Zum Inhalt der Seite

TMNT - Schicksal?

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Anders als zunächst gedacht

Aus Erzählersicht:
 

Wütend wird die Zimmertür zugeschlagen. Ein enormer Lärm hallt für kurze Zeit durch den Raum, wodurch auch einige Gegenstände betroffen sind. Wie von einer unsichtbaren Hand geführt, wackeln sie durch diesen Gewaltakt, können aber noch unbeschadet stehenbleiben, ehe sie durch die Schwerkraft zu Boden gestürzt wären. Aufgebracht und schnaufend schleudert Lucinda ihre Tasche von sich und schmeißt sich mit voller Wucht auf ihr Bett. Sofort greift sie nach einem Polster, drückt diesen fest auf ihr Gesicht und schreit, als wäre ihre gerade der Weltuntergang passiert. „Dieses verdammte Miststück! Das soll sie mir büßen! … Ich werde sie umbringen! Für jede weitere Sekunde, die ich mir wegen ihr antun muss, wird sie bluten! Ich werde ihr solange den Hals umdrehen, bis ihr Genick wie ein dürrer Zahnstocher zerbricht und sie keinen einzigen Ton mehr aus sich herausbringt!“, schreit und flucht sie, nachdem sie das weiche Ding wieder von sich gerissen hat. Doch obwohl der Polster, welchen sie zunächst als „Schalldämpfer“ missbraucht hat, nichts dafürkann, krallt das Mädchen nun mit den Fingernägeln tief hinein und schleudert den gefüllten Bezug von sich. Augenblicklich knallt er gegen die nächste Wand, ehe sich Lucinda wieder auf ihr Bett fallen lässt. Kurz liegt sie so da, bis sie sich wieder auf dem Rücken dreht und wutentbrannt zur Decke hinaufstarrt. Immer wieder entweicht aus ihrer Kehle ein Schnauben, als wäre sie selbst ein Stier, welches sich zum Kampf bereitmacht. Doch innerlich steckt sie bereits mittendrin.

„Dieser Kampf mag vielleicht diesmal zu deinen Gunsten ausgefallen sein, doch der Krieg ist noch lange nicht vorbei. Ich kriege dich noch und wenn das das Letzte ist, was ich tue!“, murmelt sie, während sie ihren Blick keinen Moment lang davon abwendet. Stattdessen ist sie in ihren Gedanken versunken und lässt dabei sowohl den heutigen Tag, wie auch die vergangenen Wochen durch ihren Kopf gehen. Wie unerträglich diese für sie geworden sind. Nicht nur, dass nun sämtliche Lehrer in Alarmbereitschaft sind, auch die Schüler haben sich den neuen Bedingungen an der Schule anpassen müssen. Ein Gewaltpräventionskurs ist nun im Gange und jeder Einzelne ist dazu verpflichtet, an diesen Seminaren und dessen Übungen teilzunehmen. So betrifft dies auch Lucinda, die bis jetzt keine Möglichkeit gefunden hat, um sich davor zu drücken. Stattdessen muss sie nach dem Unterricht zwischen ihren Kameraden hocken und sich die Worte des Mentors antun, welcher für sie noch öder erscheint, wie so mancher Professor an dieser High-School. Dass sie aber eigentlich dabei lernen soll, wie sie auf ihre Mitmenschen zugeht und sogar auf sie eingeht, interessiert sie überhaupt nicht. Auch wenn sie sich den Willen ihres Vaters beugen muss, der ihr eingeschärft hat, momentan die Füße still zu halten, bis er einen neuen Plan entwickelt hat, sie will einfach nicht.

