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Wen liebst du eigentlich wirklich?

Oder: Brichst du mir mein Herz, brech ich dir deins (GWxDM)
von

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Das erste Quidditch-Spiel

Ginny dachte die ganze restliche Woche darüber nach, was an dem Abend mit Draco hätte passieren können. Sie redete mit niemandem darüber. Nicht einmal Hermine konnte sie es erzählen, zu viel Angst hatte sie vor dem geschockten Gesichtsausdruck ihrer besten Freundin.

Ihr einziger Hoffnungsschimmer war das regelmäßige Quidditch-Training. Dabei konnte sie sich immer ablenken und das Spiel mit ihrem Team machte ihr einfach Spaß. Wenn sie dann jedoch an das Spiel gegen Slytherin dachte, das Samstag anstand, wurde ihr wieder übel. Seit Dienstagabend versuchte sie, Draco aus dem Weg zu gehen, was soweit auch gelang. Doch am Wochenende würde sie ihm gegenüberstehen müssen, ob sie nun wollte oder nicht. Wahrscheinlich steigerte sie sich deswegen so in das Training hinein.

Ginny und Philipp trugen immer noch ihre kleinen Torduelle aus, sehr zum Vergnügen der anderen, da sich Ginny jedes Mal höllisch ärgerte, wenn sie gegen Philipp verlor.

Der große Tag rückte immer näher und Ginny wurde zusehends nervöser, was sie aber glücklicherweise auf das Spiel schieben konnte, sodass niemand merkte, dass sie in Wirklichkeit Angst hatte, Draco wiedersehen zu müssen.

Sie wusste nicht, was sie ihm gegenüber fühlte. Seine Küsse brachten sie jedes Mal um den Verstand und sie hatte das kleine Date mit ihm wirklich genossen, aber sie war stolz auf sich, dass sie sich nicht hatte von ihm verführen lassen. Dann wäre sie nicht besser gewesen, als seine ganzen anderen Betthäschen. Und sie stellte für ihn sicherlich nichts anderes dar. Nur dieses Mal war es eine größere Herausforderung, weil sie eine Gryffindor und noch dazu eine Weasley war.
 

Es war Freitag. Harry hatte noch einmal Training angesetzt, um die Strategie zu besprechen und die letzten taktischen Fehler zu beheben. Allen war die Anspannung anzusehen, doch Harry machte ihnen wie immer Mut.

"Wir können Slytherin schlagen", sagte er. "Wir konzentrieren uns heute nochmal richtig auf unsere Flugfähigkeiten und auf unsere Taktik. Die Jäger üben Torschüsse mit Ron. Die Treiber üben das richtige Platzieren der Klatscher. Wir werden dafür ein paar bewegliche Ziele herbeizaubern. Ich jage dem Schnatz so lange hinterher, bis ich mir sicher bin, dass ich ihn in jeder kleinen Ecke entdecken kann. Ich verlasse mich auf euch. Wir sind ein super Team und wir schaffen das, alles klar?!"

Das gesamte Team applaudierte. Harry verstand es wirklich, sie alle aufzubauen und Ginny bewunderte diese Eigenschaft an ihm. Sie würde ihn nicht enttäuschen. Sie würde Slytherin - und somit Draco Malfoy - zeigen, wer den Quidditchpokal verdient hatte!

Sie trainierten bis Sonnenuntergang. Harry beendete das Training und befahl allen, sofort ins Bett zu gehen, damit sie am nächsten Tag fit wären. Ginny machte sich zusammen mit Philipp auf den Weg zurück zum Schloss. Sie war geschafft und doch kreisten ihre Gedanken immer wieder um das Quidditchspiel. Sie knibbelte unruhig an ihren Fingern herum, was Philipp nicht entging.

"Hey, mach dir keine Sorgen wegen des Spiels", sagte er ruhig und legte seinen Arm um ihre Schulter. "Wir kriegen das hin."

