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TMNT - Schicksal?

von

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Absturz von Wolke 7

Aus Bernadettes Sicht:
 

Obwohl ich letzte Nacht doch noch so müde, konnte ich nach Raphaels Besuch erst nach einiger Zeit wieder einschlafen. Ich ging sogar zwischendurch ans Fenster und starrte in die Dunkelheit raus, nachdem mich dieses beklemmende Gefühl stärker an sich zog. Als könnte ich erwarten, dass er irgendwo in der Nähe wäre, aber er bereits weg und so ging ich wieder ins Bett. Dass mein Schattenkrieger nicht gerade begeistert darüber war, dass ich unsere gemeinsame Nacht absagt hatte, war ihm buchstäblich vom Gesicht abzulesen. Er war enttäuscht, wo doch noch kurz zuvor ein liebliches Lächeln sein Gesicht zierte, als wir küssten und dann ging er. Was hätte ich aber machen sollen? Hätte ich mich etwa verstellen sollen, nur damit ich die eine oder andere Stunde noch durchalten kann? Das hätte vermutlich nichts gebracht. Ich war einfach schon so müde und schlief sogar beim Lernen ein. Dabei wollte ich eigentlich noch meine Notizen durchgehen und die letzten Formeln widerholen. Jedoch verschwammen vor meinen Augen die Buchstaben, während die Müdigkeit immer mehr an meinen Körper zerrte und meine Lider schwerer wurden. Es war daher wirklich keine Absicht, meinen Freund sozusagen einen „Korb zu geben“. Viel lieber hätte ich meine Zeit mit ihm verbracht, anstatt den Physikstoff durchzupauken, aber das Leben ist nun mal kein Wunschkonzert und manche Dinge muss man leider etwas vorschieben, bevor man seine Ruhe haben kann. Die Schule ist da keine Ausnahme.

Ich hoffe nur, Raphael versteht das, aber nach seinem gestrigen Gesichtsausdruck zu urteilen, zweifle ich etwas daran. Dabei müsste er doch wissen, dass auch mir unsere gemeinsamen Abende wichtig sind. Ich zeige ihm doch immer wieder, wie sehr ich jede Sekunde, die ich gemeinsam mit ihm verbringe, schätze und auch genieße, aber manchmal geht es einfach nicht und das habe ich ja gestern wiedergesehen. Hoffentlich glaubt er jetzt nicht, dass ich ihm eine billige Ausrede aufgetischt habe. Dabei war ich wirklich ausgelaugt und vermutlich wäre ich bei der nächsten Gelegenheit wieder eingeschlafen, hätte ich versucht, noch länger durchzuhalten. Somit hätten weder Raphael noch ich etwas davon gehabt. Zur großen Wahrscheinlichkeit wäre dann die Stimmung mies gewesen und das wollte ich auf gar keinen Fall riskieren. Andererseits, wenn ich es richtig bedenke, war die gestrige Stimmung kurz vor seinem Abgang auch nicht wirklich das Gelbe vom Ei. Nur, was mache ich jetzt? Dass er deswegen vielleicht sauer auf mich ist, kann ich ihm weder verübeln, noch ignorieren. Immerhin ist mir schon aufgefallen, dass wir uns in letzter Zeit immer weniger gesehen haben. Wenn es mal nicht wegen mir und der Schule war, so hatte mein Schattenkrieger seine Gründe, nicht zur normalen Zeit an mein Fenster zu erscheinen und wenn wir uns mal doch trafen, so war es meistens eher kurz. Genauso wie es gestern zum Beispiel der Fall war. Wobei es dieses Mal noch kürzer verlief als sonst. Es war ja schließlich nur eine kurze Begrüßung, eher er wieder das Weite suchte. Im Nachhinein wäre es schön gewesen, wenn wir zumindest miteinander gekuschelt hätten, aber daran habe ich erst dann gedacht, als es bereits zu spät war.