Scheinbar alles in ihr weigert sich, auch nur für eine Millisekunde das zu verinnerlichen, was sie an jenen Stunden hat hören müssen. Es ist schwer für sie, diese Übungen aus ihrem Gedächtnis zu verbannen und trotzdem kämpft sie weiterhin dagegen an. Wie ein Ohrwurm geistern seine Sprüche durch ihren Verstand und allein der Gedanke an die Vertrauensübungen lassen ihr das Essen wieder hochkommen. Dafür gibt sie Bernadette die Schuld. Auch wenn die Blondine dieses Mädchen bloßgestellt hat, so wird sie selbst nicht nur bald vor Gericht gezerrt, sondern sie muss auch noch ihre kostbare Zeit mit diesem Unsinn verplempern. So sieht sie es und jede einzelne Sekunde davon lässt den Hasse ihrer Feindin gegenüber nur noch weiter anwachsen. Am liebsten hätte Lucinda neue Wege eingeleitet, um ihren Zorn freien Lauf zu lassen, doch seitdem Bernadette die Schule gewechselt hat und sie selbst sogar auf ihre Schritte aufpassen muss, kann sie nicht so einfach ihre Rache ausüben. Als würde sie das verhasste Mädchen von Weiten beobachten, während eine unsichtbare Wand sie beide voneinander trennt. Zwar könnte sie aufs Neue das Zuhause der Dunkelhaarigen aufsuchen, doch davor hat ihr Vater sie gewarnt. Würde auch nur einer mitbekommen, dass sie wieder etwas vorhat, so könnte er ihr nicht mehr helfen. „Sammle deine Gedanken, ehe du zur Tat schreitest. Deine Rachegelüste müssen warten, bis der richtige Zeitpunkt gekommen ist.“, waren seine Worte und Lucinda verabscheut dieses unerträgliche Warten.

Dabei stellt die Wütende schon seit ihrem letzten Treffen mit ihrer Feindin vor, wie sie diese bis aufs Blut quälen würde. „In der Hölle sollst du schmoren. Warte nur, du sollst meine Rache spüren. Denn niemand legt sich ungestraft mit Lucinda an! Das schwöre ich!“, murmelt Lucinda und seufzt schließlich genervt auf. Sie muss einen Plan schmieden, auch wenn es ihr Vater verboten hat. Zu viel Zorn steckt in der Seele dieses Mädchens, als dass sie sich davon abhalten lassen will und diesmal will sie dafür sorgen, dass keiner sie in Verdacht hat. Sie muss aber dabei jemanden finden, der nicht nur für sie die Drecksarbeit macht, es muss alles schnell und im richtigen Moment ablaufen. Nie wieder will sie es zulassen, dass ihr ein weiterer Fehler passiert. Lucinda will härtere Geschütze auffahren und diesmal will sie sich nicht mit Einfallspinseln und Möchtegern-Nerds abgeben. Sie braucht Profis für diesen Job und mit Hilfe des Familienmottos will sie ihren Plan in die Tat umsetzen. Denn wie heißt es so schön: „Aktion folgt auf Reaktion und Reaktion folgt auf Aktion.“ Genau das will sie auch befolgen und diesmal setzt sie alles daran, um es ihren Vater zu zeigen. Lucinda überlegt sich ganz genau, welche Schritte sie als Erstes befolgen muss. Schließlich muss sie besonders bis zum Prozess auf der Hut sein und sollte Bernadette davor etwas passieren, wird sie automatisch verdächtigt werden. Das heißt, dass sie neben den geeigneten Leuten ein wasserdichtes Alibi braucht.

