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Extrem blöde Idee

von

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Hack value

Die einzig nennenswerte Lichtquelle kam von einem Computerbildschirm, der den gesamten Raum in ein milchig-grünes Licht tauchte. Jedem anderen hätten bei der kaum vorhandenen Beleuchtung schon nach wenigen Stunden die Augen geschmerzt, doch der Hacker befand sich vollkommen in seinem Element. Seit einer Ewigkeit war die einzige Veränderung neben dem kontinuierlichen, leisen Klappern der Tastatur der Zigarettenrauch, welcher hin und wieder das Appartement erfüllte. Für die meisten Menschen machten die diversen Befehle, die der junge Mann eintippte, wohl keinen Sinn, sobald man sich jedoch ein wenig mit der Materie auskannte, wurde einem klar, dass der Rothaarige gerade dabei war, sich durch das Sicherheitssystem eines fremden Computers zu kämpfen und versuchte diesem Rechner so viele Daten wie möglich zu entwenden.

Seit Jahren verdiente Matt sein Geld schon damit in fremden Computern nach bestimmten Informationen zu suchen. In der Regel handelte es sich um Bagatellen, zum Beispiel herauszufinden, ob die Ehefrau einem treu war oder ob der konkurrierende Autohändler wirklich so viel Umsatz machte wie behauptet. Die kleinen Geheimnisse eben, die jeder Mensch besaß und deren Aufdeckung niemandem großen Schaden zufügten. Um größere Aufträge an Land zu ziehen, bedarf es eines gewissen Rufs und trotz aller Erwartungen schien sich der Rotschopf inzwischen eine gewisse Vertrauenswürdigkeit erarbeitet zu haben. Matts aktueller Auftraggeber war der Mittelsmann einer der Gangs in L.A. und wollte die Daten der Konkurrenz um die Drogen- und Waffenlieferungen derer lahmlegen zu können. Es war nicht annähernd so schwer sich Zugang zu den Systemen zu beschaffen, wie der Rothaarige gedacht hatte. Da war der Computer mach einer Ehegattin besser gesichert. Das einzige Problem für den Gamer war nur, die richtigen Daten zu finden und diese zwischen all den uninteressanten Dingen herauszufiltern. Und davon gab es, zu Matts Leidwesen, so einige.

Das unerwartete Piepsen des Mobiltelefons riss den Gamenerd aus seinen Gedanken. Heute war der vereinbarte Treffpunkt und Matt hatte nicht damit gerechnet vorher noch einmal von seinem Auftraggeber zu hören. Er überflog die Nachricht kurz, in der lediglich um einen früheren Zeitpunkt des Treffens gebeten wurde. Hastig tippte Matt eine Bestätigung in den kleinen Bildschirm, ehe er gelassen das Handy wieder beiseite legte. Erneut die Daten durchgehend, zündete sich der Rotschopf eine Zigarette an. Nachdem alles zu seiner Zufriedenheit war, beschloss Matt seinen Bericht damit abzuschließen. Während der Drucker anfing Matts Befehle zu verarbeiten und das erste Blatt Papier einzog, ging der Hacker nach nebenan in sein Schlafzimmer um sich frische Klamotten anzuziehen. Es war verlockend sich, wenn auch nur für wenige Minuten, hinzulegen, aber der Rothaarige befürchtete schon, dass er aufgrund des Schlafmangels definitiv den Tag verschlafen würde, sollte er sich jetzt eine Pause gönnen. Mit einem Gähnen auf den Lippen betrat Matt erneut das Wohnzimmer und öffnete vorsichtig die Rollläden ein Stück, um ein wenig Tageslicht hineinzulassen. Geblendet von der grellen Mittagssonne kniff er die Augen zusammen und wandte sich zu dem Drucker, um die Dokumente in einen Briefumschlag zu stecken. Bevor er sich Schuhe und Weste anzog, verstaute er sowohl die Schachtel Zigaretten als auch seine Spielkonsole in eben dieser. Den Umschlag schob er sicherheitshalber unter die Weste, ehe er aus seiner Wohnung verschwand. Mit großen Schritten hastete der Gamer die Treppe nach unten. Bei jedem Schritt klirrten die Autoschlüssel in der Tasche seiner Jeans, sodass Matt das kleine Schlüsselbund in die Hand nahm, als er die letzten Schritte zu seinem Auto zurücklegte. Ein älteres Modell eines roten Sportwagens, um präzise zu werden ein Chevrolet Camaro SS, welchen er schon seit einigen Jahren besaß. Trotz seines fortgeschrittenen Alters war besagter Wagen erstaunlich zuverlässig und glücklicherweise auch ebenso widerstandsfähig. Der Innenraum roch inzwischen stark nach Rauch, aber da in der Regel niemand anders außer dem Rotschopf darin Platz nahm, störte es ihn auch nicht weiter.
 

