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Something in December

Gefühlschaos zu Weihnachten
von

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3. Advent - Ungeplante Vorfälle

Dritter Advent – Ungeplante Vorfälle
 

Bulma kam von ihren Einkäufen zurück. Sie trug drei riesige Tüten mit sich. Ich spekulierte darauf, dass es Weihnachtsgeschenke waren, die mich absolut nicht interessierten. Ohnehin hatten mir die letzten paar Stunden vor der Glotze nicht allzu gut getan und ich beschloss, mich aus dem Wohnzimmer in mein eigenes Zimmer zurück zu ziehen, bis es etwas zu futtern gab.

Gerade als ich die Türe zu meinem Zimmer öffnete, öffnete sich Kakarotts Türe einige Meter von mir entfernt.

„Oh, Vegeta“, sagte er halblaut und blickte mich an, als hätte ich ihn bei irgendetwas ertappt. „Ich wollte trainieren gehen. Hast du Lust?“

Ich wusste nicht recht. Die vorige Trauer war aus seinem Blick verschwunden, aber diese aufgesetzte Fröhlichkeit schien sich wenigstens ebenfalls verdünnisiert zu haben. „Nein“, antwortete ich einsilbig und trat in mein Zimmer.

„Achso“, antwortete er und ich hörte mit einem Mal Kampfeslust aus seiner Stimme. Ein gewisses Maß an Aggression. „Ich würde dich ja sowieso nur wieder besiegen.“

Ein tiefes Knurren drang aus meinem Hals. „Was?!“, fragte ich ungläubig und trat zurück in den Gang, die Fäuste geballt. Was fiel diesem Kerl eigentlich ein?!

„Du hast schon richtig verstanden“, sagte er seelenruhig und starrte mich hart an.

Ich musste grinsen. Wie hätte ich solch eine Herausforderung auch ablehnen sollen?

Wenig später wärmten wir uns beide im Gravitationsraum auf. Liegestützen, Dehnübungen, Tritt-Schlag-Kombinationen, Sit-Ups. Dann ein kleiner Kampf. Ich stürmte auf ihn los. Zu allem bereit. Er parierte – ebenfalls zu allem bereit. Er gab mir keine Zeit, nachzudenken. Pures Handeln, Instinkt. Routine. Ich ließ ihm ebenfalls keine Zeit. Tritt folgte auf Schlag und Schlag auf Tritt. Keine Energie-Attacken. Keine Verwandlungen. Dann trafen sich unsere Fäuste. Unsere Finger verschränkten sich ineinander und wir maßen unsere Kräfte durch pures Drücken. Provozierten mit Blicken. Die innere Energie auf dem Höhepunkt. Von außen ein scheinbar statisches Bild. Und in diesen zwei oder drei Sekunden, in denen wir uns wegzudrücken versuchten, fielen mir diese Hände auf. Wie sie mit meinen handschuh-bedeckten Händen verwoben waren. Ich hatte sie noch nie wirklich angesehen, wieso auch? Aber automatisch assoziierte mein Gehirn sie mit dieser Zärtlichkeit, mit der sie auf das Klavier gewirkt hatten. Sie sahen gar nicht so zärtlich aus. Eher wie raue Kriegerhände. Grobmotorisch und muskulös. Stark statt grazil.

Und eben in diesen zwei oder drei Sekunden, in denen mein verdammtes Scheiss-Hirn abdriftete, gab ich ihm Raum für Angriff. Wie dämlich konnte ich eigentlich sein?! Diese Frage stellte ich mir noch im Flug, als ich mich auf die Wand der GR zubrettern spürte. Mit voller Wucht knallte ich dagegen. Meine Schulter brannte sofort wie Feuer. Er raste mir hinterher, schlug mir abschließend seine Faust ins Gesicht.

Mir wurde schwarz vor Augen.

Sein verschwommener Kopf erstreckte sich über mir, während ich das Bewusstsein wieder erlangte. Ich lag immer noch im GR auf dem Boden und ich spürte seine Hand, die mein Gesicht tätschelte, damit ich aufwachte. Er redete mit mir. Seine Hand war gar nicht so rau.

Verdammt, was dachte ich da?!

Mühsam rappelte ich mich in eine sitzende Position auf. Eine unterstützende Hand lag auf meinem Rücken. „Alles in Ordnung, Vegeta?“, fragte er besorgt.