„Wie stelle ich das am geschicktesten an?“, fragt sich die Blondine und überlegt weiter: „Auf der einen Seite soll ich laut Dad dieses Miststück einschüchtern. Doch wie soll ich das anstellen, wenn er mir verbietet, auch nur einen Finger zu krümmen? Soll ich etwa warten, bis es zu spät ist? Nein, ganz gewiss nicht! Ich habe zwar ordentlich viel Druck am Nacken, aber so leicht werde ich nicht aufgeben. Irgendwie werde ich es vor dem Gerichtstermin schaffen, dass diese Bitch einknickt und erst gar nicht erscheint. Und wenn es mal soweit ist, dann … dann werde ich die Sache zu meinen Gunsten drehen. Du wirst schon sehen Möchtegern-Französin, dein „Sieg“ wird nicht lange von Dauer sein.“ Noch ist Lucinda nicht wirklich etwas eingefallen, was sie gegen ihre Feindin anwenden könnte. Bereits einige Tage hat sie Pläne gebrütet, doch ohne die richtigen Leute verliefen diese in der Theorie meist in einer Sackgasse und wurden daher wieder verworfen. Es muss schleunigst ein Plan her, mit dem die Blondine es Bernadette zeigen könnte. Die Zeit, die ihr dafür bleibt, ist allerdings kostbar, weswegen sie diese nicht mit absurden Ideen verschwenden will. Allerdings will ihr nichts einfallen, womit sie ihr Ziel erreichen könnte. Selbst ihr Dad ist momentan als Anwalt viel zu sehr mit einem Mitglied der Purple Dragons beschäftigt, als dass er eine große Stütze für sie wäre. Mit den Worten „Ich werde das schon regeln.“, hat er sie einfach aus dem Büro geworfen, während dort der Typ mit dem Tattoo am Hals saß und genervt wartete. „Moment!“, kommt es nun aus ihr, wie aus der Pistole geschossen. Ihre Augen weiten sich, bis sich ihr Mund nun zu einem boshaften Grinsen umwandelt. Ein leises Lachen löst sich aus ihrer Kehle, welches schließlich lauter wird und kurz darauf im ganzen Haus zu hören ist. Nun endlich hat sie einen Plan.
 

Aus Raphaels Sicht:
 

Am liebsten wäre es mir, wenn die Sache wegen dieser Lucinda endlich mal vom Tisch wäre. Soweit ich aber gehört habe, wird es noch einige Zeit dauern, bis diese Gerichtsverhandlung endlich stattfinden wird und das kapiere ich einfach nicht! Wieso brauchen die Menschen nur so lange? Es ist doch bereits bewiesen, dass das Miststück sowie auch noch ein paar Weitere von diesen Schwachmaten etwas damit zu tun haben. Was brauchen die da noch, damit endlich Gerechtigkeit herrscht? Es ist echt nicht zu fassen, dass selbst bei einem normalen Zivilgericht es mindestens drei bis vier Monate dauert, bis überhaupt solch eine Verhandlung stattfindet! Kann man das nicht irgendwie vorziehen und beschleunigen? Ich meine, es handelt sich hier schließlich nicht um eine lächerliche Angelegenheit, wie zum Beispiel um Ruhestörung oder so. Hier wurde das Leben eines Menschen terrorisiert und das noch mit verschiedenen Mitteln und auf längerer Zeit. Wie stellt sich das Rechtsystem das nur vor? Soll Bernadette etwa abwarten und Däumchen drehen, oder was glauben diese Anzugträger, die keine Ahnung vom Leben in dieser Stadt haben. Meine Brüder und ich sehen es ja, wie es wirklich auf den Straßen zu geht. Auch wenn wir hauptsächlich nachts agieren, so entgeht uns nicht, was über uns so alles abgeht.

Sind wir etwa wirklich die Einzigen, die etwas unternehmen wollen, oder schlafen diese Pappnasen einfach in ihren Sesseln? Auch wenn wir nur nachts die Stadt von so manchen Idioten beschützen können, so unternehmen wir mehr, als was diese Sturböcke jemals getan haben. Am schlimmsten sind für mich aber diese Anwälte, die mich zur Weißglut bringen. Sie sind einfach nichts weiter als überteuerte Rechtsverdreher, die einfach nur die Kohle und die eigene Karriere im Kopf haben. Dass sie aber eigentlich eine Aufgabe haben und zwar meine ich, dem Recht zu unterstützen, so entgeht mir nicht, dass viele von ihnen eher auf der anderen Seite arbeiten. Auch wenn das nicht auf alle zutreffen sollte, so gibt es leider genug von dieser Sorte und diese sollten verdammt noch mal ihren Arsch hochkriegen und endlich einmal ihren Job richtigmachen. Allein der Gedanke daran, dass der Vater dieser Bitch auch noch zu denen gehört, bringt mich zum Überkochen. Donnie musste mich runterbringen, nachdem er mir davon erzählt hatte, aber da muss man doch verrückt werden! Denn hat Bernadette nicht schon genug um die Ohren?! Muss sie etwa in dem Punkt auch noch Pech haben?! Zwar meinten die anderen, dass es keinen Unterschied machen würde, ob der Anwalt in der eigenen Familie ist, oder nicht, da sich diese Lucinda ohnehin jede noch so teure Version davon leisten könnte, aber trotzdem ist es nicht fair!

