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Mord-Semester

Magister Magicae 3
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Sooo, das letzte Kapitel 11 (ehemals "untot") musste ich leider wieder löschen, weil mir da ein Fehler passiert war. Aufhocker und allgemein so untote Viecher mit Wiedergänger-Tendenz gibt es in Salix Schutzbestien-Universum gar nicht. Also kann Victor so einen auch nicht jagen. Aber da bin ich jetzt auch nicht böse drüber, denn da ich das Kapitel nochmal neu aufziehen musste, konnte ich einen neuen Spielgefährten jetzt schon in die Handlung mit einbauen. ^_^ Komplett anzeigen

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Technik

In der Annahme, daß die Lastwagen der Post von einem Verteilzentrum zum anderen wohl den kürzesten Weg wählen würden, entschied sich Victor für eben diesen. Die schnellste Strecke nach Twer führte über die Autobahn. Zumindest unter normalen Umständen. Heute würde es wohl nicht bei den üblichen 3 Stunden bleiben, denn er saß gerade in einem satten Stau fest. Genervt hatte er den Ellenbogen in den Fensterrahmen und den Kopf in die Hand gestützt und trommelte mit den Fingern der freien Hand auf dem Lenkrad herum, während es im Standgas mühsam vorwärts ging. Das mit dem 'pedal to the metal', um den Pakettransporter eventuell einzuholen, konnte er sich auf diese Weise abschminken. Er hörte auf, das Lenkrad zu bearbeiten und kramte stattdessen in seiner Ablage nach dem Handy. Bei geschätzten 5 km/h musste er ja keine Hand am Lenkrad lassen. Ein Blick auf den Bildschirm sagte ihm, daß er total unwichtig war. Keiner wollte was von ihm. Nur die Uhrzeit war schon fortgeschrittener als er sich gewünscht hätte. Also warf er das Telefon schwungvoll wieder ins Handschuhfach zurück.

Irgendwann kamen Ende und Ursache des Staus in Sicht. Victor merkte auf. Da stand ein LKW auf der linken Fahrbahn quer, augenscheinlich in die Mittelleitplanke geprallt, so daß sich der Verkehr auf der rechten Spur bündeln musste. Die tief dunkelblaue Farbe war unverkennbar. Das war ein Laster der Poschta Rossia, der russischen Post. Victor beschlich ein akuter Verdacht, was hier Phase war. Der Wagen war nicht zufällig verunglückt. Genauso wenig wie das abgefackelte Paketzentrum, von dem er gerade kam. Langsam fragte er sich wirklich, was in diesem Paket drin sein konnte, daß andere Leute so radikal vorgingen, um es in die Finger zu kriegen.

Statt sich rechts mit einzureihen und vorbei zu fahren, ließ er sein Auto direkt hinter dem LKW stehen und stieg aus. Polizei und Krankenwagen waren noch nicht da. Der Fahrer lag mit einer Platzwunde am Kopf und bewusstlos auf der Straße. Jemand hatte ihn schon heraus geholt und leistete gerade Erste Hilfe, ein anderer stand daneben und telefonierte. Und außerdem sah Victor hinten ein Paket in hohem Bogen aus den offenen Türen des Anhängers fliegen. Statt sich mit um den Fahrer oder die Sicherung des Unfallsortes zu kümmern, plünderte dort jemand die Lieferung. Da der Fahrer gut versorgt schien, stürzte sich der junge Gestaltwandler auf den Anhänger. Dem nächsten Paket, das schon auf die Fahrbahn gesegelt kam, musste er fast ausweichen. Der Mann da drin störte sich offensichtlich überhaupt nicht daran, den Straßenverkehr an dieser ohnehin schon brisanten Stelle noch weiter zu gefährden, indem er Sachen auf die Straße warf. Er nahm gerade ein weiteres Paket, schaute kurz auf die Anschrift des Empfängers und beförderte es dann ebenfalls nach draußen. Nicht das Paket, das er suchte.

„He, was tun Sie da?“, wollte Victor böse wissen.