Vielleicht sollte ich meinen Liebsten mit etwas überraschen. Damit er weiß, dass ich auch weiterhin an ihm denke, auch wenn es vielleicht vom ersten Blick aus nicht so sehr danach aussieht. Doch womit könnte ich ihm eine Freude machen? Es ist ja nicht so, als wenn Raphael einfach wäre. Er interessiert sich im Gegensatz zu mir eher fürs Kämpfen und davon habe ich nun wirklich keine Ahnung. Mit seinen Techniken ist er mir meilenweit voraus. Da könnte ich nicht einmal ansatzweise mithalten, geschweige etwas finden, was zu ihm passt. Er hat mir zwar vieles erzählt und ich konnte ihn sogar schon mal beim Training zusehen, aber diese Kenntnisse sind meiner Ansicht nach viel zu wenig, als dass man etwas damit anfangen könnte. Nicht einmal seine Geschichten über seine Patrouillen konnten mir da irgendwie weiterhelfen. Es muss mir noch etwas anderes einfallen, nur was? Mit dem rechten Arm meinen Kopf stützend, sehe ich in die Leere, während ich mit meinen Gedanken beschäftigt bin. Doch schon werde ich wieder in die Realität zurückgeholt: „Erde an Bernadette. Bitte kommen Bernadette. … Hallo, irgendjemand Zuhause?“ Cori fuchtelt mit einer Hand vor meinem Gesicht und sieht mich dabei auffordernd an, als könnte sie mich allein durch ihren Blick in das Hier und Jetzt rufen. „Jaja, ich bin eh da.“, antworte ich schnell, erhalte aber von meiner Schulkameradin einen skeptischen Blick: „Wer’s glaubt, wird selig. Sag mal, wo bist du schon wieder mit deinen Gedanken? Ich hoffe mal nicht wegen diesem bescheuerten Test. Der ist nun geschrieben und was liegt, das pickt.“

Lächelnd schüttle ich den Kopf und behaupte einfach, dass es um etwas Anderes gehen würde: „Ach, ich habe nur ein bisschen nachgegrübelt. Es ist nichts weiter und mit diesem Test hat es schon nichts zu tun.“ Während mir meine Freundin so zuhört, grinst Cori auf einmal und stupst mich schließlich leicht in die Seite. „Oh, geht es vielleicht dabei um einen Jungen?“, fragt sie schelmisch und betont dies sogar so sehr, sodass ich kurz aufschrecke. Ich habe sogar das Gefühl, als würde ich in diesem Moment rote Wangen bekommen, was ich auf gar keinen Fall zeigen will. Eigentlich hat sie ja damit den Nagel auf dem Kopf getroffen. Wenn sie wüsste, dass sie mit ihrer Behauptung gar nicht mal so falsch liegt, aber das kann ich doch nicht sagen. Immerhin steht Raphaels Identität auf dem Spiel und ich kann nicht zulassen, dass auch nur eine einzige Person etwas von meinem Liebsten und seiner Familie erfährt. Wenn ich jetzt aber schweige, mache ich mich nur umso verdächtiger und Cori ist keineswegs jemand, welche naiv genug ist, um etwas Verdächtiges zu ignorieren. Dafür ist sie viel zu aufgeweckt und neugierig, weswegen ich mir auf die Schnelle etwas einfallen lassen muss. So schüttle ich abermals den Kopf und suche geschwind nach einer plausiblen Erklärung: „Ach nein. Es geht um meine Familie. Schließlich ist meine Mom noch immer mit dem Flieger unterwegs und von meinen Brüdern habe ich auch schon lange nichts gehört. Manchmal frage ich mich, was sie so treiben.“