Ginny sah ihn an. Irgendetwas an seinen Worten beruhigte sie tatsächlich ein wenig. Vielleicht lag es aber auch daran, dass seine Nähe sie ein wenig wärmte. Sie nickte nur und legte ihren Arm um seine Hüfte. Er zog sie ein wenig näher zu sich heran und zusammen betraten sie das Schloss.

Was sie nicht wussten, war, dass sie beobachtet wurden.
 

Ginny lag in dieser Nacht noch lange wach in ihrem Bett. Sie wälzte sich herum und bekam diese verdammten grauen Augen nicht aus ihrem Kopf. Warum sahen sie sie immer wieder so an? Was hatte sie denn nur getan, dass sie diese Augen bis in ihre Träume verfolgten? Womit hatte sie das nur verdient?

Sie drehte sich wieder herum.

"Ginny?", flüsterte Hermine neben ihr. "Bist du wach? Hast du schlecht geträumt?"

Ginny setzte sich auf.

"Was?", antwortete sie. "Nein, nicht schlecht geträumt. Ich hab noch gar nicht geschlafen."

"Stehst du so sehr unter Druck wegen des Spiels morgen?" Hermine wirkte immer noch verschlafen. Wahrscheinlich hatte Ginny sie aufgeweckt, als sie sich im Bett herumgeworfen hatte.

"Ich hab dich geweckt, stimmt's?", fragte Ginny verunsichert.

"Ist schon okay", sagte Hermine leise.

Hermine setzte sich nun ebenfalls auf.

"Also", setzte Hermine noch einmal an. "Was ist los mit dir?"

"Nichts", stotterte Ginny. "Na ja, das Spiel morgen… und ausgerechnet gegen Slytherin und…"

"Ich verstehe", unterbrach Hermine sie. "Slytherin war schon immer der härteste Gegner, aber ihr habt so hart trainiert. Ihr müsst es einfach schaffen."

"Wenn du wüsstest…", sagte Ginny mehr zu sich selbst.

Hermine lächelte sie an. Ginny sah auf ihre Hände, sie knibbelte schon wieder daran herum.

"Hör mal, Ginny, mach dir keine Gedanken wegen morgen. Philipp unterstützt dich sicherlich."

"Natürlich tut er das", sagte Ginny genervt. "Er ist immerhin auch ein Jäger, also es wär schon nicht schlecht, wenn wir zusammen arbeiten würden."

"Ähm, das war nicht ganz, was ich meinte", antwortete Hermine amüsiert.

"Was denn dann?" Ginny wurde immer aufbrausender.

"Also wirklich, Kleines, es ist doch offensichtlich, dass er dich mag."

"Ich mag ihn auch, und?"

"Man kann sich aber auch wirklich dumm stellen", seufzte Hermine. "Ich glaube, er möchte nicht dein Kumpel sein…"

"Was redest du da für einen Blödsinn? Er ist doch mein Kumpel!"

"Verdammt, Ginny, er ist in dich verliebt!"

Ginny wollte gerade etwas erwidern, doch die Worte blieben ihr im Hals stecken. Das meinte Hermine doch jetzt nicht ernst?! Philipp und in sie verliebt? So ein Quatsch! Sie spielten zusammen Quidditch, machten immer mal zusammen Hausaufgaben und unterhielten sich, wenn sie sich auf dem Gang begegneten, aber das war auch schon alles. Er war doch wie ein Bruder für Ginny, er konnte nicht in sie verliebt sein, das würde alles kaputt machen.

Ginny ließ sich zurück in die Kissen fallen. Hermine lehnte sich ebenfalls zurück, ein zufriedenes Lächeln auf ihrem Gesicht. Wahrscheinlich dachte sie, sie hätte Ginny einen Gefallen getan. Wie falsch sie doch lag. Wenn sie die Wahrheit wüsste, würde sie sicherlich anders reagieren. Doch stattdessen wickelte sie sich wieder in ihre Decke und ließ Ginny allein mit ihren wirren Gedanken.
 

