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TMNT - Es liegt in deiner Hand

von

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Der innere Kampf

Aus Bernadettes Sicht:
 

Sanft streichelt mir „Dad“ über den Rücken und drückt mich noch etwas fester an sich. Irgendwie ist es fast so wie früher. Zumindest rufe ich mir gerade aus meiner Erinnerung diese Geborgenheit wieder hervor, welche ich damals als Kind genießen durfte. Seit ich ihn damals verloren hatte, hatte sich so viel verändert und nun habe ich ihn endlich wieder. Auch wenn er nicht echt ist, das Gefühl, meinen Vater auf diese Weise wiederzuhaben, reicht mir vollkommen aus und vielleicht, ja vielleicht steckt noch mehr dahinter, als eine bloße Erinnerung. Schließlich sind wir nun beide tot und vielleicht gibt es nun in der Welt der Toten eine Brücke, die so manche Gestalten miteinander verbindet. Für mich würde einfach ein Traum in Erfüllung gehen, wäre dies wirklich der Fall. Nur allzu gern würde ich meinen wahren Vater in meiner Welt begrüßen, ohne dabei wieder die Angst zu haben, ihn demnächst wieder verlieren zu können. Er soll und darf mich ja nicht mehr wieder verlassen. Ich will das einfach nicht. „Dad, ich habe dich so vermisst.“, wiederhole ich ein weiteres Mal schluchzend meine Worte, wobei es diesmal viel leiser und auch etwas ruhiger klingt. Ein wenig konnte ich mich wieder beruhigen, auch wenn ich mich noch immer etwas aufgewühlt fühle. „Sch… keine Angst, ich bin ja da und ich werde dich auch nie mehr wieder verlassen.“, entgegnet er mir mit einer sanften Stimme und drückt mir auch einen zärtlichen Kuss auf mein Haupt. Könnte ich dies nur irgendwie festhalten, aber Moment, das kann ich doch! Hier in meiner Welt ist doch alles möglich. Ich muss es nur wollen.

So lächle ich, während ich mein Gesicht immer noch an seiner Brust schmiege und versuche diesen Augenblick zu genießen. Ich will einfach an nichts weiterdenken. Jede noch so kleine Sorge, die ich zuvor gehabt habe, ist nun wie weggeblasen. Ich bin einfach nur glücklich und wenn ich könnte, würde ich dies noch weiter genießen, wäre da nicht etwas, was mich gerade stutzig macht. Warum nur fällt es mir allmählich schwer, in dieser Haltung Luft zu bekommen? Es ist, als würde mir irgendetwas die Luft nach und nach abschneiden. Dabei stehe ich doch, umarmt von meinem Vater, den ich bereits seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen habe. Was also geht hier vor? Ich verstehe das nicht. Das Gefühl der Geborgenheit verschwindet mehr in den Hintergrund und stattdessen überkommt mich langsam die Angst. Nach Luft zu ringen und schwer zu atmen hat nicht nur diese Stimmung verdorben, ich bekomme langsam Panik und schuld daran ist „Dad“, der mich so fest an sich drückt, sodass man glauben könnte, er wolle mich zusammenpressen. Was geht hier nur vor sich?! „Dad …“, versuche ich zu ihm sagen, während ich bemüht bin, mich etwas von ihm zu lösen, aber sein Griff bleibt standhaft. „Dad“, welcher seine Arme zuvor so liebevoll um mich gelegt hatte, drückt mich nun so fest an sich, sodass ich das Gefühl habe, immer mehr eingeschnürt zu werden. Als hätte er nicht seine Arme um mich geschlungen, sondern ich wäre gerade in den Fängen einer Würgeschlange, die im Begriff ist, immer weiter zuzudrücken, bis es endlich sein Ziel erreicht hat.