Ich habe mal das Genie darauf angesetzt, diesen Schlipsträger mal auf dem Zahn zu fühlen und tatsächlich hat der Schlauberger dabei etwas Interessantes herausgefunden. Zwar hat es meine Stimmung dazu keineswegs verbessert, aber ich habe nun ein klares Bild von diesem Idioten. Dank ihm sind bereits sämtliche Verbrecher wieder auf freiem Fuß und unter anderem sind sogar Handlanger der Purple Dragons aufzufinden. Wie schafft dieser Mistkerl das nur? Wie kann er den Richter, oder die Geschworenen so überzeugen, sodass seine Mandanten höchstens nur mit geringen Strafen davonkommen? Wo ist hier die Gerechtigkeit und das ist eines der Themen, mit denen ich auch mit meinen Brüdern ständig diskutiere. Wobei ich mit Leo dabei öfters ins Wortgefecht komme. Auch jetzt ist wieder solch eine Situation, bei der mir der Anführer gehörig auf die Nerven geht: „Du kannst jetzt nichts tun Raphi! Das müssen jetzt die Behörden klären.“ „Dafür scheinen die aber eine Ewigkeit zu brauchen!“, argumentiere ich darauf, doch Leo schüttelt dabei seinen Kopf, als er erwidert: „Das mag vielleicht sein, aber glaubst du in allen Ernst, dass sich was ändern wird, wenn du Tag für Tag herummeckerst?“ „Wie wäre es, wenn wir den Verantwortlichen mal ein bisschen „nachhelfen“, dann würden die vielleicht endlich mal in die Gänge kommen, anstatt auf der faulen Haut zu sitzen!“, knurre ich und halte dabei meinem Bruder drohend die Faust entgegen.

Der hat doch keine Ahnung, wie schwer es für mich ist, dumm rumzustehen, während nichts weitergeht. Ich will verdammt noch mal, dass meiner Freundin endlich geholfen wird, anstatt dass sie mit Warten und irgendwelchen Versprechungen vertröstet wird und wenn diese Anzugträger mal nicht langsam in die Gänge kommen, dann werde ich nachhelfen! Sie sollen die Sache gefällig mal ernstnehmen. Ist denn das wirklich zu viel verlangt?! „Jungs, jetzt hört endlich auf! Es ist schon schwer genug, eure Streitereien vor Bernadette zu runterzuspielen. Sie fragt schon die ganze Zeit danach und wenn ihr so weitermacht, wird das wieder genauso eskalieren wie beim letzten Mal, wo sie und Raphi noch nicht einmal ein Paar waren.“, mischt sich nun Donnie von den billigen Plätzen aus ein. So ungern ich es auch zugebe, aber irgendwie hat er Recht. Ich habe nämlich genauso wenig Bock darauf, dass es so ähnlich kommt, wie es an diesem einen verregneten Tag war, an dem ich wegen Leo förmlich explodierte. Zwar ging es am Ende gut aus und mein Engel und ich kamen sogar nach dem „Missverständnis“ zusammen, aber diesmal ist die Situation etwas anders und wer weiß wie es diesmal ausgehen wird. Würde ich dabei nicht an Bernadette denken, so wäre mir das herzlichst egal und ich würde mich sofort auf den Dummschwätzer stürzen. Meine Freundin hat wegen dieser Sache schon genug Sorgen. Auch wenn zu ihrem Glück die neue Schule nun leichter verdaulich ist. Da will ich es nicht noch mehr verschlimmern.