Hoffentlich kauft Cori mir das ab. Zwar sieht sie mich kurz noch skeptisch an, zuckt aber dann mit den Schultern und lacht: „Hey, die sind ja nicht alle auf irgendeinen anderen Kontinent und außerdem befinden wird uns zum Glück im Zeitalter des Internets. Vielleicht meldet sich ja demnächst einer von ihnen und notfalls kannst du ihnen auch ´ne Nachricht schicken. … Bevor ich es übrigens vergesse: Sag, hast du vielleicht Lust mit mir und Mia etwas zu unternehmen? Wir würden gerne am Wochenende nach Coney Island fahren. Wir wollen nämlich mit dem Cyclone fahren. Der soll hammermäßig sein, außer du traust dich nicht.“ Bei ihren letzten Worten blinzelt sie mir komisch und neckend zu, als könnte ich so keiner Aufforderung widerstehen. Allerdings bleibe ich still und sehe sie einfach lächelnd an. Denn meistens, wenn sie wie ein freches Kind redet, so kommt stets noch etwas dazu. Ich warte allerdings vergebens darauf, denn Cori will einfach nur eine Antwort von mir hören. Eigentlich klingt ihre Idee sogar cool und ich könnte nach langer Zeit endlich wieder etwas Verrücktes mit Freunden unternehmen, was sogar außerhalb der Schule passiert. Irgendwie reizt mich der Gedanke. Allerdings hatte ich mir schon etwas anderes für das Wochenende überlegt. Schließlich habe ich die Jungs schon eine Weile nicht mehr gesehen und besonders mit Raphael will ich verstärkt etwas unternehmen. Schließlich haben wir uns ja in letzter Zeit kaum gesehen. Gerade wegen der Sache von gestern ist mir das ein Anliegen geworden und das möchte ich einfach nicht ignorieren.

Andererseits war ich schon lange nicht mehr in Coney Island. Das letzte Mal war ich als Kind dort und das ist auch schon wieder ein paar Jahre her. Vermutlich ist seitdem schon einiges verändert worden und es wäre einfach interessant zu wissen, was es für „neue“ Attraktionen es dort zu entdecken gibt. Irgendwie erwacht da „das innere Kind“ in mir, welches einfach nur Spaß haben möchte. Trotzdem geht mir Raphael nicht einfach aus dem Kopf und bevor ich mich, wie aus dem Nichts, einfach so entscheide, wäre es da vielleicht besser, wenn ich mir das nochmal durch den Kopf gehen lasse. Vielleicht wäre es sogar besser, wenn ich diesen Ausflug sogar auf das Wochenende darauf verschiebe. Allein schon die Tatsache, dass dann nicht mehr so viel zum Lernen ist, spricht dafür. „Ich weiß noch nicht, eigentlich wollte ich dieses Wochenende mal chillen. Das war ja wegen diesem Test kaum möglich.“, behaupte ich nun, aber Cori lässt sich nicht so einfach abspeisen: „Ach komm schon Bernadette. Chillen kannst du auch ein anderes Mal. Da ist es doch lustiger etwas mit Freunden zu unternehmen und die Sommerferien sind ja auch bald da. Da hast du genug Zeit auf der faulen Haut liegen, außer ich zerre dich mal aus dem Haus. Das Leben ist viel zu kurz, um alleine die Stunden zu verbringen. … Ich verspreche dir, es wird auf jeden Fall lustig werden. Also sag schon ja.“ Während mich die Blondine dabei so bittet, spricht sie am Ende sogar wie ein Kind, welches unbedingt etwas Bestimmtes haben möchte. Ob ihr das sogar bewusst ist?

Eines weiß ich garantiert und zwar, Cori ganz schön aufdringlich sein kann und dabei macht sie das mit einer Art, die gar nicht einmal so nervig und oder zwingend wirkt. Viel mehr wirkt es motivierend und auffordernd, als wolle sie mich einfach in ein Abenteuer ziehen, damit ich auch mal etwas anderes erlebe und das nicht nur hier so. Seitdem ich bei ihr im Literaturclub bin, habe ich einfach viel mehr Spaß. Irgendwie genieße ich jetzt mein Leben mehr als zuvor und da sind Cori und Mia nicht ganz unschuldig. Dennoch möchte ich Raphael nicht schon wieder hängen lassen. Ich vermisse seine Nähe, unsere Ausflüge und einfach die gemeinsame Zeit, die ich wegen den verlorenen Nächten unbedingt wieder nachholen will. Irgendwie ist es nicht einfach, sich zu entscheiden, weswegen ich meine Freundin einfach darum bitte, dass ich mir das noch überlegen kann: „Leider kann ich dir noch nichts Fixes sagen. Ich gebe dir aber noch rechtzeitig Bescheid, ok?“ Das ist wohl nicht die Antwort gewesen, welche sich Cori erhofft hat, aber anstatt mir Enttäuschung oder irgendetwas Dergleichen zu zeigen, gibt sie sich damit zufrieden und nickt verstehend. Das ist wieder etwas, was ich an ihr mag. Sie versucht mich zwar zu neuen Dingen zu motivieren, aber wenn ich ihr zeige, dass ich das aus bestimmten Grund nicht will, dann bedrängt sie mich nicht und zwingt mich auch nicht, dies zu tun, was sie unbedingt will.