Der Kerl fuhr herum und funkelte ihn aggressiv an. Er hatte ein unrasiertes, aufgedunsenes Gesicht. „Halt´s Maul und verpiss dich!“

„Ich hab gefragt, was Sie da machen!“, beharrte Victor und kletterte mit in den Auflieger hinein. Die Türen standen ja einladend offen.

„Und ich sagte: Verpiss dich!“, kläffte der Mann. Er hatte plötzlich eine Pistole in der Hand, die er auf Victor richtete.

Der Gestaltwandler hob erschrocken die Hände. Damit hatte er nicht gerechnet. Ihm kam seine eigene Waffe in den Sinn, die noch im Auto lag. Die hatte er während der Fahrt abgelegt, weil es echt unangenehm war, sie die ganze Zeit im Rücken stecken zu haben. Wieso hatte er sie nur im Auto liegen lassen, als er ausgestiegen war? „Komm schon, Kumpel, du willst doch keinen Ärger, oder?“, laberte er los, um den Mann bei Laune zu halten. Dabei überlegte er fieberhaft, ob er auf die Schnelle einen Bann oder Fluch wusste, der bei einer Waffe Ladehemmung verursachte. Ihm fiel keiner ein. Also setzte er das auf seine gedankliche to-do-Liste, für den Fall, daß er das hier überlebte. In seinem Gewerbe war sowas sicher lohnend zu wissen.

„Beweg deinen Arsch hier raus!“, fluchte der Paketräuber und fuchtelte wild mit seiner Knarre herum, um Victor zu vertreiben.

Der blieb aber, scheinbar eingeschüchtert, wo er war. „Schon gut! ... Ich ... ich könnte dir suchen helfen“, blöffte er und grübelte insgeheim weiter. Selbst sein Paralyse-Fluch, der ihm vorhin bei der Chimäre schon so gute Dienste geleistet hatte, war ihm hier zu heikel. Erstens war das Handzeichen-Magie, was bedeutete, daß er sich dafür bewegen musste. Und zu ausladende Bewegungen provozierten den Kerl wohlmöglich zum Abdrücken. Andererseits paralysierte dieser Fluch einen auch nicht komplett. Ein paar winzige, langsamere Mikrobewegungen bekam man schon noch hin, unter anderem damit dem Betroffenen die Atmung nicht versagte. Der eine Zentimeter im Zeigefinger, den es brauchte, um den Abzug zu drücken, war da wohlmöglich noch drin.

„Du ...!!!“ Der Kerl machte wütend einen Schritt auf Victor zu und hob die Pistole um eine Winzigkeit.

Victor war sicher, daß er in diesem Moment abdrücken würde, und reagierte reflexartig. Er nahm die Gestalt eines Insektes an, so daß eine eventuelle Kugel ihr plötzlich viel kleineres Ziel weit verfehlen würde, stürzte sich wie ein Miniatur-Kamikaze-Flieger auf das Gesicht des Mannes, um ihn ins Straucheln zu bringen, und verwandelte sich dort wieder in seine menschliche Form. Das plötzliche Gewicht des jungen Gestaltwandlers, so zierlich der auch sein mochte, riss den Mann nieder und begrub ihn fast unter sich. In einem Knäuel aus Armen und Beinen gingen sie beide zwischen den vielen Paketen zu Boden. Victor, der auf die Situation gefasst gewesen war, wurde schneller wieder Herr der Lage und entwand dem Fremden die Waffe, ehe dieser sich versah. Erleichtert atmete er durch, als er nun derjenige war, der eine Pistole auf einen anderen richtete. „So, Kollege. Jetzt nochmal von vorn“, keuchte er etwas atemlos. „Wer bist du?“

Der Paketräuber rieb sich eine schmerzhaft angestoßene Stelle am Hinterkopf und nannte ihm sauer aber machtlos seinen Namen, den Victor aber direkt wieder vergaß, weil es ihn ohnehin nicht interessierte.

