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24 Farben der Liebe

Adventskalender 2015
von

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20. Türchen: Magnus

Wo war mein neues Lieblings-Shirt, das sündhaft teure? Es hatte Knöpfe und V-Ausschnitt, und betonte meinen Bizeps perfekt...

Die Tür klingelte. Mir fiel da nur einer ein, der das sein konnte: Magnus. Natürlich. Diesen Kerl, den ich eines Nachts mit nach Hause genommen hatte, wurde ich nicht mehr los.
 

„Hey. Wie läuft’s?“

„Gut, bis du geklingelt hast. Was willst du?“

„Wenn du schon so direkt fragst: dich flachlegen.“

„Nee, heute nicht. Aber auch nicht morgen oder übermorgen. Selbst mein Dildo hat einen höheren IQ als du!“

Dabei kamen wir im Bett eigentlich ganz gut miteinander klar. Nur den Kerl, der am Schwanz hing, konnte ich nicht ausstehen. Aber man musste nehmen, was man kriegen konnte! Glücklicherweise hatte er noch nie darauf bestanden, bei mir zu übernachten. Vielleicht, weil er eine Freundin hatte.

Ich wollte ihm die Tür vor der Nase zuschlagen, doch er klemmte seinen Fuß dazwischen.

„Aber jetzt bin ich da! Extra hergefahren! Und du hast was Besseres vor!?“

„Genau! Also frag nächstes Mal vorher!“ Ich kickte seinen Fuß weg und schloss die Tür.
 

Dann suchte ich weiter nach meinem Shirt. Mein WhatsApp-Ton ließ mich aufhorchen. Magnus hatte geschrieben:

Vermisst du etwas? Ich habe nämlich in der Wäsche was gefunden, das nicht mir gehört.

Darunter ein Foto von meinem Lieblingsshirt! Ich fluchte. Schaute aus dem Fenster. Magnus´ Auto stand immer noch um die Ecke geparkt. Lauerte er mir auf, bis ich das Haus verließ?

Eilig tippte ich: Gib es mir zurück!!!
 

Die Antwort kam prompt: Ich geb´s dir gerne. Was krieg ich dafür?
 

Du darfst mich auf den Weihnachtsmarkt begleiten , antwortete ich. Im Gedränge könnte ich ihn ja dann ‚verlieren‘… Magnus antwortete mit einem Daumen hoch. Und bot an, zu fahren.
 

Eine halbe Stunde später verließ ich die Wohnung. Magnus´ Auto war verriegelt. Drinnen telefonierte er und gebot mir zu warten. Sein Gesicht war eine starre Maske. Musste ein verdammt wichtiges und ernstes Gespräch sein.

Also wartete ich minutenlang, während es immer heftiger schneite. Das grenzte an einen Schneesturm!
 

Endlich ließ er seine Scheibe hinunter und warf mir das Shirt zu.

„Jetzt bin ich dir nichts mehr schuldig! Den Weihnachtsmarkt muss ich leider abblasen.“

„Was ist passiert?“

Er schüttelte nur den Kopf, vermied es, mich anzusehen.

„Sebastian“, sagte er mit ernster Stimme und betonte meinen Namen, wie er ihn noch nie zuvor ausgesprochen hatte. „Leb wohl.“

„Sag mir doch was los ist!“

Doch er ignorierte mich, ließ die Scheibe hoch und startete den Motor. Impulsiv langte ich nach dem Türgriff. Einige Meter schleifte er mich mit, bis er das bemerkte und abbremste.

„Lass mich rein! Oder ich schmeiß mich vor dein Auto!“, brüllte ich und meinte es ernst.

Da entriegelte er die Tür. Also setzte ich mich auf den Beifahrersitz, bevor er es sich anders überlegte.
 

„Ich will dich nicht mit reinziehen, Sebastian.“

Ich wurde ich immer neugieriger. Denn Magnus´ Fassade schien einen winzigen Riss bekommen zu haben, und was darunter lag, war interessant und sehenswert… Seit diesem Telefonat war er nicht mehr der Alte.
 

