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Die Schatten werden länger

von

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Namárie. Lebe wohl.

Wenige Tage später fanden sich die Gefährten in Bruchtal wieder, an dem Ort, an dem ihre gemeinsame Reise damals begonnen hatte. Und obgleich sich das Tal noch immer in der selben Pracht vor ihnen erstreckte, hatte sich doch alles verändert. Nichts war mehr so wie früher und es würde auch nie mehr so werden.
 

Seit sie an den Bruinen gelangt waren und nun seinem Lauf Richtung Imladris folgten, war Aragorn von Minute zu Minute schweigsamer geworden. Es gab nichts, das in hier nicht an die Vergangenheit erinnert hätte. Dabei dachte er allerdings nicht so sehr an seine Kindheit und Erziehung unter Elrond, sondern vielmehr an die gemeinsamen Stunden mit Arwen. Er hörte ihr Lachen und sah, wie sie einander auf der Brücke unter dem Vollmond ewige Liebe und Treue schwörten. Tiefer und tiefer versank Aragorn in der bittersüßen Melancholie der Erinnerung; sein Herz allerdings wurde dabei schwerer und schwerer.

Als Elrond sie in seiner Heimat willkommen hieß, konnte ihm Aragorn beinahe nicht in die Augen sehen; er fühlte zum ersten Mal unendlich tiefen Zorn gegen den Mann, der ihm doch eigentlich wie ein Vater war. Dieses Gefühlschaos verwirrte ihn noch mehr, sodass Aragorn nach der allgemeinen Begrüßung bat, man möge ihn entschuldigen, er müsse sich ein wenig ausruhen. In seinen Ohren klang das zwar mehr als lächerlich, doch da sich niemand etwas anmerken ließ – nicht einmal Legolas – suchte Aragorn das Weite.

Seine Füße trugen ihn zum Grab seiner Mutter, das sich etwas abseits der elbischen Häuser befand. Es waren zwar nur einige Monate vergangen, seitdem er das letzte Mal an diesem Ort gewesen war, doch Aragorn kam es vor wie ein anderes Leben. Entmutigt und von Gefühlen überwältigt ließ er sich vor dem Grab auf die Knie sinken. „Aman.“ Es war kaum mehr als ein Flüstern, das seiner Kehle entfuhr. Und doch sprach tiefe Verwirrung daraus. Was sollte er jetzt tun? An wen sollte er sich wenden? Es gab niemanden, dem sich Aragorn in dieser Sache anvertrauen konnte. So redete er selbst sich das jedenfalls ein. Niemanden außer seine Mutter. Doch sie war tot, sie war fort, und Aragorn war so müde. Und er fühlte sich alt und erschöpft, obwohl er jetzt doch glücklich und zufrieden sein müsste. Und diese Tatsache machte das Ganze auch nicht wirklich besser. Im Gegenteil, die Gedanken schienen in seinem Kopf immer lauter und heftiger durcheinander zu schreien; sie fochten regelrechte Kämpfe aus. Alles schien sich zu drehen und zu drehen bis Aragorn irgendwann vor Erschöpfung neben dem Grab seiner Mutter einschlief.
 

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Gandalf saß an Frodos Bett und wartete darauf, dass dieser erwachte. Genau die selbe Szene hatte sich schon einmal ereignet; damals, am Beginn ihrer Reise, als Frodo von den Nazguls auf der Wetterspitze verwundet worden war. Damals wie heute verdankte der Hobbit sein Leben Elrond, dessen Heilkünste beinahe in ganz Mittelerde legendär waren.

Doch vieles hatte sich verändert. Nicht nur Gandalf, der als Gandalf der Graue gestorben und als Gandalf der Weiße ins Leben zurückgerufen worden war, sondern auch Frodo, der vieles hatte ertragen müssen. Bis heute verstand der Zauberer nicht, wie er Frodo hatte zum Ringträger werden können lassen und er schalt sich selbst einen Narren, dem Jungen ein derartiges Schicksal aufgebürdet zu haben.

Doch in diesem Augenblick begann sich Frodo zu regen. Seine Augenlider zuckten und dann sah er Gandalf an. Und beide fingen an zu lachen. Und nach und nach kamen auch die anderen Gefährten hinzu und stimmten in dieses erlösende, befreiende Lachen ein.

Zu Gandalfs Freude konnte sich sogar Aragorn ein Lächeln abgewinnen. Der Zauberer war in den letzten Tagen äußerst besorgt über dessen Zustand gewesen. Doch nun schien es so, als habe Aragorn die Sache zumindest wieder einigermaßen im Griff. Dennoch beschloss Gandalf, ein Auge auf seinen Freund zu haben. Wahrscheinlich machte er sich zwar nur zu viele Sorgen, doch man konnte schließlich nie wissen...
 

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Am darauffolgenden Abend wurde in Bruchtal ein großes Fest veranstaltet. Man feierte den Sieg über Sauron und die dunklen Mächte und die endgültige Zerstörung des Einen Ringes. Obwohl die meisten Elben Bruchtal bereits verlassen hatten, um in den Westen zu segeln, waren Freunde aus nah und fern angereist, um gemeinsam auf diese Errungenschaft anzustoßen.

Legolas sah sich um; alle schienen glücklich zu sein. Er sah die vielen lachenden Gesichter um sich herum. Zufriedenheit und Erlösung sprachen aus ihnen. Das war auch kein Wunder, schließlich hatten sie aller Freiheit und Frieden zurückerlangt und mussten nicht mehr in ständiger Angst vor Mordor leben.