„Nimm deine Griffel von mir weg“, blaffte ich ihn an. Ich wollte alles, nur nicht, dass er mich anfasste. Augenblicklich stand er auf und ließ mir meinen Raum. Das war gut. Ich fasste mir an den Schädel. Er brummte gehörig. Aber nichts wirklich schlimmes. Mal wieder hatte er mich geschont... Wie ich diesen Kerl hasste! Und jetzt wagte er es auch noch, mir seine Hand hinzuhalten, um mir auf zu helfen. „Ich brauch deine scheiss Hilfe nicht“, erklärte ich angepisst und versuchte, aufzustehen. Meine Schulter machte sich bemerkbar. Ich musste sie mir geprellt haben. Ich unterdrückte einen Schmerzenslaut. Mein Kreislauf spielte verrückt. Ich strauchelte. Kakarott blickte mich ernst an und hielt mir nun noch fordernder seine Hand hin. Grummelnd griff ich mit meinem unverletzten Arm danach und ließ mir auf helfen.

„Alles in Ordnung?“, fragte er und blickte mich besorgt an. Ich hasste diesen Blick. Das war unwürdig... Wie konnte er mich nur so ansehen, als ob es überhaupt nichts zu bedeuten hätte, dass ich schon wieder gegen ihn verloren hatte?! Ich blickte ihn vorwurfsvoll an. Dann drehte ich mich um und verließ wortlos den Raum.
 

Beim Abendessen verlor ich kein Wort. Kakarott hatte vor Bulma und Trunks wieder sein Grinse-Gesicht aufgelegt. Zum Kotzen. Ich ließ mir meine miese Stimmung bewusst anmerken, damit auch keiner auf die Idee kam, mich auch nur im Entferntesten anzusprechen. Und meine scheiss Schulter tat zudem noch höllisch weh.

Hin und wieder schielte ich zu Kakarott rüber. Beobachtete ihn unbemerkt. Ausdruckslos. Dann trafen sich unerwartet unsere Blicke. Mir wurde kurz unsagbar heiß. Seine Miene wurde kurz ernst, ehe er fast verlegen zurück auf seinen Teller stierte. Ich fragte mich, woher das gekommen sein mochte. Fast schon ein zu seltsames Verhalten für ihn. Wirklich so, als hatte er etwas zu verbergen und unwillkürlich spekulierte ich, ob es etwas damit zu tun hatte, dass ich ihm diesen Konzertflügel gezeigt hatte. Ob er vielleicht Angst davor hatte, dass ich ihm auf die Schliche kommen würde, was ich natürlich sowieso schon war.
 

In dieser Nacht verließ er nicht das Haus. Spielte nur wieder dämliche Spiele mit Bulma und Trunks im Wohnzimmer. Diese fröhliche Stimmung ging mir auf den Keks, weil ich wusste, dass sie geheuchelt war und dass da ein finsterer Schatten über uns schwebte. Kakarotts Schatten. Wie auch immer dessen Gestalt sein mochte.

Am nächsten Tag sah ich ihn nicht wirklich, nur kurz beim Abendessen. Ich war unheimlich kaputt vom Arbeiten und ging früh ins Bett. Kein zusätzliches Training. Diese Kids im Dojo hatten mich zwar nicht an meine körperlichen Grenzen gebracht, aber, wie schon oft zuvor, fast an meine psychischen. An den Rand des Wahnsinns...

Ich erwachte kurz aus meinem Schlaf, als Bulma sich neben mich in unser Bett legte. Die Matratze gab ein knurrendes Knarzen von sich. Die Decke hob sich an und ein Körper, der kälter war, als mein eigener, schmiegte sich gegen meinen Rücken. Ich zuckte kurz auf. Hatte wohl irgendetwas gegrummelt, denn wenig später lag Bulma brav auf ihrer eigenen Bettseite. Dieses Gekuschel ging mir auf den Keks. Also nicht grundsätzlich. Aber zur Zeit schon. Ich wollte nachts einfach nur meine Ruhe haben. Sekunden später war ich wieder eingeschlafen.

Ich träumte unruhig. Von irgendwelchen Tannenbäumen, von brennenden Häusern und sterbenden Menschen. Gellende Schreie. Ein Planet in Schutt und Asche. Angst. Wie ein unbeteiligter Zuschauer stand ich am Rand von alledem und beobachtete das Elend. Meine Seele weinte. Und hinter alledem hörte ich eine klare Melodie. Diese Melodie... Und dann wurde mir klar, dass der brennende Planet vor mir... mein Planet war. Planet Vegeta. – Ich wachte auf.

