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Last Desire 9.5 Teil 1

Concealed Desire
von

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Ungewohnte Freiheit

Ezra kam schließlich mit dem Essen ins Wohnzimmer. Es gab einen vegetarischen Eintopf und der etwas kurz geratene 18-jährige erklärte „Ich esse grundsätzlich kein Fleisch. Wenn du ein Problem damit hast, musst du es nur sagen.“ Aber Elion kam das auch ganz gelegen und erklärte „Ich esse auch nichts, wofür irgendjemand oder irgendetwas sterben musste. Sag mal, der Vogel und der Hund da in dem Zimmer… sind das deine Haustiere?“ Ezra nickte und öffnete sich eine Dose Bier, Elion selbst begnügte sich da lieber mit einem Glas Wasser. „Archi habe ich von einem meiner Kunden, der hier in der Gegend Hundekämpfe veranstaltet. Er hat ihn fast totgetreten, also habe ich ihn gekauft und mitgenommen. Und Sammy lag in einer Gasse mit einem gebrochenen Flügel. Seitdem verlässt er die Wohnung nicht und ich kümmere mich um ihn.“ Offenbar schien Ezra sehr tierlieb und einer von der hilfsbereiten Sorte zu sein. Nun, seine große Tierliebe sprach doch eigentlich für einen guten Charakter, zumindest war Elion dieser Ansicht. Er selbst liebte ja auch Tiere. Nach einer Weile sagte der 18-jährige „Ich will dich nicht großartig ausquetschen oder so. Aber als du mich um Hilfe angefleht hast, da hab ich natürlich erst mal wissen wollen, wen ich da eigentlich zu mir hole. Aber ich hab keine Papiere bei dir gefunden und da hatte auch noch jemand mit einem Messer auf dich eingestochen. Bist du vielleicht überfallen worden?“

