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TMNT - Schicksal?

von

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Die letzte Warnung und ihre Folgen

Aus Bernadettes Sicht:
 

Eigentlich hätte ich es ja wissen müssen, dass es Raphael keine Ruhe lassen wird, wenn ich ihm von meinen Problemen erzähle. Er war schon bei mir zu Hause knapp dran, die betreffenden Personen aufzusuchen und sie aufzumischen. Jedoch hatte er keine Ahnung, wo er sie finden soll und ich bin auch ehrlich gesagt froh darüber. Zwar habe ich mir schon die ganze Zeit gewünscht, dass er mich in die Schule begleiten könnte, aber es geht nun mal nicht. Das ist mir klar und Raphael weiß das. Auch wenn mein Liebster mit dem großen Dickschädel es nicht akzeptieren wollte und es vermutlich auch jetzt noch nicht kann. Es schien mir aber, als wenn ihm seine Brüder diese Tatsache noch einmal verklickert hätten. Zumindest hätte die Situation demnach ausgesehen, obgleich Mikey als Einziger davon noch nichts gewusst hatte. Wie hätte er auch? Wir beide waren ja zunächst bei der „Skateboardrampe“, wo er mir etliche seiner Kunststücke gezeigt hatte. Daher wussten wir zunächst nichts von dem Gespräch der anderen drei. Hätte Mikey nicht die Idee gehabt, dass wir die anderen auch dazu holen könnten, wären wir beide nicht wieder ins Wohnzimmer zurückgegangen und hätten dann nicht mitbekommen, dass keiner von den anderen in der Nähe war. Ich hätte es am Anfang nicht für möglich gehalten, dass Raphael gemeinsam mit Leo und Donnie bereits an einem Plan schmiedete. Auch wenn im Grunde nicht wirklich etwas dabei rauskam.

Die Tatsache aber, dass es einige Personen in meinem Leben gibt, denen ich nicht egal bin, hat mich doch sehr berührt. Ich konnte es zwar bei ihnen nicht wirklich zeigen, da ich bereits schon mit dem Nerven erledigt war, aber dennoch weiß ich das sehr zu schätzen. Sie alle machen sich Sorgen um mich und nehmen sowohl mich, als auch meine Probleme ernst. Das finde ich ja nicht einmal in meiner eigenen Familie, weil jeder von ihnen mit sich selbst beschäftigt ist. Da konnte ich Raphael nicht lange böse sein, auch wenn mir seine Aktion nicht wirklich gepasst hat. Er hätte nicht einfach die Zettel mitnehmen sollen, ohne mir zumindest etwas zu sagen. Ich weiß zwar nicht, wie ich dann reagiert hätte, aber ich möchte das einfach nicht. Zumindest hatte er es mir dann ehrlich gestanden, ohne dass er sich dabei in irgendeine Lügenfalle verstrickt hätte. Es hätte zwar ohnehin nichts mehr geholfen, aber wegen der Tatsache, dass er mich mit meinen Problemen nicht alleine lassen will, kann ich ihm ohne Bedenken verzeihen. Dass aber weder er, noch seine Brüder wirklich etwas ausrichten können, bedrückt mich schon etwas. Wahrscheinlich wäre es etwas anderes, würde ich in der Nacht mitten auf der Straße von Lucinda höchst persönlich bedrängt werden. Doch da mein Problem in der Schule liegt, sieht die Sache ganz anders aus.

Wenn ich aber daran denke, dass sie mir trotzdem irgendwie helfen wollten, muss ich wieder ein wenig lächeln. Allein die Geste mit diesem seltsamen „Handy“ war wirklich lieb von ihnen. Nur ob ich wirklich etwas mit diesem Ding anfangen kann, weiß ich im Moment nicht. Es ist immerhin nichts weiter als ein mobiles Gerät, mit dem ich die anderen kontaktieren kann. Auch für die Jungs bin ich nun direkt erreichbar, aber selbst, wenn ich sie mal mitten am Tag anrufen sollte, was mache ich dann? Leo meinte nur, als ich dies nachher in die Runde einwarf, dass ich das Ding auch nutzen könnte, wenn ich einfach jemandem zum Reden bräuchte. Ich könnte dies jederzeit tun. Allerdings fühle ich mich nicht wohl bei dieser Sache. Es ist ja nicht so, als würde ich diesen Vorschlag ausschlagen, aber allein der Gedanke daran, dass ich vielleicht verkrampft in irgendeiner Ecke hocken könnte und sie mit dem Ding anrufen würde, macht mir irgendwie Angst. Ich weiß einfach nicht, was Lucinda nun wieder vorhat. Es wird mit Sicherheit bald wieder etwas auf mich zukommen, das weiß ich. Wann, wie und wo genau es passieren wird, bleibt allerdings im Dunkeln. Ich könnte noch Tage wie am Fisch am Haken herumzappeln, bis es endlich geschieht. Genauso gut, könnte es mich auch in einigen Minuten treffen. Dass ich nun in der Schule wieder auf der Hut sein muss, war mir schon heute Morgen klar, als ich ungewollt und deprimiert das Bett verlassen hatte.