Bulma lag neben mir und atmete ruhig. Gleichmäßig. Mein Puls beruhigte sich recht schnell wieder auf Normaltempo. Nur ein Traum. Es war nur ein Traum gewesen. Allerdings war mir völlig schleierhaft, weshalb Kakarotts Melodie darin vorgekommen war. Und wie mein Hirn es geschafft hatte, sie zu rekonstruieren. Wo ich doch so lange darüber nachgedacht hatte und absolut nichts mehr davon wusste.

In meine Gedanken vertieft, blickte ich aus dem Fenster. Man sah keine Sterne. Es schien völlig dunkel zu sein. Nur ein paar der Straßenlaternen schienen spärlich durch die kalte Luft. Irgendwie machte mich diese ganze Sache mit Kakarott noch verrückt. Was war nur los mit diesem Kerl? Wieso war er so niedergeschlagen? Lag das nur an der Trennung von seiner Frau? Diese Chichi war nun wirklich niemand, um den man übermäßig trauern musste.

Ein Grinsen kam über mich. Vielleicht war er überfordert mit der neugewonnenen Freiheit, die er erlangt hatte. Vielleicht brauchte er einfach jemanden, der ihn den ganzen Tag anschnauzte und ihm sagte, was er tun und lassen durfte. Ich unterdrückte ein Lachen. Diese Vorstellung war einfach zu genial. Natürlich konnte das nicht wirklich der Grund sein, oder? Und es erklärte auch nicht, dass er vor allen dieses dämliche Grinsen im Gesicht trug. Bulma und die anderen würden ja wohl Verständnis dafür haben, dass es ihm nach so einer Trennung scheisse ging. Wieso wollte er das nicht zeigen? Es rannte doch sonst auch immer offenherzig durch die Gegend und drängte sich jedem auf... Dieser Idiot...

Gemütlich erhob ich mich aus dem Bett, immer darauf bedacht, so wenig Geräusche wie nur möglich zu produzieren. Bulma schlief seelenruhig weiter. Leise schloss ich die Türe hinter mir. Ich brauchte etwas zu trinken. Etwas richtiges. Etwas, das die Gedanken in meinem Kopf abtötete.

Im Dunkeln lief ich hinab ins Wohnzimmer. Ging an die Hausbar, nahm ein Glas und schenkte mir etwas von dem alten Whiskey ein, den Bulma mir mal geschenkt hatte. Das Zeug wirkte Wunder. Alkohol... Wenn es etwas gab, wozu die Erdlinge im Stande waren, dann war es das Erzeugen von gutem Alkohol. Mit meinem Glas gewappnet, stellte ich mich an das große Fenster, das in den Garten hinaus zeigte und blickte raus. Eine dünne Schneeschicht lag im Rasen. Seit neulich hatte es nicht mehr geschneit, aber kleine Reste lagen immer noch herum. Meine Augen durchforsteten die Dunkelheit. Ein dünner Strich aus Licht brannte am anderen Ende des Gartens.

Ich schaute genauer hin. Was war das?

Und dann erkannte ich es mit einem Mal.

Im Poolhaus brannte Licht.

Das konnte nur bedeuten, dass Kakarott...

Ich wusste nicht, woher diese plötzliche innere Aufregung kam, aber mit einem Mal war ich hellwach. Ein unanfechtbarer Drang, nachzusehen, was dort drüben vor sich ging, keimte in mir auf. Binnen Sekunden war mein Whiskey ausgetrunken und ich durch die Küche hinaus in den Garten gegangen. Die Terrassentüre war nur angelehnt gewesen. Leise lief ich hinüber zu dem kleinen Gebäude. Tatsächlich war die Türe ein Stück weit offen und ein gedimmtes Licht drang aus dem kleinen Spalt heraus. Eine leise Melodie säuselte aus dem Inneren hier nach draußen. Unverkennbar saß Kakarott am Klavier. Langsam öffnete ich die Tür und drang in den kurzen Flur ein. Schloss vorsichtshalber die äußere Tür hinter mir. Mein Herz pochte gegen das Innere meines Bauches. Die Musik, die an meine Ohren drang, war mit Melancholie nur so gefüllt...

Vorsichtig schob ich die Türe zum großen Raum auf, die ebenfalls nur angelehnt war. Ich lugte hinein. Kakarott saß am Flügel und spielte. Ich sah ihn schräg von hinten. Beobachtete fasziniert, wie seine Hände über die Tasten flogen. Zum ersten Mal sah ich es, ohne dass es durch eine milchige Scheibe getrübt war. Und mein Bewusstsein wusste nicht, wie es darauf reagieren sollte. Diese Musik war so unheimlich schön und so berührend. Ich hatte nicht einmal gewusst, dass ich solche Dinge überhaupt fühlen konnte. Abgesehen davon, dass ich sie eigentlich niemals hatte fühlen wollen. Doch irgendwie machte es mich süchtig. Ich konnte nicht aufhören, mich dieser Selbstfolter, die so gut tat, hinzugeben.