„Ehrlich gesagt habe ich nur sehr vage Erinnerungen. Und…“ Elion zögerte, denn er war sich nicht sicher, was er sagen sollte. Die Wahrheit? Nein, die wäre sowieso alles andere als glaubhaft. Aber sollte er dem Menschen eine Lüge auftischen, der ihn gerettet und bei sich aufgenommen hatte? Frederica räusperte sich und meldete sich zu Wort. „Du solltest ihm vielleicht doch besser die Wahrheit sagen. Mein Gefühl sagt mir, dass er schon irgendetwas ahnt.“ Da Elion aber kein Wort hervorbrachte, brach Ezra schließlich das Schweigen. Er aß den letzten Bissen von seinem Eintopf und holte im Anschluss ein Medikamentendöschen aus der Tasche seines Kapuzenpullovers hervor, nahm eine Kapsel heraus und schluckte sie. Elion erhaschte einen Blick auf das Etikett und sah, dass es Eisenpräparate waren. Das würde zumindest erklären, wieso der Junge so blass im Gesicht war und auch ein wenig müde wirkte. So etwas waren deutliche Symptome. Das hatte er mal aufgeschnappt, weil Sariel eine Zeit lang anämisch war. „Als ich dich hergebracht habe, da habe ich auch deine Wunden versorgt. Du hattest ziemlich schlimme Verletzungen, aber mir ist da etwas Merkwürdiges aufgefallen. Als ich nämlich gerade dabei war, mir das Blut von den Händen zu waschen und wieder zurückkam, da waren deine Wunden plötzlich weg. Es sind nicht mal Narben zurückgeblieben. Und noch etwas ist mir aufgefallen: auf deinem Hinterkopf war ein merkwürdiges Tattoo zu sehen. Es sah wie ein Strichcode aus. Kann es sein, dass du in irgendwelche dubiosen Sachen verwickelt bist?“ Elion erkannte wohl, dass es keinen Sinn machen würde, Ezra zu belügen und entschloss sich deshalb, gleich die ganze Wahrheit zu sagen. Auch auf das Risiko hin, dass der Junge ihn hochkant vor die Tür setzen würde (was er ihm auch nicht sonderlich verübeln konnte). Er atmete tief durch und murmelte „Das Ganze ist etwas schwierig zu erklären. Die Wahrheit ist, dass ich kein normaler Mensch bin. Genauer genommen bin ich ein Monster. Meine Gene wurden während der Zeugung von etwas infiziert, das man als Unborn bezeichnet. Und dabei entwickelte ich gewisse Fähigkeiten. Mein Körper setzt sich um Punkt 0:00 Uhr zurück und deshalb sind auch meine Verletzungen verschwunden. Man könnte mich sogar töten oder zerstückeln, um Mitternacht bin ich vollständig wiederhergestellt. Auch meine Sinne funktionieren anders, da durch meine Haare Nervenstränge verlaufen, die meine Wahrnehmung verstärken können. Allerdings kann ich das inzwischen unterdrücken, sonst würden mich die einfachsten Dinge völlig überfordern. Problematisch ist aber, dass mein Haar dadurch äußerst schmerzempfindlich ist. Fakt ist also, ich bin kein richtiger Mensch, sondern ein Hybrid und ich bin in einem Institut aufgewachsen.“ Ezra starrte ihn mit einem Blick an, der nur schwer erkennen ließ, was er gerade dachte oder fühlte. Er sagte nichts und hatte immer noch diesen mürrischen und finsteren Blick. Dann aber fragte er „Bist du geflohen?“ „Nein, ich wurde zu einem Einsatz rausgeschickt. Du musst wissen, es gab noch mehr als mich. Wir wurden gedrillt, jeden Auftrag auszuführen und auf Ungehorsam folgten Folterungen, Experimente und andere Methoden, um uns zu brechen. Wir waren insgesamt sieben gewesen, aber vier von uns wurden entsorgt. Das heißt, sie wurden bei lebendigem Leib auseinandergenommen und verwertbare Organe wurden für andere Forschungen weiterverwendet und man stirbt endgültig. Der Unborn, mit dem ich infiziert worden bin, hätte mich wahrscheinlich getötet, aber mir konnte noch rechtzeitig ein Serum gespritzt werden, welches den Prozess stoppt. Eigentlich bin ich davon ausgegangen, dass damit auch meine Fähigkeiten schwinden, aber dem ist wohl nicht so. Soweit ich erfahren habe, ist eine von uns tot und der andere konnte in Sicherheit gebracht werden. Ich weiß, dass das ziemlich verrückt klingen muss. So etwas klingt sicher ziemlich abenteuerlich und unglaubwürdig.“

„Verrückt ist gar kein Ausdruck“, betonte der 18-jährige und nahm einen Schluck aus der Bierdose. „Wenn ich nicht selbst gesehen hätte, dass du wie durch ein Wunder völlig geheilt warst, würde ich dir jetzt auch kein Wort glauben. Aber da ich es gesehen habe, habe ich auch keinen Grund, an dieser verrückten und abenteuerlichen Geschichte zu zweifeln. Außerdem hätte mir jeder andere, der mich anlügen wollte, mir irgendetwas anderes aufgetischt. Vielleicht, dass er an Menschenhändler geraten oder in Mafiageschäfte verwickelt war. Die Liste der Ausreden ist unendlich lang. Aber du bist mit der wohl verrücktesten Geschichte gekommen, die genauso gut aus einem Science-Fiction, oder aus einem Marvel-Comic stammen könnte. Deshalb glaube ich dir deine Story auch. Oder zumindest zu einem gewissen Teil. Also erzähl mal: was hast du jetzt vor? Willst du wieder in dieses Institut zurückgehen?“