Nachdem Cori und ich das Thema gewechselt haben, hat sich Mia auch noch zu uns gesellt. Auch sie hat nun den Test hinter sich gebracht, sieht allerdings nicht wirklich glücklich aus. Vielleicht liegt es aber nur daran, dass sie erschöpft ist. Mir geht es nicht viel anders. Der war ja auch alles andere als einfach, aber es ist geschafft und nun müssen wir drei auch noch den Rest des Tages hinter uns bringen. Meine Konzentration habe ich allerdings bereits für diesen Test verbraucht, weswegen mir die nächsten Stunden eher egal sind. Ich bin somit nur körperlich anwesend und versuche so zu tun, als würde ich mehr oder weniger am Unterricht teilnehmen. In Gedanken dagegen suche ich nach einer Möglichkeit, meinem Liebsten eine kleine Freude zu machen. Noch heute würde ich dies gerne tun, weswegen verschiedene Ideen in meinem Kopf umherkreisen. Schließlich kommt mir doch noch die entzündende Idee und ich freue mich schon darauf, dies in die Tat umzusetzen. Kaum, dass ich nach dem Unterricht schließlich nach Hause eintreffe, setze ich mich sofort an meinen Schreibtisch und beginne ein kleines Gedicht zu verfassen. Normalerweise machen das eigentlich eher die Männer, um die Frauen zu imponieren und sie für sich zu gewinnen, aber da Raphael und ich so und so kein „normales“ Pärchen sind, ist diese „Tatsache“ wieder überflüssig. Außerdem leben wir hier im 21. Jahrhundert. Da muss man es nicht so machen, wie es früher mal war und wie heißt es so schön: Selbst ist die Frau.

Im Grunde ist hier auch ein kleiner Hintergedanke dabei. Denn selbst wenn Raphael nicht viel von literarischen Texten hält, so kann ich ihn ein wenig in meine Welt ziehen. Vielleicht versteht er es dann besser. Selbst wenn nicht, so soll er sich daran erfreuen und spüren, dass er mir sehr wichtig ist und dass ich immer an ihn denke. Da ist es mir sogar egal, sollte mein Gedicht etwas kitschig rüberkommen. Ein bisschen Kitsch hat noch niemandem geschadet und in der Liebe kann man ihm so oder so nicht ganz entkommen. Seit ich mit meinem Schattenkrieger zusammen bin, habe ich das begriffen und irgendwie stört es mich auch nicht mehr so sehr wie früher. Stattdessen schreibe ich, was das Zeug hält. Als hätten die Phrasen nur darauf gewartet, wandern sie von meinem Gehirn, über die Hand aufs Papier. Es geht beinahe wie von selbst und ich muss nicht einmal viel ausbessern, oder herumprobieren, bis ich mit dem Ergebnis zufrieden bin. Bin mal gespannt, was mein Schattenkrieger dazu sagt. Vermutlich wird er das nicht erwarten, aber genau das macht die Überraschung umso größer. Ich stelle mir diese Szene sogar bildlich vor, weswegen ich umso mehr die Abenddämmerung sehnlichst erwarte. Meiner Tante habe ich per WhatsApp Bescheid gegeben, dass ich heute wieder unterwegs sein werde. Das heißt, dass ich nun ungestört meine Zeit mit Raphael verbringen kann, ohne dabei ständig vorsichtig sein zu müssen. Das Schöne daran ist, dass sie mir sogar als Rückmeldung viel Spaß gewünscht hat. Sie ist jetzt viel relaxter, was mich betrifft und sie hat sich sehr für mich gefreut, als sie von meinen neunen Freundinnen erfahren hat. Zwar kenne ich Cori und Mia noch nicht so lange, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ich diese Freundschaft nicht bereuen werde. Zumindest haben die beiden mir bisher keinen Anlass dazu gegeben und warum sollte ich unnötig zweifeln, wenn es keinen Grund dafür gibt. Ich möchte das einfach nur genießen und solange es so ist, kann und will ich mich nicht beschweren.