Doch warum war er nicht glücklich? Er war froh, dass der Ring und Sauron vernichtet waren. Sie hatten ihr Ziel erreicht; die Gemeinschaft war erfolgreich gewesen. Und er konnte nun siegreich zu seinem Vater heimkehren. Vielleicht würde er sogar einmal dessen Thron besteigen. Und dennoch hatte Legolas das Gefühl, das etwas fehlte. Und er wusste genau, was dieses Etwas war. Doch wie er es erreichen sollte, wusste er nicht.

Auf leisen Sohlen verließ er den Festsaal; er wollte einen Moment alleine sein. Daher ließ er sich von seinen Füßen durch die Straßen Bruchtals tragen, die an diesem Abend wie ausgestorben waren. Doch das merkte Legolas nicht einmal. Sehnsüchtig dachte er an Thranduil, seinen geliebten Vater, und an die Idylle in Düsterwald, seiner Heimat. Irgendwann ließ er sich dann auf einer schmalen Brücke nieder und dachte zurück an die Tage bevor all dies hier passiert war: An seine Zeit als Prinz des Düsterwaldes, der von allen wegen seiner Hilfsbereitschaft geliebt und wegen seiner Fertigkeiten mit dem Bogen bewundert worden war. An seine Familie und seine Freunde, mit denen er so viel erlebt hatte. An Haldir, der ihm schon beinahe so etwas wie ein Bruder gewesen war. Und voller Bitterkeit musste er feststellen, dass all dies fort war und nie mehr so werden könnte.
 

Aragorn bemerkte, dass sich Legolas klammheimlich fortstahl und beschloss spontan, ihm zu folgen. Er sah, wie Gandalf ihm einen besorgten Blick zuwarf, doch Aragorn winkte ab und lächelte den Zauberer an. Und dann war er auch schon zur Tür hinaus.

In einigem Abstand folgte er dem Elben, konnte sich aber nicht dazu überwinden, ihn anzusprechen. Als Legolas sich auf der Brücke niederließ, verbarg sich Aragorn im Schatten und beobachtete ihn. Irgendetwas schien seinen Freund zu beschäftigen; sein Gesichtsausdruck wechselte von Glückseligkeit über Bedauern bis hin zu tiefer Trauer. Aragorn war sich sicher, wäre Legolas kein Elb, wären jetzt bittere Tränen über seine Wangen gelaufen. Ohne es zu merken hielt Aragorn die Luft an. Und zum ersten Mal wurde ihm wirklich klar, dass Legolas ihn tatsächlich im Innersten seiner Seele bewegte.

Diese Erkenntnis veranlasste Aragorn dazu, aus seinem Versteck hervorzutreten und auf den Elben zuzugehen. Dieser schaute auf, als er Aragorn wahrnahm, und erhob sich. Aragorn glaubte zu sehen, dass sich Legolas' Gesicht aufhellte, als er ihn erkannte. Zielstrebig ging Aragorn auf seinen Freund zu; er wollte ihn hier und jetzt auf der Stelle küssen. Alles andere war ihm egal und nicht und niemand würde ihn jetzt noch davon abhalten.

Doch dann der ernüchternde Schlag in die Magengrube: Eine Erinnerung flammte so intensiv vor Aragorns innerem Auge auf, dass er abrupt innehielt. Arwen. Nachts. Der Abendstern. Und mit einem Mal wurde Aragorn klar, dass es die Brücke war. Es war die selbe Brücke, auf der er sich am Abend vor dem Bündnis der Gefährten mit Arwen getroffen hatte. Und die Gefühle, die er schon beinahe vergessen hatte, drohten, ihn zu überwältigen. Doch nein! Mit einem energischen Wisch unterdrückte er die Erinnerung; er durfte und wollte nicht dauernd in Legolas' Anwesenheit an Arwen denken. Er wusste, dass den Elben das sehr verletzte, auch wenn der versucht hatte, sich nichts anmerken zu lassen.

Doch Legolas war fort; die Stelle, an der er soeben noch gestanden war, war leer. Verdammt! Aragorn hatte es wieder einmal vermasselt. Und vor Wut stieß er einen lauten Schrei aus.
 

Legolas rannte. Er rannte davon. Er wollte nur noch eins, nämlich fort von hier, fort von Aragorn und seinen dämlichen Erinnerungen...Er hatte genug davon.

Innerhalb von Sekunden packte er seine Sachen und zäumte Arod auf. Er hörte Aragorn nach ihm rufen und dann war er auch schon da und er flehte Legolas an, ihm zu verzeihen und hier zu bleiben, bei ihm zu bleiben.

Legolas merkte, wie ernst es Aragorn war. Am liebsten hätte er seinen Bitten nachgegeben. Doch er wusste, dass damit das Problem nicht aus der Welt geschafft werden würde.

„Ich glaube dir, Aragorn. Ich glaube dir, dass du es ernst meinst. Doch so sehr ich mir auch wünsche, für immer an deiner Seite zu bleiben, kann ich es nicht. Nicht so. Nicht mit der Vergangenheit, die hinter jeder Ecke lauert und nur darauf wartete, ohne Vorwarnung hervorzuspringen. Ich kann das nicht.“

Aragorn schien der Verzweiflung nahe zu sein und Legolas wollte ihn nicht so leiden sehen. „Hör zu, mein Freund. Ich kehre jetzt für einige Zeit in meine Heimat zurück. Doch bei deiner Krönung werde ich zurück sein. Und dann hängt es von dir ab, was geschieht...Bis dahin, namárie. Lebe wohl.“

Mit diesen Worten wandte sich Legolas von Aragorn ab, denn er ertrug es nicht, ihn anzusehen. Er ging auf sein Pferd zu, doch plötzlich drehte er sich um, rannte zu Aragorn zurück, küsste ihn, stürmte dann zu Arod und in wildem Galopp jagte er davon.



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