Während ich in nun meine Gedanken wieder umherschweifen lasse, marschiere ich niedergeschlagen durch die Flure meiner High-School. Mit Rucksack und Sporttasche ausgestattet, wusle ich mich bei den anderen Schülern hindurch. Dass ich auch weiterhin absichtlich angerempelt werde, versuche ich einfach zu ignorieren und ich nutze meine große Tasche, um so den einen oder anderen Schlag etwas abzufedern. Eigentlich sollte ich das schon gar nicht mehr spüren, sooft mir das schon passiert ist, aber wer kann wirklich von sich behaupten, sich an sowas ganz gewöhnen zu können? Der- oder diejenige müsste dann eine Haut aus Stahl haben, aber davon bin ich meilenweit entfernt. Ich würde das nicht mal nach einem jahrelangen Training schaffen. Da hätte Raphael mit seinem Panzer wohl bessere Karten. Davon bin ich überzeugt. Ich will schon das nächste Klassenzimmer aufsuchen, als ich plötzlich von einer kräftigen Hand unsanft an der Schulter gepackt und im selben Augenblick zurückgerissen werde. Es geht so schnell, sodass ich zunächst nicht weiß, wie mir geschieht. Ich werde einfach gegen den nächsten Spind geschleudert und lande dabei so unsanft gegen den Haufen von Blech, sodass mir kurz die Luft wegbleibt. Nicht einmal mein Rucksack hat diesen „Schleuderwurf“ abgebremst. Im Gegenteil, ich spüre die dicken Bücher, welche sich in mein Kreuz bohren und würde mich nicht jemand dabei auch noch so fest gegen den Spind drücken, so hätte ich mich bereits von diesem Schmerz befreit.

Stattdessen habe ich für einige Millisekunden die Augen fest zusammengepresst und nach Luft geschnappt. Doch als ich wieder hinsehe, wer mich da gerade eben überfallen hat, erkenne ich einen rothaarigen Teenager, mit Sommersprossen und einem ziemlich stark beleibten Körper. Weiterhin seine rechte Hand grob gegen meine Schulter drückt, straft mich dieser Mistkerl mit einem vorwurfsvollen Blick. Als würde er tief in mir den Teufel sehen und diesen aus mir heraustreiben wollen. Mein Gesicht verfinstert sich, denn derjenige, der mir gerade so rabiat gegenübersteht, ist niemand Geringeres als einer dieser Verräter. Genauer gesagt, ist es Martin und wäre ich momentan imstande, so würde ich auf der Stelle kotzen! Es ist einfach kaum zu glauben, wie stark man sich verändern kann und in Martins Fall könnte sein voriges Ich mit seinem jetzigen Ich nicht unterschiedlicher sein. Er war doch so ein freundlicher, gutmütiger und gemütlicher Typ. Hatte das Herz am richtigen Fleck, zumindest glaubte ich das damals. Denn früher konnte man einfach zu ihm gehen, wenn man was brauchte. Egal zu welcher Tageszeit hatte er für seine Freunde ein offenes Ohr und selbst wenn er selbst nicht wusste, wie er einem helfen konnte, so lud er einem einfach zum Zocken ein. Das ließ nicht nur den Frust verrauchen, man konnte sich einfach ablenken und dann sah die Welt wieder vollkommen anders aus.