Zufrieden ließ sich der Hacker auf den Fahrersitz sinken und startete den Motor. Sich ausnahmsweise einmal an die Geschwindigkeitsbegrenzung haltend fuhr Matt in den Stadtteil in dem das Treffen mit seinem Auftraggeber stattfinden sollte. Das plötzliche Ziehen in seiner rechten Schulter ignorierend warf der Hacker einen Blick in den Rückspiegel. Dass ein schwarzes Motorrad ihm seit mehreren Minuten, wenn auch mit deutlichem Abstand, folgte, irritierte Matt. Kurzerhand beschloss er einen Umweg zu nehmen, um seinen Verdacht, dass er verfolgt wurde zu bestätigen. Während Matt die nahende Rechtskurve aus Gewohnheit viel zu schnell nahm, jagte der Motorradfahrer beschleunigend an der Abzweigung vorbei. Die Bedenken wegen besagtem Motorradfahrer legten sich weitestgehend, als Matt rechts ran fuhr und den Wagen parkte. Den letzten Rest der Stecke legte der Rothaarige aus Gewohnheit grundsätzlich zu Fuß zurück.

Ohne groß weiter darüber nachzudenken nahm er sich eine seiner Zigaretten und zündete sie an. Genüsslich inhalierte der Rothaarige den Rauch, ehe er ihn mit einem Atemzug auch schon wieder aus seinen Lungen entweichen ließ. Kleine Rauchschwaden schwebten hinter ihm her, als er sich auf den Weg machte.
 

Als Matt eine etwas kleinere und schmalere Straße einbog, machte sich bei ihm mehr und mehr das Gefühl breit, dass er nicht ganz unbeobachtet blieb. Alarmiert wandte er sich herum. Nichts. Die Straße war bis auf seine Wenigkeit vollkommen leer. Wahrscheinlich spielte ihm sein Unterbewusstsein nur einen Streich. Tief atmete er durch. Beiläufig kratzte sich Matt die rechte Schulter, bevor er den Rest seiner Zigarette auf den Gehweg schnipste. Um noch einmal auf Nummer Sicher zu gehen kontrollierte der Gamenerd, ob sich der Umschlag noch unter seiner Weste befand, ehe er einigermaßen beruhigt weiterging. Im Nachhinein kam ihm diese Kontrolle vollkommen dämlich vor. Wo hätte der Umschlag auch hin verschwinden sollen? Aber wie sagte man so schön, Vorsicht war die Mutter der Porzellankiste.
 

Nachdem Matt sich kurzerhand dazu entschlossen hatte eine Abkürzung zu nehmen, bog er in die kleine Gasse zwischen zwei Mehrfamilienwohnblocks ein. Dass am anderen Ende besagter Gasse der Motorradfahrer von vorhin stand, nahm der Hacker beinahe mit einem Schmunzeln hin. Er fühlte sich wie in einem dieser schlechten 50iger Jahre Gangsterfilme. Und als hätte ein imaginärer Regisseur das Stichwort gegeben traten aus dem Hauseingang zu Matts rechten zwei recht unfreundlich wirkende Männer ins Freie. Mit einem letzten Funken Hoffnung wandte sich der Hacker in die Richtung aus der er gekommen war, nur um einen weiteren dieser Schergen vor dem Ausgang der Gasse stehen zu sehen. Selbst wenn es eine faire Auseinandersetzung, eins gegen eins, gewesen wäre hatte Matt wohl kaum gegen einen dieser hünenhaften Männer eine Chance gehabt. Er war schlichtweg nicht der Typ für Schlägereien, physisch wie auch psychisch. Um jedoch seine Defizite in Bezug auf körperliche Auseinandersetzungen auszugleichen hatte der Gamer seit geraumer Zeit stehts maschinelle Unterstützung in Form seines Colt M1911 bei sich.

