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geisterJäger

inspiriert von Ghost in the Shell: SAC
von

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Jäger

Mit einem leisen Klicken löste sich der schlanke Soldat von dem Ast an dem er kopfüber gehangen hatte und ließ sich in einer flüssigen Bewegung geduckt zu Boden gleiten. Ein leichtes Schauern lief über die segmentierten Rüstungsplatten, die sich um seinen Körper schmiegten, als die farbadaptive Schicht darauf sich auf die geänderte Umgebung anpasste.
 

Er warf einen Blick über die Schulter, zurück auf die Patrouille aus einem Skitarius und drei Servitoren vor denen er sich im Baum versteckt hatte. Er hatte die seltsamen Mischwesen aus Mensch und Maschine schon häufiger gesehen, doch sie schienen ihm dadurch eher noch fremdartiger zu werden als vertrauter. Wieso sollte man jemandem so etwas antun? Dass manche dieser Irren sogar freiwillig klobiges Metall in ihre Körper montieren ließen war ihm völlig unverständlich.
 

Vorsichtig bewegte er sich weiter über den Waldboden. Möglichst leise, um nicht doch noch durch ein falsches Geräusch eine Patrouille auf sich aufmerksam zu machen, und immer fern der diversen Bewegungsmelder, die den Wald spickten. Die Sichtbereiche der klotzigen Sensorpakete wurden von seiner Anzug-KI als grüne Kegel auf sein Helmdisplay projiziert sobald seine eigenen Sensoren sie entdeckten, sodass er ihnen leicht ausweichen konnte.
 

„Halt. Weitere Patrouille. Zwei Uhr, hundert Meter hinter dem Hügel.“ Die leise Stimme in seinen Ohren veranlasste ihn dazu sofort innezuhalten und auf ein Knie abzusinken. „Position halten. Wenn sie ihre Richtung nicht ändern werden sie dich nicht entdecken.“

Er antwortete seiner Partnerin nicht, sondern legte sich nur mit einer geschmeidigen Bewegung in das Unterholz. Jedes Geräusch konnte zu viel sein und seine Partnerin konnte durch ihr Scharfschützenvisier ohnehin jede seiner Aktionen beobachten.

Blaue Schrift in der Ecke seines Gesichtsfeldes kündigte einen Datenstrom an und einen Augenblick später tauchten fünf humanoide Umrisse auf, die quälend lange brauchten um sich an ihm vorbei zu bewegen. Die Überlagerung war bei weitem nicht so stabil wie gewohnt - der Preis der Tarnung ihres Funkverkehrs auf einer der feindlichen Trägerfrequenzen.
 

Minuten verstrichen, bis endlich das erlösende „Sicher“ an seine Ohren drang, das jedoch einen Augenblick später von einer anderen Stimme revidiert wurde: „Halt. Servoschädel. Bewegt sich nach einem der zufälligen Suchmuster, vermutlich Chi Zwo. Er kommt näher… analysiere… wenn es wirklich Chi Zwo ist wird er deine Position in weniger als zwei Metern Entfernung passieren.“

Wie zum Unterstreichen der Aussage tauchte ein Fenster auf dem Helmdisplay auf: Ein hochauflösendes wenn auch stockendes Wärmebild von der getarnten Kampfdrohne, welche langsam zwei Kilometer über dem Wald kreiste.

„Verdammt, wir sind schon jetzt zu spät dran.“, knurrte die erste Stimme. „Einen Moment, ich finde dir eine Fluchtroute.“
 

„Nicht nötig. Ich habe eine bessere Idee.“ Ein neues Symbol auf dem HUD kündigte einen Dateitransfer an.

Ein kontrolliertes Klicken mit den feinen Kontrollen in seinem linken Handschuh rief die Datei auf und aktivierte das Programm. „Was soll das sein?“
 

„Ein kleines Stück Code, das sich auf das Signal zur Freund-Feind-Identifizierung einklinken und die primitive KI eines Servoschädels hacken kann.“

> >I F F – OVERRIDE Cajus Ver. 1.2< Aktiviert <, verkündete das Helmdisplay, während der Experte für elektronische Kriegsführung noch sprach: „Zumindest ist das der Plan.“
 

„Das ‚ist der Plan‘? Wenn dieses Ding nicht funktioniert wird der Schädel garantiert Alarm auslösen! Dein Spielzeug kann die gesamte Mission in Gefahr bringen!“, fauchte es leise aber hörbar zornig aus den Helmlautsprechern.
 

„Ruhe jetzt. Wir verwenden das Programm. Es wird funktionieren, ich vertraue Cajus‘ Fähigkeiten.“ Der Späher legte trotzdem vorsichtig die Hand auf den Griff seiner kompakten Pistole während sich der mechanisierte Knochen immer weiter seiner Position näherte.

Erst als der Servoschädel auf etwa drei Meter herangekommen war erfassten seine Sensoren die getarnte Gestalt, die dort neben einem Baum kniete. Er richtete seine rot glühenden toten Augen auf die Anomalie. Zuckte. Zuckte nochmal, und stand dann still.

„Hab‘ ich dich!“, quiekte der Schädel triumphierend. „Hey, keinen Grund eine Waffe auf mich zu richten, ich habe den Kleinen unter Kontrolle.“

Zur Bestätigung beschrieb die primitive Drohne eine Pirouette - ein Vorgang der bei einer Maschine, deren Hülle aus einem menschlichen Schädel bestand, sehr makaber aussah – und schwebte dann gemütlich von dannen.

„Ich bin jetzt in deren System eingeklinkt und sehe alle Sensoren und Patrouillen auf dieser Seite der Basis“, verkündete Cajus, diesmal wieder über Funk.
 

Navigationsmarkierungen tauchten im HUD auf und der Späher folgte ihnen vorsichtig. Er vertraute zwar auf die Wegfindung seines Partners und die Gründlichkeit der mechanischen Menschen des Mechanicus dabei, seine Soldaten durchzuorganisieren, doch man konnte sich nie sicher sein, ob nicht doch ein Soldat der Hilfstruppen oder ein weniger modifizierter Adept einmal vom vorgegebenen Weg abbog, und sei es nur um pinkeln zu gehen.
 

Er hatte Glück und konnte sich ohne Zwischenfälle bis auf einige dutzend Meter an den Zaun herantasten bis er eine im Vorfeld aus Orbitalaufnahmen ausgespähte Position erreicht hatte. Von hier aus waren die nächsten Wach- und Sensortürme möglichst weit weg und auf der gegenüberliegenden Seite des einschüchternden Doppelzaunes befanden sich Lagerhallen die nicht mit Kameras ausgestattet waren und nur spärlich besucht wurden.

Hier duckte er sich in das Gebüsch am Waldrand und schaltete seine aktive Tarnung ein. „Sprungbereit.“
 

Einige Augenblicke später bekam er von seinen beiden Kameraden grünes Licht. Er blickte noch einmal von links nach rechts und holte dann mit einigen schnellen Schritten Schwung bevor er sein Sprungmodul aktivierte.