Minutenlang stand ich in der Türe. Reglos. Absolut ausdruckslos. Nach innen gekehrt. Starrte diesen Kerl an, der mit seiner Melodie Emotionen in mir aufblühen ließ. Ich fühlte mich wie eine Blume, die im Dunkeln aufgewachsen war und nun nach Jahren zum ersten Mal in die Sonne gestellt wurde. Es brannte in mir... Aber es war gut.

Als ich mein Gewicht von einem Fuß auf den anderen verlagerte, knarzte der Boden.

Augenblicklich hörte Kakarott auf zu spielen und drehte sich zu mir um. In seinem Blick las ich Entsetzen und Verwirrung.

Man hätte eine Stecknadel fallen hören können, so leise war es mit einem mal, als wir uns aus einigen Metern Entfernung musterten. In meinen Ohren schwebten noch die Nachwirkungen dieser Melodie.

„Wie lange stehst du da schon?“, fragte Kakarott schließlich und seine Stimme klang absolut verschlossen.

„Eine Weile“, antwortete ich wahrheitsgemäß.

Er blickte kurz zu Boden und dann wieder zu mir. „Was willst du hier?“

„Zuhören“, antwortete ich wieder der Wahrheit entsprechend. Die Spannung, die sich zwischen uns aufgebaut hatte, war beinahe unerträglich. Ich lief rüber zu einem Schrank, von dem ich wusste, dass darin ein kleines Arsenal an Alkohol stand. Ich musste diese Spannung irgendwie ausmerzen... Ich spürte, wie sein Blick mir folgte. Ich nahm zwei Gläser aus dem Schrank und füllte sie mit irgendetwas, das nach Whiskey aussah. Wortlos ging ich zu Kakarott rüber und hielt ihm ein Glas hin. „Hier.“

Zögerlich nahm er es und nippte daran. Dann drehte er sich von mir weg und starrte auf die Klaviatur. Ich trat einige Meter zurück und setzte mich irgendwo auf den Boden, lehnte mich gegen eines der Bücherregale. Blickte ihn an. Er machte keine Anstalten, weiter zu spielen.

Ich wusste nicht, was ich sagen oder tun sollte. Er schien, nicht weiter spielen zu wollen, jetzt da ich da war. Zu gerne hätte ich gewusst, ob das an mir lag oder generell daran, dass ich jemand war, den er kannte. Nicht jemand unbekanntes in dieser Bar.

„Wieso spielst du nicht weiter?“, fragte ich schließlich in Richtung meines Glases. Dann nahm ich einen Schluck. Er drehte sich nicht zu mir um. Ich sah nur, wie er mit den Schultern zuckte. Und dann drehte er sich doch um. „Wie hast du bemerkt, dass ich hier bin?“

„Das war Zufall. Hab schlecht geschlafen.“

„Hm...“, machte er nachdenklich, als wüsste er nicht recht, was er zu mir sagen sollte.

Ich lag im Kampf mit mir selbst. Sollte ich ihn knallhart konfrontieren oder einfach weiter hier rumsitzen, in der Hoffnung, dass er von selbst einfach weiter spielte?...

„Ich bin dir neulich zu der Bar gefolgt“, erklärte ich schließlich und blickte ihn direkt an.

Sein Blick traf meinen. Entsetzen stand darin. „Du bist mir gefolgt?! Wieso?...“

Ich nippte an meinem Whiskey. „Weil ich wissen wollte, wohin du verschwindest, wenn du morgens nicht hoch kommst.“

Er lachte verbittert. „Als ob du dich dafür interessieren würdest, was ich tue.“

Verwirrt entwich ich seinem Blick. Starrte zu Boden. Er hatte eigentlich recht. Ich hatte mich nie sonderlich für irgendjemanden interessiert. Nicht mal für meine Familie. Wieso dann ausgerechnet jetzt für ihn? Ich hatte es bisher immer erfolgreich vermieden, mich für ihn zu interessieren. Oder dem Interesse, das ich hätte haben können, nachzugehen. Für eine winzige Sekunde wurde mein Körper von einer warmen, blitzartigen Empfindung überfallen. Diesem angenehmen Gefühl von Stärke und Einheit, als wir zu Vegetto verschmolzen waren. All die positiven Energien, die in meinen Geist gedrungen waren, die nur von ihm stammen konnten... Dieses Gefühl von nicht mehr alleine sein. Nie wieder. Und so schnell, wie es aufgetaucht war, war es auch wieder verschwunden. So wie unsere Fusion wieder verschwunden war. So wie ich die Sehnsucht nach diesem Gefühl unterdrückt hatte, ab der Sekunde, in der ich wieder Vegeta und er wieder Kakarott geworden war.