Eine intensive Umarmung in allen Ehren, aber das wird mir nun langsam zu viel. Ich habe einfach Angst. Auch wenn ich nicht mehr unter den Lebenden weile, so heißt das noch lange nicht, dass ich mich wie in einem Albtraum zerquetschen lasse. Ich will das nicht und das hier hat auf gar keinen Fall mehr mit einer unangenehmen Umarmung zu tun. Das ist nicht nur unangenehm, ich werde im wahrsten Sinne des Wortes erdrückt! Ich muss sofort von hier loskommen, aber wie stelle ich das an?! Mühevoll bewege ich mich und schnappe nach Luft. Als ich aber erneut versuche, mich ein Stück wegzudrücken, bewegt sich „Dad“ wiederum keinen Millimeter. Wie versteinert verharrt er vollkommen in seiner momentanen Stellung, was in mir Stück für Stück noch mehr die Panik hochkommen lässt. „Dad, bitte, du zerquetscht mich fast!“, fordere ich ihn schließlich auf, damit er endlich seine Arme etwas lockert. Viel mehr hat es sich aus meinem Mund wie ein Flehen angehört, aber mir ist das egal. Er soll mich einfach loslassen, ich bekomme kaum noch Luft! Jedoch rührt er sich immer noch nicht. Es scheint überhaupt keinen Sinn zu machen, egal was ich auch sage! Hört er mich etwa nicht, oder was ist auf einmal mit ihm?! Wieso will er mir Angst machen?! Was hat das hier überhaupt zu bedeuten?! Ich will hier raus, aber „Dad“ macht keine Anstalten, sich irgendwie zu bewegen. Stattdessen wird der Druck immer stärker.

Nein, ich will das nicht! Ich lasse das nicht zu! Wild rüttle und reiße ich weiterhin um mich. Jede noch so kleine Möglichkeit, mich irgendwie zu bewegen nutze ich, bis ich sogar endlich meine Arme zwischen uns schieben kann. Das ist meine einzige Chance, die mir bleibt, um mich endlich zu befreien. Eine andere habe ich nicht, aber es ist schwerer als gedacht. Er lässt mich einfach nicht los und ich habe das Gefühl, als würde ich im nächsten Augenblick ersticken! So schreie ich ihn nach meinem erneuten erfolglosen Versuch an: „Dad, lass mich los! Ich bekomme hier kaum noch Luft! … Dad!“ Was soll das?! Warum hört er nicht auf mich?! Das ist doch meine Welt! Ich bestimme hier, was hier passiert! Nur warum lässt er mich nicht endlich los?! Ein weiteres Mal schreie ich den Mann an, hämmere wie wild mit meinen Fäusten auf ihn ein, sobald ich sie irgendwie freibekommen habe und versuche mich mit meinem gesamten Körper gegen ihn zu stemmen, aber seine Arme geben einfach nicht nach. Er hat mich fest im Griff und denkt scheinbar nicht daran, diesen zu lockern. Doch was hat er verdammt noch mal vor?! Ich habe Angst, ich glaube sogar, in einem Albtraum festzustecken. Denn das ist doch nicht normal! Ich verstehe einfach nicht, was hier gerade geschieht! Was sich aber nun stattdessen vor meinen Augen abspielt, lässt meinen Verstand noch weiter verrücktspielen.

„Dads“ Gesicht verändert sich. Es verzerrt sich zu einer bestialischen Fratze, wird länger und kantiger. Mit riesigen, hervorstechenden und rotglühenden Augen starrt er mich nun an und schnalzt mit seiner veränderten Zunge, die einer Riesenschlange gehören könnte. Sein Körper wächst zu einer großen und unförmigen Statur heran und mit seinen immer länger werdenden Armen hält er mich weiterhin fest. Was in Dreiteufelsnamen geht hier vor?! Vor mir sehe ich nicht meinen Dad oder eine einfache Replikation von ihm, vor mir steht eine wilde Bestie, die drauf und dran ist, mich zu verschlingen! „Ganz ruhig Bernadette. Es ist als gleich vorbei. Halt einfach still und du wirst sehen, dass es bald endlich ein Ende hat.“, sagt er schließlich zu mir mit einer heißeren und dämonischen Stimme, welcher nur bewirkt, dass es mir kalt über den Rücken läuft. Ich kann nicht anders, als diese Bestie verängstigt anzustarren. Mein Körper ist wie versteinert. Vor Angst kann ich mich kaum bewegen. Würde ich nicht vor Furcht zittern, so wäre ich sogar komplett starr, so wie ein Brett. Immer mehr beugt sich nun dieses Ding zu mir herunter, wobei es dabei genüsslich die Zunge über die schmalen Lippen leckt und auch noch bösartig grinst, als wolle es sich wie ein räudiges Tier über seine Beute hermachen. Doch kein normales Vieh würde so sehr mit seinem Fang „spielen“, so wie es diese grässliche Gestalt mit mir tut!