Doch nun steht ein völlig anderer Mensch vor mir. Nicht nur, dass der Rotschopf nun einige Kilos mehr auf den Rippen hat, sein fröhliches, beinahe kindliches Lächeln ist vollkommen verschwunden. Allein seine Augen drücken so viel Hass und Frustration aus, sodass man glauben könnte, er würde demnächst wie eine Bombe explodieren. Er knirscht sogar mit den Zähnen, als wolle er dabei etwas sagen. Allerdings kommt nichts weiter dabei heraus, als ein schnaubendes und knurrendes Geräusch. Jetzt würden nur noch die Reißzähne fehlen, dann würde er mit diesen sogar fletschen. Jedoch ist mir momentan alles andere als zum Scherzen zumute. Selbst wenn es sich gerade in meinem Kopf abspielt und eher zum schwarzen Humor zählt. Das ist einfach nicht zum Lachen und ich warte nur darauf, dass aus seinem verlogenen Maul mal etwas Anderes als dieses Knurren kommt. Denn dass er wie Madison von Lucinda geschickt worden ist, ist unbestreitbar. Da lege ich sogar meine Hand ins Feuer! Allein schon die Tatsache, dass die letzte Warnung noch gar nicht mal so lange her ist, spricht Bände dafür, dass nun die Fortsetzung folgt. Nicht nur das, es wird wieder einmal Salz in die Wunde gestreut und egal wie sehr ich das auch abstreite, es tut verdammt noch mal weh! Früher waren wir sechs ein Team, die besten Freunde und jetzt ist alles zunichtegemacht. Als hätte jemand einfach auf LÖSCHEN gedrückt.

Der Martin, den ich früher so sehr mochte, ist nun nichts weiter, als eine weitere Marionette in Lucindas Atelier. Wie Madison wird er mich nun dazu bringen wollen, meine Sturheit aufzugeben und wenn es sein muss, wird er mit Sicherheit nicht zögern und seine Faust für sich sprechen lassen. Im Gegensatz zu dem Rothaarigen hier ist aus Madison ein schüchternes und zurückgezogenes Mädchen geworden. Ständig hat sie ein trauriges Gesicht und ich konnte auch nicht mehr an sie rankommen, nachdem sie sich von mir abgewandt hatte. Sie hatte sich einfach eines Tages verschlossen und ich hatte keine Chance was dagegen zu tun. Auch sie tat nichts. Stattdessen lässt sie sich heute herumkommandieren, hat keinen eigenen freien Willen mehr und hat sogar mitgeholfen mir das Leben schwer zu machen. Dabei war sie früher so fröhlich, verspielt, hilfsbereit und manchmal sogar sehr lebhaft. Doch nun ist alles anders. Egal wen auch Lucinda mir weggenommen hat, jeder von ihnen hat seit dem einen völlig anderen Charakter. Das, was sie eigentlich ausmachten, ist wie weggeblasen. Stattdessen sind sie alle geblendet davon, dass die Art dieses Miststücks seine Richtigkeit hat und seitdem wollten sie auch mich auf diese Seite ziehen, was ihnen aber nie geglückt ist.

Martins Blick genau auf meine Augen fixiert, warte ich nur darauf, dass er etwas sagt, aber er tut nichts dergleichen. Er schaut mich einfach nur an. Doch egal wie strafend er mich ansieht, ich bin ihm keine Rechenschaft schuldig und so versuche ich mich nach einigen Atemzügen aus seinem festen Griff zu befreien. Es ist aber leichter gesagt, als getan. Denn dadurch drückt er nur noch weiter zu und nimmt sogar seine zweite Hand dafür. Schimpfend wehre ich mich dagegen: „Verdammt noch mal, lass mich los, du Arschloch!“ Am liebsten hätte ich ihn jetzt gerne gegen das Schienbein getreten, aber als ich es versuche, geht der Tritt nicht nur ins Leere, der Mistkerl stemmt sich nun mit seiner ganzen linken Seite gegen mich, wodurch ich wieder nach Luft schnappen muss. „Verpiss dich!“, schimpfe ich mit gequetschter Stimme. Ich bin so sauer, ich könnte ihm dabei den Hals umdrehen, aber während Martin noch immer kein Stück von mir ablässt, werde ich auch noch von einer zweiten Person verbal angegriffen: „Ach hör doch auf Bernadette! Es hat keinen Sinn sich zu wehren! Warum gibst du nicht endlich auf und ersparst uns das? Dann können wir gleich zu Lucinda gehen und die Sache ein für alle Mal beenden. Denn das, was du machst, ist echt lächerlich und ich habe es langsam satt, dass wir dir das ständig aufs Neue beweisen müssen!“