Matt zog reflexartig seine Waffe. Es vergingen nur wenige Sekunden, ehe er den Abzug drückte. In der kleinen Gasse klang der Schuss unnatürlich laut, hinterließ ein nervendes Klingeln in Matts Ohren. Der Mann am Ende der Gasse stieß einen Fluch aus und sank auf die Knie. Blut sickerte durch den hellen Stoff der Hose und hinterließ einen dunkelroten Fleck auf dem Oberschenkel von Matts Gegner. Stirnrunzelnd betrachtete der Hacker die Schusswunde. In Gefahrensituationen auf einen beweglichen Gegner zu zielen musste er definitiv noch üben. Blitzschnell wandte sich der Gamer herum, zielte auf einen der anderen beiden „Schlägertypen“. Während des ersten Schusses, waren die beiden Männer auf ihn zugestürmt und Matt hatte das Gefühl, als würden sie ihn niedertrampeln wie eine Herde Büffel, sollte er nicht aus dem Weg gehen. Matt blieb gar keine Zeit auszuweichen, als der Arm des Gegner wie ein Hammer auf den Hacker zuflog. Mit einem widerlichen Knacken zertrümmerte der Fausthieb den Knochen von Matts Nase. Die Wucht des Schlags überraschte ihn derart, dass er sein Gleichgewicht nicht länger halten konnte. Es war ein scheuerndes Geräusch als Matt mit seinen Händen auf dem dreckigen Asphalt landete, um den Sturz abzufangen. der Rothaarige wandte sich seinem Angreifer entgegen und zog seine Waffe. Während er zum Schuss ansetzte, reagierte der andere der beiden und befördere den Colt mit einem gezielten Tritt außerhalb von Matts Reichweite. Ein pochender Schmerz ging von seiner Hand aus, als der Gamer sich seiner aussichtslosen Lage bewusst wurde. Er war dabei sich wieder aufzurappeln als ein Tritt in die Magengrube Matt die Luft aus den Lugen trieb und eine Schmerzenswelle durch seinen Körper jagte. Sein Körper protestierte während der Rothaarige erneut versuchte sich aufzurichten, ehe ihm ein gezielter Tritt an den Hinterkopf endgültig das Licht ausknipste.
 

Zufrieden trat der blonde Motorradfahrer näher, nachdem er seinen Helm behelfsmäßig am Lenkrad des Motorrads abgelegt hatte. Jack und John, die beiden Zwillingsbrüder die de Hacker so liebevoll begrüßt hatten, hatten ihre Sache ausnahmsweise einmal gut gemacht. Wenn man Koreys Schussverletzung außen vor ließ. Während John seinem Kollegen zu Hilfe eilte und versuchte die Blutung an Koreys Oberschenkel zu stoppen, wartete der andere der Zwillingsbrüder neben dem bewusstlosen Hacker. Der Blonde sammelte den Colt des Rothaarigen auf, sicherte ihn und steckte die Waffe ein.

„Das ging erstaunlich schnell“, meinte der Blondschopf beiläufig und kniete sich neben den Bewusstlosen.

„Spiel dich nicht so auf Mello. Du wart keine große Hilfe“, grunzte ihm Jack entgegen und beäugte das Treiben Mellos kritisch.

„Ich bin auch nicht hier um euch dabei zu helfen, jemanden bewusstlos zu schlagen.“

Mello packte den bewusstlosen Körper an der Schulter und drehte den Hacker, der ihnen solche Scherereien gemacht hatte, auf den Rücken. Der braune Umschlag, welcher bis dato noch unter Matts Weste versteckt lag, rutschte aufgrund der unerwarteten Bewegung nach oben. Interessiert griff Mello nach den Dokumenten.

„Was haben wir denn da?“, gab der Blonde mit einem Schmunzeln von sich und überflog die Papiere.

„Dafür hätte er eine Menge Geld kassieren können“, sagte der Blonde mehr zu sich selbst, als zu Jack. Mello hielt in seiner Bewegung inne, als er zwischen den Dokumenten einen Bericht über seinen eigenen Werdegang bei den Black Bloods entdeckte. Ein Foto war nicht dabei, aber allein die Tatsache, dass der Hacker so viel über ihn in Erfahrung bringen konnte, bereitete Mello Kopfschmerzen.