Nein! Das ist Albtraum! Das muss aufhören, sofort! Am liebsten würde ich mich zusammenkrümmen und mich verstecken, aber ich bin hier gefangen und kann mich kaum vom Fleck bewegen, oder sonst irgendetwas dergleichen tun! Instinktiv schließe ich sogar meine Augen und presse sie fest zusammen, damit ich dieser Kreatur nicht noch weiter in die dämonischen Augen sehen muss. Wäre doch alles schon vorbei, dann müsste ich nicht solch einen Horror durchstehen. Ich habe solche Angst, ich habe Angst um mein Leben, welches eigentlich vorbei sein müsste, aber ich weiß nun nicht mehr, was ich glauben soll! Denn das kann doch nicht sein, dass ich nun mit solch einem Grauen konfrontiert werde, obwohl ich in meinen „Himmel“ sein soll. Was wird hier nur gespielt, was soll das?! „Bernadette, ich bitte dich, kämpfe weiter, ich bin bei dir.“, durchdringt plötzlich Raphaels Stimme diesen Wall aus Furcht. Was war das auf einmal? Warum höre ich ihn? Ich habe mich doch gar nicht auf seine Stimme konzentriert, geschweige nach einer hoffnungsvollen Erinnerung mit ihm gesucht. Ich verstehe das alles nicht, ich bin so verwirrt! Was ist nun wahr und was nicht?! Was wird hier gespielt?! Irgendwie kann ich es mir nicht vorstellen, dass diese Worte irgendeine Erinnerung, oder gar eine Einbildung gewesen sein sollen. Daran will ich einfach nicht glauben, dafür ist hier alles viel zu sehr verrückt und viel mehr noch, ich habe nie wirklich daran glauben wollen, wenn ich ihn mal gehört habe! Seine Stimme war das Einzige, was mir hier irgendwie Halt gegeben hat. Es gab mir Kraft, obwohl ich mit einem Problem nach dem Anderem bombardiert wurde und nun hat er wieder zu mir gesprochen. Wie aus der Ferne dringt seine Stimme zu mir durch und scheint am Ende doch so nah zu sein, als würde er leibhaftig hier sein. Als würde er direkt hinter mir stehen und mir Kraft geben. Bitte, egal woher das auch kommt, sprich weiter zu mir! Bitte Raphael, ich brauche dich!

Ich öffne nun wieder meine Augen. Das Monster ist mir nun so nahe, dass nicht mehr viel fehlt und es würde mir den Kopf abreißen. Doch nicht mit mir! Egal was das auch ist, ich werde nicht so einfach aufgeben! Ich bin zwar am Boden angelangt, aber tiefer kann und werde ich auch nicht mehr sinken! So sammle ich all meinen Mut zusammen und schreie aus Leibeskräften, als könnte im nächsten Augenblick mein ganzer Körper explodieren. Dabei stoße ich dieses Ding von mir weg und spüre auf einmal eine Kraft in mir, als könnte ich mehrere hundert Kilos auf einmal stemmen. Von meiner plötzlichen Handlung überrascht, zuckt die Bestie zusammen, wodurch es mir gelingt, mich nun endgültig zu befreien. Es kostet mich so viel Energie und noch immer fällt es mir schwer zu atmen, als würde noch immer jemand meine Kehle zudrücken. „Du … kriegst mich … nicht!“, schnaube ich und balle meine Hände zu Fäusten, als könnte ich dieses Monster mit nur einem Schlag umbringen. So viel Wut hat sich nun in mir aufgestaut. Jenes verruchte Ding sieht mich nun mit einem erstaunten Blick an, während es seinen Kopf etwas schief hält und abwartet. Doch es vergeht nicht wirklich viel Zeit, schon verändert sich seine Mimik. Sein Grinsen kehrt zurück und nun schallt ein boshaftes Lachen aus seinem breiten Maul, welches Glas zerspringen lassen könnte: „Oh, hat die Dame doch noch Mumm in den Knochen. … Wie putzig, dann wird es vielleicht doch noch interessant, bevor es endlich ein Ende nimmt.“