Die Triebwerke an seinen Beinen und Rücken fauchten scharf und katapultierten ihn über den Zaun hinweg.
 

Nur kurz als ein verwaschener Schemen in der Luft auszumachen war er einen Moment schwerelos bevor er auf dem plattgewalzten Erdboden knapp hinter dem Zaun aufschlug. Er rollte sich über die Schulter ab, hechtete sofort hinter eine schwere Kiste und wartete dort ab während sein Tarnsystem sich auf die neue Umgebung einstellte.
 

„Seismische Sensoren haben angesprochen. Ich habe eine Reaktion von ihrem Sicherheitssystem. Sie rufen einen Servoschädel. Wie praktisch, dass ich einer bin. Einen Moment.“ Es knackte einige Male fürchterlich in der Funkverbindung bevor der Hacker sich wieder meldete: „Ich habe deren Netz mit falschen Aufnahmen gefüttert. Ich bin mir aber nicht sicher wie lange es dauert, bis sie die Täuschung bemerken.“
 

Der Späher überprüfte routinemäßig ob all seine Ausrüstung die unsanfte Landung überstanden hatte und drückte sich dann in geduckte Haltung hoch. „Ich habe nicht vor, hier zu sein, wenn sie es tun.“
 

Einige schnelle Schritte brachten ihn in den Schatten der Lagerhalle neben ihm. Von dort aus war es nur eine kurze Strecke über staubigen Beton bis zur nächsten.

Er drückte sich zwischen zwei vernachlässigten und vertrockneten Büschen und dem groben Schnellbeton der Hallenwand hindurch und suchte aus dem Schutz einer der dicken Säulen an den Gebäudeecken sein nächstes Ziel.

„Halt! Personen von Süden.“

Die Warnung der Scharfschützin ließ ihn erstarren und sich hinter die Säule zurückziehen.

Kurze Zeit später ratterte eine Gruppe aus beladenen Lastservitoren auf primitiven Kettenantrieben angeführt von einem Techpriester an ihm vorbei.

Sobald er die Meldung „Sicher!“ bekam, huschte er geduckt los und stoppte erst als er die Crewquartiere erreicht hatte und sich in eine der Nischen zwischen den einzelnen Gebäudemodulen ducken konnte.
 

Ein Husten ließ ihm das ohnehin schon kalte Blut in den Adern gefrieren.

Er war nicht allein. Direkt vor ihm stand ein Techadept.

So nahe, dass er ihn hätte berühren können ohne den Arm komplett auszustrecken.

Der Mensch starrte ihn an.

Sein mechanisches Auge zuckte.

Dann sah er nach unten, nahm er einen tiefen Zug aus einem dieser Stäbchen aus gerollten Blättern mit denen die Menschen sich vergifteten und schloss sein biologisches Auge, während die Droge ihre Wirkung entfaltete.
 

Der Späher hielt eisern still während die Zeit stillzustehen schien.

Eine Minute verstrich. Der Techadept schaute immer wieder durch ihn durch. Jedes mal setzte sein Herz einen Moment aus, obwohl sein Kopf genau wusste, dass ihn das Tarnsystem selbst auf diese Distanz praktisch unsichtbar machte.
 

Zwei Minuten. In seinem Kommkanal tickte es. Er tickte mit einem Kehlgeräusch zweimal zurück.
 

Drei Minuten. Die Pupille des Menschen war geweitet, er summte irgendeine Melodie vor sich hin und starrte auf den langsam Himmel der langsam von schmutzig grau-blau auf schmutzig grau-rot wechselte.
 

Vier Minuten. Endlich warf der Techadept den Rest seines Stäbchens auf den Boden, trat noch einmal mit seinem Stiefel danach um es zu löschen – daneben - und schlich aus der Nische.

Erleichtert sackte die getarnte Gestalt ein wenig in sich zusammen und erlaubte sich zum ersten Mal seit ewig erscheinenden Minuten einen tiefen Atemzug bevor er sein Funkgerät aktivierte.

„Alpha. Ich bin wieder frei.“ – „Endlich. Ich habe mir schon Sorgen gemacht.“, ihre Stimme klang ernsthaft besorgt, dabei war die Scharfschützin normalerweise eiskalt. „Was ist passiert?“
 

„Einer von denen hat eine außerplanmäßige Pause eingelegt“, erklärte der Späher knapp, „Wie sieht es da draußen aus?“

„Bewegungen in der Basis selbst sind unverändert aber wir fangen Anomalien in ihrem Sensorgitter auf, aber vermutlich lassen sie nur Diagnostikprogramme laufen.“

„Verstanden. Ich fahre wie geplant mit der Mission fort.“
 

Er drückte ein paar Kontrollen an dem Bedienfeld in seinem linken Arm und fuhr dann mit den nanobeschichteten Platten auf seinen Handflächen und Stiefelspitzen über den Beton bis sie sich auf den Untergrund angepasst hatten und griffen.

Servomotoren in seinen Gelenken surrten leise als er begann, die senkrechte Wand hinaufzuklettern, und kurz darauf zog er sich mit einem Ruck auf das flache Dach.

Die Dachluke leistete seinem Plasmabrenner kaum Widerstand und so ließ er sich bald in den abgedunkelten Gang darunter fallen.
 

Das Nachtsichtgerät mit zusätzlicher Infrarotverstärkung schaltete sich automatisch ein und hüllte den kalten Beton des spartanischen Gangs in blasses Blau. Nur die Beschriftungen an den Wänden, einige Kästen und die mit Tastenfeldern gesicherten Türschlösser leuchteten hell in Gelb und Rottönen.

Zwei gelb-grün glühende Kreaturen mit rot leuchtenden Kabeln die aus ihren Köpfen sprossen stapften aus einem kreuzenden Gang. Sie trugen dutzende Gefäße mit verschieden temperierten Flüssigkeiten auf Tabletts, die auf ihre Hände festgeschweißt zu sein schienen.

Der Infiltrator drückte sich hinter einen aus der Wand hervorstehenden, rhythmisch klickenden Kasten und ließ die Servitoren einfach vorbeigehen.

Er wusste genau, dass die primitiven Kreaturen ihn nicht wahrnehmen konnten aber dennoch bereiteten die ruckartigen Bewegungen und die grässlich umoperierten Gesichter ihm Unbehagen. Nicht, dass er Menschen als besonders schön empfand, aber sie hatten zumindest eine Ästhetik an sich. Diese Albtraumkreaturen hatten davon jedoch nichts mehr.
 

Ihn trennte jetzt nur noch eine Panzertür von den Quartieren der Copiloten der riesigen Läufer, welche die Menschen besaßen. Ein einschüchterndes Ding, bewacht von einer Kamera, einem Tastenfeld und einer düsteren Verzierung in Form menschlicher Schädel die aus kaltem Stahl gearbeitet waren.

Ein hochentwickeltes Schloss mit einer beinahe nicht zu knackenden Verschlüsselung. Zumindest für die Technologiestandards des Imperiums.