Dabei scheint das Genie des Teams selbst keine Lust auf unsere „Diskussion“ zu haben. Ihm reichen schon die ständigen Zankereien, die wegen der Beziehung immer noch ihre Runde machen und das betont er auch jetzt wieder: „Also fahrt endlich runter, bevor ihr den Mund aufmacht. Ich will nicht schon wieder „Scherbenaufsammeln“ gehen.“ Was er damit meint, ist ganz klar, auch wenn sein Sarkasmus eher dürftig ist. Dennoch gibt es nun mal Dinge, die keinem von ihnen etwas angeht und damit meine ich besonders meine Beziehung zu Bernadette. Leider muss sich unser Anführer pausendlos einmischen, was das betrifft und dabei sind es doch meine Angelegenheiten! Seine ständigen Befürchtungen, dass unser Verhältnis negative Folgen für allesamt haben könnten, ist nicht nur lächerlich, sondern auch völlig unbegründet. Wie will er das überhaupt wissen?! Hat er etwas schon mal eine Freundin gehabt?! Wohl kaum, aber er tut so, als wüsste er über alles Bescheid und könnte mir demnach seinen Stempel aufdrücken! Tja, da ist er wohl bei der falschen Adresse! Ich ziehe mein Ding durch und ich werde auch irgendwie einen Weg finden, Bernadette zu unterstützen. Ich werde meinen Engel auf gar keinen Fall im Stich lassen, auch wenn er weiterhin seine Bedenken hat.

Seine Zweifel ihr gegenüber gehen mir sowas auf dem Keks. Als würde ich das Ganze auf die leichte Schulter nehmen. So ein Schwachsinn! Er hat keine Ahnung und trotzdem reibt er es mir ständig die Nase, dass ich blauäugig sei. Bernadette würde eines Tages ihre Meinung zu unserer Beziehung ändern, weil sie sich vielleicht eine Zukunft mit mir als Schildkrötenmutanten nicht vorstellen könnte. Als würde sie das jemals tun. Nein, sie liebt mich und ich liebe sie! Was gibt es da nicht zu verstehen?! Auch wenn ich ein Mutant bin und sie Mensch ist, ändert es nicht an der Tatsache, dass wir beide zusammenbleiben wollen! Was rege ich mich auf. Egal wie ich es drehe und wende, mein Bruder mit der blauen Maske wird es ohnehin nicht checken. Dafür ist er viel zu blind und er ist zudem noch eifersüchtig, dass er dieses Gefühl bisher noch nie erfahren durfte. Selbst die anderen beiden haben es geschnallt, auch wenn es bisher Tage gab, an denen ich nicht mehr so sicher war, aber daran möchte ich jetzt nicht denken. Wenn Leo nur wüsste, wie das wäre, würde er nicht so große Töne spucken und uns nicht ständig im Weg stehen. Apropos im Weg stehen, durch das mein verehrter Bruder mit der blauen Maske und ich uns schon wieder so nah sind, uns gegenseitig an die Gurgel zu gehen, geht Donnie schließlich zwischen uns und drängt uns mit einem scharfen Unterton auseinander: „Jetzt hört endlich auf! Ihr benehmt euch ja wie die kleinen Kinder!“

Leo murmelt irgendetwas Unverständliches vor sich hin und verzieht sich schließlich in sein Zimmer. Mir soll es reicht sein, sonst hätte er mir wahrscheinlich schon die nächste Predigt an den Kopf geworfen, oder mir sonst irgendetwas aufgetischt. Wenn da nicht zwischendurch vielleicht sogar die Fetzen geflogen wären. Auf einem Kampf bin ich immer vorbereitet und das weiß er auch. Am liebsten hätte ich Leo noch einiges in dieser Richtung nachgerufen, als Mikey auf einmal mit seinem Skateboard an mir vorbeirauscht. Gekonnt und mit einem ordentlichen Schwung kippt er das Board, wodurch er mit einer „akrobatischen“ Bewegung zum Stillstand kommt. Schon wendet er seinen Blick zu mir und grinst mich an: „Hey Bro, ich dachte, du wärst bereits weg. Wolltest du nicht deine Chika abholen? Oder hat sie heute wieder keine Zeit?“ Anstatt ihm darauf zu antworten, rümpfe ich nur meine Nase und knurre kurz. Für heute habe ich einfach genug und Mikey ist es momentan nicht wert, dass ich mal eine Abreibung verpasse. Da bin ich viel zu sehr auf unseren anderen Bruder sauer und außerdem habe ich es ohnehin vorgehabt, demnächst die Biege zu machen. Bernadette wartet sicher schon auf mich und bevor ich mir auch nur weiter Gedanken darübermache, dass ich es eigentlich hasse, wenn er mein Mädchen als „Chika“ bezeichnet, verschwinde ich lieber.