Draußen dämmert es bereits und bald wird mein Freund kommen und mich abholen. Innerlich freue ich mich schon auf dem Moment, an dem ich ihm das Gedicht überreichen kann. Damit wird er mit Sicherheit nicht rechnen. Doch bis dahin muss ich noch warten, aber das wird sich sicherlich lohnen. Davon bin ich felsenfest überzeugt. Ich habe mich gerade fertiggemacht, als ich schließlich Raphael kommen höre. Diesmal habe ich das Fenster offengelassen, wodurch er nun einfach hereinklettert und ich mich wenig später in seine Arme wiederfinde. Ein kleiner Kuss dient als Begrüßung. Worte sind nicht einmal notwendig und diesmal möchte ich meine gemeinsame Zeit mit ihm in vollen Maßen genießen. Schon klettert er mit mir wieder nach draußen und weiterer nächtliche Ausflug wartet nur darauf, dass wir zu ihm kommen. Geschickt springt er mit mir von Dach zu Dach, während ich mich wieder an seine Brust schmiege und seine Nähe genießen möchte. Doch dieses besinnliche Gefühl will einfach nicht erwachen und ich habe sogar den Eindruck, dass irgendetwas nicht stimmt. Ich kann es mir nicht genau erklären, aber mein Instinkt sagt mir, dass heute etwas anders ist, was mich sogar beunruhigt. Normalerweise gibt mir mein Schattenkrieger das Gefühl der Geborgenheit und dass ich mich in seinen Armen einfach fallen lassen kann. Doch diesmal ist es anders. Als würde zwischen uns eine unangenehme Spannung herrschen, die die Nähe einfach nicht zulassen will. Was ist denn hier los?

Raphael kommt mir so unruhig vor und auch als ich meinen Blick zu seinem Gesicht hochwende, wird der Eindruck nicht anders. Viel mehr noch, bestätigt sich das, was ich da gerade sehe. Seine Augen wirken bedrückt und müde, als hätte er kaum geschlafen. Hat es denn etwa wieder ein Problem bei ihm zuhause gegeben, oder liegt es doch an mir, dass ich das so empfinde? Gesagt hat er bisher noch nichts, aber wie ich ihn kenne, muss ich ihm das mal wieder aus der Nase ziehen. Als wäre das etwas Neues, aber wenn ich wissen will, was ihn bedrückt, so muss ich wohl selbst ran. Ich möchte aber auf den richtigen Augenblick warten und nicht einfach so mit der Tür ins Haus fallen. Vielleicht erklärt mein Liebster es mir doch von selbst und wartet nur auf die richtige Gelegenheit. Noch ist er damit beschäftigt, das Ziel für den heutigen Abend aufzusuchen. Weswegen ich schweige und es einfach auf mich zukommen lasse. Es dauert eine Weile, bis er schließlich mit mir auf einem Gebäude anhält, dessen Aussicht auf einen kleinen Park hindeutet. Im Gegensatz zum Central Park ist das hier eine Miniversion, aber die Gegend ist hier ruhig und ein angenehmer kühler Wind weht mir um die Nase. Gemütlich setzen wir uns auf dem Rand und lassen die Beine herunterbaumeln. Bis jetzt sind wir beide noch still gewesen und ich frage mich, ob ich vielleicht doch mit meinem kleinen Geschenk beginnen sollte, den ich zusammengefaltet in meiner Jackentasche trage. Allerdings komme ich erst gar nicht dazu. Denn schon fängt er mit einer unangenehm monotonen Stimme ein Gespräch an: „Wie war dein Tag?“