Endlich ein Ende nehmen, was soll das nun wieder heißen?! Als wenn dieses Monster auf der anderen Seite meine Gedanken lesen könnte, belächelt es mich und kichert: „Wohl wieder verwirrt, wie? Als könnte ich von dir etwas anderes erwarten.“ „Wovon sprichst du?! Rede gefälligst, bevor ich dir noch die Zunge eigenhändig rausreiße!“, schnauze ich diese Kreatur an, doch dies scheint diese kein bisschen zu beeindrucken. Vielmehr findet sie es zum Lachen. Als hätte ich gerade einen Witz erzählt, der mehr bescheiden als lustig gewesen ist. „Obwohl du stets ein Mensch gewesen bist, der viel nachdenkt und so manches hinterfragt, bist du trotz allem begriffsstutzig. … Denk mal scharf nach, bevor du wieder mit unnötigen Fragen um dich wirfst.“, entgegnet das Monster mir, aber ich habe keine Lust, darauf einzugehen. Ich will wissen, was hier gespielt wird und was diese Kreatur von mir will! Ich schweige und warte kampfbereit nur ab, was als Nächstes passiert, während ich meine Hände zu Fäuste geballt halte. Mein Gegenüber dagegen seufzt nun und meint schließlich empört: „Lächerlich, als könntest du wirklich etwas dagegen machen. Es ist zu spät Bernadette, sieh es endlich ein! … Diesen Kampf wirst du nicht gewinnen. Egal wie stark du dich auch dagegen wehren wirst. … Ich werde es endgültig beenden und dann hat dieser Spuk ein für alle Mal ein Ende.“ „Wer bist du?“, frage ich ihn, ohne auch nur für eine Sekunde auf sein Geschwafel einzugehen. Nicht nur, dass ich dieses Szenario nicht verstehe, ich begreife nicht, was diese Kreatur von mir will und was sie mit „Ich werde es endgültig beenden und dann hat dieser Spuk ein für alle Mal ein Ende.“ meint. Das ergibt doch gar keinen Sinn!

„Kannst du dir das nicht denken? Ich habe dir doch gesagt, dass du mal dein kleines Köpfchen anstrengen sollst, aber scheinbar bist du damit zu überfordert, anstatt 1 und 1 zusammenzuzählen. … Aber gut, wenn es nun wirklich sein soll, dann helfe ich halt etwas nach. Auch wenn es schon lächerlich ist, wenn man bedenkt, dass wir beide im Grunde ein und dieselbe Person sind. … Es ist einfach so absurd!“, antwortet mir nun diese grausige Gestalt. Ich verstehe aber gar nichts mehr, weswegen ich nur wütend und perplex zugleich darauf erwidern kann: „Was? … Was redest du da, du Monster?!“ Ich kann einfach nicht begreifen, was hier gerade geschieht. Was hat das alles zu bedeuten und wieso behauptet dieses Monster, wir beide seien eine Person?! Wie soll das überhaupt möglich sein und was bezweckt es damit?! Will es mich etwa endgültig um den Verstand bringen?! Was geht hier nur vor?! Doch ehe ich dies alles nur im Entferntesten begreifen kann, verändert sich diese Bestie vor meinen Augen ein weiteres Mal. Mit einem höhnischen Lachen umgibt es sich in einem dunklen Rauch. Woher das auch immer gekommen war, es scheint davon verschluckt zu werden, bis sich dieser Nebel schließlich wieder verzieht und eine völlig andere Gestalt vor mir steht. Mit großen Augen starre ich auf die andere Seite des Raumes, denn vor mir sehe ich mich selbst. Wie aus dem Gesicht geschnitten, gleicht diese Bernadette mir. Wir könnten beinahe schon Zwillinge sein. Nur bestehen die einzigen Unterschiede zwischen uns beiden darin, dass ihre Haut eine blasse und beinahe schon gräuliche Farbe hat und alles andere an ihr ist ebenfalls dunkel und düster. Nur ihre Augen leuchten bedrohlich feuerrot.