Soll er doch vor den anderen seine Sprüche klopfen, ich habe was Besseres zu tun. Auch wenn es mir manchmal lieber wäre, man könnte seine große Klappe einfach zukleistern. Wahrscheinlich wird er es aber trotzdem in kürzeste Zeit schaffen, diesen wieder aufzureißen und dann geht die ganze Scharade wieder von vorne los. Das Schlimmste ist, dass er es trotz seiner bescheuerten Sprüche immer wieder schafft, einen bestimmten Punkt anzusprechen und ich glaube, dass er das nicht einmal merkt. In letzter Zeit hatte Bernadette tatsächlich weniger Zeit für mich. Seit sie diesem komischen Club beigetreten ist und sogar diesem „Seelsorgerverein“ einen Besuch abstatten muss, hat sie nicht nur neue Bekanntschaften gemacht, sondern blüht bei diesem Unsinn bezüglich ihrer Bücher auch richtig auf. Immer mehr ist sie mit Schreiben beschäftigt und sooft ich sie auch besuche, sitzt sie meistens an ihrem Schreibtisch und kritzelt an irgendetwas herum. Wenn das mal nicht ist, hängt sie vor ihrem Laptop ab, oder schmökert in irgendeinem Buch. Das Letztere hat sie zwar schon vorher gemacht, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass sich das nun verstärkt hat. Es sind sogar Nächte dabei gewesen, an denen sie lieber in ihrem Zimmer bleiben wollte, anstatt mit mir die Stadt zu erkunden. Zwar verbrachten wir diese Zeit auch schön, aber es ist irgendwie nicht mehr so wie früher.

Ach was, ich sollte mich besser für Bernadette freuen, dass es mal für sie ein bisschen bergauf geht, auch wenn es nicht alles betrifft, was ihr Leben angeht. Zumindest redet sie nicht mehr sooft von diesem Miststück namens Lucinda. Das Thema quält sie auch so weiter und da bin ich für jede Ablenkung dankbar, die ihr widerfährt. Dennoch lässt es sich nicht leugnen, dass mir an der Sache etwas nicht gefällt. Ich weiß nicht warum, aber auch jetzt habe ich wieder so ein komisches Gefühl, was ich nicht wirklich erklären kann. Es fühlt sich so an wie ein seltsames Ziehen, welches sich langsam in der Brust ausbreitet, aber vielleicht liegt es noch meinem Groll wegen Leo. Der Typ kann es nun mal nicht lassen, mir auf dem Wecker zu fallen. Ach, ich sollte schleunigst zusehen, dass ich endlich zu ihr komme. Gesagt, getan, ich beschleunige mein Tempo und angle mich nach der kurzen Tour innerhalb der Kanalisation an den Wänden, wo der Weg anschließend über den Dächern weitergeht. Schließlich komme ich wenig später an mein Ziel an und klopfe an die Fensterscheibe. Jedoch rührt sich nichts. Durch dass die Vorhänge wieder zugezogen sind, kann ich nichts erkennen. Hat sie etwa vergessen, dass ich komme? Um besser sehen zu können, drücke ich mich gegen die Scheibe, bis ich schließlich bemerke, dass das Fenster gar nicht geschlossen ist. Vielmehr ist der Rahmen nur mit einem Keil eingeklemmt.