Mein Blick ist nun überrascht dem Mädchen mit der gebräunten Haut gerichtet, welche plötzlich auf der Bildfläche erschienen ist und sich einfach neben Martin dazugesellt hat. Während sie so mit mir gesprochen hat, spielt sie wie Lucinda höchst persönlich mit ihren dunklen Locken und sieht mich dabei noch so herablassend an. Innerlich spüre ich, wie der Zorn in mir keimt. Dass Amy schon immer eine leicht gehobene Art gehabt hat, ist mir damals schon bewusstgeworden. Es war ok, sie übertrieb es nicht und hatte zudem auch eine andere, sogar sensible Seite an sich, aber nun ist sie hochnäsig, arrogant und engstirnig. Das heißt, sie ist mindestens dreimal so schlimm wie früher und dass sie mich als „lächerlich“ hinstellt, macht mich rasend. So keife ich sie an: „Das trifft wohl eher auf euch zu! Lächerlich und dumm ist, dass ihr unsere Freundschaft in die Tonne geschmissen habt, nur damit ihr bei dieser blöden Sau ein ruhiges Leben führen könnt! …“ Plötzlich wird mir quasi die Luft weggeschnitten. Mit meinen Worten habe ich Martin anscheinend zur Weißglut gebracht. Denn schon zieht er mich ruckartig zu sich und schleudert mich gleich wieder gegen das Metall, sodass mir nichts anderes übrigbleibt, als mühselig nach Luft zur ringen. Dabei schreit er mich an: „Halt dein verlogenes Maul! Wer gibt dir das Recht so über uns zu reden! Wer dumm ist, bist wohl du und wenn du nicht gleich mitkommst, dann wirst du dein blaues Wunder erleben! Kapiert?!“

Ich weiß nicht, was gerade mehr wehtut. Mein Körper, oder doch die Tatsache, dass ich mich in einem wahrgewordenen Albtraum befinde. Wie konnte ich nur mit diesem verlogenen Pack überhaupt befreundet sein?! Allein die Erinnerung daran lässt mich erschaudern. Gemeinsam hatten wir so viel durchgemacht, gelacht und waren stets für einander da. Nun aber haben sie sich alle gegen mich gestellt und machen mich in Auftrag ihrer „Majestät“ fertig. Zorn, Wut, Verzweiflung, all jene Gefühle durchfluten gemeinsam mit der Angst meinen Körper. Eigentlich hätte so manch einer den Kopf hängenlassen. Allein schon wegen den Drohbriefen und dem Spind hätte ich allen Grund dazu, es wirklich zu tun. Doch alles in mir wehrt sich dagegen und das aus Leibeskräften. Neben dieser Flut aus Gefühlen will ich nur eines und zwar weg von hier! Amy und Martin warten nun darauf, dass ich endlich nachgebe, doch stattdessen spucke ich Martin einfach ins Gesicht. Überrascht und angewidert zugleich, lockert der Fass von einem Kerl seinen Griff und taumelt sogar ein Stück zurück. Selbst Amy ist von der ganzen Aktion abgelenkt und erschrocken zur Seite gesprungen, während ich die Situation ausnutze. So schnell ich nur kann, rutsche ich beim Spind entlang, drücke meine Sachen umso fester an meinen Körper und laufe so schnell, wie ich nur kann. Ich höre aber hinter mir, wie sie beide mir nachschreien: „Verdammt Bernadette! Das wirst du bereuen, hörst du?! Das wirst du noch bitter bereuen!“

