Ende
Es war, als würde das Wetter draußen ihre Stimmung widerspiegeln und die Wut, die sie aufeinander hatten, nur noch anfachen. Der Wind ließ den Regen gegen das Fenster peitschen, sodass man kaum sein eigenes Wort verstand.
„Es ist immer das Gleiche! Jedes Mal!“, warf Mimi ihm vor und ließ das Geschirrtuch achtlos auf den Tisch fallen. „Immer, wenn irgendein wichtiges Ereignis ansteht, redest du dich raus, weil wieder irgendwas mit Fußball ist.“
„Irgendwas mit Fußball?“, wiederholte Taichi ihre Worte entgeistert. „Entschuldige mal, es geht bei dem Spiel um den Aufstieg, das habe ich doch schon gesagt. Die Mannschaft braucht mich, ich kann da nicht fehlen.“
„Die Mannschaft, wenn ich das schon höre!“ Sie schnaubte verächtlich. „Und was ist mit mir? Ich brauche dich vielleicht auch.“
„Aber wozu denn?“, erwiderte er verständnislos und breitete die Arme aus. „Es ist doch deine Familie, nicht meine. Du hast doch da genügend Leute.“
Mimis Augenbraue zuckte gefährlich. „Ist das gerade dein Ernst?“
Er zögerte, trat einen Schritt zurück, wohl wissend, etwas Falsches gesagt zu haben. „Naja, ich meine doch nur…“
„Ja, mein Cousin heiratet, richtig. Es ist meine Familie und nur meine Familie wird dort anwesend sein und ich habe genug Leute um mich herum, ja. Du hast vollkommen Recht, Taichi. Was bin ich nur für ein selbstsüchtiges, egozentrisches Ding, dass ich gern meinen Freund dabei haben wollte? Manchmal weiß ich wirklich nicht, was gerade in mich gefahren ist!“, fauchte sie, bevor er sich erklären konnte.
„Mimi, warum verstehst du mich nicht? Wir können…“
„Weil es immer nur um Fußball geht und ich einfach nicht verstehe, wie dir dieser bescheuerte Sport wichtiger sein kann als ich!“, rief sie aufgebracht.
„Lässt du mich vielleicht mal ausreden?“ Auch Taichi wurde nun lauter, verlor allmählich die Geduld. Feindselig starrte Mimi ihn an und verschränkte abwartend die Arme vor der Brust, obwohl sie eigentlich gar nicht hören wollte, was er zu sagen hatte. „Kannst du mal versuchen, dich in meine Lage hineinzuversetzen? Falls ich nicht dabei bin und wir das Spiel nicht gewinnen, werde ich mir auf ewig die Schuld dafür geben. Es ist wirklich wichtig für mich, dort dabei zu sein. Ich kann doch nach dem Spiel zur Hochzeit kommen.“
„Wow, nach dem Spiel. Dann wärst du frühestens um acht da und wenn ihr verliert, weiß ich auch ganz genau, was für eine Laune du den Rest des Abends haben wirst. Dann brauchst du auch gar nicht zu kommen!“, entgegnete sie schnippisch.
„Oh, bitte, fang‘ gar nicht erst damit an“, erwiderte er und sah sie genervt an.
„Womit soll ich nicht anfangen?“
„Mich schon vor dem eigentlichen Tag wie den letzten Trottel hinzustellen, ohne zu wissen, wie es sein wird!“
„Meine Erfahrung sagt mir, dass es ganz genau so sein wird! Die letzten vier Jahre unserer Beziehung haben mir gezeigt, dass deine täglichen Launen hauptsächlich vom Fußball abhängen, egal, ob du selbst spielst oder nur deinem blöden F.C. Tokyo zusiehst!“
„Fußball ist nun mal mein Hobby, das habe ich dir schon tausend Mal gesagt! Du hast…“
„Ein Hobby ist dazu da, um zu entspannen und sich ein bisschen die Zeit zu vertreiben und nicht, um dein Leben zu bestimmen! Das ist bei dir kein Hobby mehr, sondern eine Sucht!“
„Dir geht es überhaupt nicht um diese bescheuerte Hochzeit, oder? Du suchst nur mal wieder einen Grund, meine Fußballleidenschaft zu kritisieren!“
„Du tust ja gerade so, als würde ich dich immer nur kritisieren wollen!“
Inzwischen redete keiner der beiden mehr in einem ruhigen Tonfall, sodass sicher auch ihre Nachbarn schon mitbekamen, dass die Fetzen flogen. Bis vor ein paar Minuten hatten sie noch gemeinsam die Küche aufgeräumt und nun warfen sie sich gegenseitig Anschuldigungen an den Kopf.