Ach, soll ich mich also selbst hereinbitten? Leicht verwirrt, aber auch schulterzuckend öffne ich mir selbst und klettere in das Zimmer. Kaum dass aber meine Füße den Boden berühren und ich zur Seite blicke, entdecke ich meine Liebste in ihrem Bett. Mit einem offenen Notizbuch auf ihrem Oberkörper und bei einer brennenden Lampe scheint sie wohl eingeschlafen zu sein. Ich muss in diesem Augenblick schmunzeln, als ich sie so sehe. Etwas verdreht liegt sie da, den Kopf auf einem Arm gelegt und die Beine leicht abgewinkelt. Hat sie es wieder einmal dem Schreiben übertrieben? Kopfschüttelnd grinse ich vor mich hin, während ich auf leisen Sohlen zu ihr hinschleiche und mich sachte auf die Bettkannte setze. Dabei stütze ich mich vorsichtig mit einer Hand bei der Matratze ab und beuge mich leicht zu ihr. Mein Blick ist immer noch auf ihr Gesicht gerichtet und ich genieße es förmlich, sie beim Schlafen zu beobachten. Es gibt keinen Zweifel, dass ihr Spitzname nur gerechtfertigt ist. Denn selbst beim Träumen sieht sie wie Engel aus. Ihre zärtlichen Lippen, ihre helle Haut, einfach alles an ihr lässt diesen Eindruck auf mich wirken. Es fehlen eigentlich nur noch die passenden Flügel dazu. Schnell kann ich mich noch kopfschüttelnd aus meinem „Wachtraum“ herausreißen, ehe ich sie noch länger angestarrt hätte. Wer hätte gedacht, dass ich jemals dazu fähig wäre, solche schnulzigen Momente zu erleben und diese auch irgendwie zu genießen. Ich verliere mich ja förmlich darin.

Früher war es doch auch nicht so, aber es muss tatsächlich stimmen, dass die Liebe das Leben vollkommen auf dem Kopf stellt. Ich lächle bei diesem Gedanken und nehme vorsichtig das Notizbuch von ihrer Brust. Doch kaum habe ich das getan, schon fängt Bernadette an, sich zu bewegen. Anscheinend ist sie in einer Art Dämmerschlaf und meine Handlung scheint bei ihr irgendetwas ausgelöst zu haben. Nun wirkt sie etwas unruhig, öffnet aber nicht ihre Augen. Stattdessen tastet sie sich mit ihrer freien Hand herum, bis sie nach einer Weile meine Finger berührt. Wie auf Kommando verändert sich ihre Mimik. Sie lächelt und murmelt etwas Unverständliches vor sich hin, bis sie schließlich die Augen öffnet und Kopf etwas hebt. Blinzend sieht sie mich an und fragt: „Träume ich noch?“ Theoretisch hätte jetzt sagen können: „Dann träumen wir beide.“ Ich sage aber nichts dergleichen. Stattdessen beuge ich mich noch tiefer zu ihr runter, küsse sie und frage sie stattdessen: „Ist das auch nur geträumt?“ Bernadette grinst mich leicht kopfschüttelnd an, erhebt sich von ihrer jetzigen Position und schlingt ihre Arme um mich, während sie nun an der Reihe ist mich zu küssen. Schließlich löst sie sich wieder von mir und meint gähnend: „Tut mir leid, dass ich dir nicht geöffnet habe. Ich muss irgendwann eingenickt sein.“ Wenn sie ja ständig an diesem Literaturquatsch arbeitet, wäre das auch kein Wunder. Jedoch formuliere ich das etwas anders: „Warst wohl wieder mit Schreiben beschäftigt?“

Zu meiner Überraschung verneint sie meine Frage: „Nein eigentlich nicht. Ich musste für meinen morgigen Test lernen. Du weißt ja, dass die Sommerferien bald vor der Tür stehen und da bekommen manche Professoren die Panik. Sie glauben, dass sie uns unbedingt noch etwas ins Hirn reinquetschen müssen.“ Ich sehe sie skeptisch an. Zwar hat sie irgendwann mal in der nächsten Zeit Ruhe von der Schule, aber ich hatte eher erwartet, dass Bernadettes Müdigkeit mehr mit diesem Literaturclub zusammenhängt. Außerdem hatte ich eigentlich gedacht, dass sie derweil noch sowas wie eine Gnadenfrist auf ihrer neuen High School hat. Immerhin sollten die Lehrer wegen dem Grund des Schulwechsels Bescheid wissen und so lange ist dieser auch nicht her. Da können diese Pfeifen doch keine Bestnoten und supertolle Leistungen von ihr verlangen. Als ich meinen Engel darauf anspreche, erwidert sie nur: „Das mag auf die meisten der Professoren schon zutreffen, aber meinem Physiklehrer war das von Anfang an egal. Er hatte mir schon vom ersten Tag an mitgeteilt, dass ich keine Extrawurst von ihm zu erwarten habe und bei dem muss man wirklich pauken. … Wie ich sehe, hast du gerade meine Notizen.“ Sie zeigt auf das Notizbuch, welches ich noch in der Hand halte. Ich lege es jedoch zur Seite und will sie schon auffordern, mal die Schule kurz zu vergessen. Bernadette ist nicht dieser Meinung: „Sorry Raphael. Auch wenn ich jetzt wieder wach bin und mich wirklich freue dich zu sehen, bin ich doch ziemlich ausgelaugt. Ich würde mich jetzt lieber hinlegen, sonst schlafe ich beim morgigen Test noch ein.“ Enttäuscht sehe ich sie an. Das habe ich nämlich nicht erwartet.