Als Ginny am nächsten Morgen aufwachte, fühlte sie sich das erste Mal seit Tagen wirklich ausgeruht. Sie wusste nicht, woran es lag. Vielleicht an der Vorfreude auf das kommende Spiel, vielleicht auch, weil es die erste Nacht war, in der die grauen Augen sie in Ruhe gelassen hatten.

Leichtfüßig sprang sie aus ihrem Bett, schnappte sich ihre Quidditchausrüstung und ging hinunter in den Gemeinschaftsraum. Wie Ginny erwartet hatte, war dieser wie leer gefegt. Wahrscheinlich befanden sich schon alle auf den Zuschauerrängen auf dem Quidditchfeld. Schnell kletterte Ginny durch das Porträtloch und ging durch die Gänge hinunter zur Eingangshalle. Sie bog um eine Ecke, als plötzlich jemand die Hand nach ihr ausstreckte, sie am Arm griff, hinter eine Rüstung zog und ihr mit der Hand den Mund zuhielt, damit sie keinen Laut von sich geben konnte. Im ersten Moment war Ginny so überrascht, dass sie vergaß zu atmen. Sie wehrte sich gegen ihren Angreifer, doch er war einfach zu stark. Als Ginny dann den wohlbekannten, verführerischen Duft einatmete, begann sie sich zu entspannen.

"Du kannst ja eine richtige Kratzbürste sein", sagte Draco und ließ Ginny langsam los. Sie drehte sich zu ihm um und sah ihn vorwurfsvoll an.

"Einfach zu mir zu kommen und mit mir zu reden ist wohl zu unoriginell für dich", gab sie zurück.

"Wie soll man mit dir reden, wenn man dich nirgendwo findet?"

Ginny wusste keine Antwort. Natürlich hatte er nicht mit ihr reden können. Sie hatte ja dafür gesorgt, dass er sie nicht zu Gesicht bekam.

Als sie gerade antworten wollte, verschloss Draco ihre Lippen mit seinen. Das zweite Mal in fünf Minuten schaffte er es, sie zu überraschen und zum Schweigen zu bringen. Wahrscheinlich war er der einzige Mann auf der gesamten Welt, der das fertig brachte.

Ginny zerfloss in dem Kuss, sie vergaß alles um sich herum, so wie sie es immer tat. Doch dann erinnerte sie sich wieder an den Abend mit Draco im Astronomieturm. Sie stieß ihn von sich. Er sah sie mit großen Augen an.

"Lass das", begann Ginny. "Ich… ich kann nicht."

Draco seufzte und kam auf sie zu.

"Warum gibst du's nicht einfach zu?", erwiderte er. "Warum gibst du nicht zu, dass da etwas zwischen uns ist? Warum gibst du nicht zu, dass du Gefühle für mich hast?" Seine Stimme zitterte. Ginny konnte die Verzweiflung heraushören.

Doch es war nicht wahr. Es war nicht die Wahrheit.

"Nein", sagte sie leise, doch unsicher. "Ich habe keine Gefühle für dich." Sie schüttelte wild mit dem Kopf, drehte sich um und rannte aus dem Schloss. So schnell sie konnte lief sie hinunter zum Quidditchfeld. Die anderen warteten schon ungeduldig auf sie.

"Ginny" Christie kam ihr entgegen. "Wo warst du? Du bist total spät dran. Beeil dich, in zehn Minuten geht das Spiel los. Oh, und Harry möchte dich sehen."

Ginny hörte gar nicht richtig zu. Alles, was sie verstand, war "zehn Minuten", "Spiel" und "Harry". In Windeseile zog sie sich um und stürmte aus der Umkleide. Harry kam gerade von der anderen Seite des Spielfeldes. Er war wohl gerade noch einmal bei Hermine gewesen und sie hatte ihm und seinem Team viel Glück gewünscht. Nun kam er auf Ginny zugerannt. Er schien sehr nervös.

"Ginny, wo warst du? Ich dachte schon, du kommst gar nicht mehr, so nervös wie du die ganzen letzten Tage warst!", sagte er völlig außer Atem.

"Es tut mir leid", brachte Ginny hervor.

