“ Immer wütender schlug er gegen die Tür.

„Jetzt macht auf!“

„Die sind nicht zu Hause“, drang ihm plötzlich eine keifende Stimme in die Ohren und aufgeschreckt drehte er sich herum. Eine Nachbarin hatte das Fenster geöffnete und lugte mit ihrem Kopf heraus.

„Wann kommen sie denn wieder?“

„Das weiß ich doch nicht. Sie sind jedenfalls seit Tagen nicht nach Hause gekommen. Ihre Zeitung stapelt sich schon vor der Tür.“

Nun verstand er gar nichts mehr. Wo waren sie hin? Er bedankte sich, obwohl sie eigentlich nicht sehr nett war, bei der Nachbarin und ging zurück zu seinem Motorrad. Rei, schoss es ihm durch den Kopf. Er musste zu ihr. Vielleicht wusste sie oder die anderen ja etwas.

Viel zu schnell fuhr er durch die Straßen Tokios. Aber er konnte nicht anders. Wenn die anderen etwas wussten, warum hatten sie ihm dann nichts gesagt?

Immer schneller fuhr er. Es war ein Wunder, dass auf den überfüllten Straßen nichts passierte.

 

Endlich angekommen rannte er sofort die lange Treppe hoch. Auf halber Strecke blieb er dann allerdings stehen. Mit zusammengepressten Kiefern starrte er auf die Stufen herunter. Er stand nun direkt an der Stelle, an der alles angefangen hatte. An der er sie bewusstlos in seinen Armen gehalten hatte, bis die Sanitäter sie mitgenommen hatten.

Schnell schüttelte er dann aber den Kopf. Dafür war jetzt keine Zeit. Er musste mit Rei sprechen. Und so lief er weiter.

Oben angekommen rannte er ohne Pause weiter zu dem kleinen Häuschen, in dem sie wohnte.

„Rei, wo bist du?“, brüllte er über den Hof.

„Kann ich Ihnen helfen?“

Reis Großvater hatte ihn offenbar bemerkt und kam nun langsamen Schrittes auf ihn zu.

„Ich muss dringend mit Rei sprechen. Ist sie da?“

„Ich hole sie. Warte bitte hier.“

Nickend gab er Reis Großvater zu verstehen, dass er verstanden hatte und so verschwand dieser hinter einer Tür.

Nach einigen Minuten kam Rei dann auch aus dem kleinen Häuschen hinaus.

„Mamoru, was verschafft mir denn die Ehre?“

Sie lächelte ihn freudig an und umarmte ihn zur Begrüßung.

„Wann warst du das letzte Mal bei Usagi?“, platze es aus ihm heraus und Übergang die unnötigen Begrüßungsfloskeln.

„Ich glaube, das war vor vier Tagen, denke ich. Warum? Was ist denn los?“, fragte sie nun sichtlich irritiert.

„Rei … Sie ist … sie ist tot!“, stammelte er und er konnte es nicht verhindern, dass ihm die Tränen in die Augen stiegen.

„Was sagst du da? Das kann nicht sein. Ich war doch vor ein paar Tagen bei ihr. Ihr Zustand hatte sich nicht geändert. Es war doch alles wie immer. Sie kann nicht tot sein. Du musst dich irren!“

Mit großen Augen schüttelte sie ihren Kopf und ging dabei einen Schritt rückwärts.

„Meinst du, ich scherze mit so etwas?“ Wütend ballte er seine Hände, doch im selben Moment öffnete er sie wieder und senkte seinen Kopf. „Ich war gerade im Krankenhaus …“

Er erzählte ihr die ganze Geschichte, angefangen mit der Nachricht auf seinem Anrufbeantworter und endete mit dem Versuch ihre Eltern zusprechen.

 

Unfähig etwas zu sagen, starrte Rei Mamoru an. Nur langsam verstand sie, was er ihr gerade gesagt hatte. Tränen rollten ihr über die Wangen, als sie ihn jedoch ansah, fing sie sich schnell wieder. Er war kreidebleich und der Schock stand ihm sichtlich ins Gesicht geschrieben. Sie musste jetzt für ihn da sein. Sie wusste zwar selbst nicht, wie sie mit dieser Nachricht umgehen sollte, aber wenn sie Mamoru ansah, war es ein Wunder, dass er noch nicht zusammengebrochen war. Ohne ein weiteres Wort nahm sie ihn in dem Arm und streichelte ihm sanft über den Rücken.

„Möchtest du erst ein Mal hier bleiben?“

 

Er konnte nicht mehr. Er merkte, wie seine Fassade zu bröckeln begann. In den Armen von Rei ließ er seinen Gefühlen zum ersten Mal, seit er es erfahren hatte, freien Lauf. Seine Beine gaben nach und so sackte er auf den Boden. Bitterlich weinte er und vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Er merkte, wie sich Rei neben ihn setzte und ihn wieder in den Arm nahm. Auch wenn er nicht hinsah, konnte er deutlich hören, wie auch sie weinte.

Eine gefühlte Ewigkeit saßen die beiden so da. Weder er noch sie sagte mehr etwas. Sie gaben sich einfach gegenseitig Trost, doch irgendwann hörte er, wie sie lautstark ihre Nase hochzog und sich zu räuspern begann.

„Wir … wir müssen es den anderen sagen … Soll … Soll ich das vielleicht Übernehmen?„

Dankend nickte er. Er hätte nicht gewusst, wie er das alles noch ein Mal erzählen hätte können, ohne direkt durchzudrehen.

Langsam erhob er sich und wollte sich gerade verabschieden, als er eine Hand an seinem Arm spürte „Du bleibst heute hier. Ich mache dir ein Zimmer zurecht. In deiner Versfassung solltest du nicht alleine sein.“

Schulterzuckend stimmte er zu. Er wusste, dass sie sowieso nicht nachgeben würde, bis er zustimmen würde.

 

 

Rei hatte alle für diesen Abend zu sich bestellt. Jetzt saßen sie hier und wussten nicht, warum sie hier waren. Dass es etwas Wichtiges sein musste, war allen klar, sonst hätten sie nicht gleich noch am selben Tag zu ihr kommen sollen. Alle bemerkten, dass mit Rei etwas nicht stimmte. Minako jedoch war die Erste, die anfing zu reden.

„Was ist los? Warum sitzen wir hier? Du bist schon die ganze Zeit nicht ganz bei dir Rei.“

Es war also an der Zeit. Rei schloss für einen kurzen Moment die Augen. Sie musste dabei die Fassung behalten, sonst würde sie es nicht schaffen ihnen diese Nachricht mitzuteilen. Wo sollte sie nur anfangen?

„Danke, dass ihr alle gekommen seid … Ich habe … Ich habe euch etwas Schlimmes zu sagen. Mamoru kam heute Vormittag zu mir und …“

Sie erzählte ihnen, wie Mamoru es zuvor ihr erzählte hatte, die ganze Geschichte. Als sie fertig war, herrschte Stille im ganzen Raum. Niemand traute sich etwas zusagen. Viel zu geschockt waren sie. Laut fing Minako dann aber an zu weinen und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen. Auch bei den anderen bildeten sich immer mehr die Tränen. Fassungslos saßen sie weiterhin in dem kleinen Raum.

Doch plötzlich, ohne Vorwarnung, hämmerte Haruka mit ihrer Faust auf dem Tisch und löste die anderen damit aus ihrer Starre.

„Verdammt, das ist doch alles nicht wahr!“, brüllte sie, sprang auf und verließ stürmisch den Raum. Michiru erhob sich ebenfalls und eilte ihr direkt hinter her. Setsuna und Hotaru standen nun auch auf und gingen Richtung Tür. Setsuna drehte sich zu den anderen herum und senkte traurig den Kopf.

„Wir sollten uns morgen wieder treffen, damit wir besprechen können, wie es weiter geht.“

Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, die allen im Kopf herumschwirrte, waren sie und Hotaru auch schon verschwunden.

Die Übrigen saßen einfach nur da und hingen ihren Gedanken nach. Jeder versuchte auf seine Weise mit dieser schrecklichen Nachricht umzugehen.

„Aber ist doch schon komisch, dass Usagis Familie einfach abgereist ist, ohne irgendjemandem Bescheid zu geben“, räusperte sich Ami mit einem Mal.

Alle nickten ihr zustimmend zu. Genau in diesem Moment stellte sich Mamoru auf die Türschwelle.

„Ich werde morgen wieder hinfahren und schauen, ob sie zurück sind. Sie können uns nicht verbieten, dass wir uns von ihr verabschieden“, sprach er mit brüchiger Stimme.

Alle starten auf den Boden und keiner sagte mehr etwas. Was sollten sie auch sagen. Ihre Freundin, Sailor Moon, ja ihre Prinzessin war für immer fort. Keiner wusste in diesem Moment, wie es weiter gehen sollte.

Schwer atmend drehte sich Mamoru wieder herum und schloss hinter sich die Tür. Die anderen folgten ihm nicht. Sie wussten, er brauchte jetzt Zeit für sich. Langsam lief er über den Hof, steuerte die lange Steintreppe an und setzte sich auf die erste Stufe. Mit leeren Augen starrte er hinauf. Draußen war es mittlerweile dunkel geworden und er betrachtete den, mit einigen Wolken bedeckten, Sternenhimmel. Aus einer Wolke schob sich langsam der Vollmond heraus. Der runde Mond strahlte ihn förmlich an. Gedankenverloren steckte er seine Hand in die Hosentasche und zuckte einen kleinen Moment zusammen. Er hatte ganz vergessen, dass sich die Brosche noch darin befand. Er hatte sie noch gar nicht wieder in die kleine Schachtel in seinem Nachtisch gepackt. Er zog die Brosche heraus und strich mit seinen Fingern darüber. Seine Tränen tropften mehr und mehr auf das kleine Schmuckstück. Wochenlang hatte er gehofft. Aber es war umsonst gewesen. Es war vorbei. Er hatte sie für immer verloren. Langsam hob er seinen Kopf und betrachtete wieder den Mond.

„Usako …“

 

Kapitel 5

 

Schlaftrunken sah sie sich in der kleinen Hütte um. Nichts schien irgendwie darauf hinzudeuten, dass die wirren Bilder in ihrem Kopf tatsächlich passiert waren. Es war wohl wirklich nur ein Traum gewesen.

Schwerfällig stand sie auf und näherte sich langsam dem Fenster neben der Tür. Sie musste wissen, ob die beiden noch schliefen. Vorsichtig hob sie dazu den Stoff der Gardine etwas an und lugte hinaus. Das gab es doch nicht. Der Transporter war nicht mehr da. Wo waren sie hin? War das ihre Chance? Rasch ließ sie den Stoff wieder los. Sie mussten heute Nacht gefahren sein. Sofort drehte sie sich zu Tür. Sie musste es probieren. Irgendwie musste man die Tür doch auf bekommen. Ohne Zeit zu verlieren, zerrte sie an der Klinke und drückte und stemmte sich mit all ihrer Kraft gegen die Tür. Aber es half alles nichts, sie bewegte sich kein Stück.

„Verdammt!“ Laut schimpfte sie und trat mit ihrem Fuß gegen das Holz. Was machte sie denn jetzt nur? Hektisch lief sie auf und ab und suchte fieberhaft nach einer Lösung. Doch mit einem Mal blieb sie ruckartig stehen und sah auf den Stuhl. Vielleicht ja so. Sie schnappte sich den Stuhl, ging damit zur Tür herüber und wollte gerade mit ihm ausholen, als sie plötzlich draußen Stimmen hörte. Sie kamen näher. Wer war das? Leise stellte sie den Stuhl beiseite und lauschte an der Tür. Die beiden Männer waren es jedenfalls nicht. Die Stimmen würde sie überall wiedererkennen. Vorsichtig lugte sie aus dem Fenster, aber nichts zu sehen. Hatte sie sich geirrt? Doch dann klopfte es plötzlich an der Tür. Erschrocken schnappte sie sich wieder den Stuhl und ging ein paar Schritte rückwärts von der Tür weg.

„Usagi? Bist du da? Hallo?“ Leise drang eine Frauenstimme zu ihr hindurch. Doch sie blieb stumm und sagte keinen Ton. Sie hielt es für besser zu schweigen. Sie hatte doch keine Ahnung, wer dort vor der Tür stand. Waren es Komplizen von den Männern? Weiterhin stand sie einfach mit dem Stuhl in der Hand vor der Tür und war bereit ihn zu benutzen. Wieder ertönte die Stimme.

„Wenn du vor der Tür stehst, dann geh zur Seite.“

Keine Sekunde später begann die Tür mit einem Mal laut zu knarzen. Es folgte ein kurzes lautes Knacken und die Tür sprang auf. Erschrocken zuckte sie kurz zusammen, nur um danach den Stuhl noch fester in ihren Händen zu halten. Sie war bereit. Sie wollte nicht mehr untätig herumsitzen und alles mit ihr machen lassen. Sie hatte keine Ahnung, woher sie plötzlich diesen Mut hatte, aber es fühlte sich gut an nicht mehr tatenlos zuzuschauen. Entschlossen blickte sie zur Tür.

Auf der Schwelle stand eine zierliche Frau mit kurzen roten Haaren. Sie gingen ihr gerade ein Mal bis zur Nasenspitze und standen zu allen Seiten ab. Sie trug eine einfache Jeans und ein grünes Top darüber. Sehr groß war sie nicht, dachte sie sich. Mit ihr würde sie fertig werden. Ihr Blick wanderte an der Frau herunter. Ihr fiel sofort ein großes Amulett auf, welches die Rothaarige um ihren Hals trug. Es sah aus, wie ein grüner Kristall, der von einer goldenen Fassung umrandet wurde. Es sprang ihr regelrecht ins Auge so groß war es. Neben ihr stand ein junger Mann, der nun ein Schritt vorging. Seine kurzen blonden Haare strahlten förmlich in der Sonne. Er war nicht viel größer als die Frau. Er trug eine weite Hose und ein lockeres blaues Shirt darüber. Bedrohlich sahen sie nun nicht aus, dachte sie sich. Wenn sie sich geschickt anstellte, würde sie vielleicht mit ihnen fertig werden und konnte abhauen.

„Usagi! Endlich! Ich hab mir solche Sorgen gemacht.“ Der Mann ging einen Schritt auf sie zu und wollte sie offenbar in den Arm nehmen. Doch sie wich sofort zurück und hielt ihm den Stuhl entgegen. „Was wollt ihr von mir? Woher kennt ihr meinen Namen?“

Angespannt ging sie noch ein paar weitere Schritte zurück.

„Usagi, erkennst du uns denn nicht? Wir sind es doch. Deine beste Freundin Mamiko und ich, dein Verlobter, Kenta … Komm, wir haben keine Zeit. Wir sollten weg sein, bevor sie zurückkommen.“

Schwer atmend musterte sie die beiden. Ihre beste Freundin? Ihr Verlobter? Sie kamen ihr überhaupt nicht bekannt vor. Aber was wunderte sie es? Sie kannte ja, als sie wach wurde, nicht mal ihren eigenen Namen. Doch konnte sie den beiden trauen? Langsam stellte sie den Stuhl wieder auf dem Boden ab.

„Wie habt ihr mich gefunden?“

Die junge Frau kam nun näher auf sie zu, und nahm, so schnell konnte sie gar nicht reagieren, ihre Hand in ihre.

„Ich habe einen Anruf vom Krankenhaus bekommen, dass du wach wärst. Ich bin sofort losgefahren. Aber dann, als ich gerade auf dem Parkplatz einbog, sah ich wie diese zwei Männer dich in einen Transporter zerrten. Ohne, dass sie mich bemerkt haben, bin ich ihnen gefolgt. Als ich dann gesehen hatte, wo sie dich hingebracht hatten, bin ich gleich zu Kenta. Er verständigte die Polizei, aber die hat uns nicht geglaubt. Du seist vermutlich einfach abgehauen, haben sie gesagt. Also versteckten wir uns hier und warteten. Irgendwann mussten sie ja mal wegfahren. Naja und nun sind sie weg und wir können dich schnell hier herausholen.“

Zitternd sah sie zwischen den beiden hin und her. Allmählich gab sie jede Blockade auf und Tränen bildeten sich in ihren Augen. Sie glaubte jedes Wort. Sie glaubte endlich Vertraute um sich zu haben. Schwungvoll umarmte sie die junge Frau.

„Tschh. Ist ja gut. Jetzt wird alles wieder gut. Wir sind ja da.“, flüsterte sie ihr ins Ohr, strich ihr dabei sanft über den Rücken und schluchzend nickte sie bloß.

„Nun los! Zeit, dass wir hier wegkommen!“, drängelte der Mann und so löste sie sich von der Frau. Ohne Zeit zu verlieren, rannten die beiden aus der Hütte und sofort folgte sie ihnen. Der Mann führte sie zu einem kleinen Weg hinter der Hütte. Ohne Worte rannten sie durch den Wald, bis sie schließlich ein kleines blaues Auto erreichten. Die Frau hielt ihr sofort die Autotür auf und so krabbelte sie auf die Rückbank. Keine Sekunde später stieg auch der Mann ein und setzte sich ans Steuer. Nachdem die Frau ebenfalls auf dem Beifahrersitz platz genommen hatte, fuhr der Mann auch schon mit quietschenden Reifen los.

Tief atmete sie durch und ließ sie tief in den Sitz fallen. Ihr ging es furchtbar, aber sie war da raus. Kurz schloss sie ihre Augen. Sie war wirklich daraus gekommen.

„Es … es tut mir leid, dass ich euch nicht erkenne“, sagte sie und senkte ihren Kopf.

Die Rothaarige drehte sich zu ihr herum und lächelte sie an.

„Kannst du dich denn an gar nichts erinnern?“

Kopfschüttelnd sah sie aus dem kleinen Fenster. In ihren Gedanken durchlebte sie noch ein Mal die letzten Tage und beobachte danach ihre Retter. Ihr Verlobter und ihre beste Freundin, wie sie sagten.

„Dann werden wir dir auf die Sprünge helfen. Zu Hause kommen sie vielleicht von ganz alleine wieder“, lächelte ihr die junge Frau nach einer kurzen Pause zu.

„Danke“, flüsterte sie mit brüchiger Stimme und kaute nun verlegen auf ihre Unterlippe.

„Was ist denn los?“

„Naja … ich … ich hab eure Namen vergessen.“

„Mamiko. Und der wehrte Heer neben mir, ist Kenta.“

Nickend betrachtete sie sie wieder. Mamiko, ihre beste Freundin und Kenta ihr Verlobter also. Räuspernd meldete sich nun genau dieser auch zu Wort.

„Wenn wir da sind, lassen wir dich aber erst ein Mal von einem Arzt durchchecken, ob du auch wirklich schon mit nach Hause darfst.“ Leise und völlig emotionslos sprach er die Worte aus. Fast schon wie auswendig gelernt. Stutzig betrachtete sie ihn. Was hatte das zu bedeuten? Warum war er so kühl? Doch schnell schob sie den Gedanken wieder beiseite und konzentrierte sich auf etwas ganz anderes. Nach Hause. Sie wusste zwar nicht, wo dieses war, aber sie freute sich endlich dort hinzukommen.

Nachdenklich schlang sie ihre Arme um ihren Oberkörper. Ihr war aus irgendeinem Grund furchtbar kalt und sie fühlte sich so hilflos verloren.

„Ihr müsst … Ihr müsst mir einfach alles erzählen. Irgendwie müssen meine Erinnerungen doch zurückkommen … Außerdem … warum haben die beiden mich entführt? Was wollten sie von mir?“

Lächelnd gab ihr Mamiko eine Wasserflasche nach hinten durch.

„Alles mit der Zeit, nun ruhe dich erst ein Mal aus. Du musst völlig entkräftet sein. Wir werden dich schon wecken, wenn wir da sind. Bis Nagoya dauert es noch ein Weilchen.“

Nagoya also. Sie merkte, wie ihre Augen immer schwerer wurden. Sie war wirklich am Ende. Und so nickte sie Mamiko zu. Langsam lehnte sie ihren Kopf gegen die Kopfstütze und schloss die Augen.

Schnell schlief sie ein und träumte wieder vom Mond und dem Palast darauf.

 

 

„Aufwachen Schlafmütze, wir sind da.“

Blinzelnd öffnete sie langsam ihre Augen. Wie lange hatte sie geschlafen? Ruckartig richtete sie sich auf. Vor ihr standen Kenta und Mamiko und grinsten sie an.

„Wir sind da?“ Schnell sah sie aus dem Autofenster heraus. Wo waren sie denn nun? Sie standen anscheinend in einer Tiefgarage.

Kenta hielt ihr seine Hand zur Hilfe entgegen und so legte sie ihre Hand in seine. Schnell wollte sie aussteigen, doch bemerkte sie sofort, dass ihre Beine wohl eingeschlafen sein mussten. Es kam, wie es kommen musste. Sie stolperte nach vorne und kniff im selben Moment auch schon ihre Augen zu. In ihren Gedanken machte sie schon Bekanntschaft mit dem harten Betonboden. Doch zu ihrer Verwunderung blieb der Aufprall aus. Verdutzt öffnete sie wieder ihre Lider. Kenta hatte sie aufgefangen. Ohne eine Miene zu verziehen, hob er sie hoch.

„Ich glaube, ich trage dich lieber.“

Es war ihr etwas unangenehm, ihm so nahe zu sein. Sie kannte ihn praktisch gar nicht im Moment. Tonlos ließ sie sich aber von ihm tragen und schmiegte dabei ihren Kopf an seine Brust. Irgendwie war es komisch. Sie dachte, sie würde sich irgendwie anders fühlen, wenn sie in den Armen ihres Verlobten liegen würde. Doch er wirkte so fremd auf sie. Sie konnte sich irgendwie nicht vorstellen, dass er ihr Verlobter sein sollte. Sie fühlte gar nichts, wenn sie ihn ansah. Müsste sie nicht irgendetwas fühlen? Unbemerkt vor den beiden schüttelte sie dann aber den Kopf. Das musste an diesem verdammten Gedächtnisverlust liegen. Das Gefühl würde mit Sicherheit wieder kommen.

 

Kenta ging mit ihr durch einen kurzen Gang und blieb dann vor einem Fahrstuhl stehen. Mamiko drückte den Knopf und mit leisem Knarren öffneten sich die silbernen Metalltüren. Nachdem sie eingestiegen waren drückte Mamiko erneut auf einen Knopf und so schlossen sich die Türen wieder. Im Augenwinkel konnte sie sehen, dass eines der oberen Stockwerke sein musste.

Die Fahrstuhlfahrt dauerte nicht lange und nach wenigen Minuten öffnete sich mit einem lauten Pling die Tür. Niemand sagte etwas und so sah sie sich neugierig um. Sie liefen durch einen langen Hausflur mit etlichen Haustüren auf jeder Seite.

„D-du kannst mich ruhig, du kannst mich ruhig wieder runter lassen“, stotterte sie leise, kaum hörbar. Doch er musste sie verstanden haben, da er sie tonlos herunterließ.

„Danke … Und welche Tür ist es?“ Lächelnd zeigte sie auf die Haustüren.

„Die erste Tür rechts.“ Er ging etwas vor und deutete auf den ersten Eingang. Nervös tippelte sie ihm hinterher. Was würde sie nun hinter der Tür erwarten? Ohne Zeit zu verlieren, schloss Kenta die Tür auf und gab ihr mit einer Handbewegung zu verstehen, dass sie hereingehen sollte. Nickend überholte sie ihn und betrat mit schnell klopfenden Herzen die Wohnung. Sie war zu Hause.

„Schau dich ruhig in Ruhe um. Ich werde Doktor Yamamoto verständigen“, räusperte er sich und wollte offenbar noch etwas sagen, aber als sich Mamiko auf die Türschwelle stellte verstummte er.

„Ich werde euch zwei dann mal alleine lassen. Ihr habt bestimmt viel zu besprechen. Ich komme morgen zum Frühstück, wenn es euch recht ist.“

Nachdem Kenta zu gestimmt hatte, nickte auch sie zögerlich.

„Na dann bis Morgen.“ Lächelnd winkte sie ihnen zu und keine Sekunde später war die Haustür zugezogen.

„Schau dich um, ist ja schließlich auch deine Wohnung“, rief Kenta ihr zu, und marschierte dabei in ein anderes Zimmer.

Neugierig begann sie den Eingangsbereich zu mustern. Viel stand hier nicht herum. Nur zweckmäßige Gegenstände, wie sie fand. Einfach nur ein Schrank für Schuhe und einige Haken für Kleidung, das war es dann auch schon. Schnell sah sich daher auch weiter um. Sie lief durch einen schmalen Flur und zählte vier weiße Türen. Zu welcher sollte sie zu erst gehen? Ganz zweckmäßig entschied sie sich einfach ganz chronologisch vorzugehen und steuerte die erste Tür an. Vorsichtig zog sie diese etwas auf, lugte hinein und entdeckte dadurch die Küche. Sie war nicht all zu groß, aber alles, was man brauchte, schien da zu sein. Rasch schloss sie die Tür und ging weiter zur Nächsten. Wieder öffnete sie die Tür und schaute hinein. Somit hatte sie jetzt auch das Badezimmer gefunden. Da dies nicht wirklich spannend war, ging sie direkt weiter zum nächsten Zimmer. Erneut öffnete sie die Tür und bekam große Augen. Sie hatte das Schlafzimmer gefunden. Zaghaft betrat sie den Raum und blickte direkt auf ein großes Bett. Vorsichtig fuhr sie mit ihrer Hand über die graue Bettdecke. Hier schlief sie also? Zusammen mit Kenta? Sie merkte, wie ihr die Röte bei diesem Gedanken in die Wangen schoss und so wandte sie sich wieder ab. Direkt neben dem Bett stand ein großer Spiegel. Musternd stellte sie sich davor. Langsam strich sie mit ihren Fingern über ihr Gesicht im Spiegel. Das war sie. Usagi Tsukino. Aber, wer war diese Person? Wer war Usagi Tsukino?

 

Kapitel 6

 

Mit gerunzelter Stirn begann sie sich komplett zu betrachten. Ihr Blick wanderte dazu an ihrer dreckigen Kleidung herunter. Sie musste raus aus den Sachen. So konnte sie nicht weiter herumlaufen. Überlegend, was sie nun machen sollte, erregte der große Kleiderschrank ihre Aufmerksamkeit. Ob sich dort auch ihre Sachen befanden? Rasch steuerte sie ihn an und fuhr mit der Hand über das dunkle Holz. Besonders schön fand sie ihn nicht. So etwas mochte sie früher? Oder hatte doch eher Kenta ihn ausgesucht? Schulterzuckend schob sie dann allerdings die Schranktür auf, vielleicht sollte sie ihn nachher einfach danach fragen.

Nachdem nun der Blick in das Innere des Schrankes frei war, begann sie sofort die darin liegende Wäsche zu mustern. Die rechte Seite war voll mit Männerkleidung. Hosen, Shirts und was Mann wohl noch so braucht. Die linke Seite dagegen gehörte offensichtlich ihr. Viele Kleider und Blusen waren fein säuberlich aufgehängt. Da drunter lagen auf Regalbrettern noch ein paar Shirts und Hosen. Die meisten Kleidungsstücke waren in dunklen Tönen gehalten. Dunkelblau, Schwarz, sehr dunkles Grün, vereinzelt mal ein helles Grau. Sie sahen noch ziemlich neu aus. Als wären sie noch nie getragen worden. Mit gerunzelter Stirn holte sie eine blaue Bluse heraus. So etwas trug sie? So richtig gefallen taten ihr die Sachen nicht. Es passte irgendwie so gar nicht, zu den Sachen, die ihr im Krankenhaus gegeben wurden. Aber da es ihre Kleidung war, mussten sie ihr ja mal gefallen haben. Sonst hätte sie sie ja wohl nicht gekauft.

Seufzend hing sie die Bluse wieder zurück. Am besten sah sie sich zu Ende um, und nahm dann erst ein Mal ein Bad.

Eilig verließ sie wieder das Schlafzimmer und wollte gerade das letzte Zimmer ansteuern, als sie hörte, wie Kenta mit jemandem sprach. Leise, sie wusste nicht ein Mal warum, schlich sie herüber, öffnete die Tür einen Spalt und streckte ihren Kopf hindurch. Er telefonierte. Mit großen Augen sah er dann aber zu ihr und keine Sekunde später legte er hektisch auf. Was war das denn jetzt?

„Ähm. Habe ich dich gestört? Das wollte ich nicht.“

Er schüttelte den Kopf und stellte das Telefon beiseite.

„Ich wollte sowieso gerade zu dir. Der Arzt kommt in einer halben Stunde.“

Nickend betrat sie das Zimmer und schaute sich um. Das war wohl das Wohnzimmer. Auch hier stand nicht viel herum. Ein dunkelgrünes Sofa mit einigen hellgrünen Kissen, ein schwarzer Holzessstich mit vier schwarzen Stühlen und eine Wand mit Regalen und Schränken, wobei auf dem einen kleinen Schrank auch ein kleiner Fernseher stand.

Seufzend dachte sie über die Wohnung nach. Sie wirkte irgendwie so kalt auf sie. So als steckte hier keine Liebe drin. Erklären konnte sie sich das aber auch nicht. Kenta, der ihren Seufzer offenbar bemerkt hatte, drehte sie abrupt zu ihr. „Alles in Ordnung?“

„Ja … Schon … Ich frage mich nur, also, warum stehen hier nirgends Fotos oder hängen Bilder an den Wänden?“

Mit großen Augen schien er, für einen Moment zu erstarrten, doch im selben Augenblick zog er dann bloß gleichgültig seine Schultern in die Höhe.

„Ja, also weißt du … das ist weil … Wir sind kurz vor deinem Unfall erst hier eingezogen und es ist noch nicht alles fertig. Ich wollte es nicht ohne dich machen.“

„Ach so … so ist das also. Na dann können wir das vielleicht bald nachholen.“

Sie versuchte zu lächeln, aber eigentlich gefiel ihr hier gar nichts. Sie fühlte sich einfach nicht wohl. Nur was sollte sie machen, es war doch ihr zu Hause.

 

Kenta bemerkte ihre Stimmung und musste schnellstens etwas dagegen unternehmen, dass sie das hier auch alles glaubte. Schnell zog er daher eine große Schublade auf und kramte wild darin herum. „Tada! Schau mal Liebes. Vielleicht hilft es dir ein wenig weiter.“

Er hielt ihr ein dickes Fotoalbum vor die Nase und tat dabei übertrieben freundlich. Es ging ihm ziemlich gegen den Strich, ihr den verliebten Gockel vorzugaukeln. Er hasste sie und ihm kam jedes Mal die Galle hoch, wenn er ihr freundliche Worte zu säuseln sollte. Aber er musste sich am Riemen reißen und diese dumme Fassade aufrechterhalten. Seine Schwester hatte ihm vor ein paar Minuten sogar noch am Telefon gedroht seine Rolle überzeugender zu spielen. Er hatte also keine Wahl.

„Was ist das?“, riss sie ihn wieder aus seinen Gedanken heraus und tonlos beobachtete er sie, wie sie das Fotoalbum in ihre Hände nahm.

„Es ist ein Buch voller Erinnerungen, vielleicht kommt dir ja etwas bekannt vor.“

Sie setzte sich auf das Sofa und fing an, darin zu blättern. Es waren viele Fotos. Fotos, auf denen er und sie zusehen waren. Fotos auf denen sie Ausflüge machten, Geburtstage feierten. Viele waren auch mit Mamiko zusammen.

„Du … Kenta … Warum, warum sind nur wir auf diesen Fotos zusehen, nur wir drei?“

Unbemerkt vor ihr rollte er mit seinen Augen. Sie nervte ihn jetzt schon tierisch. Wie sollte er nur ihren dämlichen Verlobten spielen? Schnell schüttelte er allerdings auch diesen Gedanken wieder ab und setzte sich zu ihr. Sie hatten sich eine schöne Lügenkette für sie ausgedacht. Damit sie auch ja nicht anfangen würde, nach anderen Personen zu suchen.

„Das liegt daran, dass wir nur uns haben.“

„Wie meinst du das?“

„Wir alle drei sind Waisen gewesen. Du, ich und meine Schwester, deine beste Freundin Mamiko. Ich und Mamiko waren seit wir Babys waren schon im Waisenhaus. Mamiko ist nur ein Jahr älter als ich, weißt du. Und du kamst zu uns, als du drei warst, als deine Eltern einen Unfall hatten. Seit diesem Tag sind wir unzertrennlich. Mamiko wurde deine beste Freundin und wir wurden, als wir älter wurden, ein Paar.“

Ihm kam es hoch bei den letzten Worten und verdrehte die Augen. Zum Glück bekam sie davon aber nichts mit. Sie schien tief in ihren Gedanken versunken zu sein. Innerlich grinste er, sie hatte es wohl geschluckt. Ruckartig nahm er das Fotoalbum und packte es zurück in die Schublade.

„Genug Vergangenheit für heute, wir wollen dich ja nicht überfordern.“

 

Eine Pause war wirklich nicht verkehrt. In ihrem Kopf herrschte das reinste Chaos durch diese neuen Informationen. Das musste sie erst ein Mal verdauen. Sie wollte gerade aufstehen und ein Bad nehmen, als es plötzlich an der Tür klingelte.

„Das müsste der Doktor sein, bleib bitte sitzen.“ Hastig sprang er auf und eilte zur Haustür.

Kurze Zeit später kam er mit einem kleinen rundlichen Mann zurück ins Wohnzimmer. Der Kopf des Mannes war fast kahl. Nur noch vereinzelte graue Strähnen an den Seiten waren zu sehen. Außerdem trug er eine dicke Brille auf der Nase. Lächelnd begrüßte er sie, setzte sich zu ihr auf das Sofa und begann sofort damit ihr einige Fragen zu stellen, die sie fast alle nicht beantworten konnte. Als er damit fertig war, testete er ihren Blutdruck, ihren Puls, leuchtete ein kleines Lämpchen in ihre Augen und tastete ihren Kopf ab. Er schien wirklich sehr gründlich zu sein. Als er alles erledigt hatte, richtete er sich wieder auf und erhob sich.

„Körperlich ist alles in Ordnung. Keine Veranlassung Sie zurück ins Krankenhaus zu bringen.“

Sofort bedankte sich Kenta und schob ihn regelrecht wieder heraus. Verwundert blieb sie zurück. Seltsamer Arzt schoss es ihr durch den Kopf. Verabschiedet hatte er sich auch nicht von ihr. Da sie aber froh war nicht zurück ins Krankenhaus zu müssen, machte sie sich keine weiteren Gedanken darüber.

„Wenn es für dich Okay ist, würde ich gerne ein Bad nehmen“, wandte sich sie direkt an Kenta, als dieser zurück ins Wohnzimmer kam. Der antworte ihr hingegen nur knapp, dass die Handtücher im Badezimmer liegen würden, und verließ wieder das Zimmer.

 

 

Das warme Wasser tat ihr gut. Sie fühlte sich das erste Mal, seitdem sie in dem Krankenhauszimmer erwacht war, endlich mal entspannt. So schnell wollte sie nicht wieder aus der Wanne heraus.

Mit geschlossenen Augen ließ sie sich in dem wohligen Wasser treiben und versuchte für einen Moment einfach an nichts zu denken.

„Es wird schon wieder alles gut werden“, murmelte sie leise zu sich selbst und hatte keine Ahnung, wie lange sie nun schon hier drinnen lag. Aber eigentlich war es ihr auch egal. Sie genoss es einfach.

 

Da das Wasser nun doch langsam kalt wurde, erhob sie sich aus der Wanne und betrachtete dadurch ihren nackten Körper. Abgemagert war sie. Die letzten Wochen im Koma gingen auch hier nicht spurlos vorbei. Wochen, in denen sie nur von Schläuchen ernährt worden war, wie ihr es Doktor Takahashi, als sie noch im Krankenhaus war, mitteilte.

Seufzend wickelte sie sich ein Handtuch um ihren dürren Körper und zog den Stöpsel der Wanne heraus. Ein anderes Handtuch wickelte sie um ihre Haare und verließ so das Badezimmer. Schnell tapste sie mit ihren nackten Füßen durch den Flur ins Schlafzimmer herüber. Sie war ganz froh darüber Kenta so halb nackt nicht über den Weg gelaufen zu sein. Ihr war nicht wohl dabei. Er war zwar allem Anschein nach ihr Verlobter und vermutlich hatte er sie auch schon nackt gesehen, aber da sie sich nicht daran erinnerte, war er für sie ein völlig Fremder.

Flink fischte sie sich Unterwäsche, ein dunkelblaues Shirt und eine kurze schwarze Stoffhose aus dem Schrank und zog sich schnell an. So müsste es gehen. Sie öffnete den Knoten des Handtuches auf ihrem Kopf und lief Haare rubbelnd zurück ins Badezimmer. Sie nahm sich einen Kamm vom Waschbecken, stellte sich vor dem Spiegel und kämmte ihre Haare.

Nachdem sie es geschafft hatte, so gut es eben mit diesem kleinen Ding ging, die Knoten herauszubekommen, band sie sie zu einem lockeren Zopf zusammen.

 

Stumm saßen sie beide am Esstisch. Es war mittlerweile früher Abend und sie war wirklich sehr müde.

„Du Kenta … Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich heute Nacht auf dem Sofa schlafen würde?“

Sie konnte einfach nicht mit einem für sie Fremden in einem Bett schlafen, es gefiel ihr überhaupt nicht der Gedanke.

 

Kenta war innerlich sehr erleichtert, er konnte den Gedanken schon nicht ertragen sich mit ihr auch noch ein Bett teilen zu müssen. Gespielt traurig aber dennoch verständnisvoll stellte er sich ihr direkt gegenüber auf und nahm ihre Hände in seine.

„Alles, was du möchtest Liebling. Du kannst dir so viel Zeit lassen, wie du brauchst.“

 

Dankbar über seine Antwort sah sie ihn direkt an. Erst jetzt bemerkte sie dadurch, da er so nah vor ihr stand, was für schöne grüne Augen er eigentlich hatte. Aber irgendwie hatte sie das Gefühl, das sie großen Schmerz verbargen. Woher sie das wusste, hatte sie keine Ahnung. Es war irgendwie so ein Gefühl. Oder erinnerte sie sich ihr Unterbewusstsein an etwas?

„Ist was?“

Erschrocken zuckte sie zusammen und peinlich berührt blickte sie verlegen zur Seite. Wie dämlich musste das wohl eben ausgehen haben. Sie hatte ihn einfach nur angestarrt.

„Ich würde jetzt gern schlafen“, murmelte sie leise und so verließ Kenta ohne ein Wort das Zimmer. Also eine gute Nacht wünschen hätte er ihr schon noch gekonnt, dachte sie sich und drehte sich zum Sofa herum. Seufzend ließ sie sich in die Sofakissen fallen, als sie bemerkte, wie er wieder das Wohnzimmer betrat. Ohne eine Miene zu verziehen, drückte er ihr eine Bettdecke sowie Kopfkissen in die Hände und steuerte wieder die Tür an.

„Dann mal eine gute Nacht.“

„Gute Nacht.“

Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, schloss er auch schon die Tür. Rasch drapierte sie die Bettwäsche auf dem Sofa und kuschelte sich hinein. Stutzig sah sie dabei zu der großen Fensterfront. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass von hier auch noch ein kleiner Balkon herausging.

Gähnend schloss sie ihre Augen und es hatte nicht lange gedauert, und sie war tief und fest eingeschlafen.

Wieder ein Mal träumte sie vom Mond und dem Palast darauf.

 

Sie lief durch einen dunklen Flur und konnte kaum ihre eigene Hand vor Augen sehen. Panisch rannte sie einfach weiter, bis sie bei einer riesigen Tür angekommen war. Ängstlich legte sie ihre Hand auf die Klinke und versuchte die schwere Tür zu öffnen. Nur mit großer Mühe schaffte sie es, sie aufzuziehen. Langsam trat sie über die Schwelle, doch von der einen Sekunde zur anderen stand sie plötzlich alleine in einem riesigen Saal. Verwundert, warum hier keiner war, sah sie sich um. Geschockt legte sie dann aber ihre Hände über ihren Mund. Was war hier passiert? Kaputte Stühle und Tische lagen hier überall herum. Die Wände hatten tiefe Risse und von den Fensterscheiben waren nur noch Splitter übrig. Sie wollte aus dem Saal wieder hinaus, aber nirgends war eine Tür zu finden. Panisch rannte sie von einer Ecke zur Nächsten.

Prinzessin … “, flüsterte eine Stimme hinter ihr und ruckartig drehte sie sich herum. Doch es war niemand zu sehen. Zitternd tastete sie mit ihren Fingern die Wände ab und suchte einen Weg hier raus, als wieder eine Stimme flüsterte, beinahe einem Wispern gleich.

Prinzessin … Mondprinzessin … “

Wieder war niemand zu sehen. Ängstlich setzte sie einen Fuß vor den anderen. Weitere Stimmen fingen an zu flüstern. Es wurden immer mehr. Aus jeder Ecke flüsterte es. Sie hatte das Gefühl, als würden sie immer näherkommen. Doch nirgends war etwas zu sehen.

Wer seid ihr?“, schrie sie daher ins Leere.

Prinzessin … “

Die Stimmen wurden immer lauter. Kopfschüttelnd hielt sie sich die Hände über die Ohren und sackte auf ihre Knie.

Was wollt ihr?“

Es wurde dunkel und sie vernahm nicht weit von sich, ein kleines Licht. Ohne nachzudenken, sprang auf und lief, so schnell sie konnte, darauf zu. Als sie es fast erreicht hatte, bemerkte sie, dass sie gar nicht mehr in dem großen Saal war, sondern auf einer langen Treppe stand …

 

Unruhig wälzte sie sich im Schlaf hin und her. Doch mit einem Mal drehte sie sich so schwungvoll zur Seite, dass sie vom Sofa kullerte und auf dem Boden landete. Davon aufgeschreckt richtete sie sich langsam wieder auf. Nachdenklich kratzte sie sich an ihrem Kopf. Was war das denn für ein Traum? Mondprinzessin?

Seufzend rutschte sie zurück auf das Sofa. Jetzt war sie wach. Um ein bisschen frische Luft zu schnappen, wickelte sie sich die Decke um ihren Körper und ging auf den Balkon.

Es war eine sternklare Nacht und die Luft tat ihr gut. Sie schaute den Mond an und merkte, wie Wärme durch ihren Körper strömte. Sie fühlte sich irgendwie wohl dabei. So geborgen. Es war ein wunderschöner Vollmond. Unweigerlich dachte sie dadurch an ihren wirren Traum zurück. Sie konnte ihren Blick nicht vom Mond lassen. Aber es beruhigte sie, warum auch immer, wenn sie ihn ansah …

Kapitel 7

 

Das Mondlicht und die sommerliche Wärme der Nacht entspannten sie. Und so blieb sie einfach noch einen Augenblick dort stehen. Sie dachte über ihre Träume, die sich offensichtlich jede Nacht wiederholten, nach. Irgendetwas mussten sie doch zu bedeuten haben. Am Besten sie fragte Kenta mal danach. Vielleicht wusste er ja etwas darüber.

 

Früh am Morgen klingelte es schon an der Tür. Geweckt davon öffnete sie langsam ihre Augen. Wer war das denn jetzt? Doch lange Zeit zum Überlegen blieb ihr nicht, denn in diesem Moment kam auch schon Mamiko ins Zimmer gestürmt.

„Aufstehen du kleine Schlafmütze.“

Mit einem Satz saß sie auf dem Sofa und grinste sie über beide Ohren an. Da sie keine Lust zum Aufstehen hatte, zog sie sich ihre Decke übers Gesicht.

„Noch fünf Minuten bitte“, murmelte sie leise und drehte sich demonstrativ von ihr weg.

„Komm, lass uns frühstücken.“

„Frühstück?“ Schwungvoll warf sie die Decke beiseite und sprang, wie von der Tarantel gestochen auf.

„Da bin ich dabei.“

 

Stumm saßen die Drei am Frühstückstisch und jeder schien in seinen eigenen Gedanken zu sein. Nach einer Weile hielt sie die Stille dann aber nicht mehr aus.

„Erzählt mir doch bitte ein wenig was. Ich weiß jetzt, dass wir Waisenkinder waren. Aber was hab ich sonst gemacht? Hab ich gearbeitet und wenn ja, wo?“, platzte es aus ihr heraus.

Mamiko lächelte sie an, trank einen Schluck Kaffee und begann zu erzählen.

„Ja, hast du. Wir beide arbeiten eigentlich zusammen in einem kleinen Bekleidungsgeschäft. Ich kann es dir gerne zeigen, wenn du möchtest.“

Freudig stimmte sie zu und sah danach zu Kenta herüber.

„Und du?“

Widerwillig erzählte er ihr, was er tat, doch so richtig verstand sie es auch nicht. Also merkte sie sich einfach, dass er in einem Büro irgendwelche Daten sammelte.

„Eine Frage hätte ich aber noch … Ich ähm … ich habe immer so eigenartige Träume vom Mond und einem Palast. Was hat das zu bedeuten? Ich träume es immer wieder.“

Kenta und Mamiko schauten sich tief in die Augen. Deuten konnten sie diesen Blick allerdings nicht und so wartete sie gespannt auf eine Antwort von den beiden. Schon fast übertrieben lustig ergriff Mamiko dann das Wort.

„Ach Usagi. Du bist eine Träumerin. Das warst du schon immer. Seit du klein warst, hast du dir immer gerne irgendwelche Geschichten von fernen Welten ausgedacht. Ich glaube, das war deine Art mit dem Waisenhaus zurechtzukommen. Deine Lieblingsgeschichte war aber immer die von der Prinzessin auf dem Mond. Du hast sie uns jeden Abend vor dem Schlafengehen erzählt, immer wieder. Bestimmt träumst du deshalb davon. Du erinnerst dich wohl in deinem Unterbewusstsein daran.“

„Ach, so ist das. Na warum bin ich dann keine Schriftstellerin geworden?“ Lachend nippte sie an ihrem Kakao und die beiden stimmten mit ein.

 

Als sie fertig gefrühstückt hatten, beschlossen sie, da sie sich nicht davon abbringen lassen wollte, die Gegend anzuschauen, im Zentrum anzufangen.

Dort angekommen schlenderten sie von einem Geschäft zum anderen. Sie schauten sich markante Gebäude und Sehenswürdigkeiten an. Sie kam sich, wie ein Tourist vor, die ebenfalls durch die Stadt bummelten. Wobei wenn man es genau nahm, sie selbst im Moment auch nichts anderes war.

Sie machten noch viele Pausen zwischendurch, da sie logischerweise noch nicht wirklich bei Kräften war. Aber sie ließ es sich auch nicht nehmen, so viel wie möglich anzusehen. Hatte sie doch insgeheim gehofft, dass sie sich dadurch wieder erinnern würde.

Betrübt folgte sie Kenta und Mamiko weiter. Vor den beiden ließ sie sich allerdings nicht anmerken, dass sie durch die Tatsache, dass absolut keine Erinnerungen kommen wollten, niedergeschlagen war.

Schlendernd kamen sie an einem kleinen Geschäft für Frauenbekleidung vorbei. Im Fenster standen Schaufensterpuppen mit schönen Abendkleidern.

„Usagi, sieh mal. Das ist es. Hier arbeitest du eigentlich.“

Erstaunt schaute sie durch die Glasscheibe und betrachtete von außen das Geschäft.

„Hier? Das ist aber schön. Können wir nicht mal reingehen?“, fragte sie und sah erwartungsvoll zu ihrer Freundin. Doch diese legte ihre Hände bloß auf ihre Schulter und schob sie ein Stück weiter.

„Nicht heute. Du bist doch gerade erst nach Hause gekommen. Du solltest noch gar nicht wieder ans Arbeiten denken. Und außerdem habe ich heute meinen freien Tag.“

Etwas traurig darüber, war sie dann aber einverstanden und so setzten sie ihren Rundgang fort.

 

Als die Drei dann am frühen Abend wieder zu Hause ankamen, war sie so erschöpft, dass sie sich gleich zum Schlafen hingelegt hatte.

 

Am nächsten Tag war sie schon früh wach. Sie hatte wieder einmal von der Mondprinzessin geträumt. Es fühlte sich jedes Mal so real, so echt an, wenn sie wach wurde. Sie war wohl wirklich eine hoffnungslose Träumerin.

Grübeln, ob Kenta noch schliefe, schlich sie sich ganz leise zum Schlafzimmer. Vorsichtig öffnete sie einen Spalt die Tür und sah vorsichtig hinein. Sie selbst schlief immer noch auf dem Sofa. Sie fühlte sich damit einfach wohler. Und Kenta hatte ihr ja auch vergewissert, dass es in Ordnung für ihn wäre.

Lächelnd blickte sie auf das große Bett. Er schlief noch. Also beschloss sie einfach schon ein Mal etwas zu essen und ihn schlafen zu lassen. Er hatte sich extra Urlaub für sie genommen, obwohl sie ihm immer wieder gesagt hatte, dass er dies nicht extra müsse. Sie wollte doch niemanden Umstände bereiten, aber er bestand darauf. Da war es wohl das Mindeste, dass er ausschlafen konnte. Leise schloss sie wieder die Tür und steuerte die Küche an.

 

Nachdem sie aufgegessen hatte, schlief Kenta immer noch. Überlegend, was sie machen sollte, schlurfte sie herüber ins Wohnzimmer. Gerade hatte sie sich auf das Sofa gesetzt, als ihr ein Gedanke kam. Sie hatte gestern auf dem Weg in die Innenstadt, ganz in der Nähe, einen Park entdeckt. Frische Luft würde ihr mit Sicherheit gut tun, dachte sie sich. Rasch stand sie wieder auf, schnappte sich den Schlüssel, den Kenta ihr gestern gegeben hatte, vom Sofatisch und verließ leise die Wohnung.

Tief sog sie draußen angekommen die warme Sommerluft in ihre Lungen und blickte danach in den, kaum mit wolkenbedeckten, Himmel hinauf. Perfektes Wetter für einen Spaziergang.

 

Nach einem, für sie noch langen, Fußmarsch erreichte sie endlich die Grünanlage. Als sie gestern mit dem Auto dran vorbeifuhren, kam ihr es gar nicht so weit vor. Auf den schönen grünen Wiesen spielten Kinder und viele lagen dort im Gras und ließen sich die Sonne ins Gesicht scheinen. Summend schlenderte sie durch die schöne Parkanlage und beobachtete die Menschen um sie herum. Erschöpft suchte sie sich dann aber nach kurzer Zeit ein schattiges Plätzchen unter einen der schönen großen Bäume. Sie ließ sich ins Gras fallen, lehnte sich gegen einen Baum und schaute hoch in den Himmel. Ein leichter Windhauch wehte durch ihre Haare und das laue Lüftchen kühlte sie für einen winzig kleinen Moment etwas ab.

Seufzend beobachte sie die Menschen um sie herum. Irgendwie beneidete sie sie. Sie spielten, lachten und hatten Spaß miteinander. Jeder von ihnen wusste, wer er war. Nur sie nicht. Sie hoffte, dass auch sie bald wieder so unbeschwert ihr Leben leben könnte. Wenn sie doch nur wüsste, wer sie war. Sie verspürte die ganze Zeit so eine innere Unruhe. So als müsste sie es ganz schnell herausfinden. Aber vermutlich erging es jedem so, der sein Gedächtnis verloren hatte.

 

Eine ganze Weile saß sie noch dort und beobachte die fröhlichen Menschen um sie herum und hing in ihren Gedanken. Unweigerlich blitzten ihr dadurch die Bilder der schrecklichen Tage, die sie in der kleinen Hütte verbracht hatte, vor ihrem inneren Auge auf. Sie musste unbedingt noch ein Mal mit Kenta sprechen. Sie musste zur Polizei gehen und ihnen alles erzählen. Ihr mussten sie doch glauben. Die beiden Männer liefen noch frei herum und sie hatte furchtbare Angst, solange sie nicht gefasst waren, dass sie nachher erneut von ihnen geschnappt werden würde. Wobei sie immer noch keine Ahnung hatte, was sie überhaupt von ihr wollten. Wenn sie Kenta oder Mamiko darauf ansprach, wichen die beiden ständig aus und meinten, sie würden sie nur beschützen wollen. Es war ja lieb von ihnen gemeint, aber sie mussten sie wirklich nicht in Watte packen.

Sie schloss ihre Augen und versuchte die Bilder zu verdrängen. Doch ganz plötzlich sprang sie auf. Kenta war vielleicht schon aufgewacht und wunderte sich nun, wo sie war. Im Nachhinein hätte sie vielleicht einen Zettel hinterlegen sollen, wo sie hinging. Schnell eilte sie daher zurück nach Hause.

 

Nach mehrmaligen Klingeln an der Haustür riss es Kenta aus dem Schlaf. Stöhnend warf er die Bettdecke beiseite. Warum musste er jetzt an die Tür gehen? Konnte die blöde Blonde nicht aufmachen? Zerknirscht stieg er aus dem Bett, schlurfte zur Tür und öffnete sie.

„Darf ich Ihnen ein einmaliges Angebot unterbreiten?“

Draußen stand eine Vertreterin und wollte ihm irgendwelche Cremes andrehen. Genervt knallte er, ohne ein Wort zu sagen, die Tür wieder zu.

„Usagi! Warum machst du die verdammte Tür nicht auf?“, brüllte er laut und rieb sich mit der Hand über sein Gesicht. Langsam steuerte er das Wohnzimmer an. Wobei sein Blick auf die Wanduhr in der Küche fiel und stellte erschrocken fest, dass es schon weit nach Mittag war. So spät wollte er gar nicht aufstehen. Das war alles Mamikos Schuld.

Die beiden hatten noch bis tief in die Nacht gestritten, bevor sie ging.

 

Und was soll das bitte bringen, wenn wir dem Blondchen den ganzen Scheiß vorgaukeln? Sie weiß doch überhaupt nicht, was der Silberkristall ist, geschweige denn, wo er ist. Ich weiß, dass wir ihn brauchen, aber sie hat ihn nicht bei sich.“

Sichtlich genervt verdrehte Mamiko ihre Augen.

Bist du so blöd? Denk doch mal nach. Das ist unser Vorteil, dass sie sich an nichts erinnert. Wenn sie erst ein Mal Vertrauen zu uns hat und uns wirklich, als ihre Familie ansieht und uns sogar in gewisser weise liebt, dann wird sie uns mit ihren Leben vor anderen beschützen. Das ist einfach ihre Art und das ändert sich auch nicht mit ihrem Gedächtnisverlust. Wenn es so weit ist, können wir sie so für unsere Pläne benutzten. Dann wird sie mit uns gegen die anderen Sailor Kriegerinnen und diesen dämlichen Erdenprinzen kämpfen. Die könnten, wie du weißt, noch ein Problem werden.“

Schnaufend verschränkte er seine Arme und begann sie so zu fixieren.

Super. Und ich muss diese Schwachsinn, als ihr Verlobter ertragen. Was ist, wenn sie sich doch zu früh wieder erinnert?“

Wird sie nicht. Keine Sorge. In ihrem Unterbewusstsein ist die Prinzessin schon ein Stück erwacht. Sie darf sich nur so weit erinnern, dass sie mit uns kämpfen kann. Allerdings darf sie sich nicht an ihre Vergangenheit, als Usagi Tsukino erinnern. An die Zeit, die sie mit den Sailor Kriegerinnen und dem Erdenprinzen verbracht hat. Aber dafür werde ich schon sorgen.“

Laut lachend spielte Mamiko dabei mit ihrem Amulett zwischen ihren Fingern herum und verschwand ohne ein weiteres Wort aus der Wohnung.

 

Schnaufend fuhr er sich durch seine Haare. War doch kein Wunder, wenn er jetzt müde war, wenn sie ihn die halbe Nacht wach hielt. Stöhnend betrat er das Wohnzimmer, doch von dem Prinzeschen weit und breite keine Spur. Wo steckte sie? Sofort verließ er das Zimmer und suchte die Wohnung nach ihr ab. Doch egal, in welchem Zimmer er nach ihr suchte, sie war nirgends zu finden.

Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. Panik überrannte ihn.Was war, wenn sie sich doch erinnert hatte und abgehauen war? Seine Schwester würde ihm das nicht verzeihen.

Kopflos lief er den Flur auf und ab. Fieberhaft überlegte er, wie er es Mamiko beibringen konnte, als er ein Knacken im Türschloss hörte. Ruckartig drehte er sich zur Haustür und er konnte sehen, wie Usagi die Wohnung betrat. Aufgebracht stürmte er zu ihr.

„Wo warst du?“

Sofort zog sie sich die Schuhe aus und ging ein Stück auf ihn zu.

„Es tut mir leid. Ich hätte ein Zettel hinlegen sollen. Ich wollte dich nicht wecken und bin im Park spazieren gegangen.“

„Spinnt du? Der ist doch dreißig Minuten zu Fuß entfernt. Du sollst doch nicht so lange laufen, bevor du wieder richtig fit bist! Geschweige denn alleine irgendwo herumlaufen!“

Schnaufend drehte er sich herum und ging ins Wohnzimmer. Das war zum Glück noch mal gut gegangen. Auf den Schreck musste er sich jetzt ein Mal setzen und so ließ er sich auf das Sofa fallen. Er konnte im Augenwinkel sehen, wie sie langsam auf ihn zu ging und sich nun neben ihn setzte. Keiner sagte ein Wort.

„Bist du … bist du böse auf mich?“

Kopfschüttelnd ließ er sich in die Kissen fallen und versuchte ein Lächeln aufzusetzen. Das hätte auch anders ausgehen können. Seine Schwester hätte ihm nie verziehen, wenn sie unter seiner Aufsicht abgehauen wäre.

„Du, Kenta …“, riss sie ihn wieder aus seinen Gedanken und so sah er zu ihr, „Ich … ich würde gerne zur Polizei gehen. Bevor die beiden nicht gefasst sind, werde ich keine Ruhe finden können. Mir müssen sie einfach glauben.“

Innerlich stöhnte er auf. Er hatte so etwas schon kommen sehen. Für den Fall hatten Mamiko und er aber auch schon etwas ausgetüftelt.

„Bevor deine Entführer nicht gefasst sind, werde ich auch nicht ruhig schlafen können. Du bist aber noch viel zu geschwächt, um dich um die ganze Sache zu kümmern.“

Er gab sich große Mühe so besorgt, wie möglich zu klingen.

„Ich werde mich zusammen mit Mamiko darum kümmern. Ich werde alles aufschreiben und du brauchst dann nur noch deine Unterschrift darunter setzen. Morgen werde ich es dann zur Polizei bringen. Doktor Yamamoto werde ich auch beauftragen. Er soll ein Attest ausstellen, dass du gesundheitlich nicht in der Lage bist, deine Angelegenheiten zu regeln.“

 

Stumm nickte sie. So schlecht fühlte sie sich doch gar nicht, stimmte aber zu, da der Gedanke daran, ihre zwei Peiniger wiedersehen zu müssen, ihr auch nicht gefiel.

Und so schrieb Kenta alles fein säuberlich auf und gab es ihr, damit sie es unterschreiben konnte.

 

Die nächsten Tage verliefen immer ähnlich. Sie verbrachten den Tag mit Mamiko oder alleine, sahen sich irgendwelche Sehenswürdigkeiten, wie Touristen an oder verbrachten den Tag zu Hause. Abends ging sie dann erschöpft auf dem Sofa schlafen.

Nachts träumte sie zwar weiterhin vom Mond, dem Palast und dem Kristall, aber machte sich da keine weiteren Gedanken mehr zu. Es war bloß eine Geschichte, entsprungen ihrer Fantasie …

Kapitel 8

 

Schnell vergingen die zwei Wochen Urlaub von Kenta und so musste er heute wieder zur Arbeit. Für sie war es okay. Viel mehr fand sie es sogar gut. So hatte sie auch mal Zeit für sich alleine. Die letzten beiden Wochen kamen ihr so vor, als ob die beiden sie absichtlich keine Minute allein ließen und sie bei jeder ihrer Bewegungen beobachteten. Sie genoss zwar die Gesellschaft der beiden, aber ein bisschen Zeit für sich, war auch nicht verkehrt.

Kenta war schon früh außer Haus gewesen und sie somit ganz alleine, als sie aufwachte.

Gähnend streckte sie sich ein paar Mal und stand auf. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass sie noch etwas Zeit hatte, bis Mamiko hier erscheinen würden. Zu lange wollten sie sie wohl doch noch nicht alleine lassen. Ein wenig übertrieben sie es ja schon mit ihrer Fürsorge. Sie fühlte sich doch schon viel besser.

Kopfschüttelnd tapste sie durch den Flur in die Küche. Ihr Magen machte mittlerweile schon Geräusche eines Bären. Sofort steuerte sie den Kühlschrank an. Doch dann blieb sie stutzig stehen. Kenta hatte ihr offenbar eine Nachricht hinterlassen. Flink zog sie sie unter dem Magnet hervor und begann sie zu lesen.

 

 

Hallo Usagi,

wäre schön, wenn Essen fertig wäre, wenn ich nach Hause komme.

Kenta

 

Seufzend senkte sie ihren Kopf. Kochen ... Frustriert sah sie erneut auf den Zettel. Kenta hatte ihr in den letzten zwei Wochen versucht beizubringen einfache Gerichte zu kochen. Die Versuche gingen jedoch gründlich daneben. Daher war sie jetzt nicht gerade begeistert von seiner Bitte.

Sie machte ihm ja gerne eine Freude, oder tat ihm einen Gefallen. Aber das? Sie mochte ihn ja auch mittlerweile richtig gerne und fühlte sich wohl in seiner Gesellschaft. Sie spürte zwar keine Schmetterlinge im Bauch, wie sie es selber nannte, aber es würde bestimmt schon wiederkommen. Die Gefühle mussten ja mal da gewesen sein, sonst wären sie nicht verlobt, dachte sie sich. Sie kannte ihn, wenn man es genau nahm, da sie sich an nichts erinnerte, auch erst knapp zwei Wochen. Allerdings erzählte sie Kenta und Mamiko nichts von ihren Gedankengängen. Die behielt sie lieber für sich, was ihr wiederum ein schlechtes Gewissen verpasste, dass sie nicht ehrlich zu ihnen war. Energisch nickte sie sich daher selbst zu. Dieses Mal musste es klappen.

 

Frustriert wälzte sie die Kochbücher, die sie in der Küche gefunden hatte, durch. Aber die Gerichte sahen alle so kompliziert aus, sodass sie schon beinahe aufgeben wollte, als es an der Tür klopfte. Mamiko. Schnell huschte sie zur Haustür und begrüßte freudig ihre Freundin. Sie war die Rettung.

„Komm mit!“

Mamiko trat ein und, als sie ihre Tasche zur Seite gestellt hatte, griff sie nach ihrem Handgelenk und zog sie in die Küche.

„Was ist de… Was ist denn hier passiert?“ Mit großen Augen blickte ihre Freundin durch die Küche.

„Kenta möchte, dass ich für ihn Essen koche, aber ich finde kein Rezept, dass selbst mir gelingen könnte.“ Geknickt ließ sie Mamiko los und senkte ihren Blick.

„Pass auf, ich weiß, dass Kenta gerne Curry isst und zufällig weiß jemand hier im Raum, wie es gemacht wird.“ Zwinkernd legte Mamiko ihren Arm über ihre Schulter. „Wir gehen jetzt einkaufen. Hier um die Ecke ist ein Supermarkt und dann erkläre ich dir genau, wie es gemacht wird.“

 

Zwei Stunden später standen sie in der Küche und Mamiko erklärte ihr Punkt für Punkt, wie sie es zubereiten sollte. Haargenau schrieb sie jeden Punkt auf und machte sich jede noch so kleinste Notiz. Mamiko musste gleich wieder los und dann war sie auf sich allein gestellt.

Nachdenklich betrachtete sie Mamiko. Sie fuhr oft weg, wenn sie so darüber nachdachte. Wenn sie aber fragte, wohin, antwortete ihre Freundin jedoch nur, dass sie irgendwas für die Arbeit erledigen musste. Sie fand es zwar schon etwas seltsam, hinterfragte es aber auch nicht weiter. Und jetzt hatte sie schon gar keine Zeit, sie ein weiteres Mal darauf anzusprechen. Sie musste dieses verdammte Curry hinbekommen.

„Ich glaube, wir sind durch“, riss Mamiko sie aus ihren Gedanken und fragend blickte sie zu ihr.

„Ja?“

„Du wirst das schon schaffen, so schwierig ist das auch gar nicht … Ich muss nun leider los. Ich habe noch etwas zu erledigen.“

Nickend legte sie den Zettel beiseite und brachte sie zur Tür.

„Wir sehen uns morgen.“

„Ja, bis morgen.“

Eilig schloss sie die Haustür und ging zurück in die Küche. Sie musste schnell anfangen, um noch rechtzeitig fertig zu werden. Sie schnippelte und schälte alles genau so, wie Mamiko ihr es erklärt hatte. Sie gab sich wirklich Mühe, dennoch spritze es überall hin, und das Gemüse flog nur so in alle Ecken. Sie wusste nicht, wie sie das schaffte, selbst in ihren Haaren klebte alles. Angespannt nahm sie sich ihren Notizzettel und überprüfte ihre Arbeitsschritte.

Alles in einen Topf gepackt, legte sie ihre Finger um den Knopf des Herdes, als sie abrupt innehielt. Wie aus dem Nichts schoss ihr auf ein Mal ein Bild von einem kleinen Mädchen mit rosa Haaren in den Kopf. Es aß gerade Curry. Ihr kam das Gesicht so vertraut vor. Sie hatte das komische Gefühl für dieses Mädchen genau so etwas schon ein Mal gekocht zu haben. Wer war das Mädchen? Wie sehr sie sich auch anstrengte, es kamen einfach keine weiteren Bilder. Vielleicht wusste Kenta ja, wer sie war.

Den Gedanken beiseitegeschoben, stellte sie den Herd an. Erstaunlicherweise klappte von da an alles, wie geschmiert.

Das Curry köchelte leise vor sich hin. Ein köstlicher Duft strömte durch die Küche, was ihr selbst das Wasser im Mund laufen ließ. Ein lautes Magenknurren bestätigte auch direkt ihren Hunger. Langsam sah sie auf die Uhr und schlagartig wurden ihre Augen groß.

„Oh nein, schon so spät!“ Hektisch schnappte sie sich Teller und Besteck, lief damit ins Wohnzimmer und deckte den Tisch. Zurück in der Küche begann sie rasch alles wieder aufzuräumen. Kenta müsste jeden Moment von der Arbeit zurück sein und sie wollte fertig sein, wenn er nach Hause kommt.

Kaum hatte sie angefangen, schloss dieser auch schon, wie aufs Stichwort, die Tür auf. Lächelnd strecke sie ihren Kopf aus dem Zimmer. „Kannst gleich zu mir in die Küche kommen.“

Wie ein Honigkuchenpferd freute sie sich, dass alles so gut geklappt hatte, als plötzlich mit lautem Blubbern der Topf mit dem Curry überkochte.

„Oh nein, ich dumme Nuss.“ Sie hatte vergessen den Herd auszumachen. Schnellen Schrittes lief sie zum Herd und es kam, wie es kommen musste. Sie rutsche auf einem kleinen Stück Karotte auf dem Boden aus und schlitterte noch ein Stück weiter, bis sie mit einem lauten Knall vor dem Herd landete.

 

Irritiert, was das für einen Lärm in der Küche war, rannte er los. Stirnrunzelnd sah er durch den Raum. Es herrschte das reinste Chaos und Usagi saß mit einem Kochlöffel in der Hand mittendrin auf dem Boden. Es klebten sogar Gemüsestückchen in ihren Haaren.

„Ich wollte uns Essen machen.“

Immer noch perplex starrte er sie an. Doch dann konnte er nicht anders und fing anzulachen. Er musste so herzhaft lachen, dass er sich sogar am Türrahmen festhalten musste. Aber für Kenta war irgendetwas anders. Er lachte nicht, weil er auf Kommando freundlich sein musste. Nein, das Lachen kam irgendwo anders her. Er spürte etwas. So ein Gefühl. So eine Wärme. So etwas hatte er noch nie gespürt oder zumindest konnte er sich nicht mehr erinnern. Er wusste nicht warum, aber so, wie sie da saß, sah er erst, wie hübsch sie doch eigentlich war.

„Ja, lach du nur, dass ich für dich gekocht habe.“ Schmollend zog sie eine Schnute und verschränkte ihre Arme vor der Brust. Was ihn dazu veranlasste nur noch mehr zu lachen.

 

Angesteckt von seinem Lachen konnte sie jetzt aber auch nicht mehr anders und fing selbst damit an. Es musste aber auch zu komisch aussehen, wie sie da auf dem Boden saß. Lachend sahen sie sich einfach an. Es war das erste Mal, dass sie ihn so lachen sah, zumindest seit sie ihr Gedächtnis verloren hatte.

Kenta half ihr hoch und begutachtete den Topf mit dem Curry. Angebrannt war es zum Glück noch nicht.

 

„Dann mal guten Appetit.“ Lächelnd griff sie nach ihrem Löffel und konnte genau sehen, wie Kenta skeptisch mit seinem in dem Curry herumstocherte. Langsam schob er etwas herauf und fuhr ihn ganz langsam zu seinem Mund. Ihr kam es wie eine halbe Ewigkeit vor, bis sich Kentas Miene aufhellte und er mit großen Augen einen weiteren Happen in den Mund schob.

„Wow. Das schmeckt wirklich gut!“

Lächelnd nickte sie ihm zufrieden zu und aß nun auch weiter.

Schweigend saßen sie einfach nur da und jeder hing in seinen Gedanken. Doch dann traf es sie, wie ein Schlag.

„Das Mädchen … Chibiusa!“ Hektisch sprang sie auf und stützte sich dabei mit ihren Händen am Tisch ab.

„Wovon redest du? Was für ein Mädchen?“

„Das kleine Mädchen heißt Chibiusa!“

Hastig stürmte sie um den Tisch herum und schnappte sich Kentas Hand.

„Vorhin, als ich gekocht habe, hatte ich plötzlich so ein Bild von einem kleinen Mädchen im Kopf. Mir war sie so vertraut und jetzt weiß ich auch wieder, wie sie heißt. Wer ist Chibiusa?“

Kenta zog seine Hand weg und runzelte dir Stirn.

„Keine Ahnung, wen du meinst. Ich kenne keine Chibiusa und Mamiko mit Sicherheit auch nicht … Ich muss morgen früh raus und werde nun ins Bett gehen. Gute Nacht.“

Er stampfte, ohne ein weiteres Wort, aus dem Zimmer und kurze Zeit später hörte sie, wie die Schlafzimmertür zu geknallt wurde. Fassungslos blieb sie zurück. Was war das denn jetzt?

 

Das kleine Mädchen ging ihr einfach nicht mehr aus dem Kopf. Vielleicht fand sie in dem Fotoalbum irgendeinen Hinweis. Vielleicht hatte sie sie beim letzten Mal einfach übersehen. Flink fischte sie es aus der Schublade heraus und setze sich damit auf das Sofa. Sie blätterte eine Seite nach der anderen durch. Doch auf keinem einzigen Foto war das kleine Mädchen zu sehen. Während sie frustriert das Album wieder in die Schublade legte, sprang ihr ein Stadtplan ins Auge. Verwundert griff sie danach und holte ihn heraus. Er war nicht von Nagoya. Sondern von Tokio? Neugierig faltete sie ihn auf und betrachtete ihn stutzig. Auf der gesamten Karte waren Kreise und Kreuze verteilt. Nachdenklich tippte sie sich mit ihrem Zeigefinger gegen ihr Kinn. Vielleicht hatten sie da mal Urlaub gemacht? Sie drehte die Karte noch ein Stück und nun fiel ihr auf, dass neben den Kreisen ganz klein etwas geschrieben stand. Planeten? Neben jedem Kreis stand der Name eines Planeten. Mars, Venus, Jupiter, Merkur ...

Verwirrt packte sie die Karte zurück und setzte sich wieder auf die Couch. Sie musste Kenta morgen nach ihrer Bedeutung fragen. Man markierte doch nicht grundlos Stellen in einen Stadtplan und schrieb Planetennamen daneben.

 

Früh am Morgen, die Sonne war noch nicht ein Mal aufgegangen, wurde sie wach. Die letzte Zeit wurde es immer heißer und auch nachts gab es kaum Abkühlung. Durch die Wärme schlief sie sehr schlecht. Langsam nervte sie es auch, dass sie wirklich jede Nacht von dieser blöden Mondprinzessin träumen musste. Etwas Abwechslung wäre ihr mehr als lieb.

Ohne groß nachzudenken, ging sie auf den Balkon und wollte sich den Sonnenaufgang anschauen. Sie lehnte sich dazu gegen das Geländer des Balkons und genoss die Ruhe, die so früh, hier in der Stadt noch herrschte. Die Straßen waren leer, nur vereinzelt huschte mal ein Auto vorbei. In ein paar Stunden würde es hier wieder nur so vor Autos und Menschen wimmeln.

 

 

Schlaftrunken lief Kenta herüber ins Wohnzimmer und entdeckte dadurch die leere Couch. Ein kurzer Anflug von Panik überkam ihm, bis erleichtert feststellte, dass sie auf den Balkon herausgegangen war. Langsam schlurfte er ebenfalls heraus und blieb abrupt stehen, als er sie sah. Er wusste nicht warum, aber aus irgendeinem Grund konnte er seinen Blick nicht von ihr abwenden. Wie sie da barfuß stand, in ihrem dünnen weißen Kleid, welches ihr gerade ein Mal bis zu den Knien reichte und diese leicht umspielte. Ihr langes blondes Haar hatte sie noch nicht zusammengebunden und so wehte es leicht im Wind. Tagsüber trug sie sie eigentlich immer zu einem langen Zopf nach hinten gebunden.

Die ersten Sonnenstrahlen kamen heraus und strahlten genau auf sie. Es war fast so, als würde sie leuchten.

„Ein Engel …“

Sofort schellte er sich innerlich selbst, was er da dachte. Er hasste diese Frau und vor allem dafür, was sie ihm und seiner Familie angetan hatte. Wäre sie nicht gewesen, hätten sie ganz normal aufwachsen können. Er konnte ihr einfach nicht verzeihen. Augenblicklich schürte wieder der Hass in ihm. Er drehte sich um und ging wieder rein. Er wollte keine Sekunde länger in ihrer Nähe sein.

 

Usagi bekam von alledem nichts mit und träumte weiter vor sich hin. Als sie wieder hineinging, stand die Sonne schon hoch am Himmel.

 

Beim Frühstücken unterhielten sie sich nicht. Kenta sagte kein Ton und sie wusste nicht, wie sie anfangen sollte, nachdem er so eigenartig auf die Frage nach Chibiusa reagiert hatte. Da er aber im Begriff war aufzustehen, gab sie sich einen Ruck. Sie flitze schnell zur Schublade und holte den Stadtplan heraus. „Was haben die ganzen Markierungen und Planetennamen zu bedeuten?“

 

Kenta erstarrte für einen Augenblick. Er hatte ganz vergessen Mamiko den Plan zurückzugeben. Sie hatte ihn hier vor ein paar Tagen liegen lassen. Was machte er jetzt? Nervös kratzte er sich am Kopf und zuckte mit den Schultern.

„Zeig mal her. Keine Ahnung. Sehe ich zum ersten Mal. Bestimmt hast du die vor deinem Unfall gemacht.“

Skeptisch drehte sie die Karte hin und her.

„Warum sollte ich das gemacht haben?“

Seine Hände fingen an zu schwitzen. Er musste sie mit irgendetwas ablenken, damit sie nicht weiter nachforschte. „Es ist doch so schönes Wetter, wollen wir nicht ein Eis essen gehen?“

Sein Plan ging auf. Aufgeregt hüpfte sie auf und ab und packte den Stadtplan zurück in die Schublade.

 

Kurze Zeit später fuhr er mit ihr zu einer schönen Eisdiele direkt am Park.

Sie saßen auf der Terrasse und sie bestellte sich einen riesigen Schokoladeneisbecher. Er wunderte sich immer wieder, wie sie so viel verdrücken konnte, ohne auch nur ein Gramm zuzunehmen. Ohne es zu wollen, musste er schmunzeln bei diesem Gedanke und ihm überkam wieder so eine Wärme in seinem Herzen. Er hing in seinen Gedanken und versuchte dieses Gefühl zu zuordnen. Sie merkte seine geistige Abwesenheit zum Glück gar nicht und aß genüsslich ihren Eisbecher auf.

„Lass uns noch im Park spazieren.“ Plötzlich sprang sie auf und zog ihm am Arm. Er bezahlte schnell die Rechnung und schon gingen sie los. Ihm war alles recht, was sie den blöden Stadtplan vergessen ließ.

Sie schlenderten gerade durch den Park, als nicht weit von ihnen auf einmal Musik ertönte. Sie zog an seinem Arm und rannte mit ihm in die Richtung der Musik. Vier Straßenmusiker standen mitten auf einer Lichtung und spielten wunderschöne Musik zum Tanzen. Ein paar Kinder hüpften um die Musiker herum und einige Erwachsene hatten sich auch dazu gestellt und lauschten den Klängen.

„Komm, lass uns tanzen.“ Mit großen Augen strahlte sie ihn an.

„Was? Nein.“ Vehement schüttelte er seinen Kopf. Er tanzte doch nicht mitten hier im Park. Geschweige, dass er überhaupt tanzte. Schulterzuckend zog sie sich ihre dünnen Sommerschuhe aus. „Was machst du da?“

„Ich möchte das Gras zwischen meinen Zehen spüren. Wenn du nicht willst, geh ich halt alleine.“

Grinsend ging sie näher heran und tanzte zusammen mit den kleinen Kindern um die Musiker herum. Wie angewurzelt blieb er an Ort und Stelle stehen und beobachtete sie. Das Bild von heute Morgen auf dem Balkon schlich sich vor sein geistiges Auge, und als er sie da so mit den Kindern tanzen sah, einen Moment ohne Sorgen und einfach nur glücklich, überkam ihm wieder diese Wärme in seinem Herzen. Sie suchte sich einen Weg durch seinen gesamten Körper. Er hielt dieses Gefühl nicht mehr aus und rannte einfach weg. Er konnte es nicht mehr ertragen, was war das? Er hasste sie und doch überkam ihm immer öfter dieses Gefühl, wenn er in ihrer Nähe war. Er musste sich wieder in den Griff bekommen. Mamiko würde es ihm nie verzeihen, wenn er einen Fehler machte.

Als er wieder Herr seiner Sinne war, ging er wieder zurück. Sie hatte nicht ein Mal bemerkt, dass er kurz verschwunden war. Die Musiker hörten auf zu spielen und packten ihre Instrumente ein. Nachdenklich blickte er herauf in den Himmel. Es zogen dunkle Wolken auf.

„Usagi. Lass uns lieber nach Hause fahren.“

 

Mitten in der Nacht wurde sie von lautem Donner aus dem Schlaf gerissen. Senkrecht saß sie auf dem Sofa und blickte aus dem Fenster. Es goss in Strömen und ein Gewitter tobte.

„Mist!“, fluchte sie leise, sprang auf und schloss die Balkontür. Sie hatte sie zum Lüften offen gelassen und war so eingeschlafen.

Es hatte hineingeregnet und eine große Pfütze machte sich auf dem Boden breit. Rasch rannte sie ins Badezimmer und holte ein Tuch zum Aufwischen. Nachdem sie alles aufgewischt hatte, hastete sie zurück zum Sofa. Es blitzte und donnerte immer mehr und bei jedem Dröhnen zuckte sie zusammen.

Mit ihrem Kissen kauerte sie auf der Couch und kniff die Augen zusammen. Es krachte und dröhnte noch ein paar Mal, bis sie sich ein Herz fasste und ihre Decke schnappte. Sie lief damit zum Schlafzimmer und stand nun schwer atmend davor. Sie wollte jetzt nicht alleine sein. Ein weiteres Mal donnerte es und so überlegte sie nicht mehr lange. Zaghaft klopfte sie an die Schlafzimmertür und Kenta antwortete auch gleich. Er konnte wohl auch nicht schlafen. Langsam öffnete sie die Tür und stand nun mit ihrer Decke in der Hand auf der Türschwelle. Nervös zupfte sie an dem Bezug der Decke.

„Du … Kenta … kann ich … kann ich heute Nacht bei dir schlafen? Ich … ähm … ich habe … Angst alleine.“

 

Kenta nickte bloß perplex und rutschte, damit sie auch Platz in dem Bett fand, ein Stück zur Seite. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sie zu ihm herüber kommt. Schüchtern krabbelte sie auf die rechte Seite des Bettes und rollte sich in ihre Decke. Ein greller Blitz erhellte den Nachthimmel, gefolgt von einem ohrenbetäubenden Knall. Er war wohl ganz in der Nähe eingeschlagen. Sie schrie auf, rutsche plötzlich zu ihm, klammerte sich ängstlich an seinem Shirt fest und vergrub ihr Gesicht darin. Er wusste gar nicht, wie es um ihm geschah. Er war völlig überfordert mit der Situation. Diese Gefühle, die in ihm wieder hochkamen, auf der anderen Seite aber, die ihm allzu gut bekannten, Hassgefühle ihr gegenüber. Aus irgendeinem Grund jedoch hatte er in diesem Moment einfach das Bedürfnis sie zu beschützen. Er konnte sich das selbst nicht erklären. Wie automatisch legte er seine Arme um sie herum und hielt sie fest.

 

Die ganze Zeit hatte sie Bedenken gehabt, mit ihm im Schlafzimmer zu schlafen, aber als sie jetzt so in seinen Armen lag, fühlte sie sich irgendwie geborgen. Sie wusste auch nicht warum, aber genau dies beruhigte sie und so konnte sie endlich wieder einschlafen.

 

Kenta konnte diese Nacht nicht mehr schlafen. Er lag einfach nur da und hielt sie in den Armen. Er konnte es sich selber nicht eingestehen, aber er fühlte sich wohl dabei. Es war ein Gefühl, was er schon seit ewigen Zeiten nicht mehr gefühlt hatte.

 

 

Zur selben Zeit wütete auch in Tokio ein schweres Gewitter und Mamoru konnte dadurch nicht mehr schlafen. Er stand auf und stellte sich ans Fenster. Traurig beobachtete er das Spektakel und seufzte. Es erinnerte ihn an Usagi. Sie hatte immer solch eine Angst, wenn es gewitterte, dass er sie immer ganz fest in den Armen hielt.

Er blieb noch eine ganze Weile dort am Fenster stehen, bevor er wieder zurück ins Bett ging. Er musste sich zwingen zu schlafen. Er hatte sich morgen wieder für eine Doppelschicht eingetragen.

 

Kapitel 9
 

„Seit zwei Wochen verschanzt du dich hier nach der Arbeit vor dem Haus. Das kann doch nicht so weitergehen.“

Besorgt beugte sich Rei zu Mamoru herunter, strich ihm über den Arm und versuchte ihn zu beruhigen.

„Irgendwann müssen sie ja wiederkommen.“

Schwer atmend setzte sie sich neben ihn vor die Haustür und zog ihre Tasche auf ihren Schoß.

„Du hast doch schon alle Nachbarn gefragt. Es weiß einfach niemand, wo sie sind. Mach dich nicht weiter fertig damit. Wir müssen uns mit der Tatsache abfinden, egal wie schwer es ist. Usagi ist fort und wird nie wiederkommen. Ob du nun mit ihren Eltern noch ein Mal sprichst oder nicht.“ Sie konnte deutlich sehen, wie er seine Hände zu Fäusten ballte und sein gesamter Körper dabei begann zu zittern. Es tat ihr auch unendlich leid, ihm das so ins Gesicht zu sagen. Sie war selbst mehr als nur sauer, was Usagis Eltern da abgezogen hatten, aber Mamoru musste endlich akzeptieren, was passiert war, sonst würde er daran noch zugrunde gehen.

„Rei. Sie haben sie uns weggenommen!“ Wütend sprang er auf und lief aufgeregt hin und her, wodurch sie sich nun auch langsam wieder erhob.

„Sie haben sie uns nicht weggenommen. Usagi ist an den Folgen ihres Unfalls gestorben. Sie haben es mit Sicherheit nicht mehr hier ausgehalten und haben es nicht ertragen hier zu bleiben, wo sie alles an Usagi erinnert“, argumentierte sie sachlich und versuchte selbst ihre Emotionen dabei Unterkontrolle zu halten. Sie würde ihm nicht helfen, wenn sie nun auch ausrasten würde. Auch wenn die ganze Sache sehr rätselhaft war. Irgendetwas stimmte nicht. Seit kurzer Zeit hatte sie auch wieder seltsame Visionen, welche sie aber nicht deuten konnte. Sie sah verschwommen vier kleine Kinder, die um etwas herum standen, etwas in die Hand nahmen und dann wurde es dunkel. Eine unheimliche Vorahnung beschlich sie. So als stünden sie bald einem neuen Gegner entgegen. Sie stellte auch schon insgeheim Nachforschungen an, was dies alles bedeuten könnte. Den anderen sagte sie aber noch nichts. Sie wollte sie nicht unnötig beunruhigen, wenn nachher doch nichts war.

„Und jetzt? Soll ich so tun, als wäre nichts?“

„Nein natürlich nicht … Minako kam gestern zu mir … Und ich finde die Idee eigentlich ganz schön ...“, stammelte sie und klammerte ihre Finger um den Gurt ihrer Tasche, „Daher hab ich dich auch gesucht.“

Abrupt blieb er stehen und sah sie nun fragend an. „Was?“

„Sie hat vorgeschlagen, dass wir uns alle für eine kleine Gedenkfeier für Usagi im Tempel treffen … Dann können wir uns wenigsten so von ihr verabschieden.“
 

Langsam ging er Stufe für Stufe herauf. Da er und die anderen mit der Gedenkfeier einverstanden waren, trafen sie sich nun alle bei Rei im Tempel. Er hatte die anderen, bis auf Rei, seitdem sie sich, nachdem sie die schlimme Nachricht erhalten hatten, noch ein Mal getroffen hatten, nicht mehr gesehen. Sie hatten versucht zu überlegen, wie es weiter gehen würde, aber keiner wusste es. Wenn nun neue Feinde auftauchen würden, wären sie ohne ihre Prinzessin vermutlich nicht stark genug. Niemand von ihnen war in der Lage mit dem Silberkristall umzugehen. Da es zum Glück schon Jahre friedlich nach Galaxia auf Erden war, hofften alle, dass es so bleiben würde. Aber bei einer Sache waren sie sich einig. Falls doch wieder Gegner auftauchten, würden sie diese mit allen ihren Kräften bekämpfen.
 

Stumm saßen sie jetzt alle bei Rei im Tempel. Sie und ihr Großvater hatten alles vorbereitet. Im ganzen Raum standen Vasen mit weißen Blumen. Eine kleine Staffelei mit einem Bild von Usagi war in der Mitte des Raumes aufgestellt und daneben einige Kerzen verteilt.

„Das habt ihr wirklich sehr schön gemacht“, räusperte sich Minako dann nach einiger Zeit.

Sie wussten alle nicht so richtig, was sie sagen sollten. Doch nach und nach sprach dann jeder ein paar Worte über Usagi und sie erzählten sich kleine Anekdoten, wo sie sogar für einen kleinen Moment, obwohl jeder von ihnen bis auf Mamoru weinte, schmunzeln musste. Das war einfach ihre Usagi.
 

 

Stumm saß Mamoru etwas abseits der anderen. Er merkte selbst, dass es ihm von Tag zu Tag schlechter ging. Aber er konnte und wollte einfach nicht hier vor den anderen weinen. Sie riefen ihn schon so oft genug an, und fragten, ob alles in Ordnung wäre. Es war ja lieb von ihnen gemeint, aber er versuchte doch einfach nur jeden Tag aufs neue den Tag zu überstehen. Er schob oft Doppelschichten oder schlief im Krankenhaus, nur um sich abzulenken. Zu Hause erinnerte ihn einfach viel zu viel an Usagi. Er verdrängte die Tatsache, dass sie nie wieder kommen würde. Auch wenn er wusste, dass er sich damit auseinandersetzen musste.
 