Er zog seinen Zündschlüssel und die Scheibenwischer kamen zum Stillstand. Schnee setzte sich auf der Frontscheibe ab. Auch auf der Heckscheibe und den Seiten. Ich wartete immer noch geduldig und lauschte seinem Atem, der in Wölkchen aus seiner Nase strömte. Die Straßenlaterne war die einzige Lichtquelle.
 

„Okay“, sagte er nach endlosen Minuten des Stillschweigens, als hätte er nur darauf gewartet, eingeschneit zu werden, bevor er sprechen konnte. „Ich habe das noch keinem Menschen erzählt.“

Oh Gott, lass es bitte keine unheilbare Krankheit sein. Damit würde ich überhaupt nicht klarkommen. Außerdem hätte er es einfach nicht verdient! Und ich staunte über mich selbst – empfand ich etwa was für ihn?!
 

„Meine Eltern, meine Schwester, meine Verlobte, ja, jeder der mich kennt, denkt, dass ich tot bin. Sie trauern um mich.“

„Wieso das?“

„Ich bin beileibe kein Unschuldslamm. Früher war ich LKW-Fahrer, weißt du? Bis ich dann erfuhr, für wen ich überhaupt arbeitete. Ich habe meine Nase zu tief hineingesteckt und geschnüffelt… habe mehr Kohle angeboten bekommen, wenn ich noch andere Dinge erledige – aber das hat seinen Tribut gefordert. Als ich erkannt habe, worauf ich mich einlasse, stand ich schon bis zum Hals in der Scheiße, und bekam es mit der organisierten Kriminalität zu tun und allem was dazugehört.“

„Oh mein Gott! Wann war das?“

„Vor fünf Jahren. Seit fünf Jahren bin ich offiziell tot. Ich lebe nun schon fünf Jahre so – mit einer fremden Lebensgeschichte, als jemand, der ich nicht bin. Kannst du dir das vorstellen? Alles, was ich heute bin, ist ein Alias. Eine zusammengebastelte Identität, um mich und die Leute in meinem Umfeld zu schützen. Ich musste mich krass verändern. Alle meine Gewohnheiten ablegen. Alle meine Hobbys aufgeben. Sonst hätten sie mich aufspüren können.“
 

Ich musste das erst mal sacken lassen.

„Sie sind noch immer hinter dir her?“

Er schüttelte den Kopf. „Gerade habe ich einen Anruf erhalten. Sie haben heute Abend das Kartell hochgehen lassen. Vielen wird der Prozess gemacht werden. Das bedeutet...“ Er schluckte, kämpfte mit den Tränen.

Also antworte ich für ihn, streichelte dabei seinen Rücken. „Du bist frei – und auch wieder nicht. Du stehst zwischen zwei Welten, weißt nicht, zu welcher du gehörst. Ist es so?“

Er schniefte und sagte nichts dazu. Tränen liefen über seine Wange und ich zweifelte keine Sekunde an seinen Worten. Jahrelang musste er Theater spielen, dabei in Todesangst leben. Meine Hand, die ihn liebkoste, drückte er ganz fest.
 

„Du hast mit mir geschlafen…“

„Ja.“ Endlich schaute er mich an.

„Wie konntest du das bloß vortäuschen?“

Magnus seufzte. „Gar nicht. Ich weiß nicht, warum ich so für dich empfinde! In meinem vorigen Leben war ich mit Sicherheit nicht schwul. Daher bot es sich als Tarnung an, nichts eignet sich besser für Geheimniskrämerei. Ja – ich weiß“, sagte er auf meinen Blick hin. „Aber ich hab die Welt nun mal nicht so gemacht, wie sie ist, Sebastian, und ich habe mich wirklich in dich verliebt!“, beteuerte er.
 

Ich legte den Kopf auf seiner Schulter ab und fühlte mich unter der hauchdünnen Schneedecke auf den Scheiben des Autos wohl und geborgen, dachte schon an nachher, wenn ich ihn in meine Wohnung mitnehmen würde um dort bis Montagmorgen mit ihm zu kuscheln. Dann würde ich ihm sagen, dass ich ihn ganz neu kennen lernen wollte, neugierig darauf war, wer er wirklich war…



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