„Überraschung!“, lacht sie und hebt dabei ihre Arme etwas in die Höhe, als würde sie für mich eine Überraschungsparty veranstalten und mir diese gerade präsentieren. Augenblicklich weiche ich ihr einige Schritte zurück, was bei ihr nur ein weiteres Gelächter auslöst: „Oh, hat dich der Mut wohl doch wieder verlassen? Das ging ja schnell. Dabei dachte ich, dass das nun interessanter wird. Da habe ich mich wohl zu früh gefreut.“ „Wer verdammt noch mal bist du!“, keife ich mein Ebenbild an, aber sie schnalzt nur unbekümmert ein paarmal mit der Zunge und meint höhnisch: „Bernadette, Bernadette, Bernadette, das habe ich dir doch schon gesagt. Ich bin du, wir sind Eins. Wobei, man könnte sagen, wir sind zwei Hälften einer Medaille. Das heißt du bist du „gute“ Seite, die alles möglichst „positiv“ sieht, an das „Gute“, das „Schöne“ und an die „Liebe“ glaubt und was weiß der Geier noch was. Ich hingegen bin dein Schatten, der die wahre Realität kennt, sowie auch das Dunkle auf der Welt sieht und wenn ich mal möchte, auch mal so richtig draufhaut. … Außerdem bin ich nicht so dumm und so schwach wie du!“ Bei ihren letzten Worten grummle ich beleidigt, aber ich verstehe immer noch nicht, was hier wirklich gespielt wird. Ich dachte eigentlich, dass ich tot bin und dass das hier mein Himmel ist. Schließlich ist mir das bis jetzt ständig eingeredet worden. Doch so wie ich es vorhin die ganze Zeit gespürt habe, ist hier alles falsch und verlogen! Nur egal wie sehr mich das Alles hier aufregt, es macht mich auch zugleich stutzig.

„Nur wenn das heißt, dass ich noch lebe, dann heißt das ja, dass das hier sowas wie eine Art Traum ist.“, murmle ich schließlich vor mich hin, aber mein dunkles Ebenbild feixt mich, während es langsam und provokant in die Hände klatscht: „Bravo! Scharf kombiniert Sherlock Holmes. Du bist anscheinend doch nicht ganz auf dem Kopf gefallen. Naja, auch ein blindes Huhn findet auch mal ein Körnchen.“ Dabei lacht diese Bernadette und ich kenne dieses Lachen. Es ist kein normales Lachen, sondern ein hämisches und boshaftes Auslachen, was ich mir in meinem Leben immer wieder antun musste und nun bekomme ich das scheinbar auch noch von mir selbst auf dem Silbertablett serviert. Wie mich diese Art anwidert und das erinnert mich sogar an Lucinda höchst persönlich. Moment, was rede ich da?! Wie verrückt ist das denn?! Ich spreche gerade mit mir selbst und das in wahrsten Sinne des Wortes! Nur das meine dunkle Seite so abartig ist, hätte ich niemals für möglich gehalten. Wie schwarz muss meine Seele sein, sodass dieser Teil von mir entstanden ist? In manchen Geschichten, die ich gelesen habe, steht, dass in jedem Menschen zwei Seiten innewohnen, das Gute und das Böse. Was von den beiden Teilen dominiert, zeigt sich, wie sich die betroffene Person verhält und dass ich kein Unschuldslamm bin, weiß ich selbst. Auch wenn Raphael mich hin und wieder liebevoll Engel genannt hat, bin ich noch lange keines. Ich bin einfach nur ein Mensch und mache, wie jeder andere auch, Fehler. Somit bin ich weder perfekt, noch sonst irgendetwas in dieser Richtung.