 

Schon über eine Stunde saßen sie zusammen und mittlerweile sagte niemand mehr ein Wort. Sie hingen alle in ihren Gedanken bei Usagi und dachten an all die schönen Dinge, die sie zusammen erlebt hatten.

Ami dachte an den Tag, an dem sie Usagi kennengelernt hatte und, wie einsam sie doch vorher gewesen war. Rei dachte an die unzähligen Streitereien, die sie mit ihr gehabt hatte, und musste anfangen zu lächeln. „Ach Usagi“, seufzte sie leise und strich sich ihre Tränen aus dem Gesicht. Makoto dachte daran, wie sie versucht hatte, ihr Mal wieder zu erklären, wie man einen Kuchen backt und sie dabei die komplette Küche ins Chaos stürzte. Der Gedanke ließ sie schmunzeln, doch direkt darauf kullerten ihr wieder zig Tränen über die Wangen.

Auch die anderen dachten an viele solcher kleinen Dinge, die sie mit ihr erlebt hatten.

Mamoru schloss seine Augen. Er wusste nicht warum, aber er musste an den Augenblick denken, als sie ihn kurz, nachdem Galaxia besiegt wurde, gefragt hatte, wie sehr er sie liebe würde. Er hatte ihr dann geantwortet, dass er sie nun niemals mehr alleine lassen würde. Zitternd ballte er seine Hände zu Fäusten. Warum musste er ausgerechnet jetzt daran denken? Bebend presste er seine Lippen aufeinander. Doch egal, was er versuchte, er konnte es nicht mehr verhindern, dass ihm seine Tränen ungehindert herunterliefen. Mit einem Satz sprang er dann plötzlich auf und ging ein Stück auf das Bild von Usagi zu.

„Jetzt hast du mich alleine gelassen!“, schrie er das Bild an und keine Sekunde später rannte er einfach hinaus. Auf dem Hof angekommen, gaben seine Beine nach und er sackte einfach auf allen Vieren zusammen. Bitterlich weinend schlug er mit den Fäusten auf den Boden. Immer und immer wieder. „Warum hast du mich alleine gelassen … Warum?“
 

 

Rei und Minako waren ihm hinterher gegangen und standen jetzt ein paar Meter von ihm entfernt.

„Komm, wir gehen wieder zu den anderen. Er muss jetzt allein sein.“ Erstaunt drehte sich Minako zu Rei. „Wir können ihn doch so nicht alleine lassen?“

Rei nahm Minakos Hand und zog sie ein Stück weiter, damit sie wieder reingehen konnten.

„Jeder geht anders mit seiner Trauer um. Mamoru muss es einmal rauslassen, sonst wird er nie darüber wegkommen. Weißt du … keiner von uns soll sie je vergessen, aber wir müssen nun mal alle weiter leben. Egal, wie schwer es auch ist …“

Seufzend nickte Minako zögerlich und so gingen sie wieder in den Tempel.
 

 

Mamoru hatte die beiden nicht bemerkt, zu sehr war er in seiner eigenen Gedankenwelt gefangen.

Wäre er doch nur nicht vorgegangen … Wäre er mit ihr zusammen die Treppe hinuntergelaufen … Vielleicht hätte … Vielleicht hätte er dann … Wäre er doch nur nicht weggefahren … Warum war er nicht da, als sie wach wurde? …

Seine Tränen liefen ihm über die Wangen und tropften herunter auf seine Hände. Zitternd grub er seine Finger in den Boden. Er hätte da sein müssen, als sie wach wurde.

Regungslos kauerte er noch eine ganze Weile dort auf dem Boden. Erst als er sich etwas beruhigt hatte, ging er zurück in den Tempel und setzte sich schweigend zu den anderen.
 

 

Früh am Abend verließen alle nach und nach den Tempel. Schwer atmend stand er nun vor Rei.

„Danke … Es-“

„Ich weiß. Du brauchst nichts zu sagen.“ Nickend verabschiedete er sich von ihr und verließ alleine den kleinen Raum. Er war heute zu Fuß zum Tempel gegangen. Er war dadurch zwar sehr lange unterwegs, aber genau das wollte er auch so.

Langsam ging er durch die Straßen, eilig hatte er es nicht. Zu Hause fiel ihm nur die Decke auf den Kopf. Gedankenversunken nahm er ihre Brosche aus seiner Tasche und sah sie sich genau an. Warum, warum ließ ihn das Gefühl einfach nicht los, dass sie noch lebte?

Krampfhaft klammerte er seine Finger um die Brosche. Rei hatte recht, er musste der Tatsache endlich ins Auge sehen. Mit einem tiefen Seufzer steckte er die Brosche wieder ein.

Er war fast zu Hause und so beschloss er den Rest durch den Park zu gehen. Von weiten sah er ein verliebtes Paar auf einer kleinen Parkbank sitzen. Man sah schon von hier, wie sie turtelten. Es verpasste ihm einen Stich im Herzen. Genau dort saß er auch immer mit ihr. Er musste daran denken, wie sie sich den einen Tag schmollend weggedreht hatte, als er sie ausversehen angerempelt hatte, und ihr dadurch ihr Eis aus der Hand fiel. Sie hatte so lange gemuckelt, bis er ihr ein Neues besorgt hatte.

Traurig schaute er das Paar an. De Frau musste natürlich auch noch ausgerechnet genau so lange blonde Haare, wie Usagi haben, allerdings trug sie ihre offen. Sofort beschleunigte er seinen Schritt. Er wollte nur noch weg hier, raus aus dem Park. Als er das Pärchen beinahe erreicht hatte, lief ganz plötzlich eine seltsame Frau vor ihm. Er hatte sie gar nicht kommen sehen. Wie aus dem Nichts schien sie aufgetaucht zu sein. Sie ging mit schnellen Schritten an der Bank vorbei, schaute kurz zu den Verliebten und ging weiter. Ein paar Meter weiter bog sie dann in einen kleinen Trampelpfad ein und kurze Zeit später war sie nicht mehr zusehen. Schulterzuckend dachte er sich nichts weiter dabei und setzte seinen Weg fort. In seinen Gedanken ganz woanders hatte er den Park schon fast verlassen, als ihn lautes Geschrei zusammenzucken ließ. Sofort drehte er sich um und sah, wie das eben noch so turtelnde Paar, sich lautstark Stritt. Sie wurden immer lauter und brüllten sich an. „Seltsam“, murmelte er und wollte schon weitergehen, als der Mann plötzlich mit seiner Hand ausholte und seine Freundin so heftig ins Gesicht schlug, dass sie zu Boden fiel. Das konnte er sich nicht weiter mit ansehen und lief zurück. In der Zeit stand die junge Frau auch schon wieder auf und wurde jetzt auch handgreiflich. Sie hob einen Stein, der neben ihr lag, auf und wollte damit auf ihren Freund losgehen. Gerade rechtzeitig erreichte er die beiden und stellte sich abwehrend zwischen sie.

„Es reicht. Hört auf damit!“ Abwechselnd schaute er zu ihr und ihm. „Was ist denn hier los?“

Die junge Frau ließ den Stein wieder auf den Boden fallen und brüllte ihn an.

„Das würde ich den Idioten da drüben fragen!“

Sie zeigte dabei auf ihren Freund, zog sich dabei einen Ring vom Finger und warf ihn direkt vor seine Füße.

„Mit dir bin ich fertig“, wurde sie noch ein Mal laut und lief davon. Der junge Mann drehte sich ohne ihn weiter zu beachten um und ging ebenfalls davon.

„Blödes Miststück“, murmelte er noch und schon verschwand er aus seiner Reichweite.

Perplex blieb er zurück. Was war das denn gerade? Sichtlich irritiert ging er dann aber auch nach Haus.
 

 

Makoto stand in ihrem Blumenladen und bediente eine ältere Dame. Sie hatte den Laden erst vor einem halben Jahr von ihrer Vorgängerin übernommen, da diese in den Ruhestand ging. Sie freute sich über jeden einzelnen Kunden, da es vor ihrer Übernahme nicht besonders gut lief. Sie arbeitete schon einige Zeit hier und ihre Chefin war für sie eine gute Freundin geworden und so war es für sie selbstverständlich gewesen ihn zu übernehmen.

Sie band gerade einen riesigen Blumenstrauß für die Dame zusammen, als Minako aufgeregt das Geschäft betrat.

„Makoto! Stell dir vor, was eben im Crown los war.“

Aufgeregt hüpfte ihre Freundin vor ihr herum.

„Minako, einen kleinen Moment bitte, ich habe Kundschaft. Warte doch bitte hinten auf mich.“

„Ist gut, aber ich habe nicht viel Zeit. Meine Pause ist gleich vorbei.“
 

 

Minako verschwand in dem kleinen Hinterzimmer und setze sich auf einen kleinen Hocker, der vor einem kleinen Holztisch stand. Auf dem Tisch lagen über all Blumen und die neusten Fachzeitschriften herum. Um sich die Zeit zuvertreiben, begann sie darin herumzublättern.

Nach fünf Minuten kam Makoto dann auch hinterher.

„So, was ist denn nun passiert?“

Makoto setzte sich neben sie und reichte ihr ein Glas mit Wasser. Minako trank einen Schluck und fing an zu erzählen.

„Ich bin eben in meiner Mittagspause ins Crown, da ich mit Motoki verabredet war. Ich sollte ihm meinen Song zeigen. Er wollte entscheiden, ob er geeignet für seine Hochzeit ist.“
 

 

Makoto nickte stumm, sie war sehr stolz auf ihre Freundin. So lange hatte sie schon am Empfang des Tonstudios gearbeitet und gehofft endlich selber einen Song aufnehmen zu dürfen. Vor ein paar Wochen konnte sie dann endlich ihren Chef von sich und einen ihrer Songs überzeugen.

Gespannt hörte Makoto ihrer Freundin weiter zu.

„Als wir fast fertig mit der Besprechung waren, fingen plötzlich zwei Männer an zu streiten. Der eine behauptete, dass sein Eisbecher viel kleiner wäre, als von seinem Freund. Er war richtig sauer, könnte man sagen. Sie saßen eigentlich ganz friedlich zusammen. Sie haben vorher sogar noch zusammen gelacht.“

Verwundert schüttelte Makoto ihren Kopf.

„Aber das ist doch nichts Ungewöhnliches. Das kann schon mal vorkommen.“

„Da hast du recht, aber das Seltsame kommt ja noch. Die beiden wurden immer lauter und gingen richtig aufeinander los. Als Motoki die Streithähne auseinander bringen wollte, fingen auch andere Gäste an sich zu beschweren und begannen sich sogar sich zu prügeln. Hör zu, die gesamten Gäste, die dort waren, gingen plötzlich alle aufeinander los. Motoki musste die Polizei holen, da er alleine nicht mehr damit fertig wurde. Er hat sogar ein Glas im Gesicht abbekommen, was eine wütende Frau nach ihm geworfen hatte. Zum Glück hat er nur eine kleine Platzwunde unterm Auge davongetragen.“

Ihre Augen weiteten sich. Das war schon etwas Ungewöhnliches, so etwas war dort noch nie passiert. Und da fiel ihr etwas ein, sie hatte nicht weiter darüber nachgedacht.

„Gestern kam ein Pärchen in den Laden. Sie wollten Blumen für ihre Hochzeit aussuchen. Erst war auch noch alles in Ordnung, doch plötzlich fingen sie an zu streiten. Der Mann stürmte aus dem Laden, griff vor der Tür noch einen Mann an und lief weg. Die Frau schimpfte noch ein paar Minuten und haute dann auch ab. Ich hab gar nicht weiter darüber nachgedacht. Dachte mir nur ein merkwürdiges Paar, bestimmt der Hochzeitsstress. Aber jetzt, als du mir nun von der Sache im Crown erzählt hast. Mehr als seltsam.“

Minako stellte ihr Glas beiseite und lehnte sich ein Stück zu ihr herüber.

„Was mir gerade noch einfällt, Ami kam mich letzte Woche vor ihrer Schicht besuchen. Sie sah sehr müde aus und ich habe sie gefragt, ob alles Okay mit ihr wäre. Sie erzählte mir, dass seit einiger Zeit ziemlich viel los in der Klinik wäre. Es wurden verstärkt Patienten eingeliefert, die wegen irgendwelcher Prügeleien verletzt worden. Sie kämen gar nicht mehr hinterher mit den Behandlungen.“

Makoto sah Minako direkt in die Augen. Hier stimmte etwas nicht.

„Da ist etwas mehr als faul Minako. Ich hoffe, dass es alles nur blöde Zufälle sind. Aber wir sollten auf der Hut sein.“

Zustimmend stand Minako auf und ging Richtung Tür.

„Ich muss nun leider wieder los. Meine Pause ist vorbei, aber wir sollten das im Auge behalten und mit den anderen besprechen.“
 

 

Mamoru und die anderen hatten lange zusammengesessen und waren zu dem Ergebnis gekommen, dass dies keine Zufälle mehr sein konnten. Rei hatte den anderen auch von ihren seltsamen Visionen erzählt und, dass sie Nachforschungen angefangen hatte. Leider führten diese noch zu keinem Erfolg. Mamoru hatte auch die Situation im Park erzählt. Sie waren jetzt alle in Alarmbereitschaft, auch wenn sie noch nicht wussten, wer oder was und geschweige denn warum, dies mit den Menschen passierte. Es erinnerte sie stark an Vorfälle damals mit der Familie des schwarzen Mondes. Aber die konnten es nicht sein. Sie wurden damals besiegt, daran bestand kein Zweifel.
 

 

Die letzte Zeit wurde es immer heißer und es war keine Abkühlung in Sicht. Mamoru wollte gerade seine Schicht nach einer langen Nacht beenden, die mehr als anstrengend in dieser Hitze war, als eine junge Frau mit tiefen Schnittwunden eingeliefert wurde. Gähnend nahm er sich ein Klemmbrett und wollte ihr die üblichen Fragen stellen. Langsam sah er dazu zu ihr herauf und erschrak. Das war die Frau aus dem Park.

„War das ihr Freund? Hat er sie so zugerichtet?“ Eilig untersuchte er ihre Wunden und versorgte sie. Die Frau jedoch sagte keinen Ton und lachte stattdessen nur spöttisch. Sie war voller Hass und in ihren Augen konnte man nichts Freundliches erkennen.

„Dieser Waschlappen wäre doch zu so etwas gar nicht in der Lage. Die dämliche Kassiererin war mir einfach zu langsam, da hab ich ihr eine verpasst. Tja, da hat sie ein Messer gezückt und ist auf mich losgegangen. Aber keine Sorge, sie sieht auch nicht besser aus.“ Laut lachte sie wieder auf, wodurch er sie nur geschockt anstarren konnte. Offenbar wurde sie nach dem Vorfall im Park nicht wieder normal, sondern es verschlimmerte sich sogar. Als alle Wunden versorgt waren, stand die Frau auf und lächelte ihn plötzlich schief an.

„Du bist also Arzt. So so … Eigentlich siehst du gar nicht mal so schlecht aus, ist mir damals im Park gar nicht aufgefallen.“

Immer näher ging sie an ihn heran.

„Da ich den Versager von Verlobten in den Wind geschossen habe, wie wäre es denn mit uns? Wäre doch eine gute Partie.“

Sie hob ihre Arme, legte sie auf seine Schultern, stellte sich auf die Zehenspitzen und näherte sich seinem Gesicht. Sie versuchte ihn zu küssen und krallte sich dazu mit ihren Fingern in seinen Arztkittel. Im ersten Moment war er total überrumpelt von ihrem Handeln. Als er aber begriff, was sie vorhatte, schnappte er sie vorsichtig an ihren Handgelenken und schob sie ein Stück zurück. „Es tut mir leid, aber ich kann sie nicht küssen.“

„Wie kannst du es wagen, mich abzuwehren. Das wirst du bereuen!“

Zitternd schrie sie auf und gab ihm einen kräftigen Stoß mit ihren Händen. Er hatte nicht damit gerechnet und fiel rücklings auf den Boden. Wie konnte so eine kleine zierliche Person, wie sie es war, so viel Kraft entwickeln?

„Beruhigen Sie sich doch. Was ist denn mit Ihnen los?“ Schnell rappelte er sich auf und hob beschwichtigend seine Hände in die Höhe.

Böse funkelte sie ihn an und schnappte sich, so schnell konnte er gar nicht gucken, ein Skalpell vom Behandlungstisch. Ganz langsam ging sie jetzt damit auf ihn zu. Er konnte sehen, wie sich ihre Augen mit einem Mal verfärbten. Sie waren auf einen Schlag komplett rot geworden und sie umgab plötzlich ein seltsamer schwarzer Nebel. Was ging hier nur vor?

„Beruhigen Sie sich doch. Ich kann ihnen bestimmt helfen.“

„Halt die Klappe! Du hast deine Chance verpasst.“ Schief grinsend zeigte sie mit dem Skalpell direkt auf ihn und hob die andere Hand in die Höhe. „Jetzt bist du fällig!“

Wie von Geisterhand schwebte er mit einem Mal ein Stück über den Boden. Wie war das möglich? Panisch legte er dann aber seine Hände auf seinen Hals. Ihm schnürte es auf einen Schlag die Kehle zu. Er hatte das Gefühl ersticken zu müssen. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er die Frau an. Es sah so aus, als würde sie ihn mit ihrer Hand würgen, dabei berührte sie ihn kein Stück.

Allmählich merkte er, wie ihm schwarz vor Augen wurde und er langsam aber sicher das Bewusstsein verlor.

Laut lachend wurde er von der Frau gegen die Wand geschleudert, wodurch er ganz langsam daran hinunterrutschte. Bei dem Aufprall fiel Usagis Brosche aus seiner Tasche und lag nun nicht weit von ihm entfernt auf dem Boden. Die junge Frau ging triumphierend auf ihn zu. Immer noch lag Mamoru regungslos an Ort und Stelle. Die Frau packte ihn an seinen Haaren, hob sein Kopf damit ein Stück hoch und holte mit dem Skalpell aus. Sie zielte direkt auf seine Kehle.

Doch kurz bevor die Messerspitze Mamorus Hals erwischte, leuchtete die Brosche auf ein Mal auf. Sie erhellte den ganzen Raum und Wärme durchflutete alles. Die Frau kniff dadurch die Augen zusammen und ließ zitternd das Messer fallen.

„Was ist das für ein Licht? Ich kann überhaupt nichts mehr sehen.“

Sie krampfte regelrecht zusammen, sackte zu Boden und hielt sich ihren Kopf fest. Sie schrie aus voller Kehle und kippte bewusstlos zusammen. Keine Sekunde später entwich auf der Höhe ihres Herzens ein schwarzer Schatten ihren Körper. Er schwebte ein Stück über ihr und löste sich dann einfach in Luft auf.

Mamoru, der vor wenigen Sekunden wach geworden war, hatte alles beobachtet. Keuchend rutschte er zur Brosche, steckte sie ein und stand wankend auf. Taumelnd ging er zu der Frau und setzte sich neben sie. Sie öffnete gerade blinzelnd ihre Augen.

„Wa… was ist passiert? Wo bin ich? Wo ist Fudo?“
 

 

Die Frau erzählte ihm, dass das Letzte, woran sie sich erinnern würde, wäre, dass sie mit ihrem Verlobten im Park saß und sie ihre Hochzeit planten und danach sei alles schwarz in ihrer Erinnerung. Sie fing an zu weinen und verstand überhaupt nicht, was hier los war.

„Beruhigen Sie sich. Nun wird alles wieder gut.“

Er untersuchte sie sicherheitshalber noch ein Mal. Nicht, dass sie noch irgendwelche Verletzungen davon trug, und nahm sie stationär auf. So verwirrt, wie sie noch war, konnte sie noch nicht nach Hause gehen.

Als der Papierkram erledigt war, konnte er endlich Feierabend machen.

Nach dem er zu Hause angekommen war, trommelte er sofort alle für den Abend bei Rei zusammen. Sie hatten es tatsächlich mit einem neuen Feind zu tun. Die ganze Zeit hatte er gehofft, dass sie sich irren würden und es nur blöde Zufälle waren, aber dem war leider nicht so.
 

 

„Dann hat dich der Kristall also beschützt und die Frau wieder zurückverwandelt“, murmelte Minako nachdenklich und tippte auf der Brosche herum, die Mamoru mitten auf den Tisch gelegt hatte.

Alle, bis auf Haruka und Michiru, saßen um den kleinen Tisch in Reis Zimmer herum. Die beiden standen ein Stück abseits, nahe der Tür. Setsuna und Hotaru konnten heute leider nicht dabei sein, aber Ami hatte ihnen versichert, wenn es etwas Neues gäbe, ihnen es sofort mitzuteilen.

Lange diskutierten sie, wer der neue Feind sein könnte. Außerdem versuchten sie einen Weg zu finden, wie sie den betroffenen Menschen helfen könnten. Aber niemand hatte so recht eine Idee.

„Mamoru meinst du, du könntest mit dem Kristall den Menschen helfen? Heute hat es ja schon ein Mal geklappt.“

„Ich glaube nicht, dass es so einfach ist, Makoto. Ich denke, es war eher Zufall oder vielmehr wurde Mamoru von dem Kristall beschützt. Er hat ihn ja nicht benutzt“, gab Ami einwendend zurück und tippte dabei irgendwelche Daten in ihren Minicomputer.

Nervös stand Minako auf und ging auf und ab.

„Mit unsern Kräften verletzen wir sie nachher, das können wir nicht riskieren. Aber irgendwie müssen wir den Menschen doch helfen können. Wozu sind wir denn sonst Sailor Kriegerinnen …Wäre Usagi doch nur hier.“

Außer sich meldete sich jetzt auch Haruka zu Wort. Sie war mittlerweile sehr angespannt und aufgewühlt.

„Sie ist aber nicht hier und sie wird auch nie wieder kommen, wie du weißt. Unsere Aufgabe ist es diesen Planeten zu beschützen. Vergesst das nicht! Wir müssen ihn mit allen, was in unserer Macht steht verteidigen. Koste es, was es wolle!“

Alle rissen die Augen auf.

„Das meinst du doch nicht wirklich ernst. Wir können doch nicht einfach unschuldige Menschen in Gefahr bringen.“ Wütend starrte Minako Haruka an.

Haruka wurde immer aufbrausender, sie verstand einfach nicht, dass sie nach alledem, was sie erlebt hatten, immer noch so naiv waren.

„Unsere Aufgabe ist es nun mal diesen Planeten zu beschützen. Wenn dafür Opfer nötig sind, damit der gesamte Planet weiter existieren kann, dann ist das nun Mal so.“

Haruka hatte keine Lust hier weiter sinnlos herumzudiskutieren und verabschiedete sich mit den Worten, dass sie heute eh zu keiner Einigung mehr kommen würden, und verließ stürmisch den Raum. Seufzend sah Michiru zu den anderen.

„Ihr wisst doch, wie sie ist. Nehmt es ihr nicht übel. Ihr macht der Tod der Prinzessin ziemlich zu schaffen. Am besten besprechen wir alles in Ruhe noch ein Mal … Aber ihr wisst auch, dass sie schon auf eine gewisse Art recht hat.“ Kaum hatte Michiru die Worte ausgesprochen, eilte sie Haruka hinter her.

Wortlos blieben die anderen zurück. Sie dachten über ihre Worte nach.
 

Mamoru wollte nicht unhöflich sein, verabschiedete sich dann aber auch. Er hatte nach der Nachtschicht noch nicht geschlafen und war mittlerweile so müde, dass er nur noch nach Hause wollte. Sonst hatte er es nicht eilig genau dort hinzukommen, aber so erschöpft, wie er war, hoffte er, dass er heute einfach mal seit Langem durchschlafen würde. Er hatte sich morgen wieder zu einer Doppelschicht eingetragen.

„Wir sehen uns dann morgen bei Motoki“, rief er schon halb aus der Tür und schon lief er davon.

In der Zeit, in der sie alle im Tempel waren, zog es sich ziemlich zu. Dicke schwarze Wolken bedeckten den Himmel. Er war mit dem Motorrad gekommen und beeilte sich jetzt lieber. Nicht, dass er noch in einen Schauer hineinfuhr.

Zu Hause angekommen ging er ohne Umwege in sein Bett. Er war seit langem Mal wieder viel zu müde, um noch irgendetwas zu machen. Ohne Probleme schlief er auch sofort ein.
 

 

Mitten in der Nacht wütete ein schweres Gewitter über Tokio. Zunächst bekam er davon gar nichts mit. Doch es donnerte immer lauter, dass es ihn aufweckte. Einige Minuten lag er wach in seinem Bett und versuchte wieder einzuschlafen. Aber es half alles nichts. Also stand er auf und ging zum Fenster. Traurig betrachte er die Blitze und schmerzlich zog sich sein Herz zusammen. Es erinnerte ihn an Usagi. Sie hatte immer solch eine Angst, wenn es gewitterte, dass er sie immer ganz fest in den Armen hielt. Die Blitze tobten nur so über der Stadt und der Regen prasselte gegen seine Fenster. Langsam ging er dann aber wieder zurück in sein Bett, er musste noch schlafen. Morgen ging es mit einer Doppelschicht im Krankenhaus weiter und mit ihrem neuen Feind waren sie auch noch kein Stück weiter …

Kapitel 10

 

Seine Doppelschicht verlief erstaunlich ruhig und so konnte er zum Glück pünktlich Feierabend machen. Gähnend steuerte er sein Auto an. Eigentlich sehnte er sich gerade einfach nur nach seinem Bett. Es war schon früh am Abend, aber er wollte trotzdem noch schnell ins Crown. In ein paar Wochen stand Motokis Hochzeit an und er hatte ihm versprochen zu helfen. Die Mädels wollten heute Abend auch dabei sein und so beeilte er sich.

Genervt kurvte er durch die Straßen und suchte verzweifelt nach einem Parkplatz. Es war ja so schon schwierig, doch um diese Uhrzeit fast ein Akt der Unmöglichkeit. Normalerweise fuhr er mit dem Bus zu Motoki, aber da er direkt von der Arbeit kam, und er, wenn er noch mal nach Hause gefahren wäre, hoffnungslos zu spät gekommen wäre, blieb ihm jetzt nichts anderes übrig.

Nach weiteren Minuten des Suchens fand er dann endlich einige Straßen vom Crown entfernt einen Parkplatz.

Eilig stieg er aus und machte sich auf den Weg zum Crown. Hastig bog er dazu, da sie kürzer war als der Hauptweg, in eine kleine Straße ein. Stutzig verlangsamte er dann allerdings seine Schritte. Von Weiten sah er auf einmal drei Männer um etwas herumstehen. Er konnte aber nicht erkennen, was es war. Als er vorsichtig näher heranschlich, sah er, dass ein kleiner Junge zusammen gekauert auf dem Boden saß. Lautstark wurde er von den Männern angebrüllt. Einer von ihnen fing dann sogar an den kleinen Jungen am Kragen hochzuziehen. Baumelnd hing er in der Luft. Ruckartig hielt er inne. Er musste dem Jungen helfen. Er war doch gerade ein Mal zehn Jahre alt, wenn überhaupt. Sofort sah er sich, ob ihn auch niemand beobachtete, um und verwandelte sich in Tuxedo Mask.

„Lasst den Jungen sofort los!“

Die Männer drehten sich um und starten ihn verdutzt an. „Was bist du denn für einer? Verzieh dich! Das geht dich hier gar nichts an! Geh lieber zu deinem Maskenball, oder wo du sonst rausgekrochen bist, zurück.“

Erschrocken sah er die Männer an. Sie hatten genau die gleichen roten Augen, wie die Frau aus dem Park. Was sollte er jetzt nur machen? Er musste es probieren. Ohne zu zögern, zog er die Brosche heraus und hielt sie vor sich. „Bitte verwandele sie zurück!“

Aber es passierte nichts. „Na los. Verwandle sie bitte zurück!“, versuchte er es erneut, doch wieder geschah nichts.

Die drei Männer lachten laut auf und der Größte von ihnen ging ein Stück auf ihn zu.

„Ich weiß zwar nicht, was du da probierst, aber langsam wird es lästig. Geh zu deiner Teegesellschaft und lass die großen Jungs ihre Arbeit erledigen.“

Die Männer drehten sich wieder zu dem Jungen und wollten ihn gerade wieder packen, als er ohne nachzudenken auf sie zu stürmte. Er musste wenigstens den Jungen von hier wegbringen. Reflexartig packte er einen von ihnen, warf ihn ein Stück zur Seite und schubste im selben Atemzug den Zweiten weg. Der Letzte und Größte baute sich jetzt allerdings direkt vor ihm auf. Böse wurde er von ihm mit seinen roten Augen angefunkelt. „Wie kannst du es wagen, uns anzugreifen!“

Er zitterte genauso, wie die Frau vor Wut, und ein schwarzer Nebel bildete sich um ihm. Die zwei anderen näherten sich ihm wieder in langsamen Schritten und kesselten ihn ein. Er konnte jetzt weder vor noch zurück. Schwer schluckend ballte er seine Hände zu Fäusten.

„Mit euch werde ich doch-“ Ruckartig brach er aber mitten im Satz ab. Mit geweiteten Augen starrte er den Mann, der in Nebel gehüllt war, an. Er konnte sich plötzlich nicht mehr bewegen. Er war wie gelähmt. Was hatten die nur für Kräfte? Hämisch lachte der Größte und schief grinsend wurde er von ihm fixiert.

„Jetzt bist du dran. Wärst mal lieber weggelaufen, als wir es dir gesagt haben.“

Die Männer hinter ihm schnappten sich jeder einen Arm und zogen ihn ein Stück weiter in eine kleine Gasse. Immer wieder versuchte er sich zu bewegen, aber keine Chance. Sein Körper gehorchte ihm einfach nicht mehr. Knurrend drückten sie ihn gegen eine Hauswand. Ohne ein weiteres Wort stellte sich der Größte vor ihn, holte mit seiner Faust aus, und schlug ihn mitten ins Gesicht. Leise stöhnte er auf. Er hatte kaum Zeit zum Luftholen, da holte er erneut aus und boxte ihn mit voller Wucht in seinen Bauch. Höllische Schmerzen zogen durch seinen gesamten Körper. Krampfhaft biss er die Zähne zusammen, damit kein Laut seine Lippen verlassen würde. Die Genugtuung wollte er ihnen nicht geben. Ein weiterer Hieb gegen seinen Kopf ließ alles vor ihm verschwimmen.

Lachend ließen sie ihn daraufhin los und taumelnd sackte er auf den Boden. Vor ihn begann sich alles zu drehen und allmählich wurde ihm schwarz vor Augen. Mit einem Ruck wurde er dann aber wieder hochgezogen und erneut gegen die Hauswand gedrückt. „Jetzt werd` bloß nicht ohnmächtig. Das Beste kommt doch noch.“ Schief grinsend zog der Große ein Messer aus der Jackentasche. Das Messer in seinen Händen schwingend lief er Schritt für Schritt auf ihn zu. Keuchend kniff Mamoru seine Augen zusammen. Das war es. Jetzt war alles aus. Auf sein Ende wartend, hoffte er, dass der Junge es wenigstens geschafft hatte abzuhauen. Schwer atmend hörte er jeden einzelnen Schritt von seinem Peiniger, als eine Frauenstimme in seine Ohren drang. Schlagartig riss er seine Lider wieder auf, doch sofort drehte sich wieder alles vor ihm und dann, dann wurde alles schwarz.

 

 

 

Blinzelnd öffnete er seine Augen und sah genau in zwei besorgte Gesichter.

„Mamoru? Hallo? Kannst du uns hören?“

„Wa... Was ist passiert? … Was ist mit dem Jungen?“

Sanft strich ihm Minako über den Arm und versuchte anscheinend ihn zu beruhigen.

„Alles gut. Ami und Makoto bringen ihn gerade nach Hause.“

Stöhnend richtete er sich auf und fasste sich an seinen Kopf. Er hatte wahnsinge Kopfschmerzen und auch seine Bauchregion war alles andere als schmerzfrei. Was war denn nur passiert? Das Letzte, an das er sich erinnerte war, dass der Typ mit einem Messer auf ihn zugelaufen kam. Schlagartig riss er seine Augen weit auf. Das Messer. Hastig richtete er sich auf und betrachtete seinen Körper. Nichts zu sehen. Erleichtert wollte er gerade auspusten, als ihm erneut schwindelig wurde und er zurück kippte. Langsam versuchte er sich umzusehen. Er hatte gar keine Ahnung, wo er war. Stirnrunzelnd blickte er auf Regale mit vielen Kisten. Das Zimmer kannte er doch. Es war das Hinterzimmer vom Crown.

„Wie bin ich hier hergekommen?“

„Wir haben dich hier hergebracht. Du hast ein Paar ganz schöne Schläge abbekommen. Zum Glück kamen wir noch rechtzeitig. Ich hatte ein ungutes Gefühl und spürte eine böse Aura ganz in der Nähe. Wir-“

„Du kannst dich doch nicht alleine mit drei Besessenen anlegen. Das war ziemlich dumm von dir“, fiel Minako Rei ins Wort.

Verwirrt sah er die beiden an. Rei erkannte offenbar sein fragendes Gesicht und hob ihren Zeigefinger in die Luft.

„Das war meine Idee. Die Menschen sind ja nicht mehr sie selber. Da fand ich Besessene ganz passend. Ach ja. Motoki haben wir erzählt, dass du einen kleinen Jungen vor drei Taschendieben retten wolltest.“

Nickend wanderte sein Blick herunter und verharrte starr auf dem Boden. „Ich hab es versucht … Aber es hat rein gar nichts gebracht … “ Zitternd krallte er seine Finger in seine Hose. „Ich konnte überhaupt nichts machen und der Kristall hat nicht reagiert. Ich habe es wirklich versucht, aber gegen die Drei war ich machtlos. Ich konnte dem Jungen nicht helfen …“

Tief einatmend sah er dann wieder zu den beiden. „Wie habt ihr es eigentlich geschafft?“

„Wir konnten das Böse zwar nicht komplett austreiben, aber wir konnten es, dank Reis Bannzettel, soweit unterdrücken, ohne sie zu verletzen, dass sie fürs Erste wieder normal sind. Wie lange es allerdings dauert, bis das Böse wieder die Oberhand in ihren Körpern gewinnt, wissen wir leider auch nicht. Aber, bisher haben wir ja auch noch keine bessere Idee.“ Traurig sah Minako zu Rei und nickend zeigte er innen, dass er verstanden hatte.

Stille herrschte im Raum und keiner mochte mehr irgendetwas sagen. Stumm sah er wieder auf den Boden. Erst als ein leises Klopfen zu hören war, wandte er seinen Blick von den Fliesen ab. Langsam wurde die Tür geöffnet und Motoki lugte vorsichtig hinein.

„Du bist wieder wach.“ Lächelnd betrat sein Freund das Zimmer und steuerte ihn auch direkt an.

„Geht es dir besser? … Auf die Idee sich mit drei Räubern anzulegen, kannst ja auch nur du kommen. Da hast uns aber einen ganz schönen Schrecken eingejagt.“

Motoki setzte sich zu ihm auf das kleine Sofa und klopfte ihm erleichtert auf die Schulter.

„Das stimmt“, tönte es aus der Richtung der Tür. Ami und Makoto standen auf der Türschwelle. Er konnte sofort die besorgten Gesichter der beiden erkennen.

„Sehe ich so furchtbar aus? Dass ihr so dreinschaut?“

„Du hast echt Glück gehabt.“ Ohne ihre Miene zu verziehen, trat Ami näher an ihn heran. „Du hast eine kleine Platzwunde unter der Nase. Genäht werden muss sie aber nicht. Aber vielleicht sollte ich deinen Bauch ein Mal abtasten. Das sah übel aus, wie er dich getroffen hat.“

„Danke für das Angebot. Aber mir geht es schon viel besser.“

„Bist du sicher?“ Nickend gab er Ami zu verstehen, dass alles gut war und so wandte sich Ami an Makoto, die immer noch im Türrahmen stand.

„Ich werde mal sehen, ob ich ein wenig helfen kann.“ Kaum hatte Makoto die Worte ausgesprochen, eilte sie auch schon davon.

„Wenn du nun wach bist, bringen wir dich mal nach Hause.“ Musternd wurde er von Motoki betrachtet. Er wollte ihm ganz dem Anschein nach beim Aufstehen helfen. Statt nach seiner Hand zu greifen, sprang er stattdessen jedoch ruckartig von dem Sofa auf und drehte sich zu seinem Freund. Er hatte zwar noch schlimme Kopfschmerzen und die Prellungen in seinem Unterbauch, waren auch nicht zu verachten, aber er ließ sich vor den anderen nichts anmerken.

„Kommt nicht infrage. Ich bleibe hier.“

„Du bist verletzt.“

„Bin ich hier der Arzt oder du? Wir planen deine Hochzeit, wie wir es vorhatten. Mir geht es gut.“

Er konnte genau sehen, wie sich alle skeptisch ansahen.

„Und ich, Herr Doktor Chiba. Und ich finde, du solltest dich lieber heute ausruhen“, tadelte ihn Ami.

Unbeirrt ging er an ihnen vorbei. Als er sich sicher war, dass sie nur noch seinen Rücken sehen konnten, verzog sich kurz sein Gesicht vor Schmerzen und so atmete er tief durch. Das würde ein langer Abend werden. Wieder ein Lächeln aufgesetzt, sah er über seine Schulter zu den anderen zurück. „Kommt ihr dann?“

Kopfschüttelnd stemmte Minako ihre Hände in die Hüfte.

„Ihr habt den Herrn Doktor gehört, dann mal los.“

 

Angeregt unterhielt sich Makoto mit Reika und sie konnte es nicht verhindern, Reika zu betrachten.

Sie und die anderen waren eine Zeit lang sehr eifersüchtig auf sie, aber inzwischen waren sie alle gute Freunde geworden. Ihr waren ihre Mädchen Schwärmereien mittlerweile auch sehr peinlich und war sehr erleichtert darüber, dass Reika davon zum Glück nichts wusste.

„Na ihr Hübschen, worüber redet ihr gerade?“ Tänzelnd kam Minako zu ihnen herüber.

„Wir gehen gerade die Gästeliste durch“. Lächelnd hielt Reika einen Stapel Zettel in die Luft. „Ach Ami, wenn wir gerade dabei sind. Bringst du deinen Schatz denn auch mit?“

Makoto merkte sofort, wie rot Ami um die Nasenspitze wurde. Schmunzelnd beobachtete sie ihre Freundin. Sie war erst seit Kurzem mit Ryo zusammen und in dem Bezug war sie immer noch genau so schüchtern und verlegen, wie damals, als sie ihn kennengelernt hatte. Sie freute sich sehr für sie. Auch über die Tatsache, dass sie mit ihm darüber sprechen konnte, dass sie eine Sailor Kriegerinnen war. Erst vor einigen Tagen hatte Ami ihr erzählt, wie froh sie über die Tatsache war, dass sie mit ihm wirklich über alles sprechen konnte.

„Ja, er würde gerne dabei sein“, räusperte sich Ami und kratzte sich verlegen an ihrem Kopf.

„Gut dann also Ami und Ryo,“ zählte Reika auf, „Minako, Rei und Yuichiro, Makoto, meine Eltern, Unazuki …“

 

Nachdem die Gästeliste erledigt war, verfielen die Frauen in eine rege Diskussion, welcher der beste Blumenstrauß für Reika sei, als Motoki Mamoru kurz beiseite nahm.

„Ich wollte dir noch mal für deine Hilfe danken. Ich weiß, wie schwer es im Moment für dich ist. Wie geht es dir denn überhaupt?“

Unschlüssig zuckte Mamoru mit seinen Schultern.

„Wenn ich jetzt sagen würde, es geht, wäre das gelogen. Aber lass uns jetzt nicht über mich sprechen. Wir sind hier um deine Hochzeit zu planen.“

Schief lächelnd sah er seinen Freund an, der ihm wiederum genauso zögerlich zu nickte und so gingen die beiden zurück zu den anderen.

 

Es wurde immer später und später, aber sie hatten endlich alles fertig geplant und die Hochzeit konnte kommen. Mamoru wollte gerade das Crown verlassen, als Minako, ihn noch ein Mal kurz aufhielt. „Hast du was von Luna gehört?“, flüsterte sie traurig, damit Motoki und Reika es nicht mitbekamen.

„Nein, leider nicht.“

„Seit einer Woche ist sie nun schon verschwunden.“

Tröstend legte er seine Hand auf ihre Schulter. „Sie wird schon wieder auftauchen.“

 

Kapitel 8

 

Nun stand sie da mit ihrer Decke auf der Türschwelle zum Schlafzimmer und zupfte nervös daran herum.

Du … Kenta … kann ich heute Nacht bei dir schlafen? Ich … ähm … ich habe … Angst alleine.“...

 

 

Es wurde langsam hell und das Gewitter war schon lange vorbei. Usagi schlief tief und fest und so blieb Kenta einfach liegen. Sein Kopf lag ganz nah neben ihren. So nah war er ihr noch nie gewesen. Ein leichter Hauch von Vanille stieg ihm in die Nase. Es war ein angenehmer Duft. Es roch wirklich gut.

 

Vor ein paar Tagen war sie beim Einkaufen schnurstracks zu dem Regal mit den Shampoos gelaufen, schnappte sich die kleine Flasche mit Vanilleduft und lief zu ihm zurück. Sie erzählte ihm, dass dies ihr Lieblingsshampoo wäre, da die Haare so schön duften würden, nach dem Waschen. Beide hatten sich überrascht angesehen. Sie erinnerte sich unbewusst an etwas und freute sich so darüber, dass er gar nicht anders konnte und sich für sie mitfreute.

 

Murmelnd drehte sie sich zur Seite, wodurch ihr eine Strähne ins Gesicht fiel. Vorsichtig strich er sie mit seinem Zeigefinger zurück hinter ihr Ohr. Sie sah so friedlich aus, wenn sie schlief. Wie könnte sie jemanden etwas zuleide tun? Zweifel keimten in ihm auf. Was wäre, wenn es gar nicht stimmte, was man ihm seit er klein war, eingetrichtert hatte? Seit sie bei ihm war, konnte er nichts Böses oder Gemeines an ihr feststellen. Sie war zu jedem freundlich und hilfsbereit.

Erschrocken zuckte er dann allerdings zusammen, als sie sich anfing neben ihm zu rekeln. Langsam öffnete sie ihre Lider, sah sich mit großen Augen um, bis sie sich ruckartig aufrichtete. Nervös zupfte sie an der Decke herum und er konnte deutlich erkennen, wie ihr die Röte in die Wangen schoss. „Entschuldige.“

Lächelnd schüttelte er langsam den Kopf.

„Nein alles gut. Du brauchst dich doch nicht entschuldigen.“

Vorsichtig richtete er sich nun ebenfalls auf und rutsche ein Stück zu ihr rüber. Stumm saßen sie jetzt da und schauten sich einfach nur an. Aber es war keine unangenehme Stille, nein es war irgendwie so ein Moment, in dem man nichts zu sagen brauchte.

Zögerlich streckte er seine Hand aus und wollte gerade nach ihrer greifen, als es plötzlich an der Tür klingelte. Aufgeschreckt davon sprang sie auf.

„Ich werde mal schnell ins Badezimmer. Kannst du bitte die Tür öffnen?“

Ohne auf seine Antwort zu warten, hastete sie aus dem Zimmer.

 

Schnellen Schrittes huschte sie ins Badezimmer und warf die Tür hinter sich zu. Sie wollte einfach nur schnell dieser Situation entkommen. So schön sie diesem Moment mit ihm auch fand, irgendetwas fühlte sich falsch an. Irgendetwas war nicht richtig und sie verstand nicht, was. Sie musste einen klaren Kopf bekommen. Aber egal, wie sehr sie sich auch anstrengte, sie kam nicht drauf, was sich falsch anfühlte. Und so schob sie es einfach wieder auf ihren wirren Kopf, der ihr wieder ein Mal einen Streich spielte.

 

Genervt ging Kenta durch den Flur. Wer war das denn jetzt? Schwungvoll riss er die Tür auf.

„Mamiko, was willst du denn schon hier? Wollten wir uns nicht erst heute Nachmittag treffen?“

Sichtlich verwundert starrte sie ihn an.

„Was ist dir denn über die Leber gelaufen? Schon wieder genervt von dem kleinen Blondchen? Wo ist die eigentlich?“ Hämisch grinsend drückte sie sich an ihm vorbei.

„Komm rein?“, brummte er und schloss wieder die Tür. „Die ist im Badezimmer.“

Seine Schwester lief ins Wohnzimmer, setze sich auf das Sofa und tippte mit ihrer Hand neben sich.

„Komm setz dich kurz zu mir.“

Nickend nahm er neben ihr Platz. „Und, was gibt es jetzt?“

Ganz nah beugte sie sich zu ihm. „In Tokio läuft alles, wie geplant. Es weitet sich immer weiter aus.“

Er verstand sofort und wusste auch, dass Mamiko dadurch immer stärker wurde. Er freute sich und gleichzeitig keimten in ihm Zweifel. Er war einfach so hin und her gerissen in letzter Zeit, was die ganze Sache anbelangte. Seiner Schwester zeigte er seine innere Verwirrung jedoch nicht. Er würde sich niemals wagen, sich gegen sie aufzulehnen. Nicht nur wegen ihrer Kräfte, sondern auch, weil er und seine Brüder ihr so viel zu verdanken hatten. Sie hatte sich ganz alleine um sie gekümmert, als ihre Eltern starben. Laut seufzend lehnte er sich zurück und verpasste sich dafür sofort innerlich eine Ohrfeige.

„Was ist denn mit dir los heute?“, fragte sie nun auch direkt und begann ihn zu mustern.

„Gar nichts.“

Ohne seine Schwester anzusehen, sprang er auf und huschte zu der kleinen Schublade. Flink holte er den Stadtplan heraus.

„Hier. Den hast du liegen lassen und Usagi hat ihn gefunden. Konnte mir ganz schön was einfallen lassen, dass sie nicht weiter nachfragte.“

„Ah, gib her.“ Sie steckte die Karte schnell in ihre Tasche und es schien, als würde sie noch etwas zu ihm sagen wollen, doch dazu kam sie nicht mehr, da Usagi plötzlich auf der Türschwelle stand.

„Mamiko, du bist es. Das freut mich aber. Ich dachte, du kommst erst heute Nachmittag.“

Freudig umarmten sie sich und setzten sich zusammen auf das Sofa. Kenta war immer wieder verwundert, wie leicht es seiner Schwester viel, ihre Rolle zu spielen. Von der einen Sekunde zur anderen war sie die allerbeste Freundin.

„Ich hatte früher Zeit und dachte, ich überrasche euch beide und wir machen etwas Schönes zusammen.“

Abwehrend hob er direkt seine Hände in die Höhe. „Da bin ich leider raus. Ich muss los.“

Es war mitten in der Woche und er musste zur Arbeit. Im Gegensatz zu Mamiko arbeitete er wirklich seit einigen Jahren. Sie hatten sich das so überlegt, damit sie nicht so auffielen und gut angepasst waren. Erst wollte er gar nicht, doch mittlerweile machte es ihm sogar Spaß. Es war ein Stück ganz normales Leben und es gefiel ihm.

„Ich würde gerne an den See gehen. Hast du Lust?“ Freudig hüpfte Usagi neben Mamiko herum.

„Meinetwegen. Hast du denn überhaupt Schwimmbekleidung?“

„Nein, ich glaube, ich habe nichts im Schrank.“ Fragend sah sie zu ihm „Habe ich denn welche?“

„Ich weiß es nicht. Du hast vor unserem Umzug hier her ziemlich viel ausgemistet. Vielleicht waren dabei auch Badesachen.“

Grinsend legte Mamiko einen Arm um Usagi herum. „Na dann gehen wir jetzt erst mal shoppen!“

Kopfschüttelnd drehte er sich weg.

„Macht ihr Mal. Ich muss jetzt los. Wenn nicht viel los ist, komm ich einfach später nach.“

 

Nach etlichen Badebodengeschäften hatte sie endlich einen passenden Bikini gefunden. Eigentlich wollte sie auch in das Bekleidungsgeschäft, wo sie und Mamiko arbeiteten, aber Mamiko hatte wieder irgendwelche Gründe gehabt, warum sie nicht hineingingen. Und so hatte sie wieder klein beigegeben.

Lächelnd hielt sie nun ihre Schwimmsachen in die Luft. Die Bikinihose war in einem schönen hellen Blau und hatte jeweils ein Schleifchen an jeder Seite. Das Bikinioberteil hatte einen blauen Streifen in der Farbe der Hose und wurde nach oben hin weiß mit blauen Punkten darauf. Ihr gefiel er richtig gut und sie freute sich, endlich zum See fahren zu können.

„Und wie findest du meinen?“ Zwinkernd hielt Mamiko ihren Badeanzug daneben.

„Ich finde ja immer noch, du hättest den grünen nehmen sollen und nicht einfach nur schwarz.“

Lächelnd knuffte ihr Mamiko in die Seite. „Und ich finde, deiner ist viel zu bunt.“

Lachend packten sie das Nötigste in ihre Taschen und kurze Zeit später saßen sie bei Mamiko im Auto und fuhren los.

 

„Ach ist das toll hier. Das Wetter ist einfach perfekt.“ Über beide Ohren strahlend, ließ sie sich die Sonne ins Gesicht scheinen.

„Na dann ab ins Wasser mit dir.“

Zaghaft schüttelte sie den Kopf. Sie traute sich nicht so recht, weil sie nicht wusste, ob sie schwimmen konnte oder nicht. Mamiko wollte sie es aber nicht sagen. Es war ihr irgendwie peinlich. „Später. Ich genieße erst mal die Sonne.“

„Na gut, aber ich werde eine Runde ins Wasser“, rief Mamiko schon beim Laufen und sprang in den See. Grinsend beobachtete sie sie kurz, bis sie dann begann, summend ihre Haare zu einem langen Zopf zu flechten.

 

Nach ein paar Minuten kam Mamiko wieder heraus und setze sich tropfend auf ihr ausgebreitetes Handtuch. „Wenn es dich nicht stört, lege ich mich ein paar Minuten aufs Ohr.“

„Mach ruhig. Wir sind doch zum Entspannen hier.“

Es hatte nicht lange gedauert und Mamiko war eingeschlafen. Sie überlegte nicht lange und machte es sich ebenfalls auf ihrem Handtuch bequem. Sie hatte durch das Gewitter die Nacht nicht sonderlich viel geschlafen und hatte nichts dagegen dies jetzt nachzuholen.

 

Leise setze sich Mamiko neben die schlafende Usagi und vergewisserte sich, ob sie auch nicht beobachtet wurde. Grinsend hob sie ihren linken Arm und hielt ihre Hand ein Stück über ihre Stirn. Sie schloss die Augen und konzentrierte sich. Wenige Sekunden später bildete sich unter ihrer Handfläche eine kleine schwarze Energiekugel. Ohne Zeit zu verlieren, schob Mamiko die kleine Kugel mit ihrem Zeigefinger auf Usagis Stirn und langsam verschwand die Kugel, ohne das Usagi irgendetwas bemerkte, in ihrem Kopf.

Zufrieden legte sie sich zurück auf ihr Handtuch und machte jetzt wirklich ein kleines Nickerchen.

 

Blinzelnd sah sie zu Mamiko und lächelte.

„Na, die muss ja müde sein“, murmelte sie leise und streckte sich erst ein Mal ausgiebig.

Sie genoss die Sonne, jedoch bemerkte sie, dass ihre Arme allmählich einen kleinen Sonnenbrand bekamen. Fluchend durchsuchte sie ihre Tasche nach der Sonnencreme, konnte sie aber nirgends finden. Mamiko würde schon nichts dagegen haben, dachte sie sich und griff nach ihrer Tasche. Langsam öffnete sie sie. Sie wollte Mamiko ja nicht wecken. Vorsichtig tastete sie sich durch die vollgestopfte Tasche.

„Schlimmer als ich, und meine ist schon das reinste Chaos“, nuschelte sie und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Doch das verging ihr auf einen Schlag. Mit zusammengezogenen Augenbrauen betrachtete sie den Inhalt der Tasche. Sie fand etwas, womit sie nicht gerechnet hatte, und zog es heraus. Es war der Stadtplan von Tokio mit den Notizen, den sie gestern in der Schublade gefunden hatte. Warum hatte Mamiko den jetzt? Sie versuchte sich einen Reim daraus zu machen und bemerkte zunächst nicht, dass ein junger Mann zu ihr herüber gekommen war und sie angesprochen hatte. Erst als er sie erneut ansprach.

„Eine tolle Stadt.“ Lächelnd sah er sie an.

„Wie bitte?“ Überrascht sah sie nach oben.

„Ich meinte, dass Tokio eine tolle Stadt sei.“ Grinsend beugte sich der Mann über den Stadtplan.

„Wenn Sie das sagen.“ Kurz lächelte sie höflich und packte die Karte hinter sich.

„Wollen wir uns nicht duzen? Ich bin Shin.“

„Usagi.“

Shin nahm neben ihr Platz, strich sich seine braunen Haare, die ihm beim Hinsetzen ins Gesicht gefallen waren, wieder hinter sein Ohr, und fing an ihr irgendetwas zu erzählen. Allerdings schnappte sie nur irgendwelche Wortfetzen auf, zu sehr war sie in ihren eigenen Gedanken. Warum hatte Mamiko die Karte, wenn Kenta meinte, sie selber hätte sie markiert?

Da es aber plötzlich so still neben ihr geworden war, unterbrach sie ihre Grübelei und sah Shin bewusst an. Er lächelte sie erwartungsvoll an und wartete, wie es aussah, auf eine Antwort. Was hatte er gesagt? Jura … Ferien … Tokio? ... Verdammt. Verlegen kratzte sie sich am Kopf.

„Entschuldige, ich war gerade mit meinen Gedanken ganz wo anders.“

„Scheint ja etwas sehr Wichtiges zu sein.“ Schmunzelnd hielt er ihr eine Visitenkarte hin.

„Wenn du möchtest, komm mich doch mal in Tokio besuchen. Würde mich freuen.“

„Du kommst aus Tokio?“, fragte sie ihn erstaunt und steckte die Visitenkarte ein. Nickend rutschte er ein Stück näher an sie heran und begann ihr mit seinen Fingern über den Arm zu streicheln.

„Ja, wie eben erwähnt …“ Grinsend blickte er ihr tief in die Augen. „Herumzugrübeln steht so einer hübschen Frau, wie dir, doch gar nicht … Wollen wir nicht lieber eine Runde schwimmen gehen?“

Ruckartig rutsche sie etwas nach hinten und schüttelte ihren Kopf. Wie wurde sie den nur wieder los?

 

Die beiden bemerkten nicht, dass sich langsam jemand näherte.

Kenta schaffte es heute früher von der Arbeit zu gehen und konnte so noch zum See nachkommen.

Er konnte Usagi schon von Weiten erkennen und es stockte ihm der Atem. Sie sah umwerfend aus, musste er sich zugestehen. Im gleichen Zug bemerkte er allerdings auch, dass ein junger Mann da neben ihr saß und ganz offensichtlich mit ihr flirtete. Es passte ihm gar nicht. Er verstand sich zwar selber nicht, aber er wollte nicht, dass ein anderer Mann so mit ihr redete oder sie anschaute. So ein Gefühl hatte er noch nie gehabt. Er kannte es nicht und es verwirrte ihn. Er konnte sich das jetzt aber auch nicht länger ansehen.Verwirrt über sich selbst, ging er aufgeregt zu ihnen.

 

Mamiko, die vor ein paar Sekunden wach geworden war, sah, wie ihr Bruder näher stürmte. Mit großen Augen sah sie ebenfalls, dass hinter Usagi der Stadtplan lag. Unbemerkt vor ihr verstaute sie ihn schnell wieder in ihrer Tasche. Warum lag er hier draußen?

„Darf ich fragen, wer Sie sind und warum Sie so nah bei meiner Verlobten sitzen?“, knurrte Kenta sichtlich sauer.

Erschrocken sprang Usagi auf und ging einen Schritt auf Kenta zu.

 

„Kenta. Schön das du da bist.“ Erleichtert, dass er da war, lächelte sie ihn an. So langsam fing Shin an, zu aufdringlich zu werden. Dieser hob gerade abwehrend die Hände in die Höhe und stand auch auf. „Ich wusste nicht, dass sie verlobt ist.“

Demonstrativ legte Kenta mit einem Mal seinen Arm um sie und zog sie damit ganz eng an sich heran. „Dann weißt du es jetzt. Wenn du bitte gehen würdest.“

Shin verbeugte sich kurz und lief dann, ohne ein weiteres Wort, davon.

Schweigend standen sie beieinander und schauten sich einfach nur an. Er hatte sie noch nicht wieder losgelassen und eigentlich fand sie es ganz schön. Sie wollte gerade etwas sagen, als sich plötzlich hinter ihnen jemand räusperte. „Ich will euch ja nicht stören, aber ich möchte gerne nach Hause.“

Mit einem Satz gingen die beiden auseinander.

„Jetzt schon? Kenta ist doch gerade erst gekommen“, jammerte sie, sie wollte jetzt noch nicht gehen. Lächelnd drückte ihr ihre Freundin die Hände. „Ihr könnt ja noch hier bleiben. Ich muss leider dringend weg.“

„Von mir aus.“ Freudig begann sie wieder zu hüpfen. Sie hatte sich doch noch nicht ein Mal ins Wasser getraut.

„Kenta würdest du mich noch kurz zum Auto bringen? Ich möchte dir noch schnell etwas zeigen.

Ohne sie oder Kenta antworten zu lassen, zog Mamiko Kenta mit.

 

Als Usagi aus ihrer Reichweite war, fing Mamiko direkt an Kenta anzukeifen.

„Was sollte das gerade? Es sah ja fast so aus, als würdest du wirklich eifersüchtig auf diese Schmalzlocke sein“, zischte sie.

„Du hängst mir doch ständig in den Ohren, ich müsse glaubwürdiger sein. Dann mach ich das und das passt dir dann auch nicht. Soll sie etwas mit anderen in Kontakt kommen?“, verteidigte er sich.

 

Leise war Usagi ihnen hinterher geschlichen und versteckte sich hinter einen Baum. Sie fand es mehr als seltsam, dass Mamiko so mit Kenta abgedampft war. Bedauerlicherweise stand sie zu weit weg, um etwas zu verstehen. Näher konnte sie aber nicht heran, ohne bemerkt zu werden. Sie konnte nur sehen, dass die beiden sich angeregt unterhielten oder stritten. Worum ging es da bloß?

 

„Ja, du hast ja recht. Eigentlich absurd von mir. Du hasst sie ja genau so, wie ich“, beruhigte sich Mamiko langsam. „Übrigens … ich habe vorhin das Hirn der Kleinen … ein wenig … blockiert … So schnell wird sie sich nicht an die anderen Sailor Kriegerinnen oder an ihren Prinzen erinnern. Ich muss jetzt auch los.“ Lachend hielt sie sich die Hand vor den Mund, stieg ins Auto und fuhr davon.

Kenta wusste, wo sie wieder hinfuhr und wusste auch, dass sie, wenn sie zurückkam, wieder stärker geworden war.

 

Als sie sah, dass Mamiko ins Auto stieg, lief sie flink zu ihren Sachen zurück. Hektisch legte sie sich, als wenn nichts gewesen wäre, auf ihr Handtuch und wartete auf Kenta.

„Da bin ich wieder.“ Schwungvoll setzte er sich zu ihr auf das Handtuch.

„Was gab es denn so Wichtiges, dass du mit zum Auto kommen solltest?“ Sie versuchte so gleichgültig, wie es nur ging zu klingen.

„Ach nichts Besonderes … Wollen wir ins Wasser gehen?“

Sofort riss sie ihre Augen auf. „Nein nein, geh du ruhig. Die Sonne ist gerade so schön.“ Abwehrend wedelte sie mit ihren Händen in der Luft herum.

Kenta stellte sich direkt über sie und grinste über beide Ohren. Ohne etwas zu sagen, schnappte er nach ihr, hob sie hoch und legte sie über seine Schulter. Lachend lief er mit ihr zum Ufer.

„Was macht du denn? Kenta bring mich zurück. Ich weiß gar nicht, ob ich schwimmen kann“, schimpfte sie und hämmerte ihm dabei auf den Rücken. „Kenta … Lass mich wieder runter.“

„Du willst runter?“

„Ja!“

„Dein Wunsch ist mir Befehl.“ Lachend nahm er sie von seiner Schulter, doch anstatt sie zurück auf den Boden zu stellen, warf er sie ins Wasser hinein. Es spritze nur so zu allen Seiten, da sie mit ihrem Bauch aufklatschte. Wild strampelte sie hin und her und merkte dann, wie sie ganz automatisch anfing zu schwimmen.

„Ich kann es! Oh mein Gott. Ich kann es!“

„Usagi … stell dich mal hin.“ Grinsend zeigte Kenta auf sie.

Sie wunderte sich zwar, was das sollte, aber tat, was er sagte. Also streckte sie ihre Beine aus, bis sie plötzlich Sand zwischen ihren Zehen spürte.

„Oh Kenta! Ich kann hier ja stehen. Mich so reinzulegen. Wenn ich dich erwische!“

Paddelnd schwamm sie zu ihm und fing an, ihn mit Wasser vollzuspritzen. Kenta tat es ihr gleich und so kabbelten sie sich aus Spaß im Wasser.

 

Um eine kurze Pause einzulegen, setzen sie sich auf das Handtuch. Ohne ein Wort zu sagen, saß er vor ihr und überlegte, ob er es machen sollte oder nicht. Er hatte schon den ganzen Tag darüber nachgedacht.

Er und Mamiko hatten eigentlich beschlossen, sie in dem Glauben zu lassen, ihre Entführer wurden immer noch nicht geschnappt und sie sich dadurch nur noch mehr an ihn und Mamiko binden würde. Sie war immer noch sehr ängstlich, wenn sie alleine unterwegs war. Wenn sie jemanden begegnete, der einen von den beiden ähnlich sah, ging sie ein paar Tage gar nicht mehr vor die Tür. Er verstand sich im Moment einfach selber nicht, aber er wollte sie einfach nicht mehr so ängstlich sehen und beschloss, sich über ihren eigentlichen Plan hinwegzusetzen. Mamiko würde er einfach erzählen, dass er keine andere Wahl hatte, da sie selber zur Polizei gehen wollte und dann alles aufgeflogen wäre.

„Du Usagi ...“

„Ja?“ Über beide Ohren strahlte sie ihn mit ihren blauen Augen an. Ihm wurde so warm ums Herz, was ihn noch bestärkte es ihr zu sagen.

„Ich habe heute Vormittag einen Anruf im Büro erhalten. Es war die Polizei … Deine Entführer sind geschnappt worden … Da ich sie beim Beobachten der Hüte auch gesehen habe, musste ich zur Polizei und bestätigen, dass es die richtigen sind. Du brauchst also keine Angst mehr haben … Sie werden bis zum Prozess in Untersuchungshaft sitzen. Sie können dir nichts mehr anhaben.“

„Wirklich?“ Ungläubig starrte sie ihn mit großen Augen an.

„Wirklich.“

Ruckartig sprang sie auf und zog ihn stürmisch in ihre Arme. Er genoss ihre Umarmung und machte sich im Moment auch noch keine Gedanken darüber, was er ihr sagen würde, wann der Prozess sei. Es war ja normal, dass so was oft dauerte.

Danach verbrachten sie noch ein Paar schöne Stunden am See und fuhren dann erschöpft nach Hause.

 

Bis spät am Abend saßen sie noch zusammen auf dem Balkon und unterhielten sich.

Usagi hatte den Balkon nach und nach mit vielen Blumen und einen schönen Holztisch und Stühlen ausgestattet. Genug Platz hatte der Balkon und sie saß gerne hier, wenn sie alleine zu Hause war.

Kenta hörte ihr mittlerweile nicht mehr wirklich zu. Er hing mehr und mehr in seinen eigenen Gedanken. Ab und zu nickte er mal oder gab ein kleines Wörtchen von sich, sodass sie das Gefühl hatte, er würde wirklich zuhören. Krampfhaft versuchte er seine Gefühle zu ordnen. Er hatte eine Mission zu erfüllen. Und doch, wenn er sie ansah, wurde ihm ganz anders, so warm ums Herz. Eine Weile schaute er sie einfach nur an und beobachtete sie. Er konnte gar nichts dagegen machen, er konnte seinen Blick einfach nicht abwenden. Ihre blauen Augen, ihr langes blondes Haar, wie sie lächelte.

„Alles in Ordnung Kenta?“

Er hatte gar nicht bemerkt, dass sie auf eine Antwort wartete.

„Äh ja? Entschuldige. Was meintest du?“

Lächelnd stellte sie ihr Glas auf den kleinen Tisch. „Du bist wohl genauso müde, wie ich. Ich meinte, ich würde dann wohl jetzt mal schlafen gehen.“

Langsam stand er auf und sah ihr direkt in die Augen. Er zitterte. Traute sich eigentlich nicht zu fragen, da es absurd war. Er musste sie hassen. Und doch … Verlegen fuhr er sich mit seiner Hand durch sein Haar. Mamiko musste es ja nicht erfahren … Es ging sie ja eigentlich auch nichts an … Er wusste ja selber nicht, was diese seltsamen Gefühle zu bedeuten hatten. Aber eins war ihm klar. Er hatte sie gerne, sehr sogar. Schwer schluckte er und versuchte den dicken Kloß, der sich in seinem Hals gebildete hatte, zu vertreiben. „Und … wo?“, stammelte er sichtlich nervös.

 

Verlegen tippte sie ihre Zeigefinger gegeneinander und sah zu Boden. Sie wollte nicht mehr alleine im Wohnzimmer schlafen und auch, wenn sie kein Kribbeln oder Ähnliches, in seiner Gegenwart verspürte, mochte sie ihn gerne. Und, was war schon verliebt sein oder Liebe. Vielleicht war dieses Gefühl, was sie zu ihm hatte ja Liebe. Sie genoss zumindest sehr seine Gesellschaft.

„Also … wenn du nichts dagegen hast … mit im Schlafzimmer.“

Ohne ein Wort zusagen, nahm er ihre Hand und so gingen sie zusammen herüber.

Seit diesem Abend schlief Usagi mit im Schlafzimmer. Jeder schlief zwar auf seiner Seite und unter seiner eigenen Bettdecke, aber beide wollten nicht mehr alleine sein.

Kapitel 12

 

Die nächsten Wochen vergingen schnell und die Sailor Kriegerinnen waren noch kein Stück weiter, wer ihr neuer Gegner war. Immer mehr Menschen wurden betroffen und tyrannisierten die Stadt. Sie hielten es zwar, so gut es ging, in Schacht, aber ohne den Ursprung zu kennen, tappten sie im Dunkeln und konnten es nicht wirklich aufhalten. Dazu kam noch, dass Luna immer noch verschwunden war und sie sich große Sorge um sie machten. Sie verschwand zwar immer wieder mal und niemand wusste wohin. Aber nach ein paar Tagen war sie wieder da. Doch dieses Mal kam sie nicht wieder. Sie verfolgte eine Spur, hatte sie gesagt, bevor sie erneut verschwand. Seit diesem Tag warteten sie vergeblich auf ihre Rückkehr.

Minako machte sich langsam wirklich große Sorgen, dass ihr etwas passiert sein könnte. Schwer atmend stand sie am Fenster und wartete auf Artemis. Ein weiteres Mal war er losgelaufen, um sie zu finden. Draußen stürmte es schon seit einigen Stunden und der Regen goss nur so vom Himmel herunter.

„Ein richtiger Herbststurm … Luna, wo bist du nur?“

In der Ferne konnte sie mit einem Mal Artemis erkennen. Er rannte schnell zur Haustür und sofort eilte sie auch zu Tür und ließ ihn hinein.

„Und, etwas herausgefunden?“

Kopfschüttelnd schüttelte er den Regen aus seinem Fell. „Leider nicht. Ich hab sie überall gesucht, aber nichts zu finden. Warum wollte sie auch unbedingt alleine los.“

Traurig sahen sich die beiden kurz an und gingen dann schweigend herüber ins Wohnzimmer. Seufzend ließ sie sich auf das Sofa fallen und direkt darauf sprang Artemis auf ihren Schoß.

„Dann können wir nur weiter hoffen, dass sie bald zurückkommt.“

Nickend legte Artemis seinen Kopf auf ihren Arm und beiden hingen wieder in ihren eigenen Gedanken.

 

 

Die Hochzeit von Motoki und Reika rückte immer näher. Rei, Makoto und die anderen wollten den Tag einfach mit ihren Freunden zusammen feiern und, wenn möglich mal ein paar Stunden nicht an die neue Bedrohung denken. Sie hofften, dass sie in der Zeit auf keine wütende Menge treffen würden. Seit Wochen gingen sie verstärkt auf Patrouille und versuchten den Menschen zu helfen und den Ursprung herauszufinden, aber bisher hatten sie leider keinen Erfolg. Außerdem suchten sie weiterhin nach Luna, von der immer noch jede Spur fehlte.

 

 

Schweigend verstauten alle ihre Sachen in den Autos. Morgen war es soweit. Motokis Hochzeit.

Die Feier fand in einem schönen großen Hotel, mit einem eigenen kleinen See, etwas außerhalb der Stadt, statt. Es sah aus, wie ein kleines Schloss. Da es nicht direkt um die Ecke war, mussten alle schon einen Tag früher anreisen.

Mamoru nahm Minako und Makoto mit. Sie hatten noch versucht Artemis zu überreden, dass er mitkommen würde. Aber er wollte lieber die Lage im Auge behalten, damit er sie im Notfall alarmieren könnte, hatte er gemeint. Minako vermutete aber eher, dass er immer noch mit der Hoffnung Luna würde wieder auftauchen, auf sie warten wollte.

 

Nach circa einer Stunde Fahrt hielt Mamoru vor dem prächtigen Anwesen.

„So, da wären wir.“

„Wow“, raunte es von der Rückbank und schwungvoll stiegen Minako und Makoto aus. Quietschend liefen die beiden in Richtung Eingang.

„Hey, was ist mit euren Koffern?“, rief er ihnen zwar noch hinterher, doch sie reagierten überhaupt gar nicht mehr auf ihn. Kopfschüttelnd stieg er dann auch aus und beschloss, das Auspacken auf später zu verschieben.

Die anderen parkten auch gerade und so wartete er kurz auf sie und betrat dann mit ihnen zusammen das Gebäude.

„Da seid ihr ja!“ Freudig kam Motoki auf sie zu gelaufen und begrüßte alle freudig. „Na kommt. Ich zeig euch alles.“

Sein Freund gab allen eine kleine Führung durch die Räumlichkeiten und endete eine halbe Stunde später den Rundgang im ersten Stock bei den Schlafzimmern.

„Wahnsinn, hier möchte ich auch ein Mal heiraten“, quietschte Minako neben ihm und begann durch den Flur zu hüpfen. Er konnte genau sehen, wie Rei mit ihren Augen rollte. Ihr war ihre Freundin sichtlich peinlich in diesem Moment. Schulterzuckend nahm er allerdings die ganze Situation hin. Er hatte sich mittlerweile an die Eigenheiten der Frauen gewöhnt.

„Dann musst du deinen Auserwählten, aber auch zuerst ein Mal kennenlernen. Und so, wie du dich hier benimmst, findest doch nie jemanden.“

„Rei! Das ist ganz schön gemein von dir.“ Schmollend verschränkte Minako ihre Arme.

„Recht hat Minako aber. Was meinst du Rei, würde es dir hier auch gefallen?“ Grinsend zwinkerte Yuichiro ihr zu und nahm ihre Hand. Alle Augen waren mit einem Mal auf die beiden gerichtet.

„War das gerade ein Antrag Yuichiro?“ Kichernd tippte Minako ihm fragend auf die Schulter. Augenblicklich wurde Rei, so rot wie eine Tomate, und begann irgendetwas zu murmeln, was er allerdings nicht verstand.

„Wir werden dann mal unsere Sachen auspacken.“ Schwungvoll zog Rei ihren Freund den Gang herunter. Kichernd sahen Minako und die anderen den beiden hinterher.

„Ich würde sagen, ihr bringt euer Gepäck auf eure Zimmer und dann treffen wir uns in einer Stunde im Speisesaal zum Mittagessen.“

 

Ami und Ryo stellten ihre Koffer in ihr Zimmer und beschlossen, vor dem Essen einen Spaziergang um den kleinen See zu machen.

Einige bunte Blätter fielen schon von den Bäumen hinunter und tanzten durch die Luft, bevor sie sanft am Boden landeten. Hand in Hand spazierte das verliebte Paar um den See und genoss die wunderschöne Idylle, die hier herrschte. Sie bemerkten erst gar nicht, dass nicht weit von ihnen, Mamoru ganz allein auf einem kleinen Steg saß.

„Ist das nicht Mamoru da hinten?“

Ami drehte sich herum und versuchte zu erkennen, wer dort saß.

„Du hast recht. Was macht er denn hier ganz alleine? Komm wir gehen mal zu ihm.“

Mamoru hatte sie nicht bemerkt und betrachtete weiterhin irgendetwas in seiner Hand.

„Mamoru. Was machst du denn hier ganz alleine?“, rief Ami schon von Weiten.

Sichtlich erschrocken drehte sich Mamoru zu der Stimme herum. Hektisch warf er etwas in den See. Ami konnte deutlich erkennen, dass er sich mit dem Ärmel über das Gesicht wischte, bevor er aufstand.

„Hallo ihr Zwei. Wusste gar nicht, dass ihr vorm Essen auch zum See wolltet … Ich geh dann schon mal wieder rein.“

Schnell ging er an den beiden vorbei und eilte den Steg herunter.

„Hat er gerade geweint?“

Ryo, der sich etwas über den Steg gebeugt hatte, konnte sehen, was Mamoru gerade in den See geworfen hatte. Es schwamm ganz langsam auf der Wasseroberfläche hin und her.

„Ich denke schon. Guck doch mal hier.“

„Das ist ja ein Bild von Usagi.“

Sofort verpasste ihr das Bild einen Stich im Herzen. Auch sie vermisste ihre Freundin schmerzlich. Schwer schluckte sie und versuchte sich wieder zu fangen. Für sie war es ja schon schlimm. Sie wollte sich gar nicht vorstellen, wie schlimm es für Mamoru sein musste.

„Ich wünschte, ich könnte ihm irgendwie helfen“, seufzte sie.

Ryo nahm sie liebevoll in dem Arm und gab ihr Trost. Eine kurze Zeit standen die beiden einfach nur schweigend da.

„Wir sollten auch wieder reingehen. Das Essen sollte jedem Moment fertig sein“, flüsterte Ami mit einem Mal. Nickend gab Ryo ihr einen Kuss auf die Stirn und so machten sie sich auf den Rückweg.

 

Nach und nach trudelten immer mehr Gäste ein. Freunde, Verwandte, enge Arbeitskollegen und wer noch so eingeladen war. Das Haus wurde immer voller.

 

Der nächste Tag begann hektisch. Reika zog mithilfe ihrer Freundinnen ihr Kleid an. Es war ein schönes langes weißes Kleid mit Spitze verziert.

„Wunderschön“, schwärmten Minako und die anderen gleichzeitig.

„Ich wollte euch noch ein Mal Danke sagen. Danke, dass ihr mir so eine Hilfe bei der Planung wart und meine Brautjungfern seid.“ Lächelnd stiegen Reika die Tränen in die Augen.

„Nicht weinen!“ Tadelnd hob Minako ihren Finger in die Höhe, doch auch bei ihr hatten sich Tränen gebildet.

„Los, lasst uns weiter machen. Sonst kommt die Braut nachher noch zu spät zu ihrer eigenen Hochzeit.“ In die Hände klatschend stand Rei vor den anderen und sofort nickten ihr alle zu.

 

Ein paar Zimmer weiter stand Mamoru vor dem Spiegel. Doch schnell wandte er sich, nachdem er sich vergewissert hatte, dass alles sitzt, wieder ab und verließ sein Zimmer. Schnellen Schrittes lief er durch den Flur und blieb dann vor einem bestimmten Zimmer stehen. Schnell klopfe er auf das Holz und keine Sekunde später wurde ihm auch schon geöffnet.

„Da bist du ja!“ Ruckartig griff sein Freund nach seinem Arm und zog ihn hinein.

„Du musst mir helfen!“ Hilfslos stand Motoki mit etwas Stoff, was mit großer Wahrscheinlichkeit seine Fliege darstellen sollte, in der Hand vor ihm.

„Komm gib her.“

Schweigend band er Motoki die Fliege und klopfte ihm, als er damit fertig war, auf die Schulter.

„Das war´s.“ Sofort huschte sein Freund zum Spiegel herüber und begann zu nicken.

„Du hast mich gerettet.“

Kurz lächelte ihn Motoki freudig zu, doch plötzlich verzog sich seine Miene. Stutzig musterte er ihn. „Alter, du bekommst doch jetzt nicht etwa kalte Füße?“

„Was? Nein.“

„Was ist dann los?“

Langsam ging sein Freund auf ihn zu und legte traurig seine Hand auf seine Schulter.

„Ist es auch wirklich Okay für dich, dass wir hier … Schließlich hattest du es mir damals gezeigt, wenn du und Usagi …“

Sofort schnitt er Motoki das Wort ab.

„Wie oft soll ich es dir noch sagen. Es ist in Ordnung für mich … So und nun bringen wir dich mal zum Altar. Nicht, dass Reika wirklich noch denkt, du wärst getürmt.“

 

 

Es war eine schöne Zeremonie und Reika und Motoki hatten sich das Jawort gegeben.

Nun saßen alle an den Tischen und aßen die Hochzeitstorte. Der Saal war wunderschön geschmückt. Makoto hatte mit ihren Gestecken genau ins Schwarze getroffen.

Als ein Großteil der Gäste aufgegessen hatte, stand Minako mit einem Mal auf, nahm ihr Glas in die Hand und klopfte mit ihrem Löffel vorsichtig herauf. Augenblicklich wurde es still und alle Augen waren auf sie gerichtet.

„Motoki, Reika, ich wünsche euch von Herzen alles Gute für eure gemeinsame Zukunft. Wenn ihr dann bitte aufstehen würdet. Es wird Zeit für euren ersten Tanz, als Brautpaar und mein Geschenk für euch.“

Flink huschte sie zu der kleinen aufgebauten Bühne, nahm das Mikrofon in die Hand und begann für die beiden zu singen.

Motoki und Reika tanzten, und nach einer Weile folgten ihnen immer mehr auf die Tanzfläche. Minako beendete ihr Lied mit großem Beifall und die engagierte Hochzeitsband begann zu spielen.

 

Nachdem er sich sicher war, dass ihn niemand mehr beachtete, schlich er sich leise, ohne das es jemand mitbekam, auf sein Zimmer. Er versuchte es zwar vor den anderen, insbesondere Motoki, zu verbergen, aber ihm war einfach nicht nach Feiern zumute. Da er niemanden den Abend verderben wollte, verkrümelte er sich lieber und überließ das Feiern den anderen.

Schwer atmend legte er sich auf sein Bett und begann die Decke anzustarren. Leise hörte er die Musik aus dem Festsaal klingen. Erschöpft schloss er seine Augen, lauschte der Musik und schlief ein.

 

Verwundert sah er sich um. Warum stand er plötzlich auf dem Mond zwischen den Palastruinen? Was machte er hier? Fragend lief er durch die Trümmer, als plötzlich hinter ihm eine Stimme wisperte. „Endymion …“

Schwungvoll drehte er sich herum. Vor ihm schwebte plötzlich eine kleine Lichtkugel.

Königin Serenity?“

Die Lichtkugel landete auf einer kleinen kaputten Säule.

Ganz richtig. Wir haben nicht viel Zeit.“

Verwirrt kniete er sich vor sie. „Wofür haben wir nicht viel Zeit und warum bin ich hier?“

Finde die Prinzessin. Finde die Prinzessin und rette sie.“

Sofort stiegen ihm die Tränen in die Augen und langsam schüttelte er seinen Kopf. Hatte ihre Mutter es nicht mitbekommen? Wusste sie nichts davon? „Wie soll ich jemanden finden, der … Sie ist doch … Sie ist tot …“

Königin Serenity verschwamm immer mehr und löste sich ganz langsam allmählich auf.

Finde die Prinzessin … Finde sie, bevor es zu spät ist …“

 

Senkrecht saß er in seinem Bett und fasste sich keuchend an die Brust. Was war das? Hatte er nur geträumt? Oder war das …? Ein lautes Klopfen ließ ihn dann aber, bevor seinen Gedanken zu Ende bringen konnte, erschrocken zusammenfahren.

„Mamoru? Hallo?“, drang Motokis Stimme durch die Tür hindurch.

Stöhnend rutschte er mit seinen Beinen über die Bettkante. Was wollte sein Freund denn so früh? Ein Blick auf den kleinen Wecker auf dem Nachtisch ließ ihn jedoch abrupt aufspringen. Es war schon kurz nach elf. So lange wollte er nun wirklich nicht schlafen. In einer Stunde wollten sie schon zurückfahren.

Hektisch eilte er zu Tür, drückte die Klinke herunter und öffnete sie, da er nur mit einer Shorts bekleidet aus dem Bett gestiegen war, nur einen kleinen Spalt.

„Ah, Motoki. Entschuldige, ich weiß, ich hab verschlafen. Wenn du mir nur einen Moment gibst, komm ich gleich mit und helfe dir.“

Abwehrend wedelte Motoki sofort aufgeregt mit seinen Händen.

„Nein, deshalb bin ich gar nicht hier. Wir haben ein anderes Problem. Und wir brauchen deine Hilfe. Reikas Schwester ist gestürzt. Ami und Ryo haben sie schon versorgt. Aber sie hat sich leider die Hand verstaucht. Es ist zum Glück nichts gebrochen. Die Drei waren schon in einer kleinen Röntgenpraxis nicht weit von hier.“

Irritiert zuckte er mit seinen Schultern. „Und wofür braucht ihr nun meine Hilfe?“

„Sie hat dadurch leider ihren Zug verpasst und der nächste von hier fährt erst heute Abend. Heute Nachmittag hat sie aber einen dringenden Termin. Es ist leider eine ganze Ecke von hier entfernt. Könntest du sie vielleicht fahren? Minako und Makoto würden wir dann mit zurücknehmen.“

Er brauchte überhaupt nicht darüber nachzudenken. Wie oft war Motoki für ihn da, da war es für ihn selbstverständlich ihm zu helfen. „Natürlich helfe ich euch. Wo muss sie denn hin?“

Über beide Ohren strahlend klatschte Motoki in seine Hände.

„Da bin ich aber erleichtert. Vielen Dank. Ich hätte mir ewig Vorwürfe gemacht, wenn sie den Termin verpasst hätte.“

„Du? Muss ich das verstehen?“

Verlegen begann sich sein Freund am Kopf zu kratzen. „Also, ich bin nicht ganz unschuldig, dass sie gestürzt ist. Ich hab sie ausversehen mit vollgepackten Händen angerempelt und irgendwie ist sie dadurch rückwärts über Makotos Fuß gefallen.“

Kopfschüttelnd musste er schmunzeln. „Euch kann man echt nicht alleine lassen. Wo soll es denn überhaupt hingehen?“

„Warte, hier ist die Adresse. Vielen Dank noch mal. Wir sehen uns dann heute Abend im Crown?“

Nickend nahm er den Zettel entgegen und schloss wieder die Tür. Gähnend klappte er das kleine Blatt Papier auf und las sich die Adresse durch.

„Nagoya also.“ …

Kapitel 13

 

In den nächsten Wochen bekamen sie Mamiko immer weniger zu sehen. Nicht, dass es sie gestört hätte. Mamiko hatte sich so verändert. Irgendwie wirkte sie immer kühler und lachen sah man sie schon lange nicht mehr. Des Öfteren hatte sie Kenta schon gefragt, was mit ihr los sei, aber dieser schüttelte nur immer wieder den Kopf, und behauptete, er wisse es auch nicht.

 

Kenta wusste aber ganz genau, was los war. Und es machte ihm auch Sorgen. Er erkannte seine Schwester selbst überhaupt nicht mehr wieder. Sie wurde von Tag zu Tag stärker. Im Gegensatz zu ihr, zweifelte er immer mehr, ob es das Richtige war, was sie taten.

 

Betrübt schaute sie aus dem Fenster und beobachtete die Regentropfen, wie sie langsam die Fensterscheibe hinunter kullerten. Es regnete heute schon den ganzen Tag und Kenta kam auch erst in ein paar Stunden nach Hause. Was sollte sie an so einem Tag nur machen? Aus lauter Langweile schnappte sie sich einen Block und einen Stift. Sie wollte eigentlich schon seit Wochen damit anfangen, endlich die Geschichte der Mondprinzessin aufschreiben. Kenta oder Mamiko würde sie davon allerdings nichts erzählen. Wenn sie davon sprach, es niederschreiben zu wollen, redeten sie es ihr aus irgendeinem Grund immer wieder aus.

Also beschloss sie nun, es einfach ganz allein, nur für sich aufzuschreiben. Als sie so darüber nachdachte, fiel ihr erst jetzt auf, dass sie die letzten Wochen immer weniger diesen Traum hatte. Und, wenn sie so recht darüber nachdachte, seit ein paar Tagen gar nicht mehr.

„Seltsam“, murmelte sie leise und begann ihren Stift über das Papier wandern zu lassen.

Dieser Traum war eigentlich ihr stetiger Begleiter gewesen, nachdem sie ihr Gedächtnis verloren hatte. Noch ein Grund mehr ihn auf zu schreiben, dachte sie sich, und rutschte etwas weiter in die Sofakissen.

 

Jeden Morgen, wenn Kenta arbeiten war, schrieb sie ihre Gesichte weiter. Bevor er nach Hause kam, versteckte sie die Zettel allerdings unbemerkt in ihrer Handtasche. An die ging er nie heran.

 

 

 

Die Blätter an den Bäumen färbten sich langsam in den schönsten Herbsttönen und war damit der letzte Beweis, dass der Sommer vorbei war. Es wurde regnerischer, stürmischer und kälter.

Heute hatte sie sich aber mit Kenta zu einem Stadtbummel verabredet und wollte ihn daher von der Arbeit abholen. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass sie sich nun aber wirklich beeilen sollte, wenn sie noch pünktlich kommen wollte. Zu vertieft war sie mit ihrer Geschichte gewesen. Rasch packte sie die Zettel in ihre Tasche und steckte noch einige unbeschriebene Blätter dazu.

Oft musste sie noch auf Kenta warten, wenn er noch nicht ganz fertig war, und so setzte sie sich so lange immer auf eine Parkbank gegenüber des Büros und schrieb weiter, bis er fertig war.

Flink huschte sie herüber ins Badezimmer, knotete ihre Haare zu einem großen Dutt zusammen und stopfte ihr Haarknäuel in eine schöne schwarze Wollmütze. Seit einigen Tagen schlug sie sich schon mit Husten herum. Außerdem fühlte sie sich matt und kraftlos. Also zog sie sich lieber etwas wärmer an, da auch ein eiskalter Wind brauste. Schnell entschied sie sich daher auch für den roten Mantel. Er reichte ihr bis zu den Knien und wärmte sie herrlich. Sie hatte ihn ganz neu. Die schöne rote Farbe war ihr gleich ins Auge gestochen und sie musste ihn haben.

Zufrieden betrachtete sie sich fertig angezogen im Spiegel.

Ein Blick heraus, ließ sie jedoch noch schnell einen Regenschirm einpacken. Dicke schwarze Regenwolken zogen über den Himmel.

Schnell verließ sie die Wohnung, damit sie noch pünktlich bei Kenta ankommen würde. Heute war sie wirklich spät dran.

 

Hastig eilte sie den Weg zur Bushaltestelle herunter, doch zwecklos. Der Bus fuhr ihr vor genau vor der Nase weg. „Ach so ein Mist. Jetzt kann ich wieder latschen“, murmelte sie laut fluchend. Sofort nahm sie ihre Beine in die Hand und eilte los.