„Und was suchst du?“

„Ein Paket.“

„Ach was!“, machte der Motus-Vize zynisch. „Im Auflieger eines Postwagens? Ehrlich? Und an wen?“

„Wozu willst du das wissen?“

„Weil ich vermutlich hinter dem gleichen Paket her bin und jetzt gern mal wüsste, warum eigentlich.“

Der Mann musterte ihn ungläubig von oben bis unten. Er wusste sichtlich nicht, was er von dieser Aussage halten sollte. „Ein Paket an Nischni Petrov, einen Typen von der Mordkommission in Twer.“

„Hundert Punkte. Verrätst du mir, was in dem Paket drin ist?“

„Beweismaterial. Ich weiß es auch nicht so genau. Ich weiß nur, daß er´s besser nicht bekommen sollte.“

Victor nickte verstehend. Der hatte vermutlich mit seinem neuen Verfahren zur Spurensicherung einen Mord aufgedeckt, zu dem es keine Leiche mehr gab, und brauchte nun noch Beweise dafür. Andere Beweise, die es ihm erlaubten, auch ohne Leiche glaubhaft zu machen, daß sein neues Verfahren zweifelsfrei funktionierte. „Du hast Recht. Sorgen wir dafür, daß er´s nicht in die Finger kriegt“, entschied er, wechselte die Pistole in die linke Hand und hob einen Kugelschreiber wieder auf, den er bei seiner Verwandlung verloren hatte. Damit malte er seinen alterprobten Detektor-Zauber auf irgendein wahlloses Paket, dessen Karton ihm genug Platz dafür bot. „War die Chimäre im Verteilerzentrum deine Komplizin?“, wollte er nebenbei wissen.

„Eine Chimäre? Nein. Ich arbeite alleine. Waren etwa noch mehr Leute hinter diesem Paket her?“

„Darauf kannst du wetten.“ Das Paket drehte sich, als er fertig war, und richtete das aufgezeichnete Symbol auf das Päckchen aus, das er suchte. Dennoch dauerte es einen Moment, bis Victor in dem ganzen Chaos hier das richtige entdeckte. Das vollgemalte Paket, das ihm als Detektor gedient hatte, nahm er ebenfalls mit. Er wollte ja keine Spuren hier hinterlassen. Ob nun eins mehr oder weniger fehlte, machte jetzt auch nichts mehr. Zufrieden sprang er aus dem LKW-Anhänger, ließ die fremde Pistole auf der Kante der Ladefläche liegen, und spazierte in Ruhe zu seinem Auto zurück, um sich wieder in den Verkehr einzureihen und zu verduften.
 

„Victor!“, jubelte Vladislav theatralisch. „Das hat ja lange gedauert. Ich dachte schon, du hättest mein Paket bis in die USA verfolgt.“

Victor pfefferte ihm etwas muffelig die nach wie vor original verpackte Sendung auf den Tisch. Er hatte ja inzwischen eine ungefähre Ahnung von deren Inhalt, also kein Grund, neugierig zu sein. „Hättest mir ja ruhig mal sagen können, daß noch mehr Leute hinter dem Ding her sind, Mann!“

Vladislav hob kurz gleichgültig die Schultern. „Du bist mein Vize und einer meiner besten Männer. Denkst du wirklich, ich hätte dich auf ein stupides Postpaket angesetzt, wenn ich keine Komplikationen erwartet hätte? Wenn die Sache so einfach gewesen wäre, hätte ich auch jeden anderen Drops losschicken können. Für dich hätte ich im Zweifelsfall beileibe wichtigere Aufgaben gehabt.“

„Warne mich das nächste Mal gefälligst vor, sonst gibt´s Ärger. Wenn du mich umbringen willst, kannst du das einfacher haben.“

Vladislav fischte einen Zettel von seinem Schreibtisch und hielt ihn seinem Vize auffordernd hin. „Hier, halt die Klappe und nimm!“

„Schwarze Liste?“, wollte der lustlos wissen. Das graue Papier kannte er schon. Es sah aus wie recyceltes Öko-Papier, bekam seine Farbe aber durch magische Behandlung, damit es nicht aus der Ferne von Hellsehern ausgelesen werden konnte. Mordaufträge wurden immer auf solchem Papier gedruckt. Auf der schwarzen Liste der Motus standen die Arten, die rigeros getötet wurden, wenn man sie fand. Mordaufträge waren in 99% der Fälle Genii, die auf der schwarzen Liste standen. Nur ganz selten mal einer der eigenen Männer, der sich Vladislavs Vertrauen verspielt hatte.