„Nein“, sagte Elion und dachte nach. Ehrlich gesagt wusste er nicht, was er tun wollte und wohin er gehen sollte. Irgendwie hatte er das Gefühl, als würde ihm etwas Wichtiges fehlen oder als wäre er auf der Suche nach etwas. „Ich weiß nicht genau, wohin ich gehen und was ich eigentlich tun soll. Ich habe mein ganzes Leben in diesem Institut verbracht und bin nur zu den Einsätzen draußen gewesen und das waren nur zwei Male.“ Wieder sah Ezra ihn schweigend an und wirkte recht mürrisch, aber es mochte auch daran liegen, weil er immer so aussah und man es leicht als unfreundlich oder aggressiv werten konnte. Wahrscheinlich versuchte er in Wahrheit nur seine wahren Gefühle zu verbergen und sich seinem Gegenüber nicht in die Karten sehen zu lassen. Ein äußerst vorsichtiger und extrem misstrauischer Mensch. Schließlich aber wandte der 18-jährige den Blick ab und sein Ausdruck verlor einiges an Härte als er sagte „Du kannst gerne erst mal hier bleiben. Hier ist sowieso genug Platz für zwei Leute.“

„Danke Ezra. Aber wieso hilfst du mir eigentlich obwohl du doch jetzt weißt, dass ich ein Monster bin?“ Der Junge schnaubte leise und trank den letzten Schluck Bier. „Muss ich dafür unbedingt einen Grund haben? Und überhaupt: für mich siehst du nicht wie ein Monster aus und auf mich wirkst du auch nicht wie eines, zumindest noch nicht. Und überhaupt warst du es doch, der mich um Hilfe angefleht hat. Wenn man mich um Hilfe bittet, dann helfe ich eben auch.“

„Dann warst du dieses Mädchen gewesen?“

„Ein Wort noch darüber und es gibt Tote“, knurrte Ezra und stand auf, um das Geschirr in die Küche zu bringen. „Tut mir Leid“, entschuldigte sich Elion und wollte helfen, doch das ließ der 18-jährige gar nicht erst zu, sondern wies ihn etwas schroff an, sich auszuruhen. „Wer fast drei Tage durchschläft, dem muss es doch beschissen gehen. Ich bin gleich eh wieder weg, also leg dich hin, hier ist eh nichts zu tun.“

„Wohin gehst du?“

„Arbeiten. Halbtags arbeite ich im Supermarkt und ich hab nachher noch einen Kunden. Wenn jemand anklopfen sollte, dann mach nicht auf, verstanden? Mach niemals auf, wenn jemand klopft oder anklingelt. Es sei denn, es ist die alte Mrs. Willows, dann darfst du ihr ruhig öffnen. Warte aber, bis du jemanden hörst und halte ja die Klappe. Das wird sonst nur Ärger geben, wenn rauskommt, dass jemand bei mir wohnt. Wenn ich rausgehe, schließe ich die Wohnungstür ab. Wenn jemand versuchen sollte, die Tür gewaltsam aufzubrechen, dann kannst du über die Feuertreppe in den Hinterhof entkommen. Diese erreichst du über das Fenster in meinem Zimmer. Soweit alles verstanden?“ Elion nickte, wunderte sich aber schon über diese Vorsichtsmaßnahmen und wollte natürlich wissen, wieso der ganze Aufwand betrieben wurde. Die Erklärung war etwas beunruhigend. „Im Haus kommen regelmäßig Schutzgelderpresser rein. Die kommen unangemeldet her um abzukassieren. Wenn man zahlt, hat man seine Ruhe. Wenn nicht, dann werden sie ungemütlich und dann auch meistens ziemlich gewalttätig. Da ich alleine hier wohne, brauch ich nur für mich selbst zu zahlen. Aber wenn sie von dir erfahren, verdoppelt sich das natürlich und ich komm mit den beiden Jobs gerade mal so über die Runden. Also deshalb dürfen sie nicht erfahren, dass du bei mir wohnst, kapiert?“ Nun, das erklärte natürlich alles. Aber wieso machten diese Leute überhaupt so etwas? Als er diese Frage stellte, war Ezras Antwort einfach. „Die arbeiten für die Mafia. Eine Gruppe, die sich auf Schutzgelderpressung konzentriert und wer nicht zahlen kann, der landet mal locker mit Knochenbrüchen im Krankenhaus. Die sind echt gefährlich, also denk daran: hau über die Feuertreppe ab, wenn sie in die Wohnung einbrechen sollten. Du kannst dann bei Mrs. Willows klingeln und bei ihr dann so lange bleiben, bis ich zurück bin.“