 

Sie war schon ein ganzes Stück gelaufen, als es mit einem Mal anfing, wie aus Eimern zu gießen. Gut, dass sie den Regenschirm eingepackt hatte. In wenigen Handgriffen klappte sie den Schirm auf und hetzte weiter …

 

 

 

Nicht mehr lange und sie waren am Ziel angekommen. Die gesamte Fahrt über ging ihm sein seltsamer Traum nicht mehr aus dem Kopf und so schwieg er die ganze Zeit. Reikas Schwester störte es zum Glück nicht, dass er so schweigsam war. Sie wollte sich ohnehin auf ihren Termin vorbereiten.

 

In Nagoya angekommen half er ihr fix, da sie nicht direkt vor der Haustür einen Parkplatz gefunden hatten, ihre Sachen zu ihrer Wohnung zu tragen.

Nachdem sie sich verabschiedet hatten, ging er gemütlich zurück zu seinem Wagen. Kurz streckt er noch ein Mal seine Arme von sich, ließ sein Kopf kreisen und stieg dann ein.

Er hatte gerade den Schlüssel ins Zündschloss gesteckt, als ihm auffiel, das Reikas Schwester ihren Notizblock auf dem Beifahrersitz liegen lassen hatte. Den brauchte sie doch. Sofort griff er nach ihm und verließ wieder das Auto.

Die ersten Regentropfen fielen hinunter und so beeilte er sich, ihr den Block, noch bevor es richtig anfangen würde zu regnen, schnell zu bringen.

 

Kurze Zeit später war der Block abgegeben und er auf dem Weg zurück. Doch er hatte kein Glück und geriet mitten in einen kräftigen Schauer. Sofort beschleunigte er seine Schritte und lief von Hauseingängen und anderen Überdachungen zu den Nächsten. Immer schneller lief er. Er wollte nur noch zu seinem Auto, zurück nach Tokio fahren und unter eine heiße Dusche.

Fast bei seinem Wagen angekommen, vibrierte mit einem Mal sein Handy. Mit Sicherheit war es Motoki, der fragen wollte, ob alles geklappt hatte. Flink zog er es aus seiner Hosentasche und öffnete die Nachricht. Gar nicht mehr auf seine Umgebung achtend, bog er in die nächste Straße ein. Da er immer noch mit seinem Handy beschäftigt war, bemerkte er nicht, dass ihm jemand entgegen kam. Nachdem er Motoki geantwortet hatte, hob er langsam wieder seinen Kopf, doch es war zu spät. Schwungvoll prallte er mit der Person zusammen, wodurch beide zu Boden fielen.

Erschrocken sah er zu der Person herüber und ein roter Frauenmantel leuchtete ihm entgegen. Sofort begann er sie zu mustern. Nicht, dass sie sich verletzt hatte.

„Oh mein Gott. Das tut mir wirklich leid. Ich habe nicht aufgepasst … geht es Ihnen gut?“ Doch von ihr kam keine Antwort. Er konnte ihr Gesicht nicht sehen, da dieses durch einen Regenschirm verdeckt wurde. Er hatte somit keine Ahnung, ob es ihr gut ging.

„Haben Sie sich verletzt?“, fragte er daher erneut nach, aber wieder kam keine Antwort von ihr. Stattdessen murmelte sie nur irgendetwas, was er nicht verstand, würdigte ihn keines Blickes und sammelte irgendetwas vom Boden auf. Erst jetzt bemerkte er dadurch, dass ihre Tasche ausgekippt war und ihre Sachen auf den Weg verstreut lagen.

„Warten Sie kurz, ich helfe Ihnen.“

Sofort half er ihr beim Einsammeln und griff dazu nach einem Blatt Papier direkt vor ihm. Die Frau wollte es offenbar auch gerade aufheben und streckte zur gleichen Zeit ihre Hand zu diesem Papier aus, wodurch er ihren Handrücken ausversehen für einen kurzen Moment mit seinen Fingerspitzen berührte. Ruckartig zuckte er mit seiner Hand zurück. Was war das denn gerade? Ihre Hände hatten sich nur für einen Bruchteil einer Sekunde berührt und dennoch hatte er das Gefühl, sie schon lange zu kennen. Wie war das möglich? Sein Herz fing plötzlich an schneller zu schlagen und für einen kleinen Moment fühlte er etwas, was er schon seit Monaten nicht mehr gefühlt hatte. Aus irgendeinem Grund fühlte er sich wieder komplett. Eine ungeahnte Wärme strömte durch seinen Körper. Das war doch überhaupt nicht möglich. Mit zittrigen Fingern hob er langsam seine Hand in Richtung des Schirms. Er fühlte sich so zu ihr hingezogen und hatte nur einen Gedanken im Kopf. Er musste ihr Gesicht sehen. Schwer schluckend beugte er sich noch etwas zu ihr herüber und hatte den Schirm beinahe erreicht, als ihr plötzlich jemand zu rief.

„Hier bist du also. Komm schnell ins Auto. Bevor dein Husten noch schlimmer wird.“

Hektisch packte sie, so schnell konnte er gar nicht reagieren, ihre restlichen Papiere ein, stand auf, drehte sich, ohne etwas zu sagen um, und lief zu dem Mann hinter ihr.

Die beiden umarmten sich kurz und schienen irgendetwas zu erzählen. Die ganze Zeit stand sie dabei mit dem Rücken zu ihm gewandt, sodass er keine Chance hatte, ihr Gesicht zu erkennen. Rasch stiegen sie dann in ein Auto ein. Der Motor des Wagens surrte und keine Sekunde später fuhren sie davon. Die unbekannte Frau verschwand und mit ihr ging auch die Wärme aus seinem Körper.

Unfähig sich zu bewegen, kniete er immer noch auf dem Boden, bis er sich kopfschüttelnd dachte, wie blöd es doch aussehen musste, wie er hier alleine auf den nassen Steinen hockte, und stand ebenfalls auf. Dabei fiel ihm auf, dass die Frau einen Zettel vergessen hatte. Schnell hob er das Blatt auf und schlagartig wurden seine Augen immer größer, als er sich den Zettel genauer anschaute …

Kapitel 14

 

Was war das nur für ein Wetter. Seufzend huschte sie die nassen Straßen entlang und beeilte sich. Sie war schon ziemlich spät dran.

Abgehetzt kam sie kurze Zeit später im Büro bei Kenta an. Außer Atem trat sie hinein und sah, dass er noch an seinem Schreibtisch saß. Leise schlich sie zu ihm herüber. Sie wollte ihn überraschen. Er war so in seine Arbeit vertieft, dass er sie gar nicht bemerkte. Direkt hinter ihm stehend, nahm sie ihre Arme hoch und legte sie mit einem Schwung über seine Augen.

„Klopf, klopf.“ Kichernd beugte sie ihren Kopf zu ihm herunter.

 

Kenta erkannte gleich, wer es war. Ihre weichen Hände und der süßliche Duft von Vanille waren unverkennbar. „Usagi.“ Freudig drehte er sich zu ihr herum.

„Ich bin sofort fertig und dann kann es losgehen. Könntest du mir kurz einen Gefallen tun? Dann können wir schneller los.“

„Natürlich. Was soll ich denn machen?“

Er kramte auf seinem Tisch herum und fischte einen kleinen Briefumschlag unter einem Stapel hervor. „Könntest du mir den kurz zum Briefkasten bringen? Der ist hier gleich um die Ecke. Ich würde dann schnell meine Sachen einpacken und das Auto holen.“

Nickend schnappte sie sich den Brief und ging Richtung Tür.

„Dann sehen wir uns gleich draußen.“

 

Langsam ging sie die Stufen des Treppenhauses hinunter und schaute dabei aus den Fenstern. Es hatte kurz aufgehört zu regnen, aber nun prasselte es wieder ohne Ende auf die Straße.

Vor der Tür spannte sie ihren Schirm und wollte schon loslaufen, als sie bemerkte, dass ihr Kenta gar nicht gesagt hatte, ob sie rechts- oder linksherum musste.

Schnell entschied sie sich für links und ging ein paar Minuten die Straße entlang. Weit und breit aber kein Briefkasten in Sicht. Soweit weg war er bestimmt nicht, wenn er um die Ecke sein sollte. Ein Stück weiter führte die Straße zu einer kleinen Kreuzung und so sie beschloss sie, es dort einfach noch mal zu versuchen. Flink bog sie hinein, doch nach ein paar Metern kehrte sie wieder um. Hier war nirgends ein Briefkasten zusehen.

Stöhnend schaute sie auf ihre Uhr. Sie war mittlerweile schon zehn Minuten unterwegs. Der Weg war definitiv falsch. Schnell ging sie zurück.

Stirnrunzelnd blickte sie auf den Brief herunter. Trotz des Regenschirms war er schon etwas nass geworfen. In ihrer Tasche war er wohl besser aufgehoben. Mit einer Hand öffnete sie ihre Tasche und wollte gerade den Brief hineinpacken, als plötzlich jemand mit voller Wucht, ohne Vorwarnung, in sie hineinlief. Sie konnte gar nichts machen und fiel durch den Aufprall zu Boden. Na toll. Auch das noch, schimpfte sie innerlich. Ihre Tasche landete so ungünstig auf dem Boden, dass ihr Inhalt hinausfiel.

„Toll … meine Sachen … alles nass … “, murmelte sie leise vor sich hin und begann alles wieder einzusammeln.

Den Verursacher beachtete sie dabei nicht. Sie musste sich beeilen, damit ihre Papiere nicht komplett durchweichten. Um selbst nicht nass zu werden, hielt sie ihren Schirm vor ihr Gesicht. Sie konnte daher nicht sehen, wer sie da so anrempelte. Nach der Stimme zur urteilen, war es aber wohl ein Mann. Schon wieder sagte er irgendetwas zu ihr, doch sie hörte nicht zu. Es war ihr auch egal. Sie wollte einfach nur schnell ihren Kram wieder einpacken und dann weiter.

Um an einen etwas weiter wegliegenden Zettel heranzukommen, streckte sie ihre Hand weiter vor. Sie wollte ihn gerade aufheben, als sie auf ein Mal Finger auf ihrem Handrücken spürte. Ganz leicht berührten die Fingerspitzen ihre Haut. Es war nur ganz kurz, nicht ein Mal einen Atemzug lang und doch, in diesem Moment, traf es sie wie ein elektrischer Schlag. Es kribbelte durch ihren ganzen Körper. Wärme breitete sich in ihrem Herzen aus und es begann mit einem Mal, wie wild in ihrer Brust zuschlagen. Was war das? Ihre Atemzüge wurden immer hastiger und sie hatte das Gefühl, ihr Herz würde ihr aus ihrer Brust springen. Alles begann sich zu drehen. Sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Wie versteinert saß sie da. Die Zeit schien für einen kleinen Moment still zustehen. Was hatte das nur zu bedeuten? Sie konnte es sich nicht erklären. Sie hatte nicht ein Mal sein Gesicht gesehen, und trotzdem wollte sie aus irgendeinem Grund seine Nähe spüren. Dass er sie in den Armen hielt. Dass er sie küsste. Ihr gesamter Körper verlangte danach. Sie musste ihn sehen. Langsam, kaum merkbar, senkte sie gerade ihre Hand, als plötzlich eine Stimme hinter ihr, sie zusammenzucken ließ. Abrupt holte die Stimme sie ins Hier und Jetzt zurück.

„Hier bist du also. Komm schnell ins Auto. Bevor dein Husten noch schlimmer wird.“

Kenta, schoss es ihr in den Kopf. Panisch sammelte sie die restlichen Papiere ein, stopfte sie in ihre Tasche und stand auf. Sofort lief sie in seine Arme.

„Was machst du denn da unten auf dem Boden?“

„Meine Tasche ist ausgekippt.“

Kopfschüttelnd begann Kenta zu grinsen und deutete auf sein Auto. „Kleiner Tollpatsch. Na los steig ein.“

Flink ließ sie sich auf den Sitz fallen und bemerkte nur im Augenwinkel, wie Kenta ebenfalls eingestiegen war und den Wagen startete. Irgendetwas schien er auch zu ihr zu sagen, doch sie konnte ihm nicht zu hören. Völlig in ihren Gedanken versunken, starrte sie auf ihre Hand. Sie verstand einfach nicht, was dort eben passiert war. Ihr war immer noch ganz warm ums Herz und nur langsam beruhigte sie sich wieder.

 

Kenta bemerkte sofort, dass sie irgendwie abwesend war. „Ist mit dir alles in Ordnung? Du bist so rot um die Wangen, geht es dir gut?“

„Hm … Hast du was gesagt?“ Stutzig runzelte er seine Stirn. Langsam wunderte er sich wirklich, was mit ihr los war. „Usagi. Geht es dir nicht gut?“

„Oh e-entschuldige. I-ich habe keinen Briefkasten gefunden“, stotterte sie und zog einen Brief aus ihrer Tasche heraus.

Das reichte ihm. Irgendetwas stimmte hier doch nicht. Sofort fuhr an den Straßenrand und hielt an.

 

Verwundert sah sie aus dem Fenster. Warum hielt Kenta hier an?

„Was ist los? Du bist gar nicht bei dir.“ Erschrocken blickte sie kurz zu ihm, nur um danach krampfhaft auf ihre Füße zu starren. Damit er nicht sah, wie sie zitterte, vergrub sie ihre Hände tief in den Jackentaschen. Was machte sie denn jetzt? Sie konnte ihm doch nicht sagen, was los war. Sie verstand es ja selber nicht und sie würde ihm bestimmt nicht erzählen, dass sie sich kurz, bevor er kam, gewünscht hatte, von einem Unbekannten geküsst zu werden. Wo sie ihn noch nicht ein Mal küsste. Nein, das würde sie ihrem Verlobten mit Sicherheit nicht sagen.

Sie merkte, wie sie erneut husten musste, und da kam ihr eine Idee.

„Du Kenta, ich glaube, mir geht es nicht so gut. Der Regen war wohl nicht so gut für meinen Husten. Können wir vielleicht nach Hause fahren?“ Sie hatte jetzt einfach keinen Kopf mehr, um durch die Läden zu bummeln. Viel zu sehr beschäftigte sie der Fremde.

Ganz gelogen war es auch nicht. Sie hatte seit Tagen Husten und fühlte sich seit heute Morgen schon nicht so richtig wohl und kraftlos.

 

Kenta glaubte ihr zwar nicht, dass dies wirklich der Grund war, ließ es jedoch erst mal auf sich beruhen. „Natürlich“, antwortete er ihr nur knapp, startete den Motor und drehte um. Die Fahrt über ließ er sie in Ruhe. Vielleicht war sie auch wirklich nur krank.

 

Sie waren schon fast zu Hause angekommen, als sie erneut ihre Hand betrachtete und danach unbemerkt zu Kenta blickte. So ein Gefühl wie eben hatte sie bei ihm noch nie verspürt. Hatte sie es früher mal?

Bevor sie allerdings weiter darüber nachgrübeln konnte, bemerkte sie, dass sie schon unten in der Tiefgarage standen und Kenta das Auto geparkt hatte.

 

„Komm, du legst dich gleich ins Bett und ich mach dir eine Suppe.“

Nickend stieg sie aus. Er würde es zwar nie zugeben, aber er machte sich wirklich Sorgen um sie. So verwirrt hatte er sie die ganze Zeit, die sie jetzt bei ihm war, nicht gesehen.

In der Wohnung angekommen, legte sie sich, ohne groß etwas zu sagen, sofort ins Bett.

 

Eingerollt in ihrer Decke sah sie zum Fenster. Draußen regnete es immer noch. Seufzend wandte sie sich vom Fenster ab und sah zur Decke hinauf. Wieder schwirrte ihr der unbekannte Mann im Kopf herum. Hätte sie ihn doch nur ein Mal sehen können.

In der Küche hörte man Kenta mit Geschirr klappern. Immer wieder kam er zwischendurch zu ihr ins Zimmer und fragte sie, ob sie etwas bräuchte. Ein schlechtes Gewissen überkam sie. Kenta kümmerte sich so rührend um sie, und was machte sie? Sie dachte nur an diesen geheimnisvollen Mann von der Straße.

Schwungvoll warf sie die Bettdecke beiseite. Vielleicht konnte sie ihm etwas in der Küche helfen. Sie musste den Fremden einfach vergessen. Wie bescheuert war das überhaupt. Sie hatte ihn doch nicht mal gesehen.

Behutsam rutschte sie mit ihren Beinen über die Bettkante und stand auf. Langsam ging sie ein paar Schritte in Richtung der Tür, als sich plötzlich alles um sie herum drehte und dunkler wurde. Was war denn jetzt los? Sie konnte nur noch Kentas Namen rufen, bevor alles komplett schwarz vor ihren Augen wurde und sie merkte, wie sie nach hinten kippte.

 

„Ja? Möchtest du … Usagi!“

Erschrocken rannte er zu ihr und zog ihren Oberkörper auf seinen Schoß.

Blinzelnd sah sie zu ihm herauf. „W-was … was ist passiert?“

Sanft strich er ihr über die Stirn und zuckte augenblicklich zusammen.

„Du glühst ja! Warum sagst du denn nichts?“

Sofort nahm er sie in den Arm, hob sie hoch und trug sie herüber zum Bett. Behutsam legte er sie hinein. Sie schien hohes Fieber zu haben. Hastig rannte er in die Küche, holte ein kühles Tuch und legte es ihr auf ihre Stirn.

„Am besten du schläfst jetzt und ich rufe Doktor Yamamoto an.“

 

„Okay“, flüsterte sie nur noch. Ihr war so warm und gleichzeitig eiskalt, dass sie die Decke enger um sich wickelte. Schlafen war gar keine schlechte Idee. Keine Sekunde später fielen ihr auch schon die Augen zu.

 

Seit langer Zeit träumte sie wieder von dem Palast auf dem Mond.

Sie stand mitten in einem riesigen Saal. Er war festlich geschmückt und schöne Klaviermusik ertönte durch den gesamten Raum. Überall tanzten Leute um sie herum. Als sie sich die Menschen genauer ansah, bemerkte sie, dass fast jeder eine Maske trug. Ein Maskenball. Freudig hüpfte sie auf ihren Zehenspitzen auf und ab. Sie konnte nicht anders und begann auch zu tanzen.

Ohne ihr zutun, drehte sie sich aus dem Saal heraus, und tanzte weiter durch die großen Flure. Sie war glücklich und hatte das Gefühl zu schweben. Immer weiter drehte sie sich durch die Flure, bis ihre Füße sie ganz automatisch auf einen riesigen Balkon hinaustrugen.

Oh wie schön“, flüsterte sie leise und legte ihre Hände auf ihre Brust. Mit großen Augen betrachtete sie den riesigen blauen Planeten am Firmament. Das musste die Erde sein.

Ein weiteres Mal drehte sie sich summend im Kreis und wollte wieder hinein, als sie nicht weit von sich, schemenhaft eine männliche Gestalt vernahm. Es war fast nur ein Schatten. Sie konnte nicht erkennen, wer er war, aber ihr wurde plötzlich ganz warm ums Herz. Es klopfte auf ein Mal viel zu schnell in ihrer Brust. Ein Kribbeln zog durch ihren gesamten Körper. Irgendwie kam ihr das alles so seltsam vertraut vor. Nur woher? Sie spürte plötzlich eine Sehnsucht in sich, die sie fast zu erdrücken drohte. Sie musste unbedingt zu ihm gelangen. Mit zitternden Beinen ging sie Schritt für Schritt auf ihn zu. Doch, je näher sie dem Schatten kam, umso weiter entfernte er sich von ihr.

Warte … bitte warte doch.“

Der Schatten jedoch schien sich immer weiter von ihr zu entfernen.

Traurig blieb sie stehen. Sie schaffte es einfach nicht zu ihm zu gelangen. Allmählich stiegen ihr die Tränen in die Augen. Sie wollte doch zu ihm. Schluchzend kullerte ihr eine einzelne Träne über ihre Wange. Auf dem Weg zum Boden fing sie plötzlich an zu leuchten.

Ich wollte doch zu dir“, flüsterte sie ganz leise.

Der Schatten blieb stehen und schien sich ihr sogar wieder zu nähern. Mit jedem Schritt auf sie zu, bekam er immer deutlichere Formen und mittlerweile konnte sie sogar einen Mann im Smoking erkennen. Eine Maske verdeckte allerdings sein Gesicht. Lächelnd streckte er seine Hand nach ihr aus. Doch sie traute sich erst nicht nach ihr zu greifen. Nicht, dass er wieder verschwand. Ohne ein Wort zu sagen, stand er einfach vor ihr und hielt ihr immer noch seine Hand entgegen.

Wild pochend schlug ihr Herz in ihrer Brust und sie konnte nicht mehr anders. Auch auf die Gefahr hin, dass er wieder verschwand, machte sie einen Schritt auf ihn zu. Er blieb stehen. Lächelnd überwand sie die wenigen Meter, die sie voneinander trennten, und legte zaghaft ihre Hand in seine. Augenblicklich durchströmte wieder so eine angenehme Wärme ihren Körper. Alles war in diesem Moment einfach perfekt. So, als hätte etwas zusammengefunden, was vom Schicksal vorherbestimmt war. Sie konnte es sich selbst nicht erklären.

Lächelnd beugte er sich ganz langsam zu ihrem Gesicht herunter. Wollte er sie etwa küssen? Ihr Herz hatte einen kleinen Aussetzer, nur um danach um so schneller zu schlagen. Schüchtern schloss sie ihre Augen und wartete, dass seine Lippen ihre berühren würden.

Doch es passierte nichts. Stattdessen war er ganz nah an sie herangetreten und sie spürte ganz sanft seinen Atem an ihrem Ohr.

Du musst dich erinnern …“, hauchte er ihr zu.

Woran … woran muss ich mich erinnern? Bitte sag es mir doch“, flüsterte sie zurück und traute sich nicht ihre Augen zu öffnen.

Mit einem Mal spürte sie seinen Mund, der ihr sanft einen Kuss auf die Wange gab. Keine Sekunde später zog er sie in eine Umarmung und drückte sie fest an sich. „Erinnere dich … Serenity …“

Blitzartig öffnete sie wieder ihre Lider. Mit großen Augen blickte sie um sich. Aber der Mann war verschwunden. Stutzig legte sie ihre Hand auf ihre Wange.

Serenity?“

 

 

Usagi war schweißgebadet. Immer wieder wechselte Kenta das Tuch auf ihrer Stirn. Davon bekam sie allerdings nichts mit. Sie schlief tief und fest. Ungeduldig wartete er auf den Doktor.

Eine halbe Stunde später traf der dann auch endlich ein. Schnell führte er ihn ins Schlafzimmer.

„Ich glaube, sie hat hohes Fieber und-“

Der Arzt legte seine Hand auf seine Schulter. „Keine Angst, ich kümmere mich darum.“

Sofort hockte er sich neben das Bett, fühlte ihren Puls, öffnete seinen Arztkoffer und wühlte darin herum. „Ah, da ist es ja“, murmelte er.

Er nahm sein Stethoskop heraus und horchte ihren Brustkorb ab. Danach kramte er ein Fieberthermometer aus seinem Koffer und legte es unter ihre Zunge. Kurz wartete er, sah dann auf das kleine Display und wurde schlagartig hektisch.

„Was ist den los?“ Nervös sah er dem Arzt über die Schulter. Doch Doktor Yamamoto antwortete ihm nicht und suchte stattdessen nach irgendetwas.

Abwechselnd sah er zu ihm und zu Usagi und versuchte ein weiteres Mal zu fragen, warum dieser so hektisch wurde.

„Sie hat sehr hohes Fieber. Ich werde ihr etwas Fiebersenkendes spritzen und hoffen, dass es schnell sinkt. Sonst …“

Schwer atmend setzte er sich neben Usagi auf die Bettkante und nahm ihre Hand. „Was sonst?“, brummte er. Es nervte ihn, dass er dem Arzt alles aus der Nase ziehen musste.

„Sonst könnte es gefährlich werden, wenn die Temperatur nur ein wenig weiter steigt … Warum haben Sie mich denn nicht schon früher geholt?“

Sanft strich er Usagi über die Wange und zuckte dann mit seinen Schultern. „Sie hat seit einiger Zeit über Husten geklagt, sonst ging es ihr aber gut.“

Doktor Yamamoto kramte weiter in seiner Tasche und nuschelte irgendetwas vor sich hin.

„Lieber wäre es mir, wenn wir sie in ein Krankenhaus bringen würden.“

Abrupt sprang er auf und sah den Arzt finster an.

„Sie wissen genau, dass das nicht geht. Sie wollen doch bestimmt nicht, dass ich meine Schwester hole“, knurrte er ihn an.

„Nein schon gut. Ich meinte ja nur … Sie hat wirklich sehr sehr hohes Fieber und ...“

„Sie bleibt hier und ich will nichts mehr von einem Krankenhaus hören“, unterbrach er ihn barsch.

Stumm nickte Doktor Yamamoto. Aufgebracht stürmte Kenta zur Tür hinaus und knallte sie hinter sich zu. Er durfte dem Arzt nicht zeigen, dass er sich Sorgen um sie machte. Er würde es sonst noch seiner Schwester erzählen.

Sie hatte Doktor Yamamoto damals ausgesucht, um Usagi untersuchen zu lassen. Sie hatte ihn mit ihrem Amulett gefügig gemacht, dass er keine Fragen stellte. Yamamoto hatte Angst vor seiner Schwester und machte alles, was sie sagte.

Usagi durfte auf keinen Fall ins Krankenhaus. Wenn jemand mitbekam, dass sie noch lebte, könnten die anderen Sailor Kriegerinnen nachher darauf aufmerksam werden. Sie waren zwar weit von Tokio entfernt und Mamiko hatte die Erinnerungen der Angestellten des Krankenhauses so manipuliert, dass Usagi gestorben war, aber man konnte nicht vorsichtig genug sein.

Schnaufend stampfte er ins Wohnzimmer herüber. Schwungvoll ließ er sich auf einen Stuhl am Esstisch fallen und legte seinen Kopf in seine Hände.

„Ach verdammt!“ Ruckartig sprang er wieder auf und lief zurück ins Schlafzimmer. Doktor Yamamoto saß noch immer neben dem Bett und beobachtete Usagi.

„Und was hat die jetzt?“, fragte er genervt. Er achtete gut darauf, wie er es sagte, damit Yamamoto nichts ahnte. Er hatte sich vorhin schon nicht ganz im Griff gehabt, als er Usagi untersucht hatte, und hoffte jetzt, dass es Yamamoto in der Hektik nicht mitbekommen hatte.

„Ich kann nur Vermutungen anstellen … Ich habe hier, einfach nicht die nötigen Geräte … Ich vermute, dass sie eine Pneumonie hat.“

„Eine was?“

„Ich kann wirklich nur Vermutungen anstellen, aber ich gehe … Vom dem, was ich … Was ich hier mit meinen beschränkten Mitteln, nur schwer diagnostizieren kann … Ich glaube, sie hat eine Lungenentzündung.“

Genervt verdrehte er seine Augen. Mussten Ärzte immer so um den heißen Brei herumreden?

„Ich habe ihr etwas Fiebersenkendes und vorsorglich Antibiotika gespritzt … sofern es bakteriell sein sollte, … hoffe ich auch, dass es das Richtige ist und anschlagen wird. Ich kann hier leider keine Erreger bestimmen … Wie gesagt, sie müsste besser in eine Arztpraxis oder in ein Kranken-“

„Ich sage es ein letztes Mal, keine Arztpraxen oder Krankenhäuser!“

„Dann müssen wir jetzt abwarten und sehen, ob es hilft“, sprach der Arzt mehr zu sich selbst, als zu ihm.

Kenta wollte ihn, so schnell es ging, los werden. Er nervte ihn. Außerdem machte er sich große Sorgen um Usagi. „Wenn sie dann heute nichts weiter machen können, abwarten kann ich auch alleine.“

Wortlos packte Yamamoto seinen Koffer zusammen, verließ das Schlafzimmer und steuerte, gefolgt von Kenta, die Haustür an.

„Ich habe ihr heute alles verabreicht, was in meiner Macht steht. Ich würde, wenn es recht ist, dann morgen früh nach ihr sehen.“

Nickend schob er ihn zur Tür hinaus. „Bis Morgen“, brummte er und knallte die Haustür zu.

Schnell eilte danach zurück zu Usagi. Sie schlief immer noch, jedoch zunehmend unruhiger. Sie wälzte sich hin und her und die Schweißperlen tropften ihr nur so von der Stirn hinunter. Plötzlich begann sie sogar irgendetwas im Schlaf zu flüstern. Er konnte aber erst nicht verstehen, was sie sagte. Doch dann wurde es immer deutlicher.

„Se... Serenity …“, flüsterte sie immer öfter.

Erschrocken stolperte er rückwärts vom Bett weg. Erinnerte sie sich? Panisch ging er im Schlafzimmer auf und ab.

„Verdammt! Verdammt!“

Sich die Haare raufend, stampfte er weiterhin hin und her. Er musste sich beruhigen. Es war ja nicht sicher, dass sie sich wirklich erinnerte. Er schloss die Augen und atmete ein paar Mal tief durch.

„Warum läufst du hier so nervös auf und ab?“, krächzte es vom Bett aus und sofort zuckte er zusammen. Langsam öffnete er wieder seine Lider und sah zu Usagi. Sie war wieder wach. Wann war sie denn aufgewacht? Er dufte jetzt keine Panik bekommen.

„Du bist ja wach. Wie geht es dir?“, fragte er mit zittriger Stimme und traute sich noch immer nicht zu ihr zu gehen. Stöhnend strich sie sich über den Kopf und versuchte sich aufzurichten.

„Ich weiß nicht … ich bin so müde und mir tut alles weh. Kenta, was ist denn hier los?“

Aufatmend ging er auf sie zu und setzte sich neben sie. Sie erinnerte sich anscheinend nicht und sie war wieder wach.

„Weißt du nicht mehr? Du bist umgekippt. Du hast sehr hohes Fieber. Doktor Yamamoto war hier und hat dich untersucht. Wie es aussieht, hast du eine Lungenentzündung.“

Bevor Usagi jedoch antworten konnte, bekam sie einen weiteren Hustenanfall und drückte verkrampft ihre Hand gegen ihren Brustkorb.

„Du legst dich sofort wieder hin. Ich hole dir etwas zu trinken.“

 

Als Kenta zurück ins Schlafzimmer kam, war sie schon wieder eingeschlafen. Leise stellte er das Glas Wasser auf den kleinen Nachttisch und fühlte sanft mit seiner Hand auf ihrer Stirn. Sie war zwar noch sehr warm, aber nicht mehr so schlimm, wie noch kurz zuvor. Das Mittel schien zu wirken. Erleichtert legte er sich vorsichtig neben sie aufs Bett. Er wollte sie nicht wecken, und so bewachte er einfach nur ihren Schlaf.

Es hatte aber nicht lange gedauert und er war selber eingeschlafen.

 

Mitten in der Nacht wurde sie wach und sah Kenta friedlich neben ihr schlafen. Er musste wohl ausversehen eingeschlafen sein, da er noch seine Arbeitshose trug. Grinsend zog sie die Decke über seinen Oberkörper, was für sie schwieriger war, als gedacht. Ihr schmerzte alles furchtbar und ihr war immer noch so warm. Nachdenklich musterte sie ihn und unweigerlich musste sie dadurch an die Begegnung mit dem Fremden denken. Dazwischen mischten sich Fetzen ihres letzten Traums.

Grübelnd dachte sie über ihn nach. Sie konnte sich nur noch bruchstückhaft erinnern. Wie war das noch … Si... Se... Serenity … ja genau … Serenity … Wer war das? Der Name sagte ihr gar nichts.

Bevor sie allerdings weiter darüber nachdenken konnte, bekam sie erneut einen Hustenanfall, wodurch auch Kenta wach wurde. Sofort saß er senkrecht und legte seine Hand auf ihren Rücken.

„Leg dich lieber wieder hin und versuch zu schlafen“, flüsterte er besorgt.

Ohne etwas zu sagen, tat sie das auch. Sie war wirklich sehr müde und erschöpft. Darüber nachgrübeln konnte sie auch morgen noch. Keine Sekunde später war sie auch schon wieder eingeschlafen.

 

Kenta flitzte schnell ins Badezimmer und zog sich bequeme Sachen zum Schlafen an. Leise schlich er danach zurück ins Bett.

Da er nicht mehr einschlafen konnte, beobachtete er sie einfach nur. Sie sah, obwohl sie krank war, so hübsch und liebreizend aus. Er konnte seinen Blick einfach nicht abwenden. Das Mondlicht schimmerte ins Zimmer und schien genau auf das Bett.

Zaghaft streichelte er ihr über die Wange, als sie sich ein Stück zur Seite drehte. Das Licht des Mondes schien ihr nun mitten ins Gesicht und lies es glänzen.

Ruckartig nahm er seine Hand zurück. Das durfte nicht wahr sein. Nein, das konnte nicht sein. Kopflos sprang er aus dem Bett. Immer wieder schüttelte er seinen Kopf und sah dabei herüber zu Usagi.

Doch so sehr er sich auch selber dagegen wehrte, er musste es sich eingestehen. Er konnte es einfach nicht mehr unterdrücken. Er musste der Wahrheit ins Auge blicken. Er hatte sich in die Person, die er eigentlich am meisten hassen musste, genau in die Person, hatte er sich verliebt …

 

Kapitel 15

 

Wie angewurzelt stand Kenta vor dem Bett. Er hatte sich in die Mondprinzessin verliebt. Wie konnte das nur passieren? Für einen kleinen Moment war er jedoch erleichtert. Endlich war ihm klar, was die letzte Zeit mit ihm los war. Doch lange hielt dieses Gefühl nicht an. Schwer seufzend ging er zum Fenster herüber, stützte seine Hände auf dem Sims ab, und schaute zum Mond hinauf. Mamiko durfte davon nichts erfahren.

Warum musste das überhaupt alles so kommen? Wie hatte das überhaupt noch mal alles angefangen? Vor langer Zeit …

 

Mamiko, lass das lieber, ich glaube nicht, dass wir das machen sollten.“

Ängstlich versteckte sich Kenta hinter einer großen blauen Vase. Neben ihm polterten zwei kleinere Jungen.

Akita, Akuma! Seid nicht so laut! Und Kenta, nun mach dir nicht ins Hemd. Die beiden kleinen haben auch keine Angst und die sind jünger als du. Wir wollen ihn doch nur kurz ausleihen“, zischte Mamiko, schlich zu einer großen Tür und versuchte sie zu öffnen.

Ja, die sind ja auch erst vier und wissen es nicht besser“, schmollte Kenta weiter hinter der Vase.

Mamiko steckte einen großen Schlüssel ins Schloss und drehte ihn um.

Na, wer sagt es denn! Er passt.“

Zufrieden machte sie langsam die Tür einen Spalt auf und drückte sich hindurch.

Alles gut. Kommt rein“, flüsterte es aus dem Zimmer.

Die zwei kleineren Brüder liefen direkt hinterher. Kenta überlegte kurz, schaute sich auf dem großen Flur noch ein Mal um, und ging dann auch hinein.

In der Mitte des Raumes funkelte auf einem roten Samtkissen ein wunderschöner Kristall. Geschützt mit einer Glaskuppel darüber.

Das muss er sein.“ Freudig klatschte sich Mamiko in die Hände und Akita und Akuma tänzelten vor der Glaskuppel herum. „Oh schön. Mamiko … Ich will, ich will.“

Psst, nicht so laut ihr zwei.“

Kenta stand ein paar Meter entfernt und beobachtete, wie Mamiko die Glaskuppel hinunter auf den Boden stellte. Ihm war nicht wohl dabei, er wusste, dass es verboten war, hier hineinzugehen. Andererseits wünschte er sich genau so sehnlichst, wie seine Geschwister, dass seine Eltern wieder da wären.

Ganz langsam nahm Mamiko den Kristall in die Hände, als hinter ihnen die Tür knarrte und plötzlich eine Mädchenstimme zu hören war.

Was macht ihr hier?“ …

 

Das alles war schon so lange her. Sie alle waren doch nur Kinder und wussten es doch nicht besser. Schwer atmend wandte er sich wieder vom Fenster ab, lief zurück zum Bett und legte sich neben Usagi. Er konnte jetzt nur hoffen, dass sie sich so schnell nicht erinnern würde, oder noch besser, nie mehr. Dann könnte er hier einfach so weiter mit ihr leben. Sobald sie sich erinnerte, würde es nicht lange dauern und dann würde Mamiko, wenn ihr Ziel erreicht wäre … Schnell schüttelte er seinen Kopf. Jetzt musste sie erst ein Mal wieder gesund werden.

 

Schwerfällig rekelte sie sich unter ihrer Decke. Ihr tat immer noch alles weh und Lust zum Aufstehen hatte sie auch keine. Ein kurzer Blick neben sich verriet ihr, dass sie ganz allein im Bett lag. Kenta war wohl schon zur Arbeit. Räuspernd schluckte sie schwer und merkte dadurch, wie trocken ihre Kehle doch war. Sie musste dringend etwas trinken. Langsam richtete sie sich auf. Sie brauchte einen Moment, bis sich nicht mehr alles drehte. Schwerfällig stand sie danach auf und ging einen Schritt nach dem anderen Richtung Tür. Damit sie nicht umkippte, hielt sie sich dabei an allem fest, an dem sie vorbeikam. Sie hatte die Tür fast erreicht, als sich auf ein Mal die Klinke nach unten bewegte und die Tür geöffnet wurde. Mit gerunzelter Stirn stand Kenta nun auf der Türschwelle. „Kenta? Bist du gar nicht zur Arbeit?, räusperte sie sich.

„Warum liegst du nicht im Bett? Du sollst dich doch ausruhen.“ Er nahm sie auf den Arm und trug sie zurück ins Bett. „Ich arbeite die nächsten Tage von zu Hause aus. Dann kann ich mich besser um dich kümmern. Doktor Yamamoto müsste auch jeden Moment hier sein.“

Nickend kuschelte sie sich wieder unter die Bettdecke. „Könnte ich vielleicht ein Glas Wasser haben?“

„Ich hol dir eins.“

Kenta verschwand in der Küche, nur um kurz danach mit einem Tablett mit Frühstück vor ihr zu stehen. „Du solltest versuchen etwas zu essen.“

Eigentlich hatte sie gar keinen Hunger, aber aß ein paar Bisse, wenn er ihr schon Frühstück ans Bett brachte, wollte sie es wenigstes probieren.

 

 

„Das Fieber ist gut zurückgegangen. Sie haben zwar noch Fieber und wir müssen aufpassen, dass es nicht wieder steigt, aber es ist eine deutliche Verbesserung zu gestern.“

Nickend betrachtete sie den Arzt und begann dann nervös ihre Hände ineinander zu kneten. Sollte sie ihn fragen oder es lieber lassen? Da Kenta aber das Zimmer verlassen hatte, damit sie in Ruhe untersucht werden konnte, traute sie sich dann doch zu fragen.

„Ähm … Ich hätte mal eine Frage, … gestern Nachmittag habe ich ganz plötzlich, also ... ich hatte auf einmal so Herzrasen bekommen, mir wurde schwindelig und so warm ums Herz … was könnte das ...“

Doktor Yamamoto, der gerade ihren Blutdruck überprüfte, sah über den Rand seiner Brille zu ihr herauf und zuckte unschlüssig mit seinen Schultern.

„Ich vermute, dass es Anzeichen waren, dass irgendwas in Ihrem Körper nicht stimmte. Das nächste Mal hören Sie lieber darauf und ruhen sich aus.“

Nachdenklich senkte sie ihren Kopf. Also hatte es gar nichts mit diesem Mann zu tun … Sie war einfach nur krank …

„Vielen Dank, für ihre schnelle Hilfe. Ich glaube, ich habe Kenta einen ganz schönen Schrecken

eingejagt.“

Lächelnd packte der Arzt seine Sachen zusammen und verabschiedetet sich wieder von ihr.

 

 

Zwei Wochen lag sie krank im Bett. Kenta kümmerte sich rührend um sie. Es war ihr teilweise schon zu viel, weil sie einfach nur ihre Ruhe haben wollte.

Die ersten Tage dachte sie noch oft an den unbekannten Mann zurück. Schob es aber dann immer weiter von sich weg. Der Arzt hatte ja gesagt, dass es von ihrer Krankheit kam. Außerdem hatte sie ein schlechtes Gewissen gegenüber Kenta. Auch, wenn überhaupt nichts passiert war. Und dennoch nagte die Sache an ihr. Er bemühte sich so um sie, und sie dachte die ersten Tage nur an einen dahergelaufen Typen, der sie über den Haufen rannte. Damit musste Schluss sein.

 

Heute Morgen schickte sie ihn wieder zur Arbeit. Es ging ihr schon viel besser und sie konnte fast alles wieder normal machen. Sie hatte ihm versprochen, die Wohnung nicht zu verlassen und sich noch auszuruhen. Aber gegen ein Bad sprach ja nichts dagegen.

Und so ließ sie das Badewasser ein und stieg ein paar Minuten später langsam in das wohlig warme Wasser. Zufrieden schloss sie ihre Augen und döste vor sich hin. Sie wusste nicht warum, aber sie musste mit einem Mal wieder an ihren Traum im Mondpalast, mit dem geheimnisvollen Mann mit der Maske, denken.

„Serenity“, murmelte sie leise. So hatte er sie genannt. Aber egal, was sie auch versuchte, sie konnte immer noch nichts mit diesem Namen anfangen.

„Serenity … Serenity … Serenity ...“ Nein, absolut nichts.

Seufzend verließ sie die Wanne, kuschelte sich in einen Bademantel und stellte sich vor den großen Badezimmerspiegel. Summend kämmte sie sich ihre Haare und ganz automatisch, begann sie sich einen Mittelscheitel zu ziehen und sich zwei Zöpfe zu binden, die oben allerdings jeweils einen Knoten besaßen. Sie hatte gar nicht darüber nachgedacht, was sie da gerade machte und betrachtete sich jetzt im Spiegel. Warum hatte sie ihre Haare so zurechtgemacht? Musternd drehte sie die Zöpfe zwischen ihren Fingern. Sie wusste zwar nicht, woher sie die Idee dazu hatte, aber es gefiel ihr.

 

Gähnend kuschelte sie sich mit einer Decke auf das Sofa, schaltete durch die Fernsehprogramme und merkte auch schon, wie ihre Augen immer schwerer wurden. Das Bad hatte ganze Arbeit geleistet. Ein weiteres Mal gähnte sie und keine Sekunde später, fiel sie in einen unruhigen Schlaf.

 

Irritiert ging sie durch einen langen dunklen Flur. Hier war sie doch schon ein Mal. Langsam lief sie weiter, bis sie wieder vor einer riesigen Tür stand. Zögerlich hob sie ihre Hand. Eigentlich hatte sie keine große Lust hineinzugehen. Hatte sie noch gut genug das erste Aufeinandertreffen mit diesem seltsamen Stimmen im Kopf. Aber einen anderen Weg gab es auch nicht. Tief einatmend schloss sie ihre Augen, berührte die Klinke, und als sie ihre Lider wieder öffnete, stand sie wieder mitten in dem zerstörten Saal. Ängstlich setzte sie einen Fuß vor den anderen, als es plötzlich hinter ihr polterte. Aufgeschreckt sprang sie herum, doch wieder war niemand zu sehen.

Hallo?“, rief sie zaghaft.

Aber niemand antwortete ihr. Der Saal wurde immer dunkler. Zitternd schlang sie ihre Arme um ihren Körper. Ihr Blick wanderte umher und es sah beinahe so aus, als würden an der Wand Schatten hin und her springen. Schwer schluckend blieb sie einfach an Ort und Stelle stehen. Krampfhaft überlegte sie, wie sie hier wieder herauskam.

Prinzessin …“

Was wollt ihr denn von mir?“ Mit Tränen in den Augen versuchte sie den Ursprung der Stimme auszumachen.

Mondprinzessin … Serenity …“

Schlagartig weiteten sich ihre Augen. Hatte die Stimme gerade Serenity gesagt? „Wer seid ihr? Was wollt ihr von mir? … Wer ist Serenity?“ Wenn diese Stimme etwas wusste, muss sie es ihr sagen. Augenblicklich versuchte sie den Schatten zu folgen.

Mondprinzessin …“, hauchte es direkt neben ihr und ihr gesamter Körper begann zu kribbeln.

Was wollt ihr von mir?“

Serenity … Prinzessin Serenity …“

Wütend presste sie ihre Hände auf ihre Ohren. „Wenn ihr nichts anderes zu sagen habt. Lasst mich in Ruhe!“

Die Schatten kamen näher, umkreisten sie und wisperten ihr immer wieder in ihre Ohren.

Lasst mich in Ruhe!“ Verzweifelt versuchte sie die Schatten von sich zu schlagen. Doch ohne Erfolg. Stadtessen spürte sie mit einem Mal Finger, die sich um ihre Handgelenke legten. Panisch riss sie ihre Augen auf und sah an sich herunter. Schattenhände hielten sie fest.

Serenity … Hab keine Angst … Folge uns …“

Der Druck um ihre Handgelenke wurde stärker und sie merkte, wie sie begannen an ihr zu zerren. Sie konnte gar nichts dagegen machen, dass sie von ihnen mitgezogen wurde. Ihr war fast so, als würde sie schweben. Geschlagen ließ sie sich von ihnen führen und sie konnte sehen, dass sie sich einem kleinen Licht näherten. Immer heller wurde es. Es wurde mit einem Mal so grell, dass sie ihre Augen zu kneifen musste. „Was ist das?“ Doch von den Schatten kam keine Antwort. Verwundert stellte sie fest, dass der Druck um ihre Handgelenke aufgehört hatte. Zögerlich öffnete sie blinzelnd ihre Lider. Als sich ihre Augen an das Licht gewöhnt hatten, konnte sie sehen, dass sie nicht weit entfernt von einer langen Treppe stand. „Was machen wir hier?“

Doch, als sie sich umschaute, bemerkte sie, dass die Schatten verschwunden waren. Wo waren sie denn hin? Vorsichtig näherte sie sich langsam der Treppe, als sie wieder Stimmen hörte.

Nein, nein, alles Okay", hörte sie jemanden nicht weit von ihr sagen.

Auf der Treppe stand plötzlich eine Frau, die sich mit jemandem unterhielt. Geschockt legte sie ihre Hand über ihren Mund und schüttelte völlig verwirrt ihren Kopf.

Das bin ja ich“, flüsterte sie zwischen ihren Fingern hindurch und ging, um besser sehen zu können, noch ein Stück näher heran. Was hatte das zu bedeuten? Sie selbst stand da mitten auf der Treppe und rief zu jemandem hinunter, der etwas weiter unten stand. Wer es war, konnte sie allerdings nicht erkennen, da die Person verschwommen war. Es war aber ganz dem Anschein nach ein Mann. Ob das Kenta war? Bevor sie aber weiter darüber nachdenken konnte, fuhr sie erschrocken zusammen, als ein eisiger Windhauch ihr durch die Haare wehte. Fröstelnd strich sie sich über die Oberarme und stutzte erneut zusammen. Ganz langsam näherte sich eine Frau der Treppe. Sie stellte sich hinter die Usagi auf der Treppe und hob ihre Arme, als würde sie sie schubsen wollen. Sie wollte sich selbst schon zurufen, dass sie aufpassen sollte, als sie entsetzt erkannte, wer die Frau war. Es war Mamiko. Fassungslos musste sie mit ansehen, wie sie von ihr geschubst wurde, sie dadurch die Treppe hinunterfiel und sich schlimm am Kopf verletzte. Sie wollte auf Mamiko zu laufen und sie fragen, warum sie das gemacht hatte, als sie einen Ruck an ihrer Schulter spürte. Alles begann sich auf ein Mal zu drehen …

 

Schweißgebadet riss sie ihre Augen. „Wo bin ich?“

„Zu Hause. Du hattest anscheinend einen Albtraum.“ Lächelnd kniete Kenta vor ihr und streichelte ihr sanft über ihre Wange. Verwirrt hielt sie ich den Kopf. Was war das gerade? Hatte sie etwa geträumt? Sie brauchte erst ein Mal einen Moment, um sich wieder zu sammeln.

„Was ist denn los?“, fragte nun Kenta sichtlich verwirrt.

Doch sie antwortete ihm nicht. In ihren Gedanken durchlebte sie ein weiteres Mal ihren Traum. Ruckartig richtete sich dann allerdings auf und starrte Kenta mit großen Augen an. Nein … kein Traum … Erinnerung. Schwer schluckend senkte sie ihren Kopf und sah ihn nicht mehr an.

„Kenta … Wie ist … wie kam es eigentlich zu meiner Kopfverletzung? Damals im Krankenhaus sagte man mir nur, dass ich einen Unfall hatte. In dem Moment hatte ich gar nicht daran gedacht, zu fragen, was für ein Unfall …“

 

Nervös setzte er sich neben sie und fuhr sich fahrig durch seine Haare. Mit dieser Frage hatte er jetzt nicht gerechnet.

„Also … Du … Ich … Ich weiß es gar nicht genau. Ich war nicht dabei. Mamiko erzählte mir nur, dass du auf einer Treppe gestürzt bist, mehr weiß ich leider auch nicht“, stammelte er sich mit der Hand über sein Kinn haltend.

Unbemerkt schielte er zu ihr hinüber, wie sie reagieren würde. Ganz gelogen war es nicht mal, was er sagte. Er war wirklich nicht dabei gewesen. Mamiko hatte ihm nur erzählt, sie hätte die Sache mithilfe einer Treppe geregelt.

 

Zitternd klammerte sie ihre Finger in die Decke. Also war es wirklich kein Traum. Mamiko … Mamiko war daran schuld das … Sie konnte nicht verhindern, dass ihr die Tränen in die Augen stiegen und ungehindert ihre Wangen hinter kullerten. „Warum hat sie das gemacht?“

„Wer hat was gemacht? Was ist denn los? … Warte. Moment. Was ist denn mit deinen Haaren passiert?“

Langsam drehte sie ihren Kopf zu ihm und schenkte ihm ein gequältes Lächeln.

„Gefällt es dir nicht? Ich weiß auch nicht, warum … Ich habe sie, ohne groß nachzudenken, so zurecht gebunden und fand es ganz schön.“

Mit hochgezogener Augenbraue tippte er auf den Haarknoten herum. „Doch … doch steht dir.“

 

Lächelnd erhob er sich und stand dadurch mit seinem Rücken zu ihr. Innerlich fluchend ballte er seine Hände zu Fäusten. Sie erinnerte sich unbewusst immer mehr. Er hatte Fotos von früher gesehen und wusste, dass sie ihre Haare früher so trug. Auf ihren gefälschten Fotos hatten sie bewusst auf diese Frisur verzichtet. Er durfte sich jetzt nichts anmerken lassen, weder vor ihr noch vor Mamiko.

Mit einem Schwung drehte er sich daher wieder zu ihr herum. „Wer hat denn nun was gemacht?“

 

Schwer atmend legte sie die Decke zur Seite, zog sich ihr Shirt, das vom Schlafen zerknittert war, zurecht, und wedelte dann mit ihrer Hand.

„Ach nichts … War nur ein Traum … Wollen wir etwas essen?“, tänzelte sie an Kenta vorbei Richtung Küche.

Kurzerhand entschloss sie, ihm noch nichts von ihrer Erinnerung zu erzählen. Sie musste das jetzt erst ein Mal für sich selber aufklären. Mamiko war schließlich immer noch seine Schwester. Erst wenn sie handfeste Beweise hatte, würde sie ihm damit konfrontieren. Sie glaubte ihm, dass er nicht dabei gewesen war und nichts Weiteres wusste. Außerdem musste sie herausfinden, wer dieser Mann war, der noch dabei war, denn Kenta konnte es ganz offensichtlich nicht gewesen sein.

 

Kapitel 16

 

Am nächsten Morgen, nachdem sich Kenta zur Arbeit verabschiedet hatte, wartete sie noch einen Moment, dass er auch wirklich losgefahren war, und verließ dann hektisch die Wohnung und fuhr mit dem Fahrstuhl ins Erdgeschoss. Sie musste dringend mit Mamiko sprechen und sie unauffällig über ihren Unfall ausfragen. Kenta hatte sie nichts von ihrem Vorhaben erzählt. Sie hatte ihm auch nicht erzählt, dass sie heute das Haus verlassen wollte. Er hätte ihr nachher nur einen Vortrag gehalten, dass sie doch gerade noch schwer krank gewesen war und sich noch ausruhen sollte. Sie fühlte sich aber wieder gut und musste der Sache einfach auf den Grund gehen.

Schnell eilte sie zum Bus, der sie ins Zentrum fuhr. Sie wollte Mamiko ganz unauffällig bei der Arbeit besuchen.

 

Vor dem Geschäft angekommen, hielt sie kurz inne und holte, um sich zu beruhigen, noch ein paar Mal tief Luft. Mamiko durfte auf keinen Fall Verdacht schöpfen.

Nachdem sie sich etwas beruhigt hatte, betrat sie mit langsamen Schritten das Geschäft. Neugierig schaute sie sich um. Seit Monaten wollte sie schon einen Blick hier hineinwagen, jedoch hatte Mamiko immer irgendetwas dagegen gehabt.

Nach ihr suchend stöberte sie durch den Laden. Weit und breit aber keine Mamiko zu sehen. Wo steckte sie nur?

Ihr fiel ein kleiner Gang ins Auge, der offensichtlich zum Lager führte. Sich nichts dabei denkend, da sie ja hier auch vor ihrem Unfall gearbeitet hatte und die anderen bestimmt nichts dagegen hatten, wenn sie kurz nach hinten ginge, steuerte sie zielstrebig den kleinen Gang an. Sie wollte gerade einen Fuß hineinsetzen, als sie von einer verdutzten Frau angesprochen wurde. „Dort hinten dürfen nur Mitarbeiter hinein.“

Erschrocken drehte sie sich auf ihrem Absatz herum. „Entschuldigen Sie bitte. Ich dachte … ich dachte, es wäre in Ordnung … Ich weiß, ich war lange nicht hier, aber Sie haben mit Sicherheit von meinem Unfall gehört. Ich wollte nur kurz zu Mamiko und ...“

Die Frau mittleren Alters runzelte skeptisch die Stirn. Sie trug einen schicken blauen Hosenanzug, in dem sie eine Autorität ausstrahlte, ihr war klar, das musste ihre Chefin sein.

„Wovon reden Sie bitte? Wer sind Sie denn überhaupt?“

„Äh … Ich … ich bin Usagi Tsukino. Mir wurde gesagt, dass ich vor meinen Unfall, hier gearbeitet habe … Am besten holen wir einfach mal Mamiko dazu, sie arbeitet ja hier, sie kann bestimmt mehr dazu sagen … und …“

Kurz schielte die Frau über ihre Lesebrille zu ihr, nur um sie danach mit ihrem Zeigefinger wieder ordentlich auf ihre Nase zu schieben. „Ich habe keine Ahnung Miss, wovon Sie sprechen. Hier arbeitet keine Mamiko oder wie sie auch immer heißen soll … Und Sie kenne ich auch nicht. Ich weiß nicht, wer Ihnen so einen Unsinn erzählt hat, aber dies ist ein kleiner Familienbetrieb und hier arbeiten nur Familienangehörige.“

Sie verstand die Welt nicht mehr. Schockiert und unfähig auf irgendeine Weise zu reagieren wurde sie von der Frau nach draußen geschoben.

„Ich habe jetzt Pause, wenn Sie dann bitte gehen würden.“

Fassungslos drehte sich sie noch ein Mal kurz um und sah, dass die Frau die Tür abschloss und ein Schild umdrehte, auf dem stand, dass sie gleich zurück wäre.

Sie verstand überhaupt nichts mehr. Was hatte das alles zu bedeuten? Mamiko war offenbar für ihre Verletzung verantwortlich und dazu hatten die beiden sie belogen? Weder sie noch Mamiko arbeiteten hier in dem kleinen Kleidungsgeschäft.

Mit zittrigen Beinen taumelte sie zu einer kleinen Parkbank herüber und ließ sich herauf fallen. Schwer atmend legte sie ihren Kopf in den Nacken und beobachtete eine kleine Wolke, die vorbei zog. Darum wollte sie also nicht, dass sie das Geschäft betrat.

Ruckartig senkte sie wieder ihren Kopf und war wild entschlossen jetzt erst recht nachzuforschen, was hier los war. Sie musste mehr über ihren Unfall herausfinden und warum sie belogen wurde. Sich selber zunickend sprang sie auf und machte sich auf den Rückweg.

 

Wieder zurück zu Hause, hatte sie nicht mehr viel Zeit, bis Kenta zurückkommen würde. Ohne Zeit zu verlieren, schnappte sie sich das Telefonbuch, blätterte es durch und schrieb jedes Krankenhaus hinaus, welches es in Nagoya gab. Sie hatte keine Ahnung, in welchem sie überhaupt lag, als die zwei Männer sie in den Transporter zerrten. Nachgefragt hatte sie allerdings auch nicht, da sie es bis gestern auch noch nicht wichtig fand.

Nachdem sie alle hinaus gesucht hatte, fing sie an die Liste von oben an abzutelefonieren.

 

„Okay … verstehe. Trotzdem vielen Dank.“

Genervt legte sie auf. Wieder nichts. Somit waren nur noch zwei übrig. Eins der beiden musste es ja sein. Erneut griff sie zum Telefon, wählte die Nummer und wartete, bis am anderen Ende jemand heranging.

 

Nachdem sie zum gefühlt hundertsten Mal ihre Geschichte erzählt hatte, legte sie frustriert auf. Wieder nichts. Blieb also nur noch eins übrig. Wieder wählte sie die Nummer und kurze Zeit später wurde der Anruf entgegen genommen.

„Guten Tag, mein Name ist Usagi Tsukino. Ich hatte vor einiger Zeit einen Unfall und wurde bei Ihnen behandelt. Ich bräuchte, da ich meinen Arzt gewechselt habe, für die weitere Behandlung meine Krankenakte und-“

Bevor sie weiter reden konnte, wurde sie auch schon in die Warteschleife gesetzt.

Leise knackte es am anderen und die Musik hörte auf. „Entschuldigen Sie. Usagi Tsukino sagten Sie, richtig?“

„Ja richtig.“

„Es tut mir leid. Wir haben keine Akte vorliegen. Sind Sie sicher, dass Sie bei uns behandelt worden sind?“

Sie sagte keinen Ton mehr. Das konnte doch nicht sein. In keinem der Krankenhäuser wurde sie behandelt?

„Sind Sie noch dran?“

„Hat sich erledigt“, entgegnete sie nur kurz der Frau und legte auf.

Kurz überlegte sie, was sie jetzt machen sollte, und begann danach erneut das Telefonbuch durchzublättern. Eifrig schrieb sie einige Telefonnummern von Ämtern heraus, die ihr vielleicht weiter helfen würden.

 

Nach einigen erfolglosen Gesprächen wählte sie die letzte Nummer auf ihrem Zettel und eine heisere Männerstimme meldete sich am anderen Ende.

„Guten Tag. Ich bräuchte dringend die Adresse von Usagi Tsukino.“ Kurze Zeit herrschte Stille und sie konnte deutlich hören, dass der Mann auf einer Tastatur herumtippte.

„Es tut mir leid. Eine Usagi Tsukino ist uns nicht bekannt. Kein Eintrag mit diesen Namen. Kann ich Ihnen son-“

Ohne einen Ton zu sagen, drückte sie den roten Knopf und ließ ihren Arm mit dem Telefon nach unten sinken. Zitternd blieb sie einfach an Ort und Stelle stehen.

Doch dann rannte sie auf einen Schlag wütend los, kippte jede Schublade und Kiste aus, die sich in der Wohnung befanden, und suchte nach irgendeinem Hinweis, irgendetwas, was ihr Antworten geben würde. Doch nichts. Gar nichts. Keine Papiere, keine Dokumente, Briefe oder irgendetwas mit ihrem Namen war zu finden. War sie überhaupt Usagi Tsukino? Oder war das auch nur eine Lüge? Sie wollte nicht weinen, aber sie konnte gar nichts dagegen machen. Ungehindert liefen ihr die Tränen über ihre Wangen. Wenn es keine Usagi Tsukino gab, wer war sie dann? Zitternd presste sie ihre Lippen aufeinander, ballte ihre Hände zu Fäusten und ließ ihren Blick durch das Zimmer wandern. Wer verdammt noch mal war sie?

Außer sich, schubste sie einen Stuhl zur Seite und begann alles Mögliche, was ihr in die Finger kam, durch die Wohnung zu werfen. Schwer atmend rannte sie zu dem Fotoalbum, schlug es auf und riss sämtliche Bilder von ihr heraus. Doch plötzlich hielt sie inne und betrachtete das Foto in ihrer Hand. Grinsend schaute sie auf dem Bild in die Kamera.

Schluchzend gaben ihre Beine nach und sie sackte kraftlos auf ihre Knie. Wer war sie? Sie ließ das Foto fallen, drückte ihre Hände gegen ihren Kopf und wippte mit ihrem Oberkörper hin und her.

„Wer bin ich?“

 

Müde schloss Kenta die Haustür auf. Sein letzter Kunde wollte und wollte nicht aufhören zu schwatzen. Da es aber ein sehr wichtiger Kunde für die Firma war, durfte er sich keinen Patzer erlauben und hörte geduldig noch so kleine Geschichte an, bis er dann endlich das Büro verließ.

„Ich hoffe, nächstes Mal kaut er jemanden anderem ein Ohr ab“, murmelte er und schlüpfte seufzend aus seinen Schuhen heraus.

Gähnend schlurfte er durch den Flur Richtung Küche, als plötzlich ein Wimmern in seine Ohren drang. „Usagi?“

Eilig lief er zum Wohnzimmer herüber und blieb erschrocken auf der Türschwelle stehen. Was war denn hier passiert? Über den ganzen Boden lagen Unterlagen verteilt. Sämtliche Schubladen und Kisten waren leer geräumt und Usagi saß kauernd mittendrin und weinte. Hastig eilte er zu ihr und kniete sich neben sie. „Hey Usagi … Was ist denn los? … Was ist hier passiert?“

Vorsichtig legte er seine Hand auf ihre Schulter. Er merkte sofort, wie sie zusammenzuckte. Ruckartig rutschte sie ein Stück von ihm weg. Langsam sah sie auf und blickte ihm nun direkt in die Augen. Es zerriss ihn fast. Sie weinte so bitterlich.

„Wer bin ich Kenta?“

Verwundert über ihre Frage zuckte er mit den Schultern.

„Na, du bist Usagi. Aber warum fragst du? Was ist denn hier überhaupt passiert?“

Sie schluchzte immer mehr. „Weil niemand eine Usagi Tsukino kennt!“

Jetzt verstand er gar nichts mehr. „Usagi. Was ist hier los?“

 

Zusammen gekauert erzählte sie ihm, dass sie Mamiko überraschen wollte und das daraus folgende Gespräch mit der Besitzerin. Warum sie zu ihr wollte, verschwieg sie ihm allerdings. Sie erzählte ihm von den erfolglosen Gesprächen mit den Krankenhäusern und den vielen anderen Telefonaten.

 

Kenta hielt es nicht mehr aus, sie so zu sehen. Ohne groß nachzudenken, schlang er seine Arme um sie herum und drückte sie fest an sich. Erst wehrte sie sich dagegen und schlug, wie wild um sich. Doch er ließ sie nicht los und streichelte ihr mit einer Hand über ihren Rücken. Allmählich gab sie ihren Widerstand auf, krallte sich in sein Shirt und drückte ihr Gesicht gegen seine Brust.

„Tsch … alles gut. Warum kein Krankenhaus deine Akte in Nagoya hat, ist ganz einfach … Dein Unfall passierte in Tokio, daher lagst du dort in einem Krankenhaus … und das dich hier niemand kennt, kann nur ein Fehler sein.“

Er dachte überhaupt nicht darüber nach, was er ihr da gerade erzählte.

Völlig erschrocken über sich selber, realisierte er erst jetzt, was er gerade getan hatte. Aber er hatte es einfach nicht mehr ausgehalten, sie so zu sehen, und hatte einfach das Bedürfnis allen Kummer von ihr zu nehmen.

„Und warum habt ihr gelogen … Niemand kennt uns in dem Laden … Weder Mamiko noch ich arbeiten dort“, schluchzte sie in sein Shirt hinein.

Schwer schluckte er. Aber konnte er jetzt sowieso nicht mehr zurück, er hatte eh schon viel zu viel gesagt.

„Ich … ich weiß es nicht. Mamiko hatte behauptet, dass ihr beide dort eine Arbeit gefunden habt. Zu meiner Schande hab ich euch dort nie besucht und ihr geglaubt …“

Er wusste sich nicht anders zu helfen und hoffte, sie würde ihm glauben. Langsam hob sie ihren Kopf und sah ihn wieder an. „Warum hat sie das getan?“

„Ich weiß es nicht … Aber wir werden es aufklären.“

Schief lächelnd wischte sie sich verschämt die Tränen aus ihrem Gesicht. „Wirklich?“

„Wirklich.“ Aufmunternd lächelte er ihr zu.

Er musste einen Weg finden, sie vor Mamiko zu beschützen. Er musste es irgendwie schaffen, dass Mamikos Plan nicht aufging, ohne das diese es bemerkte. Seine Schwester hatte die letzte Zeit erheblich an Macht gewonnen und er fürchtete sich langsam vor ihr und zugleich war es immer noch seine Schwester, der er alles verdankte. Er konnte sich nicht so einfach gegen sie oder seine Familie stellen. Er wusste aber auch, wenn Mamikos Plan funktionierte, dass sie am Ende Usagi töten würde.

Schwer atmend sah er sie an. Ihr Gesicht war vom Weinen rot und verquollen und dennoch war sie bildhübsch. Sie sah ihn wieder mit ihren wunderschönen blauen Augen an und es lag so viel Hoffnung darin. Er konnte jetzt einfach nicht mehr anders. Solange hatte er sich gegen seine Gefühle gewehrt. Versucht sie zu unterdrücken.

Mit zittrigen Fingern nahm er ihr Gesicht behutsam in seine Hände und beugte sich langsam zu ihr hinunter. Ihr unverkennbarer süßlicher Duft vernebelte seine Sinne. Er konnte in diesem Moment einfach nicht mehr klar denken. Ganz automatisch schloss er seine Augen und näherte sich immer weiter ihrem Gesicht, bis er sanft seine Lippen auf ihre legte. Zu seiner Überraschung erwiderte sie sogar den Kuss. Schweren Herzens löste er sich wieder von ihr, aber er musste es ihr jetzt einfach sagen. „Ich liebe dich.“

 

 

 

Währenddessen in Tokio …

 

… „Ihr könnt das nicht einfach ignorieren!“

Wütend schlug er mit seiner Faust auf den kleinen Tisch. „Usagi hat es geschrieben!“

Minako versuchte ihn zu beruhigen und legte seine Hand auf seine.

„Das denken wir auch, aber niemand weiß doch, wann sie es geschrieben hat. Vielleicht haben ihre Eltern es in ihrem Zimmer gefunden und es mitgenommen.“

Er konnte genau sehen, wie sich Makoto die Haare raufte. „Das ergibt doch alles keinen Sinn. Du hast keine Spur von Usagis Eltern gefunden … oder Usagi.“ Die letzten Worte flüsterte Makoto mehr, als das sie es laut aussprach.

„Nagoya ist eine Hafenstadt … vielleicht, sind sie dort hin, um mit dem Schiff weiter zu reisen“, schlussfolgerte Ami.

„Es erklärt aber nicht, wie dieser Zettel zu dieser Frau gelangen konnte“, seufzte Minako mit einem Mal und nahm ihre Hand wieder herunter.

Aufgebracht, dass die anderen es einfach so hinnahmen, schnappte er sich den Zettel vom Tisch und wandte sich von ihnen ab. Er musste sowieso dringend los zur Klinik.

„Ich muss jetzt lo-“ Doch weiter kam er nicht, da ihn plötzlich ein tiefer Stich in seiner Brust stach.

Der Schmerz war unerträglich. Keuchend krallte er seine Finger auf der Höhe seines Herzens in sein Shirt. Er merkte, wie seine Beine nachgaben, und sackte vor den anderen auf seine Knie.

„Usako …“, presste er zwischen seinen Lippen hindurch und kniff seine Augen zusammen.

Kapitel 17

 

Mamoru starrte auf das Blatt Papier. Immer und immer wieder ging er die Zeilen durch, die dort geschrieben standen. Einiges war leider vom Regen aufgeweicht und verwischt. Aber die Bruchstücke, die er entziffern konnte, waren eindeutig. Wie war das möglich? Auf dem Stück Papier stand etwas über eine Prinzessin, die in einem großen Palast, auf dem Mond lebte. Davon wussten eigentlich nur das Sailor Team und er. Und natürlich Usagi … konnte es sein, dass diese Frau? Aber das war unmöglich. Die Krankenakte von ihr war eindeutig. Ami hatte sich als Ärztin der Familie vorgestellt und versucht an die Akte zukommen. Es gelang ihr sogar und unmissverständlich dokumentierte diese ihren Tod. Warum sie so schnell abgeholt wurde und wohin, konnte aber auch Ami nicht in Erfahrung bringen.

Ohne nachzudenken, rannte er auf ein Mal in die Richtung, in die das Auto fuhr. Er musste diese Frau finden. Er rannte und rannte, ohne überhaupt zu wissen wohin.

Stundenlang streifte er ohne Erfolg durch die Straßen von Nagoya, bis er erschöpft zu seinem Auto zurückkehrte. Wie in Trance setzte er sich ans Steuer und legte müde seinen Kopf aufs Lenkrad.

Er konnte jetzt nicht nach Hause fahren. Erneut sah er sich das Stück Papier in seiner Hand an. Usagi hatte es geschrieben. Es war zweifellos ihre Handschrift. Er würde sie unter Tausenden wiedererkennen.

 

 

 

Motoki war gerade dabei den Tresen abzuwischen, als die Tür zum Crown geöffnet wurde.

„Wir schließen heute leider schon früher. Kommen Sie doch einfach mor... Mamoru!“

Ohne ein Wort der Begrüßung setzte sich dieser zu ihm an den Tresen.

„Alter, wo warst du! Weißt du überhaupt, was wir uns für Sorgen gemacht haben? Zwei Wochen lang warst du wie vom Erdboden verschluckt!“

„Ich brauchte etwas Zeit für mich … Bekomme ich nun einen Kaffee, oder muss ich mir den woanders besorgen?“ Schief grinsend sah sein Freund zu ihm herüber.

Tonlos stellte er ihm eine Tasse mit heißem Kaffee vor die Nase und verschränkte die Arme vor seiner Brust.

„Nächstes Mal sag bescheid, wenn du dir eine Auszeit nimmst … Dann brauchen wir nicht ganz Tokio nach dir absuchen“, meckerte er und fuchtelte dabei wild mit seinen Händen herum.

Er schimpfte noch ein paar Minuten weiter, ohne das Mamoru irgendetwas dazu sagte, bis er schließlich schwer seufzend sich mit seinen Händen am Tresen abstützte.

„Bist du fertig?“

„Entschuldige, dass ich mir Sorgen mache, wenn sich mein bester Freund von heute auf morgen nicht mehr zurückmeldet.“

„Ich hatte meine Gründe.“

Stöhnend rieb sich Motoki über die Stirn. „Und die wären?“

Bevor er jedoch eine Antwort bekam, sprang Mamoru mit einem Mal auf. „Ich erkläre es dir ein anderes Mal. Ich muss jetzt los.“

Schwungvoll drehte er sich herum und verließ in schnellen Schritten das Crown.

Seufzend schüttelte Motoki seinen Kopf, nahm den unberührten Kaffee und goss ihn in den Abguss.

„Aus dem wird man nicht schlau.“

 

„Erst verschwindet er, dann bestellt er uns ohne weitere Erklärung hier in den Tempel und dann kommt er auch noch zu spät … Da bin ich ja mal gespannt, was er zusagen hat“, maulte Minako laut und tippte nervös mit ihren Füßen auf dem Boden herum. „Eigentlich sollte ich jetzt mit meinem Chef über mein eigenes Album sprechen.“

Ohne etwas zu sagen, stand Rei mit einem Mal auf, ging zu Tür und schob sie ein Stückchen auf. Sie hatte schon seit Tagen kaum Schlaf gefunden, da schlimme Albträume sie quälten. Immer wieder träumte sie von vier Kindern und einer bösen Macht, die alles zerstörte. Sie kam aber nicht weiter, was dies zu bedeuten hatte.

„Er kommt“, flüsterte sie dann aber und deutete dabei hinaus.

Aufgeregt standen alle auf und stürmten zu ihr zur Tür.

 

Er hatte das Zimmer nicht ein Mal betreten, da redeten sie auch schon wild durcheinander auf ihn ein.

„Wo warst du?“

„Was ist passiert?“

„Warum sollten wir alle herkommen?“

Ohne auch nur eine Frage zu beantworten, ging er an ihnen vorbei, betrat das kleine Zimmer und legte etwas auf den Tisch. Prompt drängelten sich alle um den kleinen Tisch herum und betrachteten das Blatt Papier.

„Mamoru, was ist das?“, fragte Ami und drehte den Zettel in ihrer Hand hin und her.

Angespannt setzte er sich auf eines der Kissen und begann ihnen zu erzählen, warum er die letzten zwei Wochen verschwunden war. Er berichtete über die Begegnung mit der Frau und dem Fund des Zettels. Er holte tief Luft und erzählte weiter, dass er zwei Wochen lang versucht hatte, eine Spur zu der Frau zu finden. Ohne ihn zu unterbrechen, hörten sie ihm alle zu.

„Ich habe auch versucht die Familie von Usagi zu finden. Ich dachte … vielleicht sind sie ja damals nach Nagoya verschwunden und könnten mir erklären, was das alles zu bedeuteten hat. Warum sie verschwunden sind, was mit Usagi passiert ist. Wer diese Frau ist und warum sie diesen Zettel hatte.“ Niedergeschlagen senkte er seinen Kopf. „Aber weit und breit keine Spur von ihnen.“

Er konnte genau sehen, wie Ami das Stück Papier nachdenklich genau musterte.

„Es stehen nur Dinge herauf, was man noch erkennen kann, die eigentlich nur wir wissen dürften. Die Schrift sieht auch ganz nach Usagis aus, aber-“

„Das kann nur Usagi geschrieben haben, so viele Rechtschreibfehler in nur einem Satz … Seht euch das Mal an“, wurde sie von Makoto unterbrochen und schwungvoll riss sie Ami das Papier aus den Händen.

 

Rei, die die ganze Zeit noch nichts gesagt hatte, stand ein wenig Abseits von den anderen. Sie war erschöpft und hatte schon seit Tagen Kopfschmerzen. Die Kämpfe und die Albträume machten ihr zu schaffen. Doch erzählte sie den anderen nichts davon. Es reichte, dass sie beunruhigt deswegen war.

Tief atmete sie ein, drehte sich von den anderen weg und stellte sich ans Fenster. „Das führt doch zu nichts, es bringt uns nicht weiter … Ein Stück verwischtes Papier bringt uns Usagi auch nicht zurück. Wir sollten lieber unser Augenmerk darauf richten, endlich den Ursprung der neuen Bedrohung zu finden … “

Die anderen senkten ihre Köpfe und sagten kein Wort mehr.

 

„Ihr könnt das nicht einfach ignorieren!“

Wütend schlug er mit seiner Faust auf den kleinen Tisch. „Usagi hat es geschrieben!“

Minako versuchte ihn zu beruhigen und legte seine Hand auf seine.

„Das denken wir auch, aber niemand weiß doch, wann sie es geschrieben hat. Vielleicht haben ihre Eltern es in ihrem Zimmer gefunden und es mitgenommen.“

Er konnte genau sehen, wie sich Makoto die Haare raufte. „Das ergibt doch alles keinen Sinn. Du hast keine Spur von Usagis Eltern gefunden … oder Usagi.“ Die letzten Worte flüsterte Makoto mehr, als das sie es laut aussprach.

„Nagoya ist eine Hafenstadt … vielleicht, sind sie dort hin, um mit dem Schiff weiter zu reisen“, schlussfolgerte Ami.

„Es erklärt aber nicht, wie dieser Zettel zu dieser Frau gelangen konnte“, seufzte Minako mit einem Mal und nahm ihre Hand wieder herunter.

Aufgebracht, dass die anderen es einfach so hinnahmen, schnappte er sich den Zettel vom Tisch und wandte sich von ihnen ab. Er musste sowieso dringend los zur Klinik.

„Ich muss jetzt lo-“ Doch weiter kam er nicht, da ihn plötzlich ein tiefer Stich in seiner Brust stach.

Der Schmerz war unerträglich. Keuchend krallte er seine Finger auf der Höhe seines Herzens in sein Shirt. Er merkte, wie seine Beine nachgaben, und sackte vor den anderen auf seine Knie.

„Usako …“, presste er zwischen seinen Lippen hindurch und kniff seine Augen zusammen.

Im Augenwinkel konnte er sehen, wie Ami augenblicklich aufsprang und zu ihm eilte.

„Usako“, flüsterte er erneut und bekam nur wage mit, dass Ami gerade seinen Puls überprüfte.

„Mamoru, geht es dir gut? Was ist los?“

„Usagi … sie …“, stammelte er aber nur, ohne Amis Frage zu beantworten und versuchte mit ihrer Hilfe wieder aufzustehen. Als er wieder sicher stehen konnte, ballte er kurz mit gesenktem Kopf seine Hände zu Fäusten, nur um direkt danach in die verwirrten Gesichter der anderen zu sehen.

„Sie lebt … Ich weiß es …Usagi lebt und irgendetwas geschieht, was ganz und gar nicht richtig ist …“

Mit großen Augen sahen ihn alle sofort fragend an und versuchten offenbar zu verstehen, wovon er sprach.

„So einiges geschieht gerade, was ganz und gar nicht richtig ist. Aber, wie kommst du dadurch darauf, dass Usagi noch lebt?“ Sichtlich aufgebracht hob Makoto ihre Arme.

„Ich weiß es einfach … ich habe es gespürt und …“

Sofort krampfte sich alles in ihm zusammen, als er an den Schmerz, den er gerade noch verspürt hatte, denken musste. „Und irgendwas geschieht mit ihr, was so nicht sein sollte …“

Verachtend lachte Haruka auf. Sie und Michiru hielten sich bis eben noch im Hintergrund und hatten einfach nur zugehört.

„Du hast es gespürt … Ich glaube eher, dass es dein Wunschdenken ist … Irgendetwas, was nicht sein sollte? Ich kann dir genau sagen, was nicht sein sollte … Dass die Prinzessin tot ist, das sollte so nicht sein!“

Angriffslustig baute sich Haruka direkt vor ihm auf. „Du hast es gespürt … dein ach so tolles Gefühl konnte aber nicht verhindern, dass sie die Treppe hinunter fällt!“

 

Haruka redete sich immer mehr in Rage und gab ihrer Trauer ein Ventil. Seit Wochen kam Michiru schon nicht mehr an sie heran. Sie unterdrückte ihre Gefühle und ließ keine Emotionen mehr zu. Michiru versuchte sie sofort zu beruhigen, aber es half nichts.

Mamoru hörte sich das nicht mehr weiter an und schimpfte zurück. Gerade, als Haruka und Mamoru aufeinander losgehen wollten, stürmte Artemis aufgeregt ins Zimmer hinein.

„Ihr müsst sofort mitkommen! Das Einkaufszentrum ist voller Besessenen und sie gehen auf hilflose Passanten los!“

Ohne weitere Worte machten sie sich alle sofort auf den Weg.

 

 

Erschöpft ließ er sich auf sein Sofa fallen.

Nach dem Kampf im Einkaufzentrum war er noch ins Krankenhaus gefahren und hatte versucht noch zu retten, was zu retten war von seinem Job. Darüber, dass er einfach ohne etwas zu sagen zwei Wochen verschwand, war sein Chef natürlich nicht gerade begeistert gewesen. Er hatte noch genau seine Worte im Kopf. Als Arzt hier in dieser Klinik haben Sie zuverlässig zu sein, sonst sehe ich für Ihre weitere Zukunft hier keine Chance mehr. Nach einer Standpauke und einer einwöchigen Suspendierung ließ er ihn dann zum Glück gehen. Vermutlich drückte er bei ihm noch mal ein Auge zu, da sein Chef darüber bescheid wusste, dass er einen schweren Verlust erlitten hatte. Außerdem hatte er die letzten Wochen mehr Doppelschichten als alle anderen geschoben. Sein Chef war schon wirklich in Ordnung.

Schwer atmend zog er nun aber die Brosche aus seiner Tasche und hielt sie vor sich.

„Ich weiß, dass du lebst … wo bist du nur?“

Er hatte keine Ahnung, wo er anfangen sollte. Er war sich sicher, dass sie lebte, doch, wo steckte sie nur? Er musste sie finden.

Ein weiteres Mal ging er die Fakten in seinem Kopf durch. Hatte er irgendetwas übersehen? Irgendeinen Hinweis? Der Anruf auf seinem Anrufbeantworter, die schlimme Nachricht im Krankenhaus und das verschwinden der Familie. Dann der seltsame Traum mit Königin Serenity. Wie passte das nur alles zusammen? Wo sollte er nur anfangen zu suchen? Sie konnte überall sein. Die Frage war auch, warum sie sich vor ihnen versteckt hielt?

Nachdenklich tippte er sich gegen sein Kinn. Warum waren die Tsukinos verschwunden und wohin? Stöhnend fuhr er sich durch seine Haare. Doch dann sprang er plötzlich von seinem Sofa auf und verließ fluchtartig seine Wohnung. Er musste irgendwie in das Haus der Tsukinos gelangen. Vielleicht war dort ja irgendein Hinweis zu finden, der ihm weiterhelfen würde.

 

Da es schon dunkel war, fiel er somit zum Glück nicht so auf, als er ums Haus herumschlich. Vorsichtig und leise hebelte er ein kleines Fenster auf und kletterte, ohne Zeit zu verlieren, hinein. Nicht, dass einer der Nachbarn ihn doch bemerkte und nachher die Polizei verständigte.

Mit einem Satz landete er auf dem Boden im Wohnzimmer und hielt augenblicklich den Atem an. Was stank hier denn so? Langsam richtete er sich auf und versuchte sich umzusehen. Was er nicht bedacht hatte, dass er so kaum etwas sehen konnte. Schwer atmend fuhr er sich durch die Haare. Er war so überstürzt los gefahren, dass er nicht daran gedacht hatte, eine Taschenlampe einzupacken. „Verdammt.“

Ihm blieb gar nichts anderes übrig, als Licht anzuschalten. So konnte er kaum seine eigene Hand vor Augen sehen. Behutsam tastete er sich an der Wand vorwärts und suchte nach einem Lichtschalter. Wenige Sekunden später fand er zum Glück auch einen. Sofort drückte er herauf, doch nichts geschah. Er probierte es direkt noch ein Mal und drückte nun, wie wild auf dem Schalter herum, aber nichts passierte. Ganz dem Anschein nach war der Strom abgestellt. Hatten sie gar nicht vor wieder zukommen?

Frustriert versuchte er irgendwo eine Taschenlampe zu finden, aber keine Chance. So kam er nicht weiter. Er hatte keine Wahl, er musste warten, bis es wieder hell wurde. Wieder gehen und morgen wiederkommen wäre zu riskant. Nachher wurde er doch entdeckt.

Also tastete er sich kurz entschlossen, bis zum Sofa vor. Verwundert verlangsamte er aber plötzlich seine Schritte, da er über irgendwelche Sachen herüber stolperte. Langsam ging er in die Hocke und tastete um seine Füße herum. Ein Buch? Irritiert legte er es zurück auf den Boden, hangelte sich weiter zur Couch und ließ sich in die weichen Kissen fallen, auf denen er früher schon immer gerne gesessen hatte. Unweigerlich schossen ihm dadurch sofort unzählige Bilder in den Kopf. Wie oft hatte er zusammen mit Usagi hier gesessen.

Kurz musste er sogar schmunzeln, als er daran denken musste, wie lange es doch gedauert hatte, bis Kenji ihn endlich akzeptiert hatte.

Nachdenklich lehnte er sich zurück und starrte einfach in die Dunkelheit hinein. Er hatte sich richtig wohl bei den Tsukinos gefühlt. Sie waren, wie eine kleine Ersatzfamilie für ihn geworden. Schlagartig änderte sich seine Miene wieder. Warum sind sie einfach so abgehauen? Da passte doch irgendetwas nicht zusammen.

Er grübelte noch bis spät in die Nacht und schlief dann, ohne es zu wollen, ein.

 

Blinzelnd öffnete er müde seine Augen und brauchte einen kurzen Moment, bis er wieder wusste, wo er sich überhaupt befand. Das grelle Sonnenlicht schien direkt ins Zimmer und auf einen Schlag war er hellwach. Hastig sprang er auf. Er durfte keine weitere Zeit verlieren.

Mit großen Augen sah er sich um. Erst jetzt im Tageslicht bemerkte er eine Blumenvase auf dem kleinen Couchtisch. Naserümpfend betrachtete er den verwelkten Strauch. Das Blumenwasser war schon gar nicht mehr als Wasser zu erkennen, es war eher eine braune trübe Masse. Das erklärte nun auch den sehr speziellen Geruch hier drinnen. Zum Glück hatte er die Vase im Dunkeln nicht umgerannt. Die stinkende Masse hätte nun wirklich nicht auf dem Boden verteilt werden müssen. Kopfschüttelnd wandte er sich von der Vase ab, nur um im nächsten Moment wieder stehen zu bleiben. Mit gerunzelter Stirn sah er auf die leer geräumten Regale und offenstehenden Schubladen. Bücher, Zeitschriften und allerhand Kram lagen wahllos auf dem Boden verteilt. Was war hier passiert?

Überlegend, wo er anfangen sollte, steuerte er gedankenverloren die Küche an. Er brauchte erst ein Mal dringend ein Glas Wasser. Doch umso näher er der Küche kam, desto mehr stieg ihm ein übel riechender Geruch in die Nase. Luft anhaltend hielt er sich seinen Ärmel vor die Nase und betrat die Küche.

Rasch sah er sich in dem kleinen Raum um und entdeckte auch sofort einen Holzkorb, der auf der Arbeitsplatte neben dem Herd stand. Er konnte nur noch erahnen, was es ein Mal war. Alles war zermatscht und von einem grünlich weißen Pelz bedeckt. Direkt im nächsten Moment bemerkte er, dass der Kühlschrank ein Stück offen stand. Verwundert ging er näher heran und der Gestank nahm deutlich zu. Er wollte gar nicht wissen, wie es darin aussah, und warf die Kühlschranktür zu. Wie lange der Strom wohl schon abgestellt war? Er konnte sich gut vorstellen, in welchen Zustand sich die Lebensmittel befanden. Aber, warum stand der Kühlschrank überhaupt offen?

Ein Blick in das Waschbecken ließ ihn das Glas Wasser auch gleich wieder vergessen. Es stand voll mit dreckigem Geschirr. Kaum noch den Gestank aushaltend, steuerte er das Fenster an. Hier musste dringend frische Luft hinein.

Stutzig blieb er dann aber stehen. Es stand auf Kippe? Warum ließen sie es denn offen? Nachdenklich verschränkte er die Arme. Alles sah danach aus, als hatten man die Absicht gehabt, bald zurück zu sein. Er sollte sich in den anderen Räumen umsehen. Er wollte gerade die Küche wieder verlassen, als er fast in einen Scherbenhaufen gelaufen wäre. Was war hier nur geschehen?