Er zog ein Kabel aus einer Klappe an seinem Arm und klickte es in den Schlitz, der eigentlich für Codekarten gedacht war. Innerhalb von wenigen Sekunden schickte der kleine Armcomputer einige Millionen Anfragen an das Türschloss. Völlig überlastet schaltete das primitive Kryptographiesystem ab und eine zweite Schicht Schadcode drang ein um das Notfall-Schließsystem zu öffnen, ein mechanisches Zylinderschloss.
 

Ein Grinsen spielte um die Lippen des Infiltrators als er einen vollautomatischen Dietrich an das Schloss hielt und es sich keine fünf Sekunden später drehen ließ.
 

Lautlos huschte er in die Quartierebene. Hier waren die Gänge ein Stück ansehnlicher eingerichtet: Teppich dämpfte seine Schritte noch zusätzlich und bestickte Wandbehänge erzählten in blumigen Bildern von den Taten der Einheit, der die anwesenden Crewmitglieder angehörten. Hier waren alle Türen mit Codeschlössern gesichert und ein Servoschädel patrouillierte durch den Gang. Der Späher wartete bis der Schädel um die Ecke gebogen war und machte sich dann an einem der verriegelten Schlösser zu schaffen.
 

Innerhalb weniger Sekunden war er in dem mit grobschlächtiger Technik vollgestopften Quartier dahinter. Ein stark modifizierter Mensch, dessen Abzeichen ihn als Copiloten eines Läufers identifizierten, und ein Adept starrten aus orange glühenden Kunstaugen auf die wie von Geisterhand geöffnete Tür.
 

Es blitzte zweimal und die beiden habmetallischen Wesen sanken zuckend in sich zusammen während der Infiltrator die Tür hinter sich zudrückte, die kompakte Ionenwaffe noch immer in der Hand. Er hielt angespannt inne aber kein Alarm plärrte durch den Gang. Die Systeme der Moderatii – wie Cajus die Copiloten bezeichnet hatte – sowie deren Diener waren wie erwartet von denen des Stützpunktes getrennt.
 

„Ziel Eins erreicht“, meldete er mit einem Blick durch den Türspion um sicherzugehen, dass der Schädel vorbeigezogen war, „Beginne Extraktion.“

Er stellte sicher, dass die Lebenszeichen des Piloten stabil genug waren um weiterhin keinen Alarm auszulösen und suchte ihn dann ab um irgendwo in dem Gewirr aus Metall und Kabeln ein Stück des echten Körpers zu finden. Er wurde schließlich am Rücken fündig und einen kurzen Schnitt später hatte er eine Gewebeprobe in seinem Tornister verstaut.
 

„Extraktion beendet. Auf dem Weg zu Ziel Zwo.“

„Verstanden“, bestätigte seine Kameradin. „Keine auffälligen Bewegungen zu sehen, Funkaktivität normal.“
 

Der Infiltrator klickte nur einmal zur Bestätigung und zog sich kurz darauf wieder aufs Dach des Quartiergebäudes. Der direkte Weg zum Haupthangar der Basis führte von hier aus einige hundert Meter über offenes Gelände. Der Weg zwischen den Generatoren und einigen weiteren Lagerstätten war weiter, aber sicherer.
 

Drei Sprünge brachten ihn vom Dach über einen Nebenflügel auf den Boden zurück und einige schnelle Schritte zwischen zwei abgestellte Lastwagen. Die Digitaluhr in seinem Helmdisplay blitzte diskret zweimal auf. Die Zeit wurde knapp. Er fluchte leise und warf einen Blick auf seine Karte der Basis um eine der kürzeren Routen zu wählen. Sie bargen ein größeres Risiko, aber der verfluchte Adept hatte ihn zu viel Zeit gekostet.
 

Er setzte über einige Munitionskisten hinweg, überquerte eine Straße und drückte sich zwischen dem ersten von vier in einer Reihe aus summenden Transformatoren und der nächsten Wand hindurch.

Ein Servitor auf breiten Ketten und mit seltsamen Verstrebungen über den ganzen Körper tauchte am Ende der schmalen Gasse auf.

Bis der Späher erkannt hatte, dass er einen Faraday’schen Käfig vor sich hatte, war schon eine Entladung vom hintersten Generator auf den Servitor übergesprungen.
 

Der Blitz blendete den Späher obwohl die Optiken in seinem Helm das grelle Licht abdämpften. Seine Tarnvorrichtung versuchte ebenfalls den Effekt zu kompensieren aber gab überlastet auf und startete neu.

Einen Augenblick später explodierte Schmerz in seinem linken Arm als mehrere Geschosse in die Panzerung einschlugen. Er schrie und taumelte, ging beinahe zu Boden.

Als er wieder etwas mehr als nur grelle Punkte sehen konnte war der Oberkörper des Servitors verschwunden und die aufgeregte Stimme seiner Partnerin rief in sein Ohr: „Sel’ta! Bist du okay?“
 

Er wollte antworten, brachte aber nur ein schmerzerfülltes Grunzen heraus bis die automatisch verabreichten Schmerzmittel Wirkung zeigten. „Ich habe mir ein paar Kugeln eingefangen aber ich werde es überleben.“

Seine Partnerin wollte etwas erwidern, wurde aber von Cajus abgeschnitten: „Verschwinde von da! Skitarii wurden alarmiert und nähern sich von Süden.“

Der noch immer desorientierte Infiltrator warf einen Blick auf seinen Kompass und wandte sich dann knurrend in die Richtung, aus der er gekommen war.
 

Er huschte um eine Ecke und sein Bein stieß dabei gegen eine Palette voller absurd großer, ungesicherter Patronen. Dadurch gerieten sie gefährlich ins Schwanken bis er sie einen panik- und schmerzerfüllten Moment später wieder unter Kontrolle gebracht hatte.
 

Erst jetzt dachte er daran, seine Tarnvorrichtung und vor allem seinen Arm zu untersuchen. Alle Gelenke schienen voll funktionstüchtig, aber die hochdichte Panzerung war von den Kugeln schwer eingedellt worden und mindestens eine hatte das farbangepasste Material durchschlagen. Der Oberarmknochen wurde von den Biosensoren seines Anzugs als gebrochen angezeigt und das Ellbogengelenk war zumindest geprellt.
 

Automatische Systeme hatten bereits die Servogelenke versteift, regenerativen Wundschaum in dem Loch verteilt und Druck um den Arm aufgebaut. So geschient konnte Sel’ta wieder die Nanobeschichtungen der FIngerspitzen aktivieren und sich vorsichtig eine Hallenwand hochziehen. Sein Arm protestierte zwar als er den gebrochenen Knochen belastete aber er biss die Zähne zusammen bis er oben war.

Von dort aus bewegte er sich über Rohrleitungen und Laufwege einige Dächer weiter bis er sich aus der Gefahrenzone wähnte.
 