Ich blickte ihn an. Er starrte nachdenklich zu Boden. Eine Weile saßen wir schweigend in diesem schwach beleuchteten, viel zu großen Raum. In dieser unerträglichen Stille. Alles in mir sehnte sich nach dieser Musik, die aus Kakarotts Händen zu entstehen schien und ich wunderte mich, wieso ich ausgerechnet jetzt an den Moment nach dem Training denken musste, als er meine Wange angefasst hatte, um mich aufzuwecken. Galant schob ich diesen unpassenden, unwichtigen Gedanken beiseite.

Und plötzlich wand er sich ganz langsam um und starrte wieder auf die Klaviatur. Sein Gesicht wirkte gequält, so als könne auch er mit den Fragen in seinem Kopf nichts anfangen. Aber dann legte er endlich seine Hände auf die Tasten und spielte zögerlich ein paar Töne.

Mein Inneres war zum Zerbersten angespannt.

Dann begann er endlich, eine Melodie zu spielen und ich spürte, wie alles in mir wie auf Kommando losließ und entspannte. Mein Geist schien über mir zu schweben und mein Körper lag gegen dieses Bücherregal gelehnt, als wäre es das Bequemste, das er je gespürt hat. Die Musik klang dunkel und schwer. Ruhig und langsam. Melancholisch. Und irgendwie musste ich an den Vollmond denken. Wie schön er am Himmel stand. Hell und klar, unbeugsam, aber einsam. Ja, diese Musik klang verdammt einsam...

Meine Augen waren wie hin und her gerissen dazwischen, sich zu schließen und die Musik ganz in mich eindringen zu lassen oder Kakarott zu beobachten, wie er spielte. Wie seine Hände bedächtig über die Tasten glitten, während sein ganzer Körper Leidenschaft und Emotionen ausdrückte. Wie er sich langsam mit der Musik wiegte. Wie sein Gesicht Schmerz und Trauer ausdrückte. So glitt mein Blick hin und her zwischen ihm und einer Leere in mir, die absolut gut tat.

Es schien mir wie Stunden.

Wie lange es tatsächlich war, konnte ich nicht sagen. Und doch hörte er irgendwann auf. Gefolgt von einem schweren Seufzen. Er leerte sein Whiskeyglas und erhob sich. „Ich geh schlafen“, erklärte er halblaut, ohne mich anzusehen.

Ich nickte und stand auf. Stellte mein ebenfalls leeres Glas zu seinem auf einen Abstelltisch.

Gemeinsam, aber absolut wortlos, verließen wir das Poolhaus. Er schloss ab und durch die Küche gingen wir zurück ins Haus. Der Schatten dieser Melodie hing über mir wie ein Schleier, der mich einhüllte und irgendwie einschloss. Es fühlte sich warm und geborgen an. Selten hatte ich mich so melancholisch und gleichzeitig wohl gefühlt.

Still lief ich hinter ihm die Treppe hoch. Als ich im ersten Stock nicht abbog, sah er mich verwirrt an. „Ich will Bulma nicht wecken“, erklärte ich kurz angebunden, ohne ihn anzusehen. In Wirklichkeit wollte ich einfach nicht neben ihr schlafen. Ich wollte alleine sein.

Ich öffnete meine Zimmertüre und blickte ihm nachdenklich hinterher, bis auch er bei seiner Türe angekommen war. Ich sah, wie er die Klinke in die Hand nahm, aber die Türe nicht öffnete. Über was er wohl nachdachte? Dann betrat ich mein Zimmer.

„Vegeta?“

Ich ging zurück auf den Gang. Kakarott hatte immer noch seine Klinke in der Hand und blickte mich an.