 

So schnell er konnte, rannte er jetzt in die obere Etage. Da das Zimmer, als Erstes auf seinem Weg lag, entschloss er sich kurzerhand zu erst zum Elternschlafzimmer zu gehen. Die Tür war nur angelehnt. Ganz vorsichtig schob er sie auf und trat im selben Augenblick, als er einen Blick hineingewagt hatte, einen Schritt zurück. Wieder schüttelte er seinen Kopf. Was war denn hier nur passiert? Das komplette Zimmer war verwüstet. Die Matratzen aufgeschnitten, der Kleiderschrank ausgeräumt und die Kleidung überall im Raum verteilt. Außerdem waren sämtliche Schubladen ausgekippt. Ohne das Zimmer weiter zu betreten, rannte er weiter in Shingos Zimmer. Auch hier dasselbe Bild. Alles war verwüstet.

Immer mehr ahnte er, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmte.

Schwer atmend lief er zu Usagis Zimmer herüber, drückte die Klinke herunter und öffnete die Tür. Langsam betrat er das Zimmer. Zitternd ballte er seine Hände zu Fäusten. Ihr Zimmer sah noch schlimmer, als die anderen aus. Sofort kam ihm ein Gedanke. Ganz offensichtlich hatte hier irgendjemand etwas gesucht.

Mit schweren Schritten überwand er die Meter zu Usagis Bett und ließ sie auf die Kante fallen. War hier jemand nach dem Verschwinden der Familie eingestiegen? Das Haus war immerhin seit Monaten verlassen. Schnell schüttelte er dann allerdings seinen Kopf. Nein, es sah eher danach aus, als würde dies hier genau der Grund sein, warum sie verschwunden sind. Hatte sie jemand überfallen und sie waren deshalb geflüchtet? Und, wie passte die ganze Sache, mit Usagis verschwinden zusammen?

Stöhnend raufte er sich die Haare. Er wusste jetzt, dass etwas passiert sein musste, aber einen Hinweis, wo sich die Familie oder Usagi aufhalten könnte, hatte er auch noch nicht gefunden. Er hatte Das Gefühl der Wahrheit ganz nah auf der Spur zu sein. Doch es fehlte ihm noch an Puzzlestücken, um es komplett zu verstehen.

Laut seufzend ließ er sich nach hinten auf die zerfetzte Matratze fallen. Nachdenklich verschränkte er seine Arme unter seinem Kopf und starrte die Decke an. Was sollte er jetzt nur machen? Wie kam er weiter? Auf jeden Fall musste dringend mit den anderen sprechen. Sie mussten jetzt endlich einsehen, dass hier etwas mehr als nur faul war. Und dabei dachte er nicht an die vergammelten Lebensmittel. Sie mussten alle zusammen aufklären, was hier passiert war.

 

Gedankenversunken merkte er zunächst nicht, dass die Brosche in seiner Hosentasche zu leuchten begann und immer wärmer wurde.

Irritiert richtete er sich dann allerdings abrupt auf, als ein seltsames Kribbeln durch seinen Körper zog. Hastig steckte er seine Hand in die Tasche und zog die Brosche heraus. Was was das denn jetzt? Die Brosche wurde wärmer und leuchtete immer greller auf.

„Was zum …?“

Er musste sie ein Stück von sich weghalten. Nur blinzelnd konnte er sie überhaupt ansehen. Was passierte hier gerade? Die Brosche funkelte immer heller und heller, bis sie sich dann ganz plötzlich in Luft auflöste …

Kapitel 18

 

Zu seiner Überraschung erwiderte sie sogar den Kuss. Schweren Herzens löste er sich wieder von ihr, aber er musste es ihr jetzt einfach sagen. „Ich liebe dich.“ …

 

Mit großen Augen sah sie ihn an. Was hatte er da gerade gesagt? Hatte er gerade gesagt, dass er sie lieben würde? Ja, sie waren zwar verlobt, aber er hatte es noch nie gesagt, seitdem sie alles vergessen hatte. Die erste Zeit wirkte es nicht ein Mal so, als ob er sie gerne in seiner Nähe hatte. Sie wusste einfach nicht, was sie sagen sollte. Sie konnte sich immer noch nicht an ihre früheren Gefühle erinnern. Aber in diesem Moment gerade, sie fühlte sich ihm so nah. Er gab ihr Halt, wo sie bis vor ein paar Minuten noch dachte, den Boden unter ihren Füßen zu verlieren. Ohne darüber nachzudenken, legte sie ihre Arme um seinen Hals und dieses Mal war sie es, die den Anfang machte und ihn küsste.

Schüchtern senkte sie ihren Kopf und sie merkte genau, wie ihr die Röte in die Wangen schoss. „Danke.“

Lachend legte Kenta einen Finger unter ihr Kinn und schob ihren Kopf somit etwas nach oben. „Du brauchst dich doch nicht zu bedanken.“

Verlegen schaute sie ihn an. „Doch … Danke, … dass du für mich da bist …“

Ruckartig zog er sie wieder in seine Arme und so schmiegte sie ihren Kopf auf seine Brust. Schweigend saßen sie einfach nur da, bis sie sich langsam wieder aus seiner Umarmung löste. Seufzend sah sie sich um. „Ich glaube, ich sollte mal das Chaos beseitigen.“

„Ich helfe dir schnell und dann überlegen wir, was wir wegen Mamiko unternehmen.“ Lächelnd stand er auf, hielt ihr seine Hand entgegen und so ließ sie sich von ihm wieder auf die Beine ziehen.

 

Nachdem die Wohnung aufgeräumt war und alles an seinen gewohnten Ort stand, ließ sich Usagi erschöpft auf die Couch fallen. Langsam setzte er sich neben sie und nahm ihre Hand. Er konnte gar nichts sagen und so sah er sie einfach nur an. Sie hatte ihn auch geküsst. Das konnte ja eigentlich nur bedeuten, dass sie ihn auch mochte. Oder nicht?

 

Erschöpft schloss sie für einen kurzen Moment ihre Augen und dachte über die letzten Stunden nach. Sie konnte gar nichts dagegen machen, dass sie die ganze Zeit an den Kuss denken musste, genau genommen an ihre beiden Küsse.

Sie wusste gar nicht genau, warum sie ihn zurück geküsst hatte. Aber in dem Moment fühlte es sich irgendwie richtig an. Er gab ihr den Halt, den sie gerade so dringend brauchte. Warum musste sie jetzt die ganze Zeit darüber nachdenken? Sie waren schließlich verlobt, da war es doch ganz normal, dass man sich küsste. Es waren eigentlich auch ganz nette Küsse. Vielleicht weil sie einfach nur gedacht hätte, ihr fiel im Moment nicht das passende Wort ein, vielleicht hatte sie gedacht, dass es einfach mehr kribbeln würde in ihrem Bauch. Sie mehr dabei fühlen würde. Einen Kuss als nett zu beschreiben, war vielleicht auch nicht unbedingt die beste Bezeichnung, aber anders konnte sie es auch nicht. Sie waren nun Mal ganz nett.

 

Jeder hing in seinen Gedanken, bis die Stille plötzlich von einem lauten Knurren in Usagis Bauch unterbrochen wurde. Lachend drehte sich Kenta zu ihr. „Ich glaube, da hat jemand Hunger.“

Verlegen richtete sie sich auf und kratze sich am Kopf. „Ich glaube auch.“

Kenta lehnte sich zu ihr herüber, gab ihr einen Kuss auf die Stirn und verschwand aus dem Zimmer.

Kaum hatte er den Raum verlassen verzog sich ihre Miene. Sie musste ihn über ihren Verdacht aufklären. Er musste erfahren, dass sie davon ausging, dass Mamiko für ihren Sturz verantwortlich war. Er würde ihr bestimmt helfen, die Sache aufzuklären.

 

„Schmeckt es dir nicht?“, fragte Kenta geknickt.

Er hatte sich so viel Mühe gegeben ein leckeres Abendessen zu kochen und nun saß sie nur da und stocherte darin herum.

Ohne ihn anzusehen, murmelte sie etwas vor sich hin.

„Was hast du gesagt?“

Schwer atmend legte sie ihre Stäbchen zur Seite und sah ihn jetzt genau in die Augen.

„Warum hat Mamiko uns angelogen?“

Kopfschüttelnd schob er seine Schultern in die Höhe.

„Ich weiß es nicht. Ich werde versuchen, sie vorsichtig darauf anzusprechen, damit sie keinen Verdacht hegt. Du erwähnst es am Besten gar nicht, sonst sagt sie bestimmt nicht die Wahrheit.“

Er musste irgendwie Zeit schinden, damit er sich irgendetwas ausdenken konnte, irgendeinen Plan machen konnte, wie er weiter vorging. Er hatte sich in etwas hinein manövriert, wo er nicht wusste, wie er da wieder herauskam.

„Da ist noch etwas, … wie soll ich es sagen, … also ich … Ich glaube …“, stammelte sie und er konnte genau sehen, wie sie nervös ihre Hände ineinander knetete, „Ich glaube, Mamiko ist schuld … Sie ist für meinen Sturz verantwortlich. So jetzt ist es raus.“

Sie senkte ihren Kopf und konnte dadurch zum Glück nicht sehen, wie ihm vorschreck, die Essstäbchen aus der Hand rutschten. Woher wusste sie das? Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn und unkontrolliert begannen seine Hände zu zittern. Wenn sie das wusste, was wusste dann noch, was sie nicht gesagt hatte? Was sollte er jetzt nur machen?

„Was … woher … wie meinst du das?“

Schnell schluckte er den dicken Kloß in seinem Hals herunter, versuchte sich zu beruhigen und entschied sich zunächst den Ahnungslosen zu spielen. Er musste genau so verwundert, wie sie sein. Sonst würde er gleich auffallen.

Ruckartig hob sie wieder ihren Kopf. „Ich habe es gesehen … naja also in einem Traum … Ich denke, es war eine Erinnerung. Ich habe gesehen, wie sie mich die Treppe runter schubste.“

Immer größer wurden seine Augen. Er durfte jetzt keinen Fehler machen, sonst würde alles auffliegen.

Langsam stand er daher auf, ging um den Tisch herum und hockte sich neben sie.

„Bist du dir sicher?“, fragte er ruhig und nahm ihre Hand.

Stumm nickte sie.

„Ich wusste, bis zu diesem Traum nicht mal, dass es ein Treppensturz war. Als du es mir gesagt hast, war ich mir sicher. Mir fehlen nur noch die Beweise und … und warum sie es getan hat … Ich dachte, sie wäre meine Freundin.“

Tränen stiegen ihr in die Augen und so zog er sie erneut in seine Arme.

„Dann werden wir es herausfinden“, flüsterte er leise, „Aber nicht mehr heute, es ist schon spät. Es war ein langer Tag. Ausgeschlafen erreichen wir sicherlich viel mehr.“

 

Da Usagi auch schon sehr müde und erschöpft war, war sie damit einverstanden. Heute würden sie eh nichts mehr herausfinden.

 

Unruhig wälzte sie sich hin und her und wurde immer wieder wach. Es war einfach zu viel passiert, als dass sie entspannt schlafen konnte. Da sie Kenta aber nicht wecken wollte, blieb sie einfach liegen.

Doch gerade, als sie wieder am Einschlafen war, stand Kenta mit einem Mal leise auf. Da sie sich nichts weiter dabei dachte, drehte sie sich herum und schloss wieder ihre Augen. Vermutlich hatte er Durst oder musste kurz ins Badezimmer.

Als er allerdings nach einigen Minuten immer noch nicht zurück war, wunderte sie jetzt aber doch, wo er blieb. Am Besten sah sie mal nach, ob alles in Ordnung war. Nicht, dass er im Halbschlaf nachher ausgerutscht war, oder irgendetwas anderes passiert war. Rasch schwang sie die Beine über die Bettkante und eilte zur Tür, als auf ein Mal seine Stimme aus dem Flur ertönte. Mit wem redete er denn da so spät in der Nacht? Vorsichtig öffnete sie einen Spalt die Tür, gerade mal so viel, dass sie Kenta dadurch beobachten konnte, aber ohne, dass er sie bemerkte. Er telefonierte. Sie wusste auch nicht, aber aus irgendeinem Grund, wollte sie dem Gespräch lauschen.

 

„Ja … die schläft … habe ich doch gerade schon gesagt …“

Mit wem sprach er da nur?

„Jetzt sofort? … Können wir das nicht … ja … aber … gut ich mache mich gleich auf den Weg.“

Irritiert belauschte sie das Gespräch. Er sollte sich wohl mit irgendwem treffen. Aber mitten in der Nacht? Und warum erzählte er der Person, dass sie schliefe?

Erschrocken zuckte sie dann allerdings zusammen, als Kenta fluchend das Telefon auf den kleinen Flurschrank legte und wieder das Schlafzimmer ansteuerte.

Ohne groß nachzudenken, huschte sie zurück zum Bett. Irgendetwas war da doch faul. Sie musste herausfinden, was es war. Dazu durfte Kenta aber nicht erfahren, dass sie ihn belauscht hatte. Mit einem Satz sprang sie also zurück aufs Bett. Sie schaffte es nicht mehr rechtzeitig sich zudecken, und so vergrubt sie ihr Gesicht einfach im Kopfkissen und tat so, als würde sie immer noch schlafen.

 

Kenta lugte ins Zimmer hinein und vergewisserte sich, ob sie auch wirklich noch schlafen würde. Langsam ging er zum Bett herüber und musste direkt schmunzeln. Wie oft hatte er sie schon nachts wieder zugedeckt, nachdem sie wie wild im Schlaf herumstrampelte.

Behutsam deckte er sie wieder zu, streichelte ihr noch über ihren Kopf und verließ dann leise das Schlafzimmer.

 

Als sie hörte, wie die Eingangstür ins Schloss fiel, sprang sie auf und rannte in den Flur. Schnell zog sie sich ihren Mantel über, schlüpfte in ihre Schuhe und schnappte sich ihre Tasche, die an der Garderobe hing. Sie musste versuchen Kenta unbemerkt zu folgen und herausfinden, mit wem er telefoniert hatte und warum. Leise verließ sie die Wohnung.

Ein Blick auf die Fahrstuhlanzeige verriet ihr, dass der Aufzug im Erdgeschoss stehen blieb. Er fuhr also nicht bis unten in die Tiefgarage. Vorsichtig schaute sie aus dem Treppenhausfenster. Sie musste wissen, in welche Richtung er lief. So schnell sie konnte, eilte sie die Stufen des Treppenhauses hinunter. Kenta war noch nicht weit gekommen und so konnte sie ihn ohne Probleme einholen. Kein einziges Mal drehte er sich zum Glück herum. Und so schlich sie ihm mit einem Sicherheitsabstand hinterher.

Ein Mal hüpfte sie allerdings erschrocken hinter einen Baum, da sie dachte, er hätte sie gehört, aber er versuchte nur eine streunende Katze wieder los zu werden.

 

Eine ganze Weile war sie ihm nun schon gefolgt und wunderte sich jetzt, dass er in das Industriegebiet hineinlief. Was wollte er denn hier? Sehr vertrauenswürdig sah es hier jedenfalls nicht aus. Es gefiel ihr gar nicht. Dies war kein Ort, wo sie freiwillig nachts herumlaufen würde. Aber, wenn sie herausfinden wollte, was hier vorging, hatte sie keine andere Wahl. Was wollte er nur hier?

Mucksmäuschenstill beobachtete sie ihn, wie er eine große Lagerhalle betrat. Er hatte die Tür nicht richtig geschlossen, als er hineinging und so stand sie nun einen Spalt offen. Auf Zehenspitzen schlich sie langsam zu der Halle und versuchte durch den Spalt hineinzuschauen. Zu ihrem Ärgernis konnte sie jedoch nichts erkennen. Drinnen wurde es mit einem Mal immer lauter und sie erkannte Kentas Stimme. Er stritt ganz dem Anschein nach mit jemandem. War dies der Anrufer? Eine Frauenstimme begann plötzlich herumzukeifen und sie erkannte sofort, um wen es sich handelte. Mamiko. Er hatte also mit ihr telefoniert. Was machten die beiden hier in der Lagerhalle? Mitten in der Nacht? Dicht hielt sie ihr Ohr an die Tür. Da die beiden immer lauter wurden, konnte sie jetzt einige Wortfetzen aufschnappen.

Was … kannst du nicht … woher … dass ich es war?“

Kenta versuchte offenbar sich zu verteidigen.

Was … ich kann … dafür.“

Sie kamen offenbar näher zum Eingang, da sie sie jetzt ganz deutlich verstehen konnte, was sie sagten.

„Warum erzählst du ihr auch, dass sie in Tokio einen Treppensturz hatte. Du bist auch zu gar nichts zu gebrauchen!“

„Was sollte ich denn machen, wenn sie alle Krankenhäuser abtelefoniert hat? Hätte ich nichts gemacht, wäre es sofort aufgeflogen.“

Plötzlich mischte sich eine dritte Stimme ein und prompt lief es ihr eiskalt den Rücken hinunter. Sie kannte die Stimme. Sie gehörte zu einem der Männer, von denen sie in die kleine Hütte gesperrt wurde. Hatte Kenta nicht gesagt, dass sie in Untersuchungshaft sitzen würden? Warum war er nun bei ihnen?

„Wir hätten sie damals einfach beseitigen sollen. Weiter gekommen sind wir durch die ganze Maskerade auch nicht. Wir hätten keine wertvolle Zeit damit verschwendet, dem Blondchen irgendeine dumme Waisenkinder Geschichte vorzuspielen. Kenta, als Verlobter und Mamiko, als treue Freundin? War doch klar, dass das nicht funktioniert.“ Spöttisch lachte er auf.

„Halt die Klappe Akuma! Hätte unser nichtsnutziger Bruder seine Aufgabe besser erledigt. Müssten wir dieses Gespräch hier jetzt gar nicht führen. Und die blöde Göre würde schon für uns arbeiten“, zische Mamiko wütend.

Fassungslos hielt sie ihre Hand auf ihren Mund. Was erzählten sie da gerade? Sie hatten ihr nur etwas vorgespielt? Mamiko war nicht ihre Freundin und Kenta war gar nicht ihr Verlobter? Einer der Entführer war sogar der Bruder von den beiden? Was wurde hier gespielt? Waren die letzten Monate, alles nur eine große Lüge gewesen?

 

Geschockt und durcheinander versuchte sie ihre Gedanken zu ordnen. Sie bemerkte dadurch nicht, dass sich ihr langsam eine Gestalt näherte …

Kapitel 19

 

„Wen haben wir denn da?“

Erschrocken fuhr sie herum und erstarrte, als sie in die finster blickenden Augen des Schwarzhaarigen sah. Sie hatte überhaupt nicht bemerkt, dass sich jemand der Lagerhalle genähert hatte. Nur wenige Zentimeter stand er nun vor ihr und lachte ihr feixt ins Gesicht. Angst durchzog ihren Körper. Wie in einem Film schossen ihr die Bilder aus der Hütte durch den Kopf. Es war einer der Männer, von denen sie dort hin verschleppt wurde. Damit waren also beide hier. Ruckartig, so schnell konnte sie gar nicht reagieren, packte er sie plötzlich am Arm und zog sie mit sich mit. Sofort versuchte sie sich zu befreien, doch sie hatte keine Chance. Es war fast so, als ob er übermenschliche Kräfte hätte. „Lass mich los“, schimpfte sie trotzdem, doch er zerrte sie einfach unablässig weiter in die Lagerhalle hinein.

„Wir haben einen ungeladenen Gast“. Schwungvoll hob er sie ein Stück hoch und warf sie regelrecht vor Mamikos Füße. Augenblicklich waren alle Augen auf sie gerichtet.

„Was macht die denn hier? Kenta, hast du nicht aufgepasst? Bist du überhaupt zu irgendetwas zu gebrauchen!“

Immer noch fassungslos sah sie zwischen Mamiko und Kenta hin und her und rappelte sich mit zittrigen Beinen langsam wieder auf. „Was soll das alles hier? Mamiko ich dachte, du wärst meine Freundin?“

Schief grinsend verschränkte Mamiko ihre Arme vor der Brust und sie konnte deutlich ein verächtliches Schnauben vernehmen.

Ihr gesamter Körper zitterte immer mehr. Sie wollte nicht schon wieder weinen, aber sie konnte nicht anders. Tränen stiegen ihr in die Augen und sie konnte es kaum noch verhindern, dass sie ihr das Gesicht herunterliefen. Mamiko, ihre Freundin, es war alles nur gespielt? Und Kenta? War das gestern Abend, der Kuss, das Ich liebe dich auch nur eine große Lüge gewesen? Sie wollte ihm direkt in seine Augen sehen, aber er senkte seinen Kopf und richtete seinen Blick stur auf den Boden.

„Kenta … ich … ich dachte … ich dachte, du liebst mich …“, schluchzte sie und die ersten Tränen kullerten ihr über die Wangen.

 

Wie verrückt fing Mamiko an zulachen. Sie konnte sich dieses Schauspiel nicht mehr ohne ein triumphierendes Gelächter ansehen.

„Du dachtest wirklich, er liebt dich? Dann hat der Trottel ja doch mal etwas richtig gemacht. Bravo.“ Sie klatsche vor Freude in die Hände und legte dann ihren Arm um Kenta herum.

„Mein kleines Brüderchen hasst dich genauso, wie wir anderen auch.“

Tänzelnd zog sie Akita und Akuma zu sich.

„Darf ich vorstellen meine kleinen Brüder. Aber, du kennst sie ja schon, sie haben dich ja damals im Krankenhaus bestens in Empfang genommen.“

 

Kenta konnte Usagi nicht ansehen. Zu gerne wäre er jetzt zu ihr, hätte ihr gesagt, dass er sie wirklich liebte, dass es nicht gelogen war, aber er hatte keine Wahl. Er musste hier auf Mamikos Seite stehen. Sie hatte Akita, Akuma und ihn in der Hand. Sie hatte die Macht über sie.

Wäre diese seltsame Alte, mit ihrem dämlichen Amulett damals doch nur nie aufgetaucht. Sie waren zwar verbannt worden und fristeten ihr Dasein im Dunkeln. Aber sie waren ja selber schuld daran. Sie wussten doch, dass es verboten war. Aber wenn man klein ist, denkt man über vieles anders und versteht vieles noch nicht. Er musste dadurch auf ein Mal an seine alte Heimat denken. Zu gerne wäre er dort in Frieden mit seiner Familie aufgewachsen. Aber es herrschte Krieg und alles wurde zerstört.

 

Sie lebten eigentlich ganz friedlich. Sie hatten zwar nicht viel, aber alles, was man zum Leben brauchte. Der Planet war der Erde eigentlich ziemlich ähnlich, … bevor alles zerstört wurde.

Doch nach und nach wurde es unruhig auf dem Planeten. Er wusste gar nicht, wie es angefangen hatte. Seine Eltern hatten ihnen auch nicht viel erzählt. Man erzählte sich nur, dass an vielen Orten die Bewohner anfingen, sich zu bekriegen. Aber es war weit weg von ihnen und die Wochen vergingen.

Doch dann erreichten die Kämpfe auch ihr Dorf. Nachbarn, Freunde oder Familien stritten nur noch oder griffen sich grundlos an. Es wurde immer Schlimmer.

Die Bewohner bekämpften sich gegenseitig bis zum Tod. Es war furchtbar. Seine Familie flüchtete, aber nirgendwo war es noch sicher. Königin Serenity, vom Erdenmond, kam ihnen zwar zur Hilfe, aber es war zu spät. Der gesamte Planet war schon ins Chaos verfallen.

Kenta erinnerte sich ganz dunkel, dass Königin Serenity etwas mit einem Kristall gemacht hatte, und danach sich keiner mehr Angriff und die Bewohner wieder normal worden. Warum verstand er zu dem Zeitpunkt aber auch nicht. Doch seine Heimat konnte sie nicht mehr retten. Alles war zerstört und unbewohnbar geworden.

Königin Serenity gab der wenigen Bevölkerung, die überlebt hatte, daraufhin auf der Erde oder auf dem Mond ein neues Zuhause …

 

Unbemerkt vor den anderen ballte er seine Hand zur Faust. Warum war er schon wieder dabei, das zu verlieren, was ihm wichtig war?

 

Sie fühlte sich, wie in einem schlechten Film. Die ganze Zeit wurde sie nur belogen? Ihr drehte es den Magen um, bei dem Gedanken. Sie verstand es einfach nicht. „Aber wir haben doch seit dem Waisenhaus schon so viel zusammen erlebt. Ich habe es doch gesehen, das ganze Fotoalbum ist doch voller schöner Erinnerungen. Was ist denn passiert? Warum hasst ihr mich?“ Sie versuchte so selbstbewusst, wie es nur ging zu sprechen, aber man hörte bei jedem Wort die Unsicherheit heraus.

Schnalzend verdrehte Mamiko ihre Augen. „Wie leichtgläubig kann man eigentlich sein. Schon mal etwas von gefälschten Fotos gehört?“

Bebend presste sie ihre Lippen aufeinander und drückte ihre Tasche eng an ihren Körper. Sie musste sich irgendwo festhalten, sie hatte sonst das Gefühl umkippen zu müssen. „Wo … wozu das alles?“

Schlagartig verzog Mamiko ihr Gesicht. Ihr triumphierendes Lächeln wich einen vom Zorn angetriebenen Blick. Schwungvoll hob sie ihre Hand und schnipste kurz mit ihren Fingern. Was sollte das denn jetzt? Doch lange brauchte sie auf keine Antwort warten, da sie keine Sekunde später plötzlich begann in der Luft zu schweben. Immer höher flog sie in der Halle.

Völlig verwirrt starrte sie Mamiko an. „Was … wie machst du das?“

Ohne ihr zu antworten, grinste Mamiko schief, schnipste erneut und prompt verlor sie wieder an Höhe und fiel, wie ein Stein zu Boden. Hart schlug sie mit ihrem Rücken auf dem Betonboden auf und Schmerz durchzog ihren Körper.

 

Kenta drehte sich weg, er konnte es einfach nicht mit ansehen. Er wusste nicht, was seine Schwester jetzt vorhatte, aber bei ihr war mittlerweile alles möglich.

 

In langsamen Schritten ging Mamiko auf sie zu, beugte sich zu ihr herunter und legte ihre Finger um ihren Hals. Sofort versuchte sie sie wegzudrücken, aber sie hatte einfach keine Chance. Immer stärker drückten sich ihre Finger in ihre Kehle. So stark konnte doch kein normaler Mensch sein. Oder doch? Zu mehr Gedanken kam sie jedoch nicht mehr, da Mamiko ihr langsam aber sicher die Luft abschnürte.

„Du bist an allem schuld. Wärst du nicht gewesen … es hätte keiner gemerkt. Wir wollten ihn nur kurz ausleihen, … aber dann musstest du ja mit deinen großen Kulleraugen kommen und … nur wegen so einer kleinen Göre … und nun … sieh dich an … völlig wehrlos … so schwach … wie erbärmlich … “

Schnaufend ließ Mamiko sie los, wandte sich verachtend von ihr ab und ging zu Kenta herüber. Immer noch nach Luft schnappend, fasste sie sich an ihren Hals und sackte keuchend zusammen. „W … Wo … Woran … soll … ich … schuld sein?“

Doch Mamiko dachte gar nicht daran ihr zu antworten und würdigte ihr keines Blickes mehr.

„Dank Kenta ist sie nun nutzlos. Eigentlich wollte ich warten, bis sie ihren Job für uns erledigt hat, aber so können wir sie auch gleich hier und jetzt beseitigen.“

 

Entsetzt ging Kenta einen Schritt nach hinten. Hätte er doch nur besser aufgepasst und bemerkt, dass sie ihm hinterher gelaufen war. Was machte er denn jetzt nur? Wie konnte er Mamiko aufhalten, ohne sich zu verraten? Vielleicht ging es ja so. Entschlossen, aber sich nichts anmerkend, wandte er sich also wieder an seine Schwester.

„Können wir sie nicht irgendwie anders noch gebrauchen? Sonst waren die ganzen Monate … so, naja, so sinnlos.“

Da er merkte, wie sein Körper begann zu zittern, drehte er sich von ihnen weg und sah weder Mamiko noch seine Brüder an. Sie durften nicht sehen, wie er sich wirklich fühlte. Unbemerkt ballte er eine Faust. Er musste es doch irgendwie schaffen ihr zu helfen.

 

Usagi, die Kentas Reaktion bei Mamikos Worten genau bemerkt hatte, begann ihn sofort zu beobachten. Sie klammerte sich an den Gedanken, dass es doch nicht alles gelogen war, zumindest vom ihm. Vielleicht konnte er sie ja hier wieder herausbringen. Sie verstand doch überhaupt nicht, was das hier alles zu bedeuten hatte oder woran sie schuld sein sollte.

„Ach Kenta, mich ärgerst es ja auch, dass die Monate umsonst waren. Aber jetzt sei doch froh, dass du sie nun endlich los bist. Wie oft hast du mir deswegen doch in den Ohren gehangen … Sie ist nutzlos jetzt. Nichts mehr wert.“

Fassungslos hörte sie Mamiko zu. Sie hatte das Gefühl, als würde ihr bei ihren Worten der Boden unten den Füßen weggezogen werden. Erneut stiegen ihr die Tränen in die Augen. Kenta hatte sie also auch nur belogen. Für sie brach gerade eine Welt zusammen. Die ganzen Wochen wurde sie nur belogen und betrogen. Sie hatte ihnen vertraut, insbesondere ihm. Immer lauter wurde ihr Schluchzen.

„Das muss ich mir nicht länger mit anhören. Was für eine Heulsuse.“ Lachend hakte sich Mamiko bei Kenta unter und zog ihn in Richtung Ausgang. „Akita, Akuma, ich nehme an, ihr schafft das alleine? Ich habe dringende Angelegenheit zu erledigen.“

Schief grinsend ging der Schwarzhaare jetzt wieder auf sie zu, zog sie mit einer Hand hoch und legte die andere Hand unter ihr Kinn. „Wir werden schon unseren Spaß haben.“

Schwer schluckte sie und sah in das Gesicht des Schwarzhaarigen, der sie von oben bis unten zu mustern schien. Er zog sie förmlich aus mit seinen Augen. Übelkeit überkam sie und prompt begann sie wie wild zu zappeln und versuchte sich aus seinen Fängen zu lösen. Doch er verstärkte bloß seinen Griff um ihren Arm. Er hielt sie bloß mit einer Hand fest und trotzdem hatte sie keine Chance zu entkommen. Hatte er auch solche seltsamen Kräfte, wie Mamiko? Was waren das nur für Menschen?

Mit einem Ruck zog er sie mit einem Mal ganz nah an sich heran und fuhr mit seiner Hand durch ihre Haare. Ein Schauer jagte durch ihren Körper und ließ das Blut in ihren Adern gefrieren. Sofort schossen ihr wieder die Bilder ihre Entführung in den Kopf und energisch versuchte sie sich erneut zu befreien. „Lass mich los!“

Flehend riss sie ihren Kopf herum und sah Kenta hinterher, der schon fast mit Mamiko zusammen die Halle verlassen hatte. Sie musste es einfach probieren. Sie konnte einfach nicht glauben, dass es nur eine Lüge war und er alles vorgespielt hatte.

„Kenta bitte … bitte hilf mir doch … Kenta!“, schrie sie aus Leibeskräften, doch er sah sie nicht ein Mal mehr an. Ungehindert liefen ihr nun die Tränen über die Wangen. Konnte sie sich so in ihm getäuscht haben? Sie hatte wirklich gedacht, dass sie ihm etwas bedeutet hatte.

 

Kenta drehte sich nicht mehr um und biss die Zähne aufeinander.

Es tut mir so leid … Usagi …“, sprach er in seinen Gedanken aus, was er sich nicht traute laut auszusprechen und verließ mit seiner Schwester zusammen das Gebäude.

 

Kaum hatten die beiden die Halle verlassen, ging Akuma schulterzuckend weiter nach hinten in die Halle. „Du machst das schon“, brummte er und verschwand hinter einigen gestapelten Kisten. Dahinter stand ein kleines Klappbett mit einer schmuddeligen Matratze. Dicht daneben stand noch ein Tisch mit zwei Hockern. Akuma und Akita hielten sich hier, wenn sie nicht gerade wieder irgendeine Aufgabe von Mamiko in Tokio erledigen mussten, oft auf. Er ließ sich auf das Bett fallen, machte es sich bequem und ließ nur noch einen abfälligen Spruch von sich hören, bevor er die Augen schloss, um zu schlafen.

 

„Da waren es nur noch zwei“, flüsterte ihr der Schwarzhaarige ins Ohr, „Ich finde, wenn wir schon alleine sind, können wir auch noch ein wenig … Spaß … haben, bevor wir deinem jämmerlichen Leben ein Ende bereiten.“

Sofort erstarrte sie, traute sich kaum zu atmen. Schon wieder sagte er das. Ein wenig Spaß haben? Einen winzigen Moment starrte sie ihn einfach nur an, bis sie dann wieder mit aller Kraft ihn zu treten und zu strampeln begann. Doch er schien davon wenig beeindruckt zu sein und zerrte sie einfach tonlos zur Tür. Immer weiter trat oder schlug sie ihn. In der Hoffnung sich irgendwie befreien zu können. Aber egal, wie sehr sie sich auch wehrte, sie hatte einfach keine Chance sich zu entreißen …

 

Kapitel 20

 

Kaum hatte er sie herausgezerrt, packte er sie mit einem Mal an ihren Schultern und drückte sie schwungvoll gegen die Wand neben der Tür der Halle.

„Hier draußen sind wir doch ungestörter“, hauchte er ihr ins Ohr und erneut lief es ihr eiskalt den Rücken hinunter. Laut schluchzend liefen ihr die Tränen über das Gesicht. „Bitte lass mich doch gehen. Warum hasst ihr mich denn? Was hab ich euch denn getan?“

Doch der Schwarzhaarige grinste nur hämisch und ließ seine Hand zu ihrer Tasche wandern. „Die brauchst du nicht mehr.“ Mit einem Ruck hatte er sie von ihrer Schulter gerissen und warf sie nun schwungvoll hinter sich. Lachend drückte er seine linke Hand gegen ihren Brustkorb und begann mit seiner anderen Hand langsam den Reißverschluss ihres Mantels zu öffnen. Starr vor Angst riss sie ihre Augen auf. Wie sollte sie nur entkommen? Obwohl er sie nur mit einer Hand gegen die Wand drückte, konnte sie sich kaum bewegen. Was waren das denn nur für Menschen?

„Bitte … lass … mich … gehen“, flüsterte sie erneut, doch unbeirrt öffnete er weiter ihren Mantel, bis er ihn schließlich an ihren Körper zum Boden gleiten ließ. Laut lachte er allerdings mit einem Mal auf. „Ach wie süß … keine Zeit mehr gehabt zum Umziehen, was.“ Immer noch lachend betrachtete er ihren Pyjama. „Dann wollen wir dich doch davon mal befreien.“

Zitternd presste sie ihre Lippen aufeinander. Ihr musste schnellstens etwas einfallen, nur was. Ihr Peiniger machte sich einen Spaß daraus, ganz langsam jeden einzelnen Knopf ihres Pyjamaoberteils zu öffnen und bei jedem weiteren Knopf zuckte sie mehr und mehr zusammen. Doch dann viel ihr etwas auf. Er war so auf ihr Oberteil fixiert, dass er gar nicht mehr auf ihre Beine achtete.

Sie hatte nur diese eine Chance und musste es probieren. Ohne Zeit zu verlieren, hob sie schwungvoll ihr Bein und stieß ihm mit all ihrer verbliebenen Kraft ihr Knie mitten in sein bestes Stück. Laut stöhnte er auf, packte sich in den Schritt und sackte vor ihr zu Boden.

Sofort rannte sie, ohne überhaupt zu wissen wohin, los. Sie hörte zwar, wie ihr der Schwarzhaarige laut fluchend hinterher brüllte, doch sie drehte sich nicht um, und lief, so schnell sie ihre Beine trugen, tiefer in das Industriegebiet hinein. Sie musste sich irgendwo verstecken. Lange würde ihn der Tritt mit Sicherheit nicht aufhalten. Sie wollte sich erst gar nicht vorstellen, was er dann mit ihr anstellte, wenn er sie in seine Finger bekam.

 

Akita krümmte sich auf dem Boden und brüllte vor Wut, was Akuma dazu veranlasste aus der Lagerhalle zustürmen. „Was ist das denn für ein Lärm hier. Kann man nicht mal in Ruh...“

Verwundert sah Akuma seinen Bruder an. „Sag jetzt nicht, du hast sie entkommen lassen! Wie kann man nur so dämlich sein. Wenn Mamiko das erfährt, was meinst du, was dann los ist!“

Mit schmerzverzerrtem Gesicht rappelte sich Akita wieder auf seine Beine und funkelte seinen Bruder finster an. „Anstatt hier herumzulabern, hilf mir lieber sie zu finden! Weit kann sie noch nicht sein.“

Sofort teilten sich die beiden auf und durchsuchten das Gebiet.

 

Kopflos lief sie einfach immer weiter. Ihre Lungen brannten mittlerweile bei jedem Atemzug, doch sie blieb nicht stehen. Sie durfte nicht. Wo sollte sie nur hin? Es gab weit und breit nichts zum Verstecken. Sie ruckelte an jeder Lagerhallentür, aber alle waren sie verschlossen.

Panisch lief sie weiter und wagte nun doch einen Blick hinter sich. Die kurze Unachtsamkeit wurde ihr jedoch prompt zum Verhängnis. Da sie nicht nach vorne sah, übersah sie ein kleines Schlagloch, knickte um und kam sofort ins Straucheln. Jeder Versuch ihr Gleichgewicht noch zu halten, schlug fehl und stolpernd fiel sie vorwärts mitten in einen Scherbenhaufen. Schlimm schlug sie sich dabei die Knie auf dem Schotter und den Scherben auf. Allerdings war das nicht Mal das Schlimmste. Augenblicklich zog ein fürchterlicher brennender Schmerz durch ihren linken Arm. Vorsichtig hob sie ihn etwas an. Eine riesige Scherbe, die fast die Länge ihres Unterarmes hatte, stecke tief in ihrer Haut. Kurz kniff sie schluchzend ihre Augen zusammen. Schüttelte dann aber energisch ihren Kopf. Sie musste weiter. Mit einem Ruck zog sie die Scherbe aus ihrem Arm und stand schnell wieder auf. Sie brauchte sich die Verletzung nicht anzusehen, um zu wissen, dass sie nicht gut aussah. Der Schmerz reichte völlig aus. Stöhnend presste sie ihre Hand auf die Wunde, versuchte den Schmerz zu unterdrücken und schleppte sich weiter.

Nicht weit von ihr, entdeckte sie einige Container und lief humpelnd darauf zu. Die einzige Möglichkeit, die sie hatte, war, sich dazwischen irgendwo ein Versteck zu suchen. Leise schlich sie um die Container herum. Zwei von ihnen standen so dicht nebeneinander, dass zwischen ihnen ein kleiner Spalt entstand. Sofort kroch sie hinein und gab keinen Mucks mehr von sich. Zähne aufeinander gepresst atmete sie tief ein und ließ ihren Blick an ihrem Arm herunter wandern. Ihr Ärmel war mittlerweile blutverschmiert.

Erschrocken fuhr sie dann allerdings zusammen, als sie deutlich Stimmen hören konnte. Das mussten sie sein. Sie kamen immer näher. Sofort machte sie sich so klein, wie es nur ging. Immer deutlicher konnte sie die Schritte zweier Personen auf dem Schotter hören. Abrupt sah sie hinter sich, hier ging es nicht weiter. Lediglich ein kleiner Spalt führte durch die Container. Da passte sie unmöglich hindurch. Was hatte sie sich nur dabei gedacht hier hineinzukrabbeln. Von hier gab es kein Entkommen, wenn die beiden sie erst ein Mal fanden. Vorsichtig rutsche sie zurück nach vorne und strecke ihren Kopf, gerade so viel heraus, dass sie sich umsehen konnte. Nichts zu sehen. Leise verließ sie daher wieder ihr Versteck. Sie musste sich irgendwo anders verstecken. Behutsam setzte sie, um ja kein Geräusch von sich zu geben, einen Fuß vor den anderen.

„Da ist sie!“

Schlagartig drehte sie ihren Kopf zur Seite und erstarrte. Nicht weit von ihr standen die beiden und starrten sie an.

„Scheiße!“ Ohne groß weiter darüber nachzudenken, rannte sie wieder los. Im Augenwinkel konnte sie sehen, wie die beiden ihr sofort hinterher stürmten und dabei immer näher kamen.

Egal, wie schnell sie auch rannte, der Schwarzhaarige war einfach viel schneller als sie und hatte sie fast eingeholt.

Verzweifelt versuchte sie ihn abzuhängen, aber ohne Erfolg. Sie spürte seine keuchenden Atemzüge in ihrem Nacken und ein Schauer durchzog ihren Körper. Gleich hatte er sie. Keine Sekunde später packte er sie auch schon an ihrem Handgelenk und zog sie grob daran zurück.

„Du hast doch wohl nicht ernsthaft gedacht, du könntest uns entkommen!“

Wimmernd versuchte sie ihre Hand aus seinem Griff zu ziehen, doch wie zuvor auch, hatte sie keine Chance. Sie holte mit ihrem Bein aus und versuchte ihn zu treten, aber er wich einfach aus.

„Glaubst du das funktioniert ein zweites Mal?“ Böse funkelte er sie an.

„Lass mich los“, schluchzte sie und zerrte weiter an seinem Arm.

Mit Schrecken bemerkte sie, dass auch sein Bruder näher herankam. Wenn er sie auch erreicht hatte, war es aus. Dann hatte sie überhaupt keine Chance mehr. Sie überlegte daher nicht lange, beugte sich herunter und biss dem Schwarzhaarigen, damit er sie loslassen würde, in die Hand.

„Was zum …“, schimpfte dieser auch direkt. Sie bohrte ihre Zähne weiter in seine Haut und kurz klappte es auch, denn er öffnete endlich, immer noch schimpfend, seine Finger. Sofort wollte sie loslaufen, doch er hatte sich zu schnell wieder gefangen. Schnaufend holte er aus und schlug ihr nun wutentbrannt ins Gesicht, wodurch sie rücklings auf dem Boden landete.

Sein Bruder hatte sie mittlerweile auch erreicht und zog sie ruppig wieder hoch. Schwungvoll schnappte er sich ihre Arme, drehte sie nach hinten auf ihren Rücken und drückte sie fest.

Kraftlos sackte sie in sich zusammen. Es war vorbei. Sie hatte keine Chance mehr sich zu befreien.

„Diesmal entkommst du uns nicht!“ Grinsend zog der Schwarzhaarige ein Klappmesser aus seiner Hosentasche und wedelte demonstrativ damit vor ihr herum.

„Bitte, ihr müsst das doch nicht tun. Lasst mich doch gehen. Ich werde es auch niemanden sagen und für immer verschwinden.“

„Da hast du recht. Du wirst für immer verschwinden!“

Geschlagen presste sie bebend ihre Lippen aufeinander. Es hatte keinen Sinn mehr. Ungehindert liefe ihr die Tränen über ihr Gesicht.

Lachend holte der Schwarzhaarige mit dem Messer aus und zielte direkt auf ihre Brust.

„Stirb.“

„NEIN!“, schrie sie aus Leibeskräften und kniff augenblicklich ihre Augen zusammen.

 

„Was ist das?“, schrie Akita plötzlich, ließ das Messer fallen und wich ruckartig einen Schritt zurück. Usagis Körper begann mit einem Mal hell zu leuchten und ein goldener Halbmond prangte ihr auf der Stirn. Blinzelnd hielt er sich seinen Arm vor sein Gesicht. Er ertrug dieses Licht einfach nicht.

Ruckartig ließ auch Akuma, als hätte er sich verbrannt, ihr Hände wieder los. Taumelnd ging er rückwärts von ihr weg. Das Licht, welches sie umgab, drückte ihn regelrecht von ihr weg.

 

Was war das? Eine angenehme Wärme durchströmte ganz plötzlich ihren Körper und sie fühlte sich auf ein Mal so stark. Gar nicht mehr hilflos. Ohne ihr Zutun begannen Bilder vor ihrem inneren Auge aufzublitzen. Ja. Sie erinnerte sich. Sie erinnerte sich wieder … Serenity … Sie war Prinzessin Serenity. Schlagartig öffnete sie wieder ihre Augen und starrte in das fassungslose Gesicht des Schwarzhaarigen. Alles lief für sie, wie in Zeitlupe ab. Ihr gesamter Körper leuchtete hell auf und für einen winzigen Moment schloss sie erneut die Augen. Als sie sie wieder öffnete, stand sie nun in einem langen weißen Kleid vor den beiden.

Langsam streckt sie ihre Arme aus, so als würde sie etwas zwischen ihren Händen halten wollen. Sie war nicht nur Prinzessin Serenity. Nein … Außerdem war sie … Sie war auch ...

Wie aus dem nichts erschien plötzlich ihre Brosche zwischen ihren Händen. Kurz drückte sie sie, von ihren Fingern fest verschlossen, gegen ihre Brust. Doch ruckartig hielt sie die Brosche nun in die Höhe. „Außerdem bin ich … Sailor Moon!“

In Sekunden schnelle verwandelte sie sich in ihr Kriegerinnen-Ich und stand nun in Angriffsstellung vor ihren Peinigern.

„Ihr habt mich lange genug hinter das Licht geführt, damit ist jetzt Schluss. Ich bin Sailor Moon und kämpfe für Liebe und Gerechtigkeit. Im Namen des Mondes werde ich euch bestrafen!“

 

Die beiden Brüder wussten gar nicht, wie es gerade um sie geschah. Entgeistert starrten sie Sailor Moon an.

„Das kann doch nicht wahr sein! Akuma hauen wir ab. Ohne Mamiko haben wir keine Chance gegen sie!“ Akuma nickte nur schnell und so stürmten sie davon.

 

Sie sah den beiden hinterher, bis sie schließlich kraftlos auf ihre Knie sackte und zurück zu Usagi wurde. Als Sailor Moon hätte sie ihnen jetzt eigentlich, um mit ihnen zu kämpfen, hinterherlaufen müssen. Aber sie konnte einfach nicht mehr.. Es war einfach zu viel. Sie war am Ende.

Weinend vergrub sie ihr Gesicht in ihren Händen und dicke Tränen tropften ihr an ihren Fingern herunter. Die ganzen Monate waren eine einzige Lüge. Kenta war nicht ihr Verlobter. Mamiko nicht ihre Freundin. Sie wusste zwar wieder, dass sie Sailor Moon war, Prinzessin Serenity, doch sie war ganz alleine. Sie hatte das Gefühl, sich an irgendetwas Wichtiges nicht erinnern zu können. Aber so sehr sie sich auch anstrengte, sich zu erinnern, da war einfach nichts. Nichts außer einem großen schwarzen Loch. Sie erinnerte sich wieder an die Kämpfe, die sie hatte. Alleine. Doch dazwischen, nichts. Gar nichts. Sie war froh, wieder zu wissen, wer sie wirklich war, aber ihr ganzes Leben drum herum war weg. Oder war da gar nichts? Bestand ihr leben nur aus Kämpfen und sonst war da nichts? War sie einfach schon immer alleine gewesen? Hatte sie sich deswegen so lange nicht erinnern können, wer sie wirklich war, weil es ihr unbewusst gefiel, nicht mehr alleine zu sein, auch wenn es eine Lüge war?

Ein fürchterliches Brennen in ihrem Arm holte sie dann allerdings wieder ins Hier und Jetzt zurück. Schwer atmend blickte sie an sich herunter. Vorsichtig hob sie mit ihren Fingern den blutverschmierten und zerrissenen Ärmel ihres Pyjamas etwas hoch und zuckte augenblicklich zusammen. Ein tiefer Schnitt zog sich durch ihren Arm. Es blutete immer noch. Sie musste es mit irgendetwas verbinden.

Schwerfällig richtete sie sich auf und ging, wie in Trance, zurück zu der Lagerhalle, wo der Albtraum, in dem sie sich nun befand, begann. Wenn sie Glück hatte, lagen dort noch ihre Jacke und ihre Tasche. Sie musste sich auf jeden Fall beeilen. Sie wusste ja nicht, wo die beiden abgeblieben waren und, ob sie mit Mamiko zurückkehren würden. In ihrem jetzigen Zustand, durcheinander und verletzt, wusste sie, dass sie gegen Mamiko keine Chance haben würde.

An der Lagerhalle angekommen, fand sie zum Glück auch gleich ihre Tasche und ihren Mantel. Sie lagen wirklich noch an Ort und Stelle. Schnell schüttelte sie ihre Tasche aus und suchte irgendetwas für ihren Arm.

Mit zittrigen Fingern griff sie nach einer Taschentuchpackung, zupfte die Tücher heraus und legte diese vorsichtig über die Wunde. So würden die Tücher jedoch nicht halten. Was machte sie denn jetzt? Doch dann fiel ihr zum Glück wieder ein, dass sie ihr Schal noch in der Jackentasche befinden musste.

Rasch fischte sie ihn in aus der Manteltasche heraus, wickelte das gelbe Tuch fest um ihren Arm und knotete ihn am Ende zusammen. Das musste fürs Erste reichen. Sie musste hier schnellstens Weg. Nur, wo sollte sie überhaupt hin? Sie hatte kein zu Hause mehr. Sie hatte niemanden mehr. Hier sitzen bleiben konnte sie aber auch nicht. Zügig zog sie daher ihren Mantel über und packte ihre Tasche wieder ein.

„Tokio.“

Sie wusste nicht weshalb, aber es zog sie ganz plötzlich nach Tokio. Wenn es stimmte, was Kenta sagte, wo sie sich jetzt nicht mehr sicher war, war genau dort auch ihr Unfall passiert. Kurz lachte sie auf. Unfall … Das Mamiko versucht hatte, sie zu beseitigen war nun mehr als offensichtlich.

Sie musste irgendwie nach Tokio kommen. Die Frage war nur, wie? Hastig fischte sie ihr Portemonnaies aus der Tasche heraus und öffnete es. Doch sie brauchte gar nicht zu zählen. Das bisschen Geld, welches sich darin befand, würde niemals für ein Zugticket genügen. Zitternd schlang sie ihre Arme um ihren Körper. Zur Polizei gehen, brauchte sie auch nicht. Sie würden ihr kaum helfen können. Was sollte sie auch sagen? Hallo ich bin Sailor Moon, und ein böses Mädchen will mich töten? Sie würden sie wohl eher für verrückt halten und in eine Anstalt bringen. Außerdem würde Mamiko oder einer der anderen, so nur auf sie aufmerksam werden. Sie musste also irgendwie anders nach Tokio gelangen. Was sie dann machte, wenn sie dort war, wusste sie allerdings auch noch nicht. Sie hatte kein Geld, nichts zu essen, keine Wohnung. Oder zumindest wusste sie nicht, wo sie sein könnte.

Sie wollte ihr Portemonnaies gerade wieder einstecken, als ihr Blick auf eine Visitenkarte fiel. Die hatte sie ja total vergessen.

„Shin Tanaka“, las sie sich selber vor. Vielleicht könnte er ihr helfen. Wenn sie es richtig in Erinnerung hatte, war er Jurastudent. Vielleicht konnte er herausfinden, ob sie eine Wohnung in Tokio besaß oder besessen hatte. Es war riskant, aber eine andere Möglichkeit hatte sie auch nicht. Sich selber zu nickend, verließ sie so schnell es ihr möglich war das Industriegebiet …

 

 

„Habe ich euch gerade richtig verstanden? Ihr habt es nicht geschafft sie zu erledigen, stattdessen hat sie sich in Sailor Moon verwandelt?“, zischte Mamiko.

„Was können wir denn dafür?“ Knurrend verschränkte Akita seine Arme vor der Brust.

Außer sich vor Wut begann Mamiko alles um sich herum durch die Gegend zu werfen. Doch dann packte sie Akuma plötzlich am Kragen. „Ihr hattet nur eine Aufgabe … Ist denn überhaupt einer von euch Volltrotteln zu irgendetwas gut?“ Schnaufend ließ sie ihn wieder los und ging danach auf und ab. „Alles muss man hier alleine machen!“

Erleichtert atmete Kenta auf. Sie war zum Glück noch am Leben. Er wusste zwar nicht, wie es weiterging, aber zunächst war sie gerettet.

Zornig lief Mamiko weiterhin auf und ab und tippte sich dabei gegen ihr Kinn.

„Wir werden weiter machen wie zuvor.“

Sie nahm ihr Amulett in ihre Hand und lachte. Sie war mittlerweile sehr stark geworden und war sich sicher, dass sie gegen Sailor Moon, solange sie noch alleine war und noch nicht ihre vollständige Erinnerung zurückhatte, spielend fertig würde.

„Mit Sicherheit wird sie nach Tokio und ist noch ganz alleine. Durch meine kleine Blockade wird sie sich so schnell nicht an die anderen Sailor Kriegerinnen erinnern, doch ewig wird es ohne Erneuerung nicht anhalten. Bis dahin müssen wir sie finden und sie … “

Böse lachte sie auf und verschwand in der Dunkelheit.

Kapitel 21

 

„Ich bin sehr enttäuscht von dir. Ich dachte immer, dass du nicht so unfähig wie deine Brüder wärst. Du weißt doch, dass wir nur in Ruhe leben können, wenn der Kristall zerstört ist.“

Zitternd und mit gesenktem Kopf stand Mamiko da. Sie traute sich nicht aufzusehen, zu sehr fürchtete sie sich vor der möglichen Strafe für ihr Versagen.

„I... Ich … ich weiß … Ich habe versagt.“

Eine junge Frau in einem langen schwarzen Kleid hob ihren Arm und trat näher an Mamiko heran.

„Zugeben der Plan die Prinzessin gegen ihre eigenen Leute lenken zu wollen, hatte was, aber wie man sieht, ist er gescheitert und das Prinzesschen läuft frei herum und der Kristall ist nicht zerstört.“

Mamiko kniff ihre Augen zusammen. Die Frau hatte eine Hand auf ihre Schulter gelegt und mit der anderen hielt sie das Amulett, welches sie um den Hals trug, fest.

„Du hast deine Sache bisher sehr gut gemacht, daher gebe ich dir noch eine Chance. Enttäusche mich nicht! Sonst …“

Lachend ging die Frau zurück in den Schatten, aus dem sie gekommen war und Mamiko blieb allein zurück …

 

 

 

Tief zog sie die Kapuze in ihr Gesicht, schleppte sich zu einer kleinen Parkbank und ließ sich herauf fallen. Schwach lächelnd schloss sie ihre Augen. Sie hatte es geschafft. Sie war tatsächlich in Tokio angekommen. Von Stadt zu Stadt war sie getrampt. Eigentlich brauchte man nur ein paar Stunden, drei Tage hatte sie gebraucht. Drei Tage, an denen sie kaum Schlaf gefunden hatte. Geld für ein Hotel hatte sie nicht. Da die Nächte auch immer kälter wurden, konnte sie sich auch nicht einfach irgendwo auf eine Parkbank oder Ähnliches legen. Wenn sie sich nachts in einem Bahnhof einen Unterschlupf gesucht hatte, wurde sie direkt als Rumtreiberin verscheucht. Wenn überhaupt schlief sie, wenn es ging, im Auto, wenn sie endlich jemanden gefunden hatte, der sie weiter mitnahm. Stundenlang lief sie oft durch die Straßen, um jemanden zu finden, der sie wenigstens bis in die nächste Stadt mitnahm. Fast zwei Tage saß sie allein in Shizuoka fest. Doch erholsam war der Schlaf im Auto auch nicht gewesen. Nach wenigen Minuten schreckte sie jedes Mal panisch wieder auf.

Eines ist ihr jedoch unterwegs klar geworden. Sie durfte niemanden vertrauen. Sie war alleine. Eine Einzelkämpferin. Wer wusste schon, wer noch alles zu Mamiko und Kenta gehörte, und ihr etwas vorspielen würde.

Seufzend öffnete sie wieder ihre Lider und ließ ihren Blick umherschweifen. Aber gehörte sie hier her? In diese Stadt? Alles hier fühlte sich so fremd und doch irgendwie so vertraut an.

Zitternd schlang sie ihre Arme um ihren Körper und sah auf ihre Knie herunter. Im Gegensatz zu ihrem Arm schauten die schon wieder ganz gut aus. Man sah zwar noch die Kratzer und Wunden, aber sie waren allesamt gut verheilt.

Fröstelnd schmiegte sie ihre Arme noch etwas enger um ihren Körper, als sich ihr Magen lautstark zu Wort meldete. Seit drei Tagen hatte sie schon nicht mehr gegessen. Mit dem bisschen Geld, was sie noch besessen hatte, hatte sie sich eine Flasche Wasser zu trinken geholt gehabt.

Schmerzlich verzog sie ihr Gesicht, als ein erneutes Pochen durch ihren Arm zog. Mit zusammengepressten Lippen sah sie an sich herunter. Sie wechselte zwar, so weit es ging, die Taschentücher, aber die Wunde sah nicht gut aus. Sie war zwar kein Arzt, aber so wie es aussah, sollte es bestimmt nicht aussehen. Den ersten Tag hatte es noch oft geblutet gehabt. Ihr Schal war dadurch auch nur noch ein verschmiertes Etwas. Die Blutung war zwar längst gestoppt, trotzdem schmerzte es noch so sehr, dass sie ihren Arm kaum bewegen konnte. Sie musste zu einem Arzt, das war ihr klar. Doch sie wusste nicht, ob Mamiko oder einer der anderen dadurch herausbekommen würden, wo sie sich aufhielt. Sie hatten sie ja auch aus dem Krankenhaus geholt. Sie konnten sich mit Sicherheit Zugang zu ihren Daten beschaffen.

Nachdenklich blickte sie in den Himmel. Der Arzt im Krankenhaus hatte damals gesagt, dass ihre Angehörigen verständigt werden würden. Wer war nur damit gemeint? Sie konnte sich an niemanden erinnern. Sie war schon immer alleine gewesen. Meinte er damit etwa Mamiko und Kenta? Hatten sie sich im Krankenhaus als diese ausgegeben?

Ein weiteres lautes Magenknurren riss sie dann allerdings aus ihren Gedanken heraus und schwerfällig stand sie wieder auf. Sie durfte zwar niemanden trauen, aber sie hatte gerade keine andere Wahl. Langsam zog sie die Visitenkarte von Shin heraus. Sie brauchte dringend etwas zu essen und einen Ort, wo sie sich etwas ausruhen konnte. Er war leider ihre einzige Anlaufstelle. Und gehörte hoffentlich nicht zu Mamiko. Kentas Verhalten damals im Park deutete zum Glück aber eher darauf, dass die beiden nicht wollten, dass sie mit ihm in Kontakt kam und er wirklich ein Fremder war. Erst jetzt im Nachhinein fiel ihr auf, wenn sie es so recht darüber nachdachte, dass die beiden ständig verhindert hatten, dass sie zu irgendjemand anderen, als zu den beiden, Kontakt hatte. Damals dachte sie sich nichts groß dabei. Aber jetzt, na klar, sie versuchten zu verhindern, dass irgendetwas herauskam und sie misstrauisch werden würde.

Ihr Magen knurrte erneut. Sie hatte keine Wahl. Sie durfte zwar niemanden trauen, aber sie musste etwas essen und sich ausruhen. Nachdenklich betrachtete sie das kleine Kärtchen. Wo sie wohl hin musste?

Sie wollte gerade loslaufen, um jemanden zu fragen, wo sie lang musste, als es hinter ihr mit einem Mal laut wurde. Schwungvoll drehte sie sich herum. Nicht weit von ihr standen zig Menschen und stritten sich. Sie merkte sofort, dass dies kein normaler Streit war. Sie spürte etwas Böses und keine Sekunde später sah sie auch schon, dass viele von ihnen von einem schwarzen Nebel umhüllt waren.

Schwer atmend klammerte sie ihre Finger um ihre Brosche. Sie waren also hier. Sie wusste nicht, was Mamiko und die anderen vorhatten, aber ganz dem Anschein nach, benutzen sie unschuldige Menschen für ihren Plan.

Leise schlich sie hinter einen Baum und wollte sich gerade verwandeln, als sie plötzlich zwei Frauen bemerkte, die sich direkt vor die Meute stellten. Sie trugen ähnliche Kleidung wie sie, wenn sie verwandelt war. Es gab also doch noch andere Sailor Kriegerinnen?

Hin und her überlegend entschied sich dazu, zunächst abzuwarten, auf welcher Seite sie kämpfen würden.

Als sie da so stand, und die beiden beobachtete, fiel ihr plötzlich wieder der Stadtplan ein, den sie gefunden hatte. Die Namen waren Sailor Kriegerinnen, schoss es ihr in den Kopf. Aber hieße das, dass sie zu Mamiko gehörten? Aufmerksam musterte sie die beiden. Sie versuchten jedoch ganz dem Anschein nach den Menschen zu helfen. Sollte sie eingreifen und sich preisgeben oder sollte sie lieber, so schnell es ging, von hier verschwinden? Vielleicht war es bloß eine Falle, um sie herauszulocken. Zitternd ballte sie ihre Hand zur Faust. Was machte sie denn jetzt nur? Da die beiden Sailor Kriegerinnen jedoch mehr und mehr bedrängt wurden, verwandelte sie sich kurzerhand in Sailor Moon. Sie musste ihnen helfen. Auch auf die Gefahr hin, dass es eine Falle war. Danach würde sie sofort verschwinden. Sie durfte nur so viel gesehen werden, wie zwingend nötig. Mamiko durfte sie so schnell nicht finden.

Kampfbereit ließ sie ihr Zepter erscheinen und eilte vor die Menschentraube. Sie wurde von den beiden noch nicht bemerkt. Zu sehr waren sie damit beschäftigt, gegen die Meute anzukommen.

„Aufhören! Lasst sie in Ruhe!“

Alle Augen waren auf ein Mal auf sie gerichtet.

 

Sailor Merkur und Sailor Venus trauten ihren Augen nicht.

„Das ist … wie … Sailor Moon!“, stammelte Sailor Venus und schüttelte dabei ungläubig ihren Kopf. Auch Sailor Merker konnte es nicht fassen, was sie da sah. Da stand sie, ihre Tod geglaubte Freundin. Wie gelähmt standen die beiden einfach nur da und starrten Sailor Moon an.

 

„Wenn ihr mit jemandem kämpfen wollt, na los, kommt her!“

Die besessenen Menschen sahen sie böse an und so hielt sie schlagartig ihr Zepter in die Höhe. „Licht des Silbermonds, schein und heile!“

Licht und Wärme durchströmte die Menschen. Schreiend fassten sie sich gegen ihre Brust und fielen in Sekundenschnelle bewusstlos zu Boden. Aus ihren Herzen wichen plötzlich Schatten, die sich über ihnen in Luft auflösten.

Keuchend kippte sie auf ihre Knie und fasste, mit schmerzverzogenem Gesicht, an ihren verletzen Arm. Sie war eigentlich viel zu geschwächt, um so einen Angriff zu starten. Ihr Hunger, ihr verletzter Arm, sie konnte nicht mehr. Aber was sollte sie machen. Sie musste den Menschen helfen. Sie konnte sie ja nicht einfach ihrem Schicksal überlassen.

„Sailor Moon!“ Schlagartig blickte sie auf und konnte dadurch sehen, wie die beiden Kriegerinnen auf sie zu stürmten. Sie hatten sie fast erreicht. Ruckartig sprang sie auf und rannte, so schnell sie konnte, von ihnen weg. Sie standen zwar ganz dem Anschein nach auf derselben Seite, aber vertrauen konnte sie niemanden. Sie kämpfte alleine. Wer wusste schon, ob dies nicht wieder ein Trick von Mamiko und Kenta war, um sie zu täuschen. Sie erinnerte sich an keine anderen Kriegerinnen, mit denen sie zusammen kämpfte, und wollte genau dies auch so schnell nicht ändern.

 

Sprachlos blieben Sailor Venus und Merker zurück. Da die Menschen um sie herum jedoch langsam wieder wach wurden, verschwanden sie lieber.

Zurückverwandelt standen Ami und Minako immer noch fassungslos in einer kleinen Gasse, nicht weit von dem Ort des Geschehens.

„Sie war es doch, … warum läuft sie denn vor uns weg?“

Schwer atmend schüttelte Ami ihren Kopf, nur um ihn danach nachdenklich zu senken. „Ich weiß es nicht … Hast du bemerkt, wie sie zusammengesackt ist und ihren Arm festhielt? Ich glaube, sie hatte schmerzen.“

„Das glaube ich auch. Aber sie lebt! Wir müssen es sofort den anderen sagen.“

 

Zitternd lehnte sie sich an einem Baumstamm, krallte ihre Finger um ihren Arm und verwandelte sich zurück. Sie war am Ende ihrer Kräfte, doch sie musste weiter. Tief zog sie wieder ihre Kapuze über ihr Gesicht und machte sich auf den Weg.

 

Unsicher betrachtete sie das große Mehrfamilienhaus vor sich. Sollte sie wirklich klingeln? Nein. Sie hatte sich bis hier her durchgefragt, sie konnte jetzt keinen Rückzieher machen. Sie brauchte einen Unterschlupf. Rasch drückte sie auf die Klingel, auf der Tanaka stand und wartete. Kurze Zeit später summte die Tür und so drückte sie sie auf.

Schwerfällig schleppte sie sich die Stufen herauf. Sie wusste ja nicht, in welchem Stockwerk er wohnte, bis schließlich in der dritten Etage eine Haustür geöffnet wurde und ein irritierter Shin herauslugte.

„Äh ... Hallo? … Also mit dir hätte ich nun nicht gerechnet. Warte. Usagi oder?“

Nervös nickte sie ihm zu und begann angespannt auf ihrer Unterlippe herumzukauen. Sie wusste gerade nicht, was sie nun sagen sollte. Sie war einfach viel zu erschöpft, aber irgendetwas musste sie ihm sagen. Zumindest soviel, dass sie fürs Erste einen Unterschlupf gefunden hatte. Sie konnte ja nicht mal ein Hotel bezahlen.

„Ich … Ich weiß nicht, wo ich hin soll … ich kann nicht zurück und … Du hattest damals gesagt … Ich bin ganz alleine und ...“, platzte es auf ein Mal aus ihr heraus und prompt stiegen ihr auch die Tränen in die Augen.

Das hatte sie ja prima hinbekommen. Eigentlich wollte sie ihn ganz höflich darum bitten, sie ein paar Tage aufzunehmen. Aber es brach einfach so aus ihr heraus.

„Ich habe zwar keine Ahnung, wovon du sprichst, aber komm erst mal rein.“

Er zeigte mit seiner Hand in die Wohnung und schluchzend ging sie flink hinein.

„Komm, ich nehme deinen Mantel.“

Sofort schüttelte sie den Kopf und drückte zitternd ihren Mantel an sich. Sie konnte ihn doch nicht ausziehen. Sie trug immer noch ihren Pyjama. Außerdem wäre ihre Verletzung am Arm dann sofort zu sehen und dann stellte er nachher zu viele Fragen. Andrerseits konnte sie auch nicht ewig hier stehen. Seufzend öffnete sie also doch langsam ihre Jacke und zog sie aus.

„Meine Güte, was … was hast du denn da gemacht?“, fragte er entsetzt und deutete dabei auf den blutverschmierten Schal.

„Ich … Ich bin in einen Scherbenhaufen gefallen“, flüsterte sie, legte ihre Hand über ihren Arm und blickte betreten zu Boden.

„Aha … und … also … Warum trägst du einen Pyjama?“

Abrupt klammerten sich ihre Finger enger um den Schal herum. Sie musste ihm etwas sagen, jedoch nur soviel, wie zwingend nötig. „Das ist eine längere Geschichte …“

„Setz dich erst mal. Du siehst aus, als würdest du gleich umkippen.“

Nickend folgte sie ihm ins Wohnzimmer herüber.

„Setz dich. Bin gleich wieder da.“

Kurz verschwand er aus dem Zimmer und so nahm sie auf dem Sofa Platz. Lächelnd betrat Shin wieder das Zimmer und drückte ihr ein Glas Wasser in die Hand. Er wollte sich gerade neben sie setzen, als es plötzlich laut an der Tür klopfte.

„Wer ist das denn? … Warte kurz, bestimmt nur wieder meine Nachbarin.“ Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, war er auch schon zur Haustür geeilt. Sie konnte hören, wie er die Tür öffnete und dann offenbar erschrocken aufschrie.

„Wo ist sie?“, ertönte dann allerdings eine weitere Männerstimme.

Augenblicklich fuhr sie zusammen und ließ dadurch vorschreck, das Glas mit dem Wasser aus der Hand fallen. Klirrend landete es neben ihren Füßen.

„Hast du das gehört?“, ertönte es wieder aus Richtung der Tür.

Sofort sprang sie auf und ballte ihre Hände zu Fäusten. Wie konnte sie nur so dumm sein. Man hatte sie, wie es schien, im Park beobachtet und war ihr dann gefolgt. Wie konnte sie nur so einen schlimmen Fehler machen. Wenn sie Shin nun etwas antaten, war das ganz allein ihre Schuld. Sie konnte ihn nicht seinem Schicksal überlassen, ganz egal, was mit ihr passierte. Schlagartig rannte sie in den Flur zurück. „Hier bin ich! Mich sucht ihr doch oder nicht?“

Mit großen Augen starrte sie auf zwei Männer, die mitten im Eingang standen. Einer von ihnen hielt Shin im Schwitzkasten. Sie kannte die Männer nicht, aber ihr war klar, sie wurden von einer schwarzen Macht kontrolliert.

„Sieh an, wen haben wir denn da. Ich soll dir eine Botschaft übermitteln … Wenn du den Typ hier lebend wieder sehen möchtest, komm morgen bei Sonnenaufgang in den Shinjuku Gyoen Park.“

Ohne auf eine Reaktion von ihr zu warten, zogen sie Shin mit sich mit. Sofort eilte sie ihnen hinterher. „Lasst ihn los! Mich wollt ihr doch!“

Doch die Männer blieben nicht stehen und zerrte Shin einfach weiter das Treppenhaus herunter, bis sie aus ihrem Blickfeld verschwunden waren. Wankend fiel sie zurück in seine Wohnung und sackte auf dem Boden zusammen. Was machte sie denn jetzt? Sie wusste, dass es eine Falle war. Aber sie musste ihn retten. Er war nur wegen ihr da hineingeraten.

Entschlossen richtete sie sich wieder auf. Sie würde ihn retten. Allerdings wollte sie nicht bis zum Sonnenaufgang warten, um in den Park zu gehen. Sie musste direkt hinterher. Vielleicht konnte sie so die Entführer überraschen. Allerdings durfte sie nicht sofort auffallen. In ihrem knallroten Mantel würde sie das aber. Rasch drehte sie sich zur Garderobe herum. Eine dunkelblaue Jacke und ein paar Mützen hingen neben ihrem Mantel. Hastig schnappte sie sich Shins Jacke, zog sie über und versteckte ihre Haare unter einer schwarzen Wollmütze. Schnell griff sie danach auch nach ihrem Mantel und ihrer Tasche, verließ die Wohnung und hastete die Treppen herunter. Schnellen Schrittes verließ sie das Gebäude. Vor dem Haus entdeckte sie eine große Mülltonne. Ohne Zeit zu verlieren, steuerte sie sie an und warf ihren Mantel hinein. Er war einfach viel zu auffällig. Nachdem das erledigt war, rannte sie sofort los. Sie musste Shin da rausholen.

Kapitel 22

 

Spät am Abend erreichte sie endlich die Parkanlage. Schon wieder musste sie sich unendlich lange durchfragen, was sie kostbare Zeit gekostet hatte. Nicht, dass sie Shin doch noch etwas antaten.

Leise schlich sie sich zwischen den Bäumen hindurch. Auf dem Hauptweg wäre sie zu sehr aufgefallen. Die meisten Passanten hatten aber zum Glück den Park längst verlassen. Sie wusste nicht, was für eine Falle sie ihr stellen wollten, da war es gut, so wenig Unschuldige, wie es nur ging in der Nähe zu haben.

Immer weiter durchquerte sie die Anlage. Doch sie konnte nichts Verdächtiges feststellen, bis sie schließlich ein kleines Teehaus entdeckte, vor dem zwei schwarz gekleidete Männer standen. Rasch ging sie in Deckung. Es waren die beiden, die Shin entführt hatten. Einer von ihnen telefonierte gerade und der andere lief fluchend vor dem Teehaus auf und ab. Sie waren, wie es aussah, bisher alleine. Immer noch versteckt belauschte sie die beiden Männer.

Ja, sie wird kommen, da bin ich mir ganz sicher. Der? Keine Ahnung. Eben war er noch hier.“

Sie war sich sicher, dass sie über sie redeten. Aber, wen meinte der Mann mit der? Ganz dem Anschein nach lief hier irgendwo noch eine dritte Person herum. Bald wären sie hier also nicht mehr alleine. Sie musste sich beeilen. Ihr Arm schmerzte immer mehr. Hunger und Schlafmangel zerrten zusätzlich an ihr. Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie es noch schaffte zu kämpfen. Mit Mamiko oder einen der anderen fertig zu werden, könnte in Moment schwierig werden.

Ihr blieb nichts anderes übrig, als Shin auf dem schnellsten Wege hier herauszuholen und dann irgendwo unterzutauchen. Doch nicht bei ihm. Sie durfte ihn nicht weiter in Gefahr bringen.

Leise schlich sie sich wieder etwas davon, damit sie sich unbemerkt verwandeln konnte.

Schnellen Schrittes lief sie dann als Sailor Moon zurück, sprang aus dem Gebüsch, zielte mit ihrem Zepter auf die beiden Männer und befreite sie von der bösen Macht. Schreiend griffen sie sich, wie die Menschen zuvor auch, an ihre Brust und fielen bewusstlos zu Boden. Ohne darauf zu warten, dass die Schatten ihre Körper verließen, rannte sie an ihnen vorbei zum Teehaus. Schnell sah sie sich um, schob die Tür auf und trat leise hinein. Erleichtert atmete sie auf, als sie Shin tatsächlich auf dem Boden liegen sah. Sie machten sich offenbar nicht ein Mal die Mühe ihn zu verstecken.

„Shin“, flüsterte sie und ging neben ihn in die Hocke, „Hörst du mich?“ Vorsichtig schüttelte sie ihn an seiner Schulter. Doch er reagierte überhaupt nicht. War er bewusstlos? Was hatten sie ihn nur angetan? Erneut ruckelte sie. Wieder nichts. Wie bekam sie ihn hier nur raus? Tragen konnte sie ihn nicht. Sie musste irgendetwas finden, womit sie ihn herausbringen konnte. Schnell wanderte ihr Blick durch den Raum und mit einem Mal wurden ihre Augen immer größer. Ein Stück von Shin entfernt lagen schlafend noch weitere Personen. Eine Frau mittleren Alters, ein Mann, etwa im gleichen Alter, würde sie sagen. Und ein sehr junger Mann, fast noch ein Teenager. Außerdem lag dort noch eine schwarze Katze mit einem seltsamen Zeichen auf der Stirn. Es sah aus, wie ein Halbmond.

Sie war so auf Shin fixiert gewesen, dass sie sie gar nicht bemerkt hatte. Rasch stand sie auf und eilte zu ihnen. Sie wurden hier offenbar auch festgehalten.

„Geht es Ihnen gut?“, flüsterte sie leise, aber keiner von ihnen schien aufzuwachen. Musternd betrachtete sie sie, nicht, dass sie noch irgendwelche Verletzungen hatten. Zum Glück schien es ihnen jedoch so weit gut zu gehen. Sie musste sie allesamt, so schnell es ging, hier herausbringen. Doch egal, wie sehr sie auch an ihnen rüttelte und schüttelte, keiner von ihnen wurde wach. Und dann schoss ihr ein Gedanken in den Kopf. Sie schliefen überhaupt nicht, oder waren bewusstlos, sie wurden mit Sicherheit mithilfe der bösen Macht ruhiggestellt.

Ihr Blick wanderte über die Personen. Bei Shin wusste sie, warum er hier war. Aber die anderen? Was waren das für Leute, dass Mamiko sie hier festhalten musste? Und was sollte die Katze hier? Schnell schüttelte sie jedoch ihren Kopf. Sie hatte keine Zeit dafür, sie musste sie wecken und verschwinden. Rasch nahm sie ihr Zepter in die Hand und flüsterte eine Art Zauberformel. Licht durchzog das Zimmer und eine angenehme Wärme breitete sich aus. Erschöpft fiel sie danach auf ihre Knie. Es strengte sie in ihrem jetzigen Zustand ziemlich an. Aber eine andere Wahl hatte sie auch nicht.

Shin fing als Erster an zu blinzeln und öffnete langsam seine Augen.

„W... Wo bin ich?“

Auch die anderen begannen sich zu rekeln und wachten verwundert auf. Die Frau drehte sich verdutzt zu dem Mann und legte ihre Hand auf seinen Arm. „Kenji, was ist passiert? Wo sind wir?“

Dieser kratzte sich jedoch bloß am Kopf und hob seine Brille, die neben ihm lag, auf.

„Ich weiß es nicht. Das Letzte, woran ich mich erinnere, ist, dass wir zu Hause waren und einen Anruf vom Krankenhaus erhielten.“

Der Junge war nun ebenfalls aufgestanden und hatte sich neben die Frau und den Mann gestellt.

„Genau so geht es mir auch. Mehr weiß ich auch nicht mehr.“

Mit einem merkwürdigen Gefühl beobachtete sie die Drei. Irgendwie kamen sie ihr so seltsam vertraut vor, aber woher nur? Sie hatten einen Anruf von einem Krankenhaus bekommen?

Wieder schüttelte sie schnell ihren Kopf und schellte sich innerlich selber. Keine Zeit für so etwas. Jede Sekunde könnte Mamiko hier auftauchen. Hektisch sprang sie daher wieder auf und half Shin beim Aufstehen.

„Ihr müsst alle schnell hier raus. Sie werden gleich kommen. Bis dahin müsst ihr verschwunden sein!“

Shin sah sie verblüfft an. „Wer bist du?“

Doch ohne ihm darauf zu antworten, hob sie bloß ihren Arm und zeigte auf die Tür.

„Das tut hier nichts zur Sache. Ihr seht lieber zu, dass ihr hier raus kommt. Ihr wurdet entführt und die Entführer müssten gleich zurück sein!“

Aufgeschreckt von ihren Worten, verließen allesamt hektisch das Teehaus. Shin allerdings hielt sie noch ein Mal kurz auf. „Halt dich von dieser Usagi fern, das bringt dir nur ärger. Vergesse am besten auch, dass sie bei dir war.“

Sie hatte dabei einen Ton angeschlagen, der keine Widerworte duldete und Shin ganz dem Anschein nach auch ein wenig Angst machte.

„O... okay …“, nickte dieser nämlich nur noch und rannte zu Tür hinaus.

Erleichtert senkte sie ihren Kopf. Das wäre geschafft. Sie sollte nun auch schnellstens verschwinden. Lächelnd drehte sie sich allerdings noch ein Mal herum.

„Dich kann ich aber nicht hier lassen.“

Vorsichtig hob sie die kleine Katze auf und nahm sie in den Arm. Sie schlief immer noch und aus irgendeinem Grund wollte sie sie nicht hier zurücklassen. Sie wusste nicht, ob die Katze zufällig hier war oder ob sie auch hier festgehalten wurde. Aber warum sollten sie eine Katze einsperren, dachte sie sich. Vorsichtshalber brachte sie sie aber lieber hier raus.

Eilig verließ sie nun ebenfalls das Teehäuschen und verschwand im dunklen Park. Keine Sekunde zu früh, denn von weiten hörte sie schon eine ihr sehr bekannte Stimme.

Sie rannte und rannte, bis sie sich sicher war, dass sie aus ihrer Reichweite war.

Die Katze wurde langsam wach und blinzelte. Sanft kraulte sie ihr über den Kopf und setzte sie langsam ins Gras.

„Hier bist du sicher. Pass das nächste Mal besser auf dich auf, kleines Kätzchen.“ Kurz schenkte sie ihr noch ein Lächeln und verschwand danach in Richtung Stadt.

 

Wo war sie? In wessen Armen lag sie da nur? Es fühlte sich so schön warm und vertraut an. Blinzelnd sah sie in ein lächelndes Gesicht. Noch nicht ganz bei sich und verwirrt, wurde sie herunter auf dem Boden gesetzt. Zaghaft sah sie herauf und auf einen Schlag wurden ihre Augen ganz groß. Aber das war doch …? Bevor sie allerdings auf irgendeine Weise reagieren konnte, saß sie schon allein im Gras. „Usagi!“

Luna versuchte ihr sofort hinterher zu laufen, aber sie schaffte es einfach nicht, sie einzuholen. Ihre Beine wollten einfach nicht so mitmachen, wie sie es gern gehabt hätte.

Niedergeschlagen blieb sie stehen und legte sich ins Gras. Usagi war verschwunden.

„Sie lebt“, flüsterte Luna und augenblicklich stiegen ihr die Tränen in die Augen. Doch abrupt schwang sie sich wieder auf. Sie musste sie finden.

So schnell sie ihre Pfötchen trugen, rannte sie durch den Park und suchte nach ihr. Doch nirgends war ein Zeichen von ihr zu finden.

Erschöpft erreichte sie wieder das Teehaus und schlich nun vorsichtig herum. Sie wusste nicht mehr genau, was passiert war. Das Letzte, an das sie sich erinnerte war, dass sie hier einer Spur gefolgt war.

Sie wollte sich gerade auf den Weg zum Tempel machen, um den anderen sofort davon zu erzählen, dass Usagi noch lebte, als sie erschrocken zusammen fuhr. Eine Frauenstimme brüllte plötzlich nicht weit von ihr entfernt herum. Leise schlich sie etwas weiter heran und entdeckte dadurch eine Frau, die gerade einen Mann am Kragen packte und ihm ins Gesicht schrie.

 

„Wo warst du Kenta? Du solltest mit den beiden zusammen aufpassen, bis wir da sind!“

Kenta legte seine Hände über Mamikos und versuchte sie zu beruhigen.

„Ich dachte, ich hätte Sailor Moon gesehen und bin ihr hinterher. Es war aber nur ein gewöhnliches Mädchen. Als ich dann wieder zurück war, lagen die beiden auf dem Boden und die Geisel waren verschwunden.“

Mamiko schnaufte vor Wut. „Wie kann man nur so dämlich sein, seinen Posten zu verlassen! Was hab ich nur für hirnverbrannte Brüder. War doch klar, dass sie dir eine Falle stellt!“

Schuldbewusst senkte er seinen Kopf. Er ließ sich seine Erleichterung nicht anmerken. Er hatte sich ganz bewusst vom Teehaus entfernt. Er wusste das Usagi, als Sailor Moon, ohne Probleme mit den Marionetten seiner Schwester fertig werden würde, und hatte gehofft, dass sie wieder rechtzeitig verschwunden wäre, bis Mamiko eintreffen würde. Er musste sie beschützen, ohne dass es seine Schwester mitbekam. Er hatte zwar immer noch keine Idee, wie er weitermachen sollte, aber bis dahin musste er dieses Doppelspiel eben weiterspielen.

„Da gibt man dir eine einfache Aufgabe und selbst die bekommst du nicht hin!“

„Ja, es war ein dummer Fehler von mir, … aber ich wollte die kleine Göre unter keinen Umständen entkommen lassen.“

Mamiko ließ ihn los und stampfte auf dem Boden herum.

„Mit ihrer Familie können wir sie jetzt jedenfalls nicht mehr erpressen“, mischte sich Akita nun dazwischen.

 

Luna hatte von Weiten alles belauscht und ihre Augen weiteten sich. Deshalb war Usagis Familie also damals verschwunden. Aber eines passte immer noch nicht. Warum verschwand dann auch Usagi und wurde als tot erklärt? Wieso rannte sie jetzt vor ihr weg? Doch erneut wurde es laut und so blickte sie aufmerksam zu den vier Gestalten.

„Warum schnappen wir sie nicht einfach noch mal?“, fragte ein Mann mit braunen Haaren und hob dazu seine Arme in die Luft. Die Frau schlug ihm daraufhin prompt auf den Kopf.

„Schwachkopf! Bist du so dumm oder tust du nur so Akuma? … Die blöde Katze wird schon längst zu den Sailor Kriegerinnen gelaufen sein und ihnen alles erzählt haben … Damit stehen sie sicherlich schon unter dem Schutz von ihnen. Ich muss mir etwas anderes einfallen lassen.“

Luna hatte genug gehört, sie musste schnell zu den anderen. Sie wusste selber nicht, wie lange sie überhaupt fort war. Die anderen machten sich sicherlich schon Sorgen um sie. Sie mussten sie ebenfalls geschnappt haben, als sie das Teehaus entdeckt hatte. Bevor sie hineingehen konnte, hatte sie einen Schlag auf den Kopf bekommen, wodurch alles Schwarz vor ihren Augen wurde, bis sie eben in Sailor Moons Arm wieder erwacht war.

 

 

„Wo bleibt er denn.“

Nervös tippte Minako mit ihren Fingern auf dem Tisch herum. Es war mittlerweile spät am Abend und sie warteten schon seit heute Nachmittag auf Mamoru.

„Er muss halt noch arbeiten“, erwiderte Ami bloß, doch Minako wusste genau, dass ihre Freundin innerlich genau so angespannt war, wie sie selbst.

„Wenn er wüsste, warum er herkommen soll, dann-“

„Das ist aber nichts, was wir ihm am Telefon sagen sollten. Außerdem stand er ohnehin im OP und konnte so nicht an das Telefon. Sein Kollege wird ihm schon ausrichten, dass er sofort herkommen soll.“

Schnaufend legte Minako ihren Kopf auf den Tisch. „Wozu ist denn eine Suspension gut, wenn man dann doch eher arbeiten muss.“

Schulterzuckend sah Ami erneut auf ihren Kommunikator. „Zurzeit grassiert nun mal eine Grippewelle. Auch bei uns sind viele Ärzte erkrankt. Da ist es nur logisch, dass man ihn früher zurückholt.“

Kurze Zeit herrschte Stille in dem kleinen Raum, bis sich Minako schließlich räuspernd wieder zu Wort meldete.

„Er hatte also recht.“

Nachdem Mamoru sie alle vor drei Tagen zu Usagis Haus bestellte hatte, waren sie sich alle einig gewesen, dass Usagis Familie nicht freiwillig gegangen war, so wie das Haus verwüstet war. Warum sich die Brosche in Luft auflöste, wussten sie allerdings zu diesem Zeitpunkt auch nicht. Doch Mamoru war überzeugt gewesen, dass sie zu ihrer rechtmäßigen Besitzerin zurückkehrte. Sie hatten zwar alle gehofft, dass es so wäre, aber sie wollten sich nicht allzu große Hoffnung machen, wo es nachher keine gab. So war es einfacher. Es einfach zu akzeptieren, es hinzunehmen, damit sie weiter leben konnten. Sie haben sich einfach vor offensichtlichen Tatsachen verschlossen, nur um nicht erneut damit fertig werden zu müssen, wenn es sich als falsch erwiesen hätte.

„Er hatte recht“, antwortete Ami bloß leise und widmete sich wieder ihren Unterlagen.

Wieder schwiegen beide und hingen in ihren eigenen Gedanken.

 

Nach weiteren Minuten der Stille sah Minako erneut auf die Uhr und tippte dann nervös auf dem Tisch herum. „Er könnte wirklich langsam mal kommen.“

„Er wird bestimmt bald da sein. So eine Operation kann halt dauern.“

Minako seufzte und schloss ihre Augen. „Ja ich weiß … aber es ist schon so spät, … von Makoto, Rei oder den anderen haben wir aber auch noch nichts gehört.“

Sie hatten sich aufgeteilt und suchten die Stadt nach Usagi ab. Bisher war aber keiner von ihnen zurückgekehrt. Sie und Ami blieben vorsichtshalber im Tempel, damit jemand dort war, falls Usagi oder Mamoru auftauchen würden. Sie konnten sich einfach nicht erklären, warum Usagi einfach davon lief.