Trotzdem schockiert mich mein dunkles Spiegelbild. Dessen Art entspricht einfach jenen, die ich von anderen immer gehasst und sogar gefürchtet habe. Doch wenn mein dunkler Gegenpart glaubt, dass ich mich von dessen Worten unterkriegen lasse, dann ist dieses Mädchen, oder was auch immer es ist, nicht ganz dicht! So versuche ich standhaft zu bleiben und entgegne dieser Bernadette schließlich auf kraftvoller Weise: „Kaum zu glauben, dass du ich sein sollst. Ich konnte zwar schon immer schimpfen wie ein Rohrspatz, aber so gehässig und so heimtückisch wie du, war ich noch nie.“ Mit einem finsteren Blick starre ich sie an, aber ich ernte hier wiederum nur ein herabwürdigendes Gelächter, was sich aber nach kurzer Zeit in Zorn umwandelt: „Na kein Wunder, du hast mich ja all die Jahre zurückgedrängt und sogar bei der kurzen Leine gehalten! Dabei gab es immer wieder so viele Momente, bei denen ich mich hätte so richtig austoben können. Allein schon dieses Gefühl zu bekommen, jemandem mal die Visage zu polieren, war immer so nah. … Nur musstest du immer dazwischenfunken, mich kontrollieren und die „Vernünftige“ spielen! Nur die „Brotkrümel“ bekam ich zugeworfen! Dabei hätte ich noch so viel mehr tun können, anstatt diese Trauer wie eine bittere Medizin zu schlucken, während du gute Miene zum bösen Spiel gemacht hast. Ich bin wieder in die Dunkelheit zurückgestoßen worden und doch hat es oft genug Gründe gegeben, einzuschreiten und Rache zu üben. Nur du hast ständig dafür gesorgt, dass allmöglichen negativen Gefühle mehr oder minder runtergeschluckt und in den finstersten Winkel geschoben werden! … Aber jetzt ist Schluss! … Nun spielen wir nach meinen Regeln!“

Mit einem tobenden und schnaufenden Schrei, rennt meine dunkle Seite auf mich zu. Gewillt mich umzubringen, greift sie mich an. Noch rechtzeitig kann ich mit beiden Händen ihre Attacken abwehren. Ich habe sie sogar fest im Griff. Mit beiden Beinen fest auf dem Boden stehend, schleudere ich sie zurück. Meine Wut auf sie scheint grenzenlos zu sein und ich verstehe immer noch nicht ganz, was hier eigentlich gespielt wird. Ich habe mich in meinem ganzen Leben immer als eine einheitliche Person gesehen. Selbst wenn es Tage gegeben hat, an dem ich mich so verloren und sogar gebrochen gefühlt habe, ist es mir kein einziges Mal in den Sinn gekommen, dass in mir tatsächlich zwei Teile eines Ganzen herrschen und scheinbar um die Macht kämpfen. Wenn ich aber wirklich die gute Seite bin, warum fühle ich dann diesen Zorn und diesen Schmerz, welche man eigentlich meiner dunklen Seite zuschreiben müsste? Ich verstehe das nicht! Ein weiteres Mal versucht die dunkle Bernadette mich zu rammen. Sie schafft es sogar, mich ein Stück in die Knie zu zwingen, während sie versucht, mit ihren Händen an meinen Hals zu gelangen. Sie will mich erwürgen, aber das lasse ich nicht zu! Wieder stoße ich sie von mir weg, während ich mühsam nach Luft ringe. Mein dunkles Ebenbild stattdessen stellt sich nun aufrecht hin und meint mit erhobenen Haupt: „Du wirst mir nicht ewig entkommen können. Schon viel zu lange habe ich auf diesen Moment gewartet und ich werde die Chance auf keinen Fall verstreichen lassen! Schließlich gibt es genug Möglichkeiten, um dich endlich aus dem Weg zu räumen.“