Ohne auch nur für eine Sekunde zurückzusehen, renne ich einfach weiter. Dass ich den beiden nicht endgültig entkommen kann, ist mir leider klar. Nicht nur, dass wir einen ähnlichen Stundenplan haben, sie werden auch so einen Weg finden, um mich zu erwischen. Denn das schaffen sie immer, aber ich wollte einfach nur weg. Allein die Tatsache, dass die beiden mich direkt zu Lucinda schleppen und mich ihr quasi zum Fraß vorwerfen wollten, hatte gereicht. Amy, die Kopie von dieser Tussi höchstpersönlich, und Martin, ein aggressiver Fleischberg mit ungebändigter Kraft, hätten mich beinahe im Schlepptau gehabt. Es ist einfach nur beängstigend, wie eine einzelne Person so stark seine Mitmenschen unter Kontrolle hat. Martins Blick geht immer noch nicht aus dem Kopf. Wie er mich angesehen hat, so voller Hass. Als hätte ich ihm etwas angetan, wofür er mich nun büßen lassen wollte. Genauso stark hat er mich auch festgehalten. Bei Amy ist es nicht viel anders gewesen. Innerlich spüre ich noch, wie der Rothaarige mich gegen den Spind gedrückt hat. Als wäre ich immer noch dort und er würde mir ein weiteres Mal die Luft aus den Lungen quetschen wollen. Mein Herz bebt. Es ist einfach nicht zu leugnen, ich habe Angst, große sogar, aber was verdammt noch mal soll ich machen?! Allein habe ich gegen sie doch keine Chance! Ich bin ihnen zwar fürs Erste entkommen, aber wie lange wird das wohl anhalten?

Für den heutigen Tag bin ich nur froh, dass wir wieder einmal Sport haben. Auch wenn ich das System und die Methode meiner Sportlehrerin nicht begreife, kommt mir das Lauftraining gerade recht. Ich muss mich irgendwie abreagieren und etwas auspowern, sonst werde ich noch in diesem Haus verrückt! Diese Anspannung und dieses beschissene Gefühl, ständig auf der Hut zu sein, macht mich noch ganz krank! Als hätte das von letzten Mal nicht gereicht, treten sie alle noch auf mich ein! Nein, irgendwie werde ich auch diesen Tag überstehen. Ich habe es schon vorher mehr oder weniger geschafft, so werde ich auch das über die Bühne bringen. Zumindest hoffe ich das, aber bemühend, mich von meiner Angst nicht überwältigen zu lassen, konzentriere ich mich einfach nur aufs Laufen. Egal wie sehr es bereits in meinen Lungen brennt, ich quäle mich durch die Bahn. Selbst von der Professorin bekomme ich diesmal ein Lob zu hören, was allerdings nicht wirklich bei mir ankommt. Ihre Worte prallen einfach an mir ab, als müsste ich mich von allmöglichen äußeren Einflüssen schützen. Ich komme erst dann allmählich zur „Ruhe“, las mir bewusstwird, dass der Unterricht wieder vorbei ist und meine Mitschülerinnen und ich anschließend unter die Dusche gehen können. Dabei warte ich absichtlich, bis die meisten schon die Umkleide verlassen haben, denn ich will mit niemanden reden, oder gar direkt begegnen.

Erst als die Letzen gerade dabei sind, sich ihre Alltagskleidung anzulegen, verschwinde ich vorbereitet hinter dem nächsten Duschvorhang. Die ganze Zeit über habe ich mich unwohl gefühlt und auch jetzt stehe ich auf Nadeln. Erst als ich die ersten Tropfen vom Duschkopf spüre, lässt diese Anspannung ein wenig nach. Als wolle mich das Wasser absichtlich ablenken. Schon drehe ich den Wasserstrahl stärker auf und verliere mich allmählich mehr in die Entspannung. Dieses Element scheint neben meinem Liebsten wohl wirklich das Einzige zu sein, was mich runterbringen kann und das brauche ich jetzt wirklich. Genüsslich hebe ich mein Gesicht dem Wasserstrahl entgegen. Ich wäre vermutlich noch länger so gestanden, hätte mich aber nicht ein seltsames Geräusch aufschreckt und so in die Realität zurückgeholt. Habe ich mir das gerade eingebildet? Unsicher drehe ich das Wasser ab und horche. Ich höre Stimmen, oder vielmehr ein seltsames Kichern. Die Sorge und die Angst, welche ich kurz zuvor für einen kurzen Augenblick abstreifen konnte, keimen nun von neuem auf. So greife ich nach dem Handtuch, wickle es um meinen Körper und verlasse die Dusche. Ich habe kaum die Umkleidekabine erreicht, schon sehe ich, wie sich die Tür auf der anderen Seite schließt. Fragend laufe ich zunächst zu meinen Sachen, nur um feststellen, dass sie weg sind. Das kann doch wohl nicht wahr sein?! Es ist alles weg! Wie von einer Tarantel gestochen, nehme ich ohne lange zu überlegen meine Beine in die Hand, laufe zur Tür und reiße sie auf. Das kann nicht wahr sein! Bitte lass es nicht wahr sein! Das ist das Einzige, an das ich gerade denken kann, als ich so losrenne und schließlich mitten im Gang stehen bleibe.