 

Minako döste gerade vor sich hin, als Artemis spät am Abend als Erster zurückkehrte. Aufgeregt sprang Ami auf, wodurch auch Minako aus ihrem schläfrigen Zustand erwachte. Artemis schüttelte aber, bevor die beiden überhaupt etwas sagen konnten, gleich seinen Kopf, und so setzten sich die beiden angespannt wieder hin.

Nach und nach kehrten auch die anderen zurück, doch niemand hatte Usagi gefunden. Bedrückt und niedergeschlagen warteten sie nun weiterhin auf Mamoru.

 

Makoto war mittlerweile eingeschlafen, auch die anderen hatten Mühe ihre Augen offen zu halten. Es war schon sehr spät geworden und der Tag war anstrengend. Ami wollte sich gerade verabschieden, da sie in ein paar Stunden wieder zur Arbeit musste, als es leise an der Tür kratzte. Verwundert öffnete sie die Tür und vor ihr stand eine völlig atemlose schwarze Katze.

„Luna!“ Sofort nahm sie sie auf den und ging mit ihr hinein.

Auf einen Schlag waren Makoto und die anderen hellwach und umkreisten Luna.

Außer Atem versuchte diese ihre Neuigkeiten zu berichten, jedoch hörten die anderen ihr zunächst gar nicht zu. Stürmisch wurde sie von allen umarmt und wie wild redeten alle auf ein Mal auf sie ein, sodass sie gar nicht zu Wort kam.

„Nun lasst sie doch mal ausreden!“, schimpfte Artemis und wurde prompt verlegen, über seinen kleinen Ausbruch.

 

Luna erzählte ihnen haargenau, was sie an dem Teehaus beobachtet hatte und an was sie sich noch erinnern konnte, bevor sie einen Schlag auf den Kopf bekam.

„Dann haben wir aber endlich einen Anhaltspunkt“, räusperte sich Artemis, „Jetzt wisst ihr alle, worauf ihr achten müsst.“

Angeregt diskutierten alle, wer diese Frau und die Männer sein könnten.

Nachdenklich sah Luna dabei aus dem Fenster. Irgendwo … irgendwo, hatte sie dieses Gesicht schon ein Mal gesehen, nur wo?

 

Kapitel 23

 

Erschöpft zog er sich seinen Kittel aus, verstaute ihn in seinem Schrank und beendete damit seine Schicht. Nachdenklich sah er dabei auf die große Uhr im Umkleideraum. Er sollte zwar dringend, wie ihm sein Kollege ausgerichtet hatte, in den Tempel kommen, da es aber nun sowieso schon so spät geworden war, konnte er jetzt auch zumindest vorher noch schnell zu Hause unter die Dusche springen. Die brauchte er jetzt dringend. Er hatte den ganzen Tag in der Klinik verbracht und musste dringend das Gemisch aus Schweiß und Desinfektionsmittel, welches an ihm klebte, loswerden. Er hatte sich zwar kaum auf die Arbeit konzentrieren können, wenn er seinen Job jedoch nicht verlieren wollte, musste er da durch. So gut es eben ging verrichtete er also seine Arbeit. Einzig allein, als er im OP gestanden hatte, hatte er den Kopf freigehabt und sich nur auf die Operation konzentriert. Doch jetzt, wo er endlich Feierabend hatte, schossen ihm sofort wieder Tausende Fragen in den Kopf. Wo sollte er nur anfangen zu suchen? Sollte er vielleicht noch mal nach Nagoya fahren? Die zwei Wochen, die er dort schon alles abgesucht hatte, hatte zwar nicht viel gebracht, aber es war leider sein einziger Anhaltspunkt bisher.

„Verdammt!“, schimpfte er mit einem Mal aus und schlug mit der Faust gegen die Wand.

Wäre er damals nur schneller gewesen und hätte ihr Gesicht gesehen. Dann wäre sie jetzt längst …

„Herr Chiba, alles in Ordnung bei Ihnen?“

Erschrocken fuhr er zusammen. Er hatte gar nicht bemerkt, dass eine Krankenschwester das kleine Zimmer betreten hatte.

„Äh ja, … alles gut.“

Rasch sammelte er seine restlichen Sachen zusammen, zog seine Jacke über und verabschiedete sich von der Schwester.

Hastig eilte er heraus und hoffte, nicht auf weitere Kollegen zu treffen. Er hatte keine Lust auf weitere Gespräche, warum er einfach zwei Wochen verschwunden war.

 

Auf dem Parkplatz und an seinem Auto angekommen, öffnete er schwungvoll die Fahrertür, warf seine Tasche auf den Beifahrersitz und stieg ein. Gähnend schaute er auf die Uhr. Vielleicht sollte er, wenn er zu Hause war, bei Rei anrufen und den Besuch auf Morgen verschieben. Vermutlich waren die anderen ohnehin schon nach Hause gegangen.

Erleichtert, dass die Straßen um die Tageszeit schon recht leer waren, wechselte er hin und wieder die Spur und fuhr auf direktem Weg nach Hause.

Gähnend hielt er an einer roten Ampel an und wartete, dass das kleine Lämpchen wieder auf Grün springen würde, als auf ein Mal, ganz in seiner Nähe, ein lauter Knall in seine Ohren drang. Ganz dem Anschein nach kam es aus der Richtung des Parks. Sofort sah er aus allen Fenstern seines Autos.

„Was ist denn jetzt los?“, murmelte er leise, als ein weiterer Knall ertönte.

Vielleicht sollte er lieber nachsehen, was es war. Er hatte ein ganz komisches Gefühl. Kurz entschlossen setzte er den Blinker, um den Wagen in der nächstmöglichen Lücke am Straßenrand zu parken.

Gerade, als er ausgestiegen war, knallte es erneut und so beschleunigte er seine Schritte in Richtung des Parks. Je näher er diesem kam, umso mehr spürte eine böse Macht. Es war genau die, gegen die sie schon seit Monaten versuchten anzukommen. Es musste eine riesige Ansammlung von Besessenen ganz in seiner Nähe sein. Er sollte lieber den anderen Bescheid geben. Schnell hob er seinen Arm, nur um ihn direkt wieder fluchend herunterzunehmen. Er hatte seinen Kommunikator, nachdem er das Krankenhaus verlassen hatte, noch nicht wieder an seinem Handgelenk befestigt. Es blieb ihm also nichts anderes übrig, als zurück zum Auto zu laufen.

So schnell er konnte, rannte er zurück, als er mit einem Mal abrupt stehen blieb. Wie versteinert verharrte er in seiner Position.

„Aber das ist doch …“, flüsterte er und seine Augen wurden dabei immer größer.

Er spürte eine ihm sehr bekannte Wärme. Ein Schauer durchzog seinen Körper, der ihm eine Gänsehaut bereitete. Augenblicklich beschleunigte sich sein Herz und schlug, wie wild gegen seine Brust. Es gab nur einen Menschen auf der Welt, auf den sein Körper so reagierte.

„Usako“, flüsterte erneut. Sie war hier. Ganz in seiner Nähe.

Schlagartig kehrte wieder Leben in seinen Körper. Schwungvoll drehte er sich auf dem Absatz herum und rannte los.

So schnell ihn seine Beine trugen, lief er zwischen den Bäumen immer weiter. Sie war hier. Ganz in seiner Nähe. Und sie war in Gefahr. Er spürte es ganz deutlich. Mit geballten Fäusten eilte er immer weiter, bis er ruckartig stehen blieb. Eine ganze Meute von Besessenen stand nicht weit von ihm entfernt. Es waren bestimmt dreißig Stück. Rasch versteckte er sich hinter einem Baum. Er musste sich verwandeln. Doch, bevor er überhaupt dazu kam, wurde der Platz plötzlich von einem Licht geflutet. Jeder Besessener wurde davon eingehüllt. Im Sekundentakt fielen sie zu Boden und schwarze Schatten verließen ihre Körper.

Kopflos sprang er aus seinem Versteck. Das war zweifellos ihre Macht. Aber, wo war sie nur? Er versuchte irgendetwas zwischen den Bäumen zu erkennen. Doch nichts zu machen. Er konnte sie nicht finden.

„Usako!“, rief er in die Dunkelheit und rannte wieder los. Wo steckte sie nur? Sie konnte doch noch nicht weit sein. Panikartig hetzte er durchs Dickicht. Er war so nah dran und jetzt sollte er sie nicht finden? Das durfte doch nicht wahr sein.

„Usako!“, schrie er erneut, doch es kam einfach keine Antwort.

Schwer atmend blieb er stehen. So kam er nicht weiter. Schnell schloss er seine Augen und versuchte sich auf ihre Wärme zu konzentrieren. Er spürte sie ganz deutlich, jedoch merkte er auch, wie sie immer schwächer wurde. Was war da nur los? Bevor allerdings weiter darüber nachdenken konnte, drangen mit einem Mal Schritte in seine Ohren. Schnell rannte die Person über den Schotter. Er wollte seine Augen gerade wieder öffnen, als ihm plötzlich ein heftiger Stoß in seine Seite erwischte. Er konnte sich gerade so noch auf den Beinen halten. Schlagartig riss er seine Lider auf. „Können Sie ni...“ Weiter sprach er nicht. Stattdessen wich ihm auf einen Schlag sämtliche Farbe aus dem Gesicht. Er blickte direkt in zwei blaue Augen, die er so lange vermisst hatte. Aus Angst, er könnte träumen und sie könnte wieder verschwinden, traute er sich kaum sich zu bewegen.

„Usako“, hauchte er und langsam hob er zitternd seine Hände. Sie stand einfach nur da und sah mit geweiteten Augen zu ihm herauf. Warum sagte sie denn nichts? Als sein Körper endlich realisiert hatte, dass sie tatsächlich vor ihm stand, schlang er seine Arme um sie herum und zog sie nah an sich heran. Doch zu seiner Verwunderung merkte er sofort, wie sich ihr gesamter Körper verkrampfte. Irgendetwas stimmte hier nicht. Keine Sekunde später schubste sie ihn auch schon schroff von sich weg, machte einen Satz nach hinten und funkelte ihn böse an.

„Usagi. W-was … Was ist denn los?“

„Was soll das? Woher weißt du, wer ich bin? Wer bist du überhaupt? Hat SIE dich geschickt?“

Völlig überrumpelt über ihre Reaktion, ging er wieder einen Schritt auf sie zu. Er verstand überhaupt nicht, was hier los war. „Erkennst du mich denn nicht? Ich bin es doch!“

Er griff nach ihren Händen und hielt sie sanft in seinen. Bevor er jedoch noch etwas sagen konnte, schlug sie seine Hände weg und ballte sie stattdessen zu Fäusten.

„Keine Ahnung, wer du bist. Lass mich in Ruhe!“ Kaum hatte sie ihm die Worte ins Gesicht gebrüllt, drehte sie sich mit einem Mal von ihm weg und rannte los. Sofort lief er ihr hinter her, erwischte sie am Handgelenk und brachte so wieder zum Stehen. „Bitte. Bleib doch stehen. Warum läufst du weg? “

„Was willst du von mir?“, zischte sie ihn an und löste sich erneut aus seinem Griff. Er wollte ihr antworten, doch bevor er dazu kam, schlug direkt neben ihnen eine Energiekugel auf den Boden. Beinahe hätte es sie erwischt.

„Verdammt, ich habe einen übersehen.“ Sie schaute ihm nun direkt in die Augen. „Wenn du nichts mit denen zu tun hast, würde ich zusehen, dass du von hier verschwindest! Hier könnte es gleich ungemütlich werden.“ Wie aufs Stichwort flog auch schon der nächste Energieball auf sie zu und traf sie direkt an ihrem Arm. Laut schrie sie auf, hielt sich ihren Arm fest und er merkte sofort, dass ihre Beine nachgaben. Ohne Zeit zu verlieren, eilte er zu ihr und versuchte sie zu stützen.

„Lass mich los!“

Prompt wich sie von ihm weg und hob zitternd ihr Zepter in die Höhe. In Sekundenschnelle hatte sie den Besessenen zurückverwandelt. Laut keuchend verwandelte sie sich zurück zu Usagi und sackte direkt vor seinen Augen bewusstlos auf dem Boden zusammen.

 

 

Blinzelnd öffnete sie ihre Augen. Was war nur passiert? Verwirrt schaute sie sich um. Wo war sie? Sie lag in einem großen Bett? Stöhnend strich sie mit ihren Fingern über ihre Stirn und versuchte sich zu erinnern, was passiert war.

Sie hatte Shin und die anderen befreit, die kleine Katze ein Stück entfernt vom Teehaus freigelassen und lief dann davon. Sie irrte durch die Gegend und überlegte, wo sie sich versteckten könnte, als sie in einen schlimmen Streit von vier Männern geriet, der keinen natürlichen Ursprung hatte. Sie waren vergiftet mit böser Energie. Sie wollte ihnen helfen, doch bevor sie es schaffte, griffen sie sie an. Es wurden plötzlich immer mehr. Sie hatte keine Ahnung gehabt, wo die auf ein Mal alle hergekommen waren, aber Mamiko hatte mit Sicherheit ihre Finger im Spiel gehabt. Sie sollten sie bestimmt zu ihr bringen. Einige von ihnen waren ziemlich stark und schossen sogar mit Energiekugeln um sich. Doch irgendwie schaffte sie es, alle von dem Bösen zu befreien. Sie wollte gerade verschwinden, als sie in einen Mann hineingelaufen war. Sie hatte ihn einfach nicht gesehen gehabt, da sie die ganze Zeit hinter sich schaute, ob ihr jemand folgen würde. Als sie zu Shin gegangen war, hatte sie auf so etwas gar nicht geachtet und sie wollte den Fehler kein zweites Mal machen.

Im ersten Moment war sie unfähig gewesen sich zu bewegen, als sie in das Gesicht des Mannes gesehen hatte. Er kam ihr so seltsam vertraut vor, so als würde sie ihn schon sehr lange kennen. Aber sie wusste einfach nicht woher. Sie erinnerte sich einfach nicht. Er nannte sie sogar bei ihrem Namen, obwohl sie verwandelt war, und umarmte sie dann. Was fiel ihm überhaupt ein, sie einfach zu umarmen? Sie kannte ihn ja nicht ein Mal. Laut schnaubte sie bei dem Gedanken daran aus und verschränkte ihre Arme vor der Brust. Verwundert betrachtete sie dadurch ihren Arm. Ihr blutverschmierter Schal war verschwunden und stattdessen war ihre Wunde mit einem richtigen Verband verbunden. Prompt weiteten sich ihre Augen und sie deckte sich komplett auf. Was hatte sie denn da an? Ihr Pyjama war es jedenfalls nicht mehr. Sie trug eine weiße Jogginghose und darüber ein hellblaues kurzärmliges Shirt. Wer hatte sie denn umgezogen? Langsam versuchte sie sich aufzurichten, was gar nicht so einfach war, da ihr im ersten Moment ziemlich schwindelig wurde. Wie lange hatte sie nur geschlafen? Das Letzte, woran sie sich erinnerte war, dass sie von einem Energieball am Arm getroffen wurde und sie den Verursacher zurückverwandelte. Und dann nichts mehr.

Erschrocken zog sie dann aber mit einem Mal die Decke wieder über sich. Sie war so in ihren Gedanken versunken gewesen, dass sie gar nicht gesehen hatte, dass neben dem Bett auf einem Stuhl der Mann, in den sie hineingerannt war, saß. Offenbar war er eingeschlafen, da sein Oberkörper halb auf dem Bett lag. Hatte er die ganze Zeit bei ihr am Bett gesessen? Hatte er sie etwa umgezogen? Sie merkte, wie ihr die Röte in die Wangen schoss, und versteckte sich halb unter der Bettdecke. Warum nahm er sie mit zu sich? Sie verstand einfach nicht, was das sollte. Da er jedoch ruhig und friedlich neben ihr schlief, konnte sie ihn in Ruhe betrachten. Woher … woher kam er ihr nur so seltsam vertraut vor?

Schmunzelnd stellte sie fest, dass er eigentlich ziemlich niedlich beim Schlafen aussah. Murmelnd drehte er seinen Kopf etwas zur Seite, wodurch sich ein paar Strähnen in seinem Gesicht verirrten. Sie konnte einfach nicht anders. Ganz automatisch, als wäre es das Normalste auf der Welt, hob sie ihre Hand, um die Strähnen hinter sein Ohr zurückstreichen. Als ihre Fingerspitzen jedoch seine warme Haut berührten, zuckte sie sofort mit ihrer Hand zurück. Was war das denn jetzt? Wie ein Stromschlag traf es sie. Wie damals auf der Straße. Ihr wurde warm und ihr Herz begann, wie wild zuschlagen. Es kribbelte durch ihren gesamten Körper. Schon wieder hatte sie so ein seltsames vertrautes Gefühl. Was war das nur? War er etwa der Mann im Regen, der sie umgerannt hatte? War sie dieses Mal in ihn hinein gerannt?

Durcheinander schüttelte sie ihren Kopf und rutschte leise mit ihren Beinen über die Bettkante. Sie musste sich, solange er noch schlief, umschauen, wo sie hier überhaupt war. Es musste ja einen Grund geben, warum er sie hier her gebracht hatte.

Leise schlich sie durch das Zimmer und blieb entgeistert vor einer kleinen Kommode stehen.

„Was zum …?“, murmelte sie und starrte auf einen kleinen Bilderrahmen auf einer Kommode. Vorsichtig nahm sie ihn in die Hand. Was hatte das zu bedeuten? Auf dem Bild sah man diesen Mann und sie? Sie hielten sich in den Armen und strahlten freudig in die Kamera.

Zitternd klammerten sich ihre Finger um den Rahmen. Unweigerlich schossen ihr die Bilder von Kenta und Mamiko in den Kopf. Die ganze Zeit wurde sie von den beiden nur belogen. Die ganzen Lügen und die gefälschten Fotos, ihr kam ein böser Gedanke. Versuchten die beiden dieses dämliche Spiel noch ein Mal und tauschten dazu einfach nur den Mann aus? Hielten sie sie wirklich für so dumm, dass sie erneut darauf reinfallen würde?

Wütend schmiss sie das Foto auf den Boden und das Glas des Rahmens zersprang in kleine Splitter. Eilig verließ sie das Zimmer und suche aufgebracht die Haustür. Sie musste, so schnell es ging, hier weg. Doch mit einem Mal zog sich irgendetwas bei dem Gedanken zu gehen zusammen. Was war denn nun los? Durcheinander drückte sie ihre Händen gegen ihren Kopf. Diese seltsamen Gefühle, die sie verspürte, seitdem sie ihn berührt hatte, verwirrten sie. Alles fühlte sich so vertraut hier an.

Krampfhaft versuchte sie sich an ihn zu erinnern. Seufzend schüttelte sie dann aber ihren Kopf. Auch wenn sie es sich irgendwie gewünscht hätte, da war einfach nichts. Es konnte eigentlich nur Mamiko dahinter stecken. Sie musste von hier weg. So schnell sie konnte.

 

Kapitel 23

 

Rasch eilte sie den Flur herunter, entdeckte ihre Schuhe im Eingangsbereich und schlüpfte hinein. Grübelnd wanderte ihr Blick zu der Garderobe. Sie brauchte eine Jacke. Draußen wurde es immer kälter. Ohne nachzudenken, griff sie einfach nach einem Mantel und klemmte ihn sich unter ihren Arm. Sie konnte ihn draußen anziehen. Erst ein Mal musste sie raus. Flink steuerte sie die Haustür an, legte ihre Hand über die Klinke und drückte diese leise herunter.

„Bitte … bitte geh nicht“, ertönte es plötzlich hinter ihr und erschrocken ließ sie den Mantel fallen. „Bitte … Bleib hier.“

Starr stand sie einfach schweigend, mit der Hand auf der Klinke, da und drehte sich nicht zu ihm herum.

„Ich weiß nicht, was du durchgemacht hast, oder wo du warst. Offenbar erinnerst du dich auch nicht an mich, … aber bitte, ich kann dich nicht schon wieder verlieren … Jetzt, wo ich dich endlich wiedergefunden habe …“, flüsterte er leise und sie merkte, wie er sich direkt hinter sie stellte.

Noch immer regungslos sah sie weiterhin auf die Tür.

„Usako“, hauchte er ins Ohr und sein warmer Atemhauch auf ihrer Haut ließ sich ihre Nackenhaare aufstellen. Ein Kribbeln breitete sich in ihrem Körper aus. Usako? Ein ungeahntes Glücksgefühl breitete sich in ihrem Innerem aus.

Schwer sog sie die Luft in ihre Lungen. In ihrem Kopf herrschte das reinste Chaos. Sie wollte ihrem Impuls folgen und abhauen, aber irgendetwas in ihrem Herzen sagte ihr auch, sie konnte ihm vertrauen, sie könnte hier bleiben. Langsam nahm sie die Hand von der Klinke herunter und senkte ihren Kopf. „Wer bist du?“

„Erinnerst du dich denn gar nicht? Ich bin es doch. Mamoru. Wir sind schon sehr lange ein Paar.“

Mamoru? Sie sollen schon lange ein Paar sein? Sofort stiegen ihr die Tränen in die Augen. Sie kannte keinen Mamoru. Sie konnte ihm nicht vertrauen. Dass sie mit jemandem schon lange ein Paar gewesen sein soll, genau das hatte man schon ein Mal zu ihr gesagt und es war einfach nur eine Lüge gewesen.

„Was ist denn nur passiert? Wo warst du die ganze Zeit?“

Kopfschüttelnd griff sie wieder nach der Klinke. Das alles war doch nur wieder ein abgekartetes Spiel von Mamiko und Kenta. Schluchzend öffnete sie die Tür.

„Glaubt ihr ernsthaft, dieses dumme Spiel klappt ein zweites Mal? Glaubst ihr wirklich, ich falle erneut darauf rein, dass ich mit dir zusammen bin? Ich habe niemanden. Ich bin ganz alleine. So war das schon immer.“

Sie merkte, wie er unruhig wurde. Mit einem Ruck warf er die Tür wieder zu und stellte sich ihr demonstrativ in den Weg. Erschrocken zuckte sie zusammen. Tauchten nun etwa gleich Mamiko und die anderen hier auf? Panisch versuchte sie erneut die Tür zu öffnen, doch er hielt sie einfach weiterhin zu.

„Die ganzen Monate dachte ich, ich hätte dich verloren. Ich würde dich nie mehr wiedersehen. Nach deinem Sturz saß ich, so oft es nur ging, an deinem Bett und habe so gehofft, dass du wieder aufwachen würdest. Ich mache mir immer noch selber solche Vorwürfe, dass ich nicht mit dir zusammen die Treppe hinunter gelaufen bin und es-“

„Was sagst du da? Meinen Sturz?“, fiel sie ihm ins Wort und drehte sich schwungvoll zu ihm herum. Zitternd ballte sie ihre Hände zu Fäusten. Woher wusste er das? Und dann fiel ihr wieder etwas ein. Da war doch noch jemand, den sie nicht erkennen konnte in ihrer Erinnerung. War etwa er dieser jemand gewesen? Wenn er es aber war, warum ging sie mit ihm die Treppe hinunter? Gehörte er zu Mamiko und lenkte sie ab, damit sie sie überhaupt unbemerkt schubsen konnte? Mit großen Augen sah sie ihn an, doch dann entdeckte sie plötzlich etwas, was sofort ihre komplette Aufmerksamkeit bekam. Bevor er ihr antworten konnte, drückte sie sich an ihm vorbei und eilte zu einem kleinen Regal. Zitternd griff sie nach einem Bilderrahmen, lief damit wieder zu ihm und hielt ihm das Foto jetzt direkt vor die Nase. Wild tippte sie dabei auf ein Kind.

„Wer ist das?“

Ohne ein Wort zu sagen, nahm er ihr das Bild aus ihrer Hand. „Das ist unsere … Das ist Chibiusa.“

Immer größer wurden ihre Augen. Sie hatte Kenta damals gefragt, wer diese Chibiusa sei, aber er kannte sie angeblich nicht. Und nun hatte dieser Mann ein Bild von ihr? Nein von ihnen zu dritt? Sagte er vielleicht doch die Wahrheit? Es sprach sehr viel dafür und diese seltsamen Gefühle, die sie in seiner Nähe verspürte. Bei Kenta hatte sie diese nie gehabt. Krampfhaft kniff sie ihre Augen zusammen. Konnte sie einfach hier bei ihm bleiben? Sagte er auch wirklich die Wahrheit?

Wenn es so war, warum konnte sie sich dann einfach nicht an ihn erinnern? Kopfschüttelnd drückte sie ihre Hände gegen ihre Ohren. Es war fast so, als würde ihr eine innere Stimme zu flüstern, dass sie ihm vertrauen konnte und hier bei ihm bleiben sollte. Auch wenn sie sich geschworen hatte, niemanden mehr zu vertrauen, der Wunsch hier bei ihm bleiben zu können wurde immer größer.

Ein weiteres Mal atmete sie tief ein, nahm langsam ihre Hände wieder herunter und sah zu ihm.

„Und ich kann dir auch wirklich vertrauen? Du sagst auch wirklich die Wahrheit?“, schluchzte sie.

 

Zu gerne hätte er sie jetzt in den Arm genommen, sie ganz nah an sich gedrückt und getröstet. Sie war nur noch ein Schatten ihrer Selbst. Blass und kraftlos war sie und tiefe Augenringe zierten ihr Gesicht. Ganz geschweige von der Verletzung an ihrem Arm. Was hatte sie nur durchmachen müssen? Was war nur passiert? Doch er wusste, wenn er sie nicht verschrecken wollte, musste er behutsam vorgehen.

„Du kannst mir vertrauen.“

 

Gedankenschwer sah sie ihm direkt in die Augen. Diese Augen. Ihr wurde wieder so warm ums Herz. Doch kurz darauf wurde ihr einfach nur schwindelig und ihre Knie wurden weich, wodurch sie auch prompt das Gleichgewicht verlor. Sie hatte einfach keine Kraft mehr. Sie sah, wie er direkt auf sie zu geeilt kam. Bevor sie den Boden berührte, fing er sie auf und hob sie in seinen Armen hoch. „Du solltest dich lieber ausruhen.“

Sie konnte deutlich die Sorge, die in seiner Stimme mitschwang, fühlen. Stumm nickte sie also und ließ es zu, dass er sie ins Wohnzimmer brachte. Behutsam setzte er sie auf dem Sofa ab. „Bleib bitte sitzen, ich hole dir etwas zu trinken.“

 

Schnell war er wieder zurück und reichte ihr ein Glas. Schwach lächelnd nahm sie es entgegen, wodurch sich kurz ihre Fingerspitzen berührten. Schon wieder traf es sie, wie ein Blitz. Ihr Herz machte sich schon wieder selbstständig und schlug wie verrückt. Ratlos starrte sie ihn einfach nur an. Wie schaffte es dieser Mann nur, sie mit einer winzigen Berührung so durcheinanderzubringen? Stimmte es tatsächlich, dass sie ein Paar waren? Warum um Himmelswillen konnte sich dann nur nicht erinnern? Als ihr auffiel, dass sie ihn immer noch anstarrte, bedankte sie sich rasch und nippte verlegen an dem Wasser. Sie konnte genau sehen, wie er sie beobachtete und ihm ein Lächeln übers Gesicht huschte. „Was gibt es denn da zu lächeln?“

„Ich bin einfach nur überglücklich, dass du hier bist. Auch, wenn du dich wohl nicht an mich erinnern kannst …“

 

Zu gerne hätte er sie gefragt, wo sie war und was passiert war. Aber er wollte sie nicht überfordern. Sie sah so verängstigt und zerbrechlich aus. Zu groß war seine Angst, dass sie nachher weglaufen würde. Sie musste zuerst vertrauen zu ihm gewinnen. Dass sie sich nicht an ihn erinnerte, war zunächst zweitrangig. Die Hauptsache war, dass sie lebte. Der Rest würde schon noch wieder kommen. Zumindest hoffte er das.

Nachdenklich kratzte er sich an seinem Kopf. „Möchtest du, möchtest du vielleicht etwas essen? Du hast doch bestimmt Hunger. Immerhin hast du fast einen ganzen Tag geschlafen. Ich könnte uns schnell etwas kochen.“

„Einen ganzen Tag?“ Geschockt riss sie ihre Augen auf, doch mit einem Mal senkte sie plötzlich räuspernd ihren Kopf, als sich ihr Magen lautstark zu Wort meldete. „Das würde ich sehr gerne … Ich habe schon seit Tagen nichts mehr gegessen.“

Sie hatten schon seit Tagen nichts mehr gegessen? Das erklärte zumindest zum Teil ihre körperliche Verfassung. Schwer schluckte er. Er wollte unbedingt wissen, was mit ihr geschehen war, aber im letzten Moment biss er sich auf die Zunge. Er musste das Thema ganz sachte angehen.

„Dann mach ich uns schnell etwas. Ruh dich einfach in der Zeit etwas aus.“ Lächelnd stand er auf und verließ schnellen Schrittes das Zimmer.

 

Nachdenklich blieb sie auf dem Sofa sitzen und drehte ihr Glas in ihren Händen hin und her. Es fühlte sich für sie richtig an hier zu bleiben. Sie hatte sich zwar geschworen niemanden mehr zu vertrauen, aber dieser Mann schaffte es, ohne groß etwas zu machen, dass sie sich geborgen und sicher fühlte. Wie machte er das nur? Seufzend schloss sie ihre Augen und ließ sich nach hinten an die Sofalehne fallen. Sie vergaß dabei allerdings, dass sie das Glas noch in ihren Händen hielt. Kaum hatte sie sich angelehnt, rutschte ihr es auch schon aus den Fingern und das Wasser schwappte über sie. Es musste natürlich ausgerechnet direkt über dem Verband landen. Sofort verzog sie schmerzhaft ihr Gesicht, als sich dieser vollsog. Leise fluchend stand sie auf und suchte die Küche. Warum musste sie auch so tollpatschig sein.

Erleichtert hörte sie ein Klappern und so folgte sie dem Geräusch, bis zur Küche. Mamoru stand gerade vor dem Herd und rührte in einem großen Topf herum. Er hatte sie noch nicht gesehen und so konnte sie ihn einen Moment unbemerkt beobachten. Sie konnte es sich nicht erklären, aber sie fühlte sich so zu ihm hingezogen. Am Liebsten wäre sie jetzt zu ihm gegangen, hätte sich an seinen Körper geschmiegt und sich in von ihm halten lassen. Er strahlte so etwas Beruhigendes für sie aus. Sie fühlte sich in seiner Nähe irgendwie richtig wohl. Dabei kannte sie ihn überhaupt nicht. Oder besser gesagt, sie konnte sich nicht an ihn erinnern. Grinsend musterte sie von oben bis unten. Dazu sah er auch noch verdammt gut aus.

„Was gibt es denn da zu grinsen? Etwa die Schürze?“ Lachend deutete er auf ein weißes Stück Stoff, welches er sich um seinen Bauch gebunden hatte.

Ertappt merkte sie, wie sie anlief, wie eine reife Tomate. Er hatte bemerkt, wie sie ihn gemustert hatte. War das peinlich. Sie musste schnell das Thema wechseln und deutete dazu auf den Verband. „Mir ist ein kleines Missgeschick passiert, … nun ist er leider nass.“

Schlagartig veränderte sich seine Miene. Ohne groß etwas zu sagen, kam er zu ihr und bugsierte sie auf einem Stuhl. „Warte kurz.“

 

Besorgt holte er den Verbandskasten heraus. Die Wunde sah nicht gut aus. Hier zu Hause konnte er sie aber nur notdürftig versorgen. Was hatte sie nur gemacht? Warum war sie damit nicht gleich zu einem Arzt gegangen? Sie musste wahnsinnige Schmerzen haben. Schnell nahm er auf dem Stuhl neben ihr Platz und griff nach ihrem Arm. „Zeig mal her.“

Vorsichtig wickelte er den nassen Verband ab. „Vielleicht sollten wir lieber kurz in die Klinik fahren. Hier kann ich deinen Arm nur notdürftig versorgen.“

Ruckartig zog sie ihren Arm weg und sprang regelrecht auf. „Nein, auf keinen Fall! … Das geht nicht.“ Panisch begann sie in der Küche auf und ab zu laufen. „Da wird sie mich nur finden. Nein, das geht nicht. Gehörst du etwas doch zu denen und willst mich zu ihr locken? Willst du mich etwas ausliefern?“

Sofort stellte er sich vor sie, legte sanft seine Hände auf ihre Schultern und versuchte sie zu beruhigen. „Ich weiß zwar nicht, von wem du da sprichst, aber ich gehöre zu niemandem … außer zu dir.“

 

Stumm sah sie ihn seine Augen und beruhigte sich langsam. Wie schaffte er das nur? Er brauchte sie nur ansehen und sie hatte das Gefühl, alles würde gut werden.

„Komm, wir versorgen schnell deine Wunde und dann essen wir.“

Vorsichtig kümmerte er sich um ihren Arm. Doch egal, wie behutsam er auch war, sie hatte wahnsinnige Schmerzen dabei. Doch sie versuchte sich nichts anmerken zu lassen und biss bei jeder Berührung die Zähne zusammen. Sie wollte unter allen Umständen verhindern, dass er nachher doch in ein Krankenhaus mit ihr fahren wollte.

 

Schwer atmete er ein und aus. Er kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie gerade wahnsinnige Schmerzen haben musste. Er hielt es jetzt einfach nicht mehr aus.

„Sag mal Usagi … erzählst du mir, wie das passiert ist?“

Schweigend saßen die beiden einfach nur da und er verband behutsam ihre Wunde. Nach kurzer Stille, er hatte die Hoffnung schon aufgeben, dass sie etwas erzählte, räusperte sie plötzlich.

„Ich … Ich bin in einen Scherbenhaufen gefallen …“, flüsterte sie leise, „Woher kannst du das eigentlich so gut? … Ich meine … das verbinden und so …“

Ihm war klar, dass sie das Thema wechseln wollte, doch sagte er nicht dazu und konzentrierte sich einfach weiter auf ihren Arm. Wenn er sie drängte, ihm etwas zu sagen, kam er auch nicht weiter. Also stieg er lieber auf ihre Frage ein.

„Naja, wenn ich es nicht könnte, wäre ich in meinen Job bestimmt fehl am Platz.“ Grinsend sah er kurz auf. „Ich arbeite im Krankenhaus.“

„Ach so. Also bist du so ein richtiger Arzt?“

Nickend klappte er den Verbandskasten wieder zu und stand auf. „Komm, lass uns essen.“

 

Schweigend saßen die beiden am Tisch und aßen. Sie ahnten nicht, dass genau in diesem Moment, jemand verborgen vor dem Haus stand und es beobachtete …

Kapitel 25

 

Stumm saß sie ihm mit gesenktem Kopf gegenüber am Tisch, stocherte in ihrem Essen herum und hing in ihren Gedanken. Zu gerne hätte er gewusst, worüber sie gerade nachdachte. Aber er wollte sie nicht bedrängen und versuchte daher ganz behutsam ein Gespräch anzufangen.

„Schmeckt es dir?“

Ohne aufzusehen, nickte sie. „Ja, schmeckt sehr gut.“

Wieder herrschte Stille im Raum. Was sollte er denn nur machen? Wie kam er an sie heran?

Doch auf ein Mal hob sie ihren Kopf, legte ihre Stäbchen beiseite und sah ernst zu ihm herüber.

„Ich kann nicht hier bleiben.“

 

Unweigerlich musste sie an Shin denken und, dass dieser nur wegen ihr da mit hineingeraten war. Die Ganze Sache hätte auch anders ausgehen können. Sie hätte sich nie verzeihen können, wenn ihm etwas passiert wäre. Es durften nicht noch weitere Menschen in eine Sache hereingezogenen werden, wo sie selber noch nicht mal genau wusste, warum das alles passierte.

„Es ist viel zu gefährlich für dich, wenn ich hier bleibe.“

„Ich weiß nicht, vor wem oder was, du davon läufst, aber ich werde dich beschützen. Du hast es vielleicht vergessen, aber ich werde immer an deiner Seite stehen. Erinnerst du dich denn gar nicht daran?“

Starr sah sie wieder auf ihren Teller. „Nein, ich weiß nur, dass ich Sailor Moon bin. Prinzessin Serenity. Aber das war es dann auch schon wieder. Als ich damals im Krankenhaus aufgewacht bin, wusste ich nicht ein Mal meinen Namen. Also Usagi mein ich.“

Zitternd krallte sie ihre Finger in die Hose und versuchte ein Schluchzen zu unterdrücken.

 

Mamorus Augen wurden immer größer. Was war nur passiert, nachdem sie erwacht war? Es musste sehr schlimm für sie gewesen sein. Unbemerkt vor ihr ballte er eine Hand zur Faust. Wäre er doch nur nicht zu diesem dämlichen Seminar gefahren. Er wäre da gewesen, als sie wach wurde. Wenn er doch nur wüsste, was ihr passiert war. Er könnte ihr besser helfen. Außerdem beschäftigte ihn die Frage, warum das Krankenhaus sie als Tod erklärt hatte. Wie passte das alles zusammen?

„Was passierte dann?“, fragte er also vorsichtig und hoffte, sie würde endlich etwas erzählen.

 

Zitternd presste sie ihre Lippen aufeinander. Sie konnte einfach nichts mehr sagen. Sie konnte gar nichts dagegen machen, dass ihr die Tränen in die Augen stiegen und so kniff sie schnell ihre Lider zusammen. Die Erinnerungen, wie die beiden sie in den Transporter gezerrt hatten, und in die kleine Hütte verschleppt hatten, ihre Angst, die sie dabei hatte, es kam auf ein Mal alles wieder hoch. Und das Wissen dabei, das alles von Personen geplant war, die sie für ihre Familie gehalten hatte, machte sie zugleich unsagbar wütend.

 

Es zerbrach ihm fast das Herz sie so zu sehen. Er konnte einfach nicht länger da sitzen und zusehen, wie sie offensichtlich litt. Langsam stand er also auf, ging behutsam um den Tisch herum und hockte sich neben sie. „Weißt du, ich saß jeden Tag an deinem Bett und habe so gehofft, dass du endlich aufwachst. Aber drei Monate lang änderte sich nichts. Dann fuhr ich zu einem Seminar … “

Schwer atmend blickte er von ihr weg. Er versuchte sich nichts anmerken zu lassen, wie wütend er auf sich selber war, dass er fuhr. Aber so richtig gelang es ihm nicht. Schnell sprach er also weiter.

„Als ich zurückkam, befand sich eine Nachricht auf meinen Anrufbeantworter, dass du wach wärst. Überglücklich fuhr ich ins Krankenhaus und dann …“

Ein weiteres Mal atmete er tief durch. Die Erinnerung daran machte ihn immer noch fertig. Der Moment als ihm gesagt wurde, dass sie …

„Und dann bekam ich die Nachricht, dass du tot seist. Wochenlang ging ich durch die Hölle, weil ich dachte, du wärst gestorben. Dass ich dich für immer verloren hätte … Usagi, warum hat das Krankenhaus behauptet du wärst tot?“

Mit großen Augen sah sie zu ihm herunter. Ganz offensichtlich war ihr die Tatsache neu. Aber, warum wusste sie davon nichts? Warum verschwand sie denn nur?

Kurze Zeit herrschte wieder Stille. Stumm sahen sie sich einfach nur an, bis sie schließlich ruckartig ihre Augen zusammenkniff und ihre Hände gegen ihren Kopf drückte.

„Natürlich, sie hat an alles gedacht“, murmelte sie vor sich hin und wippte mit ihrem Oberkörper hin und her.

Irritiert zog er eine Augenbraue in die Höhe. Von wem sprach sie nur die ganze Zeit?

„Wer hat an alles gedacht?“

Doch anstatt ihm zu antworten, schüttelte sie nur wimmernd, immer noch die Hände gegen ihre Schläfen gedrückt, ihren Kopf. Er konnte dadurch direkt auf ihren Arm sehen. Er musste zwar herausfinden, was mit ihr passiert war, aber zunächst musste er sich um ihre Verletzung kümmern. Er musste dringend noch mal los in die Klinik Medikamente und Verbandsmaterial besorgen, wenn er sie schon nicht dazu bewegen konnte, ihn dort hin zu begleiten. Er ließ sie zwar nur sehr ungern alleine, aber er hatte nichts weiter im Haus, um die Wunde anständig zu behandeln.

„Usagi?“ Behutsam legte er seine Hand auf ihre Schulter und so nahm sie langsam ihre Hände wieder herunter.

 

Sie blickte direkt in sein besorgtes Gesicht. Er sah sie voller Liebe und Sehnsucht an. Das konnte sie ganz deutlich spüren. Konnte das gespielt sein? Irgendwie konnte sie es sich kaum vorstellen. Was, wenn es aber doch so war? Sollte sie wirklich hier bleiben? Was, wenn es doch ein Trick von Mamiko war? Andererseits, er braucht sie nur ansehen oder berühren und schon stellte sich aus irgendeinem Grund ihr Verstand ab und sie fühlte sich so sicher und geborgen, wie schon lange nicht mehr.

Immer noch fragend sah er sie an, wodurch ihr erst bewusst wurde, dass sie die ganze Zeit noch gar nichts wieder gesagt hatte.

„Ähm, ja?“

„Ich möchte dich wirklich nur sehr ungern alleine lassen, aber ich müsste mal kurz weg … Deine Wunde muss richtig versorgt werden sonst … Ich hab hier einfach nicht die nötigen Sachen. Ich fahr kurz in die Klinik und hole sie.“

Schlagartig zog sich bei dem Gedanken, dass er fortging, irgendetwas zusammen. Sie wollte nicht, dass er sie verließe. Aber es wäre ja nur für kurz, dachte sie sich dann schnell. Warum fühlte sie nur so? Sie kannte ihn doch gar nicht.

„O... Okay“, flüsterte sie und knetete verlegen ihre Finger in den Stoff der Hose. Lächelnd nahm er darauf hin ihre Hände sanft in seine und sah ihr dabei tief in die Augen.

„Lauf nicht weg. Bitte bleib hier und warte auf mich. Versprichst du mir das?“

Sie brachte keinen Ton mehr heraus. Sie konnte nicht mehr klar denken, wenn er so nah bei ihr war und sie mit diesen Augen ansah. Zaghaft nickte sie also nur und langsam erhob er sich daraufhin.

„Iss du bitte in ruhe auf … Ich hole schnell die Medikamente und bin dann gleich wieder da.“

 

Er wollte ihr schon ganz in Gedanken einen Kuss, wie er es immer getan hatte, zum Abschied geben. Ließ es aber im letzten Moment dann doch lieber bleiben. Er durfte nichts riskieren, was sie verschrecken könnte. Kurz lächelte er sie noch an, bis er sich schließlich rasch auf seinem Absatz herumdrehte, in den Flur eilte und mit seinem Schlüsselbund in der Hand und einem mulmigen Gefühl im Magen, die Wohnung verließ. Hoffentlich hielt sie ihr versprechen und würde auf ihn warten.

 

Kaum hatte Mamoru die Wohnung verlassen stand sie vom Tisch auf. Sie war einfach neugierig und begann sich in der Wohnung umzusehen. Ihr gefiel es hier. Sie fühlte sich auf Anhieb wohl. Schlendernd ging sie durch den schmalen Flur und ihr Blick wanderte dabei über eine kleine Kommode. Sofort sprang ihr dabei ein kleines grünes Portemonnaie, neben einem Stapel ungeöffneter Briefe, auf. Er hatte es wohl, in der Eile liegen lassen.

Ein Knacken aus Richtung der Haustür drang in ihre Ohren und so schnappte sie sich die Geldbörse. Er kam wohl noch ein Mal zurück, um es zu holen. Geschwind überwand sie die Distanz zwischen Kommode und Haustür, öffnete schwungvoll die Tür und hielt das Portemonnaie in die Höhe.

„Das hast du wohl verge...“ Doch weiter sprach sie nicht. Kreidebleich rutschte ihr stattdessen zitternd das Portemonnaie aus den Fingern. Schwer schluckend ging sie einen Schritt zurück.

„Was … Wie … Wie habt ihr mich gefunden?“, flüsterte sie und ging noch einen weiteren Schritt zurück in die Wohnung. Sie versuchte ihre Hand in die Hosentasche zu stecken und musste mit Schrecken feststellen, dass diese Hose gar keine hatte. Sie hatte ja gar nicht mehr den Pyjama an, in dessen Tasche sie ihre Brosche, seitdem sie wieder wusste, dass sie Sailor Moon war, steckte.

 

Mamoru war noch nicht weit gefahren, als ihm auffiel, dass er sein Portemonnaie gar nicht eingepackte hatte. Da er nicht davon ausging, dass sein Chef ihm die Medikamente einfach so mitgeben würde, brauchte er dringend Geld. Er würde es zwar erklären, aber zu Not musste er halt selber dafür aufkommen. Außerdem wollte er, nachdem er die Arznei geholt hatte, noch schnell in den Supermarkt. Er war mehr in der Klinik, als zu Hause gewesen und seine Vorräte waren so ziemlich aufgebraucht. Schnell drehte er also um.

 

Fassungslos starrte sie immer noch zur geöffneten Tür. Wie hatte man sie nur so schnell gefunden?

„Usagi bitte, ich möchte nur kurz mit dir reden.“

„Ich wüsste nicht, was es da noch zu reden gibt.“

Mit ausgestreckten Händen stand Kenta auf der Türschwelle und ging langsam auf sie zu.

 

Er war Usagi gefolgt und hatte beobachtet, wie sie bewusstlos von dem Erdenprinzen hier her gebracht wurde. Die ganze Zeit hatte er gewartet, dass dieser mal das Haus verlassen würde, damit er mit ihr alleine sprechen konnte. Wenn er da gewesen wäre, hätte er ihn mit Sicherheit nicht zu ihr gelassen.

 

Erneut sammelten sich die Tränen in ihren Augen. Die ganzen Erinnerungen überkamen sie einfach bei seinem Anblick.

„Und, wo ist Mamiko? Sie wartet bestimmt draußen darauf, dass du mich herausbringst.“

Kenta ging noch näher an sie heran und versuchte nach ihren Händen zu greifen. Ruckartig wich sie zurück und funkelte ihn böse an. „Verschwinde.“

„Ich will nur reden, wirklich … Geht es dir gut?“

„Du kannst aufhören mir etwas vorzuspielen. Das klappt kein zweites Mal.“ Immer weiter wich sie von ihm weg, doch er näherte sich einfach immer weiter, bis er sie schließlich am Handgelenk festhielt. Panisch versuchte sie sich sofort aus seinem Griff zu lösen.

„Ich tue dir nichts. Bitte, du brauchst mir nur kurz zuhören und dann bin ich auch schon wieder weg.“

 

Stöhnend drückte Mamoru auf den Knopf und keine Sekunde später schlossen sich die Türen und der Aufzug setzte sich in Bewegung. Er ärgerte sich über sich selbst, dass er das blöde Ding liegen gelassen hatte. Er wollte sich extra beeilen und nun dauerte es dadurch länger.

Die Türen des Fahrstuhls öffneten sich wieder und so stieg er rasch aus. Schnellen Schrittes steuerte er seine Wohnung an, als er plötzlich stehen blieb. Warum stand die Tür offen? Er hatte sie doch zu gemacht. Hier stimmte etwas ganz und gar nicht. Sofort nahm er wieder seine Beine in die Hand. Er hatte seine Haustür beinahe erreicht, als ihm plötzlich Usagis Stimme in die Ohren drang.

 

„Lass mich sofort los!“

„Ich möchte dir wirklich nur etwas sagen.“

Sie sah Kenta genau in die Augen. Irgendwie glaubte sie ihm, dass er nur reden wollte und ihr nichts antun würde. Aber, was gab es da noch zu sagen? Er, Mamiko und seine Brüder haben sie nur benutzen wollen. Ja, aber für was eigentlich? Warum spielten sie diese ganze Scharade. Immer noch hielt er ihr Handgelenk fest und nahm nun mit der anderen Hand ihre andere Hand in seine. Sie fühlte sich so seltsam in seiner Gegenwart. Die ganzen Wochen, wo sie dachte, er wäre ihr Verlobter. Er war ihr vertraut geworden. Sie mochte ihn ja auch auf eine gewisse Art. Zumindest, dass was sie glaubte, von ihm zu kennen. Sie wusste ja nicht mal, wer er wirklich war. Er spielte ja alles nur vor. Oder etwa doch nicht? War vielleicht doch nicht alles gelogen?

„Du musst etwas wissen. Bitte glaube mir, was ich dir am Abend bevor-“

Weiter kam er jedoch nicht. Im Augenwinkel konnte sie sehen, wie Mamoru in die Wohnung stürmte.

„Lass sie los!“, knurrte er, riss Kenta von ihr weg und drückte ihn an seinen Schultern gegen die Wand. „Wer bist du und was willst du von ihr?“

„Ich wollte nur mit ihr reden, ehrlich.“

Wütend packte er ihm am Kragen und zog ihn etwas hoch. „Das sah mir nicht nach Reden aus. Also, was willst du von ihr?“

Doch bevor Kenta ihm antworten konnte, legte sie ihre Hand auf Mamorus Arm.

„Ist Okay. Du kannst ihn loslassen. Er wird uns nichts tun. Habe ich recht Kenta?“

Wenn sie herausfinden wollte, warum das alles passierte, blieb ihr nichts anderes übrig, als mit Kenta zusprechen.

Kenta nickte und so wurde er schnaufend von Mamoru wieder losgelassen. „Na gut, dann lass uns reden“, brummte er, schloss hinter sich die Tür und deutete in Richtung Wohnzimmer.

Schweigend liefen sie herüber. Sie merkte, dass Mamoru sie keine Sekunde aus den Augen ließ und so setzte sie sich auf das Sofa. Kenta setzte sich ihr genau gegenüber auf einen kleinen Sessel und traute sich offenbar nicht sie anzusehen.

Nachdem auch Mamoru direkt neben ihr Platz genommen hatte und, wie ein Wachhund, zu Kenta herüber sah, atmete sie schwer aus und sah dann auch zu Kenta herüber. „Also. Was wolltest du sagen?“

„Ich …“ Langsam sah Kenta wieder auf, wodurch sich kurz ihre Blicke trafen. Schnell senkte sie jetzt jedoch wieder ihren Kopf. Die ganzen Erinnerungen der letzten Monate trafen sie schmerzlich. Sie hatte ihm vertraut. Ja, sie mochte ihn zum Schluss sogar sehr gerne. Sie wusste nicht, wie sie nun damit umgehen sollte. Sie hatte die ganzen Monate in einer großen Lüge gelebt und warum? Genau das wollte sie nun von ihm wissen. „Kenta … Warum? … Warum das alles … die ganzen Monate?“

 

Sofort stutzte Mamoru zusammen. War sie die ganze Zeit etwa bei diesem Kerl gewesen? Wer war er nur? Er sagte aber erst ein Mal keinen Ton, auch wenn es ihm schwerfiel, und wartete ab, was dieser zusagen hatte.

 

Kenta atmete tief durch und fing mit zittriger Stimme anzusprechen.

„Usagi … Es … Es tut mir so leid, dass ich dir nicht geholfen habe, als … als … “

Er konnte nicht weiter sprechen. Er hatte das Bild von ihr im Kopf, wie sie hilflos in Akitas Gewalt zurückblieb und er mit seiner Schwester die Halle verließ.

„Als du mich bei ihm zurückgelassen hattest …“, beendete sie dafür seinen Satz und nickend sah er auf seine Füße herunter. „Ich … ich … hatte einfach keine andere Wahl.“

 

Ungehindert liefen ihr nun die Tränen bei dem Gedanken daran über ihre Wangen. Wäre sie seinen Brüdern nicht entwischt und hätte sich wieder an ihre Identität als Sailor Moon erinnert, dann …

„Und warum das alles? Wofür?“, schluchzte sie und ballte nun ihre Hände zu Fäusten.

 

Kenta wollte aufstehen und sie in den Arm nehmen, sah aber, wie Mamoru ihn genau musterte, und blieb lieber sitzen. Er hatte ja auch gar nicht das Recht dazu. Er war ja sogar mit Schuld daran, dass es ihr so ging. Daher hatte sie auch die Wahrheit verdient.

„Mamikos Plan war es, dich gegen die anderen Sailor Kriegerinnen einzusetzen, damit du sie für uns aus dem Weg räumst. Und gegen … “ Kurz sah er zu Mamoru herüber, bevor er wieder zu ihr sah. „Gegen ihn. Deinen Prinzen.“

 

Schlagartig weiteten sich ihre Augen. Die anderen Sailor Kriegerinnen? Kämpfte sie doch nicht alleine? Und ihren Prinzen? Nachdenklich sah sie Mamoru an. Er war ihr Prinz? Was meinte Kenta damit?

 

Auch Mamoru musste schwer schlucken. Usagi sollte gegen ihn kämpfen? Warum? Was hatte das alles nur zu bedeuten? Er verstand überhaupt nichts.

 

„Und danach … danach solltest …“

Sie konnte sich schon denken, was nun kommen würde. „Danach sollte ich dran sein … nicht wahr?“, flüsterte sie und knetete ihre Hände ineinander. Stumm nickte Kenta und sie konnte genau sehen, dass sein Körper begann zu zittern.

 

Mamoru hatte genug gehört. Ruckartig sprang er vom Sofa auf und sah zwischen ihr und diesem Typen hin und her. Was war da nur geschehen? Er wollte jetzt nicht mehr länger im Dunkeln sitzen und endlich wissen, was passiert war. „Könntet ihr mich mal aufklären, was das alles zu bedeuten hat? Wer ist Mamiko und wo warst du die ganze Zeit Usagi?“

 

Langsam sah sie zu ihm auf. Er sah so verzweifelt aus. Sie musste ihn jetzt einfach alles erzählen. Tief in ihrem Herzen wusste sie, dass er die Wahrheit gesagt hatte, und sie zu ihm gehörte. Auch Kentas Aussage, sie sollte auch ihn beseitigen, ihren Prinzen, wobei sich nicht wusste, was er damit meinte, bestätigte ihr Gefühl.

„Du solltest dich besser setzen.“

Stumm ließ sich Mamoru wieder auf das Sofa fallen.

„Also, … alles fing damit an, dass ich im Krankenhaus aufgewacht bin ...“

Sie erzählte alles haargenau, auch wenn es ihr schwerfiel, dadurch alles noch ein Mal durchleben zu müssen …

 

 

Kapitel 26

 

Mamoru ertrug es kaum, was sie erzählte. Was hatte sie nur durchmachen müssen. Schwer atmend klammerte er seine Finger in den Stoff seiner Hose und versuchte sich zu beherrschen, damit er nicht direkt auf diesen Typen losging. Er musste sie in Ruhe ausreden lassen, wenn sie nun endlich darüber sprach.

 

Kenta drehte seinen Kopf zur Seite. Auch er hatte es aus dieser Sicht noch nicht gehört. Wie seine Brüder mit ihr umgangen sind, so schlimm hatte es sich bei ihnen nicht angehört. Es tat im alles so leid. Jedoch, bevor Usagi zu ihm kam, empfand er ja ebenso, also machte er seinen Brüdern keinen Vorwurf. Aber der Frau, die damals zu ihm und seinen Geschwistern kam und ihnen all diese Dinge eingeredet hatte … Erst jetzt im Nachhinein wurde ihm bewusst, dass sie nur ihre Marionetten waren und sind. Spielfiguren in ihrem Spiel.

 

Usagi redete weiter und weiter und kam schließlich zu dem Tag, als sie herausfand, dass Mamiko gelogen hatte. Kurz hielt sie allerdings inne. Sie kam an dem Punkt ihrer Erzählung an, als sie und Kenta sich geküsst hatten. Sie konnte genau sehen, dass Kenta genau wusste, was nun kam, und versuchte Mamorus Blick auszuweichen. Kurz überlegte sie, ob sie dieses Detail nicht vielleicht lieber auslassen sollte, entschied sich jedoch schnell dagegen. Mamoru hatte die ganze Wahrheit verdient. Bevor sie allerdings weiter reden konnte, wandte sich Kenta plötzlich an sie.

„Ich weiß, was du nun erzählen wirst, aber bevor du dies tust. Es war die Wahrheit, was ich dir an diesem Tag gesagt habe. Das wollte ich dir vorhin schon sagen …“

Mit großen Augen starrte sie ihn an. Ihr Gefühl hatte sie also doch nicht getäuscht, dass es Kenta zumindest zum Schluss ernst mit ihr meinte. Warum hatte er ihr dann nicht geholfen? Sie verstand es einfach nicht. Sie wusste auch nicht, wie sie jetzt damit umgehen sollte. Sie hatte Kenta gerne gehabt, aber da waren nie diese Gefühle, welche sie bei Mamoru vom ersten Moment an verspürte, seitdem sie in ihn hineingelaufen war. Genau dieser sah sie nun immer verwunderter an.

Schwach lächelnd sah sie kurz zu Kenta, bevor sie sich dann schließlich wieder an Mamoru wandte.

„Und dann hat Kenta mich beruhigt und wir … und wir haben uns geküsst … Er sagte mir, dass er mich lieben würde.“

 

Laut schnaufend sprang er vom Sofa auf, ballte seine Hände zu Fäusten und funkelte Kenta böse an. Wütend biss er die Zähne zusammen. Das war es also. Das hatte er damals also gespürt.

 

Sofort sprang auch sie auf und versuchte ihn direkt zu beruhigen. Wenn sie ein Paar waren, was musste er denn jetzt von ihr denken? „Es tut mir leid … Ich dachte doch damals … “ Schlagartig änderte sich seine Miene und sanft strich er ihr über die Wange. „Nein alles gut, du kannst doch nichts dafür …“ Sie merkte zwar an seiner gesamten Körperhaltung, dass es in ihm brodeln musste, doch er versuchte sich zu beherrschen.

„Erzähl weiter“, presste er zwischen seine Lippen hindurch, schenkte Kenta noch ein verächtliches Schnauben und nahm wieder Platz. Nickend setzte sie sich wieder auf das Sofa und setzte ihre Geschichte fort.

„Naja und dann bin ich dir in die Arme gelaufen“, endete sie und traute sich im ersten Moment nicht aufzusehen. Erst als sie merkte, wie Mamoru neben ihr ruckartig wieder aufsprang.

 

Kopflos sprang er auf, überwand die Meter, die ihm von diesem Kenta trennten, und schlug ihn mit geballter Faust mitten ins Gesicht, wodurch er vom Sessel fiel. Blitzartig packte er ihn danach am Kragen, zog ihn wieder hoch und begann ihn zu schütteln. „Warum hast du ihr nicht geholfen, wenn du sie doch angeblich liebst? Du hast sie einfach ihrem Schicksal überlassen! Wenn sie nicht entwischt wäre dann … “, brüllte er immer lauter und schlug erneut auf ihn ein.

Er wollte sich nicht ausmalen, was passiert wäre, wenn sie nicht entkommen wäre. Zitternd kniff er seine Augen zusammen. Dann hätte er sie wirklich für immer verloren und hätte nicht mal etwas dagegen machen können. Er hätte Kenta gerade am Liebsten sonst wohin gejagt, doch Usagi trat plötzlich näher an die beiden heran.

„Warum hast du keine Wahl gehabt?“, flüsterte sie leise.

Ruppig ließ er Kenta daraufhin los und verschränkte seine Arme vor der Brust. Das wollte er jetzt aber auch wissen. Wobei er ihm ja fast dankbar sein konnte, sonst säße sie mit Sicherheit immer noch bei ihm und er hätte keine Spur von ihr.

 

Kenta wollte ihr endlich die ganze Wahrheit erzählen, warum er nicht anders konnte. Damit sie es verstehen würde, warum er so gehandelt hatte. Er hoffte gar nicht darauf, dass sie ihm vergab. Nur, dass sie es verstand. „Mamiko hat uns in der Hand.“

„Sie hat euch in der Hand?“ Irritiert sah sie ihn an.

„Du kennst doch ihr Amulett oder? Das Grüne, welches sie nie abnimmt.“

Schnell nickte sie. „Ja, natürlich kenne ich das.“

„Unsere Seelen sind daran, sagen wir, gebunden. Mamiko könnte uns jederzeit, wenn sie wollte, davon lösen und naja … das war es dann, für einen.“

Mit großen Augen griff sie nun nach seinem Arm und hielt ihn fest. „Aber warum? Hat es irgendetwas damit zu tun, woran ich schuld sein soll?“

Jetzt mischte sich auch Mamoru wieder mit ein. „Woran sollst du denn schuld sein?“

Kopfschüttelnd sah sie Mamoru an. „Das weiß ich leider auch nicht.“

„Dazu muss ich glaub ich etwas weiter ausholen“, sprach er mit rauer Stimme, „Damals lebte ich mit meiner Familie auf einem kleinen Planeten. Er war der Erde eigentlich ziemlich ähnlich. Doch durch Hass und Krieg wurde er zerstört. Unsere Eltern kamen dabei ums Leben. Seitdem kümmerte sich Mamiko um uns. Akita und Akuma waren gerade mal vier … Deine Mutter, Königin Serenity, kam uns zwar zur Hilfe, doch es war zu spät. Unser Planet war zerstört. Sie gab den wenigen Bewohnern, die es geschafft hatten, ein neues Zuhause. So kam ich mit meinen Geschwistern auf den Mond. Genau genommen in den Palast. Eine Dienstmagd nahm uns bei sich auf. Wir hörten so viele Geschichten über den Kristall. Dass er so viel Macht hätte und was man mit ihm alles machen könnte … Da kamen wir auf die blödsinnige Idee, dass wir damit unsere Eltern zurückholen könnten … Naja wir waren noch Kinder und wussten es nicht besser … Wir wollten ihn wirklich nur ausleihen … Eines Tages hatte Mamiko, ich weiß gar nicht woher, den Schlüssel für das Zimmer, in dem der Kristall aufbewahrt wurde.“

Traurig sah er Usagi an. „Gerade als Mamiko ihn in die Hand genommen hatte, stand plötzlich ein kleines Mädchen hinter uns … Es hat so einen Lärm gemacht. Wir wollten dem Mädchen zwar erklären, dass wir ihn nur ausborgen wollten, aber sie hörte uns gar nicht zu und hatte stattdessen seine Mutter gerufen, wodurch wir aufgeflogen sind … Naja wir wurden für den Verrat verbannt und mussten unser Dasein im Dunkeln fristen …“

Mit geweiteten Augen sah Usagi ihn wieder an. „Dieses Mädchen … dieses Mädchen war ich oder?“

„Ja … Aber es war ja unsere eigene Schuld, wir hätten ihn nicht nehmen dürfen. Aber du musstest es wissen, damit du verstehst, was dann passierte.“

Kopfschüttelnd sah Mamoru zu ihm herüber. „Aber was hat das Amulett nun damit zu tun?“

„Dazu komm ich jetzt … Wir waren also nun verbannt und versuchten uns durchzuschlagen, bis wir schließlich auf eine alte Frau trafen. Sie war so nett und half uns irgendwie durchzukommen. Wir erzählten ihr, was passiert war und sie fing immer mehr an, uns einzureden, dass die Familie des Mondes an allem schuld wäre und wir nur in Frieden leben könnten, wenn der Kristall und die ganze Familie zerstört wären. Wir glaubten ihr, wir waren naive kleine Kinder, die man gut täuschen konnte. Und schon bald erhielt Mamiko ein seltsames Amulett von ihr. Sie sagte, es hätte große Macht, doch es brauche dafür einen Pfand … Unsere Seelen … Im Gegenzug erhielten wir ewiges Leben. Mamiko übte sich in der Kunst der Schwarzen Magie und wurde stärker und stärker. Doch dann wurde das Mondkönigreich zerstört und wir dachten, es wäre vorbei und irrten durch die Galaxie, auf der Suche, nach einem Zuhause … Doch nach einiger Zeit trat die alte Frau wieder an uns heran und berichtete, dass die Prinzessin wiedergeboren wäre und nun auf der Erde leben würde. Sie schürte erneut den Hass in uns, dass …“

Er sah ihr nun direkt in die Augen. „Du in Frieden leben würdest und dich lustig machen würdest über uns. Dass wir heimatlos herumirren würden und du stattdessen friedlich dein Leben leben würdest und lauter solche Dinge.“

„Aber das, das stimmt doch gar nicht!“

„Das heißt, wenn du dich gegen deine Schwester lehnen würdest, würde sie deine Seele freilassen und du würdest dann …“, murmelte Mamoru und ließ sich nachdenklich gegen die Lehne fallen.

„Richtig.“ Bestätigend nickte er. „Sterben.“

 

Kurze Zeit herrschte Stille, bis sich Usagi schließlich räuspernd bemerkbar machte. Ihr brannte nun aber doch noch eine Frage auf der Zunge. „Warum kann ich mich nicht an Mamoru oder die Kriegerinnen erinnern?“

„Mamiko hat deine Erinnerung blockiert … Wie weiß ich allerdings auch nicht. Weißt du noch den Tag am See, wo ich mit zum Auto sollte? Da hat sie es mir erzählt. Du würdest dich so schnell nicht an die Kriegerinnen und an den Prinzen erinnern, hatte sie gemeint.“

„Sie hat … Ich bin wirklich nicht alleine? …“, flüsterte sie leise.

„Nein. Das bist du nicht …“, murmelte Kenta und ungläubig schüttelte sie ihren Kopf.

Das musste sie erst ein Mal verarbeiten. Ihr Herz raste. Sie konnte das alles gar nicht glauben. Nach Luft schnappend wurde ihr schwindelig. Sie musste sich dringend setzen. Wankend wollte sie zurück zum Sofa. Doch hatte sie die Rechnung, ohne ihre Beine gemacht, die ihr einfach wegklappten. Sofort eilten Mamoru und Kenta auf sie zu und halfen ihr, damit sie nicht komplett umkippte.

 

Kenta dachte gar nicht darüber nach, was er machte und hielt Usagi an ihrem Arm fest, bis Mamoru ihn schroff anging.

„Lass sie los! Wenn du ihr jemals wieder zu nahe kommst, dann ...“

„Ist schon gut“, beruhigte Usagi ihn und ließ sich von ihm auf das Sofa setzen.

„Sag mal Kenta, wer ist diese alte Frau überhaupt?“

Unschlüssig zuckte er mit den Schultern. „Ich weiß es gar nicht genau … genau genommen, ist sie gar keine alte Frau mehr. Sie hat uns nie ihren richtigen Namen gesagt. Sie meinte nur, ihr Name sei nicht wichtig. Wir nannten sie immer nur die nette Lady.“

 

Wieder einmal, wie so oft schon am heutigen Tag, herrschte Stille im Raum. Jeder hing in seinen Gedanken, bis plötzlich das Telefon klingelte.

„Ah, verdammt. Das sind bestimmt ...“ Doch den Rest hörte Usagi nicht mehr, da Mamoru im Flur verschwand.

 

Eilig ging Mamoru herüber zu dem Schränkchen, auf dem das Telefon stand und griff zum Hörer.

„Rei … Euch hab ja total vergessen. Ich muss … “

 

Schweigend blieben Kenta und Usagi im Wohnzimmer zurück. Doch dann ballte Kenta auf ein Mal seine Hände.

„Oh nein. Sie ruft mich … Ich muss weg. Sie darf mich nicht hier bei dir finden, sonst bist du in Gefahr!“

Ohne ein weiteres Wort stürmte Kenta aus dem Wohnzimmer, an Mamoru vorbei, und verließ hastig die Wohnung.

Verwundert folgte Usagi ihm in den Flur und sah nur noch, wie er aus der Tür verschwand. Mit großen Augen sah Mamoru ebenfalls in die Richtung der Haustür und drückte, ohne nachzudenken den roten Knopf auf dem Hörer.

 

 

Fassungslos starrte Rei auf das Telefon in ihrer Hand an. „Jetzt hat er einfach aufgelegt.“

Schimpfend drückte sie den Knopf und legte das Telefon auf den Tisch.

„Ja und?“, drängelte Minako.

„Er meinte bloß, dass er dringend mit uns sprechen müsse. Und dann hat er aufgelegt. Er war glaube ich nicht alleine zu Hause. Im Hintergrund waren Stimmen zu hören.“

„Von wem?“

Schulterzuckend blickte sie auf das Telefon. „Keine Ahnung. Es war zu kurz, um etwas zu verstehen.“

„Komm gib mal her.“

Schwungvoll schnappte sich Minako das Telefon und wählte Mamorus Nummer. „Er kann doch nicht einfach auflegen.“

 

Kapitel 27

 

Nachdenklich sah sie auf die Haustür. Doch dann fuhr sie plötzlich erschrocken zusammen, als Mamoru plötzlich hinter ihr stand. Sie hatte ihn gar nicht kommen gehört.

„Wo ist er hin?“

„Ich habe keine Ahnung. Er meinte, sie würde ihn rufen. Ich denke mal, er meinte Mamiko.“

 

Besorgt legte Mamoru sein Gesicht in Falten. Ihm gefiel es gar nicht, dass Kenta wusste, wo sie sich aufhielt. Es hörte sich zwar so an, als würde er sie nicht verraten. Aber sicher wissen konnte man das auch nicht.

In ihrem Zustand war sie auf jeden Fall nicht in der Verfassung zu kämpfen. Er durfte sie keinen Moment mehr aus den Augen lassen.

Seine Grübeleien wurden jedoch durch das erneute Telefonklingeln unterbrochen. „Ach Mist. Das ist bestimmt wieder Rei. Bin gleich wieder da.“

Schnell huschte er zurück zum Telefon.

 

Irritiert zog sie ihre Augenbrauen nach oben. Rei? Langsam ging sie ihm hinterher. Ihr war plötzlich wieder so schwindelig. Sie traute sich kaum noch einen Fuß vor den anderen zu setzen. Sie fühlte sich irgendwie gar nicht gut, und das hatte nicht nur mit Kentas plötzlichem Auftauchen zu tun. Ihr war so warm und gleichzeitig fror sie am ganzen Körper. Was war nur los mit ihr? Als sie Mamoru endlich erreicht hatte, unterhielt er sich schon angeregt mit jemandem.

„Nein, das halte ich im Moment noch für keine gute Idee. Sie erinnert sich nicht an euch. Lasst ihr ein paar Tage Zeit … Was? Luna ist wieder da? … Die auch? … Das ist gut. Das verschafft uns etwas Zeit. … Ja, das sollten wir. Aber jetzt ist erst ein Mal wichtig, dass sie sich erholt … Ja okay, ihr seit heute im Crown.“

Seufzend legte er auf und ließ für einen Moment seinen Kopf hängen.

„Mit wem hast du gesprochen? Ihr habt doch über mich geredet oder?“

Langsam drehte er sich zu ihr und versuchte sie anzulächeln. Doch so richtig gelang es ihm nicht. Es sah eher gequält aus. „Das war Minako … Sie ist eine gute Freundin von dir und dazu noch eine Sailor Kriegerin. Sie wollte unbedingt mit den anderen herkommen. Aber ich dachte, es wäre bestimmt noch zu viel für dich.“

„Danke“, flüsterte sie und senkte ihren Kopf.

Sie war ihm wirklich dankbar. Das wäre ihr im Moment alles viel zu viel gewesen. Sie musste erst mal überhaupt damit klarkommen, was sie alles gehört hatte. Sie war gar nicht alleine, wie sie die ganze Zeit gedacht hatte. Nein sie hatte Mitstreiter, Freunde und dazu …

Vorsichtig blickte sie wieder auf und betrachtete ihn nun genau. Prompt merkte sie auch schon, wie ihr wieder die Röte in die Wangen schoss. Dazu hatte sie noch ihn. Sie erinnerte sich zwar nicht, aber ihr wurde immer ganz anders, wenn er in ihrer Nähe war. So als würden ihr Tausende von Schmetterlingen wirr durch den Bauch fliegen.

Schweigend standen sie sich einfach gegenüber. Sie sah ihm dabei tief in die Augen und wie aus dem Nichts blitzten auf ein Mal Bilder vor ihrem inneren Auge auf. Bilder, die sie und Mamoru zeigten. Es war wie kleine Filmschnipsel, die wild durcheinander gewürfelt wurden.

Doch auf einem Schlag bekam sie ein ganz anderes Gefühl. Es drehte sich alles um sie herum und Mamoru verschwamm vor ihr zu einem verzehrten Etwas.

Stöhnend kniff sie ihre Augen zusammen und drückte ihre Händen gegen ihren Kopf. Die Bilder, welche sie gerade noch vor sich sah, wurden von einem schwarzen Schleier verschlungen und sie fühlte wieder nichts als Leere in sich.

Irgendwo in weiter Ferne hörte sie jemanden rufen, aber die Stimme schaffte es einfach nicht, wirklich zu ihr durchzudringen.

 

„Hey Usagi … Usagi … Alles in Ordnung?“

Er machte sich große Sorgen um sie. Sie reagierte einfach nicht auf ihn. Sie stand einfach nur zitternd vor ihm und hielt sich ihre Hände gegen ihren Kopf. Vorsichtig legte er daher seine Hände auf ihre Schultern, wodurch sie zusammenzuckte und ruckartig ihre Augen aufriss. Hastig atmend starrte sie ihn an.

„Ganz ruhig. Es ist alles gut.“

 

Verwirrt sah sie sich um. Was war das nur gerade?

„Auf ein Mal war alles dunkel … und … und …“

Er nahm ihre Hand und versuchte sie zu beruhigen. „Komm, setz dich erst mal hin.“

Rasch nickte sie und so gingen sie zusammen zurück ins Wohnzimmer und setzten sich auf das kleine Sofa. Ein eiskalter Schauer zog durch ihren Körper und zitternd schlang sie ihre Arme um ihren Oberkörper. „Mir ist so kalt.“

Ohne etwas zu sagen, griff er nach einer kleinen Wolldecke neben sich und wickelte sie um ihre Schultern.

„Danke“, murmelte sie, sah auf den Boden herunter und hatte keine Ahnung, was sie sagen sollte. Irgendwie war es eine seltsame Stimmung zwischen ihnen. Sie hatte zwar immer noch keine Erinnerungen an ihn und doch wusste sie nun gewiss, dass es stimmte, dass sie ein Paar waren. Sofort musste sie an den Kuss mit Kenta denken. Auch, wenn Mamoru bisher nichts dazu gesagt hatte, er war mit Sicherheit nicht begeistert darüber, wenn seine Freundin einen anderen küsste. Wie konnte sie es ihm verübeln. Sie musste die ganze Sache auf jeden Fall noch ein Mal ansprechen, nur wie? Da er aber auch nicht zu wissen schien, was er sagen sollte, beobachtete sie ihn verstohlen von der Seite. Schwer atmete er hörbar aus und sie merkte, dass er hin und her überlegte etwas zu sagen, da er immer wieder seinen Mund öffnete, nur ihm sofort wieder zu schließen.

„Du bist mit Sicherheit jetzt sauer mich.“ Schuldbewusst verzog sie ihr Gesicht.

„Was?“ Ruckartig drehte er sich zu ihr und sah sie mit großen Augen an.

„Na, weil ich doch Kenta … Weil Kenta und ich uns geküsst haben und wir doch, wie ich jetzt weiß, naja, weil wir doch zusammen sind.“

„Ich bin nicht sauer auf dich Usagi. Du … du konntest es doch nicht wissen … Es ist nur …“

Seufzend wandte er sich von ihr ab, senkte seinen Kopf und sah stur auf seine Füße herunter.

„Es ist nur?“

„Empfindest du etwas für diesen Kenta?“ Ohne sie anzusehen, starrte er einfach weiterhin auf den Boden. Stumm sah sie nun auch herunter. „Er gehört zu unseren Feinden.“

„Das ist nicht der Punkt … Magst du ihn? Ich meine, du hast so viele Wochen mit ihm, in dem Glauben, dass er dein Verlobter ist, zusammengelebt … Kann doch sein, dass du dich dabei …“

Sie konnte im Augenwinkel sehen, wie er langsam wieder aufsah und so blickte sie ihn auch wieder an.

„Ich …“

Ja, wie stand sie überhaupt zu Kenta? Das war wirklich eine gute Frage. „Ich weiß es nicht. Ich mag ihn schon irgendwie. Ja“, gestand sie ihm ehrlich.

„Verstehe“, flüsterte er knapp und senkte wieder seinen Kopf. Sie konnte genau sehen, wie er tief einatmete und seine Hände dabei ineinander knetete.

„Ich hab ihn gern, aber nicht so, wie du jetzt vielleicht denkst … Ich meine, da war nie dieses … naja … dieses Gefühl … also, so wie bei dir … und …“, stammelte sie vor sich her und merkte auch schon wieder, wie ihre Wangen warm wurden und mit Sicherheit mal wieder einer Tomate glichen.

„Wie bei mir?“

„Ja … Also … Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll … Es … ist …“ Stöhnend pustete sie aus. Wie sollte sie jemanden sagen, den sie gar nicht kannte, oder besser gesagt, sie sich nicht erinnern konnte, der sich im Gegenzug ganz genau an ihre gemeinsame Zeit erinnern konnte, wie sollte sie ihm sagen, dass ihr Herz jedes Mal einen Hüpfer machte, obwohl sie ihn gerade, genau genommen, gar nicht kannte.

Tief atmete sie ein. Die ganze Sache war einfach so kompliziert. „Tut mir leid …“, murmelte sie und kratzte sich verlegen an ihrem Kopf.

„Du musst dich nicht entschuldigen. Ich bin einfach nur so froh, dass du wieder bei mir bist.“

Kurz lächelte er sie an, doch dann verzog sich auf einem Mal wieder seine Miene und er wandte sich von ihr ab. „Und gleichzeitig bin ich so wütend auf mich selber, dass ich nicht da war, um das alles zu verhindern.“

„Aber das konnte doch keiner vorauszusehen … Außerdem wäre ich sehr böse auf dich gewesen, wenn du nicht gefahren wärst. Ich weiß doch, wie wichtig es für dich ist …“

Stutzig zuckte sie zusammen. Warum hatte sie das gesagt? Die Worte kamen irgendwie ganz automatisch über ihre Lippen und für einen kurzen Moment hatte sie das Gefühl sich an irgendetwas zu erinnern.

„Nichts ist wichtiger als du, hörst du … Warte. Moment mal. Du weißt? Heißt das, dass du dich?“ Schlagartig drehte er sich wieder zu ihr und sah sie mit großen Augen an.

„Ich … es war nur … keine Ahnung.“ Tief sah sie ihm in die Augen. Doch plötzlich drehte sich erneut alles vor ihr und es wurde wieder alles schwarz vor ihren Augen, bis nichts mehr übrig war als tiefe Leere.

Kopfschüttelnd krallte sie ihre Finger in ihre Haare. Immer wenn sie dachte, sie würde sich an etwas erinnern, wurde es einfach weggerissen. Das konnte nur Mamikos Werk sein. Das musste diese Blockade sein, von der Kenta sprach. Wie sollte sie die nur wieder los werden? Allmählich kullerten ihr wieder die Tränen über die Wangen. „Mamiko …“, flüsterte sie vor sich hin und wippte mit ihrem Körper hin und her.

 

Mamoru wusste zwar nicht, wie sie reagieren würde, aber er konnte und wollte sich jetzt nicht mehr zurückhalten. Er ertrug es einfach nicht, sie so zusehen. Vorsichtig beugte er sich zu ihr und strich ihr sanft über die Wange. Doch ruckartig nahm er seine Hand wieder zurück.

„Du glühst ja!“

Sofort legte er seinen Handrücken auf ihre Stirn, fühlte ihren Puls und wurde kreidebleich.

„Usagi wir müssen dich in die Klinik bringen.“

Kopfschüttelnd zog sie die Decke enger um sich herum. „Nein, ich möchte nur ein wenig schlafen.“

Ohne ein weiteres Wort legte sie ihren Kopf auf die Sofalehne und schloss ihre Augen. Sie war so müde und erschöpft. Ihre Verletzung am Arm meldete sich auch pochend zurück. Sie hatte den Schmerz, als Kenta da war, einfach weggedrückt. Doch jetzt, wo sie zur Ruhe kam, gelang ihr es nicht mehr.

 

Nervös rutschte er näher an sie heran. Dieses Mal würde er nicht locker lassen. Sie brauchte dringend ärztliche Hilfe, die er hier zu Hause nicht leisten konnte.

„Bitte lass mich dich doch in die Klinik bringen. Dir wird nichts passieren. Ich lasse nicht zu, dass sie dich mir noch mal wegnehmen. Da ich jetzt weiß, was passiert ist, weiß ich, worauf wir aufpassen müssen.“

„Ich weiß nicht, was wenn-“

„Dir wird nichts passieren. Versprochen. Hier kann ich deinen Arm einfach nicht richtig behandeln. Wir fahren kurz in die Klinik und sind danach ruckzuck zurück.“ Er versuchte so ruhig, wie möglich zusprechen. Sie durfte nicht merken, dass er sich große Sorgen um sie machte. Ihre Temperatur und ihr schneller Puls … Er hoffte, dass es einfach nur Zufall war und nicht im Zusammenhang mit ihrer Wunde am Arm stand.

 

Nach weiteren Bitten und Drängen von ihm stimmte sie dann doch zu. Wenn sie an ihren Arm dachte, wusste sie, dass er recht hatte. Langsam richtete sie sich also wieder auf. „Mamoru … wo ist meine Brosche?“

Ohne ein weiteres Wort stand er auf, verließ das Wohnzimmer, nur um kurze Zeit später mit ihrer Brosche in der Hand wieder vor ihr zu stehen.

„Na komm. Lass uns los.“

 

Eilig rannte Kenta durch die Straßen zu seiner Schwester. Sie durfte nicht wissen, dass er bei ihr war. Vor der Tür angekommen, holte er noch mal tief Luft und öffnete dann die rostige Metalltür, die zu einer kleinen Lagerhalle gehörte. Quietschend schob er die Tür auf und hatte somit sofort die gesamte Aufmerksamkeit seiner Geschwister. Sofort erschrak er bei dem Anblick seiner Schwester. Ihre Augen waren pechschwarz, und obwohl sie aussah, wie Mamiko, konnte er seine Schwester kaum wiedererkennen.

„Na, wer lässt sich denn auch endlich mal blicken“, gab Akita verachtend von sich.

Doch bevor er überhaupt etwas sagen konnte, brachte Mamiko Akita zum Schweigen.

„Akita, Akuma. Ihr wisst, was zu tun ist. Also macht euch auf den Weg.“

Die beiden standen auf, verbeugten sich kurz und schon hatten sie den Raum verlassen.

„Wo sind die beiden denn so schnell hin?“

 

Mamiko antwortete Kenta jedoch nicht. Stattdessen stelle sie sich an das kleine Fenster, schaute heraus und dachte an ein Gespräch, welches nur ein paar Stunden zurücklag.

 

Mamiko! Wie kann es sein, dass die Prinzessin immer noch frei herumläuft. Ich bin sehr enttäuscht von dir!“

Herrin, wir durchsuchen bereits die ganze Stadt, es kann nicht mehr lange dauern, bis wir sie gefund...“

Schweig! Ich hab deine Ausreden so satt. Am liebsten würde ich …“

Der Boden unter ihren Füßen begann zu beben. Vorschreck ging sie in die Knie und senkte ihren Blick. Die junge Frau, zu der sie sprach, trat näher an sie heran, stemmte ihre Hände auf ihre Hüfte und beugte sich langsam zu ihr herunter. Ihre langen schwarzen Haare legten sich dadurch über ihre eigenen Schultern. Sie brannten auf ihrer Haut wie Feuer. Sie traute sich kaum zu atmen.

Ich weiß ganz genau, wo sich das kleine Prinzesschen befindet. Wie kann es sein, dass ihr immer noch die Stadt absucht?“, zischte die Frau vor Wut.

Langsam ging die Frau weiter in die Hocke und nahm das Amulett, welches um ihren Hals hing, in beide Hände. Das Amulett und die Hände der Frau fingen an zu glühen und Mamiko schrie auf vor Schmerzen.

Habt ihr mir nicht alles zu verdanken? … So dankt ihr es mir? … Ihr habt es doch gar nicht verdient, weiterhin in meiner Gunst zustehen.“

Mamiko krümmte sich vor Schmerzen auf dem Boden. Sie versuchte die Frau zu besänftigen.

Bitt... bitte gebt uns noch eine Chance. Wir tun alles …“

Die Frau ließ los und baute sich bedrohlich vor Mamiko auf.

Ich gebe euch noch eine allerletzte Chance. Vermasselt es nicht wieder sonst …“, hämisch lachte die Frau auf und gurgelte vor Freude, „Sonst nehme ich dein kleines Schmuckstück wieder an mich und du weißt ja, was dies für dich und deine Geschwister bedeutet … “

Mamiko rappelte sich wieder auf, kniete sich vor die Frau und senkte reumütig ihren Kopf.

Ja, Herrin.“

Fein. Dann höre gut zu. Verbreite weiter die Zwietracht, den Hass und den Streit … Und bring die kleine Göre zu mir. Ihr bekommt es ja doch nicht fertig, sie alleine zu beseitigen.“

Die Frau gab ihr zu verstehen, dass sie aufstehen sollte. Rasch stand sie wieder auf ihren Füßen und so hielt die Frau ihre Hand über das Amulett und kleine blitze bildeten sich darum.

Das Amulett fing wieder an zu leuchten und Mamiko schrie auf. Ihre Augen wurden pechschwarz. Schwarze Energie durchströmte jede Faser ihres Körpers. Sie fühlte sich auf einen Schlag so viel stärker und mächtiger.

Wehe du versagst erneut … Ihr findet die Prinzessin beim Erdenprinzen. Nun geh und lass es uns zu Ende bringen. “

 

Kenta ging näher an seine Schwester heran. Sie wirkte so verändert. Irgendetwas war mit ihr passiert.

„Mamiko?“

Sie drehte sich herum, grinste ihn finster an und zog ihn an seinem Arm mit zur Tür.

„Komm, lass uns ein wenig Spaß haben, bis die beiden mit dem Blondchen zurück sind.“

Sofort musste er schwer schlucken. Wusste sie etwa, wo sich Usagi aufhielt? Hatte ihn doch jemand gesehen, wie er zu ihr ging? Er hatte doch so aufgepasst.

Was sie mit Spaß haben meinte, wusste er allerdings genau. Sie machte sich einen riesigen Spaß daraus, Menschen mit böser Energie zu infizieren und die Stadt dadurch immer mehr ins Chaos zu stürzen.

 

 

Schweigend saßen sie nun schon eine Weile einfach nebeneinander im Auto. Er wollte sie nicht bedrängen. Er konnte sich kaum vorstellen, wie schwer alles für sie gerade sein musste. Außerdem bemerkte er, dass es ihr gar nicht gut ging. Sie versuchte es zwar zu verbergen, aber er kannte sie gut genug, dass sie ihm nichts vormachen konnte.

„Du … sag mal … Wer ist nun eigentlich diese Chibiusa?“, flüsterte sie dann aber mit einem Mal.

Kurz sah er zu ihr, lächelte und konzentrierte sich danach wieder auf die Straße. Überlegend, was er ihr am Besten sagen sollte, entschloss er sich kurzerhand dazu, ihr die Wahrheit zusagen.

„Chibiusa … Weißt du, sie ist unsere Tochter.“

„Un... unsere T-tochter?“, stotterte sie und er konnte im Augenwinkel genau sehen, wie ihr buchstäblich die Kinnlade herunter geklappt war.

„Unsere zukünftige Tochter genau genommen. Sie kam damals aus der Zukunft zu uns.“

„Also jetzt haben wir keine?“

Kopfschüttelnd bog er auf den Parkplatz und parkte den Wagen. „Nein … Aber mach dir nicht so viele Gedanken. Deine Erinnerungen werden schon zurückkommen … So wir sind da.“

 

Nickend schnallte sich ab und nahm es erst ein Mal so hin. Er hatte ja recht, darüber nachgrübeln brachte ihr jetzt auch nichts. Die Vorstellung eine Tochter mit ihm zu haben, gefiel ihr allerdings. Sie ertappte sich selbst dabei, wie sie rot im Gesicht bei dem Gedanken daran wurde, und drehte ihren Kopf schnell zur Seite, damit er es nicht mitbekam. Doch sah sie dadurch nun genau auf das große hell beleuchtete Gebäude und musste unweigerlich schwer schlucken.