„Kann man gegen diese Schutzgeldeintreiber nichts machen?“ Ezra lachte bitter bei dieser Frage. „Was denn bitteschön? Die Bullen in der Gegend sind doch sowieso korrupt und kriminell. Auf die kann man sich hier nicht verlassen. Ich muss jetzt auch langsam los. Mein Kunde wartet schon.“ Damit schnappte sich Ezra eine kleine Umhängetasche und ging. Man hörte nur noch, wie die Wohnungstür abgeschlossen wurde und Elion blieb wieder alleine zurück. Er wandte sich an Frederica, die es sich ebenfalls auf dem Sofa bequem gemacht hatte. Sie lehnte sich zurück und seufzte leise. „Da sind wir beide ja an einem spannenden Ort gelandet, oder? Hast du Angst, oder wieso siehst du so bedrückt aus?“

„Ich frage mich, wie Ezra mit diesen Typen fertig werden soll. Er wirkt nicht gerade danach, als hätte er eine Chance gegen so gefährliche Individuen.“

„Das weiß er auch, deshalb hat er dir auch nahe gelegt, selbst nicht so verrückt zu sein. Nun, eigentlich wärst du in der Lage, mit diesen Kerlen fertig zu werden. Aber das ist deine Entscheidung und nicht meine. Aber es ist schon süß, dass du dir Sorgen um ihn machst.“

„Warum denn nicht? Er hat mich immerhin bei sich aufgenommen und ich will auch nicht, dass er wegen mir noch Ärger mit irgendwelchen Schlägertypen bekommt. Aber mich würde ja interessieren, was er denn für Kunden hat.“

„Tja, da musst du ihn wohl nachher fragen, wenn er wieder zurückkommt.“ Elion schwieg und versuchte noch, das alles für sich irgendwie sortiert zu bekommen. Diese ganze Situation war noch ziemlich ungewohnt und vor allem wunderte er sich, dass Ezra gar nicht so reagiert hatte, wie er sich das eigentlich vorgestellt hatte. Zuerst war er davon ausgegangen, dass Ezra ihm nicht glauben, oder ihn vielleicht auch rausschmeißen würde. Er hätte es ihm nicht mal übel genommen, da er immerhin ein Monster war. Aber stattdessen hatte der Junge ihm sogar danach noch angeboten gehabt, dass er hier bleiben könne. Wieso eigentlich? Das wurde ihm immer rätselhafter, denn bisher hatte er außer Nastasja keinen anderen Menschen kennen gelernt, der ihm helfen wollte oder überhaupt einen Gedanken an ihn verschwendet hatte. Er war immer der Ansicht gewesen, dass die Menschen ihn alle so behandeln würden und dass Nastasja die einzige Ausnahme wäre. Aber Ezra hatte ihn gerettet und zu sich nach Hause gebracht. Er hatte sich um ihn gekümmert und wollte ihm selbst jetzt noch helfen, wo er doch die Wahrheit wusste. Das war Elion noch nie passiert und deshalb verstand er es auch nicht. „Frederica, wieso hilft er mir denn? Ich meine, er kennt mich nicht und wir haben uns noch nie getroffen. Kannst du mir das erklären?“ Das Albinomädchen musste kurz überlegen, um sich eine passende und hilfreiche Antwort zurechtzulegen. Dann erklärte sie „Es gibt einfach Menschen, die sehr sozial sind und anderen helfen, weil sie es als selbstverständlich ansehen. Und als Ezra gehört hat, was James und die anderen dir und den anderen angetan haben, da hatte er Mitleid und wollte dir helfen.“

„Mag sein. Aber irgendwie scheint er wohl jemand zu sein, der seine Gefühle nicht gerade nach außen trägt. Er macht einen ziemlich genervten und auch aggressiven Eindruck, aber vielleicht ist das ja auch, weil er sich nicht in die Karten gucken lassen will, oder?“

„Scheint so. Solche Menschen hab ich auch schon kennen gelernt. Raue Schale und weicher Kern. Du kannst aber rein theoretisch in Ezras Seele hineinblicken, wenn du ihn berührst.“