Ein hässliches Knirschen malträtierte seine Ohren, dann war Cajus‘ Stimme wieder da, wenn auch verzerrt: „Verdammte Leichenanbeter. Sie haben ihre Funknetze umgeschaltet und die alten Frequenzen gestört. Das ist übliches Protokoll für Alarmstufe Vier. Wir sind jetzt auf einem Notkanal, Verbindungen sind auf Audio beschränkt und außerdem ist meine gesamte Hackerarbeit dahin solange wir ausgeschlossen sind. Alarmstufe Vier beinhaltet übrigens auch die vorsorgliche Aktivierung einer ganzen Zenturie.“
 

„Sieht so aus als wären sie schon dabei. Ich sehe Bewegungen an mindestens zwei Kasernengebäuden. Kampfläufer Typ Mercurius verlassen einen Hangar und wir haben aufsteigende Schweber, Land Speeder-Typus.“ Die Scharfschützin hielt einen Moment inne. „Verflucht. Die Schweber bewegen sich in meine Richtung, ich gehe auf Tarnmodus.“
 

Sel’ta knurrte leise als die Datenverbindung zu seiner Partnerin abbrach und ihr Symbol aus seiner Helmanzeige verschwand. Er machte sich wenig Sorgen um sie - Li’kann war ein absoluter Profi und würde sich nicht so leicht finden lassen - aber ohne Bildverbindung zu ihrer Drohne und ohne die Augen der Scharfschützin war er erst einmal blind.
 

„Eins?“, meldete sich die verzerrte Stimme des Hackers, „Mit den Zugriffsbeschränkungen von Alarmstufe Vier werden wir eine Sicherheitsfreigabe von mindestens Magenta Drei brauchen um die Türen am Zielort zu öffnen. Außerdem könnte ich damit Verwirrung in ihrem System stiften.“

Der Scout kniete sich hinter eine dröhnende Klimaanlage und sah erneut nach der Wunde an seinem Arm. „Kannst du die Codes mit deiner Ausrüstung nicht einfach knacken?“ Einige Kristallsplitter ragten aus der grünlichen Wundversiegelung und taten trotz der Schmerzdämpfer bei der leisesten Berührung höllisch weh.
 

„Selbstverständlich. Aber mit einer Wahrscheinlichkeit von neunundsiebzig Komma vier Prozent nicht unter fünfundzwanzig Minuten, was - wenn man den Missionszeitrahmen von noch etwa zwanzig Minuten bedenkt - nicht ausreichen wird.“

Sel’ta legte den Kopf schief. „Klingt… logisch. Woher bekommen wir eine solche Zugriffsstufe?“

„Jeder Techpriester über dem dritten Dienstgrad seiner Diviso sollte diesen Zugriff besitzen. Sie sind in diesem Verwaltungssektor erkennbar an drei oder mehr silbernen Zahnkränzen am Kragen. Der beste Ort um einen zu finden, der nicht sofort vermisst wird, ist in der Kontrollstation einer Lagerhalle oder eines Fahrzeughangars.“
 

„Verstanden.“ Er warf einen Blick in die Richtung aus der er gekommen war und die jetzt von schwer bewaffneten Halbmaschinen überlaufen wurde. Dann überzeugte er sich davon, dass seine gedämpfte Pistole sowie die kompakte Ionenwaffe funktionstüchtig und geladen waren bevor er vom Dach sprang.
 

Der Aufprall sorgte für ein Stechen in seinem Arm aber er hielt keinen Moment inne bis er die von unzähligen Ketten- und Radfahrzeugen zerschlissene Straße überquert hatte und vor der Seitentür eines Hangars stand. Seine Dietrichkarte öffnete das Codeschloss ohne großen Widerstand und er konnte sich zwischen zwei klotzige Kampfpanzer in der Halle ducken.

Die Kontrollstation war ein abgedunkelter Kasten mit Glasfenstern auf der anderen Seite der mit Fahrzeugen und deren Einzelteilen zugestellten Halle.

Sel’ta umging die offene Mitte der Halle weiträumig indem er sich an einer Säule hochzog und dann über eine Kranbrücke balancierte während fünf Meter unter ihm ein halbes Dutzend Servitoren und Adepten an einem Exemplar des imperialen Standardkampfpanzers mit einer besonders überdimensionierten, mehrläufigen Waffe arbeiteten.

Er zog das Kletterseil aus seinem Rückentornister und schlang es um eine Stahlstrebe an der Brücke um sich auf das Dach der Kontrollstation abzuseilen.

Eine schlanke Fiberoptik aus seinem linken Armschutz enthüllte ihm die Situation in dem, was unter Mechanicus-Bauweise wohl als Büro angesehen werden konnte.
 

Ein Adept mit mechanischen Greifern, die seine Arme ersetzten und undefinierbare Gerätschaften trugen, stand mit dem Rücken zu ihm vor dem kabelübersäten Äquivalent eines Schreibtisches. Neben ihm hatte eine Adeptin mit einem Arm voller Werkzeuge und einem Schweißgerät auf dem Rücken Habachtstellung angenommen.

Vor ihnen, mit dem Metallgesicht zu Sel’ta, saß ein Tech-Priester mit einem gefährlich aussehenden Plasmaschneider auf der Schulter. Wirklich wichtig aber war, dass er vier silberne Zahnkränze auf seinem zinnoberroten Kragen trug.

Dass die Fenster sich auch nach innen öffnen ließen war nur ein Bonus.
 

„Drei. Ich habe einen passenden Techpriester gefunden, aber er ist nicht allein.“

„Natürlich nicht. So wäre es ja zu einfach. Kannst du ihn trotzdem ausschalten?“

Sel’ta überschlug kurz seine Chancen im Nahkampf gegen drei überraschte Tech-Priester und kam zum Schluss, dass er sie ohne große Mühe ausschalten konnte.

„Positiv. Löse ich einen Alarm aus wenn ich einen von ihnen töte?“

„Nicht zwingend. Ihre Systeme reagieren auf Herzschlag und Gehirnaktivitäten. Solange du keinem davon den Kopf wegpustest hast du einige Sekunden Zeit um mir eine Verbindung zu ihrem Aufseher zu geben.“

„Ich nehme an, das meint den Techpriester.“

„Korrekt.“
 

Der Infiltrator antwortete mit einem ebenso knappen „Verstanden“ und wartete, bis die Servitoren hinter ihm einen der Kräne in Bewegung setzten. Gedeckt von dem Scheppern des Elektromotors ließ sich in einer langsamen Bewegung ein Stück neben einem der Fenster hinab und drückte seine Hochfrequenzklinge durch das dünne Metall um den Riegel zu durchtrennen.

Dann packte er den Rand, schwang sich durch das Fenster und trat der Adeptin in der selben flüssigen Bewegung mit voller Wucht gegen den Nacken. Knochen brach, Metall wurde verbeult und die Adeptin wurde über den Schreibtisch geschleudert wo sie zwischen funkenden, ausgerissenen Kabeln liegen blieb.

Ein Messerstich mit dem servoverstärkten rechten Arm durchtrennte das natürliche sowie beide elektronischen Rückgrate des anderen Adepten woraufhin er ebenfalls leblos zu Boden sackte.
 