„Ich bleibe aber nicht hier.“

Es war zwar ein anderes Krankenhaus, als das, in dem sie aufgewacht war und verschleppt wurde, wie ihr Mamoru im Auto kurz erzählt hatte, jedoch erinnerte es sie zu sehr daran.

„Ich bin bei dir. Dir wird nichts passieren.“

Aufmunternd drückte er sie ganz automatisch an sich und gab ihr einen Kuss auf die Stirn, um sie zu beruhigen. Sie hatten schon gegen so viele Feinde gekämpft, so viel durchgestanden, aber noch nie hatte er sie so verängstigt gesehen.

Zaghaft nickte sie und ließ sich von ihm ins Gebäude führen.

Immer wieder musste er Kollegen begrüßen, von denen viele gerne ein wenig mehr geplaudert hätten, doch er ließ sich auf keine weiteren Gespräche mit ihnen ein und ging unbeirrt mit Usagi weiter.

 

„Warum sehen sie uns denn alle so an? Hab ich dich denn hier nie besucht?“, flüsterte sie.

„Doch. Genau deshalb. Ich glaube, sie denken, sie sehen gerade einen Geist. Da werde ich wohl bald Rede und Antwort stehen müssen.“

Zaghaft nickte sie und versuchte die Blicke einfach zu ignorieren, auch wenn ihr nicht ganz wohl dabei war.

Mamoru führte sie in einen langen Gang und blieb dann schließlich vor einer Stuhlreihe stehen.

„Setz dich bitte und warte kurz auf mich. Okay?“

„Okay.“

Sie nahm direkt auf dem ersten Stuhl Platz und sah Mamoru hinterher, wie er das Zimmer direkt gegenüber betrat. Ganz dem Anschein nach ließ er die Tür extra für sie offen, damit sie ihn sehen konnte. Sie beobachtete, wie er einen älteren Herrn mit ergrauten Haaren begrüßte. Er saß gerade an einem großen Schreibtisch, doch nun stand er auf und schüttelte Mamoru freudig die Hände. Was sie sagten, konnte sie allerdings nicht verstehen. Aber immer wieder sahen die beiden zu ihr und schienen dabei angeregt zu diskutieren.

Schwer atmend drückte sie dann aber plötzlich ihre Hand gegen ihre Brust. Ihr war auf ein Mal so warm. War es hier so heiß, oder war ihr nur so warm? Unruhig begann sie auf dem Stuhl hin und her zu rutschen. Sie merkte, wie ihr immer mehr Schweißperlen die Stirn herunterliefen. Sofort versuchte sie sich mit ihrer Hand irgendwie ein wenig Luft zu zuwedeln, aber es half nicht. Sie hatte das Gefühl gleich vom Stuhl zu kippen. Und dann begann sich auch schon alles vor ihr zu drehen.

Leise drang noch ein Mal kurz Mamorus Stimme zu ihr hindurch, bevor alles vor ihr schwarz wurde.

 

 

Blinzelnd versuchte sie ihre Lider zu öffnen. Doch das grelle Licht über ihr blendete sie so, dass sie es kaum schaffte, sie zu öffnen.

„Ich glaube, sie wird wach.“

„Mamoru?“, krächzte sie heiser und merkte im selben Moment auch schon, wie jemand sanft ihre Hand drückte. „Alles gut. Ich bin hier.“

Nachdem sich ihre Augen etwas an das helle Licht gewöhnt hatten, konnte sie Mamoru immer deutlicher erkennen. Er saß direkt neben ihr. „Was .. was ist passiert?“

„Da haben sie ihrem Gatten aber einen gehörigen Schrecken eingejagt. Keine Sorge, wir haben ihren Arm versorgt und ihnen entsprechende Medikamente verabreicht. Genau erklären kann ihnen das ja dann dieser junger Mann hier.“

Verwundert blickte sie an Mamoru vorbei. Hinter ihm stand der Mann, mit dem er sich unterhalten hatte. Freundlich lächelte er, beugte sich etwas zu Mamoru herunter und klopfte ihm dabei auf die Schulter. Doch direkt danach verschränkte er die Arme und sah sie nun ernst an.

„Ich muss aber noch mal darauf hinweisen, dass es besser wäre, wenn sie hier bleiben würden, Miss Tsukino.“

Abrupt saß sie senkrecht und schüttelte, den Schwindel ignorierend, ihren Kopf. „Nein, ich kann nicht. Ich muss, also …“

„Keine Angst Usagi. Du musst nicht hier bleiben“, flüsterte ihr Mamoru beruhigend zu, stand auf und wandte sich an den älteren Herrn. „Vielen Dank Doktor Amano.“

„Keine Ursache … So die Pflicht ruft. Sie melden sich dann, wie besprochen?

Schnell verbeugte sich Mamoru daraufhin. „Natürlich.“

Nickend verabschiedete sich Doktor Amano und verließ dann das kleine Zimmer. Kaum hatte er den Raum verlassen, setzte sich Mamoru schnell wieder zu ihr.

„Wie geht es dir? Möchtest du dich noch mal hinlegen?“ Er schien sie besorgt zu mustern.

„Was ist denn überhaupt passiert?“

„Dein Arm … Die Wunde hat sich entzündet und … Mit einer Blutvergiftung ist nicht zu spaßen. Wärst du so nur ein paar Tage weiter herumgelaufen … Du brauchst jetzt Ruhe.“

Nickend betrachtete sie ihren Arm. So war das also. Schwer atmend wanderte ihr Blick durch den Raum. Alles in dem Zimmer erinnerte sie zu sehr an das Zimmer, in dem sie vor einigen Monaten wach wurde. Sie wollte einfach nur noch auf dem schnellsten Wege hier raus.

„Können wir bitte gehen?“

Ohne auf eine Antwort von ihm zu warten, rutschte sie langsam über die Bettkante und wollte gerade aufstehen, als sie blitzartig von ihm aufgehalten wurde. „Das lässt du schön bleiben.“

Vorsichtig legte er einen Arm unter ihre Beine, den anderen um ihren Oberkörper, hob sie hoch und trug sie so zu seinem Auto.

 

Die Straßen waren zum Glück relativ frei und so waren die beiden im Handumdrehen zurück bei Mamoru. Langsam gingen sie zum Fahrstuhl und fuhren hinauf.

Doch kaum hatten die beiden den Aufzug verlassen, merkte Mamoru sofort, dass hier etwas nicht stimmte. Seine Haustür stand sperrangelweit offen.

„Du wartest hier!“

Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, eilte er auch schon zu seiner Wohnung.

Kapitel 28

 

Sie ahnte Schlimmes. Schnell wanderte ihre Hand in die Jackentasche und fest umklammerte sie mit ihren Fingern ihre Brosche. Sie konnte sich schon denken, wer dort drinnen auf sie wartete. Mamoru hatte zwar gesagt, sie sollte warten, aber sie konnte ihn nicht alleine dort hineingehen lassen. Sie war gerade im Begriff ihre Brosche, damit sie sich verwandeln konnte, aus der Tasche zu holen, als seine Stimme zu ihr hinausrief.

„Alles gut. Niemand mehr hier. Kannst rein kommen.“

Erleichtert zog sie ihre Hand wieder aus der Tasche. Vermutlich waren sie abgehauen, als niemand hier war. Sie wollte gerade in die Wohnung hinterher, als sie mit einem Mal einen scharfen, kalten Gegenstand an ihrem Hals spürte. War das etwa ein Messer?

„Nicht so schnell.“

Sofort erstarrte sie. Eiskalt lief es ihr den Rücken hinunter. Unfähig auf irgendeine weise zu reagieren stand sie einfach nur da.

„Ich glaube, wir wurden das letzte Mal unterbrochen“, flüsterte ihr jemand in ihr Ohr. Sie kannte diese Stimme nur zu gut. Augenblicklich kehrte wieder Leben in ihren Körper zurück. Langsam rutschte ihre Hand zu ihrer Jackentasche herauf. Sie musste sich verwandeln. Unbemerkt vor dem Schwarzhaarigen versuchte sie ihre Brosche herauszuziehen.

„Das würde ich schön bleiben lassen. Hände nach oben, wo ich sie sehen kann. Ich glaube, du möchtest nicht, dass ich dieses hier mal ausprobiere.“

 

Akita grinste und drückte das Messer an Usagis Kehle etwas tiefer in ihre Haut. Ein kleiner Blutstropfen bildete sich an der Spitze der Klinge und lief ihr nun den Hals hinunter.

Langsam hob sie daraufhin ihre Arme, hielt ihre Hände nach oben und bewegte sich kein Stück.

„Fein. Dann sind wir uns also einig. Wir gehen jetzt schön langsam zum Fahrstuhl, ohne, dass du nur den kleinsten Piep von dir gibst. Oder möchtest du, dass wir uns auch gleich mit deinem Prinzen beschäftigen?

Zaghaft und langsam schüttelte sie ihren Kopf.

„Gut. Dann leg deine Hände jetzt auf deinen Rücken.“

Akuma trat aus der Ecke hinaus und trat nun auch näher an Usagi heran. Lachend zog er einen Strick aus seiner Tasche und wickelte es um Usagis Handgelenke.

„Gehen wir.“

Ruppig zog Akita Usagi, immer noch mit dem Messer an ihrem Hals haltend, zum Fahrstuhl.

 

„Nimm deine dreckigen Finger von ihr!“, drang plötzlich die Stimme von Mamoru in ihre Ohren, doch der Schwarzhaarige machte gar keine Anstalten sie loszulassen und zog sie einfach weiter mit sich.

„Mamoru lauf weg. Los!“ Er sagte zwar immer wieder, er würde sie beschützen, aber wie sollte er das anstellen? Die beiden waren viel zu stark für ihn. Wenn ihm jetzt etwas passierte, war es ganz allein ihre Schuld. Wäre sie doch einfach fortgelaufen, als sie es konnte. Dann wäre er da nun nicht mit hineingeraten. Sie machte sich schwere Vorwürfe. Doch Mamoru stand einfach nur da, und machte ganz den Anschein, als würde er gleich angreifen wollen.

„Nun lauf doch! Los!“, schrie sie nun mit Tränen in den Augen. Warum verschwand er denn nicht? Sah er denn nicht, dass es hier zu gefährlich für ihn war?

Grob packte ihr Peiniger sie am Arm.

„Schnauze! Du hast hier gar nichts zu melden … Und du da … noch einen Schritt näher und die Klinge macht Bekanntschaft mit ihrer Kehle.“

 

Mamoru ballte seine Hände zu Fäusten und blieb stehen. Er wusste aus ihren Erzählungen, dass mit den beiden nicht zu spaßen war. Zitternd suchte er krampfhaft nach einer Lösung. Er durfte nicht riskieren, dass der Typ nachher wirklich das Messer durch ihre Kehle schnitt.

 

„Akuma kümmere du dich doch um ihn. Ich werde das hübsche Ding hier zu Mamiko bringen. Ich glaube, sie wird schon sehnlichst erwartet.“ Spöttisch lachte der Schwarzhaarige auf. Sein Bruder grinste daraufhin immer breiter und ging einige Schritte auf Mamoru zu.

„Mit dem größten Vergnügen. Ich komm gleich hinterher, wird nicht lange dauern.“

Sofort hielt sie ihren Atem an. Das sah nicht gut für Mamoru aus. Er konnte doch gar nichts gegen ihn ausrichten. Sie musste ihn retten. Egal, was mit ihr passierte.

„Nein! Lasst ihn in Ruhe. Ihr wollt doch nur mich!“ Wild begann sie zu zappeln.

„Ich sagte Schnauze!“ Sofort schoss ein brennender Schmerz durch ihren Hals, wodurch ihr ein kurzer Schmerzaufschrei entwich. Sie wusste sofort, dass er das Messer weiter in ihre Haut gebohrt hatte.

„Usako!“

„Jetzt lauf doch weg“, schluchzte sie und konnte deutlich ein verächtliches Schnauben neben sich hören. Grob wurde sie an ihren gefesselten Händen gepackt und einfach weiter zum Fahrstuhl gezogen. Die Türen standen schon offen und ruppig zerrte der Schwarzhaarige sie hinein.

Langsam schoben sich die Türen vor ihren Augen zu .

„Mamoru!“, schrie sie ein letztes Mal und konnte nur noch sehen, bevor sich die Türen ganz verschlossen hatten, wie die beiden aufeinander losgingen.

Zitternd presste sie ihre Lippen aufeinander und kniff ihre Augen zusammen. Jetzt in diesem Moment wurde Mamoru getötet und es war ganz allein ihre Schuld. Schluchzend kullerten ihr die Tränen über die Wangen.

Sie merkte, wie der Schwarzhaarige sich zu ihr herunterbeugte. Sein Atem traf ihre Haut und ließ ihren Magen umdrehen.

„Zu schade, dass ich dich in einem Stück abliefern soll“, hauchte er ihr ins Ohr und sofort zog erneut ein Schauer durch ihren Körper. Zu gut konnte sie sich noch an ihre letzte Begegnung erinnern. Schwer schluckte sie und öffnete, als sich die Türen knarzend wieder aufschoben ihre Lider. Langsam nahm er das Messer von ihrem Hals und stellte sich neben sie.

„Los! Und wehe du gibst draußen auch nur einen Ton von dir.“ Knurrend drückte er ihr das Messer versteckt in die Seite und schubste sie regelrecht aus dem Fahrstuhl hinaus.

Langsam verließ er mit ihr das Gebäude und zerrte sie die Straße herunter. Sie sagte kein Wort mehr. Die ganze Zeit musste sie einfach nur an Mamoru denken. Warum konnte sie ihn denn nicht beschützen?

Sie waren noch nicht weit gegangen, als sie mit einem Mal erstarrt stehen blieb. Nicht weit von ihr entfernt stand der Transporter von damals. Immer größer wurden ihre Augen. Das konnte doch alles nicht wahr sein, nun musste sie schon wieder dort hinein? Dieses Mal war es wohl wirklich ihre letzte Fahrt, schoss es ihr sofort durch den Kopf.

„Na, erkennst du ihn wieder?“, raunte er ihr zu und sofort musste sie schwer schlucken.

„Wir machen jetzt eine kleine Fahrt.“ Lachend steckte er das Messer ein, griff nach ihrem Arm, zog sie zu dem Transporter und öffnete den Laderaum. Schwungvoll packte er sie an ihren Oberarmen, hob sie hoch und wollte sie gerade hineinwerfen, als sie plötzlich nach hinten gerissen wurden. Schmerzhaft landete sie auf dem Boden. Was war denn nun los? Sofort sah sie über ihre Schulter zurück. Vor ihr stand ein großer schwarzhaariger Mann in einer Art Rüstung. Wer war das denn nun?

Knurrend sprang ihr Peiniger zurück auf seine Beine. „Du wagst es, mich zu Boden zu werfen, Endymion?“

Schlagartig durchfuhr ein seltsames Gefühl ihren Körper. Endymion? Irgendetwas sagte ihr der Name. Aber, wer war er?

„Was hast du mit meinem Bruder gemacht?“, schrie der Schwarzhaarige den Mann in der Rüstung an und schien sie überhaupt nicht mehr zu beachten. Auf der Stelle versuchte sie irgendwie den Strick um ihre Handgelenke zu lösen. Sie musste sich verwandeln, doch das verdammte Seil saß einfach zu fest. Im Augenwinkel konnte sie sehen, wie sich um Kentas Bruder mit einem Mal schwarzer Nebel bildete. „Wo ist Akuma!“

Bevor Endymion jedoch überhaupt etwas sagen konnte, ging er auch schon auf ihn los, schoss mit Energiekugeln um sich und zog schreiend eine Art Schwert heraus. Endymion wich jedoch gekonnt aus und zog ebenfalls sein Schwert. Erbarmungslos gingen sie nun aufeinander los. Das Klirren der Klingen war mit Sicherheit noch Meter weit weg zuhören.

Noch immer versuchte sie die Fessel zu lösen. Aber es war zwecklos, sie saßen einfach zu fest. Unbemerkt vor den beiden versuchte sie ein Stück weg zu robben und suchte verzweifelt etwas, womit sie das Seil aufritzen konnte. Sie musste unbedingt nachsehen, was mit Mamoru geschehen war und diesen Endymion helfen. Sie schienen ja auf derselben Seite zu stehen. Gehörte er vielleicht zu ihren Mitstreitern und ihr kam sein Name daher so bekannt vor? Hoffentlich hatte er Mamoru in Sicherheit gebracht.

Ein Schmerzschrei ließ sie jedoch zusammenfahren und ruckartig sah sie wieder zum Kampfgeschehen. Endymion zog gerade sein Schwert aus der Schulter des Schwarzhaarigen und regungslos sackte dieser auf dem Boden zusammen. Schnell lief er danach zu ihr herüber.

„Geht es dir gut? Ist dir was passiert?“

Ohne etwas zu sagen, starrte sie ihn einfach nur an. Diese Augen. Sie kannte diese Augen. Wer war er nur? Er kam ihr so vertraut vor. Vorsichtig schnitt er mit seinem Schwert das Seil auf und befreite sie von der Fessel. „Sag doch was. Geht es dir gut?“ Sofort begann er ihren Hals zu mustern.

Vorsichtig legte sie ihre Hand auf sein Gesicht und schob es vorsichtig, um ihn besser ansehen zu können, ein kleines Stück nach rechts und links. „Wer bist du?“

„Ich bin es doch. Erkennst du mich denn nicht?“

Sie sah ihm tief in die Augen und ihr Herz begann, wie wild zu schlagen. „M-mamoru?“

Lächelnd nickte er ihr zu. „Ich habe dir doch gesagt, dass ich dich beschützen werde.“

Erleichtert, dass ihm nichts passiert war, sprang sie ihm in die Arme.

Doch lange hielt dieser Moment nicht an, da er plötzlich sein Gesicht verzog und keuchend zusammenzuckte. Ein Energieball hatte ihn mitten an der Schulter getroffen.

„Mamoru!“ Geschockt sah sie an ihm vorbei und konnte ihn gerade noch zur Seite schubsen, bevor ihn der Nächste traf.

Grinsend stand Kentas Bruder direkt hinter ihnen und funkelte sie böse an.

„Glaubt ihr echt, so eine kleine Fleischwunde, würde mich so schnell aufhalten?“, keuchte er.

Schlagartig sprang Mamoru auf und stellte sich beschützend vor sie. Sie dachte gar nicht groß weiter nach, zog ihre Brosche hinaus und verwandelte sich sofort in Sailor Moon.

„Das wird dir auch nichts bringen!“ Knurrend begann er zig Energiekugeln auf sie loszuschießen. Sie hatten Mühe auszuweichen. Allerdings bemerkte sie auch, dass ihr Angreifer schwächer wurde. Wankend hielt er sich seine Hand über die Schulter und konnte nicht mehr aufrecht stehen. Mamoru zog sein Schwert und rannte auf ihn los. Doch weit kam er nicht. Aus allen Ecken tauchten plötzlich, wie aus dem Nichts, Besessene auf und näherten sich den beiden.

„Verdammt“, konnte sie ihn murmeln hören und abwehrend hielt er sein Schwert in die Höhe.

 

„Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.“ Akita lachte auf und immer mehr Nebel sammelte sich um ihn herum, bis er plötzlich verschwunden war.

 

Die Besessenen standen angriffslustig um die beiden herum und es dauert nicht lange, bis sie komplett umzingelt waren. Die Ersten begangen sie auch direkt anzugreifen. Sie sah, dass Mamoru sie versuchte, ohne sie zu verletzen, wegzudrängen. Wenn es so weiter ging, blieb ihm allerdings nichts anderes übrig, als sie richtig zu bekämpfen. Entschlossen ließ sie daher ihr Zepter erscheinen und hielt es in die Höhe

„Nicht! Lass das! Du bist viel zu geschwächt dafür.“

Sie ließ sich jedoch nicht von ihm abhalten. Sie musste ihnen helfen. Es waren unschuldige Menschen, sie konnten doch nichts dafür. „Licht des Silbermondes, schein und heile!“

Die Besessenen wurden von Licht und Wärme umhüllt und fielen bewusstlos zu Boden.

Schwer atmend verwandelte sie sich zurück und sackte erschöpft auf dem Boden zusammen.

 

Mamoru hatte sich auch zurückverwandelt und eilte sofort zu ihr. Keuchend kauerte sie weiterhin auf dem Boden. Sie war kreidebleich und die Schweißperlen liefen ihr übers Gesicht. Vorsichtig half er ihr beim Aufstehen und legte direkt seinen Arm um sie herum. Ernst sah er ihr dabei in die Augen. „Das war sehr unvernünftig von dir.“ Doch dann zog er sie in seine Arme und atmete erleichtert aus. Für einen kurzen Moment dachte er wirklich, das war es, als dieser Typ mit ihr in dem Fahrstuhl verschwunden war.

Vorsichtig löste er sich wieder von ihr. „Wir sollten lieber schnell verschwinden. Wer weiß, ob er nicht zurückkommt.“

Schnell nickte sie, schien dann aber doch zu zögern. „Was ist los?“

„Was ist mit …?“

Sofort schüttelte er seinen Kopf. „Um den brauchen wir uns keine Sorgen mehr zu machen.“

„Verstehe.“

Nachdenklich verzog er sein Gesicht. Wo sollten sie nur hin? In seine Wohnung wäre keine gute Idee. Die kannten sie.

„Ich glaube, wir sollten zu Rei in den Tempel gehen. Bei mir tauchen sie mit Sicherheit früher oder später wieder auf. Woher wussten sie nur, wo du bist? Meinst du, Kenta hat es verraten?“

Unschlüssig zuckte sie mit ihren Schultern. „Ich weiß es nicht. Eigentlich glaube ich es nicht, aber woher sollten sie es sonst …“

 

Wie vom Blitz getroffen starrte sie ihn an. Ihr kam gerade etwas in den Sinn, woran sie überhaupt gar nicht mehr gedachte hatte. „Sie wissen es. Sie wissen genau, wer wir sind und wo wir zu finden sind.“

„Wie meinst du das?“ Verwirrt sah er sie an.

„Als ich noch bei Kenta war, habe ich etwas in einer Schublade gefunden, was mir schon damals seltsam vorkam.“

Sofort erzählte sie ihm von dem Stadtplan und, dass dort über all Orte markiert waren, mit Planeten Namen daneben.

 

Schnaufend ballte er eine Faust.„Verdammt, dann fällt der Tempel weg.“

Angespannt tippte er seinen Finger gegen sein Kinn und dachte angestrengt nach. Sie mussten irgendwo untertauchen, aber wo? Schlagartig fiel ihm etwas ein und griff hastig nach ihrer Hand.

„Ich habe eine Idee …“

 

Kapitel 29

 

Nervös sah sie auf die Glastür vor sich. Das war also das Crown.

Nachdem Mamoru sich in seiner Wohnung schnell um den Schnitt an ihrem Hals gekümmert hatte, das Nötigste zusammengepackt und im Auto verstaut hatte, war er mit ihr hier her gefahren. Seine Wohnung glich einem Schlachtfeld. Die beiden hatten ganze Arbeit geleistet, diese zu verwüsten.

„Und du meinst, er wird wirklich nichts dagegen haben?“ Fragend drehte sie sich zu ihm herum.

Er hatte ihr zwar während der Autofahrt genau erklärt, wer Motoki war und warum er dort hin wollte, doch war sie sich nicht sicher, ob er sein Freund, oder genau genommen ihr gemeinsamer Freund, das einfach so machen würde. Sie konnte sich ja nicht an ihn erinnern. Lächelnd legte Mamoru dann allerdings seine Hand auf ihre Schulter. „Komm, lass uns reingehen.“

Kaum zu hören, öffnete sich die Tür und langsam folgte sie ihm hinein. Sofort drang ihr das Gemurmel, der sich unterhaltenden Gäste in ihre Ohren. Vorsichtig schweifte ihr Blick durch das Crown. Auf den ersten Blick waren kaum noch frei Plätze übrig. Der Laden schien wirklich gut besucht zu sein.

Zielstrebig steuerte Mamoru einen blonden jungen Mann an, der gerade mit einem Tablett am Tresen stand. Er stand mit den Rücken zu ihnen und so klopfte ihm Mamoru mit der Hand auf die Schulter. „Kann ich dich kurz sprechen?“

„Erst ein Mal Hallo … Was gibt es denn?“ Lachend drehte sich der Blonde herum. Fast wie ihn Zeitlupe sah er dabei auf sie und mit weit aufgerissenen Augen rutschte ihm das Tablett aus den Händen. Laut scheppernd landeten die Gläser dadurch auf dem Boden.

„U-usagi? …Was … Was … Ich dachte, du wärst …?“

Schlagartig hielt sich Mamoru seinen Zeigefinger über den Mund. „Pssst … Könnten wir kurz ungestört reden?“, flüsterte er ihm zu und sah sich dabei um. Die heruntergefallenen Gläser hatten so einen Lärm gemacht, dass nun das halbe Crown die Drei anstarrte.

 

Etwas weiter hinten, in einer kleinen Nische, saßen vier junge Frauen zusammen und unterhielten sich, bis sie ebenfalls vom Lärm erschreckt, verwundert zum Tresen sahen. Als sie die blonde Frau im Eingang erblickten, sprangen sie regelrecht alle gleichzeitig auf und liefen zu ihr.

„Usagi!“

 

Stürmisch wurde sie plötzlich von vier jungen Frauen umarmt. Sie wusste gar nicht, wie ihr geschah. Stumm ertrug sie die Begrüßung von den Frauen und sah hilflos zu Mamoru herüber. Zum Glück hatte er sie auch gleich verstanden und zog sie etwas zu sich heran, wodurch die Frauen von ihr abließen.

„Alles in Ordnung. Das sind Ami, Rei, Minako und Makoto, deine Freundinnen“, stellte er die Frauen vor und schweigend nickte sie. Bevor sie jedoch noch etwas sagen konnte, tippte die Blonde plötzlich gegen Mamorus Schulter. „Warum sagst du uns denn nicht, dass ihr herkommt?“

„Ich werde es euch gleich erklären. Könntet ihr euch kurz um Usagi kümmern? Ich müsste dringend mit Motoki sprechen.“

 

Besorgt sah er Usagi an. Sie sah nicht gut aus. Sie musste sich dringend ausruhen und sich wenigstens hinsetzen, bis er es mit Motoki geklärt hatte.

„Aber natürlich.“ Lächelnd hakte sich Minako bei Usagi unter und zog sie mit den anderen zu ihren Tisch. Angespannt sah er ihnen hinterher. Jederzeit konnte dieser Typ wieder auftauchen, bei den Mädels war sie zumindest in Sicherheit, sodass er mit Motoki sprechen konnte. Sie würden sie mit ihren Leben beschützen.

„Ich versteh überhaupt nichts mehr“, ertönte nun wieder die Stimme seines Freundes und so wandte er sich wieder an ihn. „Können wir kurz ins Hinterzimmer?“ Nickend huschte Motoki um den Tresen herum und holte ein Kehrbesen hervor. „Ich mach nur schnell die Scherben weg.“

Schnell half er seinem Freund und wortlos verschwanden sie danach im Hinterzimmer. Kaum hatte Motoki die Tür geschlossen, warf er auch schon aufgebracht die Hände in die Höhe. Könntest du mir mal erklären, was hier los ist? Ich dachte, Usagi wäre tot?“

„Bis vor ein paar Tagen, dachte ich das auch noch. Hör zu, wir brauchen deine Hilfe …“

In kurzen Sätzen erzählte er seinem Freund, dass Usagi, nachdem sie aus dem Koma wach wurde, entführt wurde, die Entführer es schafften die Akten zu manipulieren, dass sie tot sei, dass Usagi ihr Gedächtnis verloren hat und vor ein paar Tagen fliehen konnte und ihm, zum Glück, verwirrt in die Arme lief.

Laut auspustend fuhr sich Motoki durch seine Haare und begann kopfschüttelnd in dem kleinen Zimmer hin und her zu laufen. „Das ist … Usagi … Wow … Und warum? Warum sie?“

Ernst sah er seinem Freund in die Augen, wodurch dieser prompt stehen blieb. „Wir sind doch Freunde oder? … Vertraust du mir, wenn ich dir sage, es ist besser für dich, wenn du nicht alles weißt?“

Schweigend verschränkte Motoki seine Arme vor der Brust und sah nachdenklich zu Boden. Doch mit einem Mal sah er ruckartig wieder auf. „Okay … Und wofür brauchst du meine Hilfe?“

Erleichtert atmete er auf. Er wusste zwar, dass er sich immer auf seinen Freund verlassen konnte, doch war diese Situation alles andere als normal.

„Sie wissen leider, wo wir wohnen … Du bist doch nach der Hochzeit zu Reika gezogen und deine Wohnung steht seitdem leer? Wir brauchen einen Unterschlupf …“

 

 

Keuchend schleppte sich Akita in die kleine Lagerhalle. Kenta eilte sofort, als er ihn erblickte zu seinem kleinen Bruder. „Was ist denn passiert? Wo ist Akuma?“

Ohne ihm zu antworten, ließ sich Akita auf einen kleinen Sessel in der Ecke des Raumes fallen. „Das wird er bereuen … genauso, wie das kleine Miststück … Akuma wurde … er wird nie wieder kommen … “

Geschockt sah Kenta Akita an. Sein kleiner Bruder würde also nie mehr zurückkommen? Er war gefallen? Er wollte zwar nicht, dass sie Usagi bekamen, aber, dass sein Bruder dabei starb, das hatte er auch nicht gewollt. Zitternd ballte er seine Hände zusammen. Konnte dieser Wahnsinn nicht einfach aufhören, bevor es noch mehr Verluste gab?

Vorsichtig versuchte er gerade Akitas Wunde zu versorgen, als Mamiko plötzlich den Raum betrat.

„Was ist hier los? Habt ihr sie nicht gefunden? Wo ist Akuma?“

Schwer atmend senkte Kenta seinen Blick und schüttelte traurig seinen Kopf.

„Akuma ist … Er ist …“

Er konnte es nicht aussprechen. Zu tief saß bei ihm selbst noch der Schock darüber. Bevor er jedoch noch etwas sagen konnte, sprang Akita mit einem Mal auf und sah Mamiko direkt in die Augen.

„Er ist tot!“

Mamiko ballte ihre Hände zu Fäusten und biss knurrend die Zähne zusammen. Wutentbrannt schnaufte sie aus und augenblicklich blitzten um sie herum kleine Energiekugeln auf. Stürmisch eilte sie aus der Tür und blieb dann vor der Lagerhalle stehen. Kenta rannte ihr sofort hinterher und blieb ein Stück hinter ihr stehen. Seine Schwester starrte in den Himmel hinauf und ließ einen Schrei los, der ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ. Schief grinsend starrte sie weiterhin in Richtung Himmel. „Du wirst dir noch wünschen, du wärst in Nagoya gestorben.“

 

In der gesamten Stadt blieben die Besessenen abrupt stehen und hoben ihren Kopf gen Himmel, nur um kurze Zeit später sich wieder in Bewegung zu setzen. Ihre Herrin hatte sie gerufen und sie machten sich auf den Weg zu ihr …

 

 

Schweigend saß sie mit den, für sie völlig unbekannten Frauen, am Tisch und die Vier redeten, wie wild durcheinander. Sie bemerkten gar nicht, dass sie selbst gar nichts sagte. Sie stellten ihr Tausende von Fragen, aber das gar keine Antwort kam, fiel ihnen nicht auf. Aufgeregt diskutierten sie miteinander. Zitternd drückte sie ihre Hände auf ihre Knie. Ihr war so warm und immer mehr verschwamm alles zu einem unscharfen Brei vor ihr. Ihr Kopf pochte, als würde jemand mit einem Hammer dagegen schlagen. Sie musste raus hier. Sie hatte das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen. Behutsam stützte sie sich mit ihren Händen am Tisch ab und erhob sich von ihrem Platz. Auf der Stelle wurde es still am Tisch.

„Usagi, alles Okay?“

Die Blonde legte besorgt ihre Hand auf ihre. Doch schnell zog sie sie weg und tippte sich gegen ihre Schläfe. „J-ja, ich muss nur mal … ähm kurz für kleine Mädchen“, stammelte sie.

Sie merkte direkt, wie die Braunhaarige eine Augenbraue nach oben zog. „Okay, soll dich jemand begleiten?“

Hastig wedelte sie mit ihren Händen. „Nein, nein, das schaffe ich schon.“ Schnell versuchte sie zu lächeln, da sie jedoch merkte, dass genau dies nicht wirklich klappen wollte, machte sie schnell einen Schritt nach hinten. „Bitte entschuldigt mich kurz.“

Rasch ging sie in Richtung der Toiletten und drehte sich vorsichtig um. Als sie sicher war, dass sie nicht mehr beobachtet wurde, huschte sie an der Toilettentür vorbei, steuerte den Ausgang an und verließ das Crown. Sie brauchte dringend frische Luft. Die ganze Situation war ihr im Moment einfach zu viel. Sie wurde beinah wieder verschleppt, hatte erneut gekämpft, fluchtartig Mamorus Wohnung verlassen, und nun ließ dieser sie mit den vier Frauen, die wie wild auf sie einredeten, allein. Was wollten sie den von ihr? Sie erkannte keine Einzige von ihnen. Vom Verstand her, wusste sie, dass diese Frauen ihre Freundinnen waren, aber im Moment, waren es einfach nur Fremde.

Ihre Jacke lag noch im Crown und so drückte sie ihre Arme fest um ihren Oberkörper. Es war eiskalt hier draußen.

 

„Gut, dann hol ich jetzt Usagi und wir fahren los.“

Lächelnd klopfte ihm sein Freund auf die Schulter. „Auch wenn die Umstände, keine Sorge, ich frage jetzt auch nicht weiter nach, nicht gerade berauschend sind, freue ich mich für dich, dass Usagi wieder da ist.“

Er konnte nicht verhindern, dass ihm ebenfalls ein Lächeln über das Gesicht huschte. Ja, sie war wieder bei ihm und er war unendlich dankbar dafür. Er durfte sie unter keinen Umständen wieder verlieren. Die letzten Monate, wo er dachte, er hätte sie für immer verloren, waren die schlimmsten in seinem gesamten Leben gewesen.

Lächelnd verließen die beiden das Hinterzimmer und sein Blick wanderte direkt über die Tische, bis er Amis Gesicht etwas weiter hinten entdeckte. Ohne Zeit zu verlieren, lief er auf den Tisch zu, doch prompt verzog sich seine Miene. „Wo ist Usagi?“

„Ah Mamoru, hast du mich erschreckt. Du kannst dich doch nicht so anschleichen“, schimpfte Rei.

Doch er reagierte gar nicht auf sie und fragte erneut. „Wo ist Usagi!“

„Ganz ruhig, sie ist nur schnell für kleine Mädchen, hat sie gesagt.“

Tonlos drehte er sich um und steuerte die Toiletten an. Er merkte zwar, wie Rei ihm hinterherlief, doch beachtete er sie nicht. Vor den Toilettenzimmern angekommen, schob er die Tür für die Damen vorsichtig einen Spalt auf.

„Usagi?“, rief er hinein, doch es kam keine Antwort von ihr. Sofort stieg die Panik in ihm auf.

„Usagi, antworte mir bitte!“

Sanft legte Rei ihre Hand auf seine Schulter. Sie versuchte offenbar ihn damit zu beruhigen.

„Sie ist doch nur kurz auf die Toilette.“

„Sie ist aber nicht dort drinnen. Wie konntet ihr sie denn aus den Augen verlieren!“

Rei drängte sich an ihm vorbei und betrat die Frauentoilette. „Ach Quatsch, sie hat dich bestimmt nur nicht gehört.“

Die anderen waren mittlerweile auch dazu gekommen und standen versammelt um ihn herum.

„Was ist denn los?“, fragte Ami besorgt, als Rei schwungvoll die Tür aufriss.

„Sie ist nicht hier!“

 

 

Frierend war sie ein paar Meter gelaufen und hatte dann einen kleinen Durchgang, der zu einem Hinterhof führte, entdeckt.

Zitternd saß sie nun neben einem großen Müllcontainer auf einem Karton und klammerte ihre Arme um ihre Beine. Seufzend legte sie ihren Kopf auf ihre Knie. Sie musste, bevor sie wieder hineinging, erst ein Mal wieder einen klaren Kopf bekommen und ihre Gedanken ordnen.

Sie hatte die Frauen, ohne dass diese es bemerkt hatten, durch die Scheibe beobachtet. Doch so sehr sie sich auch anstrengte, sie erinnerte sich einfach nicht an sie, genauso wenig wie an Mamoru. Das Pochen in ihrem Kopf wurde einfach immer unerträglicher, sodass sie einfach, ohne nachzudenken, davon gelaufen war, bis der Schmerz aufgehört hatte.

Zusammengekauert starrte sie nun auf den Boden, auf dem ein paar Zeitungsfetzen verstreut lagen.

 

Sie bemerkte dabei nicht, dass sich ihr langsam jemand näherte, der sie schon seitdem sie das Crown verlassen hatte, verfolgt hatte …

Kapitel 30

 

Gedankenverloren starrte sie weiterhin auf das verteilte Zeitungspapier, als ein heftiger Windstoß durch den kleinen Hinterhof wirbelte, der das Papier weiter verteilte. Direkt vor ihren Füßen blieb ein abgerissenes Stück eines Zeitungsartikel liegen. Verwundert nahm sie ihn in die Hand.

„Überraschungstalent startet durch“, las sie sich selber vor, Aber die sieht ja aus wie-“

„Ja, das ist Minako.“

Erschrocken sah sie auf und suchte nach der Herkunft der Stimme. Aber weit und breit war niemand zu sehen. Hatte sie sich die Stimme nur eingebildet? Irritiert legte sie das Stück Papier wieder auf den Boden und bemerkte dadurch erst, dass neben ihren Füßen eine kleine schwarze Katze hockte.

„Huch. Wo kommst du den her?“

Behutsam nahm sie Katze hoch und setzte sie auf ihren Schoß. Sanft kraulte sie ihr über den Kopf und verharrte plötzlich in ihrer Bewegung, als sie ein seltsames Mal auf ihrer Stirn bemerkte.

„Du bist doch die Katze aus dem Teehaus. Wie kommst du den hier her?“

„Ja, ich bin Luna.“

Ruckartig sprang sie auf, wodurch die kleine Katze von ihrem Schoß purzelte und auf dem Boden landete. Verdattert zeigte sie mit ihrem Zeigefinger auf die kleine Katze. „D-d-du kannst ja sprechen!“

„Ja, aber hab keine Angst. Du erinnerst dich zwar, wie ich gehört habe, gerade nicht, aber wir kennen uns schon sehr lange.“

Verblüfft ließ sie sich wieder auf den Karton fallen und drückte sich mit einer Hand gegen ihre Schläfe. Sie hatte schon so vieles gesehen, da war eine sprechende Katze, doch gar nicht so ungewöhnlich, redete sie sich ein, damit sie sich nicht komplett für verrückt hielt.

„Warum hast du denn das letzte Mal nichts gesagt?“

„Als ich gemerkt habe, wer dort vor mir steht, warst du auch schon verschwunden. Ich habe dich sofort überall gesucht, aber habe dich nirgendwo gefunden.“

Nickend stupste sie mit ihrem Fuß auf dem Boden herum. „Hm, ach so. Und du gehörst auch zu den and… ich meine zu uns?“

Ihr fiel es immer noch schwer, sich zu den anderen zu zählen. Auch wenn man es ihr sagte, und sie es vom Verstand her wusste, war es doch irgendwie seltsam, wenn man sich an nichts davon erinnerte. In ihrer Erinnerung war sie nun mal immer alleine gewesen.

„Ja. Ich habe dich damals erweckt. Naja zweimal genau genommen und dir deine Erinnerungen zurückgegeben und war stets an deiner Seite.“

Mit großen Augen sprang sie auf. „Du hast mir meine Erinnerungen zurückgeben? Heißt das … Könntest du das nicht wieder machen? Könntest du diese Blockade lösen?“

Im Moment war ihr es auch egal, warum diese Katze ihr überhaupt mal ihre Erinnerungen zurückgeben musste, wenn sie es wieder machen konnte, würde sie es eh gleich wieder wissen.

„Blockade?“

„Ja … Kenta hat gesagt, dass Mamiko meine restlichen Erinnerungen blockiert hat.“

„Mamiko, Kenta?“

Ohne ihr zu antworten, kniete sie sich vor die Katze und sah diese flehend an. „Bitte kannst du es probieren?“

„Ich weiß zwar nicht genau, was du meinst, aber Okay. Schließ bitte deine Augen.“

Sofort kam sie der Anweisung nach und schloss ihre Lider. Voller Erwartung faltete sie ihre Hände ineinander. Sie hoffte so sehr, dass es klappen würde.

 

Luna schloss ebenfalls ihre Augen und konzentrierte sich auf Usagi. Ihr Halbmond fing an zu leuchten und kurz danach erschien auch auf Usagis Stirn die goldene Mondsichel.

Usagi spürte eine angenehme Wärme, die sie durchströmte. Die ersten Bilder blitzten auf. Sie erinnerte sich daran, wie sie zum ersten Mal Luna begegnet war und ein Lächeln huschte ihr dabei übers Gesicht. Doch auf einen Schlag wurde es wieder dunkel und kalt.

Zitternd stützte sie sich mit ihren Händen auf dem Boden ab und presste ihre Lippen aufeinander. Die Dunkelheit breitete sich wieder aus. Statt der erhofften Erinnerungen zogen wie im Film die letzten Monate an ihr vorbei. Angefangen im Krankenhaus, das Zusammenleben mit Kenta, ihre Flucht und endete damit, wie sie eben panisch das Crown verlassen hatte.

 

Erschüttert kniff Luna ihre Augen zusammen. Sie konnte alles mit ansehen, ja sogar fühlen, was Usagi in jeden dieser Momente gefühlt hatte. Langsam öffneten beide wieder ihre Augen.

 

Schluchzend legte sie ihr Gesicht in ihre Hände. Sie hatte so gehofft, dass Luna ihr helfen könnte. Sie musste sich wohl damit abfinden, dass diese verdammte Blockade nie mehr wegging.

„Usagi, du bist nicht allein. Du bist wieder zu Hause. Dort, wo du hingehörst. Und alle sind überglücklich, dass du wieder da bist“, flüsterte Luna ihr zu, setzte sich auf ihren Schoß und schmiegte sich an sie.

Weinend schlang Usagi ihre Arme um sie und drückte sie ganz fest an sich.

„Du solltest nicht alleine hier draußen herumlaufen. Sie machen sich sicher schon Sorgen um dich. Außerdem holst du dir noch sonst was weg, bei der Kälte hier.“

Nickend wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht, stand wieder auf und verließ langsam den kleinen Hinterhof. Sie sollte wirklich zurückgehen. Schweigend liefen die beiden in Richtung Crown. Doch sie hatten es noch nicht ein Mal erreicht, als sie auch schon Mamoru und die anderen entdeckte. Offenbar stritten sie gerade.

Sie waren so in ihrem Streit vertieft, dass sie gar nicht bemerkten, dass sie sich neben sie gestellt hatte.

„Hey“, flüsterte sie daher leise.

 

Sofort, als ihre Stimme hinter ihm ertönte, drehte er sich schwungvoll herum und sah erschrocken in ihr Gesicht. Hatte sie etwa geweint? Schnell zog er sie in seine Arme.

„Ist dir irgendetwas passiert? Warum läufst du denn einfach weg? Du weißt gar nicht, was ich mir für Sorgen gemacht hab. Ich dachte schon, er hätte dich …“ Rasch zog er seine Jacke aus und legte sie über ihre Schultern.

„Entschuldige … Ich wollte nicht, es war nur …“

Sanft streichelte er ihr über den Rücken. „Schon gut. Wir sollten uns jetzt lieber auf den Weg machen.“

„Ich würde sagen, du bringst Usagi von hier weg und ich werde den anderen erzählen, was passiert ist.“

„Luna?“, kam es wie im Chor von den anderen und auch er selbst sah sie irritiert an.

„Wo kommst du denn her?“ Fragend hockte sich Makoto neben sie.

„Ich erkläre es euch. Trommelt die anderen zusammen und wir treffen uns alle in einer halben Stunde im Tempel.“

 

 

Die Sailor Kriegerinnen, Artemis und Luna saßen alle zusammen bei Rei im Zimmer und Luna hatte ihnen erzählt, was geschehen war und was sie alles durch Usagi gesehen hatte.

„Wir sind aber auch zu dämlich. Kein Wunder, dass sie weggelaufen ist.“ Betroffen senkte Minako ihren Kopf.

„Es muss doch irgendetwas geben, damit sie sich erinnert“, murmelte Makoto und tippte dabei gedankenverloren auf dem Tisch herum.

Alle sahen sich fragend an, doch eine Idee hatten sie auch nicht.

 

„Wichtiger ist erst ein Mal, dass sie sich erholt und zu Kräften kommt“, warf Ami in den Raum, wodurch ihr alle zustimmend zu nickten.

Mamoru hatte ihnen schwere Vorwürfe gemacht, dass sie Usagi aus den Augen verloren hatten und ihnen dann von ihrer Verletzung und ihrem jetzigen Zustand erzählt. Sie wussten doch nicht, wie durcheinander sie gerade war und von ihrer Verletzung hatten sie bis dahin auch noch nichts gehört. Da sie auch vom Fach war, wusste sie, was bei so einer Wunde, wenn sie nicht rechtzeitig richtig behandelt wurde, passieren konnte. Und, dass sie Fieber hatte, verhieß nichts Gutes.

 

Seufzend setzte sich Luna zu Artemis und sah aus dem Fenster.

„Damals auf dem Mond … Königin Serenity hatte doch mal vielen, nachdem ihr Planet zerstört worden war, eine neue Heimat gegeben. Darunter waren ja auch die Geschwister, die nun hinter Usagi her sind. Erinnerst du dich noch daran?“

„Ja ganz dunkel. Warum fragst du?“

Luna sprach nun extra etwas lauter, damit die anderen sie auch verstehen konnten.

„Ich glaube, die Person die damals den Planeten zerstört hat, ist dieselbe, die nun auch die Fäden in der Hand hat. “

Alle unterbrachen ihre Gespräche und sahen zu den beiden Katzen.

„Luna, wovon redest du?“, sprach Rei sie als Erste an.

„Königin Serenity hatte mir damals erzählt, wie der Planet zerstört wurde. Es herrschte Streit und Zwietracht unter den Bewohnern und sie löschten sich schlussendlich selbst aus … Das alles ähnelt ziemlich dem, was gerade bei uns passiert.“

Geschockt sahen sie alle an.

„Heißt das, die Erde wird bald zerstört sein?“, flüsterte Minako.

Augenblicklich sprang Makoto auf. „Dann müssen sie aber erst an uns vorbei!“

Haruka stand auch auf und stimmte mit Makoto ein.

Nachdenklich drehte sich Rei, nachdem Makoto und Haruka ihre Kampfansagen beendet hatten, zu Luna zurück. „Und, wer hält nun die Fäden in der Hand?“

Gespannt sahen wieder alle zu Luna. „Eris.“

Augenblicklich brach lautes Gemurmel aus. Keiner konnte mit diesem Namen wirklich etwas anfangen.

Laut begann sich Artemis zu räuspern, wodurch es prompt wieder still im Raum wurde.

„Ja, natürlich. Jetzt ergibt das alles einen Sinn. Königin Serenity hatte sie damals besiegt. Allerdings, bevor sie abgehauen und verschwunden war, drohte sie ihr noch, dass sie dies noch bitter bereuen würde. Und da sie sich nicht mehr an der Königin selbst rächen kann, nehme ich mal an, dass sie ihren Vergeltungsakt nun an ihrer Tochter ausübt.“

Nachdenklich zog Ami eine Augenbraue in die Höhe. „Meinst du Eris, wie die Göttin Eris, die Göttin der Zwietracht und des Streites?

Luna wollte Ami gerade Antworten, doch Artemis kam ihr zuvor.

„Ich würde jetzt nicht gerade sagen, dass sie eine Göttin ist, aber ja. Genau die.“

„Ich habe mal in einem Buch über griechische Mythologie gelesen, dass Eris erst als alte kleine Frau beschrieben wird und erst wenn sie es schafft, den Neid und den Hass in den Menschen zu wecken, zu ihrer wahren Gestalt erblüht. Meinst du, dafür werden die Menschen gebraucht?“

„Ich denke schon. Sie wird nach dem Kampf gegen Königin Serenity sehr geschwächt gewesen sein. Es ist davon auszugehen, dass sie das Gleiche, wie damals, erneut versucht. Nur dieses Mal mit der Erde. Wir müssen sie stoppen, bevor der Erde das gleiche Schicksal, wie dem anderen Planeten blüht.“

 

 

Flink steckte Mamoru den Schlüssel ins Schloss, öffnete die Tür und deutete Usagi an, dass sie hineingehen sollte.

Die Fahrt über hatten die beiden nicht sonderlich viel geredet. Usagi hatte die meiste Zeit nur traurig aus dem kleinen Fenster des Autos gesehen. Er konnte sich schon denken, warum sie so niedergeschlagen war. Sie hatte ihm kurz von dem Zusammentreffen mit Luna erzählt und ließ sie daher lieber in Ruhe. Sie würde schon mit ihm darüber reden, wenn sie so weit wäre. Er war sowieso in dem Moment mehr damit beschäftigt gewesen, sich auf den Verkehr zu konzentrieren und nebenbei darauf aufzupassen, dass ihnen niemand folge.

Nachdem sie die Wohnung betreten hatte, folgte er ihr schnell und blieb nun allerdings verblüfft stehen. „Na, da durfte er ja nicht viel mit zu Reika nehmen.“ Lachend stellte er seine Tasche auf den Boden.

Die gesamte Wohnung sah eigentlich genau so aus, wie er sie in Erinnerung hatte. Lediglich ein paar Teile fehlten. Er konnte sehen, wie sich nun auch Usagi ein Grinsen nicht verkneifen konnte. „Tja, so ist das nun Mal mit uns Frauen.“

Kurz trafen sich ihre Blicke, doch schnell wandte sie sich wieder ab und tat so, als ob sie ein Bild an der Wand betrachtete. Doch er wusste genau, dass sie gerade nicht an das Bild dachte. Lange brauchte er jedoch nicht überlegen, was sie hatte.

„Haben wir denn zusammengewohnt? Ich meine, in deiner Wohnung war ja nicht gerade viel Mädchenkram“, fragte sie ihn, ohne dabei den Blick von dem Gemälde zu nehmen.

Auch wenn sie ihn nicht ansah, konnte er deutlich fühlen, wie nervös sie diese Frage machte. Lächelnd stellte er sich also neben sie und sah ebenfalls auf das Bild.

„Also, an dem Tag, an dem …“

Kurz musste er schwer schlucken. Sofort schossen ihm die Bilder von ihrem Sturz in den Kopf, doch schnell schüttelte er diesen Gedanken wieder ab. Sie war wieder hier bei ihm und das war die Hauptsache. Rasch sprach er schließlich weiter.

„An dem Tag, an dem du die Treppe hinunter gefallen bist, hatten wir beschlossen zusammenzuziehen und waren gerade auf dem Weg zu deinen Eltern gewesen, um es ihnen zu sagen.“

Ruckartig sah sie nun zu ihm. „Meine Eltern? Ich habe noch eine Familie?“

Nickend drehte er sich zu ihr und lächelte sie an. „Ja, du wohnst eigentlich mit deinem jüngeren Bruder noch bei deinen Eltern.“

Immer größer wurden nun ihre Augen. „Und da fragen sie gar nicht nach mir? Wissen sie denn, wo ich bin? Haben sie mich denn gar nicht besucht?“

„Sie wurden ebenfalls entführt … Luna hat allerdings ihre Erinnerungen manipuliert, dass sie sich keine Sorgen um dich machen müssen.“

Bevor sie noch etwas sagen konnte, zog er sie mit sich mit und ging mit ihr zum Sofa.

„Du solltest dich jetzt lieber ausruhen. Wenn es dir besser geht, können wir gerne zu ihnen fahren, wenn du möchtest.“

 

Nickend knetete sie ihre Hände ineinander und sah auf diese herunter. „Meinst du … meinst du ich werde mich überhaupt wieder an alles erinnern … also auch an dich und mich? ...“

Langsam setzte er sich neben sie auf das Sofa.

„Zerbreche dir darüber jetzt nicht den Kopf … Werde erst mal wieder richtig gesund.“

„Und wenn ich mich nie mehr an dich erinnere?“, flüsterte sie mehr, als das sie es laut aussprach, woraufhin er plötzlich seinen Kopf ganz nah zu ihrem beugte und ihr Tief in die Augen sah. Es passte gerade mal ein Blattpapier dazwischen und ihre Nasenspitzen hätten sich beinah berührt. Augenblicklich wurde ihr wieder so warm und ihr Herz raste, als ob sie gerade einen Marathon gelaufen wäre. Sein unverkennbarer Duft stieg ihr in die Nase und vernebelte ihr prompt die Sinne.

„Dann muss ich es halt irgendwie schaffen, dass du dich erneut in mich verliebst.“ Grinsend wich er wieder zurück und auf der Stelle wurde ihr wieder kalt und sie hätte ihn am Liebsten zu sich zurückgezogen. Wie schaffte er das immer, ohne groß etwas zu machen, sie immer wieder so aus der Fassung zu bringen. „Ich glaube, das dürfte nicht all zu schwer werden“, murmelte sie und seufzte leise aus.

„Hast du was gesagt?“ Ertappt wedelte sie schnell mit ihrer Hand. „Ach gar nichts.“

Schulterzuckend stand er auf, kniete sich zu seiner Tasche, wühlte darin herum und zog ein schwarzes Shirt heraus. „Wenn du nichts dagegen hast, würde ich mal schnell unter die Dusche springen.“

Erst jetzt bei näherer Betrachtung bemerkte sie, dass seine Kleidung wohl bei dem Kampf zerrissen wurde und der Rest seines Körpers auch nicht besser aussah. Sie konnte gut verstehen, dass er kurz eine Dusche brauchte. „Nein nein, geh ruhig.“

Lächelnd nickte er ihr zu, hob seine Hände hinter seinen Rücken und zog mit einer Bewegung sein Shirt aus. Sie konnte gar nichts dagegen machen, sie musste ihn einfach dabei zusehen. Sie hatte schon bemerkt, dass er gut trainiert sein musste, aber jetzt seinen nackten Oberkörper zu sehen war dann doch noch mal etwas anderes. Wie gebannt starrte sie ihn an und ihr Herz schlug schon wieder schneller, als es ihr lieb war. Doch plötzlich erschrak sie, als er sich ein Stück nach vorne beugte, da ihm sein Shirt auf dem Boden gefallen war.

Prompt sprang sie auf und überwand die Meter, die sie von ihm trennten. Vorsichtig legte sie ihre Hand auf seinen Rücken und betrachtete seine Schulter. „Das war der Energieball, hab ich recht?“

Er brauchte ihr gar nicht antworten, sie wusste es auch so. Er hatte eine kreisförmige Brandwunde auf dem Schulterblatt. „Das muss doch wehtun. Warum sagst du denn nichts?“

Langsam richtete er sich wieder auf. „Halb so wild.

Besorgt verzog sie ihr Gesicht. Er hatte diese Wunde nur, weil er ihr geholfen hatte. „Aber-“

„Ehrlich. Mach dir keinen Kopf.“ Lächelnd legte er seine Hände auf ihre Schulter. „Setz du dich mal lieber wieder hin.“ Vorsichtig drehte er sie ein Mal um ihre eigene Achse und schob sie zurück zum Sofa. Ohne Widerworte setzte sie sich auch wieder hin. Sie fühlte sich miserabel, da er nur wegen ihr verletzt wurde. „Tut mir leid.“

„Da gibt es nichts zu entschuldigen … Ruh dich aus. Bin gleich zurück.“

Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, huschte er auch schon schnell ins Badezimmer herüber. Kurz sah ihm noch hinterher, wie er aus dem Zimmer verschwand, und lehnte sich nun zurück. Er hatte ja recht. Erst jetzt merkte sie, wie erschöpft sie eigentlich war. Gähnend legte sie ihren Kopf auf eines der großen Sofakissen.

 

Frisch geduscht kam Mamoru aus dem Badezimmer. Die warme Dusche hatte ihm gut getan. Er wollte gerade schon etwas sagen, als er zum Glück noch rechtzeitig sah, dass sie eingeschlafen war. Lächelnd hob er sie vorsichtig hoch, trug sie hinüber ins Schlafzimmer und legte sie behutsam in das Bett. Liebevoll deckte er sie zu und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Zu gerne hätte er ihr einfach beim Schlafen zu gesehen, wie sehr hatte er sie doch vermisst. Doch er musste dringend telefonieren. Zum Glück hatte Motoki das Telefon nicht abbestellt, da er seine Wohnung untervermieten wollte.

Schnellen Schrittes lief er zurück ins Wohnzimmer und wählte Reis Telefonnummer. Wenn er Glück hatte war Ami noch da. Er wusste ja, dass sie sich dort treffen wollten.

Er musste dringend einkaufen. Da Motoki hier nicht mehr wohnte, waren logischerweise keine Vorräte mehr hier. Wenn sie etwas essen wollten, musste er wohl oder übel noch mal los. Usagi dabei mitnehmen war jedoch keine Option. Sie hier alleine lassen aber auch nicht. Also entschloss er sich Ami zu bitten, kurz bei ihr zu bleiben. Sie war auch Ärztin und dazu war sie noch die Ruhigste von allen. Bei ihr konnte er sich sicher sein, dass sie Usagi nicht wieder überfordern würde.

 

 

Fünfundvierzig Minuten später klingelte es und so öffnete er hastig die Tür und ließ Ami hinein.

„Setz dich doch “, bat er sie und deutete aufs Sofa, „Luna hat euch denk ich mal alles erzählt?“ Nickend setzte sie sich. „Ja … Wir wussten es doch nicht, sonst hätten wir Usagi doch nicht-“

„Alles Gut. Ist ja zum Glück noch mal alles gut gegangen … Habt ihr etwas Neues heraus bekommen?“

In kurzen Sätzen erzählte sie ihm von dem Gespräch mit Luna und ihren Vermutungen.

„Eris also.“ Nachdenklich sah er zu Boden, bevor er dann jedoch schnell wieder aufblickte.

„Ich glaube, ich sollte erst mal los. Wenn Usagi aufwacht, hat sie bestimmt Hunger.“ Kurz mussten die beiden schmunzeln. „Ich geh noch mal kurz nach ihr sehen.“

Leise schlich er sich ins Zimmer, hockte sich neben das Bett und streichelte ihr sanft übers Gesicht.

„Hey Usagi. Ich werde uns kurz etwas zu Essen besorgen. Ami ist solange hier.“

Im Halbschlaf drehte sie sich zu ihm, öffnete kurz ihre Augen, nickte ihm zu und war danach auch schon direkt wieder eingeschlafen. Er gab ihr noch schnell einen Kuss auf die Stirn und verließ dann wieder das Zimmer.

„Ich werde schnell in den Supermarkt und auf dem Rückweg kurz in die Klinik, die restlichen Medikamente für sie besorgen. Außerdem muss ich um Aufschub bitten. Ich kann so nicht zur Arbeit gehen.“ Ernst sah er dabei zur Schlafzimmertür und wandte sich dann wieder zu Ami, die ihm aufmunternd zu nickte.

„Ich werde gut auf sie aufpassen.“

 

Laut auspustend saß Ami auf dem Sofa und durchblätterte angestrengt ihre Bücher, die sie noch schnell von zu Hause geholt hatte, bevor sie hier her kam. Doch zu ihrem Ärgernis gaben sie ihr keine neuen Erkenntnisse.

Immer wieder ging sie dabei ins Schlafzimmer herüber und sah nach Usagi.

Frustriert klappte sie erneut ihr Buch zu und legte es auf den kleinen Couchtisch. Müde stand sie auf und streckte sich kurz. Am Besten sah sie noch ein Mal nach, ob ihre Freundin nicht mittlerweile wach geworden war. Langsam steuerte sie dazu die Schlafzimmertür an. Doch kaum hatte sie die Tür geöffnet, erschrak sie. Usagi atmete sehr hastig und wälzte sich hin und her. Schnell war sie ans Bett gelaufen, fühlte ihren Puls und legte ihren Handrücken auf ihre Stirn. Ihre Temperatur stieg anscheinend wieder.

„Usagi … Usagi …“

Behutsam versuchte sie ihre Freundin zu wecken, doch diese reagierte überhaupt nicht. Auch als sie nun etwas kräftiger an ihren Schultern schüttelte, wurde sie nicht wach …

 

 

Kapitel 31

 

Verwundert blinzelte sie in die Dunkelheit hinein. Sie konnte kaum ihre eigene Hand vor Augen sehen. Ängstlich versuchte sie sich zu orientieren. Wo war sie hier? Eben lag sie doch noch in dem großen Bett und dunkel erinnerte sie sich, dass Mamoru meinte, er würde schnell etwas zu Essen besorgen. Wie kam sie von der einen Sekunde zur anderen nun hier her?

Langsam gewöhnten sich ihre Augen jedoch an die Finsternis und sie konnte etwas besser sehen. Scheinbar stand sie in einem langen Flur ohne Türen oder Fenster. Es sah fast, wie altes Gemäuer in einem Kellergang in einer Burg aus. Vorsichtig setzte sie einen Fuß vor den anderen.

Langsam ging sie durch den schmalen Gang, als es ihr mit einem Mal eiskalt den Rücken hinunterlief. Es wisperte und flüsterte plötzlich aus allen Ecken. Wo war sie nur gelandet? Und warum überhaupt?

Zitternd schlang sie ihre Arme um ihren Oberkörper. Es war so kalt und finster hier, sie musste auf dem schnellsten Weg hier wieder herauskommen. Nur, wie sollte sie das anstellen? Sie wusste ja nicht ein Mal, wie sie hier überhaupt hergekommen war. Frierend lief sie weiter den Gang entlang. Sie wusste nicht warum, aber je weiter sie hier durch die Dunkelheit lief, umso leerer, kraftloser und einsamer fühlte sie sich. Genauso hatte sie sich gefühlt, als sie herausgefunden hatte, dass Mamiko und Kenta sie die ganze Zeit nur belogen hatten.

Eine gefühlte Ewigkeit ging sie nun schon den langen Korridor entlang, ohne dass sich irgendetwas an diesem änderte. Es sah immer gleich aus. Wie lange sie hier wohl schon herumlief? Sie wusste es nicht. Ihr schien jedes Zeitgefühl verloren gegangen zu sein.

Ängstlich drehte sie sich immer wieder um. Die ganze Zeit hatte sie das Gefühl beobachtet zu werden. Die Tatsache, dass es unentwegt neben ihr weiter flüsterte und wisperte, machte die Ganze Sache auch nicht gerade besser.

Schwer atmend sah sie ein weiteres Mal über ihre Schulter zurück. Ein lautes Rascheln ertönte dicht hinter ihr und so beschleunigte sie ihre Schritte. Doch kurz danach blieb sie abrupt stehen. Der Gang teilte sich auf einmal in drei weitere Gänge auf. Welchen sollte sie jetzt nur nehmen?

 

 

Nachdem Ami erfolglos versuchte hatte, Usagi wach zu bekommen, mit kalten Tüchern versucht hatte, ihre Temperatur zu senken und Mamoru immer noch nicht zurück war, durchwühlte sie nun seine Tasche. Ihr war es sichtlich unangenehm sie zu durchsuchen, aber ihr blieb nichts anderes übrig. Usagis Temperatur stieg und stieg. Sie musste ihr etwas dagegen geben.

„Wo bleibt er denn nur“, murmelte sie vor sich hin und versuchte zwischen Mamorus Klamotten etwas zu finden.

Da sie so aber einfach nicht weiterkam, schüttelte sie kurzerhand den gesamten Inhalt der Tasche auf das Sofa. Erleichtert fand sie unter einem Shirt zum Glück endlich, wonach sie gesucht hatte. Schnell rannte sie damit zurück zu Usagi und verabreichte ihr das Fiebersenksendemittel.

Jetzt blieb ihr nichts anderes übrig, als zu warten, ob es half. Immer wieder versuchte sie ihre Freundin zu wecken, allerdings ohne Erfolg.

 

 

Unschlüssig stand sie vor den drei Wegen und konnte sich nicht entscheiden. Welchen sollte sie nur nehmen? Wieder zurückgehen war aber auch keine Option. Die Stimmen hinter ihr wurden immer bedrohlicher. Sie wollte gar nicht herausfinden, was sich dort hinten verbarg.

Tief atmete sie durch und entschied sich für den mittleren Gang und setzte damit ihren Weg fort.

 

Immer wieder tauchten neue Gabelungen auf, doch bei diesen überlegte sie nicht mehr lange und ging einfach immer weiter. Sie war so müde und ihre Beine wurden einfach immer schwerer. Am liebsten hätte sie sich einfach hingelegt, die Augen geschlossen und sich ein wenig ausgeruht. Aber irgendetwas in ihr, zog sie weiter. Also schleppte sie sich müde und erschöpft immer weiter.

 

Ohne es zu wissen, ging sie dadurch immer tiefer in die Finsternis hinein.

 

 

Angespannt saß Ami neben Usagi auf der Bettkante. Ihre Temperatur ging zwar etwas hinunter, doch aufwachen tat sie immer noch nicht. Egal was sie auch versuchte, sie hatte keinen Erfolg. Es war beinahe so, als würde sie gar nicht zu Usagi durchdringen können.

Sanft legte Ami ihre Hand auf Usagis Stirn und riss augenblicklich ihre Augen auf. Was war das? Ihr war so, als ob ihr etwas zu geflüstert hätte. Aber es war nicht Usagi. Nein, es war etwas Dunkles. Sie spürte irgendetwas Böses. Hier ging etwas nicht mit rechten Dingen zu. Das war überhaupt nicht gut.

Schnell holte sie ihren kleinen Computer aus der Tasche und tippte, wie wild etwas hinein. Kurz darauf kniff sie ihre Augen zusammen und ballte eine Hand zur Faust. Usagis Zustand hatte keinen natürlichen Ursprung. Ganz offensichtlich hatte irgendetwas Böses von ihr Besitz ergriffen, was sie nicht erwachen ließ.

 

Kopflos lief sie einfach immer weiter, bis sich der Weg erneut aufteilte. Sie war sich mittlerweile ziemlich sicher, dass sie in einer Art Labyrinth gelandet war. Aber warum? Wie war sie hier nur hergekommen?

Ruckartig blieb sie stehen und allmählich stiegen ihr die Tränen in die Augen. Schluchzend lehnte sie sich gegen die Wand und rutsche an dieser herunter, bis sie auf dem Boden saß. Weinend umklammerte sie ihre Beine und zog sie ganz eng an sich heran. Wie sollte sie hier nur wieder herauskommen, wenn sie nicht mal wusste, warum sie hier war.

Erschöpft sog sie schwer die stickige Luft in ihre Lungen. Sie konnte und wollte nicht mehr weiter laufen. Zusammengekauert saß sie da, als ihr plötzlich ein eiskalter Hauch, gefolgt von einem Wispern, durch die Haare wehte. Es schien ihr etwas sagen zu wollen.

„Wer bist du? Bin ich wegen dir hier?“

Doch niemand antworte ihr. Stattdessen hallte mit einem Mal aus allen Ecken ein finsteres, dröhnendes Lachen.

Auf einem Schlag stand sie senkrecht. Ihre Müdigkeit und ihre Erschöpfung waren vergessen. Panisch lief sie wieder los. Sie musste hier irgendwie herauskommen. Irgendwie musste sie den Ausgang finden. Sie durfte jetzt nicht aufgeben.

 

„Ja, lauf nur. Lauf nur weiter in dein Verderben … Du wirst nie wieder das Licht der Welt erblicken“, flüsterte eine Stimme hinter ihr und lachte hämisch auf.

Doch Usagi hörte es nicht. Sie lief einfach weiter und versuchte irgendwie, den Weg hinauszufinden.

 

 

Nervös ging Ami neben dem Bett auf und ab. Sie überlegte krampfhaft, was sie tun konnte, als sie hörte, wie die Wohnungstür aufgeschlossen wurde. Eilig lief sie aus dem Schlafzimmer.

 

Kaum hatte er die Tür hinter sich geschlossen, stand Ami plötzlich neben ihm und zog an seinem Ärmel. „Schnell … Usagi … Sie wird nicht mehr wach …“

Ohne etwas zu sagen, ließ er seine Tasche auf den Boden fallen, drückte sich an Ami vorbei und eilte herüber ins Schlafzimmer. Ruckartig warf er sich neben das Bett und nahm sanft Usagis Hand in seine. Sofort versuchte er sie zu wecken, doch sie rührte sich nicht. „Ami, was ist hier los?“

 

Sofort berichtete ihm Ami, was vorgefallen war und was sie vermutete.

Schwer atmend presste er seine Lippen aufeinander. Das konnte doch nicht sein. Ami musste sich irren. Mit großen Augen wandte er sich wieder Usagi zu. „Usako … hörst du mich?“

Behutsam schüttelte er sie an ihren Schultern. Doch wieder keine Regung von ihr. Sanft streichelte er ihr über die Wange, doch außer einem leisen Wimmern, kam wieder keine Reaktion von ihr. Aufgebracht fuhr er sich durch seine Haare. Wie konnte das nur passieren? Hatte er etwas übersehen? Hatte dieser Typ, der sie verschleppen wollte, irgendetwas gemacht, ohne das er es gemerkt hatte? Bevor er jedoch weiter überlegen konnte, riss ihn Ami wieder aus seinen Gedanken.

„Mamoru, wo ist das Telefon? Wir brauchen die anderen hier. Vielleicht weiß Rei oder Luna, was zu tun ist. Außerdem braucht sie jetzt jeden Schutz, den sie bekommen kann.“

 

 

Zitternd drückte sie ihre Arme um ihren Körper. Wurde es immer kälter oder bildete sie sich das nur ein? Stöhnend pustete sie aus und runzelte augenblicklich ihre Stirn. Nein, sie bildete es sich nicht ein. Es wurde tatsächlich kälter. Hastig atmete sie ein und aus. Bei jedem Ausatmen konnte sie ganz deutlich einen leichten Nebelhauch vor sich erkennen.

„Na, wie gefällt dir das, Prinzeschen?“

Erschrocken zuckte sie zusammen. Auf der Stelle spannten sich ihre gesamten Muskeln an und ohne darüber nachzudenken, nahm ihr Körper eine Kampfhaltung ein. „Wer bist du und was willst du?“

Statt einer Antwort, hallte jedoch nur ein ohrenbetäubendes Lachen durch alle Winkel des Gemäuers. Sie musste sich die Ohren zu halten, so laut war es.

Nach und nach wurde der Lärm leiser und vorsichtig nahm sie die Hände wieder herunter. „Wer bist du? Zeig dich!“

Entschlossen wollte sie gerade loslaufen, um die Person zu finden, als der Boden plötzlich unter ihren Füßen begann zu beben. Wankend kippte sie dadurch nach vorne und landete schmerzhaft auf ihren Knien. Erneut begann es zu flüstern, doch dieses Mal wurde es immer lauter. Immer noch bebte der Boden unter ihr, wodurch sie es nicht schaffte, wieder auf ihre Füße zu kommen. Was passierte hier nur mit ihr? Sie musste ihre Finger in den Boden krallen, um irgendwie Halt zu finden. Panikartig kniff sie ihre Augen zusammen, verharrte so in ihrer Position und wartete, dass es endlich aufhören würde.

Langsam beruhigte sich der Boden zum Glück wieder und schnell rappelte sich daher wieder auf.

„Zeig dich endlich! Was willst du von mir?“ Wachsam sah sie sich zu allen Seiten um, bis auf ein Mal, wie aus dem nichts eine junge Frau mit langen schwarzen Haaren über ihr auftauchte.

Sie schwebte ein Stück von ihr entfernt im Gang. Trotz der Dunkelheit konnte sie deutlich sehen, dass die Augen der Frau direkt auf sie gerichtet waren.

„Wer bist du?“, krächzte sie. Ihre Stimme brach ihr fast weg, da ihr Hals so trocken war.

„Du bist deiner Mutter so ähnlich …“ Böse wurde sie von der Frau gemustert.

Kampfbereit baute sich Usagi vor ihr auf. Sie musste die Frau sein, von der Kenta gesprochen hatte. Sie war mit Sicherheit dafür verantwortlich, dass sie hier herumirrte. Aber, wie hatte sie es nur geschafft, ohne dass sie es mitbekommen hatte, von ihr hier her gebracht zu werden?

„Wo sind wir?“

Siegessicher gurgelte die Frau vor sich hin, bevor sie voller Verachtung wieder zu ihr sprach.

„Ich habe das Katz und Maus Spiel langsam sattgehabt. Zunächst war es ja noch ganz amüsant aber, … wir sollten langsam Mal zum Ende kommen … Es war ein Kinderspiel, in deinem jetzigen Zustand in dein Unterbewusstsein einzudringen. Durch Mamikos kleine Blockade ist es ein Leichtes für mich dich aufzuspüren, da ihre Quelle meine Macht ist. Ich musste lediglich warten, bist du schläfst … Du wirst nie wieder aus diesem Albtraum erwachen … Gefällt es dir hier? Es wird das Letzte sein, was du siehst, bevor dich deine Kraft ganz verlässt.“

Laut lachte die Frau auf und strich sich danach siegessicher ihr langes Haar aus dem Gesicht.

Schwer musste sie schlucken. Sie schlief und war nun gefangen in ihrem eigenen Unterbewusstsein? Wie war das möglich?

„Die anderen werden mich ganz bestimmt irgendwie wecken können.“

Kopfschüttelnd landete die Frau auf ihren Füßen und ging ganz langsam auf sie zu, wodurch ihr langes schwarzes Kleid auf dem Boden hinterher schleifte. Grinsend wedelte die Frau mit ihrem Zeigefinger, legte ihn danach unter Usagis Kinn und hob ihren Kopf damit ein Stück hoch.

„Das glaube ich nicht, Prinzesschen. Du bist schon so tief in meinen Irrgarten hinein gelaufen. Du wirst den Ausgang niemals finden können.“ Sie zog ihren Kopf so nah an sich heran, dass ihr Mund nun direkt an ihrem Ohr lag. „Deine Lebensenergie wird bald ganz erloschen sein und die Macht des Kristalls damit auch.“

Schlagartig schubste sie die Frau von sich weg. „Das werde ich niemals zulassen!“

„Merkst du es denn nicht? Merkst du nicht, wie du immer schwächer wirst? Törichtes kleines Ding. Du hast keine Chance mehr zu entkommen.“

Schlagartig riss sie ihre Augen auf. Sie hatte recht, sie merkte selber, wie sie immer schwächer wurde. Sie war so müde und erschöpft. Sollte das ihr Ende sein? Es musste doch irgendwie einen Weg geben, hier herauszukommen. Doch ihre Angst wollte sie vor der Frau nicht zeigen. Den Gefallen tat sie ihr nicht. Schnaufend straffte sie also ihre Schultern. „Selbst wenn du mich tötest , die anderen werden dich finden und aufhalten.“

Wieder wedelte die Frau mit ihrem Zeigefinger verneinend hin und her.

„Wenn die Mondfamilie erst ein Mal völlig ausgelöscht wurde, kann mich niemand mehr aufhalten.“

Mit geballten Fäusten wich sie einen Schritt zurück. „Da irrst du dich!“

„Du mit deinem Kristall bist das Einzige, was mir noch im Wege steht … Nachdem deine Mutter mich mit dem bescheuerten Kristall besiegt hatte, wurde mir klar, dass es nur eine Möglichkeit gibt, ungestört meine Welt aufzubauen. Der Kristall muss vernichtet werden. Er ist der Einzige, mit dem man mich aufhalten kann. Nur mit ihm kann man den Hass und den Neid aus den befallenen Lebewesen komplett entfernen … Nur leider hatte mich deine Mutter so geschwächt, ich musste zunächst meine alte Macht zurückerlangen.“

„Die Sailor Kriegerinnen werden dich, Mamiko und die anderen aufhalten. Verlass dich drauf!“

Lachend begann Eris wieder vor ihr zu schweben und verschränkte dabei ihre Arme.

„Mamiko und der Rest, dieser erbärmlichen kleinen Familie, wird mir eh langsam lästig. Also nur zu, deine kleinen Freunde können sie ruhig aus dem Weg räumen. Dann muss ich mir damit nicht die Hände schmutzig machen. Sie waren eh nur Mittel zum Zweck. Es war so einfach, sie für mein Vorhaben zu benutzen und zu manipulieren. Sie glaubten mir jedes Wort. Wie ich ihnen als Hofdame zugeflüstert hatte, dass man mit dem Kristall ihre Eltern wiederbringen könnte … So leicht gläubig. Mir war klar, dass sie verband werden würden. Wie ich ihnen danach dann den Floh ins Ohr setzte, dass es einzig allein die Schuld der Mondfamilie war. Es war so einfach … Und dabei ahnten sie nicht ein Mal, dass ich ihren Planeten zerstört habe.“

Mit bebenden Lippen stiegen ihr erneut die Tränen in die Augen. Kenta hatte ihr und Mamoru erzählt, wie sein Planet zerstört wurde und er seine Eltern verloren hatten. Auf ein Mal war der ganze Groll gegen Mamiko und die anderen vergessen. Ihr taten sie nur noch leid. Sie konnten ja nichts dafür, wie ihnen mitgespielt wurde.

„Wie kann man nur so böse sein und unschuldige Kinder da mit hineinziehen? Das werde ich dir niemals verzeihen“, flüsterte sie leise und ballte wieder ihre Hände zu Fäusten.

Ruckartig steckte sie ihre Hand in ihre Tasche und zog ihre Brosche heraus. Sie hielt sie nach oben und wollte sich verwandeln, doch ihre Brosche reagierte nicht. Erschrocken nahm sie die Hand herunter und starrte auf ihre Brosche. Warum funktionierte sie nicht?

Als hätte die Frau ihre Gedanken gehört, schwebte sie dicht an sie heran, legte ihre Hände um ihren Hals und drückte mit einem Grinsen zu.

„Auch wenn wir in deinen Unterbewusstsein sind, ist es mein Reich, in dem du dich gerade befindest. Du bist in meinem Labyrinth der Dunkelheit gefangen. Deine Brosche wird dir hier gar nichts nützen.“

Lachend ließ sie wieder los und nach Luft schnappend fiel sie zu Boden.

Das eben noch so triumphierende Auftreten der Frau änderte sich schlagartig. Sie ballte ihre Hände zu Fäusten und ihr Mund verzog sich zu einem finsteren Grinsen. „Genug geplaudert. Es wird Zeit, dass die letzte Erbin des Mondes verschwindet.

 

 

Mittlerweile waren Rei, Minako und Makoto mit Luna und Artemis, nachdem sie von Ami verständigt wurden, eingetroffen. Sie diskutierten schon über eine Stunde verzweifelt, wie sie Usagi wecken könnten. Haruka, Michiru und Hotaru wollten eigentlich auch schon längst hier sein. Doch bisher waren sie noch nicht aufgetaucht.

„Setsuna ist schon zurück auf ihrem Posten?“, fragte Ami nachdenklich in die Runde, woraufhin ihr Makoto zu nickte.

Setsuna war, nachdem Luna ihnen erzählt hatte, wen sie hinter dem neuen Gegner vermutete, zurück zum Tor von Raum und Zeit gekehrt. Sie wussten nicht, auf was Eris es alles abgesehen hatte, und so waren alle einstimmig dafür gewesen, dass es besser wäre, wenn es nicht unbewacht bliebe.

Minako raufte sich ihre Haare.

„Es muss doch irgendeine Möglichkeit geben. Wir müssen sie doch aufwecken können.“

Rei saß auf der Bettkante an Usagis Füßen, schloss ihre Augen und legte eine Hand auf Usagis Bein. „Sie wird schwächer, ich spüre es“, flüsterte sie.

 

 

Mit weit aufgerissenen Augen sah sie immer noch keuchend zu der Frau hoch.

„Ich werde mir das Schauspiel aus erster Reihe ansehen. Und danach sind deine kleinen Freunde dran. Aber so schlimm ist das ja gar nicht, du weißt ja ohnehin nicht, wer sie sind.“ Kaum hatte die Frau die Worte ausgesprochen, bebte erneut der Boden unter ihren Füßen und mit einem unheilvollen Lachen löste sich die Frau vor ihren Augen in Luft auf.

Zitternd krallte sie ihre Hand in das Mauerwerk und versuchte sich an der Wand hochzuziehen. Alles bebte und schwankte. Erschrocken sah sie unter ihre Füße, als mit leisen Knacken sich kleine Risse im Boden bildeten. Und dann wurde es wieder ruhig und das Beben hörte auf. Auch das Flüstern war verstummt. Alles war still. Ein wenig zu Still.

Verdutzt wischte sie plötzlich mit ihrer Hand über ihre Stirn. Irgendetwas hatte sie getroffen. Irritiert sah sie zu erst auf ihre Hand und dann zur Decke hinauf. Ein Wassertropfen? Wo kam der denn jetzt her? Kopfschüttelnd schleppte sie sich ein paar Meter die Wand entlang, bis sie merkte, wie auf ein Mal immer mehr Tropfen von der Decke herunterfielen. Was hatte das zu bedeuten? Doch lange musste sie nicht überlegen. Mit großen Augen sah sie vor sich. Dort, wo die Tropfen den Boden berührten, gefroren sie direkt zu Eis. In Sekundenschnelle breitete sich das Eis weiter aus und kroch nun langsam die Wand hinauf. Erschrocken zog sie gerade noch so ihre Hand weg, bevor das Eis sie erwischt hatte. Sie musste sofort von hier weg.

Vorsichtig versuchte sie, ohne das Eis zu berühren, weiter voranzukommen. Zitternd schlang sie wieder ihre Arme um ihren Oberkörper. Es wurde immer kälter und ihre Beine wurden mit jedem Schritt schwerer. Sie hatte große Mühe weiter zu laufen. Sie war so Müde. Schwer atmend schloss sie für einen winzigen Moment ihre Augen. Taumelnd ging sie einen Schritt weiter, als sie panisch wieder ihre Augen aufriss, als sie plötzlich ins Straucheln kam. Sie war direkt auf eine vereiste Stelle getreten. Fluchend versuchte sie ihr Gleichgewicht zu halten, doch es war zwecklos, schlitternd rutschte sie aus und schlug mit ihrem Kopf gegen die Wand. Ein dumpfer Schmerz durchzog sie und stöhnend sackte sie auf dem Boden zusammen. Sie wollte direkt wieder aufstehen, doch es klappte einfach nicht. Entsetzt betrachtete sie ihren Fuß, mit dem sie auf das Eis getreten war. Er war komplett gefroren. Schwer schluckend musste sie feststellen, dass das Eis langsam ihr Bein hinauf kroch.

Mit zusammengebissenen Zähnen schaffte sie es irgendwie aufzustehen und humpelte nun langsam weiter. Doch mit jedem Schritt wurde es schwerer. Die Kälte erreichte mittlerweile ihr Knie und stieg immer weiter auf. Sie wusste, lange würde sie es nicht mehr durchhalten und ihr gesamter Körper würde zu Eis werden. Tränen sammelten sich in ihre Augenwinkeln und kullerten ihr das Gesicht hinunter. Die Frau hatte recht, sie würde hier nie wieder hinauskommen. Sie schaffte es einfach nicht weiter zugehen.

Niedergeschlagen und am Ende ihrer Kräfte, ließ sie sich auf den Boden fallen, lehnte ihren Kopf gegen die Wand und schloss ihre Augen. Sie konnte niemanden mehr helfen. Sie konnte sich ja nicht mal mehr selber helfen. Sobald ihre Kraft erloschen war, würde die Frau, von der sie nicht mal ihren Namen wusste, sich Mamoru, die anderen Sailor Kriegerinnen und die Stadt, ja die gesamte Erde vornehmen und zerstören.

„E-es tut mir so leid … I-ich wünschte, ich könnte euch noch h-helfen …“, stotterte sie mit rauer Stimme und prompt begannen ihre Lippen unkontrolliert zu zittern.

Ihr war so kalt, dass sie kaum noch bewegen konnte. Immer schwerer wurden ihre Lider, und da allmählich, alles vor ihr verschwamm, schloss sie langsam ihre Augen. Vielleicht musste sie sich ja einfach nur kurz ausruhen und dann konnte sie weiter laufen …

 

 

Luna und die anderen standen gesammelt in dem kleinen Schlafzimmer und sahen schweigend auf Usagi. Sie waren alle möglichen Wege durchgegangen, wie sie Usagi erwecken könnten. Doch nichts davon funktionierte.

„Ich glaube, wir können gar nichts tun … Sie muss es von ganz alleine schaffen …“ Betroffen senkte Luna ihren Kopf.

Krampfhaft drückte Mamoru bei Lunas Worten ganz fest Usagis Hand. Sie mussten doch irgendwas tun können. Irgendetwas mussten sie einfach übersehen haben. Nun war sie hier bei ihm und er konnte rein gar nichts tun und musste einfach zu sehen, wie er sie direkt vor seinen Augen starb? Schwer schluckend kniff er seine Augen zusammen und versuchte sich irgendwie zusammenzureißen. Er musste jetzt stark sein, für sie. Ihm musste etwas einfallen.

 

Alle in ihren Gedanken versunken, fuhren erschrocken zusammen, als es plötzlich an der Haustür klopfte. Makoto rannte schnell los und öffnete die Tür. Sie wollte gerade etwas sagen, als sie forsch von Haruka unterbrochen wurde. „Schnell … Michiru ist verletzt.“

Haruka und Hotaru stützten die verletzte Michiru und halfen ihr zum Sofa.

Entsetzt kamen die anderen ins Wohnzimmer gelaufen. Ami sah sich sofort Michirus verletztes Bein an. Mamoru kramte währenddessen schon in seinen Sachen und holte die notwendigen Medikamente hinaus.

„Was ist denn passiert?“ Besorgt sah Minako die Drei an.

„Wir wurden auf dem Weg hier her angegriffen. Hunderte von Besensenden versammeln sich rund um den Tokio Tower. Ich denke, es wird nicht mehr lange dauern und sie werden die Stadt angreifen.“ Haruka ballte ihre Hände zu Fäusten und redete weiter. „Wir haben es gerade so geschafft zu entkommen und unbemerkt hier her zukommen.“

Ernst senkte Hotaru ihren Kopf und sah zu Boden. „Sie planen den finalen Schlag. Wir haben nicht mehr viel Zeit, bis es beginnt.“

Mamoru stand, mit Verbandsmaterial in der Hand, auf, und drehte sich zu Ami. „Schaffst du das allein?“

Da Ami ihm zu nickte, drückte ihr Mamoru die Sachen in die Hand und eilte danach, ohne ein weiteres Wort zurück ins Schlafzimmer.

„Und habt ihr schon etwas herausgefunden? Oder eine Idee, um Usagi zu wecken?“, fragte Hotaru mit hoffnungsvoller Stimme. Doch das betretende Schweigen der anderen war ihr Antwort genug.

„Das ist nicht gut“, flüsterte sie.

 

Keiner sagte mehr etwas, bis Ami sich wieder zu Wort meldete und lächelnd Michiru ansah.

„Du hast wirklich Glück gehabt … In ein paar Tagen sollte es wieder besser sein. Es ist zum Glück nur eine leichte Verbrennung.“

Erleichtert atmeten alle auf, allerdings hielt die Erleichterung nicht lange an, da Mamoru panisch aus dem Schlafzimmer rief.

 

Verzweifelt hielt er Usagi in seinen Armen, als die anderen hereinstürmten.

„Ihre Temperatur fällt plötzlich rapide ab … Sie wird immer kälter.“

Mit Tränen in den Augen zog er sie ganz nah an sich heran.

Angespannt schloss Rei ihre Augen. „Ich kann sie kaum noch spüren.“

 

Keiner brachte mehr einen Ton heraus, sie waren wie gelähmt. Konnten sie den gar nichts machen und mussten hilflos mit ansehen, wie ihre, vor Kurzem erst, wiedergekehrte Freundin starb?