"Wir gewinnen dieses Spiel, richtig?" Er sah sie aufmunternd an.

Ginny musste lächeln. Natürlich würden sie gewinnen. Sie nickte.

Harry lächelte zurück und nahm Ginny in den Arm.

"Das Team braucht dich", flüsterte er. "Ich brauche dich."

Harry löste sich von ihr, lächelte ihr noch einmal kurz zu und ging dann zu den anderen, um sie auf das Feld zu führen. Ginny dachte über seine Worte nach. Ja, sie würden gewinnen. Ginny würde für Harry gewinnen. Sie fasste sich ein Herz und ging ebenfalls zu den anderen hinüber. Jeder einzelne lächelte ihr zu und sprach aufmunternde Worte, als Ginny an ihnen vorbeiging. Sie stellte sich neben Philipp, direkt hinter Harry und hob stolz ihr Kinn. Stolz und Mut waren es, die einen Gryffindor auszeichneten und sie war eine richtige Gryffindor.

"Wir treten Slytherin richtig in den Hintern", sagte sie zu Philipp, der augenblicklich laut auflachte.

"Ich weiß nicht, wo deine plötzliche Gewalttätigkeit herkommt", antwortete er. "Aber das gefällt mir."

Harry lief los, alle anderen folgten ihm. Als das Publikum die wehenden roten Umhänge sah, brach es in donnernden Applaus und Jubelrufe aus. Die Quidditchspieler schwangen sich auf ihre Besen, stießen sich vom Boden ab und flogen über das gesamte Feld. Auch das Slytherinteam hatte das Feld betreten, angeführt von Draco Malfoy, der sich stolz und kalt wie immer umsah, seinem Team zunickte und sich dann ebenfalls in die Luft erhob. Die grünen und roten Umhänge umkreisten sich, riefen sich gegenseitig Beleidigungen zu, um einander zu verunsichern.

Madame Hooch öffnete die große Kiste mit den vier Bällen. Zuerst ließ sie die Klatscher frei, die sofort davonschossen, auf der Suche nach dem ersten Opfer. Als nächstes befreite sie den Schnatz. Ginny konnte nur ein goldenes Schimmern ausmachen, das sofort wieder verschwand. Dann nahm Madame Hooch den Quaffel in die Hand.

"In wenigen Sekunden geht das Spiel los", sagte sie mit magisch verstärkter Stimme. "Ihr seid alt genug, um zu wissen, dass man fair gegeneinander zu spielen hat. Ich hoffe, ich habe mich klar ausgedrückt. Oh, und ich wünsche euch, dass niemand im Krankenflügel wieder aufwacht."

Mit diesen Worten schleuderte sie den roten Ball in die Luft und pfiff das Spiel an. Die Jäger schossen auf den Quaffel zu, die Hüter machten sich in ihren Toren bereit und die beiden Sucher sahen sich auf dem Spielfeld um, um vielleicht schon einen Hinweis auf den goldenen Schnatz zu erhaschen.

Christie war diejenige, die als erstes beim Quaffel war und ihn auffing, doch sofort wurde sie von einem gegnerischen Jäger beiseite gestoßen und der rote Ball fiel ihr aus der Hand. Der Slytherin sauste auf Ron zu und warf den Ball mit aller Kraft in Richtung der Ringe. Ron hatte den Schuss schon fast abgewehrt, als er einen Klatscher auf sich zukommen sah, auswich und somit den Quaffel verfehlte, der durch den rechten Ring flog.

10:0 für Slytherin.

"Verdammt", schrie Ron über das gesamte Feld.

"Hey, bleib ruhig", rief ihm Harry zu. "Das war gerade mal der erste Punkt. Entspann und konzentrier dich, okay?"

Ron nickte und begann wieder, seine drei Ringe zu umkreisen.

