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Eine Keksdose voller Worte

Projekt 'Buchzitate'
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Summary:
Blaise hofft auf ein Lebenszeichen von der Person, die er als seine Große Liebe bezeichnen würde. Und was tut man nicht alles um das Schicksal zu beeinflussen? Richtig, man wirft Münzen in Brunnen, zählt seine Schritte und vieles mehr … Komplett anzeigen

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Oneshot ~ Siebzehn lange Jahre I. ~ Blaise Zabini *slash*

17. Zitat: „Du glotzt wie ein Reh, das nachts vom Scheinwerferlicht eines entgegenkommenden Autos geblendet wird.*“ (The Ring von Koji Suzuki)

 

Ratlos starre ich auf das beschädigte Pergament, das am vergangenen Abend von einer zu Tode erschöpften Eule bei mir abgegeben worden war. Die Zeilen sind kaum lesbar. Irgendjemand hat versucht mir mitzuteilen, dass er … tja, wann auch immer, wo auch immer angekommen war.

Ich kann mir keinen Reim darauf machen. Müde strecke ich mich. Meine Wirbelsäule kracht und ich stöhne leise auf. Auf einen Wink meines Zauberstabes hin, erwacht mein Kaffeeautomat zu Leben. Endlich gibt es die Dinger auch in magischer Handhabe – es war mehr als lästig ständig implodierende Elektrogeräte im Haushalt zu haben.

An die Anrichte in meiner kleinen Küche gelehnt, genieße ich das herbe Heißgetränk und bereite mich auf einen neuen Tag vor. Es ist nicht irgendein Tag. Es ist der 30. April – morgen würde sich der Sieg über Lord Voldemort zum siebzehnten Mal jähren. Wie ein kleiner Schatten verfolgt mich dieses Datum bereits seit Wochen. Wie in jedem Jahr warte ich auch in diesem auf ein Lebenszeichen von einem besonderen Menschen. Doch hatte ich bereits die vergangenen siebzehn Jahre vergebens gewartet, sodass ich diese Regung von mir geschoben habe. Bis gestern. Bis dieser kleine Kauz auf meiner Fensterbank erschienen war.

Rasch werfe ich einen Blick auf das kleine Tier, das immer noch den Schlaf der Gerechten schläft. In einem kleinen Weidenkorb neben meinem Kachelofen. Es scheint ein sehr junges Tier zu sein. Ich gehe in die Hocke und lasse einen Finger über sein seidiges Gefieder gleiten. „Wer hat dich kleinen Kerl zu mir geschickt? Wenn du mir das nur sagen könntest …“

Doch ein Gedanke lässt mich einfach nicht los. Was ist, wenn er nach all den Jahren beschließt zurückzukommen? Ich kann nicht verhindern, dass in meinen Gedanken die Vorstellung unseres Wiedersehens wach wird. Ein Schaudern durchläuft mich, als mich die Erinnerung an unseren Abschied trifft.

Die Schlacht hatten wir gewonnen, doch der Preis war undenkbar hoch gewesen. Wir waren verletzt, erschöpft und in einem Wechselspiel aus Trauer und Freude nach Hause gekehrt. In sein Elternhaus, in dem wir immer willkommen waren. Und hatten nichts anderes vorgefunden als Tod und Zerstörung. Während die siegreiche Seite, unsere Seite, gefeiert hat, war ein versprengter Rest Todesser losgezogen, hat die Familien der Kämpfer von Hogwarts aufgesucht und Rache geübt. Als wir ankamen, war seine Familie tot. Einige Tage hatte er in Trauer erstarrt ausgeharrt, dann war er mit einer Handvoll Habseligkeiten gegangen.

„Irgendwann komme ich zurück. Irgendwann – warte nicht auf mich.“

Ich habe es wirklich versucht, nicht zu warten. Doch es ist mir nur mäßig gelungen. Hier und da habe ich Zerstreuung gesucht. Habe einen Beruf erlernt, der mich glücklich macht. Doch nach seinem Weggang habe ich meine Bodenhaftung verloren und bis heute nicht aufgehört zu hoffen.

Ich greife nach meinem Umhang und verlasse meine Wohnung. Das Fenster in der Küche habe ich offen gelassen, für den Fall, dass mein kleiner gefiederter Freund zu Kräften kommt und weiterziehen möchte.

Unwillkürlich beginne ich gedanklich ein Spiel. Ich zähle meine Schritte. Wenn mein letzter gezählter Schritt auf dem Kopfsteinpflaster eine gerade Zahl ist, dann wird er in diesem Jahr zurückkommen. Dann ist der unlesbare Brief von ihm.

Ha! Gerade Zahl. Weiter. Wenn ich während der nächsten zwanzig Schritte keiner Pfütze ausweichen muss, dann wird er bald wieder hier sein.

„Guten Morgen!“

Ich hebe den Kopf, erwidere den Gruß und trete mitten hinein in eine Pfütze – zwölf Schritte sind es erst gewesen. Verflixt!

Ich denke nach – welche Tipps haben mir meine kleinen Patienten denn noch gegeben? Ach ja, der Brunnen. Ich krame in meinen Taschen nach einem Sickel und werfe diesen in den kleinen Brunnen, an dem mich mein Weg an jedem Morgen vorbeiführt. Meine Fingerspitzen gleiten in das kühle Nass. „Bitte!“, denke ich still und setze meinen Weg fort.

Sollte ich auf der nächsten Querstraße von einer Radfahrerin in rotem Regenmantel überholt werden, dann werde ich ihn binnen kürzester Zeit wiedersehen.