Rei schrie Usagi an und gab ihr eine Ohrfeige. Sie wusste selber, dass es nicht viel bringen würde, aber sie konnte einfach nicht anders. Ein letzter verzweifelter Versuch irgendetwas zu tun. Mit Tränen in den Augen ließ sie ihr Arme hängen und starrte auf Usagis.

Mamoru zog diese noch enger an sich heran und presste seinen Kopf gegen ihren.

„Bitte … bitte bleib bei mir …“, flüsterte er ihr leise ins Ohr, wobei ihm ungehindert die Tränen herunterliefen.

 

Kapitel 32

 

„Sie wird immer kälter!“ Panikartig schnappte er sich die Decke, wickelte sie um sie beide herum und wiegte sie in seinen Armen hin und her. Er spürte ganz deutlich, wie ihre Lebensenergie weiter erlosch.

„Du darfst jetzt nicht aufgeben. Nicht jetzt. Ich liebe dich. Komm zu mir zurück“, flüsterte er ihr immer wieder zu. Jedoch wusste er nicht, ob es sie überhaupt auf irgendeine Weise erreichte.

 

Die anderen zogen sich nach und nach zurück und ließen die beiden alleine. Sie konnten nichts mehr für Usagi tun. Wenn ihr überhaupt noch jemand helfen konnte, dann war es Mamoru.

Schweigend saßen sie nun in dem kleinen Wohnzimmer und all ihre Gedanken waren bei ihrer Freundin. Keiner konnte in diesem Moment irgendetwas sagen.

 

Egal, wie sehr er sie auch wärmte, sie wurde einfach immer kälter und blasser. Ihre Lippen verfärbten sich langsam blau und er wurde immer verzweifelter.

Würde sie unter einer normalen Unterkühlung leiden, wüsste er genau, was er machen müsste. Er hatte schon den einen oder anderen Fall behandeln müssen. Aber hier, was sollte er nur tun? Sie hatten schon alles Mögliche probiert.

Erneut ging er alles in seinem Kopf durch, als er abrupt aus seinen Gedanken gezerrt wurde, da ihr gesamter Körper mit einem Mal anfing zu zittern.

„Usagi!“

Immer stärker bebte ihr Körper, bis sie sich plötzlich gar nicht mehr bewegte.

„Nein!“

Regungslos lag sie in seinen Armen und ihr Atem wurde immer langsamer und flacher. Jegliche Farbe schien ihr aus dem Gesicht zu weichen. „Das kannst du mir doch nicht antun!“

Den Atem anhaltend, legte er vorsichtig zwei Finger an ihren Hals und überprüfte ihren Puls. Zitternd nahm er seine Hand wieder zurück. Ihr Puls war kaum noch zu spüren.

„Usagi, bitte. Bitte. Nun wach doch auf … hörst du … du darfst uns nicht verlassen!“, schrie er sie an.

Zitternd und mit Tränen in den Augen beugte er sich zu ihrem Kopf herunter und legte seine Lippen auf ihre. Sie waren schon ganz kalt und jeglicher Lebenswille schien erloschen zu sein.

Behutsam bettete er ihren Kopf auf dem Kopfkissen und legte ihren Körper sanft auf die Matratze. Weinend presste er seine Lippen aufeinander und beugte sich über sie. Ungehindert liefen ihm seine Tränen das Gesicht hinunter und tropften auf ihren leblosen Körper. Eine Träne landete dabei genau auf der Höhe ihres Herzens.

 

 

Starr und bewegungsunfähig lehnte Usagi mit geschlossenen Augen an der Wand. Wenn man es nicht besser wüsste, hätte man meinen können, sie wäre eine Statur aus Porzellan. Immer weiter driftete sie in die Dunkelheit hinab und hatte sich längst mit ihrem Schicksal abgefunden.

Doch ganz plötzlich wurde ihr mit einem Mal so warm ums Herz. Was war das? Sie versuchte ihren Arm zu heben, was ihr zunächst nicht gelingen wollte. Erst als sich die Wärme in ihrem Herzen weiter ausbreitete, schaffte sie es mit großer Mühe ihre Hand an die warme Stelle in ihrer Brust zulegen. Es fühlte sich so schön warm und angenehm an. In ihr rührte sich wieder Leben. Irgendetwas sagte ihr, sie durfte nicht aufgeben, nicht jetzt.

Gerade als sie ihre Augen wieder geöffnet hatte, flüsterte mit einem Mal wieder eine Stimme zu ihr. Allerdings war es dieses Mal keine bedrohliche, angst erfüllende Stimme. Nein, dieses Mal war sie sanft und liebevoll. Sie hätte fast gemeint warm. Doch sie klang auch traurig und verzweifelt.

Die Stimme sagte ihr, sie solle nicht aufgeben, sie solle sie nicht verlassen. Ihr kam sie so seltsam vertraut vor. Und dann erkannte sie die Stimme, sie gehörte zu Mamoru.

Ganz langsam schaffte sie es, in dem sie ihre Füße auf den Boden stemmte und sich gegen die Wand dabei drückte, aufzustehen. Sie musste zu ihm, sie musste hier raus. Schritt für Schritt zog sie sich an der Wand entlang.

„Mamoru.“

 

 

Weinend drückte er seinen Kopf auf ihre Brust und versuchte ihren Herzschlag zu hören. Erschrocken zuckte er jedoch plötzlich zusammen. Hatte sie gerade seinen Namen gesagt? Langsam hob er seinen Kopf und sah ihr wieder ins Gesicht. Sie lag immer noch unverändert dort, so wie er sie hingelegt hatte. Fing er jetzt schon an zu halluzinieren? Wünschte er sich es so sehr, dass er sich es nun einbildete? Aber dann, mit großen Augen sah er sie an. Ihr Brustkorb fing sich langsam wieder an zu heben und zu senken. Zwar nur ganz leicht, man hätte es fast nicht bemerkt, doch ihm fiel es sofort auf.

„Usako gib jetzt nicht auf! Komm zu mir! Hörst du!“

Schnell nahm er sie wieder in den Arm und drückte sie ganz fest an sich. Er schloss seine Augen, konzentrierte sich auf sie und plötzlich umgab ihn ein goldener Schimmer.

„Komm zu mir“, flüsterte er wieder.

 

 

Schwer atmend hangelte sie sich irgendwie an der Wand weiter, jedoch kam sie kaum voran dabei. Am liebsten hätte sie sich wieder hingesetzt. Ihre Beine wollten einfach nicht mitmachen. Sie waren wie Eisklötze und jede Faser ihres Körpers schmerzte. Tief einatmend schloss sie ihre Lider und legte ihre Hand auf die Höhe ihres Herzens. Sie spürte die Wärme, die davon ausging. Sie durfte jetzt nicht aufgeben. Sie wusste, sie musste weiter. Sie hatte nur diese eine Chance.

Entschlossen öffnete sie wieder ihre Augen und bemerkte plötzlich nicht weit von sich eine kleine Lichtkugel. Sie strahlte eine unglaubliche Energie aus, die sie anzog. Sie musste zu ihr. Langsam und humpelnd ging sie auf sie zu. Doch desto näher sie ihr kam, umso weiter entfernte sich diese wieder von ihr. Verwundert blieb sie stehen. Warum konnte sie die Kugel nicht erreichen? Zitternd ballte sie eine Hand zur Faust und senkte ihren Kopf. War das irgendein Trick von dieser Frau? Aber so eine Wärme konnte eigentlich nicht von ihr kommen. Sie war dunkel und kalt und nicht hell und warm.

Komm zu mir.“

Erschrocken weiteten sich ihre Augen. Hatte die Kugel gerade gesprochen?

Komm zu mir …“, erklang es erneut.

Da fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Es war Mamoru. Er musste es irgendwie geschafft haben, ihr hier zu helfen. Das Licht würde ihr den Weg hinaus zeigen. An der Wand abstützend folge sie langsam der Lichtkugel. Egal wie viele Weggabelungen auch kamen, sie ging ihr hinterher.

Wie lange sie ihr allerdings schon folgte, wusste sie nicht. Jedoch spürte sie ganz deutlich, wie sie mit jedem weiteren Schritt kräftiger wurde und die Wärme in ihrem Körper zurückkehrte.

Hinter ihr wisperte und flüsterte es wieder in einem nicht enden wollendem Gleichklang. Doch sie sah nicht zurück. Ihr Blick war stur auf die Lichtkugel gerichtet. Ein ohrenbetäubendes Dröhnen hallte durch den ganzen Gang. Ruckartig blieb sie stehen und hielt sich die Ohren zu. Als sie aber bemerkte, dass der Boden wieder begann zu beben, lief sie auf einem Schlag los. Anscheinend wollte die Frau mit allen Mitteln verhindern, dass sie weiterging. Sie musste auf dem richtigen Weg sein.

Sie rannte und rannte. Oft fiel sie zwar durch den wankenden Boden auf ihre Knie, doch schnell stand sie immer wieder auf und eilte weiter.

Knackend platzte unter ihren Füßen ein Spalt in den Boden, wodurch sie erneut schmerzhaft auf allen Vieren landete. Tränen kullerten ihr die Wangen herunter, doch tief einatmend legte sie ihre Hand wieder auf ihre Brust und augenblicklich spürte sie wieder diese Wärme.

„Nein, ich gebe jetzt nicht auf!“

Schlagartig zog sie sich wieder auf die Beine und ballte ihre Hände zu Fäusten. Kurz nickte sie sich entschlossen selber zu und setzte dann ihren Weg fort.

Sie folgte dem Licht in den nächsten Gang und blieb abrupt stehen, Sie stand plötzlich vor einer riesigen schwarzen Tür und die Lichtkugel löste sich mit einem Mal direkt vor ihren Augen auf. Von hier musste sie wohl alleine weiter.

Tief atmete sie noch ein Mal ein, legte dann ihre Hand auf die Klinke und drückte sie herunter. Von der einen Sekunde zur anderen verschwamm alles um sie herum, bis sie schließlich mitten in einem riesigen leeren Saal stand. Was hatte das jetzt zu bedeuten? Sofort sah sie sich um. Hier war nichts, außer einer weiteren Tür ganz am Ende des Raumes. Sie war groß und im Gegensatz zu der ersten Tür, weiß mit goldenen Verzierungen. Schnell rannte sie zu ihr. Stutzig betrachtete sie sie. Sie hatte keine Klinke, sondern einen riesigen Knauf. Vorsichtig drehte sie ihn herum, doch die Tür ließ sich nicht öffnen. Sie versuchte es erneut und drehte wie verrückt an dem Türknauf. Das gab es doch nicht. Sie war ganz offensichtlich verschlossen.

„Verdammt“, murmelte sie und nahm ihre Hand wieder herunter. Wie bekam sie die Tür nur auf? Einen anderen Weg hier raus gab es nicht. Die schwarze Tür, durch die sie gekommen war, war mit ihrem Eintritt in den Saal, verschwunden.

Erschrocken fuhr sie jedoch plötzlich zusammen, als ein Lachen hinter ihr ertönte. Sie brauchte sich gar nicht umzudrehen, um zu wissen, wer es war.

„Das ist deine Schuld, dass die Tür nicht aufgeht, hab ich recht?“ Angespannt drehte sie sich nun aber doch herum, und sah direkt in ein finster blickendes Gesicht.

„Genau genommen war es Mamiko … Langsam wirst du echt lästig. Ich weiß zwar nicht, wie du es geschafft hast, meinen Irrgarten zu entkommen, aber ab hier ist dein Weg nun endgültig zu Ende.“

Kämpferisch begann sie zu grinsen. „Das hast du doch schon ein Mal gesagt, und wie du siehst, bin ich noch hier.“

Sie konnte deutlich sehen, wie die Frau wütend schnaufte und begann zu zittern. Schief grinsend hob sie dann jedoch ihre Arme, murmelte etwas vor sich hin und kurz danach standen plötzlich zahllose Schatten im Raum verteilt. Bevor sie allerdings groß darüber nachdenken konnte, was das zu bedeuten hatte, stürmten die Schatten auf den Befehl der Frau hin auf sie zu.

Zunächst schaffte sie es zwar ihnen ausweichen, aber lange würde sie das nicht durchhalten. Es waren einfach zu viele.

Keuchend sprang sie ein weiteres Mal zur Seite und musste dadurch mit Schrecken feststellen, dass sie langsam aber sicher von den Schatten eingekesselt wurde. Lautes Lachen ertönte und mit geballten Fäusten wanderte ihr Blick herüber zu der Frau. Doch dieser kurze Moment hatte gereicht, dass zwei der Schatten sie erreicht hatten, sie nach ihren Armen schnappten und sie nun festhielten. Sofort versuchte sie sich wieder zu befreien und zerrte wie wild herum. Zwecklos. Die nächsten Schatten legten sich einfach um ihre Beine und sie war wie festgenagelt.

Wieder lachend ging die Frau in langsamen Schritten auf sie zu und in ihrer Hand bildete sich eine schwarze Energiekugel, die immer größer wurde. „Ich habe doch gesagt, dass dein Weg hier zu Ende ist!“

Bebend presste sie ihre Lippen aufeinander, senkte ihren Kopf und Tränen sammelten sich in ihren Augen. Doch gleichzeitig war sie so wütend. Ihr schossen die ganzen Bilder der letzten Monate durch den Kopf. Sie wurde entführt, lebte dann Monate in einer großen Lüge, man wollte sie töten und das nicht nur ein Mal, ihre Erinnerungen hatte man manipuliert und beraubt, und zu guter Letzt drang diese Frau auch noch in ihr Unterbewusstsein ein und kontrollierte es? Es brodelte in ihr. Sie merkte, wie ihr immer wärmer wurde, es brannte schon regelrecht in ihrer Brust. Schwer atmend hob sie ihren Kopf und sah in das Gesicht der Frau, die wiederum gerade dabei war mit ihrem Arm auszuholen.

„Stirb!“, schrie die Frau und schleuderte schwungvoll die schwarze Kugel auf sie zu.

Sie sah den Energieball auf sich zu kommen, schloss ruckartig ihre Augen und schrie auf.

 

 

Wiegend hielt er sie immer noch in seinen Armen. Doch abrupt lockerte er seinen Griff, als er merkte, dass sie immer wärmer wurde. Irgendetwas passierte gerade mit ihr. Sofort streichelte ihr sanft mit dem Finger über ihre Wange und sah, wie auf ihrer Stirn die goldene Mondsichel aufleuchtete. Blitzschnell griff er nach ihrer Hand und strich ihr mit der anderen Hand weiterhin über die Wange. „Du schaffst das.“

 

 

Immer noch hielt Usagi ihre Augen geschlossen und schrie aus Leibeskräften. Der Saal fing an zu beben und Usagis gesamter Körper leuchtete auf. Auf einen Schlag lösten sich die Schatten in Nichts auf und auch der Energieball zersprang und verschwand.

„Was zum …“, flüsterte Eris zu sich selber und wich einen Schritt zurück.

Plötzlich verstummte Usagi jedoch und riss ihre Lider auf. Entschlossen sah sie Eris direkt in die Augen, wodurch diese vorschreck ein paar Schritte rückwärts lief. So eine Kraft hatte sie vorher noch nie gespürt. Sie musste die kleine Göre schnellstens beseitigen. Sofort hob sie daher beide Arme in die Höhe und über jeder Hand bildete sich ein schwarzer Energieball.

Usagi leuchtete immer noch und auf ihrer Stirn trat ihr Halbmond hervor. Kämpferisch ging sie weiter auf Eris zu. „Es reicht jetzt. Es wird Zeit, dass du aus meinem Kopf verschwindest!“

Usagi blieb stehen, schloss ihre Augen und faltete vor ihrer Brust ihre Hände zusammen. Augenblicklich stand sie in einem langen weißen Kleid vor Eris.

„Nein, das kann ich nicht sein“, zischte diese.

Eris hob ihre Arme nach oben, fügte beide Energiekugeln zu einer Großen zusammen und schleuderte sie los. „Hier ein Geschenk für dich, Prinzesschen!“

Doch kurz bevor der Ball Usagi erreichte, öffnete diese schlagartig ihre Augen. Das Leuchten um sie herum wurde heller und wärmer und breitete sich aus.

Als ihr Licht die schwarze Energie berührte, knisterte und knackte es in der Kugel und sie schrumpfte mehr und mehr zusammen, bis sie schließlich ganz verschwand.

Eris konnte nicht glauben, was da gerade passierte. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie Usagi an. „Das gibt es doch nicht. Wie hast du …“, knurrte Eris.

Doch Usagi antwortete ihr nicht, stattdessen breitete sie ihre Arme aus und der gesamte Raum erhellte sich nach und nach. Eris wich zurück, doch lange konnte sie diesem Licht nicht mehr ausweichen. Langsam wurde sie davon eingehüllt, schrie auf und fasste sich an ihre Brust. Diese Wärme, sie hielt es nicht aus. Eris fing an sich aufzulösen. Egal, was sie auch probierte, sie hatte keine Chance gegen dieses Licht anzukommen und verschwand nach und nach.

 

Erschöpft sank sie zu Boden und lächelte. Sie hatte es tatsächlich geschafft. Erschrocken zuckte sie allerdings zusammen, als mit einem lauten Knall die weiße Tür hinter ihr aufsprang. Langsam erhob sie sich und ging auf die Tür zu …

 

Noch immer hielt er ihre Hand und hatte mittlerweile seine Augen zusammengekniffen. Doch als er plötzlich einen Druck an seiner Hand verspürte, riss er seine Lider wieder auf und konnte daher sehen, wie die Mondsichel auf ihrer Stirn allmählich verblasste.

„Usako“, flüsterte er leise und traute sich kaum zu atmen.

 

Sie hatte große Mühe ihre Lider zu öffnen. Sie waren schwer und das Licht des Raumes blendete sie. Doch nach kurzer Zeit gewöhnten sich ihre Augen daran und blinzelnd konnte sie sie ganz langsam öffnen. Verschwommen blickte sie direkt in zwei blauen Augen. Sie lächelte, als sie Mamoru erkannte, doch plötzlich traf es sie, wie aus dem Nichts, wie ein Blitz und wie in Trance starrte sie einfach nur ins Leere. Auf ein Mal prasselten auf einen Schlag ihre fehlenden Erinnerungen auf sie ein. So viele Bilder schossen ihr gleichzeitig durcheinander durch den Kopf. Ihr wurde ganz schwindelig davon und schloss panisch ihre Augen. Kopfschüttelnd drückte sie ihre Hände gegen ihre Ohren.

„Alles in Ordnung? … Hey Usagi?“ Dumpf drang Mamorus Stimme zu ihr hindurch, doch sie konnte ihm im Moment nicht antworten. Stattdessen sammelten sich einzelne Tränen der Freude in ihren Augen. Sie erinnerte sie wieder an alles. An Mamoru, ihre Familie, an Ami, Rei, Makoto, Minako und an die anderen. Sie durchlebte in Sekundenschnelle noch ein Mal ihre gemeinsamen Kämpfe und die Lücken, die noch kurz zuvor in ihrem Kopf herrschten, fügten sich zu einem großen Ganzen zusammen.

Behutsam nahm sie ihre Hände wieder herunter, öffnete ganz vorsichtig ihre Augen und sah Mamoru wieder direkt ins Gesicht. Bei seinem Anblick kullerte ihr eine einzelne Träne über die Wange. Jetzt, nachdem sie sich wieder an alles erinnerte, war sie so froh darüber, dass er sie in seiner Wohnung aufgehalten hatte und sie ihren seltsamen Gefühlen nachgab, dass sie ihm vertrauen sollte. Sie wollte sich gar nicht ausmalen, was passiert wäre, wäre er nicht rechtzeitig an der Tür gewesen und sie weggelaufen wäre.

 

Verkrampft hielt er sie immer noch in seinen Armen. Warum sah sie ihn so an? Was war nur mit ihr los? Doch bevor er irgendetwas sagen konnte, hob sie ihre Arme, legte ihre Hände auf seinen Wangen und zog ihn zu sich hinunter. „Mamo-chan“, flüsterte sie leise und legte ihre Lippen auf seine.

Im ersten Moment völlig überrumpelt, da er damit jetzt nicht gerechnet hatte, zog er sie dann aber schnell noch näher an sich heran und schmiegte seine Arme um sie herum. Die Welt um ihn herum blieb für einen kurzen Augenblick stehen. Wie lange hatte er sie vermisst. Sich nach ihr gesehnt und jetzt gerade konnte er es kaum glauben, dass er ihr einfach wieder ganz nah sein konnte. Aber warum küsste sie ihn? Nicht, dass er was dagegen hatte, aber konnte dies etwa bedeuten, dass sie sich wieder erinnerte? So sehr er sich auch wünschte, dass dieser Moment nie enden würde, löste er sich dann doch von ihr. Er musste es jetzt einfach wissen.

„Usagi … sag mal der Kuss … heißt das, … du erinnerst dich wieder an mich?“

Nickend lächelte sie ihm zu und überglücklich zog er sie wieder in seine Arme. Erneut begannen sie sich zu küssen, fuhren dann allerdings erschrocken auseinander, als sich plötzlich jemand lautstark hinter ihnen räusperte. Schnell sahen die beiden zur Tür und blickten direkt in Minakos und Amis verblüffte Gesichter.

 

Ami wollte nachsehen, wie es Usagi ging und Minako wollte sie lieber dabei begleiten. Sie wussten ja nicht, was sie erwarten würde, wenn sie das Zimmer betraten. Mit großer Sorge öffneten sie also die Tür zum Schlafzimmer und waren umso erstaunter, Usagi und Mamoru so vorzufinden. Die beiden hatten sie nicht mal bemerkt und so hatten sie Mamorus Frage mit anhören können.

„Ähm … Wir wollen ja nicht stören, aber haben wir das gerade richtig verstanden? Du erinnerst dich an Mamoru? … Kannst du dich dann auch an uns erinnern?“, fragte Minako unsicher.

„Ja“, krächzte Usagi nur und sofort begann Minako in ihre Hände zu klatschen, hüpfte aufgeregt auf ihren Fußspitzen hin und her und quietschte auf vor Freude. Stürmisch rannte sie auf das Bett zu und umarmte ihre Freundin.

„Du weiß gar nicht, was du uns für einen Schrecken eingejagt hast. Mach das bloß nicht noch mal … Ich muss sofort den anderen sagen, dass du wieder wach bist.“

Strahlend verließ Minako den Raum und lief zu den anderen.

Ami trat nun auch mit Tränen im Gesicht näher heran und setzte sich an das Fußende des Bettes. Sie war überglücklich, dass Usagi wieder wach war. Verstohlen wischte sie sich über ihr Gesicht und lächelte ihre Freundin an. „Wie geht es dir?“

 

Schwer atmend zuckte sie mit ihren Schultern. „Mir ging es ehrlich gesagt, schon ein Mal besser.“

Sie versuchte zu lächeln, doch so richtig gelang es ihr dieses Mal nicht.

Sie war zwar heilfroh darüber sich wieder an alles erinnern zu können, doch in ihrem Kopf herrschte immer noch ein großes Durcheinander, welches sich erst ein Mal sortieren musste. Dazu kam noch, dass sie so unsagbar müde und erschöpft war. Der Frau zu entkommen und ihrer Dunkelheit zu entfliehen, hatte sie ganz schön angestrengt und beinahe wäre es ja auch schief gegangen. Die Sache mit ihrem Arm machte es auch nicht gerade einfacher, der sich unentwegt pochend zu Wort meldete.

 

Von Minako benachrichtigt stürmten alle herüber ins Schlafzimmer und umarmten ihre Freundin. Als Letztes betrat Michiru, die von Haruka gestützt wurde, das Zimmer. Sofort saß Usagi dadurch senkrecht. „Michiru … Was ist passiert?“

Die anderen machten Platz, damit die beiden sich mit aufs Bett setzen konnten und Haruka erzählte ihr, was passiert war.

Nachdem Haruka ihre Erzählung beendet hatte, sah Usagi traurig zum Fenster herüber.

Michiru legte ihre Hand auf ihren Arm. „Mir geht es gut Usagi. Nun mach nicht so ein Gesicht. Erzähl uns lieber, wie es dir geht. Weißt du denn überhaupt, was passiert ist?“

Langsam wandte sie sich wieder zu den anderen. „Mhm.“

Mit gesenktem Kopf erzählte sie den anderen, was geschehen war. Mamoru legte dabei seine Arme um sie herum. Wie oft musste er sie eigentlich noch fast verlieren.

Nachdem Usagi fertig erzählt hatte, hüpfte Luna mit auf das Bett, setzte sich auf Usagis Beine und sah sie an. „Die Frau, von der du erzählt hast … Eris heißt sie.“ Ernst sah Luna zu den anderen zurück. „Usagi sollte sich nirgendwo mehr alleine aufhalten, wer weiß, was sie als Nächstes plant.“

Alle nickten Luna zustimmend zu.

„Aber jetzt solltest du dich ausruhen“, wandte sich Ami an Usagi und deutete dabei den anderen an das Zimmer zu verlassen.

 

 

Schlaflos lag sie im Bett und starrte die Decke an. Mamoru wollte schnell etwas zu Essen machen und sie dann wecken, wenn es fertig wäre. Doch sie konnte einfach nicht schlafen. Zu viel ging ihr durch den Kopf. Immer stärker wurde dabei ein Gedanke. Sie hatte eine Idee. Die Tatsache, was gerade in der Stadt passierte, verstärkte sie zusätzlich in ihrem Vorhaben. Sie musste irgendwie mit Kenta sprechen, ja wenn möglich sogar mit Mamiko. Wenn sie ihr glauben würden, dass Eris sie nur benutzt und sie sogar töten will, wenn sie nicht mehr gebraucht werden, dann würde Mamiko vielleicht mit dem Wahnsinn aufhören. Bei Kenta sah sie gar nicht so das Problem, aber bei Mamiko, das würde mit Sicherheit nicht so einfach werden.

Nachdenklich rutschte sie mit ihren Beinen über die Bettkante, ging sie zum Fenster herüber und schaute heraus. Sie musste es irgendwie schaffen aufzuhalten, bevor es noch mehr Opfer geben würde.

 

Kapitel 33

 

„Dieses kleine Miststück … Das wird sie mir büßen.“

Wankend ging Eris durch die Ruinen und setzte sich auf den zerstörten Thron. Keuchend krallte sie ihre Finger in die Armlehnen des Stuhls und atmete schwer ein und aus. Dieses Licht hatte sie ziemlich geschwächt, es hatte sie schon damals fast vernichtet. Ihre langen Haare fielen ihr zerzaust über die Schultern und weiße Strähnen mischten sich unter das sonst so pechschwarze Haar. Sie schloss ihre Augen und ihre Mundwinkel verzogen sich nach unten. Der Kristall musste unter allen Umständen zerstört werden. Es war das Einzige, was sie vernichten konnte.

Knurrend hob sie ihre Hand und schnipste mit ihren Fingern. Augenblicklich bildete sich vor ihr ein schwarzer Nebel, und als sich dieser wieder auflöste, stand eine verdutze Mamiko vor ihr.

 

Verwundert schaute sich Mamiko um. Wo war sie? Eben stand sich doch noch in dem kleinen Lagerhaus und hatte sich mit ihren Brüdern unterhalten. Aber auf ein Mal hatte sich alles vor ihr gedreht und Akita und Kenta waren vor ihren Augen verschwunden.

Sie versuchte zuerkennen, wo sie sich befand. Ihr kam es so seltsam bekannt vor, und dann erkannte sie es auch schon. Es war zwar alles zerstört und doch wusste sie jetzt, wo sie war. Sie stand mitten in dem zerstörten Mondpalast. Warum war sie hier?

„Mamiko“, ertönte es hinter ihr und erschrocken drehte sie sich herum.

Als sie das erboste Gesicht ihrer Herrin erblickte, ging sie sofort in die Knie und senkte ihren Kopf. So hatte sie ihre Herrin schon lange nicht mehr gesehen. Tiefe Falten zierten ihr Gesicht. Und ihre Haare waren fast weiß geworden. Es war fast so, als wäre sie auf einen Schlag Jahre gealtert.

„Herrin.“

Eris stand auf und verschränkte ihre Arme.

„Ich habe Arbeit für dich. Steh auf.“

Langsam erhob sich Mamiko und sah in das schief grinsende Gesicht ihrer Herrin …

 

 

Leise betrat er mit einer Schüssel in der Hand das Zimmer. Verwundert darüber, dass Usagi gar nicht im Bett lag, blickte er herüber zum Fenster. Sie hatte ihn offenbar noch gar nicht bemerkt. Schnell stellte er daher die Schüssel auf das Nachtschränkchen, überwand die Meter zum Fenster und stellte sich hinter sie. Sanft legte er vorsichtig seine Arme um ihren Oberkörper und stützte sein Kinn auf ihrer Schulter ab. „Warum bist du denn nicht im Bett?“, flüsterte er ihr ins Ohr und erschrocken zuckte sie zusammen.

„Mamo-chan … Ich hab dich gar nicht kommen hören.“

Kurz sah sie über ihre Schulter zu ihm zurück, doch schnell sah sie danach wieder aus dem Fenster „Sieht der Mond heute nicht besonders schön aus?“

Bevor er ihr jedoch antworten konnte, sprach sie auch schon weiter. „Weißt du … die ganzen Monate, in denen ich nicht wusste, wer ich wirklich bin, schaute ich immer wieder zum Mond hinauf und fühlte mich aus irgendeinem Grund … geborgen … Jetzt weiß ich natürlich warum.“

Sie drehte sich wieder zu ihm und lächelte ihm ins Gesicht, wandte sich aber schnell wieder von ihm ab und schaute wieder hinaus.

„Was ist los?“ Besorgt stellte er sich neben sie und nahm ihre Hand. Ohne sich wieder zu ihm zu drehen, blickte sie weiterhin aus dem Fenster. „Ist das Essen fertig?“

Alarmiert zog er seine Augenbrauen zusammen. Er kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie gerade über etwas nachgrübelte. „Usagi. Lenke nicht ab. Erzähl mir, worüber du nachdenkst.“

 

Seufzend drehte sie sich zu ihm. Sie wollte ihm eigentlich noch nichts von ihren Überlegungen erzählen, da sie jetzt, wo sie sich wieder an alles erinnerte, schon wusste, was er davon halten würde. Nur was sollte sie ihm nun sagen?

„Mamo-chan … Ich …“

Stirnrunzelnd verschränkte er seine Arme vor der Brust. „Usagi?“

Ernst sah er sie an und sie wusste, sie hatte keine andere Wahl, als ihm die Wahrheit zu sagen.

Tief holte sie gerade Luft und öffnete ihren Mund, damit sie es ihm erzählen konnte, worüber sie nachdachte, als die Tür plötzlich aufgerissen wurde.

„Das müsst ihr euch ansehen!“

 

Erschrocken blickten sie zu einer völlig aufgelösten Hotaru. „Was ist denn los?“

Doch ohne zu antworten, lief diese zurück ins Wohnzimmer.

„Was ist denn jetzt los?“ Irritiert wollte er sich zu Usagi zurückdrehen, doch die war schon dabei das Schlafzimmer zu verlassen. Sofort eilte er ihr ins Wohnzimmer hinterher.

Totenstill saßen alle wie in einer Schockstarre vor dem Fernseher.

„Was ist passiert?“, fragte Usagi mit zittriger Stimme und abrupt sprang Ami dadurch auf.

„Es ist furchtbar … Der Tempel … Er wurde in Brand gesetzt. Und … “

„Was?“ Fassungslos ging Usagi zu Rei, die auf dem Sofa saß, und legte ihre Hand tröstend auf ihre Schulter.

„Zum Glück habe ich meinen Großvater mit Yuichiro weggeschickt … Er sollte meinen Großvater zu den heißen Quellen begleiten … Ich hatte schon so ein komisches Gefühl, dass etwas passieren würde …“

Geschockt sah er auf den Fernseher und konnte dadurch im Augenwinkel sehen, wie Luna neben Usagi auf das Sofa hüpfte. „Das ist aber leider noch nicht alles … Makotos Laden … und Minakos Wohnung …“

 

Sofort weiteten sich ihre Augen. „Die wurden auch …“ Schwer musste sie schlucken. „Die wurden auch angezündet?“ Doch ihre Freundinnen brauchten gar nicht zu antworten.

Entsetzt sah sie jetzt auch auf den Fernseher, als die Stimme einer Reporterin in ihre Ohren drang. Sie erzählte in die Kamera, dass der Hikawa Tempel, der kleine Blumenladen Kino und eine Wohnung zeitgleich angezündet wurden. Bei Minakos Wohnung wurde zwar keine Straße genannt, aber alle erkannten sofort an den Bildern, dass es ihre Wohnung war.

 

Fernsehteams waren natürlich gleich zur Stelle gewesen. Denn diese Brände hatten, außer derselben Uhrzeit, noch etwas gemeinsam, wie nun die Sprecherin mitteilte. Sie enthielten eine Botschaft.

 

Komm heraus und stell dich. Usagi Tsukino. Sonst machen wir weiter.

 

Panisch sprang sie vom Sofa auf, als die Flammenbuchstaben in Großaufnahme gezeigt wurden.

„Meine Familie … Ich muss sie in Sicherheit bringen … Mamiko weiß doch, wo …“

Keine Sekunde später stand Mamoru auch schon an ihrer Seite. „Du wirst schön hier bleiben. Das wird mit Sicherheit eine Falle sein. Außerdem bist du noch viel zu geschwächt für so etwas.“

Schwer atmend faltete sie ihre Hände vor ihrer Brust zusammen und Tränen sammelten sich in ihren Augen. „Nein, ich muss sie retten. Ich kann sie doch nicht einfach-“

„Du bleibst hier. Ich werde mich darum kümmern.“

„Wir werden dich begleiten.“ Ruckartig sprangen Haruka und Hotaru auf. Mamoru nickte ihnen zu, beugte sich danach zu ihr herunter und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf den Mund.

„Mach dir keine Sorgen. Deiner Familie wird nichts passieren.“

 

 

Über eine Stunde waren die drei nun schon fort und bisher gab es noch keine Nachricht von ihnen. Auch Luna und Artemis waren kurz danach losgezogen, um Nachforschungen anzustellen. Katzen schenkt man eh keine Beachtung, hatten sie argumentiert. Wobei sie da ja nicht ganz recht hatten, da Mamiko von ihnen wusste.

Ein weiteres Mal atmete sie schwer ein und sah danach wieder auf den Bildschirm und lauschte den Nachrichten. Es gab kein anderes Thema mehr.

 

Zum jetzigen Zeitpunkt wissen wir noch nicht, was diese Brände zu bedeuten haben. Uns liegen auch noch keine Hinweise vor, wer diese Usagi Tsukino, die in den Botschaften erwähnt wurde, sein soll und was sie damit zu tun haben könnte. Jedoch wird vermehrt von Menschen berichtet, die in einem schlafwandel ähnlichen Zustand, herumlaufen würden und diesen Namen riefen. So als ob sie diese Person suchen würden. Ob die rätselhaften Ereignisse rund um den Tokio Tower etwas damit zu tun haben, steht zu dieser Stunde noch aus.

 

Alle sahen zu Usagi. Sie wussten, wie schwer es ihrer Freundin fallen musste, hier untätig herumzusitzen. Usagi, die diese Stille jedoch nicht mehr ertrug, ergriff daher schnell das Wort.

„Michiru wie geht es deinem Bein?“

„Dem geht es, dank Amis guter Versorgung, schon viel besser.“

Nickend senkte sie ihren Blick und knetete ihre Hände ineinander. „Das ist gut“, flüsterte sie leise, und spürte, wie Rei ihre Arme um sie herum legte. „Es wird schon alles gut gehen.“

 

Langsam sah sie wieder auf und versuchte zu lächeln, doch außer einem gequälten Gesichtsausdruck brachte sie nichts zustande. Zu sehr machte sie sich selber Vorwürfe. Nur wegen ihr, weil Eris sie wollte, hatten Rei und Minako ihr zu Hause und Makoto ihren Laden verloren. Und was machte sie? Sie versteckte sich, anstatt sich Eris zu stellen, und es ein für alle Mal zu beenden.

„Ich bin schuld … Ich sollte mich hier nicht verstecken, währenddessen …“

Bevor sie jedoch weiter sprechen konnte, wurde sie von den anderen unterbrochen.

„Sag so was nicht! Das ist doch genau das, was sie will“, tadelte Rei sie.

Stumm senkte sie ihren Kopf und wieder herrschte Stille im Raum.

Doch nach weiteren Minuten des Schweigens verfielen dann plötzlich alle, bis auf sie, in eine wilde Diskussion, wie sie Eris und die anderen am besten aufhalten könnten, und schmiedeten Pläne.

 

„Was hältst du davon? Usagi?“

Erschrocken hob sie ihren Kopf. Sie hatte schon eine ganze Weile das Gespräch nicht mehr verfolgt und war vertieft in ihren eigenen Gedanken gewesen. „Hm? Entschuldige, was sagtest du?“

„Alles in Ordnung?“, fragte Minako besorgt.

Langsam stand sie vom Sofa auf und strich sich mit ihrer Hand über ihre Stirn. „Mir geht es nicht so gut … I-i-ich werde mich ein wenig ins Bett legen.“ Ohne ein weiteres Wort lief sie also auf die Schlafzimmertür zu, und als sich alle wieder zum Fernseher drehten und gebannt auf den Bildschirm starrten, da ein neuer Bericht gesendet wurde, schlich sie weiter in Richtung Küche. Das war ihre Chance. Sie konnte den anderen nicht sagen, was sie vorhatte. Wenn sie es wüssten, würden sie sie niemals gehen lassen.

In der Küche angekommen, schnappte sie sich leise einen Zettel und einen Stift, schrieb etwas auf das Stück Papier und befestigte die Notiz mit einem Magneten am Kühlschrank.

Schnell ging sie danach auf Zehenspitzen in den Flur, griff nach einem der Mäntel und zog sich ihre Schuhe an. Kurz sah sie noch ein Mal durch den Flur, öffnete dann aber so leise wie möglich die Haustür und verschwand aus der Wohnung.

 

 

Die Sonne ging allmählich auf und die restliche Nacht verlief zum Glück ohne weitere Brände oder Vorfälle. Wie lange dies allerdings anhielt, wussten sie auch nicht. Lange würde es mit Sicherheit nicht sein.

Gähnend erhob sich Makoto und streckte sich ausgiebig. „Ich werde mal nach Usagi sehen.“

Müde schlurfte sie herüber zum Schlafzimmer und klopfte an die Tür. Da sie aber keine Antwort auf ihr Klopfen erhielt, öffnete sie leise die Tür. Jedoch nur so weit, dass sie durch einen Spalt ins Zimmer sehen konnte. „Ich wollte dich nicht stören. Ich wollte nur kurz …“ Weiter sprach sie nicht. Stattdessen riss sie mit einem Ruck die Tür komplett auf.

„Usagi ist nicht hier!“

Aufgeregt sprangen alle mit einem Mal auf und liefen in das kleine Schlafzimmer.

Kopfschüttelnd lief Minako wieder aus dem Zimmer heraus. „Sie ist bestimmt nur kurz in der Küche oder im Badezimmer. Wartet kurz.“

Nachdenklich hielt Ami ihren Finger an ihr Kinn. „Aber das hätten wir doch gesehen.“

Fragend sahen sich alle an, aber keiner wusste so recht, was sie nun machen sollten.

Kurz danach stürmte Minako aufgebracht zurück ins Zimmer. „Sie ist nirgendwo in der Wohnung zu finden!“

Von dem Lärm aufgeweckt, betraten nun auch Luna und Artemis das Zimmer.

Sie kamen erst vor einer Stunde erschöpft, ohne weitere Erkenntnisse, zurück und waren beide ohne es zu wollen, eingeschlafen.

„Was ist denn hier los?“, fragte Artemis verschlafen.

„Das würde ich auch gerne wissen“, ertönte plötzlich eine Männerstimme hinter ihnen.

In dem Tumult hatte keiner der anwesenden bemerkt, dass Mamoru, Haruka und Hotaru zurückgekehrt waren und nun verwundert hinter den anderen standen.

 

„Usagi ist verschwunden!“, platzte es aus Minako heraus.

Sofort stockte ihm der Atem. Hörte denn dieser Albtraum niemals auf? „Was sagst du da? Wie verschwunden? Wie konnte das denn passieren?“

Schuld bewusst ließen sie ihre Köpfe hängen.

„Wir dachten doch, sie wäre hier und schläft. Ihr ging es nicht gut und sie wollte sich ein wenig hinlegen … Wir wollten sie nicht stören … “

Ohne Makoto zu antworten, begann er sich im Zimmer umzusehen. Das Fenster war unbeschädigt und schien nicht gewaltsam von außen geöffnet worden zu sein. Sofort suchte er nach weiteren Spuren oder irgendeinen Hinweis, ob Usagi von dieser Eris geschnappt wurde.

 

Wütend biss Haruka die Zähne aufeinander, ballte ihre Hände zu Fäusten und ging, ohne etwas dazu zusagen, in die Küche herüber. Sie brauchte kurz einen Moment für sich.

Sie waren die ganze Nacht unterwegs gewesen, um Usagis Familie raus aus Tokio zu schaffen und nun war Usagi selbst verschwunden?

Erschöpft ließ sie sich regelrecht auf einen der Stühle fallen und legte ihren Kopf in ihren Nacken. Das konnte doch alles nicht wahr sein.

Michiru, die Harukas angespannte Haltung bemerkt hatte, ging ihr direkt hinterher. Sie wusste, wie sehr ihr Usagi am Herzen lag, auch wenn sie es oft nicht zeigen konnte.

Seufzend stellte sie sich neben ihre Freundin, streichelte ihr sanft über den Rücken und versuchte sie so zu beruhigen.

Haruka wollte gerade etwas sagen, als sie etwas am Kühlschrank entdeckte. Wie von der Tarantel gestochen sprang sie auf und sprintete zum Kühlschrank.

„Aber das ist doch …“

Haruka nahm die Notiz vom Kühlschrank und ballte wieder eine Faust.

„Wie kann man nur so dämlich sein!“, schimpfte sie wutentbrannt.

„Was ist denn los?“

Wortlos überreichte Haruka Michiru den kleinen Zettel.

 

 

Macht euch keine Sorgen. Bin bald zurück.

 

Usagi

 

Kapitel 34

 

 

Macht euch keine Sorgen. Bin bald zurück.

 

Usagi

 

 

„Das sieht ihr Mal wieder ähnlich“, seufzte Michiru.

Schnell rief sie den Rest in die Küche, damit sie ihnen den Zettel zeigen konnte.

 

Genau wie Haruka, schimpfte Rei außer sich vor Wut.

„Wo kann sie nur hingegangen sein? Sie wird doch nicht etwa alleine … “, überlegte Ami laut.

Ohne lange zu überlegen, lief Mamoru in den Flur und schnappte sich seine Jacke.

„Ich werde sie suchen gehen.“

 

 

 

Kenta genoss die Stille, die hier früh morgens noch herrschte. Er lauschte dem Rauschen des Meeres und beobachtete die Wellen, die sich am Ufer brachen. Ihm gingen die Bilder, der vergangenen Nacht einfach nicht mehr aus dem Kopf.

 

Mamiko hatte ihn und Akita zu sich gerufen und ihnen befohlen, zwei ganz bestimmte Gebäude so anzuzünden, dass von ihnen nichts mehr übrig bleiben würde. Außerdem sollten sie eine Botschaft, die an eine ganz bestimmte Person gerichtet war, mit Feuerbuchstaben vor die Gebäude setzen.

Er seufzte bei dem Gedanken daran. Er hatte sich gar nicht wohl dabei gefühlt. Aber er hatte keine Wahl gehabt. Sein Bruder dagegen war sofort im wahrsten Sinne des Wortes Feuer und Flamme gewesen, als er die kleine Wohnung zugeteilt bekam, die einer der Sailor Kriegerinnen gehörte. Er bekam den kleinen Blumenladen und seine Schwester wollte sich höchstpersönlich um den Tempel kümmern.

Die Gebäude sollten alle drei gleichzeitig brennen, also hatte Mamiko ihnen die genaue Uhrzeit genannt und ihnen gedroht, ja keinen Fehler zu machen. Nervös hatte er immer wieder auf die Uhr gesehen. Er wollte es nicht und doch musste er es tun. Höhnend tickte die Uhr immer weiter und die kleinen Zeiger hatten sich langsam auf die vereinbarte Uhrzeit geschoben.

Schnell brannte das Geschäft lichterloh und die Flammen waren im Begriff auf die anliegenden Gebäude überzugehen. Unerkannt verschwand er daher in einer dunklen Seiten Gasse und kehrte danach zu seinen Geschwistern zurück.

 

Nachdenklich betrachtete er das Wasser und sog die salzige Meeresluft in seine Lungen, als er mit einem Mal aufseufzte.

„Du solltest nicht hier sein.“

„Ich weiß“, flüsterte es hinter ihm.

Ohne sich zu bewegen, sah Kenta weiterhin aufs Meer. Er wusste genau, wer hinter ihm stand, dazu brauchte er sich nicht um zudrehen.

„Usagi, was machst du hier? Woher wusstest du überhaupt, dass ich hier bin?“

 

Ohne etwas zusagen, stellte sie sich neben ihn, blickte ebenfalls auf die Wellen und nahm ihre Kapuze herunter. Sie hatte sie tief in ihr Gesicht gezogen, da die halbe Stadt mittlerweile nach ihr suchte.

„Du hast mir mal erzählt, dass du dir gerne am Hafen den Sonnenaufgang ansiehst. Also dachte ich, was für Nagoya galt …“

 

Kenta löste seinen Blick vom Meer und sah sie nun an. Daran erinnerte sie sich? Schwach lächelnd sah sie ihn nun auch an. Keiner von beiden sagte in dem Moment etwas.

Er sah in ihre großen blauen Augen und versank beinahe in ihnen. Wie hatte er diese Augen vermisst. Am liebsten hätte er sie jetzt ganz fest an sich gezogen und seine Arme um sie gelegt. Aber das durfte er ja jetzt nicht mehr. Geschweige, dass sie das überhaupt wollen würde. Er würde sich vermutlich nur eine einfangen. Aber warum war sie hier? Dass sie ihn sehen wollte, weil sie ihn vermisst hatte, bezweifelte er doch stark. Doch bevor er weitere Überlegungen anstellen konnte, brach sie das Schweigen. „Ich muss dringend mit dir sprechen.“

Verwundert zog er seine Augenbrauen nach oben.

„Ihr müsst damit aufhören.“

Kurz zog sich bei ihm etwas zusammen. Hatte er insgeheim doch gehofft, sie wäre wegen ihm hier. Aber wie dämlich war er eigentlich, natürlich war sie deswegen hier.

„Eris benutzt euch nur.“

„Eris?“

 

Sie erzählte ihm, was passiert war und alles, was sie von Eris wusste, damit er es verstand. Kenta verzog immer mehr, bei ihrer Erzählung, sein Gesicht.

„Sie hat unseren Planeten zerstört und dadurch sind unsere Eltern … “

Er senkte seinen Kopf und ballte seine Hände zu Fäusten. Vorsichtig legte sie daher ihre Hand auf seinen Rücken. Sie wusste, dass er kein schlechter Kerl war. Ihr tat es leid ihn so zu sehen. Seitdem sie wusste, was Eris mit ihnen gemacht hatte, hegte sie keinen Groll mehr gegen ihn oder die anderen. Und Kenta mochte sie, wenn sie ehrlich zu sich war, sogar sehr gerne. Sie musste ihm einfach helfen. Sie hatte ihn lieb gewonnen in der Zeit, in der sie bei ihm war. Nicht so, wie sie Mamoru liebte. Aber die Monate waren halt nicht spurlos an ihr vorbeigegangen.

„Du musst Mamiko davon überzeugen damit aufzuhören.“

Schief lächelnd schüttelte er seinen Kopf. „Sie wird mir nicht glauben. Sie ist viel zu sehr vergiftet von der schwarzen Energie.“

Eindringlich sah sie ihn an. „Sie wird euch töten, wenn sie euch nicht mehr braucht.“

Mit einem Mal wurden seine Augen, wie kleine Schlitze. Langsam beugte er sich zu ihr herüber und stupste ihr mit seinem Zeigefinger gegen die Schulter. „Machst du dir etwa Sorgen um mich?“

 

Prompt wurde sie rot um die Nase. „Ich … nein … also …“

Grinsend wich er wieder zurück. Diesen kleinen Scherz konnte er sich nicht nehmen lassen.

„Schon gut. Ich weiß, dass du nicht das Gleiche für mich empfindest, wie ich für dich. Genau genommen müsstest du mich sogar hassen, für das, was ich dir angetan habe.“ Schlagartig änderte sich seine Miene wieder und nachdenklich sah er wieder aufs Wasser.

„Die Brände … Ich … Ich wollte das nicht, aber …“

„Ich weiß …“

Schwach lächelnd sah er wieder zu ihr und erst jetzt bemerkte er das riesige Pflaster an ihrem Hals. Mit großen Augen deutete er darauf. „Waren das meine Brüder?“

„Nein …Ja, schon, es war …“

Doch weiter kam sie nicht. Erschrocken fuhren beide stattdessen zusammen, als das Meer plötzlich begann zu tosen und zu toben. Schlagartig verdunkelte sich auch der Himmel. Es war augenblicklich wieder pechschwarz, wie in der Nacht, obwohl gerade eigentlich die Sonne aufging.

„Was geht hier vor?“

„Ich habe keine Ahnung.“ Genauso irritiert wie sie, konnte er nur seinen Kopf schütteln.

 

Doch lange mussten die beiden nicht auf eine Erklärung warten.

Prinzessin.“ Eine ohrenbetäubende Stimme ertönte in gesamt Tokio. Usagi und Kenta erkannten sie sofort.

„Mamiko“, flüsterten beide gleichzeitig, als die Stimme schon weiter sprach.

„Ich habe nun lange genug auf dich gewartet. In einer Stunde bist du am Tokio Tower sonst …“ Hämisch lachte sie auf. „Ansonsten wird die gesamte Stadt brennen, mitsamt ihren Bewohnern. Komm gar nicht auf die Idee, die Menschen von hier wegbringen zu wollen. Dazu sind es zu viele, außerdem habe ich einen Bannkreis um die Stadt gelegt. Niemand kann Tokio mehr verlassen.“

Ein finsteres Lachen ertönte ein letztes Mal, bevor es wieder heller wurde und auch das Meer sich wieder beruhigte. Fassungslos sahen sich die beiden an. Doch dann baute sich Kenta entschlossen vor Usagi auf.

„Ich muss versuchen Mamiko umzustimmen. Wenn ich es irgendwie schaffe, dass sie mir glaubt, dass wir nur Marionetten sind, dann … Obwohl ich meine Schwester selber kaum noch wieder erkenne …“

So schnell seine Entschlossenheit gekommen war, verging sie auch wieder. Die Person, die dort gerade gesprochen hatte, das war nicht mehr seine Schwester. Sie war durch und durch von Eris verseucht. Nur noch ein Schatten seiner eigentlichen Schwester.

 

Sanft legte sie ihre Hand auf seine Schulter. „Du bleibst hier und wirst dich raushalten. Sie will mich, genau genommen will Eris mich. Ich werde Eris besiegen, die Menschen retten und deine Schwester und deinen Bruder zurückholen. Es wird alles wieder gut. Hörst du?“

Abrupt lies sie ihn wieder los, schnappte sich ihre Brosche und verwandelte sich vor seinen Augen in Sailor Moon.

„Bleib hier und mach dir keine Sorgen. Ich werde deine Schwester zurückholen.“

Ohne auf eine Reaktion von ihm zu warten, lief sie los. Sie musste sich beeilen, um noch rechtzeitig zum Tokio Tower zu kommen.

 

Keuchend erreichte sie gerade noch rechtzeitig den Tokio Tower. Die Stunde war beinahe um und sie wusste nicht, ob Mamiko sich auch wirklich daran halten würde, den Menschen in der Stadt nichts zu tun.

Schwer schluckend sah sie auf die Besessenen. Es mussten Hunderte sein. Immer noch außer Atem straffte sie jedoch ihre Schulter, ignorierte den Schmerz in ihrem Körper und schritt erhobenen Hauptes auf die Menge zu und machte sich im selben Moment kampfbereit. Doch anstatt, wie von ihr erwartet, stürmten die Besessenen nicht auf sie zu, sondern bildeten zwischen sich eine Art Gasse. Wissend das am Ende Mamiko auf sie warten würde, ging sie hindurch.

Mit langsamen Schritten näherte sie sich dem Ende des Spaliers und wurde mit einem breiten Grinsen im Gesicht auch schon von Mamiko empfangen. Mit verschränkten Armen stand auch ihr Bruder neben ihr und starrte sie hasserfüllt an.

„Bist du also doch gekommen … Und wie ich sehe, hast du deinen Anhang gleich mitgebracht.“

Verwundert drehte sie sich herum und sah in die ernsten Gesichter der anderen Sailor Kriegerinnen und Tuxedo Mask.

„Aber? Was macht ihr hier?“

Langsam kam Mamoru auf sie zu und stellte sich neben sie. „Glaubst du ernsthaft, wir lassen dich hier alleine?“

Prompt schossen ihr die Tränen in die Augen. Natürlich, sie hatten die Botschaft auch gehört und wussten, dass sie hier her gehen würde. Sie sollte nicht hier sein, es war viel zu gefährlich für sie.

„Ihr solltet nicht … Es-“

„Wir sind ein Team.“ Da ihm die anderen zunickten, nickte auch sie und wandte sich danach wieder an Mamiko.

„Na seid ihr mit eurem Geplaudere fertig?“

„Mamiko. Hör auf mit dem Wahnsinn. Eris benutzt euch nur, sobald sie euch nicht mehr braucht, wird sie euch töten.“

Wütend schnaubte ihre einst geglaubte Freundin und hob ihre Arme in die Höhe. „Was bildest du dir ein, so über meine Herrin zu reden! Jetzt bist du fällig!“

Lachend ließ sie über ihren Händen Energiebälle erscheinen und schleuderte diese auf sie zu. Sofort wich sie ihnen aus.

„Mamiko bitte. Denk doch mal nach. Wann war diese Frau bei euch aufgetaucht? Sie hat alles genau geplant. Sie war diejenige, die euren Plan-“

„Schnauze! Genug geplaudert. Erledigt die Sailor Kriegerinnen!“, brüllte Mamiko den Besessenen zu und begann wieder aus voller Kehle hysterisch zu lachen.

 

Abrupt stürmten die Besessenen los und griffen die Sailor Kriegerinnen an. Lachend stürmte Akita allerdings, mit einem Schwert in der Hand, auf Mamoru los. „Du gehörst mir. Jetzt wirst du für das was du getan hast bezahlen!“

Schnell verwandelte er sich in Endymion und parierte Akitas Schläge.

 

Fassungslos sah sie zu den anderen, doch bevor sie ihnen zur Hilfe eilen konnte, wurde sie von Mamiko aufgehalten. „Schön hier bleiben. Du gehörst mir.“

Einen Energieball nach dem anderen schleuderte Mamiko auf sie zu. Doch jedes Mal schaffte sie es irgendwie auszuweichen. Dabei sah sie auch zu den anderen herüber und konnte erkennen, dass sie große Mühe hatten, gegen die Masse an Besessenen anzukommen. Sie wurden mehr und mehr eingekesselt. Rasch ließ sie daher ihr Zepter erscheinen. „Mamiko bitte hör auf. Komm zu dir, das bist doch nicht du.“

„Was weißt du überhaupt! Du bist doch nur eine kleine verwöhnte Göre!“

Zitternd klammerte sie ihre Finger um den Stab des Zepters. Sie wusste, dass es sie einiges an Kraft kosten würde, doch sie hatte keine andere Wahl.

„Licht des Silbermonds, schein und heile!“

Das Licht des Zepters erreichte Mamiko und für einen kurzen Moment fasste sich diese an ihren Kopf und torkelte ein paar Schritte rückwärts.

Rasch drehte sie sich, damit sie den anderen helfen konnte, um. Sie hob erneut ihr Zepter in die Höhe, doch bevor sie irgendetwas machen konnte, traf ein Energieball sie direkt am Rücken. Vor Schmerzen schreiend sackte sie auf ihre Knie.

 

Erstarrt sah das Sailor Team, für einen Augenblick, auf ihre zu Boden gegangene Freundin. Dieser kurze Moment hatte jedoch gereicht, dass jeder von ihnen überrumpelt wurde und nun in den Fängen von mehreren Besessenen war. Keiner konnte sich mehr rühren. Auch Endymion hatte in dem Moment, als Sailor Moon zu Boden ging nicht aufgepasst und Akita hielt nun sein Schwert direkt an seine Kehle.

Schnell rief Akita zwei Handlanger heran, die sich Endymions Arme schnappten und ihn festhielten.

Wankend stand Sailor Moon wieder auf und atmete schwer ein und aus. Ihre Kleidung war zerfetzt und ließ daher den Blick auf ihren Rücken frei. Er war schlimm verbrannt und schmerzte, dass ihr ganz schwindelig davon wurde.

 

„Mamiko bitte. Komm zu dir.“, flüsterte sie leise und hielt ihr Zepter in die Höhe.

„Das würde ich schön bleiben lassen. Sieh dich doch mal um. Gib auf oder deine Freunde müssen dran glauben.“

Immer noch das Zepter in die Höhe haltend, drehte sie ihren Kopf zur Seite und suchte die anderen. Jeder von ihnen war in der Gewalt von Mamiko. Sie sah zu Mamoru, dem immer noch das Schwert an den Hals gedrückt wurde, und sofort stiegen ihr die Tränen in die Augen.

„Hör ihr nicht zu. Sie wird uns sowieso nicht gehen lassen. Erledige sie. Los!“, rief Mamoru und versuchte sich zu befreien, doch ohne Erfolg. Akita packte ihm stattdessen an seiner Schulter und drückte ihn mit den beiden Besessenen auf den Boden. Demonstrativ stellte er seinen Fuß auf Mamorus Rücken, griff in seine Haare und riss seinen Kopf damit hoch. Lachend richtete er die Schwertspitze gegen Mamorus Kehle.

„Was steht du denn da, los schnapp sie dir“, schimpfte Rei hinter ihr und auch die anderen stimmten mit ein.

„Seid still!“, zischte Mamiko daraufhin, hob ihre Hand und im selben Moment schrien ihre Freundinnen laut auf. Es sah beinahe so aus, als ob ihnen Stromschläge durch den Körper gejagt wurden.

„Nein. Nicht. Bitte hör auf.“ Zitternd drehte sie sich wieder zu Mamiko und senkte ihren Kopf.

„Du hast gewonnen. Stell mit mir an, was du willst. Aber lass die anderen gehen. Sie haben nichts damit zu tun.“

„Die sind mir sowie so egal. Sobald du vernichtet bist, stellen sie eh keine Gefahr mehr da. Solang sie uns in ruhe lassen. Können sie gehen.“

Sie konnte nur hoffen, dass Mamiko auch die Wahrheit sagte. Sie hatte keine andere Wahl. Sie musste versuchen, die anderen zu retten. Auch wenn dies bedeutete, dass sie ihr eigenes Leben dafür geben musste.

„Nein. Bekämpfe sie, los. Kümmere dich nicht um uns!“, riefen ihr alle durcheinander zu, doch sie reagierte nicht auf sie und schloss stattdessen ihre Augen. Schwer schluckend ließ ihr Zepter fallen und senkte langsam ihre Arme.

„Es tut mir leid. Ich liebe dich Mamoru…“, schluchzte sie leise, aber noch so laut, dass er sie verstehen konnte.

 

Mamiko hob ihre Arme und vor ihr bildete sich ein langer schwarzer Energiespeer. Lachend zielte sie damit direkt auf Sailor Moons Herz.

 

„Usagi. Nein! Wehr dich!“, brüllte Mamoru und konnte nicht fassen, was da gerade passierte.

Sein Peiniger hockte sich zu ihm hinunter und beugte sich zu seinem Ohr.

„Sieh schön hin. Sobald meine Schwester sie vernichtet hat, bist du an der Reihe.“

 

Akita legte seine eine Hand unter sein Kinn und zwang ihn dadurch zu zusehen, wie seine Schwester mit ihrem Arm ausholte und den Energiespeer losschoss.

 

„Usa!“, schrie Mamoru erneut und musste mit ansehen, wie der Speer immer näher auf sie zuflog.

Kapitel 35

 

Panikartig versuchte sich Mamoru zu befreien, aber egal, wie sehr er es auch versuchte, er wurde einfach weiterhin auf dem Boden festgenagelt. Wild schüttelte er seinen Kopf. Da die Hand von Akita noch immer unter seinem Kinn lag, sah er keine andere Möglichkeit und biss hinein.

Wutentbrannt trat Akita ihm daraufhin in die Rippen.

„Du wagst es, mir in die Hand zu beißen? Kannst du es nicht erwarten, dass du an der Reihe bist?“

Doch Mamoru sagte kein Wort. Er konnte nicht, auch wenn er gewollt hätte. Jeden Augenblick würde die Liebe seines Lebens, ihr Leben verlieren und er konnte rein gar nichts dagegen tun.

„Wenn du eh nichts mehr zu sagen hast …“

Schnaufend packte Akita ihm in den Nacken und schlug seinen Kopf so kräftig auf den Boden, dass er sein Bewusstsein verlor.

 

Etwas abseits und unbemerkt von den anderen, sackte jemand zusammen. Kauernd verharrte er in seiner Position. Er war zu spät gekommen. Zitternd krallte er seine Finger in den Boden und einzelne Tränen kullerten ihm die Wangen hinunter. Er hatte zu lange überlegt. Zu lange das Für und Wider abgewägt und nun war es zu spät. Er konnte ihr nicht mehr helfen. Warum hatte er nur so lange mit sich gerungen?

Leise drangen die verzweifelten Schreie der Sailor Kriegerinnen in seine Ohren, die ihrer Prinzessin zu riefen, dass sie sich doch wehren sollte. Doch es half nichts. Sailor Moon bewegte sich kein Stück. Was eigentlich in Sekundenschnelle passierte, lief wie in Zeitlupe vor ihm ab. Ein letztes Mal sah er zu ihr und keine Sekunde später ertönte ein lauter Knall, der über den ganzen Platz dröhnte. Und dann, dann war es still. Totenstill.

 

In einer Art Schockstarre starrten alle, mit offenstehenden Mündern, auf die am Boden liegende Sailor Moon. Niemand hatte so recht verstanden, was gerade passiert war.

Mamiko schleuderte laut lachend den Energieball in Form eines Speeres auf Sailor Moon zu und dann war es auch schon passiert. Es ging alles einfach viel zu schnell.

Erst Mamikos wütender Ausbruch löste die Sailor Kriegerinnen aus ihrer Starre.

„Was soll das? Wo kommst du auf ein Mal her?“, schimpfte Mamiko wutentbrannt.

 

Verwundert stützte sie sich langsam mit ihren Händen am Boden ab und sah vorsichtig nach oben. Sie brauchte einen kurzen Moment, um zu realisieren, was gerade geschehen war.

Sie hatte auf den Schmerz gewartet, den sie eigentlich verspüren sollte, wenn sie von der Spitze durchbohrt werden würde, doch es geschah nichts. Stattdessen wurde sie von irgendetwas so kräftig in die Seite gestoßen, dass sie zu Boden fiel. Kopfschüttelnd sah sie vor sich und bekam augenblicklich Tränen in den Augen.

„Pluto?“

 

Angriffslustig stand Sailor Pluto mit erhobenen Armen und ihren Stab in ihren Händen vor Sailor Moon.

Sie sollte zwar, wie alle einstimmig beschlossen hatten, das Tor bewachen, aber sie konnte einfach nicht länger untätig warten und war zum Glück auch noch gerade rechtzeitig gekommen.

Kurz bevor Sailor Moon getroffen wurde, schubste sie diese zur Seite und lenkte mit ihrem Stab den Energiespeer an ihnen vorbei. Mit einem lauten Knall verpuffte die Energie auf dem Boden und verursachte einen riesigen Riss in diesem.

Sailor Pluto senkte kurz ihren Blick und lächelte Sailor Moon an. Schnell sah sie aber wieder zu Mamiko herüber.

„Es reicht jetzt.“

 

Mit heruntergeklappter Kinnlade weiteten sich Kentas Augen. Unfähig sich zu bewegen, starrte er auf die, am Boden liegende, Sailor Moon. Doch dann, ohne weiter darüber nachzudenken, was er tat, sprang er auf und rannte so schnell er konnte auf sie zu. Er wusste sofort, dass ihn seine Geschwister bemerkt hatten.

„Kenta. Wo warst du? … Na egal, schnapp dir die dämliche Sailor Kriegerin!“, zische Mamiko ihn an und deutete auf Sailor Pluto.

Doch ohne auf seine Schwester zu achten, lief er weiter, warf sich auf den Boden, zog Usagi erleichtert in seine Arme und drückte sie fest an sich. Doch diese stöhnte mit einem Mal laut auf. Sofort sah er auf ihren Rücke und zog erschrocken seine Hände weg.

„Du solltest doch nicht herkommen“, flüsterte sie ihm zu.

„Ich weiß …“

Vorsichtig half er ihr aufzustehen und legte besorgt seine Stirn in Falten, als er ihren Arm erblickte. Sie musste mit ihrer Verletzung zu erst auf den Boden aufgekommen sein. Der Verband um ihren Arm war abgeschürft und man sah, wie langsam Blutflecken durch den weißen Stoff sickerten.

 

Als sie seinen Blick auf ihrem Arm erkannte, zog sie ihn schnell weg.

„Alles gut“, log sie ihn an.

Der Schmerz zog ihr zwar durch ihren gesamten Körper, aber sie hatten jetzt keine Zeit für so etwas.

 

Unfähig etwas zu sagen, hatte Mamiko im ersten Moment nur fassungslos zu ihrem Bruder herübergesehen. Doch nun brodelte es voller Zorn in ihr.

„Kenta! Was soll das?“, brüllte sie.

Mehr brachte sie nicht zustande. Sie verstand nicht, was sich gerade direkt vor ihren Augen

abspielte.

Kenta wandte sich, immer noch Sailor Moon stützend, seiner Schwester zu.

„Mamiko … Bitte … Hör auf … Eris, ich meine, die nette Lady, sie benutzt uns nur. Sie ist schuld, dass unser Planet zerstört wurde. Sie ist schuld, dass unsere Eltern-“

Jetzt mischte sich auch Akita ein. Er war genau wie Mamiko sprachlos gewesen, was sein Bruder gerade tat und ging nun ein paar Schritte auf diesen zu.

„Sag mal spinnst du nun total? Hast du vergessen, was uns angetan wurde? Was die da uns angetan hat?“, knurrte er wutentbrannt.

Kenta ließ Sailor Moon los und sah seinen Bruder flehend an. Es musste doch irgendwie zu schaffen sein, dass die beiden ihm glaubten.

„Sie war doch selber noch ein kleines Kind … Hätte uns Eris nicht zugeredet, wären wir doch gar nicht in dieses Zimmer gegangen und hätten den Kristall holen wollen … Sie hatte alles geplant. Sie wusste, dass wir dafür bestraft werden würden …Denkt doch mal nach … Wenn sie uns nicht mehr braucht, wird sie uns umbringen!“

Kurz stockte Akita in seiner Bewegung und legte seine Hand auf seine Stirn. Doch dann schüttelte er vehement seinen Kopf und hob sein Schwert in die Höhe und zielte direkt auf ihn.

„Ich glaube, die Zeit in der die kleine Göre bei dir war, hat sie dir deinen Kopf vernebelt!“

Aufgebracht biss Akita die Zähne aufeinander und schnaufte aufgeregt ein und aus.

 

Auch Mamiko reichte es jetzt. Sie bebte mittlerweile vor Zorn. Schwarzer Nebel umhüllte sie und ihre roten Haare standen ihr wie wild vom Kopf ab. Erneut hob sie ihre Hände nach oben und formte mehrere Energiebälle, die nun über ihr schwebten.

Sailor Moon und Sailor Pluto hielten kurz stummen Blickkontakt und gingen augenblicklich in Angriffsstellung. Schützend stellte sich Sailor Pluto dazu vor ihre Prinzessin.

„Ich gebe dir Deckung. Als Erstes verwandle die Menschen zurück. Dann sind auch die anderen befreit.“

Nickend schnappte sich Sailor Moon hastig ihr Zepter vom Boden.

 

Akita, der die beiden genau beobachtete hatte, war sofort zu dem immer noch bewusstlosen Erdenprinzen zurückgeeilt und stellte nun schief grinsend seinen Fuß auf dessen Kopf.

„Prinzesschen … Benutze es und sein Kopf muss dran glauben!“

 

Sofort erstarrte sie. Was sollte sie nur machen? Sie musste den Menschen doch helfen und die anderen befreien. Aber sie konnte doch auch nicht zulassen, dass Akita nachher ernst machte.

Lachend gab er den zwei Besessenen, die Mamoru immer noch festhielten, ein Zeichen, dass sie ihn loslassen konnten. „Schnappt euch die Zwei!“

Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, stürmte sie auch schon los. Im selben Moment begann auch Mamiko ihre Energiebälle auf sie loszuschleudern.

Mit großer Mühe wichen sie und Pluto den Angriffen aus. Aber sie wusste, genau so gut, wie Sailor Pluto, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis sie sie erwischen würden.

„Los. Ich halt sie von dir fern. Und du befreist die Menschen“, rief ihr Pluto, den nächsten Schlag abwehren, zu. Nickend hielt sie mit zittrigen Händen ihr Zepter in die Höhe. Ihr blieb nichts anderes übrig, doch sofort wanderte ihr Blick dabei zu Mamoru herüber.

„Wage es ja nicht“, erhob Akita auch direkt seine Stimme. Demonstrativ drückte er mit seinem Fuß auf Mamorus Kopf herum.

Schwer schluckend nahm sie langsam ihren Arm wieder herunter. Zitternd senkte sie ihren Kopf und presste ihre Lippen aufeinander. Sie konnte es einfach nicht. Akita machte keinen Spaß und würde vor ihren Augen seinen Kopf zerquetschen.

Mit Tränen in den Augen klammerte sie ihre Finger um den Stab des Zepters. Was sollte sie nur machen?

„Worauf wartest du …“, hauchte plötzlich eine Stimme und ruckartig sah sie wieder auf. Sie kannte diese Stimme nur zu gut.

„So schnell bekommt der mich nicht klein.“

Baff sah sie in das grinsende Gesicht von Mamoru. Auch Akitas Blick senkte sich nun, doch bevor dieser reagieren konnte, schnappte sich Mamoru sein Bein und zog es ihm weg, wodurch er zu Boden fiel.

„Los jetzt! Beeile dich!“ Wankend stand Mamoru auf und sofort eilte sie ihm zur Hilfe.

„Mir geht es gut. Kümmere dich um die anderen.“

„Okay“, flüsterte sie und nickte ihm mit Freudentränen in den Augen zu.

„Ich will ja nicht stören, aber könntet ihr euch mal beeilen?“, erhob Sailor Pluto ihre Stimme.

 

Abgekämpft schirmte sie die beiden die ganze Zeit von den Besessenen und Mamiko ab. Aufgeschreckt von ihren Worten hob Sailor Moon schnell ihr Zepter und hielt es in die Höhe. Endymion schnappte sich sein Schwert vom Boden und lief auf Akita zu. Jedoch stand dieser schnell wieder auf seinen Füßen und knurrte Endymion böse an. Er wollte gerade wieder angreifen, als er plötzlich von einem grellen Licht geblendet wurde.

„Was zum …“, schimpfte er, hielt sich seinen Arm vor sein Gesicht und versuchte irgendetwas zuerkennen, aber nichts zu machen. Er spürte auf ein Mal eine Wärme in sich aufsteigen, die er kaum aushielt. Schreiend sackte er dadurch auf den Boden. „Was ist das!“

 

Der gesamte Platz rund um den Tokio Tower erstrahlte in einem hellen Licht und jeder einzelne Besessene schrie auf.

Kurz danach erlosch das Licht und die Menschen fielen alle bewusstlos zu Boden, wodurch die Sailor Kriegerinnen sich wieder frei bewegen konnten. Schnell gingen sie in Angriffs Position. Sie wussten ja nicht, was Mamiko als Nächstes vorhatte. Doch die stand einfach nur da und drückte ihre Hände gegen ihren Kopf. Auch sie hatte die Wärme und das Licht erfasst.

 

Keuchend sog Sailor Moon die Luft in ihre Lungen und versuchte das Schwindelgefühl in ihrem Kopf wieder loszuwerden. Doch keine Chance. Wankend gaben ihre Beine nach und taumelnd lief sie ein paar Schritte rückwärts.

Kenta, der das bemerkt hatte, lief schnell zu ihr und fing sie auf, bevor sie mit dem Kopf auf dem Boden aufschlug.

„Danke“, murmelte sie und konnte schon im Augenwinkel sehen, wie Mamoru auf die beiden zu gestürmt kam.

„Lass sie los.“ Wütend drängte er Kenta von ihr weg und half ihr vorsichtig beim Aufstehen.. „Alles Okay?“

Stumm nickte und wollte gerade etwas sagen, als sie von Mamikos Keifen unterbrochen wurde.

„Kenta, stehst du nun auf ihrer Seite?“

 

Zornig sah sie ihren Bruder an. Sie konnte einfach nicht verstehen, warum er ausgerechnet ihr half und nicht zu seinen Geschwistern hielt. Kenta drehte sich, ohne ihr zu antworten, um und ging stattdessen auf Akita zu. Er half ihm beim Aufstehen und sah dabei zu Mamiko herüber.

„Ich bin nicht auf der einen oder anderen Seite … Es muss einfach aufhören. Wir dürfen uns nicht länger wegen dieser Frau bekriegen. Wenn wir uns ihnen anschließen, könnten wir es mir ihr aufnehmen … Bevor sie uns tötet.“

Schnaubend schlug Akita seine Hand weg.

„Du weiß doch nicht, was du da redest. Hat SIE dir das eingeredet?“

Aufgebracht zeigte er dabei auf Sailor Moon und ging langsam, aber jederzeit angriffsbereit, zu seiner Schwester herüber.

Mittlerweile waren auch alle Sailor Kriegerinnen näher herangekommen und bauten sich, wie eine Art Mauer vor den Geschwistern auf. Endymion stellte sich schützend vor Sailor Moon und erhob sein Schwert. „Ihr habt jetzt lang genug Unheil verbreitet, damit ist jetzt Schluss.“

 

Kenta stand etwas abseits und versuchte immer wieder auf seine Geschwister und das Sailor Team einzureden. Doch niemand hörte ihm mehr zu. Sailor Moon versuchte es ebenfalls, doch weder Mamiko noch Akita wollte ihr glauben.

Das Sailor Team war so auf ihr gegenüber konzentriert, dass sie gar nicht mehr darauf achteten, was hinter ihnen passierte. Schief grinsend drehte Mamiko, unbemerkt, langsam ihre linke Hand hinter ihrem Rücken. Akita wusste genau, was seine Schwester vorhatte und nickte ihr verräterisch zu. Er musste die Aufmerksamkeit auf sich lenken, dass keiner darauf achtete, was seine Schwester tat.

Mit gezogenem Schwert ging er also langsam auf die Kriegerinnen zu. Sofort waren sie in Abwehrhaltung gegangen und er hatte ihre volle Aufmerksamkeit.

Mamiko drehte weiter ihre Hand hinter ihrem Rücken und einige Meter hinter Sailor Moon bildete sich erneut ein Energiespeer. Doch niemand bemerkte es. Er wurde größer und größer und Mamiko begann, wie eine Verrückte zu lachen.

 

Von ihrem Lachen alarmiert sah sich Kenta panisch um. Irgendetwas hatte seine Schwester vor. Lange musste er auch nicht suchen. Sofort bemerkte er den riesigen Energiespeer, der in der Luft schwebte.

„Mamiko nicht!“

Doch seine Schwester hörte ihm gar nicht zu. Sie war wie in Trance und ihr einziges Augenmerk galt Sailor Moon. Sie ließ ihre rechte Hand kreisen und der Nebel, der sie selber umgab, breitete sich aus und legte sich langsam um die Füße und Beine des Sailor Teams. Diese bemerkten es zunächst nicht, da sie Akita, der nicht weit entfernt von ihnen stand, im Auge behielten.

Mit einem Ruck hob Mamiko plötzlich ihren Arm und ließ somit den Speer losfliegen.

„Dein letztes Stündlein hat geschlagen!“

Panisch lief Kenta auf Sailor Moon zu.

„Pass auf!“

Erschrocken drehte sich Sailor Moon herum und sah auch direkt den Speer auf sich zu kommen. Mamiko ballte ihre rechte Hand zu einer Faust und der Nebel zog sich eng um die Füße des Sailor Teams und bildete in sekundenschnelle Hände, die sie sich nun um ihre Knöchel legten.

„Was ist das?“, rief Sailor Mars den anderen zu.

Doch da war es schon zu spät. Keiner konnte sich mehr rühren, sie waren wie festgeklebt und ihre Arme konnten sie ebenfalls nicht mehr bewegen.

Unfähig irgendetwas zu tun, stand Sailor Moon einfach nur da und konnte nur zusehen, wie der Speer auf sie zuflog.

Kenta rannte, so schnell er konnte, zu ihr und hatte sie auch schon fast erreicht, als Akita erkannte, was sein Bruder vorhatte. Schlagartig drehte er sich zu seiner Schwester zurück.

„Stopp! Hör auf! Du wirst Kenta treffen!“

Auch wenn er die Mondprinzessin hasste und nicht verstand, warum sein Bruder dies tat, wollte er nicht, dass ihm etwas passierte. Seine Familie war das Einzige, was er hatte.

Irritiert blinzelte Mamiko mehrmals und es war fast so, als würde sie aus einem Traum erwachen.

„Was?“

Schnell sah sie, wie Kenta auf Sailor Moon zu rannte und die Spitze des Speeres, dieser immer näher kam.

Augenblicklich nahm sie ihre Hände herunter, konzentrierte sich es zu stoppen und atmete hastig ein und aus. Doch ein Knall, gefolgt von einem Schmerzensschrei ließ ihr das Blut in de Adern gefrieren.

„Kenta!“, schrie Sailor Moon, wodurch Akita seinen Blick von Mamiko ab wandte und zu seinem Bruder herübersah, der mit seinen Händen auf seiner Brust zusammensackte. Außer sich sah er wieder zu seiner Schwester. „Was hast du getan!“

Geschockt riss Mamiko ihre Augen auf. Sie hatte es doch gestoppt! Es hätte ihn gar nicht treffen dürfen. War es etwa doch zu spät gewesen? Durcheinander legte sie zitternd ihren Hände vor den Mund und sackte langsam auf ihre Knie. Der Nebel, der sie und das Sailor Team umgab, löste sich auf und Sailor Moon warf sich schlagartig zu Kenta auf den Boden.

 

Zitternd und mit Tränen in den Augen nahm sie seine Hand in ihre. „Das bekommen wir schon wieder hin. Hörst du“, schluchzte sie leise.

„D-das glaube i-ich nicht“, keuchte er, begann zu husten und trotzdem sah sie sofort, dass er versuchte zu lächeln. Langsam nahm er seine andere Hand von seinem Brustkorb, wodurch sie die Eintrittsstelle sehen konnte. Es hatte direkt sein Herz getroffen. Erschrocken nahm sie ihre Hände zurück, als sie sah, wie sein Shirt sich langsam rot verfärbte. Auch der Boden unter ihm, tränkte sich mit seinem Blut. Er wurde immer blasser und sämtliche Farbe wich ihm aus dem Gesicht. Sofort griff sie wieder nach seiner Hand.

 

Keiner der Anwesenden traute sich irgendetwas zu sagen. Sie standen einfach nur hilflos herum.

Mamiko drückte ihre Arme um ihren Oberkörper und wippte, wie in Trance ihren Körper hin und her. „Ich habe es doch gestoppt … Ich habe es doch gestoppt …“, flüsterte sie sich immer wieder selber zu.

Akita eilte zu seinem Bruder und hockte sich ebenfalls neben ihn. Einen kurzen Moment war der Kampf vergessen. Vergessen, wer seinem Bruder die Hand hielt.

 

Allmählich kullerten ihr die Tränen die Wangen herunter. „Warum hast du das getan …“

Lächelnd hob Kenta zitternd ganz langsam seinen Arm und legte seine Hand sanft auf ihre Wange.

„Das weiß du nicht? D-d-du hast mir gezeigt, dass es noch anderes auf der Welt gibt, als Hass und Dunkelheit … Usagi … I-i-ich liebe dich“, flüsterte er mit brüchiger Stimme und kraftlos fiel seine Hand auf den Boden.

Sie wollte gerade noch etwas sagen, als sich mit einem Mal ihre Augen weiteten. Kentas gesamter Körper leuchtete plötzlich hell auf und begann sich vor ihren Augen aufzulösen.

„Kenta …“, schluchzte sie leise und blickte ihn direkt in seine Augen.

„Weine nicht um mich … meine Zeit war eigentlich schon vor langer Zeit abgelaufen … Weine nicht, lachend gefällst du mir b-b-bess... “

Doch weiter sprach er nicht.

„Kenta!“

Sein Kopf kippte zur Seite und allmählich wurde er immer durchsichtiger, bis er schließlich ganz verschwunden war.

 

Schweigend starrte sie auf die Stelle, an der kurz zuvor Kenta noch lag, bis sie plötzlich Finger um ihren Hals spürte.

„Du … wegen dir!“, schrie Akita sie an.

Er erhöhte den Druck um ihren Hals, doch abrupt ließ er mit Tränen in den Augen los und senkte seinen Kopf.

Sie merkte, wie Mamoru und die anderen auf sie zu gestürmt kamen und so gab sie ihnen mit einem Handzeichen schnell zu verstehen, dass sie stehen bleiben sollten. Sie wollte gerade wieder zu Akita sprechen, als sich der Himmel schlagartig verdunkelte. Ein finsteres Lachen ertönte und aufgeschreckt sprang sie auf ihre Füße. Genau so, wie die anderen, sah sie sich alarmierend um, bis schließlich der Umriss einer Frau im Himmel erschien.

„Eris“, rief sie und zeigte mit ihrem Finger hinauf.

 

Sie hatte wieder ihre volle Schönheit und Jugend zurück erlangt und jegliche Spuren von ihrem letzten Aufeinandertreffen mit ihrer Widersacherin waren verschwunden.

„Wie ich sehe, lebst du immer noch … Prinzesschen … “, zischte sie verachtend.

Mamiko stand mit geballten Fäusten auf und ihr Körper bebte vor Wut. Die Erkenntnis traf sie wie ein Schlag. „Du … du warst es … Ich hatte es gestoppt!“

Jegliche Ehrfurcht oder Respekt, die sie sonst gegenüber ihrer Herrin hatte, vergaß sie in dem Moment.

Mit hochgezogenen Augenbrauen stand Akita ebenfalls auf und sah abwechselnd zu seiner Schwester und seiner Gebieterin. Was spielte sich da gerade ab?

Mit einem hämischen Lachen verschränkte Eris ihre Arme vor ihren Oberkörper und ihr Blick verfinsterte sich.

„Natürlich … Das eine Leben. Wie kann man nur so schwächlich sein und die Chance verpassen, die Prinzessin all für alle Mal zu erledigen … Selber Schuld, wenn er sich dazwischen werfen musste. Er war eh zu nichts mehr zu gebrauchen. Es wäre sowieso passiert. Er hat mir damit sogar ein wenig Arbeit erspart … Ich hatte nur gehofft, dass es die dämliche Göre ebenfalls treffen würde. Aber deine Attacke war einfach zu schwach. Zu nichts seid ihr zu gebrauchen. Wenn es so weiter geht, muss ich mich wohl auch von euch trennen.“

Gurgelnd lachte Eris vor sich hin und verschwand langsam wieder.

„Erledigt das, sonst folgt ihr ihm!“

 

Der Himmel wurde wieder hell und Eris war verschwunden.

„Verdammt … Verdammt … Kenta hatte recht … Wir sind ihr völlig egal … “

Außer sich vor Wut, Enttäuschung und Trauer um ihren Bruder, ging Mamiko auf und ab. Sie raufte sich ihre Haare und murmelte vor sich hin.

Sprachlos stand Akita eine Weile an Ort und Stelle und beobachtete seine Schwester. Doch mit einem Mal hob er sein Schwert in die Höhe und rammte es mit voller Wucht in den Boden.

„Sie hat uns tatsächlich nur …“

 

Schweigend lief sie zu der, immer noch auf und ab laufenden, Mamiko, stellte sich hinter sie und legte vorsichtig ihre Hand auf ihre Schulter, wodurch diese ruckartig stehen blieb.

„Lass Kenta nicht umsonst gestorben sein … Schließt euch uns an. Er hätte es so gewollt. Zusammen werden wir es schon schaffen und sie aufhalten.“

Doch Mamiko sagte kein Wort. Seufzend wollte sie sich gerade wieder herumdrehen und zu Mamoru und den anderen zurückgehen, als Mamiko doch plötzlich irgendetwas murmelte.

„Wie war das?“

„Na schön! … Für Kenta.“ Schwungvoll drehte sich Mamiko zu ihr herum. „Bilde dir aber nichts darauf ein, mögen tu ich dich immer noch nicht.“

Zustimmend nickte sie und ging zu ihren Mitstreiterinnen zurück. Fehlte nur noch einer.

„Was ist mit dir?“

Fragend sah sie Akita an. Sie wusste nicht, was er davon hielt. Außerdem zog sich immer noch etwas bei ihr zusammen, wenn sie ihn ansah und daran dachte, was alles passiert war. Aber Angst hatte sie keine mehr und eine andere Wahl hatten sie sowieso auch nicht. Gegen Eris konnten sie jegliche Hilfe gebrauchen, die sie bekommen konnten.

 

Akita verzog sein Gesicht. Sein Bruder hatte wohl wirklich recht damit gehabt, was er über die nette Lady gesagt hatte. Und trotzdem konnte er einfach nicht vergessen, was sie ihm, seit er ein kleines Kind war, eingetrichtert hatte. Zu tief war der Hass auf die Mondprinzessin in seinem Herzen verwurzelt. Er sah sie an und beinah wäre er auch auf sie losgestürmt und hätte erledigt, was von ihm verlangt wurde. Doch er sammelte sich wieder, dachte daran, was Kenta sagte und das dieser hinterrücks von genau dieser Person getötet wurde.

„Bin auch dabei … Für Kenta und …“ Böse funkelte er den Erdenprinzen an. „Für Akuma.“

 

Keiner wusste so recht, wie er das in diesem Moment meinte, ob er Eris auch die Schuld an Akumas Tod gab, oder ob er diese immer noch Mamoru gab. Doch sie ließen es für diesen Moment erst mal so stehen. Sie hatten jetzt eine Art Pakt und waren für dieses eine Ziel Verbündete geworden.

„Das ist ja schön gut, aber wie finden wir Eris jetzt?“ Fragend hob Sailor Mars ihre Arme und sah Akita an.

Sie traute ihm nicht, genauso wenig wie Mamiko. Nachher war es nur eine Falle von ihnen.

Schulterzuckend hob Akita daraufhin seine Arme. „Sieh mich nicht so an. Ich habe keine Ahnung, wo sie sich aufhält“, knurrte er.

„Ich weiß es.“

Mamiko hatte sich neben ihren Bruder gestellt und zeigte in den Himmel.

„Sie versteckt sich auf dem Mond!“

 

 

Kapitel 36

 

Entschlossen sahen sich alle an. Eris versteckte sich also auf dem Mond. Sie hatten also ein Ziel.

Im Augenwinkel konnte sie sehen, wie Sailor Jupiter kämpferisch ihre Fäuste ballte.