„Das will ich aber nicht. Bisher war es nie sonderlich angenehm gewesen zu sehen, wie die Menschen hinter der äußeren Fassade wirklich sind. Denn jeder hat eine dunkle und grausame Seite und die will ich nicht sehen.“ Und außerdem hatte er insgeheim Angst, dass vielleicht noch irgendwo in ihm Überreste des Unborns existieren und er beim Aufbau einer mentalen Verbindung Ezra genauso infizieren könnte wie Andrew. Deshalb war es besser, wenn er jegliche Art von Hautkontakt vermied, um kein Risiko einzugehen. Leise Schritte von Pfoten waren zu hören und der Rottweiler kam ins Wohnzimmer. Er sprang auf die Couch und ließ sich von Elion streicheln. „Auf jeden Fall scheint dich der Hund sehr zu mögen“, bemerkte Frederica, als sie das Bild sah. Der Grauhaarige nickte und begann Archi den Nacken zu kraulen. „Offenbar haben Tiere keine so große Angst vor Monstern wie Menschen.“ Schweigend saß er auf der Couch und dachte nach. Er fragte sich, was er eigentlich tun sollte. Irgendwie war er vollkommen ratlos und er fühlte sich so, als ob da irgendetwas fehlte. Und das entging auch Frederica nicht. „Sag schon, was beschäftigt dich?“ „Ich fühl mich so fremd in dieser Welt. Immer wieder frage ich mich, was ich hier soll und warum ich überhaupt da bin. Ich meine, ich habe zuvor nur für diesen einen Zweck existiert, nämlich zu einem vollwertigen Proxy zu werden und Menschen zu töten. Es gab für mich nichts anderes, aber nun habe ich nichts. Keine Aufgabe, keine Pflichten, keine Experimente… es ist, als wäre ich in einer Welt aufgewacht, die nicht meine ist.“

„Das ist ja auch kein Wunder. Du bist endlich frei, Elion. All die Jahre haben sie dich eingesperrt und das seit deiner Geburt. Da ist niemand mehr, der dich zu irgendetwas zwingt. Du hast jetzt die Chance, selbst deine Entscheidungen zu treffen!“ Das war ja schön und gut, aber wenn er ehrlich war, war er damit ziemlich überfordert. Im Grunde genommen war er aufgrund der Tatsache, dass er alles vorgeschrieben bekam und von der Welt isoliert worden war, völlig unselbstständig und konnte mit dieser gewonnenen Freiheit nicht umgehen. „Schon eine gewisse Ironie“, sagte Frederica schließlich und zog die Beine an, dann legte sie den Kopf zurück und starrte zur Zimmerdecke hinauf. „All die Jahre hast du doch so viel gemalt und warst in deinem Kopf frei, während dein Körper gefangen war. Und nun, da dein Körper frei ist, da ist es nun dein Kopf, der gefangen ist. Du musst das irgendwie ins Gleichgewicht bringen, ansonsten wirst du immer mit diesem Problem konfrontiert werden. Aber mach dir deswegen jetzt nicht so viele Sorgen. Du bist erst heute wieder wach und da ist es verständlich, wenn du mit der ganzen Situation überfordert bist. Ich wäre es an deiner Stelle auch.“

„Und was soll ich deiner Meinung nach tun? Eigentlich sollte ich nach Mum suchen, aber ich habe das Gefühl, als würde ich noch nach mir selbst suchen.“