Der Techpriester aktivierte seinen Plasmaschneider um ihn als Waffe gegen den fast unsichtbaren Angreifer einzusetzen, doch er kam nicht dazu. Ein Schuss der Ionenwaffe in die gepanzerte Brust versetzte ihn so lange in spastische Muskelzuckungen bis der Infiltrator mit dem Verbindungskabel in der Hand hinter ihm stand.

Zu Sel’tas Glück waren die Primäranschlüsse der Techpriester in diesem Raumsektor grundsätzlich deutlich gekennzeichnet. Er fand auf den ersten Blick die standardisierte Buchse zwischen den Schulterblättern des Techpriesters und klinkte sich ein.
 

Ein Schaudern lief durch den Techpriester als er sich gegen die Welle aus von Cajus überarbeitetem Schadcode wehrte. Er zuckte und lag einen Moment still bevor er mit erstaunlich natürlich klingender Stimme zu sprechen begann: „War ja einfach. Die Sicherheitsprotokolle für die Funkverbindungen sind noch immer dieselben wie bei meiner Flucht vor einem Jahr, wir haben gleich wieder vollen Zugriff. Noch ein paar Minuten mehr und das halbe Sicherheitsnetz der Basis gehört mir.“

Bis auf die Verbindung zwischen ihm und dem Infiltrator lösten sich alle Kabel von seinem Rücken und erhob sich langsam und methodisch aus seinem Stuhl.

Der Mechanicus bewegte sich auf eine verstörende Art genau wie Cajus, er hatte sogar dieses ungeduldige Schlenkern mit der Hand als er wartete bis die Bürotür und kurz darauf die massivere Hintertür des Hangars aufgeglitten waren.

Sel’ta hielt sich trotzdem sicherheitshalber etwas auf Distanz und seine Hand um den Griff seiner Pistole falls der Techpriester doch irgendwie die Kontrolle über seinen Körper zurückerlangte.
 

„Zwo ist wieder online. Die Land Speeder sind ein Stück weitergezogen. Und ich sehe jetzt eine Menge Aktivität zwischen euch und dem Primärziel.“ Sel’ta lächelte erleichtert als er ihre Stimme hörte, wenngleich sie verzerrt war: „Danke für den Hinweis. Schön dich wieder zu haben.“

Cajus klang ein wenig nüchterner: „Wie befürchtet. Ich habe übrigens gerade einen neuen Funkkanal aus der Noosphäre isoliert. Schaltet um auf Kanal M-Fünfzehn-Vier-A und aktiviert Verwürfler Sechs. Damit sollten wir wieder volle Kommunikation haben.“
 

Sel’ta tippte ein paar Tasten auf seinem Arm an und bekam spontan wieder alle vier Squadsymbole in seinem Display und dazu ein Luftbild der Überwachungsdrohne. Darauf zu sehen war - aus einigen Kilometern Entfernung aufgenommen - das seltsame Gespann aus ferngesteuertem Halbmenschen und dem eigentlich unsichtbaren Infiltrator als blaue Außenlinie direkt dahinter, wie sie sich gerade durch einen Parkplatz voller servitorgesteuerter Laster bewegten.

Das und einiges an rot markierten Skitarii und anderen Maschinen auf dem Platz zwischen ihnen und dem riesigen dunklen Klotz in der Mitte der Basis – ihrem Primärziel.

„Das sind zu viele als dass wir nicht auffallen würden.“ Cajus‘ geliehener Körper blieb vor einer Gebäudeecke stehen und Sel’ta kniete sich hinter ihn. „Einen Moment, ich versuche es noch einmal mit falschem Sensorinput.“

Nur Sekunden später erfüllte ein seltsames Summen den Kommkanal und Li’kann meldete, dass eine große Menge der Skitarii sich nach Westen bewegte.
 

Der Körper des Techpriesters richtete sich triumphierend auf und schritt voran. Der Weg zum riesigen braunen Ziegelstein des Haupthangars war zwar nicht komplett frei, doch sie konnten nähere Begegnungen mit Patrouillen vermeiden bis sie vor einem der kleineren Eingänge des Haupthangars standen.

Dieser kleinere Eingang war ein zweiteiliges Tor, in typisch imperialer Manier groß genug damit zwei Kampfpanzer bequem nebeneinander hätten hindurch fahren können.

Cajus‘ Puppe stellte sich an die Kontrollen des Tores und wandte sich an die flimmernde Luft neben ihm: „Das Tor zu öffnen ist kein Problem, aber ich verliere die Kontrolle über unseren Freund hier sobald du dich löst.“

Mit einem Nicken bestätigte der Späher die Anweisung und griff an das Verbindungskabel.

„Wir haben nur noch etwas über fünf Minuten“, erinnerte die Scharfschützin. „Also nimm die Beine in die Hand. Und viel Glück.“

„Ich habe Pakete mit falschen Sensordaten vorbereitet, die für ein wenig Verwirrung sorgen sollten, doch ich nehme an, dass sie mittlerweile gemerkt haben, dass wir in ihren Systemen sind. Der Hangar ist stark abgeschirmt also werden wir dir da drin nicht direkt helfen können bis du dein Ziel erreicht hast.“
 

Scheppernd begann das riesige Zahnrad des Mechanicus auf dem Tor sich in der Mitte zu teilen. Sel’ta zog das Kabel aus dem Nacken des Techpriesters und lief sofort los. Er wandte sich im Tor direkt nach links und katapultierte sich mit seinen Sprungdüsen auf die erhöhte Plattform neben dem Tormechanismus hinauf.

Sein Funkgerät knisterte etwas von „Kampfläufern“ bevor die Digitalverbindung schon wieder abriss, aber er schenkte dem genau so wenig Beachtung wie den wahrhaft gewaltigen Ausmaßen der Halle in deren Wartungsgängen er gerade nach oben kletterte. In zwei Reihen standen die sehr treffend benannten Titanen in der Halle, umgeben von Wartungskokons und selbst von den Flutlichtern an der Decke kaum ausgeleuchtet.
 

Ein weiterer Schubstoß brachte ihn auf Augenhöhe mit seinem Ziel: der breiten Galerie am Ende der Halle und die Zugangsrampe zur größten der hier abgestellten mechanischen Monstrositäten.

Er sah sich gezwungen von einem Wartungssteg auf den nächsten zu springen doch sein Sprung fiel trotz Abstoßen von der Wand etwas zu kurz aus. Sein gepanzerter Leib zertrümmerte bei der Landung eine Kiste voller Ersatzteile und verteilte ihren Inhalt über den Gitterboden. Er kümmerte sich nicht darum, dass dabei seine Tarnvorrichtung kurzzeitig überlastet worden war, sondern sprintete an einer Reihe Servitoren vorbei, die zum Glück so in ihre Arbeit vertieft waren, dass sie die fleckig-graue Gestalt nicht bemerkten.
 