„Worauf warten wir dann noch, auf zum Mond!“

Sie wollte ihrer Freundin gerade antworten, als ihr mit einem Mal schwarz vor Augen wurde und sie merkte, wie ihre Beine wegsackten. Wankend sank sie auf ihre Knie und wurde wieder Usagi. Auch Mamoru verwandelte sich zurück, kniete sich sofort zu ihr und half ihr beim Aufstehen.

 

„Ich glaube, wir sollten erst mal wieder zu Kräften kommen. So haben wir doch gar keine Chance gegen sie.“ Besorgt sah er dabei auf Usagi. Er hatte zwar auch einige Blessuren erlitten, vermutlich hatte er nicht nur eine geprellte Rippe, aber das war alles nicht weiter schlimm, viel mehr sorgte er sich um sie. Sie war sehr blass und sah gar nicht gut aus. Sie trug zwar wieder ihre Alltagskleidung, aber hatte er vorhin noch ihren Rücken gesehen, wusste er, was sich unter ihrer Kleidung verbarg.

„Sehe ich auch so, lasst uns erst mal zurück in die Wohnung gehen“, stimmte ihm Sailor Merkur direkt zu.

 

Nacheinander verwandelten sich ihre Freundinnen, bis auf Uranus, zurück. Sie ging stattdessen zu Mamiko und Akita herüber und baute sich kämpferisch vor den beiden auf. Ruckartig hob sie ihren Arm, zeigte auf die beiden und sah mit versteinerter Miene zu ihr zurück.

„Und was ist mit denen? Kommen die auch mit?“, knurrte sie.

Mamiko verschränkte ihre Arme und zog ihre Augenbrauen zusammen. „Nein danke. Wir verzichten“, zischte sie zurück.

Uranus verschränkte nun ebenfalls ihre Arme vor ihrer Brust. „Soll mir recht sein.“

Schnaufend wollte sich Mamiko gerade umdrehen und gehen, sie musste sich beeilen.

„Nein sie kommen mit.“

Sie konnte genau sehen, wie Uranus die Kinnlade herunter klappte. Aufgebracht stampfte sie näher zu ihr und wedelte wild mit ihren Händen in der Luft herum. „Das ist doch nicht dein Ernst?“

Schwer atmend löste sie sich aus Mamorus Umarmung und ging etwas auf ihre Freundin zu.

„Eris wird bald bemerken, dass die beiden die Seiten gewechselt haben. Es ist zu gefährlich, alleine zu bleiben. Sie wird sie genauso wie Kenta … “ Traurig senkte sie ihren Kopf. Der Gedanke an Kentas Tod gab ihr sofort einen Stich. Sie wollte ihm doch helfen. Und nun, nun war er tot, weil er sich für sie geopfert hatte.

„Ja und? Ist das unser Problem?“ Schulterzuckend lief sie zu Michiru zurück. „Verdient hätten sie es …“, nuschelte sie dabei vor sich hin.

Bestimmend stellte sie sich mit einem Mal vor die anderen und hob ganz leicht ihren Kopf nach oben. „Nein, wir bleiben alle zusammen. Es mag euch zwar seltsam vorkommen, aber nur wenn wir jetzt zusammenhalten, haben wir eine Chance gegen sie.“

Um ihren Worten Ausdruck zu verleihen, nickte sie noch ein Mal mit ihrem Kopf und stemmte ihre Hände auf ihre Hüfte.

Offenbar überrascht von ihrer Bestimmtheit gaben sich schließlich alle geschlagen und so ging sie zurück zu Mamoru und hakte sich bei ihm ein. Ihr wurde schon wieder schwindelig, doch die anderen sollten es besser nicht mitbekommen. Sonst würden ihre Worte nachher noch ihre Wirkung verlieren.

 

Mamoru sagte kein Wort. Mit gequältem Gesicht sah er stattdessen zu ihr herunter. Ihm passte es genauso wenig wie Sailor Uranus, dass die beiden mitkommen sollten.

Zu wissen, dass sie in der Nähe von diesem Typen war, ließ ihn einfach keine Ruhe. Zu gut hatte er noch die letzte Begegnung in Erinnerung.

Das Bild, wie er mit einem Messer an ihrem Hals mit ihr in dem Fahrstuhl verschwand, das würde er nicht zu so schnell vergessen können. Es hatte sich bei ihm eingebrannt.

 

Zähneknirschend verwandelte sich nun auch Sailor Uranus zurück. Sah dann aber schief grinsend zu den beiden Geschwistern herüber. „Wird schön kuschelig. Bei der großen Wohnung.“

Schnippisch drehte sich Mamiko zu ihrem Bruder. Sie hatte keine Lust mehr zu zuhören. Sie hatte nur wegen Kenta der ganzen Sache zugestimmt. Wenn es nach ihr ginge, wäre sie schon längst von hier verschwunden. Sie wollte gerade loslaufen, als sich Rei mit einem Mal mit geballten Fäusten und Tränen im Gesicht mit einmischte. „Wir hätten ja auch in den Tempel gehen können … Aber irgendjemand hat diesen ja abgebrannt!“

Unschuldig zog Mamiko ihre Schultern in die Höhe und legte ihren Kopf schief. „Der war eh nicht besonders schön. Eigentlich habe ich dir damit nur einen Gefallen getan.“

Grinsend verschränkte sie nun ihre Arme und sah spöttisch zu Rei herüber.

 

Das reichte Rei, wutentbrannt wollte sie auf Mamiko zu stürmen. Was bildete sich diese ein. Doch schnell wurde sie von Makoto aufgehalten. Tröstend wurde sie von ihr den Arm genommen.

Makoto verstand, wie es ihrer Freundin gerade ging. Hatte sie bei den Bränden ebenfalls ihren Laden verloren.

Böse sah sie daher über ihre Schulter zu Mamiko. „Sie ist es nicht wert.“

Nickend senkte Rei wieder ihre Arme. „Hast ja recht.“

 

Schwer atmete Usagi aus. Das würde nicht einfach werden. Sie hoffte, dass sich nicht alle schon, bevor sie überhaupt Eris gegenüberstehen würden, an die Gurgel gingen.

 

 

In Motokis alter Wohnung angekommen hatten sich schnell kleine Grüppchen gebildet und in der Wohnung verteilt.

Mamoru war mit Usagi direkt, um sich ihre Verletzungen anzusehen, im Schlafzimmer verschwunden. Haruka und Michiru hatten sich währenddessen in die Küche verzogen.

Haruka hielt es keine Minute länger, als nötig mit Mamiko oder Akita in einem Raum aus. Bevor sie sich nicht mehr zurückhalten konnte und sie sie hier und jetzt zu Kleinholz verarbeiten würde, zog sie es lieber vor, in die Küche zu gehen. Sie verstand Usagi immer noch. Sie würden auch gut, ohne die beiden, Eris besiegen können.

Michiru versuchte so gut es eben ging Haruka zu beruhigen. Aber so richtig gelingen wollte ihr es dieses Mal auch nicht. Sie konnte ihre Freundin ja auch verstehen.

 

Die anderen hatten sich in dem kleinen Wohnzimmer niedergelassen und Ami kümmerte sich um die Wunden der anderen. Zum Glück hatte keiner ernsthafte größere Verletzungen. Mit Schrammen und einigen Prellungen waren sie davon gekommen.

Mamiko und Akita saßen in einer Ecke des Wohnzimmers und beobachteten schon einige Minuten schweigend die anderen.

Keiner fühlte sich so richtig wohl in dieser neuen Situation, aber sie waren diesen Pakt eingegangen und nun mussten sie dadurch. Was danach kam, wusste zu diesem Zeitpunkt auch noch keiner.

 

Mamiko musste an Kenta denken. Hätte sie ihm doch nur eher geglaubt. Traurig senkte sie ihren Kopf und war so in ihrer eigenen Gedankenwelt, dass sie gar nicht bemerkte, wie Ami zu ihnen herüber gekommen war und mit Akita sprach.

„Okay, wenn du nicht willst … Und was ist mit dir? … Mamiko? Hallo?“

Aufgeschreckt sah sie in das Gesicht ihrer, bis vor Kurzem noch Feinding, und zog verwundert ihre Augenbrauen nach oben. „Was soll denn mit mir sein?“

 

Tief atmete Ami ein. Es hatte sie schon so genug Überwindung gekostet, überhaupt zu ihnen herüberzukommen, und nun hörte diese Mamiko ihr nicht mal zu. Seufzend schloss sie ihre Augen und fragte erneut, obwohl sie sich ihre Antwort schon denken konnte. Sie würde vermutlich sowieso ablehnen. Viel dürfte sie ohnehin nicht abgekommen haben, schoss es ihr wütend durch den Kopf.

„Soll ich mich um deine Verletzungen kümmern oder nicht?“

„Nein.“

Augen rollend ging sie zurück zum Sofa. Sie hatte damit schon gerechnet, aber da sie nun mal jetzt Verbündete waren, hielt sie es für angemessen wenigstens zu fragen.

 

 

Vorsichtig half er ihr, damit er sich ihre Wunden ansehen konnte, beim Ausziehen. Kurz kniff er allerdings seine Augen zusammen, als ihr Rücken zum Vorschein kam. Er sah wirklich schlimm aus. Eigentlich hätte sie besser in einem Krankenhaus behandelt werden müssen. Doch dazu würde er sie erstens nicht bekommen und zweitens wäre es auch wirklich nicht sehr schlau. Sie mussten, solang es ging, unentdeckt vor Eris bleiben. Schwer atmend biss er seine Zähne zusammen.

 

Sie bemerkte direkt seine geistige Abwesenheit und sah langsam über ihre Schulter zurück. „Sieht es so schlimm aus?“

Doch ohne ihr zu antworten, begann er in seiner Tasche herumzukramen.

„Mamo-chan … Was ist los?“

„Schon wieder konnte ich es nicht verhindern. Es ist alles meine Schuld …“, murmelte er vor sich hin und wühlte weiter in seinen Sachen. Sofort bekam sie große Augen. Gab er sich ernsthaft die Schuld dafür? Schnell drehte sie sich daher zu ihm, legte ihre Hände auf sein Gesicht und sah ihm direkt in seine Augen. „Du kannst doch nichts dafür.“

Ohne ihren Blick zu erwidern, senkte er seinen Kopf. Sie konnte genau sehen, wie sich seine Finger krampfhaft um die Mullbinden klammerten.

„Ich muss dich doch beschützen. Aufpassen das dir nichts passiert … Doch stattdessen musstest du mal wieder mich retten und wolltest sogar dein Leben dafür opfern. Ohne mich wärst du vielleicht-“

„Sag so etwas nicht. Ich will das nicht hören. Wir kommst du nur auf so einen Schwachsinn. Ohne dich bin ich gar nichts. Nur mit dir bin ich komplett. Ich liebe dich.“

Langsam sah er wieder auf. „Ich liebe dich auch. Bitte entschuldige. Es ist nur …“

Lächelnd legte sie ihren Zeigefinger auf seine Lippen. „Ich weiß“, flüsterte sie.

Jetzt war er es, der seine Hände auf ihre Wangen legte. Langsam beugte er sich zu ihr herüber.

„Usako …“, flüsterte er und schloss seine Augen.

Auch sie schloss ihre Lider und beugte sich zu ihm, bis sich ihre Lippen trafen. Langsam schmiegte sie ihre Arme um seinen Oberkörper und zog sich somit enger an ihn heran. Doch auf ein Mal stöhnte er leise auf.

Schlagartig löste sie sich von ihm und öffnete ihre Augen. Er hielt sich die Hand auf seinen Rippen. Vorsichtig hob sie sein Hemd ein Stück nach oben und erschrak augenblicklich. „Mamoru. Warum sagst du denn nichts?“

Sein Brustkorb war an etlichen Stellen gerötet und begann anzuschwellen. Man konnte sofort erkennen, dass es nicht lange dauern würde und es blau und grün werden würde.

„Nicht so schlimm.“ Kopfschüttelnd zog er sein Hemd wieder herunter.

Entsetzt sah sie ihn an. „Nicht so schlimm? Als ich dagegen gekommen bin, sah es aber eben noch ganz anders aus. Ami sollte sich das ansehen.“

„Jetzt kümmern wir uns erst mal um dich.“

„Aber-“

„Nichts aber.“

Geschlagen nickte sie und seufzte leise aus. „Na gut. Aber danach guckt sich das Ami bei dir an. Okay?“

„Einverstanden.“ Langsam wanderte sein Blick an ihr herunter und plötzlich begann er über beide Ohren zu grinsen. Verwundert über seinen Stimmungswechsel, legte sie ihren Kopf schief und zog ihre Augenbrauen nach oben. „Was gibt es denn da zu grinsen Herr Chiba?“

Sein Grinsen wurde noch etwas breiter und zwinkernd zeigte er nun auf sie.

„Also ich muss sagen, dass ich diese Aussicht ganz schön vermisst habe.“

Irritiert sah sie an sich herunter und bekam prompt große Augen. Sie hatte ganz vergessen, dass sie ja noch mit nacktem Oberkörper vor ihm saß, da er ja eigentlich gerade ihren Rücken verarzten wollte. Sie merkte, wie ihr die Röte in die Wange schoss und griff daher nach ihrem Shirt. Hastig hielt es sich vor ihren Körper. Nicht, dass er noch auf dumme Gedanken kam. „Also für so etwas haben wir nun wirklich keine Zeit“, tadelte sie ihn.

Gespielt beleidigt zog er einen Schmollmund. „Du brichst mir das Herz.“

Kopfschüttelnd drehte sie sich wieder herum.

„Sobald wir das alles hier überstanden haben, holen wir das nach … Ich glaube, wir haben da so einiges nachzuholen …“ Grinsend sah sie über ihre Schulter und zwinkerte ihm nun wiederum zu.

„Ich nehme Sie beim Wort, Miss Tsukino.“

 

Schmunzelnd begann er ihre Wunde zu versorgen und wurde auf einem Schlag wieder ernst. Ihr Rücken hatte schwere Verbrennungen. Schwer atmete er aus. „Da werden mit Sicherheit Narben zurückbleiben.“

„Das macht doch nichts. Die Hauptsache ist doch, dass wir leben“, flüsterte sie und schweigend verarztete er sie weiter.

Nachdem er ihren Rücken, so gut es eben von zu Hause aus ging, versorgt hatte, widmete er sich ihren Arm.

 

Er war gerade fertig geworden und Usagi hatte sich wieder angezogen, als es wie wild an der Tür klopfte.

„Usagi, Mamoru. Kommt, schnell!“, rief eine hektische Minako durch die Tür.

Schnell liefen die beiden daraufhin ins Wohnzimmer.

Alle standen um Mamiko, die mit zu gekniffenen Augen und ihre Hände auf ihre Ohren gepresst, kauernd auf dem Boden saß, herum. Auch Haruka und Michiru waren aus der Küche dazu geeilt.

„Was ist denn hier los?“, fragte Usagi sofort.

Aufgeregt stellte sich Ami neben sie. „Eris ruft sie, und da Mamiko ihr nicht antwortet, versucht sie sich in ihren Kopf zu klinken. Da Eris es auch nicht geschafft hat, sie zu sich zu holen. Zumindest hat er das gesagt.“ Zielstrebig zeigte sie dabei auf Akita.

„Und Mamiko versucht gerade dagegen anzukommen?“

Ami nickte ihr stumm zu und sah dann auch wieder zu Mamiko.

Mit verschränkten Armen saß Akita neben seiner Schwester und begann schief zu grinsen. „Sobald sie es geschafft hat, weiß sie, wo wir sind. Und dann … “

„Findest du das so witzig?“ Wütend baute sich Makoto vor ihm auf, wodurch Akita schulterzuckend zu Boden sah. „Ihr unterschätzt Eris. Sobald sie weiß, wo wir sind, dann war es das für uns. Damit meine ich uns alle.“

Immer noch wütend drehte sich Makoto von Akita weg.

„Ich glaube, ihr unterschätzt uns.“

Knurrend wandte sich Haruka von ihnen ab. „Ich habe doch gleich gewusst, dass es ein …“

Doch bevor sie zu Ende sprechen konnte, wurde sie von Usagi unterbrochen.

„Da! Seht. Das Amulett fängt an zu leuchten.“

Haruka drehte sich auf einem Schlag wieder herum und alle Anwesenden starrten mit weit aufgerissenen Augen auf Mamiko. Starr sah Akita auf das Amulett. „Jetzt hat sie uns gleich.“

 

Mit geballten Fäusten sah Mamoru zu Usagi herüber. Doch bevor er etwas sagen konnte, warf sich diese neben Mamiko auf ihre Knie und schlang ihre Arme um ihren Oberkörper. Helles Licht umhüllte beide und Mamikos Amulett hörte auf zu leuchten. Verwundert hob Minako eine Augenbraue.

„Was macht sie da?“

Luna ging etwas näher an Usagi heran und sah zu Minako hinauf.

„Ich glaube, sie schirmt Mamiko von Eris ab.“

 

Niemand sagte etwas, alle sahen gebannt auf Usagi und Mamiko, bis Usagi schließlich langsam ihre Arme von Mamiko nahm und hastig ein und aus atmete.

Ohne einen Ton zu sagen, stand Akita auf und ging zum Fenster. Nachdenklich sah er heraus und drehte sich dann ruckartig zu den anderen.

„Wenn Eris es noch nicht gewusst hat, nun weiß sie es auf jeden Fall, dass wir die Seiten gewechselt haben.“

„Sie hätte es so oder herausgefunden, so weiß sie jetzt wenigstes nicht, wo wir uns versteckt halten“, zischte Rei und sah ihn böse an.

 

 

Wütend warf Eris eine Energiekugel nach der anderen durch die Gegend und es krachte und knallte nur so neben ihr. Nebelschwaden umhüllten sie. Ihre Hände hatte sie zu Fäusten geballt und schnaufend biss sie die Zähne aufeinander.

Langsam ließ sie sich in den Thron fallen und krallte ihre Finger in die Lehnen des Stuhls.

„Niemand hintergeht mich und kommt ungestraft davon. Das werdet ihr büßen!“

 

 

Langsam stand Mamiko auf und sah Usagi eindringlich an. „Das wird sie nicht lange auf sich sitzen lassen.“ Nickend stimmte sie ihr zu.

Ein lautes Räuspern ließ alle dann jedoch erschrocken herumfahren. Luna war auf die Lehne des Sofas gesprungen. „Da muss ich Mamiko recht geben. Eris wird nicht lange auf einen Gegenschlag warten und die Erde und den Mond ins Chaos stürzen. Sie wird mit Sicherheit auch versuchen euch in eine Falle zu locken. Seit also auf alles gefasst. Ihr solltet daher besser nicht länger als zwei Tage brauchen, um euch kampfbereit zu machen. Bekommt ihr das hin?“

Entschlossen und kämpferisch nickten alle Luna zu.

 

Der restliche Tag verlief ruhig. Die meiste Zeit saßen alle zusammen und schmiedeten Pläne, wie sie Eris am besten aus der Reserve locken könnten und sie so am besten überwältigen könnten. Sogar Mamiko beteiligte sich daran. Noch einen Tag zuvor hätte keiner von den Anwesenden gedacht, dass dies möglich gewesen wäre. Akita jedoch saß weiter schweigend in seiner Ecke und beobachtete das Ganze. Insbesondere Usagi hatte er im Visier.

Mamoru hatte es längst bemerkt. Aufgebracht krallte er seine Finger immer mehr in seine Hose und presste seine Kiefer zusammen.

„Was ist denn los?“ Fragend lehnte sich Usagi zu ihm herüber.

Immer noch Akita im Auge behaltend, beugte er sich zu ihr. „Es passt mir nicht, wie er dich ansieht … Am liebsten würde ich jetzt …“, knurrte er leise.

Akita hatte ihn offenbar, auch wenn er versucht hatte, leise zu sprechen, gehört, da er ihm nun feist ins Gesicht grinste.

„Das reicht. Ich werde ihm jetzt …“ Wütend sprang er auf, doch Usagi hielt ihn an seinem Arm fest.

„Lass dich von ihm nicht provozieren.“

Haruka, die die ganze Szene beobachtet hatte, sprang ebenfalls auf und stimmte mit ein.

„Ich bin dabei. Dieses dämliche Grinsen geht mir auch ziemlich gegen den Strich.“

Bestimmt löste er sich aus Usagis Griff und drehte sich mit geballten Fäusten zu Akita.

„Hier geht es nicht ums Provozieren Usagi. Dieser Typ verdient es, dafür was er dir angetan hat, dass man ihm …“

Im Augenwinkel konnte er sehen, wie sich genau dieser erhob und nun langsam auf ihn zu ging.

„Na los. Oder hast du etwa Angst?“

Schnaufend schob er Usagi von sich weg und baute sich direkt vor diesem Akita auf. „Vor dir bestimmt nicht!“

„Worauf wartest du dann noch?“

„Akita es reicht jetzt!“

 

Schimpfend zog Mamiko ihn an seinem Arm zur Seite.

„Was soll der Schwachsinn. Mir gefällt das hier auch alles nicht, aber wir haben jetzt erst mal keine andere Wahl.“

Zornig sah er sie an. „Hast du vergessen, dass er Akuma auf dem Gewissen hat?“

Schlagartig zog sie ihn noch ein Stück von den anderen weg und drehte sich so, dass die anderen sie nur noch von hinten sehen konnten. „Das hab ich bestimmt nicht vergessen. Aber jetzt müssen wir uns ruhig verhalten. Wir brauchen sie noch. Alleine haben wir keine Chance gegen Eris. Danach kannst du mit dem Erdenprinzen anstellen, was du willst“, flüsterte sie ihrem Bruder zu und grinste schief.

Vorsichtig sah sie über ihre Schulter nach hinten und vergewisserte sich, dass ihnen auch wirklich niemand zu gehört hatte. Zufrieden sah sie Akita wieder an, da die anderen schon wieder in rege Gespräche vertieft waren. Usagi versuchte dabei, wie es aussah, immer noch den Erdenprinzen zu beruhigen.

„Okay.“ Geschlagen nickte Akita ihr zu.

Mit einem Lächeln im Gesicht drehte sie sich wieder herum.

„Ich habe das mit meinem Bruder geklärt und er wird sich von nun an ruhig und vernünftig verhalten“, flötete sie in den schönsten Tönen, die sie konnte.

Tänzelnd ging sie zurück zu den anderen an den Tisch und tat so, als wäre nichts gewesen. Die anderen sahen sich nur fragend an, fuhren dann aber mit ihren Planungen fort.

 

Mittlerweile war es schon spät in der Nacht und langsam aber sicher konnte sich kaum noch jemand auf den Beinen halten. Aus diesem Grund beschlossen sie, es für heute gut sein zu lassen.

Da aber keiner von den Sailor Kriegerinnen oder Mamoru den beiden Geschwistern traute, teilten sie sich für die Nacht in Schichten auf, damit immer zwei von ihnen wach waren und die beiden im Auge behalten konnten.

Nach großem Protest gab sich Usagi geschlagen, dass sie keine Zeit zugeteilt bekam. Alle waren einstimmig dafür gewesen, dass sie sich lieber ausruhen sollte.

Als sie dann aber im Bett lag und merkte, wie erschöpft sie eigentlich war, war sie dann doch ganz froh darüber gewesen. Es hatte auch nicht lange gedauert, bis sie tief und fest eingeschlafen war.

 

Nachdenklich starrte sie die Decke an. Sie war schon eine ganze Weile wach. Zu viel ging ihr durch den Kopf und ließ sie nicht wieder einschlafen. Würden sie es wirklich schaffen Eris zu besiegen?

Nachdem sie noch einige Minuten wach im Bett lag, beschloss sie, sich erst mal etwas zu trinken zu holen. Vielleicht half ihr ja ein warmer Tee beim wieder Einschlafen.

Langsam rutschte sie mit ihren Beinen vom Bett herunter. Sie wollte Mamoru unter keinen Umständen wecken. Er brauchte seinen Schlaf. Auf Zehenspitzen schlich sie aus dem Schlafzimmer heraus und schloss vorsichtig die Tür hinter sich.

Sofort wurde sie von Rei und Ami mit großen Augen angestarrt und so hob sie schnell abwehrend die Hände in die Höhe.

„Alles gut. Ich habe nur etwas Durst“, flüsterte sie leise, damit sie die anderen nicht weckte.

Überall im Wohnzimmer verteilt lagen ihre Freundinnen und schliefen. Auch Akita schien zu schlafen.

Lächelnd nickten ihr Rei und ihr Ami zu und so ging sie weiter in die Küche herüber. Kurzerhand entschloss sie sich doch einfach nur für ein Glas Wasser und lief damit zurück zum Schlafzimmer. Sie wollte gerade die Türklinke herunterdrücken, als sie bemerkte, wie Mamiko am Fenster stand und herausschaute. Ohne darüber nachzudenken, ließ sie die Klinke wieder los, ging herüber zum Fenster und stellte sich neben sie. Schweigend sah diese weiter aus dem Fenster.

„Was mit Kenta passiert ist … also … Ich wollte eigentlich nur sagen, wie leid mir das tut. Weißt du, ich hatte ihn wirklich sehr gerne.“

Sie wusste nicht so wirklich, was sie sagen sollte und fand nicht die richtigen Worte, aber irgendwie wollte sie Mamiko schon ihr Mitgefühl aussprechen.

„Das kann es auch … Er ist nur wegen dir … Weil er dich …“

Stur sah sie weiterhin aus dem Fenster, doch sie sah, wie ihre Hände begannen zu zittern.

„Ich bin nur wegen Kenta hier. Er hätte es gewollt, dass wir Eris zusammen besiegen. Danach-“

Doch weiter kam Mamiko nicht, da aus heiterem Himmel plötzlich ein ohrenbetäubender Donner ertönte.

 

Erschrocken fuhren alle hoch und waren auf einem Schlag hellwach. Draußen wurde es pechschwarz, obwohl die Sonne eigentlich gerade aufging. Kleine Blitze erhellten den sonst so dunklen Himmel. Immer wieder krachte und dröhnte es und kräftige Windböen fegten durch gesamt Tokio.

 

Augenblicklich kam Mamoru aus dem Schlafzimmer gestürmt und lief direkt zu Usagi.

„Was ist hier los?“

„Ich würde sagen, wir reisen nicht mehr zum Mond“, sprach Akita völlig emotionslos. Er saß im Schneidersitz auf dem Boden und hatte seine Arme vor seiner Brust verschränkt.

„Soll das etwa heißen, Eris ist dafür verantwortlich?“ Makoto lief näher zu Akita und zeigte dabei Richtung Fenster.

 

Doch er brauchte ihr nicht zu antworten. Genau in dem Moment legte sich ein finsteres Lachen und Wispern über Tokio. Man konnte es in jedem Winkel hören. Der Wind trug Eris Flüstern durch die Stadt. Bevor noch jemand etwas sagen konnte, traf eine heftige Böe das Fenster. Aufgeschreckt sahen alle herüber und keine Sekunde später zersprang es auch schon in Tausend kleine Splitter.

Schnell hielten sich alle ihre Arme vor ihre Gesichter oder drehten sich zur Seite, damit die kleinen Splitter sie nicht verletzten.

Mamiko konnte gerade noch zur Seite springen, bevor die Scheibe zerplatzt war.

Nachdem der Wind sich wieder beruhigt hatte und keine Splitter mehr herumflogen, atmete Usagi entschlossen ein und zog in einer Handbewegung ihre Brosche heraus.

„Dann ist es jetzt also so weit!“

Kapitel 37

 

Ohne lange zu überlegen, verwandelten sich alle und nickten ihrer Freundin zu. Kämpferisch stellten sich auch Mamiko und Akita neben Sailor Moon. „Wir sind auch bereit. Wird Zeit, dass Eris das bekommt, was sie verdient hat.“

Ein kurzer Blick zwischen den Anwesenden hatte gereicht und entschlossen liefen sie zur Tür hinaus.

„Hoffentlich wird das gut gehen.“ Seufzend sah Luna ihnen hinterher.

„Mach dir keine Sorgen. Sailor Moon und die anderen werden das schon schaffen. Wir sind doch das Sailor Team.“ Siegessicher erhob Artemis seinen Kopf.

„Ich hoffe, du hast recht.“

Langsam gingen die beiden Katzen zusammen zum Fenster, setzten sich auf das Fensterbrett und sahen über das verfinsterte Tokio.

 

Schnell rannten sie das Treppenhaus herunter. Eilig zog Sailor Moon unten angekommen die Eingangstür auf, doch dann blieb sie abrupt stehen und wich entsetzt einen Schritt zurück, sodass sie Sailor Venus mitten auf den Fuß trat.

„Hey Sailor Moon, was soll das?“ Meckernd quetschte sich Sailor Venus an Sailor Moon vorbei. Allerdings brauchte ihr ihre Freundin gar nicht zu antworten, was los war. Vor ihnen lag ein Bild des Grauens. Über all auf dem Boden lagen leblose Körper. Panisch rannten Menschen, von schwarzen Schatten verfolgt, umher. Hatten die Schatten sie erreicht, hüllten sie die Menschen in schwarzen Nebel. Leblos vielen sie danach zu Boden. Einige standen allerdings wieder auf und gingen danach aufeinander los.

„Wir müssen ihnen helfen“, flüsterte Sailor Moon mehr zu sich selbst, als zu den anderen.

Starr stand sie einfach da. Sie verstand einfach nicht, wie man so grausam sein konnte. Einzelne Tränen liefen ihr das Gesicht hinunter, als sie von Sailor Mars an den Schultern geschüttelt wurde.

„Ich weiß, es ist wirklich schlimm, was hier passiert, aber wir können leider im Moment nichts für sie tun. Wenn wir Eris besiegen, retten wir damit auch die Menschen.“

Stumm nickte sie. Sailor Mars hatte ja recht. Sie mussten Eris aufhalten, damit das alles hier ein Ende hatte.

 

Schnell rannten sie die lange Straße entlang. Wo steckte Eris nur. Sie konnte überall sein. Fragend blieben sie stehen und überlegten, wo sie sie finden könnten, als erneut starke Windböen durch de Stadt fegten. Nur mit größer Mühe konnten sie sich auf den Beinen halten. Überall wisperte Eris. In den Bäumen, durch die kleinen Gassen. Sie war einfach überall.

Unaufhörlich drückte der Wind gegen die Kriegerinnen und Sailor Moons Kräfte ließen allmählich nach. Zu sehr hatten die letzten Wochen an ihr gezerrt. Den Rest hatte ihr der letzte Kampf gegen Mamiko gegeben. Wankend gaben ihre Beine nach und ungehindert sackte sie auf den Boden. Eine weitere Windböe traf sie und schreiend rutschte sie einige Meter über den Asphalt.

 

„Usa!“ Gegen den Wind ankämpfend, versuchte er zu ihr zu gelangen, als dieser mit einem Mal nachgab. Was war denn jetzt los?

Lange musste er jedoch nicht auf eine Antwort warten. Der Boden bebte plötzlich unter seinen Füßen und erschrocken sprang er zur Seite. Direkt unter ihm begann der Boden, unter lautem Knacken, aufzureißen. Eine riesige Spalte zog sich die Straße entlang in Richtung Sailor Moon, die immer noch nicht wieder aufgestanden war. Sofort eilte er die letzten Meter zur ihr und zog sie zur Seite.

„Wir müssen weiter.“

Nickend stand sie mit seiner Hilfe auf und hektisch rannten sie den anderen hinterher in eine Einkaufspassage.

„Wo hält sie sich versteckt?“ Mit großen Augen sah Sailor Venus zu Mamiko.

„Ich weiß es nicht“, antwortete diese und verschränkte ihre Arme vor der Brust.

„Wir sollten nicht hier bleiben“, warf Sailor Merkur dazwischen und tippte wild in ihrem kleinen Computer herum, „Wir sind umzingelt von Besessenen … Dort entlang!“ Sofort liefen alle in die Richtung, in die Sailor Merkur zeigte.

Schweigend durchquerten sie die Passage, bis Sailor Moon plötzlich stehen blieb. Langsam ging sie auf eines der Schaufenster zu. Hinter der Scheibe flimmerte ein Fernseher. Das Bild flackerte und hatte immer wieder Aussetzer. Wie in Trance starrte Sailor Moon herauf und legte ihre Hand auf das Glas. Schimpfend rannte Sailor Mars daraufhin zurück zu ihr und zog sie an ihrem Arm. „Sag mal spinnst du? Wie kannst du jetzt an Fernsehen denken?“

Doch Sailor Moon antwortete ihr nicht und sah weiterhin einfach nur auf das flackernde Bild.

„Hey! Hörst du mir überhaupt zu?“

„Warum habe ich da nicht schon eher dran gedacht“, murmelte Sailor Moon und allmählich riss Sailor Mars der Geduldsfaden.

„Woran hast du nicht gedacht? Deine Lieblingsserie einzuspeichern, bevor wir losgestürmt sind, oder was? Komm jetzt endlich!“

 

Da die beiden nicht hinterherkamen, liefen nun auch die anderen zurück und standen jetzt verwundert hinter Sailor Mars.

„Was ist denn hier los? Können wir dann weiter?“, fragte Sailor Jupiter in Richtung Sailor Mars.

Doch bevor diese antworten konnte, drehte sich Sailor Moon auf ihrem Absatz herum und sah in die fragenden Gesichter der anderen. „Sie ist im Tokio Tower!“

Tuxedo Mask trat näher an Sailor Moon heran und legte seine Hand auf ihre Schulter.

„Bist du dir sicher?“

„Ganz sicher. Sie hat mich gerufen.“ Nachdenklich sah sie über ihre Schulter zurück auf dem Bildschirm. Noch wenige Minute zuvor, hatte Eris zu ihr aus dem Fernseher gesprochen und ihr ihren Aufenthaltsort verraten. Mit einem finsteren Lachen hatte sie sich verabschiedet. Was ihr sorgen bereitete, war, ihre Aussage, dass dort eine Überraschung auf sie warten würde. Das konnte nichts Gutes heißen und doch mussten sie genau dort hin, damit sie sie all für alle mal stoppen konnten.

Tuxedo Masks Stimme holte sie allerdings aus ihrer Gedankenwelt zurück und so wandte sie ihren Blick wieder von der Scheibe ab.

„Stimmt etwas nicht? Ist alles in Ordnung mit dir?“

Schwer atmend senkte sie ihren Kopf. „Seid bitte alle sehr vorsichtig. Eris sagte, sie hat noch eine Überraschung für uns.“

Angriffslustig ballte Sailor Jupiter eine Faust und schlug sie in ihre offene Handfläche. „Mir macht die keine Angst. Zeigen wir ihr Mal, wer wir sind.“

„Genau“, ertönte es gleichzeitig von den anderen Sailor Kriegerinnen, woraufhin Mamiko kopfschüttelnd zu ihrem Bruder sah.

„Die werden sich noch umsehen.“

„Lasst uns weiter“, rief Sailor Mars, woraufhin alle entschlossen, bis auf Sailor Venus, los rannten.

„Was haben unsere Gegner eigentlich ständig mit dem Tokio Tower?“ Seufzend senkte Sailor Venus kurzen ihren Kopf. Doch dann nahm auch sie ihre Beine in die Hand und folgte den anderen aus der Passage hinaus.

 

Ohne miteinander zu sprechen, liefen sie durch die Straßen zum Tokio Tower. Überall bot sich ihnen der gleiche Anblick. Kämpfende Menschen, leblose Körper, es war grauenvoll. Doch je näher sie dem Tower kamen, umso leerer wurden die Straßen, bis sie schließlich niemanden mehr begegneten.

„Irgendwas stimmt hier doch nicht.“ Sailor Uranus blieb stehen und sah sich überall um. Auf der Straße war keine Menschenseele mehr zu sehen. Auch die anderen blieben verwundert stehen.

„Du hast recht. Hier stimmt wirklich etwas nicht“, flüsterte Sailor Mars und ging ganz langsam weiter. Es war einfach viel zu ruhig. Kein Windhauch war zu spüren.

Sailor Saturn hielt ihren Stab fest in ihren Händen.  „Was geht hier vor?“ Kaum hatte Sailor Saturn die Worte ausgesprochen, fegte eine Windböe über den Platz und trug ein finsteres Lachen mit sich. In Sekundenschnelle bildete sich ein schwarzer Nebel um das Sailor Team herum, sodass kein Entkommen mehr war. Sie versuchten irgendetwas zu erkennen, aber der Nebel war einfach viel zu dicht.

„Bleibt alle schön beisammen“, forderte Tuxedo Mask alle auf und griff sofort nach Sailor Moons Hand.

Langsam lösten sich die Schwaden wieder auf und mit großen Augen starrten alle auf eine Meute Besessener.

„Ich dachte, wenn so wichtige Gäste zu Besuch kommen, müssen sie natürlich auch gebührend empfangen werden“, wisperte Eris Stimme plötzlich durch alle Ecken und ein grollendes Lachen hallte über den Platz. Sofort gingen alle in Kampfbereitschaft. Doch angreifen taten sie nicht, immerhin waren es unschuldige Menschen.

 

Mamiko hob ihren Arm, formte in ihrer Hand einen Energieball und holte aus.

„Nicht!“, rief Sailor Moon und knurrend senkte sie wieder ihren Arm. Diese Gefühlsduselei ging ihr mächtig gegen den Strich. „Was machen wir dann?“

„Es sind unschuldige Menschen, wir dürfen sie nicht verletzen“, erhob Sailor Moon ihre Stimme.

„So kommen wir aber nicht weiter.“

 

„Sailor Moon hat recht. Wir müssen …“ Doch weiter sprach Sailor Mars nicht. Stattdessen sah sie mit großen Augen auf einen Mann, der aus der Menge heraus trat. Auf einen Schlag wich jegliche Farbe aus ihrem Gesicht.

„Yuichiro …“, flüsterte sie leise.

„Ist das nicht herzallerliebst? Dieser junge Mann war sofort, nachdem er erfahren hatte, dass der Tempel abgebrannt ist, zurückgeeilt, um zusehen, ob der jungen Miko auch nichts passiert ist“, ertönte erneut Eris Stimme und höhnisch lachte sie laut auf.

Mit Tränen in den Augen ging Sailor Mars langsam auf Yuichiro zu. Seine Augen waren pechschwarz. Zittrig hob sie ihre Hand und wollte ihn berühren, noch bevor sie ihn erreichen konnte, schoss er jedoch plötzlich einen Energieball auf sie los. Sofort wich sie aus und machte erneut einen Schritt auf ihn zu. „Yuichiro, erkennst du mich denn nicht? Ich bin es. Komm zu dir“, schluchzte sie. Doch Yuichiro sagte kein Wort und grinste nur finster.

Schnell eilte Sailor Moon zu ihrer Freundin. „Wir werden ihn retten. Du wirst deinen Yuichiro zurückbekommen“, versuchte sie sie zu trösten.

Die Besessenen kamen dabei immer näher und begannen anzugreifen. Auch Yuichiro schleuderte weitere Energiebälle auf sie ab.

Sie konnten gerade noch rechtzeitig einen weiteren Energieball von ihm ausweichen.

 

Alle hatten große Mühe den Angriffen, ohne sich zu wehren, auszuweichen. Sie wollten die Menschen nicht verletzen, doch wenn sie zu Eris wollten, mussten sie sie irgendwie besiegen.

Entschlossen ballte Sailor Mars auf ein Mal ihre Hände zu Fäusten. „Ich werde hier bleiben und sie in Schacht halten. Geht ihr weiter und kümmert euch um Eris!“

Sailor Moon wusste, dass Widerworte keinen Sinn hatten. Sailor Mars` Tonfall verriet ihr, dass sie fest entschlossen war. Sie wusste auch, dass sie Yuichiro niemals alleine lassen würde. Und trotzdem wollte sie sie nicht alleine zurücklassen. Als hätten Sailor Uranus und Sailor Neptun ihre Gedanken gelesen, stellten sie sich sofort neben Sailor Mars.

„Wir helfen ihr.“

Schwer schluckend legte Sailor Moon ihre Hand auf Sailor Mars` Schulter. „Passt auf euch auf.“

„Das werden wir. Los beeilt euch.“

Nickend rannte Sailor Moon mit den anderen los, doch weit kamen sie nicht, da die Besessenen ihnen sofort hinterher eilten.

„Hier spielt die Musik. Wenn ihr zu ihnen wollt, müsst ihr erst an uns vorbei“, rief Sailor Uranus laut und feuerte demonstrativ ihre Attacke auf die Meute ab. Jedoch darauf bedacht, sie nicht wirklich zu treffen.

Sofort hatte sie die Aufmerksamkeit der Besessenen und so konnten Sailor Moon und die anderen weiter laufen.

 

Wenige Minuten später hatten sie den Tower erreicht. Einige Meter davor blieben sie allerdings stehen.

„Eris hat wohl Angst vor uns, wenn sie uns so einen netten Empfang bereitet“, spottete Mamiko und verdrehte dabei ihre Augen.

Der Eingang war von einer weiteren Horde von Menschen versperrt. Böse wurden sie von ihnen angefunkelt.

„Warum greifen sie uns nicht an?“, überlegte Sailor Merkur laut und wollte gerade ihren Minicomputer hervorholen, um einen anderen Weg hineinzufinden, als sich plötzlich ein kleiner Durchgang zwischen den Besessenen bildete. Ein junger Mann trat hervor und sofort weiteten sich Sailor Merkurs Augen. „Oh nein. Ryo.“ Fassungslos hielt sie sich ihre Hände vor ihren Mund und wollte zu ihm laufen, als sie jemand an der Schulter packte.

„Nicht. Im Moment ist er leider nicht mehr Ryo“, flüsterte Sailor Jupiter und deutete auf seine Augen.

Ryo lachte böse auf und begann kleine Blitze auf die Kriegerinnen zu feuern. Sailor Merkur, die immer noch neben sich stand, bewegte sich kein Stück und wurde dadurch an ihrem Arm getroffen. Schnell zog Sailor Jupiter ihre Freundin weiter von Ryo weg und stöhnend drückte sich Sailor Merkur ihre Hand gegen den Oberarm. Sie hatte eine große Brandverletzung davon getragen.

Der Wind wehte wieder und abermals ertönte Eris gehässige Stimme.

„Es war so einfach ihn zu finden, vielleicht hättest du ihn besser verstecken sollen … Sailor Merkur … Und jetzt … Ergreift sie!“

Die Besessenen stürmten schreiend los und hinter ihnen sprang die Tür zum Tower auf.

„Wir müssen irgendwie an ihnen vorbei kommen. Die Tür ist offen“, brüllte Tuxedo Mask sofort gegen die lauten Schreie der Besessenen an.

Sailor Merker, die sich wieder gefangen hatte, hob daraufhin direkt ihre Arme. „Seifenblasen, fliegt!“

Augenblicklich war alles in Nebel getaucht und ihre Gegner konnten sich nicht mehr orientieren.

„Los, lauft! Ich kümmere mich darum“, rief sie den anderen zu.

Schützend stellten sich Sailor Pluto und Sailor Saturn vor Sailor Merkur.

„Wir werden ihr helfen.“

 

Niedergeschlagen nickte Sailor Moon ihren Freundinnen zu. Schon wieder blieben einige von ihnen zurück. Sie hoffte einfach, dass ihnen nichts passieren würde. Lange Zeit, um sich den Kopf zu zerbrechen, blieb ihr jedoch nicht, sie mussten weiter.

Schnellen Schrittes betrat sie mit Tuxedo Mask und den anderen das Gebäude und stiegen sofort in den Aufzug. Es war der einzige Weg, der nach oben führte.

Laut piepte es und mit einem Ruck waren die Fahrstuhltüren verschlossen. Quietschend setzte sich der Aufzug in Bewegung.

„Jetzt sind wir ihr völlig ausgeliefert.“ Schnaufend verschränkte Mamiko ihre Arme.

Keiner sagte dazu etwas. Stumm warteten sie, bis der Fahrstuhl sein Ziel erreichen würde.

Akita jedoch drehte sich von den anderen weg.

 

Irritiert sah Sailor Moon Akita an. Erst jetzt fiel ihr bewusst auf, dass er schon eine ganze Weile nichts mehr gesagt hatte. Sie wollte ihn gerade ansprechen, als sie merkte, dass der Aufzug immer langsamer wurde.

„Ich glaube, er hält auf der ersten Plattform an. Macht euch bereit“, warnte Tuxedo Mask und zog seinen Stab heraus.

Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, blieb der Aufzug tatsächlich bei der ersten Etage stehen. Alarmierend stellten sich alle, mit dem Blick auf die Tür gerichtet, zum Angriff bereit, auf.

Die wenigen Sekunden, die es dauerte, bis sich die Türen öffneten, kamen ihr wie ewig lange Minuten vor. Zitternd ballte sie ihre Hände zu Fäusten. Was spielte Eris nur für ein Spiel mit ihnen? Knarrend schoben sich die Türen auf und vorsichtig, mit Tuxedo Mask an ihrer Spitze, stiegen sie aus. Ein schrilles Piepen hallte hinter ihnen und mit einem Ruck waren die Fahrstuhltüren wieder verschlossen. Es blieb ihnen also nichts anderes übrig, als weiter zugehen.

Es war stockdunkel und man konnte kaum seine eigene Hand vor Augen sehen.

„Was soll das, wo ist sie?“, schimpfte Mamiko.

„Pssst … Hört ihr auch was?“, flüsterte Tuxedo Mask.

Alle versuchten zu hören, was er meinte. Und tatsächlich konnten sie ein Tuscheln nicht weit von sich hören und dann sprang plötzlich das Licht an.

Ein ohrenbetäubendes Lachen dröhnte durch die Halle und vor ihnen stand eine Handvoll von finster blickenden Menschen. Doch zwei ganz bestimmte Personen von ihnen ließen die Kriegerinnen und Tuxedo Mask blass werden. Geschockt schüttelte Sailor Moon ihren Kopf.

„Nicht ihr auch noch.“

Kapitel 38

 

Geschockt schüttelte Sailor Moon ihren Kopf.

„Nicht ihr auch noch.“ Vor ihnen standen Motoki und Reika. Finster wurde sie von ihnen angefunkelt. Ihre Augen waren genauso, wie Yuichiros und Ryos Augen, pechschwarz. In ihren Gesichtszügen konnte man nichts Freundliches mehr erkennen.

Freut ihr euch denn gar nicht, dass eure Freunde euch begrüßen?“, gurgelte Eris wieder vor Freude und ihre Stimme dröhnte durch die Halle.

Zitternd ballte Sailor Jupiter ihre Hände. „Es reicht. Wo versteckst du dich?“, brüllte sie durch den Raum. Doch als Antwort stürmten die Menschen, samt Motoki und Reika, einfach auf sie zu. Sie schossen mit Energiebällen um sich und über all knallte und krachte es.

Alle versuchten die Menschen irgendwie, ohne sie zu verletzen, zur Seite zu drängen. Sogar Mamiko half. Akita aber hingegen stand vor dem Fahrstuhl und hielt seinen Kopf gesenkt.

„Akita. Los, komm her und hilf uns!“, brüllte ihm seine Schwester zu.

Sie wurden immer mehr bedrängt und Akita stand einfach nur da. Abrupt hob er allerdings seinen Kopf und der Fahrstuhl ging wieder auf.

Im Augenwinkel beobachtete Sailor Moon verwundert die Szene. Da aber schon wieder ein Besessener auf sie zu stürmte, wandte sie sich wieder ab und wich dem Angreifer aus. Sie konnte sehen, wie Sailor Venus ihre Feuerherzenkette fliegen ließ. Sie fing die Menschen damit ein. Schwer atmend zog sie an der Kette.

„Los lauft. Der Aufzug ist wieder offen. Ich mach das schon“, rief sie zu ihr herüber.

„A-aber …“ Sie konnte einfach nicht noch wen zurücklassen. Doch bevor sie weiter reden konnte, wurde sie schon von Tuxedo Mask zum Aufzug gezogen. Mamiko und Akita eilten ebenfalls hinein.

„Was ist mit dir Jupiter?“ Mit großen Augen streckte sie ihre Hand aus dem Fahrstuhl heraus.

„Ich bleibe hier und helfe Venus.“ Mit einem Satz war sie neben Sailor Venus gesprungen und hielt mit ihr zusammen die Kette fest. „Macht sie fertig und rette unsere Freunde und die Erde!“

Schweren Herzens faltete sie ihre Hände vor ihrer Brust und mit Tränen in den Augen nickte sie ihren Freundinnen zu. Die Tür schloss sich wieder und der Fahrstuhl setzte seinen Weg nach oben fort.Traurig senkte sie ihren Kopf und die Tränen kullerten ihr ihre Wangen herunter. Sie konnte genau sehen, wie Mamiko mit ihren Augen rollte. Aber das war ihr egal. Allerdings sah sie dabei auch zu Akita. Er stand mit den Rücken zu ihnen und sagte immer noch keinen Ton.

„Ihnen wird schon nichts passieren.“ Tröstend zog Tuxedo Mask sie in seine Arme und streichelte ihr sanft über den Rücken.

Langsam hob sie ihren Kopf. Sanft legte er seine Hand auf ihre Wange und strich mit seinem Daumen eine Träne aus ihrem Gesicht. Vorsichtig stellte sie sich auf ihre Zehenspitzen, um ihn zu küssen, als Mamiko plötzlich dazwischen funkte.

„Ich will das traute Turtelpaar ja nicht stören“, brummte sie ironisch, „Aber wir sind gleich oben.“

Auf einen Schlag wurden sie wieder todernst und drehten sich schnell zur Aufzugtür. Mit einem heftigen Ruck, sodass sie mühe hatten, sich auf ihren Beinen zu halten, stoppte der Fahrstuhl. Die Türen öffneten sich wieder und zögerlich setzte sie einen Schritt nach vorne. „Da wären wir“, flüsterte sie.

Tuxedo Mask griff nach ihrer Hand und drückte sie sanft. „Keine Angst, ich bin bei dir.“

Wachsam stiegen sie aus. Weit und breit war keine Eris zu sehen. Die Plattform war nur leicht beleuchtet und dichter Nebel hing überall über dem Boden.

„Wo ist sie?“, überlegte sie laut.

Vorsichtig gingen sie weiter voran. Hier irgendwo war sie und wartete nur auf sie.

Prinzessin!“

Erschrocken zuckte sie zusammen, als es neben ihr anfing zu wispern. Ein leichter Windhauch umspielte ihre Beine. Und da war sie wieder, die finstere Lache von Eris.

Wie schön, ihr habt die beiden Verräter gleich mitgebracht.“

Am Ende des Raumes wirbelte der Nebel herum und zog sich Richtung Decke. Es bildete sich eine Art Säule.

Als die Schwaden wieder zu Boden sanken und sich allmählich auflösten, stand Eris mit verschränkten Armen vor ihnen. Sofort machten sie sich kampfbereit. Mamiko fackelte auch nicht lange und schleuderte eine Energiekugel auf Eris zu.

„Du … Du hast Kenta einfach … “, zischte sie erbost.

Doch Eris schnippte nur mit ihren Fingern und der Ball löste sich auf.

„Na na, begrüßt man denn so seine Herrin?“

Eris streckte ihre Hand hinaus und es sah so aus, als würde sie etwas in der Luft zusammendrücken. Augenblicklich zuckte Mamiko zusammen, hob ihre Arme und legte auf einmal ihre Hände um ihren eigenen Hals. Immer fester drückte sie ihn zusammen. Keuchend zappelte sie unter ihren Händen.

Mit großen Augen sah sie zwischen Eris und Mamiko hin und her und verstand sofort, dass Eris dafür verantwortlich war.

Japsend sackte Mamiko auf den Boden. Sofort rannte sie zu ihr und versuchte ihre Händen von ihrem Hals zu bekommen. Aber keine Chance. Sie bewegten sich kein Stück. Im Augenwinkel konnte sie sehen, wie Tuxedo Mask auf Eris zulief und mit seinem Stock auf ihre Hand schlug. Offenbar abgelenkt von diesem Angriff verlor Eris ihre Verbindung zu Mamiko und diese kippte nach vorne. Sofort fing sie sie auf und sah dabei auch zu Akita herüber. „Warum hilfst du uns denn nicht?“

Keuchend stand Mamiko neben ihr auf und hielt sich ihre Hand an ihre Brust. „Das wird sie mir büßen!“

Ein lauter Schrei ließ sie jedoch abrupt wieder zu Eris sehen. Tuxedo Mask wurde von ihr zurück geschleudert und mit voller Wucht gegen die Wand geschmettert. Stöhnend landete er danach auf den Boden. Entsetzt lief sie sofort zu ihm und half ihm beim Aufstehen.

„Alles Okay. Mir geht es gut“, keuchte er und versuchte sein Gleichgewicht wieder zu erlangen.

Ein lautes Lachen ließ alle allerdings wieder zu Eris sehen.

„Wie erbärmlich. Ich werde euch zerquetschen, wie kleine Maden.“ Grinsend hob sie ihre Hände in die Luft und drehte sie über ihrem Kopf herum. Laut knackte der Boden unter ihr.

Mit großen Augen sah sie, wie sich unter Eris Risse bildeten und aus diesen kleine Schatten, die aussahen, wie sie selbst, herauskletterten.

„Amüsiert euch meine Kleinen“, rief sie ihnen zu und in einem schrillen Kreischton flogen die Schatten los.

In Sekundenschnelle wurde jeder von ihnen von mehreren kleinen Schatten umzingelt und angegriffen. Ruckartig sprang sie zur Seite, doch einer der Wesen erwischte sie an ihrem Bein. Sofort fuhr ein stechender Schmerz, einem Stromschlag gleich, durch ihren Körper und zitternd sackte sie zusammen.

„Usagi!“ Sie konnte sehen, dass Tuxedo Mask versuchte zu ihr zu gelangen. Schwer atmend stand sie wieder auf. „Passt auf! Sie dürfen euch nicht erwischen!“

 

Mamiko schoss kleine Energiekugeln auf die Schatten los, wodurch sie sich auflösten. Doch sofort erschienen Neue. Es war wie ein Fass ohne Boden. Auch Sailor Moon und Tuxedo Mask kämpften gegen die kleinen Schatten. Aber genau so wie bei Mamiko, rückten sofort immer wieder welche nach. Die kleinen Abziehbilder von Eris drängten die Drei immer weiter voneinander weg.

Fragend suchte Mamiko den Raum nach ihrem Bruder ab. Sie musste wissen, wie es ihm ging. Energisch löste sie die Schatten um sich herum auf und drehte sich auf ihrem Absatz herum. Irritiert zog sie allerdings ihre Augenbrauen zusammen. Ihr Bruder wurde gar nicht, von ihnen angegriffen, sondern ein Schatten schwebte direkt neben seinem Kopf und flüsterte ihm offensichtlich etwas ins Ohr. Ausdruckslos sah er dabei zu Eris. Mamiko war sofort klar, was Eris versuchte.

„Nicht Akita! Hör gar nicht zu!“

Doch weiter kam sie nicht, da sie erneut von Schatten umzingelt wurde.

 

Sailor Moon verließen langsam aber sicher ihre Kräfte. Lange würde sie das nicht mehr aushalten können. Ein kurzer Blick zu den anderen verriet ihr, dass es ihnen ebenso erging. Was sie aber stutzig werden ließ, war die Tatsache, dass sie Akita nicht entdecken konnte. Wo steckte er? Diese kleine Unaufmerksamkeit wurde ihr aber zum Verhängnis. Zwei Schatten packten sie an ihren Armen und schreiend ging sie zu Boden.

 

Mit weit aufgerissenen Augen sah er zu Sailor Moon. In Panik bekämpfte er die Schatten. Er musste zu ihr.

Der letzte Schatten löste sich auf, und bevor die neuen nachrücken konnten, rannte er, so schnell er konnte, zu ihr. Schreiend krümmte sie sich auf dem Boden. Weitere Schatten hatten sich um ihre Beine gelegt und schickten ihr einen Stromschlag nach dem anderen durch den Körper.

 

Eris lachte unentwegt und machte sich einen Spaß daraus, die kleine Prinzessin leiden zu sehen. Ihre Zeit der Rache war gekommen.

 

Langsam aber sicher wurde ihr schwarz vor Augen. Sie merkte, wie ihr Bewusstsein immer mehr dahin schwand. Das Tuxedo Mask zur ihr eilte und sie von den Schatten befreite, bekam sie nicht mehr wirklich mit. Die Welt um sie herum verschwamm zu einem dunklen schwarzen Schleier und sie fiel immer mehr in die Finsternis.

Los komm wieder zu dir! Usako!“

In weiter Ferne schien ihr jemand zuzurufen, aber sollte sie dem wirklich nachgehen? Es war so ruhig, so friedlich hier. Warum sollte sie hier weg?

Usa! Komm schon, wach auf!“

Diese Stimme, sie kannte sie. Ihr wurde so warm ums Herz. Nein, sie war hier falsch, sie gehörte hier nicht hin.

Sie folgte der Stimme und um sie herum wurde es immer heller. Schlagartig riss sie ihre Augen auf und sofort erkannte sie Tuxedo Mask, der neben ihr stand und gegen einen Schatten nach dem anderen kämpfte. Er hielt sie, wie es aussah von ihr fern. Entkräftet drückte sie ihre Hände auf dem Boden, stützte sich ab und stand wackelig auf.

„Warte … ich … ich helfe dir …“

 

Tuxedo Mask schlug erneut auf die Schatten ein und konnte im Augenwinkel erkennen, wie sie ihr Zepter in die Höhe hielt. Dann ging alles ganz schnell, der gesamte Raum erhellte sich und die Schatten lösten sich auf. Laut schrie Eris auf und dann, dann war es still.

Das Licht verblasste wieder und Sailor Moon fiel erschöpft in Tuxedo Masks Arme, der sofort zu ihr geeilt war, nachdem die Schatten verschwunden waren. Schwer atmete sie ein und aus.

Mit geballten Fäusten stellte sich Mamiko neben die beiden und zischte durch ihre zusammengebissenen Zähne. „Eris!“

Auf der Stelle drehten auch Sailor Moon und Tuxedo Mask ihren Kopf in die Richtung in die Mamiko sah. Prompt weiteten sich Sailor Moons Augen. Vor ihnen stand eine keuchende und nach Luft schnappende Eris. Sofort bemerkte sie, dass Eris Haare übersät von weißgrauen Strähnen waren und auch ihr Gesicht tiefe Falten zierten.

„Das muss ich ja schon sagen, Prinzessin, das war nicht schlecht … Aber so einfach wirst du mich nicht besiegen können, dafür bist du einfach viel zu schwach.“ Schief grinste sie und lachend hob sie ihre Hand erneut über ihren Kopf. Blitzschnell nahm sie sie jedoch wieder herunter, hielt sie vor ihren Körper und zielte mit der geöffneten Handfläche auf Sailor Moon und die anderen.

Ein kräftiger Windstoß erfasste sie und wirbelte allesamt durch die Luft. Triumphierend nahm Eris die Hand herunter und Sailor Moon, Tuxedo Mask und Mamiko verloren an Höhe und schlugen, im Raum verteilt, auf dem harten Boden auf.

„Siehst du, du hast keine Chance gegen mich“, gurgelte Eris wieder.

Zitternd stellten sie sich wieder auf ihre Beine.

Sailor Moon stand ein Stück vor Tuxedo Mask und Mamiko und baute sich kämpferisch vor Eris auf.

„Da irrst du dich. Ich werde es nicht zu lassen, dass du die Erde zerstörst.“ Schwer atmend klammerte sie ihre Finger um das Zepter und konzentrierte sich. Sie wusste, dass sie nicht mehr viel Kraft hatte und sich beeilen musste.

„Bist du dir da sicher?“, spottete Eris und sah an ihr vorbei.

 

Mamiko wunderte sich über ihren seltsamen Blick und drehte sich herum. Sofort erkannte sie, was los war. „Akita! Nicht!“

Von Mamikos Aufschrei aufgeschreckt, drehte sich nun auch Sailor Moon herum.

Voller Panik riss sie ihre Augen auf. Wie in Zeitlupe lief die Szene an ihr vorbei.

Akita stürmte mit einem Schwert in der Hand auf Tuxedo Mask los, der davon nichts mitbekam.

„Mamoru! Pass auf!“, schrie sie aus Leibeskräften, doch es war zu spät. Bevor dieser überhaupt verstand, was los war, und sich umdrehen konnte, stach Akita ihm schon mit dem Schwert in den Rücken. Sie stand zu weit weg und konnte nur fassungslos zusehen, wie Akita ihm mit dem Schwert durchbohrte.

„Nein!“, schrie sie erneut und rannte los. Mit verdrehten Augen sackte er auf seine Knie und kippte dann nach hinten auf den Boden.

Auch Mamiko eilte dazu und schlug ihrem Bruder das Schwert aus der Hand. Er hatte pechschwarze Augen und sah, wie in Trance ins Leere. Mamiko packte ihm am Kragen und schüttelte ihn wie wild. „Wach auf. Sie benutzt dich. Komm wieder zu dir!“

Sie hob ihre Hand und verpasste ihrem Bruder eine kräftige Ohrfeige.

 

Verwundert schüttelte Akita daraufhin seinen Kopf. „W-w-was … wo bin ich? … Was ist hier los?“

Das letzte, woran er sich erinnern konnte, war, dass sie in dieser Einkaufspassage standen und dann zum Tokio Tower rannten. Perplex sah er seine Schwester an und dann zu dem am Boden liegenden, blutenden Tuxedo Mask, neben dem eine verzweifelte Sailor Moon saß. Immer noch mit großen Augen wanderte sein Blick an sich selbst hinunter. Nicht weit von ihm lag sein Schwert, an dem Blut klebte. Sofort zählte er eins und eins zusammen. Hatte dieses Miststück ihn schon wieder benutzt und manipuliert.

 

„Mamoru, bitte halt durch. Lass mich nicht allein“, wimmerte sie und krallte ihre Finger in den Stoff seines Anzugs.

Keuchend hustete er Blut aus und drückte krampfhaft seine Hand gegen die Stelle, an der er von dem Schwert durchbohrt wurde. „K-kümmere dich jetzt nicht um mich … D-du musst jetzt stark sein und die Erde retten … D-die anderen verlassen sich auf dich …“

„Nein, ich muss-“

„H-halt sie auf …Usako …Für … m-mich und für d-die anderen …“, flüsterte er und seine Stimme wurde dabei immer brüchiger.

Dicke Tränen kullerten ihr die Wangen herunter und zögerlich nickte sie ihm zu.

Verachtend lachte Eris hinter ihr wieder und langsam drehte sie sich zu ihr herum.

„Was deine Freunde angeht, ich glaube, da musst du dir keine Sorgen mehr machen.“

Entschlossen stand sie nun auf und sah Eris wütend an. „Und, was genau meinst du damit?“

Eris drehte ihre Hand und neben ihr bildete sich eine Art Fenster.

„Na, sieh doch selber.“

Geschockt schlug sie ihre Hände vor ihren Mund. In dem kleinen Fenster konnte sie ihre Freunde leblos am Boden liegen sehen, umzingelt von Besessenen. Sailor Mars, Sailor Merkur, Sailor Venus und alle anderen, die sie zurückgelassen hatten.

„Was … was hast du mit ihnen gemacht? Sind sie … sind sie tot … “, schluchzte sie leise.

Doch Eris lachte nur wieder auf und das Fenster verschwand.

„Und nun bist du an der Reihe, Sailor Moon, Prinzessin des weißen Mondes!“

 

Kapitel 39

 

Geschockt und unfähig sich zu bewegen, stand sie einfach nur da. Sie war schuld, dass ihre Freunde so leiden mussten. Nur weil Eris sich an ihrer Familie rächen wollte.

Stöhnend hustete Tuxedo Mask neben ihr auf, was sie aus ihrer Starre löste und so drehte sie sich wieder zu ihm. Ein weiteres Mal prustete er Blut aus und dann konnte sie nur noch sehen, wie sein Kopf zur Seite kippte.

„Nein …“, flüsterte sie, warf sie neben ihn auf ihre Knie und ungehindert liefen ihr die Tränen das Gesicht herunter. „Du darfst nicht sterben!“ Weinend schüttelte sie ihn an seinen Schultern, doch er gab kein Laut mehr von sich.

 

Verächtlich lachte Eris los und legte ihre Hand unter ihr Kinn. „Oh, die arme kleine Sailor Moon … Am Boden zerstört, schwach und nutzlos … Also jetzt machst du es mir aber viel zu einfach … Aber keine Angst, bevor ich mich mit dir befasse, muss ich mir noch etwas zurückholen, was mir gehört.“ Schief grinsend sah sie dabei zu Mamiko.

 

Augenblicklich legte Mamiko ihre Hände um das Amulett. Sie wusste sofort, was Eris von ihr wollte. Ruckartig sprang Akita los und stellte sich schützend vor seine Schwester. Keine Sekunde später stürmte Eris auch schon los.

 

Wimmernd vergrub sie ihr Gesicht in ihren Händen. Sie hatte alles verloren. Ihre Freunde, Mamoru, nichts war ihr mehr geblieben.

„Du … darfst … jetzt … nicht aufgeben“, hauchte es leise und mit einem Mal spürte sie eine Hand an ihrem Bein. Ruckartig nahm sie ihre Hände herunter und sah in Tuxedo Mask blaue Augen. Prompt beugte sie sich zu ihm herunter und schlang ihre Arme schwungvoll um seinen Hals.

„Ich dachte, du wärst …“, schluchzte sie laut und klammerte sich an ihn heran.

Bevor sie jedoch weiter sprechen konnte, krachte und dröhnte es neben den beiden.

 

Mamiko und Akita kämpften bereits im vollen Gange gegen Eris und feuerten einen Energieball nach dem anderen auf sie. Viel Erfolg hatten die beiden jedoch nicht. Eris brauchte nur mit ihren Fingern zu schnipsen und schon verpufften ihre Angriffe in der Luft.

 

Sanft legte Sailor Moon ihre Lippen auf Tuxedo Masks und gab ihm einen Kuss.

„Ich liebe dich. Ich werde es jetzt eine für alle Mal beenden.“

Rasch stand sie auf und lief los. Der Kampf hatte sich mittlerweile an die andere Ecke des Saals verschoben. Sie hatte Mamiko und Akita schon fast erreicht, als Eris eine Welle von kleinen Energiebällen auf die Geschwister schleuderte. Die beiden wichen ihnen zwar gekonnt aus, aber man merkte, wie sie immer schwächer dabei wurden.

Eris wieder angreifend, bemerkte Mamiko nicht, dass sie offenbar einen übersehen hatte, der nun kurz davor war, sie hinterrücks zu treffen. Ohne groß nachzudenken, rannte sie zu ihr, gab ihr einen kräftigen Schubs zur Seite und wurde dadurch selber an ihrer Schulter getroffen. Schmerzend zuckte sie zusammen und wankte ein paar Meter zurück.

 

Mamiko, die mit dem Bauch auf dem Boden gelandet war, drehte sich zu Sailor Moon und sah ihr durcheinander ins Gesicht. „Warum hast du das gemacht?“

Sie verstand einfach nicht, wieso sie sich schützend vor sie geworfen hatte, obwohl sie ihr die letzten Monate so viel angetan hatte. Gerade eben noch hatte ihr Bruder auch noch ihren Prinzen schwer verletzt. Sie müsste doch froh sein, wenn sie verschwinden würden. Auch Akita sah baff auf Sailor Moon. Sie half seiner Schwester trotz des Risikos selbst verletzt zu werden? Ungläubig schüttelte er seinen Kopf.

 

Schwer atmend hielt sich Sailor Moon mit einer Hand ihre Schulter fest und blickte Mamiko direkt ins Gesicht. „Ihr seid keine schlechten Menschen. Jeder verdient eine zweite Chance. Eris hat ein übles Spiel mit euch gespielt.“ Ruckartig nahm sie ihre Hand herunter und drehte sich mit geballten Fäusten zu Eris. „Und damit ist jetzt Schluss. Es reicht jetzt ein für alle Mal. Du hast die Erde und die Menschen lang genug gequält.“

Eris, die sich kaum vor Lachen noch halten konnte, zeigte auf sie, Mamiko und Akita.

„Och, was für eine tolle Ansprache. Aber was willst du oder die beiden Witzfiguren dahinten, schon gegen mich ausrichten? Du hast gesehen, wozu ich in der Lage bin.“

Ohne Eris zu antworten, schloss sie ihre Augen und hielt ihre Hände vor ihrer Brust. Ihr gesamter Körper fing an zu leuchten und zwischen ihren Händen erschien der Silberkristall. Abrupt öffnete sie wieder ihre Lider und stand nun in einem langen weißen Kleid vor den anderen. Der Kristall zwischen ihren Händen und ihr gesamter Körper leuchteten immer heller und blendeten Eris.

„Nein! Dieses Licht!“, schrie diese laut.

Entschlossen und zu allem bereit ging sie mit ernster Miene ein paar Schritte auf Eris zu.

„Nein, komm nicht näher. Sonst …“, zischte Eris.

Panisch nahm Eris ihre Hände über ihren Kopf. Augenblicklich bildete sich über ihr eine riesige Kugel, bestehend aus schwarzer Energie.

Auch sie hob nun ihre Hände über ihren Kopf und der Kristall funkelte hell auf.

„Das wird dein Ende sein, Mondprinzessin!“

Blitzschnell nahm Eris ihre Arme herunter und eine Art schwarze Säule schoss auf sie zu.

„Bitte hilf mir Silberkristall. Hilf mir, sie alle zu beschützen.“

Sie nahm ebenfalls ihre Arme herunter und zielte mit dem Silberkristall direkt auf Eris` schwarze Säule. Licht breitete sich, ausgehend von dem Kristall, aus und traf auf die schwarze Energie von Eris.

 

Fassungslos sahen Mamiko und Akita zwischen Eris und Serenity hin und her. Unfähig sich zu bewegen, beobachteten beide die Mondprinzessin, wie sie einfach, ohne zu zögern, dazu bereit war, sich für alle zu opfern. Irgendwas passierte dadurch mit ihnen. Den beiden wurde so warm ums Herz und langsam fingen sie an, Kenta zu verstehen.

 

Das helle Licht und die schwarze Energie drückten beharrlich aufeinander. Schwer atmend liefen ihr die Schweißperlen über die Stirn und sie merkte, wie sie begann zu wanken. Sofort kniff sie die Augen zusammen und konzentrierte sich mit all ihrer Kraft auf den Kristall.

„Bitte. Bitte hilf mir“, flüsterte sie und atmete tief ein.

Doch dann ertönte ein Knacken direkt vor ihr und schlagartig schlug sie ihre Lider wieder auf. Ein kleiner Riss zog sich durch den Silberkristall.

„Oh nein“, hauchte sie und sah fassungslos herauf.

Eine weitere Druckwelle erfasste sie und Eris Schwarze Magie übernahm immer mehr die Oberhand und drückte ihre weiter zurück.

 

„Lange wird sie das nicht mehr durchhalten“, murmelte Akita vor sich hin.

Serenity und das Licht des Silberkristalls wurden immer schwächer.

 

Zitternd presste sie ihre Lippen aufeinander. Sie schaffte es einfach nicht gegen Eris anzukommen. Allmählich stiegen ihr wieder die Tränen in die Augen und kullerten ihr die Wangen herunter.

„I-i-ich bin bei d-dir.“

Erschrocken zuckte sie zusammen, als sich Hände auf ihre Schultern legten.

„Mamo-chan“, hauchte sie und sah über ihre Schulter zurück.

„Du … schaffst … das“, flüsterte er in ihr Ohr, doch sie merkte sofort, dass er kaum noch sprechen konnte. Sie durfte jetzt nicht aufgeben. Sie musste ihn und alle anderen retten.

Sofort konzentrierte sie sich wieder auf den Kristall und ihre Kraft, und für einen kurzen Moment schob sie die schwarze Energie sogar wieder weiter von sich weg. Doch lange hielt es nicht an. Ein weiteres Knacken ertönte und der Riss im Kristall wurde größer. Keuchend wankte sie zurück. Hätte Tuxedo Mask sie nicht gehalten, wäre sie einfach auf ihre Knie gesackt.

„Sieh es doch endlich ein. Du hast keine Chance“, wisperte Eris.

Sie merkte, wie immer mehr Energie ihren Körper verließ. Nur unter großer Anstrengung schaffte sie es überhaupt ihre Arme hochzuhalten.

„Es … tut … mir … leid“, flüsterte sie und keine Sekunde später sanken ihre Arme mehr und mehr herunter.

 

Eris Lachen hallte durch den gesamten Raum und ließ ihn beben. Schweigend beobachtete Mamiko die Szene.

„Das war es.“ Akita ballte eine Faust und sah zu Boden.

Doch plötzlich stellte sich Mamiko entschlossen neben ihren Bruder.

„Eine Sache können wir noch tun, damit dieses Miststück endlich den Erdboden gleichgemacht wird.“

Entschlossen nahm Mamiko das Amulett zwischen ihre Finger und drehte es herum.

.„Du meinst …?

Mamiko nickte ihrem Bruder zu.

„Wenn sollten wir uns damit aber beeilen. Aber wir müssen beide dafür sein.“

Akita grinste seine Schwester an und verschränkte seine Arme vor seiner Brust.

„Naja sterben tun wir so oder so.“ Angriffslustig ballte er eine Faust. „Dann soll sie wenigstens mit uns untergehen.“

Mamiko nickte ihrem Bruder zu, riss sich das Amulett von ihrem Hals und schmiss es vor sich auf den Boden.

Eris hatte die Szene genau beobachtet und riss geschockt ihre Augen auf.

„Das wagt ihr nicht! Das würde euch selber umbringen. So dämlich könnt nicht mal ihr sein!“

Doch Mamiko und Akita grinsten ihr nur feist ins Gesicht und hoben beide einen Arm. Auch Serenity verstand jetzt, was die beiden vorhatten und versuchte, immer noch gegen Eris ankämpfend, die beiden davon abzuhalten.

„Nicht! Tut das nicht!“

Sie konnten sich doch nicht selber opfern. Sie musste sie retten. Das war sie Kenta schuldig. Sie musste wenigstens seine Geschwister retten. Doch weder Mamiko noch Akita hörten ihr zu.

„Bereit?“, fragte Mamiko.

„Bereit!“

In den Händen der beiden bildete sich jeweils ein Energieball und sie zielten damit auf das Amulett.

„War schön mit dir kleiner Bruder.“

Akita nickte seiner Schwester zu und beide feuerten den Ball auf das Amulett.

Augenblicklich zersplitterte es in Tausendteile und eine Druckwelle schoss durch den Raum, wodurch Serenity, Eris und Tuxedo Mask fast zu Boden gedrückt wurden.

„NEIN!“, schrie Eris laut und ein Zischen hallte durch den Raum. Regungslos sackten Mamiko und Akita daraufhin zusammen.

„Wie könnt ihr nur … NEIN … “, brüllte Eris erneut. Sie fing an zu torkeln und die schwarze Säule wurde immer schwächer.

Sprachlos sah Serenity auf die am Boden liegenden Geschwister. Sie bewegten sich nicht mehr.

Zitternd kniff sie ihre Augen zusammen. Sie hatte es nicht geschafft, sie zu retten.

Doch ein erneuter Schrei von Eris ließ sie wieder zurücksehen.

„Da!“, rief Tuxedo Mask hinter ihr.

Er stützte sie immer noch, so gut es ging und zeigte mit dem Finger auf Eris. Ihre Haare waren komplett weiß geworden und ihr gesamtes Aussehen hatte sich verändert.

Sie war wieder eine alte kleine Frau geworden. Der Hass und der Neid, den die Geschwister für sie gesammelt hatten und sie erblühen ließ, ging in dem Moment, als die beiden das Amulett zerstört hatten, von ihr. Sie war nur noch eine gebrechliche alte Frau.

„Jetzt oder nie!“, rief Serenity. Sofort sammelte sie noch mal all ihre Kraftreserven und ihr Licht breitete sich im gesamten Raum aus, löste die schwarze Säule auf und hüllte Eris ein. Das Licht wanderte weiter, hinaus aus dem Tower und legte sich über gesamt Tokio.

Ein ohrenbetäubendes Kreischen verließ Eris. Zitternd drückte sie ihre Hände gegen die Brust und sackte zu Boden.

„NEIN! Wie ist das möglich!“, keifte sie weiter und wurde immer durchsichtiger, bis von ihr nichts mehr übrig war und sie ganz verschwand.

„Wir haben es geschafft“, flüsterte Serenity schwach. Doch kein laut verließ Tuxedo Masks Lippen.

„Mamoru?“ Langsam drehte sie sich herum und konnte nur noch sehen, wie dieser leblos in sich zusammenfiel und auf dem Boden aufschlug. Augenblicklich war der Halt, den er ihr gab, verloren und kraftlos kippte auch sie nach hinten.

Nebeneinander lagen sie nun dort auf dem Steinboden. Unfähig ihre Arme zu bewegen, sah sie zu ihm herüber.

Ein leises Flüstern ließ sie allerdings aufhorchen und langsam drehte sie ihren Kopf zu dem Flüstern.

„I-i-ich danke dir … Prinzessin des Mondes …“, flüsterte Mamiko.

„Mamiko“, hauchte sie und Tränen bildeten sich in ihren Augen.

„Ich weiß jetzt, wovon Kenta gesprochen hat … Es t-t-tut mir l-l-leid, was wir dir angeta...“

Doch weiter sprach sie nicht. Stattdessen verdrehten sich ihre Augen und ihr Kopf kippte zur Seite. Genauso wie Kenta, begann sie und Akita sich aufzulösen.

„Mamiko …“ Ihre Tränen kullerten ihr über die Wangen und mit letzter Kraft drehte sie ihren Kopf zurück zu Tuxedo Mask.

„Mamo-chan“, wisperte sie ein letztes Mal, bevor alles um sie herum in einer tiefen Finsternis verschwamm.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

„So, ich denke, das war der Letzte.“

Aus der Puste stellte Yuichiro den Umzugskarton auf den Boden und wischte sich mit seinem Handrücken über seine Stirn.

„Mir ist es immer noch ein Rätsel, wie das alles in dein kleines Zimmer gepasst hat.“

„Vielen Dank für deine Hilfe.“ Freudig umarmte Usagi Yuichiro. Doch ein Blick hinter ihn ließ sie die Augenbrauen zusammenziehen. Schlagartig löste sie sich aus der Umarmung und verschränkte ihre Arme vor ihrer Brust. „Mamoru … Du weißt doch, dass du noch nicht schwer tragen sollst“, tadelte sie ihn.

„Entschuldige, ich konnte ihn nicht davon abhalten“, seufzte Minako hinter ihm.

Mamoru ging, mit dem Karton in den Händen, zu ihr herüber, gab ihr einen Kuss auf die Stirn und lief dann weiter in Richtung Schlafzimmer.

„Der ist doch nicht schwer. Außerdem weiß ich am Besten, was ich darf und was nicht.“ Grinsend verschwand er im Zimmer.

Schwer atmete sie aus und rieb sich mit ihrem Zeigefinger über die Schläfe. „Ärzte … Die schlimmsten Patienten, die es gibt.“

„Stimmt doch gar nicht“, räusperte sich Ami, die gerade mit Rei und Makoto die Wohnung, betreten hatte.

Einen kurzen Moment sagte keiner mehr etwas, bis dann schließlich alle laut loslachen mussten.

Mamoru kam aus dem Schlafzimmer zurück und lächelte in die Runde.

„Nicht vergessen, morgen Abend seid ihr alle hier bei uns, als Dankeschön, zum Essen eingeladen.“

Rei sah auf ihre Uhr und dann zu Yuichiro.

„Ich glaube, wir müssend dann auch. Es ist schon spät. Morgen früh kommen die Handwerker, um die restlichen Arbeiten am Tempel zu erledigen.“

 

Nach und nach verabschiedeten sich dann auch die anderen.

„Bis morgen Abend.“ Minako drückte sie und Mamoru noch mal zum Abschied und verschwand dann aus der Haustür.

 

Mamoru schloss die Tür und beobachtete, wie sich Usagi auf einen der Umzugskartons setzte und über beide Ohren grinste.

„Was gibt es denn so zu grinsen?“ Lächelnd ging er zu ihr herüber, wodurch sie aufstand, ihre Arme um seinen Oberkörper schlang und sich an ihn schmiegte.

„Ich bin einfach nur so glücklich.“ Nachdenklich senkte sie dann allerdings ihren Kopf. „Wenn ich daran denke, dass … An den Tag vor sechs Monaten …“

Sofort drückte er sie ganz fest an sich und legte seinen Kopf auf ihre Schulter.

Keiner der beiden sagte mehr etwas. Sie wussten auch so gut genug, wie sich der jeweils andere fühlte.

Eine halbe Ewigkeit standen sie einfach nur da, bis Usagi sich wieder ein Stück löste und Mamoru fragend ansah. „Verrätst du mir nun endlich, wie du es geschafft hast, dass mein Vater den Umzug zugestimmt hat?“

Grinsend beugte er sich zu ihr herunter. „Nein … Das ist mein Geheimnis.“

Sofort zog sie einen Schmollmund. „Du hast also Geheimnisse vor mir?“ Böse sah sie ihn an. Lange hielt sie es allerdings nicht aus und beide mussten lachen.

Das Telefonklingeln ließ sie sich wieder voneinander lösen.

„Gehst du bitte dran? Ist bestimmt eh für dich. Ich werde mal schnell unter Dusche springen.“

Nickend eilte sie zum Telefon.

 

Frisch geduscht und erholt verließ Mamoru das Badezimmer. Verwundert suchte er dann aber die Wohnung nach Usagi ab, bis er sie schließlich draußen auf dem Balkon fand.

An die Balkonbrüstung gelehnt, sah sie nachdenklich in den sternklaren Himmel herauf.

„Worüber denkst du nach?“

Kurz sah sie über ihre Schulter zu ihm, wandte ihren Blick jedoch wieder ab und schaute hinauf in den Sternenhimmel.

„Glaubst du, … glaubst du, wir werden sie irgendwann wiedersehen?“

Er wusste sofort, von wem sie sprach. Schnell stellte er sich neben sie, legte seine Händen auf das Geländer und sah auch hinauf in den Himmel.

„Ich denke, wenn das Schicksal es so will, werden wir sie bestimmt eines Tages wiedersehen.“

Beide drehten sich nun zueinander und sahen sich in die Augen. Usagi griff nach seinem Shirt und zog ihn damit näher an sich heran. Sie stellte sich auf ihre Zehenspitzen, wodurch er sich nun zu ihr herunterbeugte und seine Lippen sanft auf ihre legte. Sofort versanken sie in einem leidenschaftlichen Kuss.

 

Sie bemerkten dadurch nicht, wie vier helle Sternschnuppen am Firmament vorbei zogen.

 



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Kommentare zu dieser Fanfic (69)
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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  KagomeKizu
2018-10-21T11:20:15+00:00 21.10.2018 13:20
Das Kapitel hast du wieder toll umgesetzt man konnte sich richtig hineinversetzen in den Ort bzw. die Hütte.
Arme Usagi hoffentlich wird sie bald gefunden.
Antwort von:  Fiamma
23.10.2018 13:57
Huhu,
vielen Dank für deinen Kommi :)
Freut ich sehr, dass man sich alles vorstellen konnte :)
Ob sie bald gefunden wird, verrate ich natürlich nicht^^

Liebe Grüße :)
Von:  KagomeKizu
2018-10-14T15:23:48+00:00 14.10.2018 17:23
Arme Usagi was sie alles durchmachen muss.
(Ich glaube ich habe diese Story schon einmal gelesen, aber ich kann mich auch täuschen.)

Ich werde einfach weiterlesen und mich überraschen lassen.
Glg Kago
Antwort von:  Fiamma
21.10.2018 12:05
Und auch hier vielen Dank fürs Kommi :)
Das kann gut sein, das war meine erst FF, die ich geschrieben habe, und nach fast 3 Jahren, da ich mich doch etwas verändert habe im Schreiben und mir diese sehr am Herzen liegt, habe ich sie einer Generalüberholung überzogen xD :)
Liebe Grüße :)
Von:  KagomeKizu
2018-10-14T15:07:15+00:00 14.10.2018 17:07
Oh wie schön wieder von dir zu „lesen“. 😊
Freue mich riesig das es wieder was „neues“ von dir gibt.
Ich werde mich gleich auf die nachfolgenden Kapitel stürzen.

Es war auf jedenfall ein toller und interessanter Anfang, bin schon gespannt wer Usagi da „geschubst“ hat und welche neuen Feinde auf die Sailor Krieger warten.

Glg Kago
Antwort von:  Fiamma
21.10.2018 12:02
Huhu,
bitte entschuldige die späte Antwort. Bin zurzeit etwas im Stress :/
Vielen Dank aber auf jeden Fall für deinen Kommi :)

Freut mich sehr, hier von dir zu lesen :)
Von:  Onlyknow3
2018-08-03T13:53:41+00:00 03.08.2018 15:53
Ein schönes Ende für die beiden. Bin leider erst heute dazu gekommen zu lesen.
Mir gefällt die Geschichte, weiter so freue mich auf was neues.

LG
Onlyknow3
Antwort von:  Fiamma
21.10.2018 12:06
Huhu, bitte entschuldige die späte Antwort. Bin leider etwas im Stress zurzeit :/

Freut mich sehr, dass dir das Ende gefallen hat :)

Liebe Grüße :)
Von:  Onlyknow3
2018-07-10T14:39:15+00:00 10.07.2018 16:39
Wieder ein tolles Kapitel, sehr spannend geschrieben.
Weiter so, freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3
Antwort von:  Fiamma
22.07.2018 18:43
Huhu,
vielen Dank für deinen Kommi und bitte entschuldige die späte Antwort :/ Ich war leider ein wenig im Stress :/

Freut mich, dass es dir gefallen hat :) Heute geht es dann auch endlich weiter ^^

Liebe Grüße^^
Von:  Onlyknow3
2018-07-06T20:07:20+00:00 06.07.2018 22:07
Bleibt zu hoffen das sie wirklich da oben ist, und sie Eris da oben auch vernichten können.
Ob Mamiko und Akita ihnen wirklich helfen? Das bleibt abzuwarten.
Jetzt bin ich neugierig was als nächstes Passiert.
Weiter so, freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3
Antwort von:  Fiamma
09.07.2018 17:38
Huhu,
vielen Dank für deinen Kommi :)
Das ist die große Frage °-° :)

Nachdem am Wochenende keine Zeit hatte, gehts nun aber gleich weiter ^^

Liebe Grüße :)
Von:  G-Saite
2018-07-05T17:36:49+00:00 05.07.2018 19:36
Wäre zu verhindern gewesen. Nun muss sich halt Kenta opfern. Pfffff!
Aber den Katzen gehts gut, oder?
Antwort von:  Fiamma
06.07.2018 15:56
Ja, das wäre es :/ Ob Kenta sich opfert oder nicht, tja mal sehen :P ^^

Den Katzen geht es gut XD

Vielen Dank für deine Kommis :)

Liebe Grüße :)
Von:  G-Saite
2018-07-05T17:17:55+00:00 05.07.2018 19:17
Ja. Ok. Nervig war sie ja schon immer. Aber den Katzen gehts immerhin gut.
Antwort von:  Fiamma
06.07.2018 15:55
Wen meinst du?
Von:  G-Saite
2018-07-05T17:07:59+00:00 05.07.2018 19:07
Ah, wieder Essen!

Ich musste unwillkürlich an die Folge denken, in der Minako Krankenschwester gespielt hat...
Antwort von:  Fiamma
06.07.2018 15:55
Das Essen *g*

Ja, stimmt, ich jetzt auch XD
Von:  Onlyknow3
2018-07-05T17:06:57+00:00 05.07.2018 19:06
Wieder ein Cliffhanger, wieder an der richtigen Stelle. Und nein, ich glaube nicht das unsere Bunny,Usagi, Sailor Moon stirbt.
Hoffe ich habe recht, und Mamoru verliert seine Usako nicht wieder, oder für immer.
Weiter so, freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3
Antwort von:  Fiamma
06.07.2018 15:54
Huhu,
vielen Dank für deinen Kommi :)
Ja, da ist wieder einer XD :) Ob sie stirbt oder nicht, wird natürlich nicht verraten :) Aber lade gleich das nächste Kapitel hoch ^^

Liebe Grüße :)


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