„Naja, die Prüfung war ziemlich schwierig, aber ich glaube, ich dürfte diesen trotzdem bestanden haben. Sonst war es ziemlich normal – Schule eben. Und, wie war’s bei dir?“, entgegne ich ihm, obgleich ich von seiner abwesenden Art verwirrt bin. Ich versuche mir allerdings nichts anmerken zu lassen und warte nun darauf, was mein Freund mir nun zu erzählen hat, aber er zuckt nur mit den Achseln und sagt nichts weiter darauf. Also langsam wird er mir unheimlich. Ob es wohl doch an mir liegt? Vielleicht wäre es besser, wenn ich die Sache wegen gestern Nacht sofort aus der Welt schaffe. Ich werde so und so nicht drum herumkommen und ob sein seltsames Verhalten tatsächlich damit zusammenhängt, wovon ich immer mehr überzeugt bin, wird nicht so einfach von selbst verschwinden. Weswegen ich ihn nun direkt darauf anspreche und versuche, die Sache aus meiner Sicht zu erklären: „Wegen gestern: Ich wollte dir nochmals sagen, dass mir das leidtut. Ich wollte dich wirklich nicht hängen lassen. Ich war einfach zu müde und vermutlich hätte keiner von uns etwas davon gehabt, wenn ich versucht hätte, wachzubleiben.“ „Als wenn das, das einzige Mal gewesen wäre.“, kommt es, anders als von ihm erwartet, kalt und murrend aus seinem Mund. Er hat mich dabei nicht einmal angesehen, sondern stur in eine Richtung geschaut. Verwundert sehe ich ihn an. Hat ihn das etwa doch mehr gekränkt, als was ich zunächst angenommen habe?

Nachdenklich wende ich meinen Blick wieder von ihm ab. Natürlich tut es mir leid, aber trotzdem kann ich nicht verstehen, warum er trotzdem so komisch ist. Mir ist schon klar, dass es in letzter Zeit nicht so einfach war. Wir haben uns kaum gesehen und das von gestern war zugegeben nicht „die feine Art“, aber das ist doch trotzdem wirklich kein Grund zu schmollen. Es ist ja nicht so, als würde ich nicht an ihn denken, wenn wir mal nicht beieinander sind. Ob er das nun wirklich von mir glaubt? Ich seufze kurz und versuche anstatt weiter darüber nachzugrübeln, die Stimmung wieder etwas zu heben: „Hör mal, können wir das nicht einfach hinter uns lassen und versuchen das Beste daraus zu machen? Es ist doch so ein schöner Abend.“ Hoffend darauf, dass er das genauso sieht, werde ich aber vom Gegenteil überrascht. Er sieht mich auf einmal wütend an und fragt mich angepisst: „Die Sache also einfach unter dem Teppich kehren, als wenn nie etwas gewesen wäre und dann geht der ganze Zirkus munter so weiter, oder wie stellst du dir das vor?“ Von seiner Reaktion kurz geschockt, weiten sich meine Augen. Ich habe alles Mögliche erwartet, dass Raphael nun aber so reagiert, hätte ich nicht gedacht. Allerdings heißt das nicht, dass ich das auf mir sitzen lasse, weswegen ich mich nun verteidige: „Glaubst du etwa, mir gefällt es, dass wir uns in letzter Zeit kaum gesehen haben? Ich wollte doch auch immer bei dir sein, aber es ging nun mal nicht. Ich musste mich erst einmal in meiner neuen Schule zurechtfinden, oder glaubst du wirklich, dass das so einfach ist? Es braucht nun mal etwas Zeit …“