Nun war es an der Zeit, dass Gryffindor zurückschlug. Ginny bekam den Quaffel in die Hände, flog los, wich einem Klatscher aus und steuerte auf die Ringe der Slytherins zu. Alle drei Jäger der gegnerischen Mannschaft wollten sie gerade einkesseln und ihr den Ball abnehmen, als jemand Ginnys Namen schrie. Die Angesprochene erkannte Philipp, der ein paar Meter unter ihr flog. Sie warf ihm den Ball zu, die drei Slytherin-Jäger fluchten und nahmen nun Kurs auf Philipp, der sich den gegnerischen Ringen immer weiter annäherte. Ginny flog ebenfalls in diese Richtung, um Philipp zu Hilfe zu kommen, falls dies nötig war. Und das war es, denn kurz bevor er schießen konnte, bemerkte er die grünen Umhänge um ihn herum, die ihn mit aller Macht aufhalten wollten. Philipp warf Ginny einen kurzen Blick zu, diese verstand sofort und flog noch ein paar Meter an die Ringe heran. Philipp täuschte einen Wurf an, die Slytherin-Jäger schossen an ihm vorbei, um den vermeintlichen Wurf aufzuhalten, doch stattdessen schoss er Ginny den Quaffel zu, die ihn mit dem Ende ihres Besens in Richtung der Ringe schleuderte und mitten durch den linken Ring traf.

Neuer Punktestand: 10:10.

Das Publikum jubelte und schrie.

"Ja, so wird's gemacht!", rief Philipp Ginny zu. Diese war wirklich stolz auf sich und sah sich auf dem Feld nach Harry um. Doch anstatt Harry flog ihr Draco entgegen.

"Klasse gemacht", rief er und in seinen Augen lag etwas, das Ginny nicht definieren konnte.

Natürlich wollte er, dass seine Mannschaft gewann, also warum lobte er sie für ihr Tor?

Als sie keine Anstalten machte zu antworten und ihn nur verständnislos ansah, drehte er sich um und machte sich wieder auf die Suche nach dem Schnatz.

Ginny bemerkte nicht, dass Philipp neben sie geflogen war.

"Was war denn das jetzt für eine Aktion?", wollte er von Ginny wissen.

"Keine Ahnung", flüsterte sie nur.

Philipp stieß sie mit dem Ellenbogen an und sagte ihr damit, dass sie sich wieder auf das Spiel zu konzentrieren hatte und nicht auf einen Idioten wie Malfoy.

Eine ganze Weile ging das Spiel nur hin und her. Obwohl beide Hüter ihr bestes gaben, fielen Tore für beide Seiten. Die Klatscher sausten nur so durch die Luft, auf der Suche nach ihren Opfern. Die Treiber hatten alle Hände voll mit ihnen zu tun. Zum einen mussten sie verhindern, dass irgendeiner ihrer Teammitglieder verletzt wurde und zum anderen versuchten sie, möglichst viele ihrer Gegner auszuschalten. Beiden Seiten gelang dies nicht so wirklich, da die gegnerischen Treiber immer zur rechten Zeit am rechten Ort waren. Angespannt verfolgte das Publikum jeden Spielzug, jubelte oder stieß Buhrufe aus, um ihr jeweiliges Team zu unterstützen. Niemand konnte abstreiten, dass beide Teams wirklich gut waren und sich alle Mühe gaben, doch nach anderthalb Stunden stand es 340:190 für Slytherin.

Ginny war ziemlich außer Atem. Ihre Arme taten ihr weh vom vielen Werfen. Ihr Rücken, ihre Schultern und ihre Rippen schmerzten von den vielen Zusammenstößen mit gegnerischen Spielern. Sie konnte einfach nicht mehr. Aber sie mussten gegen Slytherin gewinnen! Sie mussten es einfach schaffen!

"Ginny!"

Die Angesprochene sah sich um und identifizierte Harry als denjenigen, der nach ihr gerufen hatte. Jedoch sah er sie nicht an, seine Augen waren auf etwas fixiert, was in weiter Ferne zu liegen schien.

"Harry, was ist los?", fragte sie zurück.

"Ein Tor", rief er zurück. "Wir brauchen nur noch ein Tor, Ginny. Bitte!"