Sein Funkgerät knackte. „Verdammt noch mal! Eins! Deckung!“ Die Stimme war verzerrt und gerade so als die von Li’kann zu identifizieren aber war dringlich genug um den Späher dazu zu bringen, sich hinter einen der kleineren Titanen zu ducken. Einen Augenblick später stachen Lichtzungen in das Innere des Hangars und begannen sofort in einem wirr erscheinenden aber vermutlich perfekt durchgeplanten Muster die Wände abzuleuchten.
 


 

Etwas mehr als vier Kilometer von ihm entfernt bekam Enyo einen Einsatzbefehl der die Drohne aus ihrer Passivität weckte. Drohne - ein so unpassend simpel klingendes Wort für eine Hochleistungs-Kampfmaschine wie Enyo. Sie war mit fünfzehn Metern Länge etwas kleiner als der durchschnittliche Luft/Raum-Jäger aber trotzdem bis an die Zähne bewaffnet und kontrolliert von einer autonomen künstlichen Intelligenz.

Der Angriffsbefehl auf die beiden Läufer, die sie bereits seit mehreren Minuten mit den hochauflösenden Kameras im Visier hatte, rief ihre Gefechtsroutinen auf. Viel zu planen war nicht mehr, denn sobald die Läufer aufgetaucht waren hatte Enyo sie als potentielle Bedrohung eingestuft und eigenständig einen Angriffsplan bereitgestellt, den sie jetzt nur noch ausführen musste.
 

Eine Rolle um 30 Grad schwenkte den Bombenschacht vom feindlichen Radar weg bevor er sich öffnete, dann fielen zwei Luft-Boden-Lenkraketen aus dem kompakten Revolvermagazin. Die vorprogrammierten Computergehirne der Flugkörper steuerten unter Enyo weg bevor sie die Triebwerke zündeten und die exakt eingespeicherten Ziele anflogen. Bei dreifacher Schallgeschwindigkeit überbrückten sie die Strecke in knapp über vier Sekunden bevor sie durch die optischen Sensoren präzise in die Läufer einschlugen.

Die Raketen mit ihren panzerbrechenden Zehn-Kilogramm-Gefechtsköpfen waren für die leichten Maschinen natürlich kompletter Overkill, und entsprechend war auch das Schadensbild: beide wurden vollkommen ausgelöscht.

Enyo quittierte den vernichtenden Erfolg mit einem schlichten >Ausgeführt. <
 

Weit unter ihr in der Basis nutzte Sel’ta den Moment und sprintete den Rest des Weges zu dem mechanischen Monster am Ende der Halle wo zwei Skitarii das massive Tor am Rücken des Titanen bewachten. Sie hatten den heranstürmenden Späher schon längst gehört, konnten ihn aber dank der Tarnvorrichtung nicht richtig wahrnehmen. So zuckten ihre Waffenläufe suchend in die Richtung aus der die Schritte kamen.
 

Einer von ihnen hatte die richtige Idee und schaltete eine Lampe zu, doch er schaffte nicht mehr als den durch Sprungdüsen beschleunigen schweren Stiefel zu beleuchten bevor der die Panzerung über seiner breiten Brust eindellte.

Der Skitarius strauchelte und taumelte zwei Schritte nach hinten - nach dem ersten Schritt hatte er allerdings schon das Geländer erreicht. Dieses war nicht für eine viertel Tonne an schwankendem Soldat ausgelegt und gab prompt ein Stück nach. Nicht viel, aber gerade genug damit der Skitarius mit seiner schultermontierten Waffe das Übergewicht bekam und mit einem erstickten Schrei in die Tiefe stürzte.
 

Der andere versuchte auf die flackernde Gestalt vor ihm zu schießen, musste aber feststellen, dass sein schwerer Bolter ihm nicht recht gehorchen wollte.

Bevor der Skitarius die magnetisierte EMP-Granate am Gehäuse seiner Waffe überhaupt bemerken konnte hatte Sel’ta das Magazin seiner Pistole schon beinahe leergeschossen. Er brauchte über die Hälfte der sechzehn Schuss um die Panzerung zu durchbrechen. Der Rest verkochte das Innere des hochgezüchteten Soldaten.
 

Noch bevor die qualmende Ruine des Skitarius auf dem Laufweg aufgeschlagen war hielt Sel’ta dem Biosporenleser des Titanen die Probe vor, welche er die dem Kopiloten des Titanen aus dem Leib geschnitten hatte. Zum Glück hielten die Mechanicus es nicht für nötig ihre Genscanner nachprüfen zu lassen ob ihre Probe noch am Leben war, und so schoben sich die meterdicken Stahltore ein Stück auseinander damit der Infiltrator den beinahe lächerlich prunkvoll ausgeschmückten Kriegsläufer betreten konnte.
 

Der Infiltrator sicherte kurz den Raum ab und schlug dann auf den Schalter, der das Tor wieder zugleiten ließ. Er bewegte sich auf den Kommandotank in der Mitte des Raumes zu und begann ein KI-Relais an das Glas zu kleben und die nötigen Verbindungen mit der Gedankenimpulseinheit des Titanen herzustellen. Dabei versuchte er die verdrehte Gestalt, welche in der Nährflüssigkeit des Tanks schwamm, zu ignorieren oder zumindest sein Ekelgefühl zu unterdrücken.

Eins der Kabel zog er quer durch die tempelartige Kommandokapsel und verband es mit der Kommunikationsanlage. Zum Schluss stellte er noch eine Trägerfrequenz ein die Cajus ihm notiert hatte und schaltete dann das Funkgerät des Titanen ein.
 


 

Cajus sah auf der Konsole vor ihm endlich das grüne Symbol aufleuchten auf das er gewartet hatte, seit Sel’ta im Hangar verschwunden war. Er rief mit zwei Tastenanschlägen die Kontrollprogramme auf, welche er und ein Team aus Spezialisten in Vorbereitung auf diese Mission in wochenlanger Arbeit erstellt hatten, und lehnte sich in seinem Sessel zurück.

Die Sitzschale war für seine breiten Schultern zu schmal und für seine Beine zu kurz aber sobald sein Nacken mit den noch immer leicht geröteten Operationsnarben über den neuen Implantaten die Kopfstütze berührte nahm er die Enge nur noch im Hintergrund wahr.

Einen stechenden Kopfschmerz und verzerrte Bilder vor seinen Augen später befand sich sein Bewusstsein nicht mehr in einem unter Tarnnetzen und Ästen versteckten Transportpanzer in den Wäldern von Theris‘ Sühne sondern tief in der Mannigfalt des Titanen.
 

Er schwebte in einer gold-schwarzen Unendlichkeit vor der primären KI des Titanen. Eine Entität, die sein digitales Bewusstsein als haushohe, leuchtende Gestalt im Zentrum eines Spinnennetzes aus aderartigen Verbindungen zu drei dutzend weiteren Objekten wahrnahm. Die meisten Sperren um die vage humanoide Form waren schon von seinen raubfischartigen Hackerprogrammen durchbissen worden und lagen als glitzernde Codetrümmer zu seinen Füßen.

Die Steuerung des Titanen lag ihm damit beinahe offen, nur durch eine Barriere kamen seine Programme nicht: Ein zappelndes, vage humanoides Etwas im Herzen der Lichtgestalt wehrte sich vehement gegen die Raubfische aus leuchtenden Codezeilen.
 