„Nein, heute mal blaue Liste.“

„Blau!?“, wiederholte Victor überrascht und nahm den Zettel daraufhin eine ganze Ecke bereitwilliger entgegen, um ihn sich anzusehen. Auf der blauen Liste standen die Viecher, die mit den Menschen auch nichts Gutes im Schilde führten, aber so schwach waren, daß man sie mit Bann-Marken versklaven und verkaufen konnte.

„Es gab eine konkrete Nachfrage. Da will jemand eine Rotkappe haben.“

„Wozu?“

„Als Söldner und Komplize für Organhandel. Rotkappen jagen liebend gern Menschen und töten sie, ohne zu große Schäden am Körper anzurichten. Im Gegensatz zu Werwölfen beispielsweise, die ihre Opfer komplett zerlegen und in der Luft zerreißen. Die Opfer von Werwölfen sind zu nichts mehr zu verwenden. Der Kunde will davon profitieren, daß Rotkappen ihre Opfer halbwegs in einem Stück lassen, und will die Opfer dann in Einzelteilen verkaufen.“

„Wie krank ist das denn?“, echauffierte sich Victor angewidert. Er hatte ja inzwischen schon viele linke Sachen erlebt, seit er bei der Motus war. Aber das war nochmal eine ganze Ecke härter als alles, was er bisher kannte. „Ist Organhandel nicht verboten?“

„Victor, ich bitte dich! Für wen arbeitest du denn? Natürlich ist es verboten.“

„Ja. Dumme Frage, tut mir leid. Ich mach mich schlau, wo ich so ein Vieh finde. Das wird schwierig. Die gibt es eigentlich nur in Großbritannien. Hier bei uns in Russland dürfte es schwer werden, eine zu finden. Im Notfall muss ich nach England.“

„Frag doch mal Artjom, der hat Zugriff auf´s Meldewesen“, schlug Vladislav vor.

„Wer ist Artjom?“

„Kennst du ihn noch nicht? Dann wird es Zeit, mein Lieber. Artjom ist einer meiner wichtigsten Leute. Ein Computer-Hacker. Es gibt kaum ein Netzwerk, in das er nicht rein kommt. Ein nützlicher Informationsbeschaffer. Er macht auch die falschen Pässe.“

„Wie praktisch.“

„Kennst du die Schrotthalde draußen hinter dem alten Güterbahnhof?“

„Ja!?“

„Dort findest du ihn. Er hat seinen ganzen Technik-Kram in einem alten Wohncontainer, der da rumsteht. Damit er nicht gefunden wird, falls seine Aktivitäten mal zurückverfolgt und geortet werden.“

„Super, dann frag ich ihn mal, ob er rauskriegt, wo hier bei uns Rotkappen amtlich registriert sind.“

„Tu das. Die Kontaktdaten von dem Interessenten stehen drauf“, meinte Vladislav mit Fingerzeig auf den schriftlichen Auftrag. „Frag ihn vorher, wieviel er zahlen will, bevor du dir die Mühe machst, eine Rotkappe lebend zu fangen.“

Victor schaute irritiert auf. „Wieviel soll ich denn verlangen?“

„Das überlasse ich dir. Es sollte dir nur das Risiko wert sein. Sie sind rein optisch nur kleine Kobolde, aber glaub mir, diese Biester sind tückisch. Sie sind schwer zu töten und noch schwerer zu fangen. Nimm den Auftrag nicht auf die leichte Schulter.“

„... mir das Risiko wert sein“, meinte der Vize abwertend. „Ist ja nicht so, als ob ich was von dem Geld hätte. Das kriegst ja du.“

„Ich bezahl dich ja auch für deine Arbeit, oder nicht?“

„Über die Bezahlung könnten wir gelegentlich nochmal reden, jetzt wo du´s sagst!“

„Raus hier!“, verlangte Vladislav aufbrausend und wies ihm die Tür. Sowas Vorlautes! Das konnte er vielleicht leiden!