Dass ich die Dusche nur mit einem weißen Badetuch um meinen Leib gewickelt verlassen habe, bereue ich jetzt. Denn vor mir ist eine ganze Schar an Schüler, die mich nun mit großen Augen anstarrt. Sie kommen näher und automatisch gehe ich ein paar Schritte zurück. Doch als ich meinen Blick nach hinten wende, merke ich, dass hier ein weiterer Haufen an Teenager steht und mich belustigt begutachtet. Verzweifelt blicke ich mich um mich und schlinge schützend meine Arme um meinen Körper, auch wenn das jetzt nicht wirklich was hilft. Was soll ich aber jetzt sonst machen?! Ich will einfach nur umkehren, doch egal wohin ich mich drehe und wende, ich sehe keinen Ausgang oder eine andere Fluchtmöglichkeit. Das Einzige, das sich vor mir abspielt, sind diese hämische Blicke, die mich zu verfolgen scheinen. Wie in einem Albtraum, aus dem ich nicht erwachen kann. Was ist hier eigentlich los? Warum sind diese Schüler hier und wo sind verdammt noch mal meine Sachen?! Genau diese Fragen und noch einige mehr schwirren durch meinen Schädel. Ich bin total überfordert. Die Ruhe, die für einen Augenblick beim Duschen gefühlt hatte, ist nun endgültig weg. Stattdessen haben sich in mir Angst und auch Scharm breitgemacht und die Tatsache, dass ich fast nackt bin, ist einfach nur peinlich! Ich spüre förmlich, wie sich mein Hals immer mehr zuschnürt und wie mein Herzschlag immer schneller wird. Mein Körper verkrampft sich und ich habe das Gefühl fast keine Luft zu bekommen, während mich diese Blicke keine Sekunde aus den Augen lassen. Ich will hier weg, aber ich kann nicht. Sie lassen mich nicht gehen, stattdessen fängt jemand zu lachen an und es bleibt nicht bei einem. Es wird immer lauter, bis alle um mich herum diesem tosenden Gelächter verfallen.

Durcheinander, gemischt, all diese Stimmen dringen in mich hinein und egal wohin ich auch blicke, überall sehe ich diese Fratzen, die sich über meine missliche Situation amüsieren. Als wäre ich eine Attraktion in einem Zirkus, zeigen sie mit den Fingern auf mich und ich glaube sogar, dass einige von ihnen ihre Handys hervorholen und sich für irgendetwas bereitmachen. Ich verstehe das alles nicht, aber ich ahne Schlimmes. Doch ehe ich mich selbst fragen kann, was nun auf mich zukommt, merke ich, wie sich Martin und Amy aus der Gruppe hervorwagen. Jeder von den beiden hält eine meiner Taschen in den Händen und wedelt damit vor meinen Augen. Als wäre ich ein Hund, der gerade sehnsüchtig auf sein Leckerli wartet. Provozierend fordern sie mich dann auf mir meine Habseligkeiten zu holen und schon werfen sie sie in die Runde. Wie beim Spiel „Affenreizen“ muss ich nun nach meiner Sporttasche und nach meinem Rucksack greifen. Als wenn das Spielbälle wären, aber das ist kein Spiel und das ist verdammt noch mal nicht Lustig! Es ist peinlich und erniedrigend zugleich! Ich habe aber keine andere Wahl, als mich in dieser aussichtlosen Situation zum Deppen zu machen. Es gibt keinen Ausweg. Ich kann einfach nicht von hier weg und außerdem brauche ich unbedingt die Sporttasche, in der meine Kleidung drin ist. Doch das scheint den Schaulustigen und den beiden Sklaven der Möchtegernkönigin egal zu sein. Dafür amüsieren sie sich zu sehr, während ich mich von einem Ende bis zum anderen hin und her quäle und mühselig versuche die Henkel der Taschen zu erwischen. Doch ich greife ständig ins Leere und hinzukommt, dass ich ständig aufpassen muss, dass das Handtuch um meinen Körper nicht auch noch verliere. Bei der ganzen Sache habe ich ständig das Gefühl, als wenn sie alle nur darauf warten würden und so halte ich meine linke Hand ständig um meinen Körper.