Ohne weitere Erklärungen sauste er davon, Ginny starrte ihm nur hinterher. Zuerst wusste sie nicht, was er meinte. Mit einem Tor mehr würde es nur noch 340:200 stehen, das würde überhaupt nichts bringen, Harry müsste… Aber das war es! Wenn sie jetzt noch ein Tor schießen würde, dann würden sie nur noch 150 Punkte brauchen, um das Spiel zu gewinnen. Und was brachte 150 Punkte? Natürlich! Harry hatte den Schnatz entdeckt!

Ginny musste sich beeilen.

Der Quaffel war gerade wieder auf dem Weg zu den Ringen, die Ron umkreiste, als wären sie seine eigenen Kinder. Der Slytherin-Jäger schoss. Auch er schien einiges seiner eigentlichen Kraft eingebüßt zu haben und so war es für Ron relativ leicht, den Schuss abzuwehren. Er warf Christie den Ball zu und sie startete in Richtung der gegnerischen Ringe. Auch Ginny flog in die Richtung und Philipp schloss sich ihr an. Christie warf den Quaffel zu Philipp und er gab ihn an Ginny weiter. Sie spielten sich den roten Ball eine Weile lang zu, um die Slytherin-Jäger zu verwirren und um immer näher an die Ringe heranzurücken. Als Ginny den Quaffel gerade wieder abgegeben hatte, flog auf einmal Draco Malfoy neben ihr, überholte sie und blieb direkt vor ihr stehen, um sie auszubremsen.

"Ich dachte, du lässt mich wenigstens das Quidditch-Spiel über in Ruhe", stichelte Ginny und wollte an ihm vorbeifliegen, doch er versperrte ihr den Weg.

"Hey", begann Draco. "Ich wollte ja nur sagen, dass ihr echt gut gespielt habt, aber wir sind einfach besser." Sein fieses Grinsen war wieder auf sein Gesicht zurückgekehrt. Ginny hasste dieses Grinsen. Es war überheblich, arrogant und falsch. So war er nicht. Warum sah er sie so an? Sein Grinsen regte Ginny tierisch auf, deswegen giftete sie zurück: "Das werden wir ja sehen!" Sie stieß ihn beiseite und sah sich nach Harry um. Er schwebte hoch oben über dem Feld, er schien den Schnatz immer noch fest im Blick zu haben, denn seine Augen fixierten ein- und denselben Punkt. Draco schien jedoch noch nichts bemerkt zu haben, denn er beobachtete Ginny weiterhin. Ginny musste seine Unaufmerksamkeit ausnutzen! Sie trieb ihren Besen erneut an und steuerte auf Philipp und Christie zu, die sich immer noch den Quaffel zuspielten. Ginny flog in ihre Mitte, um anzuzeigen, dass sie wieder im Spiel war.

Als Philipp ihr den Quaffel zuwarf, ging alles viel zu schnell. Sie täuschte an, den Ball auf den rechten Ring zu werfen. Der Slytherin-Hüter ging darauf ein, doch stattdessen feuerte Ginny den Quaffel mit letzter Kraft in Richtung des linken Rings.

Gleichzeitig schrie irgendjemand: "Ginny, pass auf!"

Doch Ginny reagierte zu spät. Sie sah nur noch, wie der Klatscher direkt auf sie zukam. Sie wollte wegfliegen, doch der schwarze Ball traf ihren Besen direkt in der Mitte und ließ ihn in tausend Teile zerspringen. Ginny fiel in die Tiefe und fiel und fiel. Alles um sie herum wurde schwarz und sie merkte nicht, ob sie nun am Boden aufschlug oder nicht…
 

Als Ginny wieder erwachte, wusste sie im ersten Moment nicht, wo sie war. Sie starrte an die steinerne Decke. Sie lag irgendwo. Aber nicht etwa auf kaltem Boden, sondern in einem weichen Bett. Lag sie im Krankenflügel? Was war passiert?

"Endlich bist du wach", sagte eine Stimme neben ihr. Die Stimme war voller Sorge, aber auch Erleichterung schwang in ihr mit.