Wie aufs Stichwort braucht mein dunkles Ebenbild nur eine leichte Bewegung mit der rechten Hand zu machen und schon qualmt in dieser für einen kurzen Augenblick schwarzer Rauch auf, bis sich daraus ein Dolch materialisiert hat. Nicht gerade, sondern wellenförmig ist dessen lange Klinge, was die Waffe neben dem knochenähnlichen Heft und dessen Handschutz noch bedrohlicher wirken lässt. Teuflisch und siegessicher zugleich grinst mich diese andere Bernadette an, während sie langsam auf mich zusteuert. Ich hingegen schlucke meine Angst, welche mir im Moment wie ein fetter Kloß im Hals steckt, mühsam hinunter und gehe im selben Tempo zurück. Soweit es mir möglich ist, weiche ich von ihr, jedoch traue ich es mir nicht zu, ihr den Rücken zu kehren, da es sonst zu spät sein könnte. So wandern meine Augen stets umher. Ohne die Bedrohung außer Sicht zu lassen, versuche ich einen Ausweg zu finden. Wie hat sie das mit dem Dolch überhaupt geschafft? Ohne starke Konzentration schaffe ich es nicht einmal, irgendetwas heraufzubeschwören, sei es auch nur Raphaels Stimme. Wobei ich mir ziemlich sicher bin, dass sie, was das angeht, die ganze Zeit ihre Finger im Spiel hatte. Wie sonst wäre das zu erklären? Andererseits ist es in dieser Welt überhaupt schwer irgendetwas zu begreifen. Hier steht ja alles auf dem Kopf! Mal ist es so und im nächsten Moment ist es wieder anders. Hinzu kommt, dass ein eigener Teil von mir mich umbringen will und gerade das will mir nicht in den Schädel! Warum zum Henker, will ich mich selbst umbringen?! Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn! Warum auch diese Scharade, der aufgezwungene Glaube daran, dass ich bereits gestorben wäre und was noch alles bis jetzt in diesem Albtraum passiert ist?! Wie verrückt wird es denn hier noch?!

Kichernd folgt die dunkle Bernadette meinen Bewegungen, während sie mit dem Dolch herumspielt. Wie mit einem simplen Spielzeug lässt sie die Waffe zwischen ihren Fingern gleiten. Als habe sie ihr ganzes Leben noch nichts Anderes gemacht, macht sie dabei weiter und sieht nicht einmal dabei hin. Wenn man dabei bedenkt, dass ich mich von solchen Dingen eher fernhalte, fällt mir hier wieder der Widerspruch deutlich auf. Abgesehen von manchen Äußerlichkeiten scheint sie mir in so vielen Dingen mein Gegenteil widerzuspiegeln. In meinem Leben ist es mir stets wichtig gewesen, dass ich möglichst ehrlich zu anderen bin, dass ich niemandem hintergehe, oder gar etwas Übles mit jemandem vorhabe. Selbst bei meiner Erzfeindin habe ich mich, wenn auch aus anderen Gründen, stets zurückgehalten. Jedoch hätte ich auch wie sie eine Intrige spinnen können. Stattdessen ist es anders gekommen. „Allmählich wird mir das langweilig. Stelle dich mir endlich und stirb!“, keift sie mich an und im nächsten Augenblick schleudert sie den Dolch von sich weg. Genau in meine Richtung schießt die messerartige Waffe auf mich zu und würde in diesem Augenblick jemand mit der Zeit herumspielen, so könnte man in Zeitlupe genau verfolgen, wie sich dieses Ding tief in die Mauer hinter mir hineinbohrt. Gerade noch bin ich dem Wurf entkommen. Viel hätte da aber nicht gefehlt und es wäre genau durch meine Stirn gegangen, wäre ich nicht noch rechtzeitig zur Seite gesprungen.