Eigentlich wollte ich mit ihr wieder etwas unternehmen. In letzter Zeit wurde das immer mehr vernachlässigt. Entweder konnte ich wegen der Patrouille nicht, oder Bernadette hatte aus irgendeinem Grund keine Zeit, oder war einfach zu müde. So wie es auch jetzt wieder einmal der Fall ist. „Es tut mir wirklich leid. Sei mir bitte nicht böse. Wir holen das auf jeden Fall nach, versprochen.“, fügt Bernadette schließlich entschuldigend hinzu, während ich kurz ihre rechte Hand auf meiner linken Wange spüre und anschließend einen flüchtigen Kuss auf die Lippen bekomme. Das heißt jetzt wohl „Gute Nacht“, was mich ein weiteres Mal enttäuscht. Um dies aber nicht zu zeigen, zwinge ich mich selbst zu lächeln, nicke und verabschiede mich anschließend. Nur ungern nähere ich mich dem Fenster und sehe noch einmal zurück, bevor ich seufzend hinausklettere und allein in die Dunkelheit verschwinde.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Mad-Dental-Nurse
2016-07-09T14:05:34+00:00 09.07.2016 16:05
Das grenzt ja schon an Bessenheit. Ich glaube die Gute Lucinda sollte mal die Herren mit den weißen Kitteln aufsuchen. Aber wenn sie wirklich so bescheuert ist, dann kann ich mir gut vorstellen, das sie das mehr in die Sch*** reitet sodass Daddy da nichts mehr drehen kann.

Ohje armer Raph. Sieht sich wohl etwas ins Hintertreffen geraten. Aber damit muss er auch rechnen, wenn sie einen Neustart macht und beginnt wieder auf zu blühen.
Antwort von:  Pamuya_
09.07.2016 17:10
Es grenzt wirklich schon an Wahnsinn, aber aus ihrer Perspektive fühlt sich Lucinda im Recht: Immerhin hat Bernadette es geschafft sich erfolgreich zu wehren, wodurch nun sie in der Öffentlichkeit bloßgestellt wurde. Das schürt nicht nur Rachegelüste, sondern sie erhält zusätzlichen Druck von ihrem Vater, der sie nun als schwach abgestempelt hat. Wer würde da nicht schön langsam dem Wahnsinn verfallen.

Was Raphael betrifft: Ein Neustart braucht nun mal Zeit und das sieht bei jeden unterschiedlich aus. Nur ist er schön langsam davon genervt. Schließlich hat er sowas noch selbst erleben müssen.
Antwort von:  Mad-Dental-Nurse
09.07.2016 17:49
da fragt man sich, was das für ein Vater ist...es gibt zwar eltern die ihre Kinder in eine Form pressen, in die sie nich passen, ob sie wollen oder nicht, aber das ist ja schon grenzwärtig...
Antwort von:  Pamuya_
09.07.2016 18:06
Bei manchen Menschen lässt sich die Psyche so leicht beeinflussen und gerade wenn Eltern ihren Kindern ständig irgendetwas einreden, dann glauben sie selbst daran und davon gibt es die unterschiedliches Grade


Zurück