Ich will eigentlich noch weiterreden und ihm erklären, wie es wirklich ist, aber Raphael unterbricht mich empört und wird dabei sogar laut: „Zeit?! Wie viel Zeit brauchst du denn noch?! Soll ich denn weiterhin in der Dunkelheit schmoren, damit du so einfach dein neues Leben mit deinen neuen Freunden genießen kannst, bis du dich mal kurz an mich erinnerst?!“ Ich kann nicht fassen, was er da behauptet. Wie kommt er nur auf solch einen Schwachsinn?! Ich denke doch immer an ihn? Um an etwas Stärke für meine Stimme zu gewinnen, stehe ich mit einem Ruck von meinem Platz auf und schnauze ihn an: „Das ist nicht fair Raphael! Du weißt ganz genau, wie es mir auf der alten Schule ergangen ist und dass ich nicht so einfach Vertrauen zu neuen Leuten aufbauen kann! Ich kann außerdem nichts dafür, dass wir uns nur zu bestimmten Zeiten sehen können.“ „Ach, stört es dich auf einmal, dass ich ein Mutant bin und dass ich mich nur bei Nacht bei dir blicken lassen kann?!“, fragt er mich wütend, während er mich so vorwurfsvoll ansieht, als hätte ich das schlimmste Verbrechen auf Erden begannen. Dabei steht er ebenfalls auf und ist mir so nahe. Doch diese Nähe hat nichts mehr mit Geborgenheit, geschweige mit Romantik zu tun. Vielmehr ist sie kalt, beängstigend und sogar bedrohlich. Niemals hätte ich gedacht, dass es heute zu einem Streit zwischen uns kommen könnte. Dabei habe ich mir den Abend vollkommen anders vorgestellt. Ich wollte mit Raphael eine romantische Zeit genießen, doch davon sind wir meilenweit entfernt.

Nein, ich möchte mich nicht mit ihm streiten. Da muss es doch eine Lösung dafür geben. Tief amte ich durch und versuche mit einer möglichst ruhigen Stimme die Situation irgendwie zu wieder kitten: „Das habe ich doch gar nicht gesagt. Es ist nun mal nicht so wie bei normalen Pärchen und das habe ich von Anfang an gewusst, du etwa nicht? Was ist nur los mit dir?“ Behutsam will ich ihm am Arm berühren und ihm zeigen, dass ich mich mit ihn nicht länger streiten will, aber er reißt diesen sofort zurück und keift mich sogleich an: „Was los mit mir ist?! Was ist eigentlich mit dir los?! Merkst du gar nicht, wie sehr wir uns schon voneinander entfernt haben?! Anscheinend ist dir unsere Beziehung völlig egal! Leo, sie alle haben vermutlich Recht: Ein Mensch und ein Mutant können nicht zusammen sein! Zumindest nicht so!“ „Was redest du da und was hat das jetzt mit deiner Familie zu tun?! Was soll das überhaupt?! Die Sache geht doch nur dich und mich etwas an und seit wann schert es dich, was deine Brüder davon halten?!“, schreie ich zurück und starre ihn verwirrt an. Ich fühle mich völlig überfordert. Dass unsere Beziehung jetzt nicht mehr so rosig ist wie am Anfang, war mir schon vorher klar. Dass es aber so ausartet, hätte ich nie gedacht. Er schreit mich einfach an, ohne mit mir vorher in Ruhe über die Probleme geredet zu haben. Warum hat er das nicht schon vorher oder zumindest gestern mit mir geklärt, anstatt seine Wut so lange anstauen zu lassen. Noch dazu gibt er mir für alles Schuld, doch er ist auch kein Unschuldslamm, was ich ihm nun an den Kopf werfe: „Und außerdem Freundchen hast du dich auch oft nicht bei mir blicken lassen, wenn ich mal Zeit hatte! Wie oft habe ich schon auf dich warten müssen und du bist nicht gekommen. Ich habe mich aber nie beschwert, weil ich genau gewusst habe, dass du auf Patrouille bist und dass das einfach ein Teil von deinem Leben ist! Also hör auf, mir den schwarzen Peter zuzuschieben!“