Undine der Rote. Der Princeps.

Vor fünfhundert Jahren geboren, vor dreihundert Jahren an den Maschinengeist des Titanen gefesselt und heute schwerelos schwebend in einem Tank aus Nährstofflösung und den Produkten seines zerfallenden Körpers. Stets darauf bedacht, den so übermächtigen Maschinengeist unter Kontrolle zu halten. Ihn aus seinem Geist zu verdrängen, damit die Künstliche Intelligenz nicht die Herrschaft über ihren eigenen Körper übernehmen konnte. Und fast schutzlos gegen einen Angriff von außen.
 

Cajus brachte eine falsche Meldung in das System ein. Einige schlichte überschriebene Variablen reichten aus, um dem Titanen vorzutäuschen, dass Undine verstorben war. Bis der Princeps gemerkt hatte wie ihm geschah, war er schon längst vom System ausgestoßen worden und verschwand einem überraschten Schrei aus der Mannigfalt. Der mächtige Maschinengeist grollte protestierend und verlangte eine neue Seele, einen Wunsch den Cajus ihm nur zu gerne erfüllte.

Er stellte dem Maschinengeist in Missachtung sämtlicher Riten und Protokolle des Mechanicus seine in Schadcode gehüllte digitale Präsenz entgegen und das uralte Konstrukt griff zu.

Innerhalb weniger Sekunden wurden Cajus‘ Programme in die antiken Cogitatoren geladen und begannen sofort damit den Maschinengeist zu überschreiben, Datenströme umzuleiten und Motorbefehle neu zu formulieren.
 

Kurz darauf erwachte der von den Menschen als arkane Technologie verehrte Fusionsreaktor des Titanen mit einem kehligen Brüllen zum Leben. Cajus klinkte sein Bewusstsein in den modifizierten KI-Kern ein und musste erst einmal eine Welle aus Kopfschmerz und Schwindelgefühl über sich hinwegrollen lassen.
 

Die Verbindung war tatsächlich gut genug damit er die klotzige Form des Titanen fühlen konnte. Wegen den Schutzbarrieren gegen den noch immer aktiven Maschinengeist taub und nicht als direkten Ersatz für seinen Körper wie es bei den Kampfanzügen möglich war sondern nur als eine Art Erweiterung.

Trotzdem war es ein berauschendes Gefühl der Macht, selbst wenn dieser Körper noch in einem Käfig aus Wartungsgängen und Versorgungsleitungen eingesperrt war.

Nicht, dass dieser Käfig ihn jetzt noch halten konnte. Ein kräftiger Schritt nach vorne und die gewaltige Kraft des Warlords riss den Kokon einfach aus seinen Verankerungen und verteilte verbogenen Stahl in einem weiten Umkreis.
 

Cajus‘ neuer Körper verhielt sich anders als er erwartet hatte. Die ruckelnde Bewegung der Motoren und die unerwartet starke Verzögerung durch Funkverbindung und die umständlichen Systeme der Maschine brachten ihn beinahe zu Fall. Der Titan schwankte heftig und nur die sofort eingreifende Steuersoftware hielt ihn aufrecht.

Princeps Undine nutzte den Moment der Verwirrung und widersetzte sich der Kontrolle des Eindringlings. Cajus nahm sich Zeit für einen herzhaften Fluch über seine Selbstüberschätzung bevor er die Verbindung schwächte und Undine eine massive Wand aus Angriffscode entgegenwarf, die sogar das Netzwerk des Titanen für einige Sekunden lahmlegte.

Die Blöcke aus Schadcode waren dafür ausgelegt, GIU-Implantate zu überladen und hätten jedem ungeschützten Techpriester die Reste seines Gehirns geröstet. Der Princeps überlebte dank seiner hochwertigen Implantate aber der elektrische Schlag war stark genug um ihn einen Moment außer Gefecht zu setzen.
 

Nachdem Cajus damit sichergestellt hatte, dass Undine sich nicht wieder über Hintertüren einschleichen konnte, schaltete er sich wieder in die Maschine und bewegte die Gliedmaßen des Titanen durch.

Langsam bekam er ein besseres Gefühl für die indirekte und leicht verzögerte Steuerung. Noch war er nicht zufrieden aber ihm lief die Zeit davon also setzte er sich trotzdem in Bewegung.

Die Reste des Wartungskäfigs fielen von ihm ab und zerschmetterten mehrere kettengetriebene Schwertransporter als sie auf dem Boden aufschlugen.
 

Das Haupttor des Hangars war jetzt direkt vor ihm – selbstverständlich war es geschlossen und die Steuerung reagierte nicht auf Cajus‘ Anfragen.

Einige Tastenanschläge seines echten Körpers sprachen die Waffenstation an und leiteten Energie aus dem Reaktor in den linken Arm von Theriocephalas und in die Speicherzellen des Meltergeschützes.

Jetzt in der Rolle des Moderatus Secundus griff er nach dem Steuerknüppel an seiner linken Hand, führte das Fadenkreuz im Gesichtsfeld des Titanen über das Hangartor und drückte ab.
 

Der Rückstoß war viel heftiger als erwartet und die Steuersoftware musste erneut eingreifen um den Titanen aufrecht zu halten. Dafür war von den beiden Flügeln des Hangartores jetzt nicht mehr viel übrig und ein riesiges geschmolzenes Loch klaffte in der Mitte.

Einen Augenblick später hatte er seinen Geist wieder in die Steuerung des Titanen versenkt und machte sich auf den Weg um den Hangar zu verlassen. Er setzte seine Arme ein um sich das verzogene Metall aus dem Weg zu schaffen und trat ins Freie. Dabei trat er - mehr aus Versehen - auf einen Panzer der unter dem riesigen Fuß plattgedrückt wurde wie eine Pappschachtel.
 

Seine Sensoren nahmen am Rande einige Gruppen an Skitarii und Servitoren zur Kenntnis aber er ignorierte sie; selbst mit abgeschalteten Deflektorschilden konnten sie nichts gegen ihn ausrichten. Die wabernden Fetzen an Noosphäre, die von den Truppen und anderen Maschinen ausgingen, versuchten sich automatisch mit dem Maschinengeist des Titanen zu verbinden doch die Präsenz von Xenoscode schreckte sie ab. Das leuchtende Gitter sich um ihn herum kräuselte sich um seine Beine und zuckte wie angewidert.
 

Eine Datenanzeige am Rand seines Gesichtsfeldes blitzte auf, das Zeichen, dass die Vulkankanone im rechten Arm des Titanen jetzt einsatzbereit war. Er schwächte wieder seine Gedankenverbindung zum Titanen und leitete Energie um. Ein scharfes Pfeifen schallte durch die Struktur des Titanen als die Kondensatoren mit mehreren Gigajoule Energie vollgepumpt wurden.