„Was?“, fragte ich tonlos. Dann sah ich, wie er zu mir rüber kam. Er schien mit irgendetwas in ihm zu kämpfen. Sein Gesicht wirkte angespannt. Er stellte sich direkt vor mich und stützte sich neben meinem Türrahmen mit einer Hand an die Wand. Er beugte sich ein Stück zu mir vor. Fast war mir diese Nähe unangenehm. Wieso, konnte ich nicht einordnen. Beim Trainieren waren wir uns meistens viel näher als jetzt, aber sein Blick war intensiv und fordernd. „Wenn du mich in der Bar gesehen hast“, sagte er halblaut in meine Richtung, aber seine Stimme klang entschlossen. „Dann heißt das, dass du mir mit voller Absicht das Poolhaus gezeigt hast.“

Jetzt war es an der Zeit, dass ich mich ertappt fühlte. Ich ließ mir nichts anmerken. Glaubte ich zumindest. Ich wollte mit einem zickigen 'und?' antworten, aber es blieb mir regelrecht in der Kehle stecken. Ich sagte einfach nichts.

„Wieso?“, fragte er ungläubig. So, als hätte ich mit einem 'ja' geantwortet. „Du hast dich doch immer einen Scheiss für mich interessiert.“ Es klang nicht vorwurfsvoll. Es war eine reine Feststellung. Und genau genommen war das richtig. Aber es war auch nicht falsch, dass ich mich nicht doch irgendwie für ihn interessierte. Scheinbar. Wieder antwortete ich nicht.

Mit einem Mal wurde sein Blick weich. Fast zärtlich. Seine Augen schienen einen beruhigten Glanz auszustrahlen. „Danke.“

Ein simples Wort. Ich blickte ihm immer noch in die Augen. Ein simples Wort, das mir erst klar machte, was ich eigentlich für ihn getan hatte. Was ich ihm gegeben hatte. Dass ich ihm überhaupt etwas gegeben hatte. Ich atmete tief ein. Diese Augen... Mein verwirrter Geist wollte irgendetwas dazu sagen. Vielleicht ein einfaches 'gerne' oder so etwas wie 'schon gut' oder ein freundschaftliches 'klar'... Was auch immer da raus gekommen wäre, aus meinem Mund, es bekam nicht die Gelegenheit dazu, denn im nächsten Moment wurde er von Kakarotts Lippen verschlossen.

Augenblicklich weiteten sich meine Augen. Was geschah hier?!

Jede Faser meines Körpers schien panisch zu brüllen. Mein Herz klopfte wie verrückt von innen gegen meine Brust, als wolle es heraus brechen – meine Hände begannen aufgeregt zu zittern – meine Beine fühlten sich an wie dieses Puddingzeug – Gänsehaut überlief meine gesamte Haut, mir wurde gleichzeitig heiß und kalt – absolute Überforderung und schrille Alarmglocken in meinem Kopf – ruckartig schob ich Kakarott von mir weg und blickte ihn entsetzt an.

Er blickte ebenso entsetzt zurück. „I-i-i-ich... ich wollte das nicht, Vegeta!“, stotterte er hektisch heraus. „Es tut mir – leid! Es war... ein Versehen, ich...“ Sein Kopf war tiefrot angelaufen, wahrscheinlich genau so wie mein eigener. „...es ist einfach so passiert und es kommt auch nicht wieder vor keine Angst ich... weißt du, es ist nur, ich bin wahrscheinlich einfach nur verwirrt und einsam und du weißt ja, die Musik und so, da wird man melancholisch und – ach scheisse!“

Er hielt kurz inne. Ich starrte ihn einfach nur ungläubig an.

Er atmete tief ein und aus, so als wolle er sich beruhigen. „Jedenfalls kommt das nicht wieder vor. Und... es tut mir wirklich leid...“ Dann stolperte er, wie von einer Tarantel gestochen, in sein Zimmer. Und verschwand.

Ich stand reglos im Flur. Mein Mund immer noch halb geöffnet und absolut ungläubig. Was war da eben passiert?! Das war doch... Irrsinn! Ich fragte mich ernsthaft, welchen absurden Streich mir mein Verstand da gerade gespielt hatte. Das konnte doch nicht der Wirklichkeit entsprechen, oder? Oder hatte Kakarott mich tatsächlich... geküsst?!

Endlich konnte ich mich aus meiner Starre befreien und ging in mein Zimmer. Schloss die Türe und legte mich so wie ich war, aufs Sofa. Starrte gegen die Decke. Fragen in meinem Kopf. Dann erwischte ich mich dabei, wie ich mit den Fingern meiner rechten Hand an meiner Unterlippe herum spielte. Ich scholt mich, damit aufzuhören. Aber es kribbelte. Das Gefühl wollte einfach nicht verschwinden. Und bevor ich einschlief, fragte ich mich, wieso ich keinen Ekel vor diesem Kuss empfand. Und wieso ich mich so genau an das Gefühl von Kakarotts weichen Lippen auf meinen erinnern konnte.