Gespannt suche ich mit meinen Augen die von Bäumen gesäumte Straße ab. Ich sehe einen Mann auf einem Fahrrad – in grünem Wachsmantel. Ha, aber dort. Ein Mädchen mit einem Tretroller und rot-weiß gepunktetem Regenmantel. Ob das gilt? Die Kleine winkt mir zu.

„Hallo, Heiler Zabi!“, ruft sie lachend. Aha, eine kleine Patientin. Ich denke nach. Ach ja. Verdacht auf Drachenpocken – doch dann stellte sich nur heraus, dass die Kinder den Vorrat an Nesseln in die Finger gekriegt hatten.

Ich biege um eine weitere Hausecke und erreiche die Räume meiner Praxis. Ich laufe die Stufen zur Eingangstür empor. Mich empfängt der übliche Geruch nach Kaffee und dem bitteren Aroma der verschiedenen Heiltränke, die wir selbst herstellen. Madam Shelton steht vor dem Kamin und befüllt den Tonkrug mit dem Flohpulver neu. Ich lasse die Tür weitgeöffnet, damit die frische Frühlingsluft hereinströmen kann.

„Guten Morgen, Blaise!“, begrüßt sie mich und wie immer komme ich mir vor, wie ein kleiner Junge. Hier hat eindeutig sie das Kommando.

„Guten Morgen, Madam Shelton. Was steht heute an?“

Sie deutet kopfnickend auf eine Tasse Kaffee, die auf dem Empfangstresen steht und dampfend auf mich zu warten scheint. „Eine Erkältungswelle ist im Anmarsch – ich habe schon den Kessel auf dem Feuer. Ansonsten kommt die kleine Missy Fergus – der gebrochene Arm – du erinnerst? Und dann werden wir noch besonderen Spaß bekommen. Der kleine Scorpius Malfoy kommt zur Untersuchung.“

Ich muss lachen. Ja, Scorpius Besuche in meiner Praxis haben immer etwas Unterhaltsames an sich. „Was Akutes?“

Sie schüttelt den Kopf und erläutert in bissigem Tonfall: „Nein. Die erste Inzuchtuntersuchung.“

Ich verschlucke mich an meinem Kaffee und huste lautstark. „Ma – Madam Shelton! Bitte.“

Sie schnaubt unwirsch. Es ist schon lange kein Statussymbol mehr reinblütig zu sein. Die Gesellschaft hat sich grundlegend verändert. Ich seufze leise. Es gelingt den Zauberern und Hexen trotz aller Erfahrungen, die unsere Geschichte uns lehrt, nur bedingt nicht ins gegenteilige Extrem zu verfallen und alle Reinblüter zu verachten.

Und dennoch bedeutet die anstehende Untersuchung vor allem eine Blutentnahme. Das haben wir vor einer Weile schon einmal bei Dracos Jungen machen müssen. Die Spontanzauber, die er vor Angst und Trotz gewirkt hatte, haben beinahe meine Praxisräume in Schutt und Asche gelegt.

„Haben wir etwas Euphorieelixier vorrätig?“, frage ich nachdenklich.

„Wäre der Trunk des Friedens nicht vielleicht die bessere Wahl?“, knurrt Madam Shelton, während sie die Blumen gießt.

„Sie wissen doch, dass ich den nur ungern anwende. Wir müssen ihm doch lediglich seine Angst nehmen.“

Ein leises, raues Lachen lässt mich aufschauen. Ich kneife die Augen zusammen und zweifel an meinem Verstand, als ich sehe, wer dort in der geöffneten Tür steht und mir entgegenlacht.

„Die Angst nehmen … Oh Merlin, ja, darin bist du schon immer gut gewesen, Blaise.“

Ich schnappe nach Luft und taumle einige Schritte zurück. Meine Knie werden weich. „Das kann nicht … Ich meine, bist du wirklich ...“ Ich stammel, ich suche nach Worten, nach meinem Verstand – nach irgendeiner verflixten Erklärung. Himmel! Er konnte nicht hier sein – ich war doch mitten rein getreten in die Pfütze!

Doch auf Madam Sheltons Schlagfertigkeit ist wie immer Verlass. „Du glotzt wie ein Reh, das nachts vom Scheinwerferlicht eines entgegenkommenden Autos geblendet wird*!“, sagt sie zu mir und mustert mich mit kritischem Blick, bevor sie ihn ins Visier nimmt. „Können wir irgendwas für Sie tun?“

Er lächelt. Er lächelt meine Mitarbeiterin an. Er begrüßt sie. Gibt ihr die Hand. Er sagt irgendwas, doch in meinen Ohren rauscht es so laut, dass ich seine Worte nicht verstehen kann.

Endlich gehorchen mir meine Beine wieder. Ich gehe auf ihn zu. Forschend schaue ich ihn an und er steht da, abwartend. Lächelnd. Und schließlich breitet der ehemalige Ravenclaw die Arme aus und ich kann nicht anders, als mich hineinzuwerfen.

„Anthony!“ Meine Stimme bebt, klingt fremd in meinen Ohren.

„Ich hatte gar nicht solange weg sein wollen. Tut mir leid, Blaise.“

Mein Herz macht Anstalten einfach zu implodieren – sowie eine vor Magie heiß gelaufene Kaffeemaschine. Vermutlich quillt mir längst Rauch aus den Ohren.

„Gibt es noch einen Platz in deinem Leben für mich?“, flüstert Anthony mir fragend ins Ohr. Noch immer habe ich keine Worte, nicht ein einziges. Also beschränke ich mich vorerst auf nonverbale Kommunikationswege und presse meine Lippen einladend auf die seinen.



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