„Genau das tust du ja auch!“, rief Taichi ungeduldig. „Ich habe das Gefühl, du bist andauernd damit beschäftigt, auf eine Gelegenheit zu warten, mir mal wieder meine angebliche Fußballsucht vorzuwerfen und…“
„Dann verhalte dich doch einfach nicht so, als wärst du süchtig!“
„Hörst du endlich auf, mich ständig zu unterbrechen, wenn ich etwas sagen will?!“, rief er nun und klang dabei so wütend, dass Mimi erschrocken zusammenzuckte. „Wieso kannst du nicht wenigstens einmal versuchen, mich zu verstehen?“
„Ich habe es mehr als einmal versucht, aber für solchen Schwachsinn will ich gar kein Verständnis haben!“, feuerte Mimi zurück.
„Schwachsinn?“
„Du versuchst auch nie, mich zu verstehen! Ich will auch nicht ständig überall allein hingehen, nur weil du mal wieder wegen Fußball unterwegs bist! Ich hab‘ darauf echt keine Lust mehr!“
„Du könntest auch einfach mal mitkommen, wenn ich ein Spiel habe, das übrigens nur neunzig Minuten dauert, falls dir das nicht aufgefallen ist! Wann warst du das letzte Mal bei einem Spiel dabei, das mir wichtig war? Kannst du dich überhaupt noch erinnern?“
Einen Augenblick überlegte Mimi. Sie konnte sich tatsächlich nicht mehr erinnern, wann das gewesen war.
„Siehst du! Du interessierst dich anscheinend genauso wenig für mich, wie ich mich deiner Meinung nach für dich interessiere! Wie kannst du es dann also wagen, mir genau das vorzuwerfen, wenn du kein Stück besser bist?“
„Du willst es einfach nicht einsehen, oder? Du bist so ein unglaublicher Dickschädel, dass ich ausrasten könnte, wenn ich dich nur ansehe!“
„Dass diese Worte ausgerechnet aus deinem Mund kommen!“, spottete Taichi und wandte sich von ihr ab.
„Kehrst du mir jetzt den Rücken zu, weil dir die Argumente ausgehen, Mister Ich-stelle-Fußball-über-meine-eigene-Freundin-und-gebe-es-noch-nicht-mal-zu Yagami?“
„Du hörst mir überhaupt nicht zu, oder?“, rief Taichi und drehte sich wieder zu ihr um. „Warum führen wir dieses Gespräch hier überhaupt? Das hat genauso viel Sinn wie all die anderen Gespräche! Als würde man mit einer Wand reden!“
„Wenn du das so siehst, kann ich ja auch gehen!“, fauchte Mimi.
„Geh‘ doch! Ist eh schon lange überfällig!“
Einige Sekunden starrten sie einander an, bevor Mimi sich schließlich wortlos umdrehte und ins Schlafzimmer lief. Während sie ein paar Klamotten aus dem großen Kleiderschrank in ihre Tasche beförderte, hörte sie, wie Taichi im Wohnzimmer fluchte und gegen irgendetwas trat. Wenig später verließ sie mit ihrer übervollen Tasche in der Hand das Schlafzimmer wieder und eilte zur Wohnungstür.
„Wohin gehst du?“, fragte Taichi.
„Kann dir doch egal sein! Ich verschwinde einfach und dann kannst du dein blödes Fußball heiraten!“, zischte sie mit Tränen in den Augen, während sie in ihre Schuhe schlüpfte.
„Was soll das denn jetzt? Willst du mich verarschen?“
Sie drehte sich zu ihm um und sah ihn aus tränenverschleierten Augen an. „Nein, es ist vorbei! Ich habe keinen Bock mehr!“
Er schnaubte. „Ja, mach‘, was du am besten kannst, und lauf‘ davon!“
Eine Sekunde später knallte Mimi die Tür hinter sich zu.