Verdammt! Er war immer noch Kakarott!!!
 

~~~ooo~~~
 

Als ich aufwachte, war es bereits mittags. Wieder war mein Nacken unsagbar verspannt. Dieses Sofa war einfach nicht zum schlafen gemacht... Außerdem fror ich wahnsinnig, weil ich wohl im Schlaf die Decke weggetreten hatte. Mühsam rappelte ich mich auf und schlenderte in die Küche runter, um das Loch in meinem Magen mit irgendwas zu füllen.

Glücklicherweise war ich alleine. Ich machte mir ein paar Sandwiches und setzte mich an den Tisch. Während ich das Zeug verdrückte, schweifte mein Blick durch das Fenster nach draußen. Es schneite. Eine fünf Zentimeter dicke Schicht hatte sich bereits am Boden gesammelt. Dieses Winterwetter auf der Erde hatte mir nie sonderlich zugesagt. Ich mochte eher die warmen Gegenden. Und am andren Ende des Gartens sah ich das Poolhaus, auf dem sich ebenfalls eine weiße Decke sammelte. Vor meinem inneren Auge erschien Kakarott, wie er dort drüben in der letzten Nacht am Flügel gesessen hatte. Wie sich diese Melodie angehört hatte... Und welche Bilder sie in mir ausgelöst hatte. Nüchtern und bei Tageslicht betrachtet, fand ich diese gesamte Situation absolut grotesk. Kakarott am Piano war ja schon grotesk. Dass er eine melancholische Seite hatte, war grotesk. Dass er mich mit dieser scheiss Musik berühren konnte war grotesk. Und dass ich Gefühle hatte, die ich nicht zurück halten konnte. Und das Groteskeste von allem war, dass ich es genoss, diese Gefühle zu fühlen.

Ich schnaubte wütend gegen mein Sandwich. Was war ich nur für ein scheiss Weichei geworden?!

Die Küchentüre schwang auf.

Ich drehte mich um, um zu sehen, wer rein kam. Beinahe wäre mir ein enormer Bissen von meinem Essen im Hals stecken geblieben, als ich Kakarott sah. Er stand reglos in der Türe und starrte mich an. Und in diesem Moment dachte ich nur 'Kuss'.

Ich spürte, wie mir Hitze in die Wangen schoss. Eine peinliche Anspannung zog sich quer durch den Raum. Wie sollte ich denn bitte jetzt auf ihn reagieren? Das letzte mal, als wir uns gesehen hatten, hatte er mich verdammt nochmal geküsst?!

„Entschuldige...“, sagte er halblaut und blickte mich hilflos an. „Ich wollte dich nicht stören...“ Ohne irgendetwas weiter zu sagen, verließ er die Küche so schnell wie er eingetreten war. Irgendwie fühlte ich mich überfordert. Und ich war froh, dass er gegangen war. Wie sollte ich ihm jemals wieder normal in die Augen sehen? Wie sollten wir jemals wieder miteinander trainieren?

Unruhig wanderten meine Augen hin und her. Diese Situation gefiel mir nicht. Wir konnten uns doch jetzt nicht für immer meiden... Oder? Eigentlich wäre das die logischste und einfachste Variante gewesen. Aber wieso wollte sich mein Hirn damit nicht zufrieden geben?
 

Am Abend ließ Kakarott sich nicht beim Essen blicken. Ich konnte es einfach nicht lassen, mich zu fragen, wo er wohl stecken mochte. Ob er mich tatsächlich mied. Ob er überhaupt noch da war oder ob er sich verzogen hatte.

Trunks und Bulma wirkten ausgelassen und gut gelaunt. Diese scheiss Weihnachtszeit ging mir so auf die Eier... Ständig waren alle gute gelaunt und freundlich zueinander und gingen miteinander um, als liebten sie sich alle unablässig. So eine heuchlerische Zeit hatte ich vor meinem Leben auf der Erde noch nie erlebt. Auf keinem anderen Planeten hatte ich auch nur annähernd so einen Quatsch erlebt. Aber was sollte ich schon dagegen sagen... Ich konnte nur daneben sitzen und es ignorieren, so gut es ging.

Später saß ich mit Trunks im Wohnzimmer vor diesem unheimlich riesigen Fernseher, der natürlich unbedingt notwendig war. Aber der war wenigstens nicht auf Bulmas Mist gewachsen. Den hatte ich Trunks zu verdanken... Er hatte diese seltsame Spielekonsole gekauft und seiner Mutter natürlich gleich weis gemacht, er brauche dafür unbedingt einen größeren Bildschirm. Also lag ich mit meinem Bier ausgerüstet auf dem Sofa und schaute Trunks dabei zu, wie er irgendwelche Missionen durchspielte und irgendwelche Kerle verprügelte.