Es ist echt zum Verzweifeln! Das Gelächter wird immer lauter und ich merke immer mehr, wie sie alle mich tatsächlich mit ihren Handys filmen, oder Fotos von mir machen. Dabei rufen sie böse Kommentare hinein und machen sich über meine aussichtslose Situation lustig. Wie schlimm wird es denn noch?! Ich will hier einfach nur raus! Am liebsten wäre ich in diesem Augenblick im Boden versunken. Ich halte es nicht mehr aus! Doch als ich schließlich merke, wie Amy nun mit meiner Sporttasche grinsend zwischen der Meute verschwindet, breitet sich in mir erst Recht die Panik aus. Schnell versuche ich ihr hinterher zu eilen und ich hätte sie sogar fast erreicht, wenn mich da nicht eine Hand gepackt und brutal zu Boden gerissen hätte. Wie auf Knopfdruck krümme ich mich schützend zusammen und starre in die lachende Menge. Ich bin schon völlig den Tränen nah, aber meine Angst überwiegt so sehr, sodass noch keine einzige Träne aus meinen Augen kullert. Ich warte einfach nur, während sie sich alle amüsieren, bis uns plötzlich eine tobende Stimme aufhorchen lässt: „Was ist hier los?! Was soll dieser Aufruhr?!“ Ein Lehrer zwängt sich zwischen den Schülern und sieht mich schließlich auf dem Boden liegen. Zornig starrt er mich an, als wenn ich dafür verantwortlich wäre. „Steh auf und ihr, begebt euch sofort in eure Klassen! Abmarsch, hier gibt es nichts zu sehen!“, fordert er mich und die anderen auf. Von überall kann ich ein Murren hören, als hätte man ihnen den Spaß verdorben. Das war aber nicht amüsant und ich selbst bin mit der Sache einfach nur überfordert. Sieht denn dieser Lehrer etwa nicht, wie sehr ich schikaniert worden bin?! Hat der Kerl nicht gesehen, wie ich gemobbt worden bin?!

Fassungslos starre ich den grauhaarigen Mann an, während ich mich mühselig aufrapple. Flehend gehe ich schließlich auf ihn zu und bitte ich ihn mir zu helfen: „Sir, bitte, ich …“ Ich kann jedoch nicht einmal meinen Satz beenden, denn er meint nur abwertend: „Ich will das erst gar nicht hören! Ich will nur, dass hier wieder Ruhe und Ordnung einkehrt, verstanden?!“ „Sie reden hier von Ruhe und Ordnung?! Dann sorgen Sie dafür, dass ich meine Sachen wiederbekomme! Ich wurde gerade zum Gespött der Schule und der da ist einer von ihnen, der für diese „Unruhe“ verantwortlich ist!“, schreie ich schließlich hilflos und zeige dabei auf Martin, der gerade dabei gewesen ist, sich aus dem Staub zu machen. Gerade noch habe ich ihn entdecken können, bevor er sein Vorhaben in die Tat umsetzen konnte. So bleibt ihm nichts anderes übrig als zu mir zu gehen und mit leicht gesenktem Kopf die Tasche zu reichen. Doch leider hilft die mir nicht viel. Schließlich brauche ich die andere viel dringender. In meinem Rucksack ist kein einziges Kleidungsstück, in der Sporttasche schon. Als ich dies sagen will, hält mich der Lehrer davon ab und meint: „Du hast jetzt deine Tasche. Also gib endlich Ruhe und veranstalte nie mehr wieder so ein Theater.“ Habe ich mich da gerade verhört, oder hat er das wirklich zu mir gesagt?! Hat er immer noch nicht begriffen, was sich vor seinen Augen abgespielt hat?! Sieht er nicht, dass ich das Opfer bin, oder ist ihm das schlicht und einfach scheißegal?!