Victor lachte erheitert und verkrümelte sich.
 

Victor ließ den Blick über die Eisenteile, verrosteten Autokarossen und sonstigen Schrott schweifen, die hier in Bergen aufgeschüttet oder zu Türmen gestapelt waren. Dann spazierte er auf den Wohncontainer zu, der wie ein Pförtner-Häuschen mitten in dem ganzen Chaos stand. Der Schrottplatz schien bewirtschaftet zu werden. Es gab einen Parkplatz für Besucher und eine Werbetafel mit der Telefonnummer und einem Angebot für Hol- und Bringservice, falls man hier Schrott kaufen oder verkaufen wollte. Neben dem Container stand auch ein Schrott-LKW. Artjom war also im echten Leben Schrotthändler, wenn er nicht gerade für die Motus Pässe fälschte oder Datenbanken hackte. Victor klopfte und trat ein.

Drinnen saß ein freundlich aussehender Mann mit Pausbacken und Stirnglatze. „Hi. Wer bist du denn?“, wollte er fröhlich wissen und biss in einen Donut. „Kann ich helfen?“, legte er mit vollem Mund noch nach.

„Ich bin Victor Akomowarov.“

Dem Technik-Freak schlief das Gesicht ein. „Himmel, du bist der Vize? Sorry, das wusste ich nicht. Ich kannte dein Gesicht bisher noch gar nicht.“

„Nein, ist nicht so schlimm.“

„Wie kann ich denn helfen, Boss?“, wollte er diensteifrig wissen und legte sein angeknabbertes Gebäck zur Seite.

„Also, zum einen brauche ich mal eine Auskunft. Ich suche Rotkappen in Moskau oder wenigstens Russland. Der Boss sagt, du könntest ins Einwohnermeldewesen schauen.“

„Ja, das krieg ich hin.“ Er wandte sich euphorisch seinem Computer zu. „Setz dich, setz dich, das dauert eine Weile.“

Victor suchte sich einen Sitzplatz in der schmierigen, unordentlichen Baracke und vertrieb sich die Zeit damit, sich in dem Durcheinander umzusehen. „Hast du auch Zugriff auf die MaMa-Datenbank?“, plauderte er irgendwann weiter.

„Die Magister Magicae Datenbank? Ja, schon. Also ich meine, ich kann mir den Zugang verschaffen, wenn ich ihn brauchen sollte. Der ist nicht ganz leicht zu hacken, aber wäre nicht das erste Mal.“

„Du musst einen Datensatz für mich überschreiben.“

Artjom verzog skeptisch die Augenbrauen. „Ja?“

„Ich bin in dieser Datenbank eingetragen. Ich habe einen Magister Magicae und ...“

„Stop!“, ging der Techniker mit hochschnellender Hand dazwischen. „Willst du mir hier gerade vermitteln, daß 'Victor Akomowarov' nicht dein echter Name ist und du deine wahre Identität gern löschen würdest?“

„Richtig.“

„Vergiss es! Das mach ich dir nicht!“

„Wieso denn nicht?“, fragte Victor verwundert nach. „Urkundenfälschung ist doch hier Tagesgeschäft.“

„Sicher, aber du bist mir ein zu hohes Tier! Ich will gar nicht wissen, wie der echte Name von unserem Vize-Chef lautet. Und wenn ich in dieser Datenbank nach deinem echten Namen suchen soll, um ihn zu überschreiben, dann weiß ich ihn! An diesem Wissen hätten mir zuviele Leute ein berechtigtes Interesse. Ich hab keine Lust, das Opfer von Folter oder Erpressung zu werden, weil jemand der Meinung ist, ich könnte ihm deinen echten Namen sagen. Am Ende knallst du mich noch eigenhändig ab, wenn ich mit der Arbeit fertig bin, damit ich ihn keinem mehr sagen kann! Nee, danke, damit will ich nichts zu schaffen haben. Das ist mir zu riskant.“

„Nagut, dann lass mich wenigstens an deinen PC und erklär mir, wie ich in die Datenbank reinkomme, damit ich die Daten selber überschreiben kann.“

„Geht nicht. Zu kompliziert für einen, der da kein gelernter Fachmann ist.“

Victor verschränkte unzufrieden die Arme vor der Brust und überlegte, was es noch für Möglichkeiten geben könnte.