„Niemals hätte ich gedacht, dass eine Beziehung so schwer sein könnte. Ich habe alles für dich getan, doch du lässt mich einfach im Stich!“, wirft er mir vor und nun reicht es mir endgültig. Ich sehe nur noch rot. „Wenn du wirklich so von mir denkst, dann sollten wir es vielleicht besser sein lassen!“, brülle ich zurück, ohne dass ich auch nur eine Sekunde gezögert hätte. Ich bin einfach nur noch wütend auf ihn und ich denke auch gar nicht mehr daran, mich zu beruhigen, während ich ihm aufgebracht in die Augen blicke. Doch was ich dafür bekomme, erschüttert mich im nächsten Augenblick. Raphael sieht mich nun sprachlos an. Als wäre gerade sein Herz in tausend Stücke zersprungen und erst jetzt realisiere ich, was da gerade eben gesagt habe. Doch nun ist es zu spät und genau das zeigt mir seine Mimik. Schließlich verfinstert sich Raphaels Blick. Ich warte nur noch darauf, dass er etwas erwidert. Jedoch bleibt sein Mund geschlossen. Stattdessen ballt er seine Hände zu Fäusten, dreht sich mit einem Schwung von mir weg und läuft schnaufend los. Mich dagegen hat nun die Panik gepackt. „Raphael! Warte!“, flehe ich ihn, damit er stehen bleibt, aber er ist schon so weit weg. Ich weiß nicht einmal, ob er mich noch gehört hat. Er ist einfach auf und davon und so stehe ich allein auf dem Dach und sehe verzweifelt meinen Liebsten hinterher, bis er nun endgültig in den nächsten Gebäuden verschwunden ist.

Was habe ich nur getan? Ich habe das doch so nicht gemeint. Es ist mir einfach so rausgerutscht. Ich war so wütend, sodass ich nicht wusste, was ich da sagte. Niemals wollte ich ihn verletzen, oder gar unsere Beziehung beenden. Ich liebe ihn doch und nun ist es zu spät. Die ersten Tränen kullern mir über die Wangen und ich wische sie mir sofort weg. Nein, so schnell gebe ich nicht auf. Das will ich einfach nicht! Schon zücke ich das schwarze handyähnliche Teil aus meiner Jackentasche und versuche ihn zu erreichen. Ich muss ihm erklären, dass ich das nicht so gemeint habe und dass ich unsere Beziehung nicht einfach so aufgeben will. Jedoch geht er nicht ran. Er drückt mich sogar weg. Egal wie oft ich es versuche, ich komme nicht zu ihm durch. Ich spreche sogar auf seine Mailbox und schreibe ihm zusätzlich noch eine Nachricht. Vielleicht erreicht ihn das, aber momentan bin ich einfach nur zu aufgewühlt, als dass ich wirklich klar denken kann. Ungeduldig gehe ich sogar auf dem Dach auf und ab. Immer wieder sehe ich auf den Bildschirm und warte auf eine Reaktion. Jeder Moment kommt mir dabei wie eine Ewigkeit vor und ich werde immer unruhiger. Doch als nach einer halben Stunde immer noch keine Antwort von ihm kommt, versuche ich es ein weiteres Mal. Doch wieder kann ich nur die Mailbox erwischen. Mehrere SMS schreibe ich ihm und versuche mich für mein Verhalten zu entschuldigen, aber es nützt alles nichts. Raphael ist einfach weg und ich stehe hier alleine da. Was mache ich nur? Ich wollte doch nicht, dass es soweit kommt und nun stehe ich inmitten im Scherbenmeer. Weitere Tränen kommen zum Vorschein und diesmal kann ich sie nicht mehr unterdrücken.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Mad-Dental-Nurse
2016-07-23T10:54:56+00:00 23.07.2016 12:54
Ohje der erste Streit auch noch mit so einem Ausgang...hoffentlich finden sie sich wieder...
Antwort von:  Pamuya_
23.07.2016 20:05
Naja, der erste Streit würde ich nicht so sagen, aber es ist nun mal passiert. Wie es weitergehen wird, wird sich noch zeigen
Antwort von:  Mad-Dental-Nurse
24.07.2016 21:54
naja...das nenne ich einen echten streit...und dachte nur...oh weia...
Ich will nicht zu viel verraten aber im nächsten Kapitel kühlt sich das Verhältniss zwischen Jade und Raph auch ein wenig ab...
Antwort von:  Pamuya_
25.07.2016 08:56
Ah, geht es etwa bald weiter? Ich freue mich schon darauf. ^^
Und das wegen dem Streit .... so ca. meinte ich das auch. Denn der erste Streit an sich ist es ja nicht, aber dafür schon der erste Heftige, was die Beziehung angeht.


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