„Weil das Serum deinen Gedankenschaltkreis wiederherstellt und deine Persönlichkeit so sehr zerfressen war, dass du sie erst wieder finden musst. Du bist auf der Suche nach dir selbst und solange kannst du nicht zu Nastasja und den anderen gehen, weil du dich selbst in der Hinsicht vollkommen blockierst.“ Nun, das konnte gut möglich sein. Nein, es war sogar sehr wahrscheinlich. Aber wie konnte man seine Persönlichkeit „wiederfinden“? „Wie soll ich das anstellen, wenn ich nicht weiß, wer ich bin?“ „Wenn du es nicht sagen kannst, dann kann dir das auch kein anderer sagen. Manche Dinge brauchen einfach Zeit, Elion. Du wirst schon deine Antworten finden, aber du musst dich auch in Geduld üben. Keiner kann dir sagen, wer du wirklich bist, denn jeder sieht dich anders und das muss nicht unbedingt mit dem übereinstimmen, was du von dir denkst.“ Es war schon ziemlich schwer und Elion war überfragt, wo er anfangen sollte zu suchen. Vielleicht sollte er einfach alles erst ruhig angehen und die Dinge auf sich zukommen lassen, so wie Frederica gesagt hatte. „Dir ging es doch auch nicht anders, Frederica. Ich meine, du warst ganz alleine in dieser Welt, hattest keinen Namen und keine Identität. Nur einen Körper, der nicht dir gehörte.“

„Ich weiß, deshalb verstehe ich dich auch so gut. Auch ich habe lange Zeit nicht gewusst, wer ich wirklich bin, aber als ich Nastasja getroffen habe, da wusste ich, was meine Aufgabe ist und wer ich bin. Am besten kannst du erkennen, wer du wirklich bist, wenn du jemanden hast, der dir wichtig ist.“ Na toll, dann konnte das schlimmstenfalls noch sehr lange dauern. „Hey, jetzt nicht so niedergeschlagen sein. Ich war knapp 418 Jahre ganz allein und hatte überhaupt niemanden, bis ich Nastasja in Russland getroffen habe. Und du bist nicht alleine, immerhin bin ich ja bei dir und ich stehe dir als Freundin zur Seite.“

„Danke.“ Sie saßen eine Zeit lang auf der Couch und es war sehr still. Für Elion nichts schlimmes, denn er war diese Stille gewöhnt und sie hatte auch etwas Beruhigendes. Aber dennoch gab es da ein Geräusch, was er noch nie zuvor gehört hatte und was ihn neugierig machte. Es klang wie ein leises Klopfen und als er zum Fenster sah da bemerkte er, dass es der Regen war, der gegen die Scheiben prasselte. Nach einer Weile stand er auf, ging zu Ezras Zimmer, öffnete das Fenster und stieg auf die Feuertreppe. Sogleich spürte er den Regen, wie er auf seine Haut fiel. Er spürte es in seinem Haar und es war ein so neuartiges und auch so angenehmes Gefühl, dass er es kaum zu beschreiben vermochte. Natürlich wusste er, dass es Regen war und wie dieser zustande kam. Immerhin hatte er genug Bücher über all die wundersamen Dinge gelesen, die sich außerhalb des Instituts zutrugen. Aber es war das allererste Mal in seinem Leben, dass er den Regen spürte. Frederica stand neben ihn und betrachtete den Himmel. „Weißt du, ich habe mal da so einen wunderbaren Spruch gelesen. Wenn ich der Regen wäre, dann könnte ich mich mit den Herzen der Menschen verbinden. Genauso wie der Regen Himmel und Erde miteinander verbindet, ohne dass sie sich berühren. Ich liebe das Geräusch des Regens, weil man da einfach seine Gedanken vergessen kann. Aber du solltest doch besser reingehen, sonst werden deine Sachen noch ganz nass.“

„Hm… du hast wohl Recht. Ich sollte…“ Elion sprach nicht zu Ende, denn er sah da jemanden, wie er sich die Straße entlang schleppte und ziemlich taumelte. Da schien wohl irgendjemand Probleme zu haben. Kurzerhand kletterte der Grauhaarige die Feuertreppe herunter und gelangte schließlich in die Gasse. Er lief zur Straße und sah schon die Person, die sich da voranschleppte und zusammenzubrechen drohte. Gerade noch rechtzeitig konnte er denjenigen auffangen und erkannte erschrocken, dass es Ezra war. Und jemand hatte ihn ziemlich übel zugerichtet.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2014-12-06T13:42:26+00:00 06.12.2014 14:42
Das Kapitel war spitze^^
Arme Ezra =(

Bin gespannt wie es weiter geht^^
LG^^Alien^^


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