Artjom beäugte den jungen Gestaltwandler abwägend. „Das ist dir wirklich wichtig, hm? ... Gut, hör zu, komm wieder, wenn du einen guten, irreversiblen Gedächtnis-Löschzauber drauf hast. Wenn du mir garantieren kannst, daß ich deinen Name vergesse und er mir auch nie wieder einfallen wird, dann mach ich´s dir.“

Victor lächelte glücklich. „Das ist ein Deal. So machen wir es. Vielen Dank.“

Der Mann nickte ernst. Dann konzentrierte er sich wieder auf seinen Bildschirm und tippte flink eine Menge Sachen ein. Irgendwann zog er ein unzufriedenes Gesicht. „Also es gibt in ganz Russland drei amtlich registrierte Rotkappen. Einwanderer mit englischer Staatsbürgerschaft. Der Versuch, eine von denen zu finden, ist ziemlich aussichtslos, wenn du mich fragst.“

Victor seufzte. Das hatte er sich fast gedacht. „Na schön, dann muss ich mir doch eine aus England holen, das ist wohl wirklich einfacher. Kannst du mir helfen, sie über die Grenze zu bringen?“

„Du meinst mit einem Reisepass, der durchgeht? Sicher.“

„Danke.“

„Was willst du mit einer lebenden Rotkappe? Die stehen doch auf der schwarzen Liste und werden sofort gemeuchelt, dachte ich“, wollte Artjom wissen und griff wieder nach seinem angebissenen Donut.

„Ein Auftrag für den Sklavenmarkt. Da will jemand eine haben.“

„Es wurde schon oft versucht, Rotkappen mit Bann-Marken unter Kontrolle zu halten. Meistens ist es schiefgegangen. Das sind ziemlich arglistige Dinger.“

„Ich weiß. Aber das ist nicht mehr mein Problem, wenn ich sie abgeliefert habe.“

Der Hacker schob sich nur mit einem Brummen den Rest seines Essens in den Mund.

„Okay, dann bis später. Ich setz mich in die Bibliothek und komm dieser Tage mal wieder rum, wenn ich so einen Gedächtnis-Löschzauber gefunden habe.“ Victor deutete ein verabschiedendes Winken an und machte sich wieder auf den Weg. Den Einfall fand er gut. Iwan, der LKW-Fahrer von Lager D, und sein Genius Petr, kannten ihn auch noch als 'Kolja'. Das war zwar nicht so schlimm wie sein kompletter, echter Name, aber nichts desto trotz wussten die beiden immerhin, daß er eigentlich nicht Victor Akomowarov hieß. Mit den zweien musste er sich also früher oder später auch noch was einfallen lassen. Der Nikolai, der er früher gewesen war, war tot. Er musste aus den Köpfen der Leute verschwinden, egal wie.

„Ja, bis später. ... He, weißt du, was der Unterschied ist, zwischen Vladislav und dir?“, rief Artjom ihm nach.

Der Vize blieb in der Tür nochmal stehen und sah fragend zurück.

„Vladislav hätte mir jetzt eine Knarre an den Hinterkopf gehalten und mich gezwungen, seinen Namen in der MaMa-Datenbank gefälligst zu überschreiben.“

„Wäre dir das denn lieber?“, hakte Victor grinsend nach.

„Gott, nein!“

„Ich kann Freunde noch von Feinden unterscheiden. DAS ist der Unterschied zwischen Vladislav und mir“, klärte Victor ihn auf. Dann ging er.



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