Genau diesen Eindruck macht dieser Mann im Moment auf mich und ich kann das einfach nicht begreifen. Mit offenen Mund und dem Rucksack an meiner Brust geklammert, stehe ich da und sehe stumm zu, wie sowohl der Lehrer, wie auch Martin mich einfach stehen lassen. Von Amy und meiner Sporttasche fehlt jede Spur. Sie ist in der Menge verschwunden und ich habe keine Ahnung, was ich jetzt tun soll. Ich fühle mich so hilflos, als würde ich gerade ertrinken und könnte mich selbst nicht retten. Ein völliges Chaos herrscht in mir und diesmal kullert mir sogar eine Träne an meinem Gesicht herunter. Als wäre das eine Art Startschuss, setze ich mich in Bewegung. Ohne auch nur für eine Sekunde zu halten, laufe ich, was das Zeug hält. Ich will einfach nur noch weg von hier!



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Mad-Dental-Nurse
2016-03-15T19:06:44+00:00 15.03.2016 20:06
Da bin ich aber froh. Manchmal lasse ich mich zu sehr von meinen Gefühlen leiten und breche dabei mit dem Kopf durch die Wand. Verbal gesprochen natürlich....
Antwort von:  Pamuya_
15.03.2016 20:34
Wie gesagt, ich habe kein Problem damit. Ich finde es sogar gut. Direktheit ist mir tausendmal lieber als Verlogenheit oder Einschleimerei. ^^
Antwort von:  Mad-Dental-Nurse
17.03.2016 14:03
nur manche können die wahrheit net vertragen..
Antwort von:  Pamuya_
17.03.2016 15:08
Das stimmt leider.
Antwort von:  Mad-Dental-Nurse
17.03.2016 18:34
davon gibt es genug...
Von:  Mad-Dental-Nurse
2016-03-14T21:28:14+00:00 14.03.2016 22:28
Ich bitte vielmals um Entschuldigung...Mein Kommentar war nicht gerade jugendfrei...Wäre dir also nicht böse, wenn du es löschst...Aber das ist mir wirklich durch den Kopf geschossen...*drop*
Antwort von:  Pamuya_
15.03.2016 15:44
Also ich habe überhaupt kein Problem damit. Schließlich ist das deine Meinung dazu und ich wusste ja selbst, dass dieses Kapitel einem dazu leiten kann. Ich will ja auch eine echte Ansicht davon lesen und sehen, wie von anderen die Sache gesehen wird. Daher werde ich dein Review mit Sicherheit nicht löschen. :)
Von:  Mad-Dental-Nurse
2016-03-14T21:20:08+00:00 14.03.2016 22:20
Ich verstehe einfach nicht, wie diese Bitch es schafft, alle auf ihrer Seite zu haben...sogar die Lehrer. Ist ihr Vater oder ihre Mutter die Besitzerin der Schule oder verteilt sie an alle Drgen Geld, oder Blowjobs, an die Männer natürlich, dass sie springen, wenn sie es will...
Da wünsche ich mir doch ein Maschinengewehr...da wäre ein Amoklauf gerechtfertigt...oder eine Kunoichi mit Tigermaske, die mal diesen Idioten einen Denkzettel verpasst Eine Beule hier, ein Schnitt da...oder mal einen Finger abschneiden...*räusper* sorry das ich so ausfallend bin...aber sowas macht mich rasend...
Antwort von:  Pamuya_
15.03.2016 15:42
Von außen betrachtet ist das sehr schwer zu verstehen. Man hat wirklich keine Ahnung, wie diese Leute es schaffen. Gründe dafür gibt es Unterschiedliche und manchmal weiß man es einfach nicht. Meiner Ansicht nach spielen mehrere Sachen eine wesentliche Rolle: Eifersucht, Macht, Lügen, eine gewisse Austrahlung, Connection, ... . Da gibt es so viele Möglichkeiten, dass sie irgendwie miteinander verbunden sind, oder einfach gewisse Bereiche herausstechen. Ich wollte in diesem Kapitel zeigen, wie schnell solch etwas passieren kann und wie machtlos man sich dabei fühlt. Es muss nicht gerade solch etwas passieren, wobei z.B.Cybermobbing in der heutigen Zeit keine Seltenheit ist.
Ich gebe dir da Recht. Das verleitet einen förmlich zu einen Amoklauf. Wer da ein Minderwertigkeitskomplex hat, oder einfach schnell die Nerven verliert, kann zu sowas getrieben werden. Da wünscht man sich schon fast den einsamen Rächer herbei, der einem im Versteck hilft und die gerechten Strafen verteilt.


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