Diesen Moment nutzte Theriocephalas um sich zur Wehr zu setzen. Der Maschinengeist der Gottmaschine bäumte sich auf und warf sich gegen die digitalen Fesseln, die ihm der Eindringling angelegt hatte. Für diese Rebellion aber hatte Cajus vorgesorgt. Die antike KI rannte beim Versuch, ihn aus dem System zu werfen, in mehrere vorbereitete Angriffsbarrieren.
 

Ein Zentralrechner eines Warlord-Titanen war selbstverständlich nicht so anfällig wie das biologische Gehirn des Magos, trotzdem wurde der Maschinengeist empfindlich getroffen und hatte sich mit seiner offensiven Aktion angreifbar gemacht.

Sein System lag endlich offen genug damit Cajus in die Bresche springen und seinen Kern frontal angehen konnte. Er überlastete die geschwächte KI mit tausenden Bewegungsanfragen für die Arme bis ihr begrenzter Arbeitsspeicher nicht mehr aufnehmen konnte und das System blockierte um die Anfragen zur späteren Verwendung in die Speicherkerne umzuleiten.
 

Eine Schwachstelle, die Cajus ausnutzte um sein Kommandoprogramm direkt in den primären Speicher des Maschinengeistes einzubringen.

Ein gewaltiger Ruck ging durch den Titanen als das von Kampfanzugsoftware inspirierte Programm die Kontrolle übernahm. Metall kreischte und Beton splitterte unter den riesigen Füßen als die stählernen Muskeln sich verkrampften.

Dann wurde es still um Cajus.
 

> NEUSTART DES SYSTEMS <
 

> … LADE …<
 

> TITANEN-BETRIEBSSYSTEM VERSION 0.95c <

> WARNUNG: BETAVERSION. NICHT FÜR DEN KAMPFEINSATZ BESTIMMT <

> : Basierend auf Tatencis Heavy Industries Kampfanzug-OS 2.3.3 : <
 

> Lade Maschinenprofil: Warlord-Kriegstitan<
 

> Zugriff: Sensorsysteme <

> Kameras 1 – 33 einsatzbereit. <

> Auspexsysteme 1 – 9 einsatzbereit. <

> Luftabwehrradar einsatzbereit. <
 

> Zugriff: Aktuatoren <

> Aktuatoren 1 – 48 einsatzbereit. <
 

> Zugriff: Defensivsysteme <

> Deflektorgeneratoren 1 – 6 einsatzbereit. <

> Täuschkörperwerfer 1 – 5 einsatzbereit. <

> EGM-System einsatzbereit. <
 

> Zugriff: Offensivsysteme <

> Apokalypse-Raketensysteme 1 – 2 geladen und einsatzbereit. <

> Vulkangeschütz einsatzbereit. <

> Melterkanone einsatzbereit. <
 

> Lade Benutzerprofil. <

> Willkommen, Princeps Cajus der Befreite <
 

Als Cajus die Augen wieder öffnete stand sein Blickpunkt in dreißig Meter Höhe und sein Leib war ein fast eintausend Tonnen schweres Monstrum aus Metall.

Über seine echten Lippen spielte ein breites Grinsen.
 

Man hatte ihm gesagt, er sei zu schwach um selbst einen Mercurius unter Kontrolle zu halten, daher könne er nicht einmal davon träumen jemals einen Titanen zu steuern.

Und jetzt?

Jetzt war er wirklich ein Befreiter. Er war vor den festgefahrenen Dogmen und nutzlosen Ritualen geflohen und ein wahrer Ingenieur geworden. Ein freier Mensch, der sich nicht mit den Limitierungen von einer seit Jahrhunderten verkrusteten Technologie zufrieden gab wenn er auf ein Problem traf sondern einfach seinen Verstand benutzte und etwas Neues erfand.

Nach den verbohrten Glaubensvorstellungen seiner ehemaligen Vorgesetzten machte er sich damit schuldig der Ketzerei.

Aber wohin hatte ihn das geführt? Zur Fernkontrolle einer der tödlichsten Kriegsmaschinen die jemals gebaut worden waren, etwas, von dem der Mechanicus in seiner panischen Angst vor künstlichen Intelligenzen niemals hätte auch nur träumen können.

Als sein Geist in den Titanenkörper einsank spürte er jede Energieleitung, jeden Input der Sensoren, jeden Motor. Sogar die Lebenszeichen von seinem Freund Sel’ta konnte er fühlen, der sich in seinem Inneren festhielt und auf den Monitoren der Kommandozentrale die Szenerie beobachtete.

Es war noch immer eine kratzige Verbindung, weit von den samtweichen Kampfanzügen des Sternenreiches entfernt, doch auch so er fühlte eine unglaubliche Macht von diesem Körper ausgehen.
 

Ein befreites und vielleicht auch leicht größenwahnsinniges Lachen brach sich Bahn und schlug nach außen hin als Rückkopplung in die Noosphäre zurück, die mit einem solchen Gefühlsausbruch nicht zurechtkam.
 

Er atmete durch und setzte sich wieder in Bewegung. Die Verzögerung zwischen seinem Gehirn und dem Titanen war noch immer spürbar, aber nachdem seine Programme jetzt die volle Kontrolle über die Maschine hatten und den Input glätten konnten waren die Auswirkungen bei weitem nicht mehr so schlimm.
 

Auf der anderen Seite des großen Vorplatzes stellte er sich breitbeinig auf und richtete sich in Richtung von Tamaron aus, Schmiedemakropole und Hauptstadt dieses Kontinents. Ein Gedankenimpuls aktivierte das Raketensystem auf den Schultern des Titanen und ein weiterer rief die Zielerfassungssoftware auf.

Vorgespeicherte Zieldaten wurden in die primitiven Trägheitsnavigationssysteme der Raketen übertragen und die Sprengköpfe scharf gemacht.

Einige Panzerbrechende Granaten bissen Cajus in die Hüfte als eine Gruppe aus Leman Russ Kampfpanzern geschlossen das Feuer auf seine Seite eröffnete. Er ignorierte das unbedenkliche Zwicken in seiner Seite einfach und feuerte seinen Raketenschwarm ab.
 

Das Donnern der Raketentriebwerke war noch nicht ganz verhallt als er seinen rechten Arm hob und die letzten Sicherungen des Vulkangeschützes entfernte. Er zog das goldene Fadenkreuz über eine Silhouette am Horizont die von seinem Display einfach nur als „Orbitaler Verteidigungslaser“ identifiziert wurde.
 

Der Orbitale Verteidigungslaser Theris‘ Faust, die größte und wichtigste Verteidigungseinrichtung von Theris‘ Sühne. Und das letzte große Hindernis welches der Invasionsflotte, die seit bald zwei Wochen geduldig am Rand des Systems wartete, einen Anflug auf den Planeten unmöglich machen würde. Aber nicht mehr lange.
 

„All diejenigen von euch, die behauptet haben, dass der falsche Umgang mit Technologie einst euer Ende sein würde…“ Er beobachtete die Ladeanzeigen der riesigen Laserwaffe und gönnte sich ein leises Lächeln, als er die Energie aus seinem Arm entfesselte: „Ihr hattet recht“



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