Ginny drehte ihren Kopf, um zu sehen, wer sie angesprochen hatte. Alles war verschwommen, doch sie erkannte das weißblonde Haar, das nur einem einzigen Menschen gehören konnte. Wie lange hatte er schon hier gesessen? Hatte er darauf gewartet, dass sie aufwachte? Wo war sie überhaupt?

Obwohl diese und tausend andere Fragen in ihrem Kopf herumschwirrten, fragte sie nur: "Was ist passiert?"

"Nuna ja, sagen wir, der Klatscher war recht gut platziert", antwortete er. "Du bist ziemlich tief gefallen. Potter ist dir hinterher gerast wie ein Verrückter, aber ich schätze, er wird sich demnächst einen schnelleren Besen kaufen… Du bist aber glimpflich davon gekommen. Ich habe keine Ahnung, wie du das gemacht hast, aber du hattest "nur" ein paar Prellungen und kein einziger Knochen war gebrochen. Bewundernswert."

"Mit sechs Brüdern ist man einigermaßen abgehärtet", sagte Ginny schwach. "Ich weiß nicht, welcher von meinen Knochen noch nie gebrochen war."

Draco lachte leise. Erst jetzt bemerkte Ginny, dass Draco die ganze Zeit über ihre Hand gehalten hatte.

"Wie lange bist du schon hier?", fragte Ginny leise.

"Ähm", begann er. "Abgesehen davon, dass ich in jeder Pause und jeden Abend hier bin, würde ich sagen…"

"Oh mein Gott", lachte Ginny und Draco fiel in ihr Lachen ein.

Dann kam ihr auf einmal ein Gedanke. Quidditch… das Spiel… Slytherin lag vorn… sie hatten nur noch ein Tor gebraucht… hatte Harry den Schnatz gefangen?

"W-Wie ist eigentlich das Spiel ausgegangen?" Ginny wollte ganz beiläufig klingen, doch ihre Stimme zitterte.

"Wow, ich hätte nicht gedacht, dass du diese Frage so lange zurückhalten könntest."

"Jetzt sag schon!"

"Tja, ihr habt es geschafft", sagte er und lehnte sich zurück. "Du hast dein Tor gemacht und Potter hatte seinen großen Auftritt, als er dich retten wollte und ganz nebenbei noch den Schnatz gefangen hat. Verdammt, ich war zwei Sekunden zu spät. Ich hätte ihn fast gehabt!"

"Wir haben's geschafft… wir haben gewonnen… wir haben gegen Slytherin gewonnen." Ginny lächelte zufrieden. Das Training hatte sich gelohnt. Es war knapp gewesen, aber sie hatten es geschafft!

Ginny wollte aufstehen, doch Draco drückte sie wieder zurück in die Kissen.

"Was soll das werden, wenn's fertig ist?", fragte er.

"Ich muss zu den anderen, die feiern bestimmt alle!"

"Vergiss es, du bist verletzt, falls du das nicht mehr wusstest."

"Wer hat gerade eben noch gesagt, dass es bewundernswert ist, dass mir nichts Ernsthaftes passiert ist?"

"Du hast dir nichts gebrochen, das heißt nicht, dass es nichts Ernstes ist! Du bleibst gefälligst liegen!"

"Was geht dich das eigentlich an?"

Draco stockte. Ginny bereute sofort, ihn das gefragt zu haben. Er hatte jede freie Sekunde geopfert, um bei ihr zu sein und dann wies sie ihn zurück.

"Tut mir leid", murmelte sie und legte sich wieder hin. "Danke, dass du hier bist."

Er lächelte nur, stand auf und setzte sich auf die Bettkante. Sanft strich er ihr durch das Haar und sah sie mit seinen grauen Augen liebevoll an.

In diesem Augenblick wurde Ginny klar, dass Draco Recht gehabt hatte. Er hatte Recht und sie wollte es nicht zugeben. Doch jetzt konnte sie nicht anders, als es einzusehen.

Ginny Weasley hatte sich in Draco Malfoy verliebt.
 


 

Fortsetzung folgt



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