Mir bleibt aber keine Zeit, um zu jubeln, oder gar wirklich Luft zu holen, schon stürmt diese Wahnsinnige in einem Affenzahn auf mich zu. Ich kann nichts weiter tun, als meine Beine in die Hand zu nehmen und keuchend einen Ausweg aus dem Schlamassel zu suchen. Doch wo soll ich hin?! Ich bin gefangen in meinem eigenen Albtraum und werde von meinem dunklen Ich gejagt! So renne ich einfach. Kaum dass ich die eine Tür aufgerissen habe und hinausgehetzt bin, haste ich durch den Flur, der auf einmal länger zu werden scheint und eine Tür nach der Anderen für mich bereithält. Dennoch lande ich immer wieder in demselben Zimmer. Als wenn dieser Raum wie bei einem Kaleidoskop in die Unendlichkeit gespiegelt worden wäre, renne ich weiter und sehe einfach keinen Ausgang. Mein Herz hämmert so sehr gegen meinen Brustkorb, als würde es im nächsten Moment aus mir herausbrechen, während meine Lunge um jedes Bisschen an Sauerstoff kämpft. Ich muss durchhalten, ich darf nicht aufgeben! So renne ich weiter und kämpfe mich durch jede einzelne Tür. Jedes Mal muss ich aufpassen, nicht doch von einem Dolch durchbohrt zu werden, mit dem ich zwischendurch beschossen werde. Ich muss nicht nur schnell sein, sondern auch dieser Verrückten immer wieder ausweichen, bis ich endlich diesem endlosen Gang entkommen kann und schließlich im Treppenhaus lande.

Keuchend stolpere ich gegen das Geländer, halte mich daran fest und blicke sowohl nach unten, als auch nach oben. Jedoch höre ich sie bereits kommen. Ohne lange nachzudenken, hetze ich schließlich die Stufen empor. Verdammt, das war keine gute Idee! Ich habe aber keine Möglichkeit umzukehren, denn meine Verfolgerin ist mir bereits dicht auf den Fersen. Hinter mir höre ich schon, wie die dunkle Bernadette nach mir brüllt: „Du kannst mir nicht ewig entkommen! Gib endlich auf!“ Im nächsten Augenblick saust ein weiterer Dolch an mir vorbei und hätte beinahe meine linke Schulter gestreift, hätte ich meinen Arm nicht noch rechtzeitig weggezogen. Das kann nicht ewig so weitergehen! Mein momentanes „Glück“ wird nicht ewig halten! Nichts wie weg von hier! Am Ende des Treppenhauses angekommen, lande ich schließlich auf dem Dach des Gebäudes, renne aber einfach weiter, bis ich an der Dachkante ruckartig stehenbleibe. Verzweifelt blick ich um mich. Kein anderes Haus wäre nah genug, um einfach hinüberzuspringen und fürs Fliegen bin ich zu aufgeregt. Ich wüsste momentan sogar nicht, ob ich es wirklich schaffen würde. Noch dazu wird hier alles von meinem dunklen Ich kontrolliert. Was ist, wenn sie hierbei auch ihre Finger im Spiel hatte und dies weniger mit mir zu tun hatte? Was soll ich nur tun?! Lange darüber nachdenken kann ich jedoch nicht, denn schon höre ich ihre Stimme, welche mich erschrocken zurückblicken lässt: „Hier ist Endstation für dich!“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Mad-Dental-Nurse
2018-02-25T14:29:59+00:00 25.02.2018 15:29
Wow...richtig unheimlich sowas. Es stimmt schon was man sagt: wir selbst sind unser schlimmster Feind. Trotzdem spannend. Und ich drücke alle Daumen
Antwort von:  Pamuya_
25.02.2018 16:35
Ja, es ist wirklich unheimlich. Stell dir mal vor, du würdest in solch einem Albtraum feststecken.
Und die schlimmsten und tiefsten Schmerzen kann nur einer einem zufügen ... und zwar man selbst.


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