„Wieso machst du das nicht einfach im echten Leben? Das ist doch bekloppt“, merkte ich von der Seite an.

„Macht aber Spaß so“, erklärte er, während er wie ein wild gewordener irgendwelche Knöpfe drückte. Ich schüttelte den Kopf und nippte an meiner Flasche. Was war nur mit der jungen Generation los?! Alle verweichlichten... und so was sollte irgendwann mal die Erde beschützen... Na dann gut Nacht!

„Vegeta?“, sagte Bulma und betrat das Wohnzimmer. „Können wir... mal reden? Unter vier Augen?“

Genervt erhob ich mich und fragte mich, was sie jetzt schon wieder wollte. Ich wollte einfach nur rumliegen und nichts tun. Und wenn sie jetzt ankam mir irgendeinem Weihnachtsquatsch, dann würde ich einfach gehen.

Ich folgte ihr in die Küche und setzte mich ihr gegenüber an den Tisch. Sie hatte Tee gekocht und stellte mir eine Tasse hin. Sie sah bedrückt aus. Regelrecht gequält. Und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass es kein Weihnachtsplausch sein würde, den sie mit mir hier abhalten wollte. Ich schwieg. Sie schien nach Worten zu suchen. Dann atmete sie schwer ein.

„Vegeta...“ Sie stockte. Blickte mir tief in die Augen. Ihre Hände zitterten. „Ich verlasse dich.“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben!
So, das war dann der dritte Adcent.^^
Ich werd heute Plätzchen backen. :) Damit auch langsam mal Weihnachtsfeeling aufkommt.

Ich wollte mich hier mal eben für die netten Kommentare bedanken und hoffe, dass ich eure Adventszeit mit dieser Geschichte - die zugegebenermaßen etwas skurril ist - die Adventszeit versüßen kann. :) Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  BadMajin
2015-01-20T21:46:20+00:00 20.01.2015 22:46
Das Kapitel gefiel mir richtig gut! Deine FF wird immer besser.
Mich zieht Goku mit seinem Klavierspiel auch solangsam in seinen Bann *___________* Ich kann Vegeta gut verstehen. Soso also haben sich die beiden geküsst. Diese Stelle war super! So einfach, schlicht und doch hats richtig geknistert.
Und zum krönenden Abschluß schießt Bulma Vegeta ab??!!
Gut wenn sie ihn nicht will, ich steh ihm gern zum Trösten zur Verfügung ;-P

Antwort von:  katzendrache
21.01.2015 23:31
wer würde ihn nicht gern trösten xD
Von:  Bongaonga
2014-12-15T12:24:34+00:00 15.12.2014 13:24
Möp
Oh man was ein Kapitel Ende. Aber das kann Vegeta ja nur recht kommen. Besser kann es nicht laufen, wenn er eh schon Bulmas Nähe unangenehm empfindet. Und Goku war einfach nur niedlich mit der Kussaktion. XD
Bin gespannt wie es weiter laufen wird. Freue mich schon auf den nächsten Teil.

Baba
Bongaonga
Von: Yugoku
2014-12-14T00:09:40+00:00 14.12.2014 01:09
Okay, das Ende dieses Kapitel ist jetzt etwas unerwartet.o.O
Aber spannend...
Hat Bulma die Beiden etwas beobachtet bei ihrem Kuss...?
Wie es wohl weitergeht...? Freue mich auf´s nächste Kapitel. :3
Antwort von:  katzendrache
15.12.2014 00:05
bleibt spannend ;)
ich hoffe, es gefällt trotzdem... irgendwie haben die kommentare ziemlich nachgelassen seit ich das kapitel mit dem piano veröffentlicht hab^^ vielleicht war das doch ein bisssssssschen zu viel diesmal^^
Antwort von: Yugoku
15.12.2014 08:54
Hhh, sagen wir mal so...
Es ist etwas ungewöhnlich, dass Goku so etwas tut. Vielleicht liegt es daran.
Aber so zeigt er irgendwie auch seine Gefühle, finde ich.
Antwort von:  katzendrache
15.12.2014 15:03
naja klar is es ungewöhnlich^^ aber als ich "mal mich" geschrieben habe und vegeta hab zeichnen lassen, da fanden das alle unheimlich toll :P
naja, man kann nicht immer ins schwarze treffen^^ ich find jedenfalls die vorstellung von son goku am piano unheimlich poetisch :D


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