„Packt ihn ein und bringt ihn wie besprochen in den Kühlraum“, gab der Blonde Jack mit einem Kopfnicken in Richtung des Hackers zu verstehen und wandte sich zum Gehen.

Die Seiten des Berichts auf denen Informationen über den Blondschopf selbst standen würde er so schnell wie möglich vernichten, bevor er die Dokumente seinem Boss aushändigte.

Nachdem der Hacker gefesselt und mit dem obligatorischen Sack über dem Kopf im Laderaum des Transporters der Zwillinge lag machte sich Mello ebenfalls auf den Weg zurück zum meist genutzten Standort der Black Bloods.
 

Ob es an dem plötzlichen Temperaturwechsel oder an dem pochenden Schmerz lag, der von seinem Hinterkopf ausging, dass der Gamer langsam wieder zu Bewusstsein kam wusste er nicht. Genauso wenig, wie lange er ohnmächtig gewesen war, aber das war im Moment jedoch so oder so zweitrangig. Wo er sich befand und was er hier sollte, war das Erste, was dem Rothaarigen durch den Kopf ging, nachdem er die Augen geöffnet hatte und alles was er sah schwarzer Stoff war. Der Sack über seinem Kopf stank nach Schweiß und unweigerlich fragte der Gamer sich wie viele Leute wohl vor ihm in dieser Situation mit dem Stück Stoff vorm Gesicht gewartet hatten. Zu den Kopfschmerzen gesellte sich nach kurzer Zeit auch ein Ziehen in der Rückengegend, welches Matt dazu veranlasste sich aufzurichten, um Besagten zu entlasten. Instinktiv versuchte der Rothaarige seine Arme und Beine zu bewegen, gefesselt - natürlich. Erst nachdem der Gamer sich mit einer momentan Situation weitestgehend abgefunden hatte realisierte der, dass die Temperatur seiner Zelle deutlich unter dem normalen Bereich lag.

Er hatte keine Ahnung, wie lange er darauf wartete, dass etwas passierte, ehe er Schritte vernahm. Zwei Leute, vermutete er, und anscheinend hatten sie es eilig Matt einen Besuch abzustatten.
 

Langsam trat Mello näher und betrachtete den jungen Mann welcher auf dem kalten Metallstuhl saß. Er war gefesselt, von ihm würde somit kaum Gefahr drohen. Mello trat noch ein Stück näher und zog mit einem Ruck den Sack vom Kopf des Gefesselten. Getrocknetes Blut klebte in seinem Gesicht und auf dem dünnen Pullover. Die Nase des anderen sah ebenfalls deutlich dicker aus als sie wahrscheinlich wirklich war.

Als ihm der Sack so ruckartig vom Kopf gezogen wurde, blinzelte der Gamer irritiert, bis sich seine Augen an das Licht gewöhnt hatten. Gegenüber von sich erkannte Matt, wenn auch anfangs nur schemenhaft eine weitere Person. Viel zu hastig hob Matt den Kopf, was ihm nur einen erneuten Prostest in Form von Kopfschmerzen einbrachte. Er war ungefähr in seinem Alter, wahrscheinlich älter, und trug ein Lederoutfit. Matt musterte sein Gegenüber ganz genau, sich immer dessen Blick bewusst.

"So, so…“, wandte Mello sich mit leiser, bedrohlicher und dennoch leicht belustigt klingender Stimme an den Anderen.

"Du bist also die kleine Ratte, die für Geld auch in den tiefsten Scheißhaufen kriecht. Ganz schön dumm von ihr zu missachten, dass sie danach aus allen Poren stinken wird, sodass sie unweigerlich gefunden werden muss“, begann er und ließ seine schmalen Finger, die in schwarzen Lederhandschuhen steckten, spielerisch durch die Haare des jungen Mannes fahren.

Als der Blonde mit seinen Fingern zwischen den roten Strähnen von Matts Haaren hindurchfuhr, lief ihm ein Schauer über den Rücken. Matt war erstaunt, dass sein Gegenüber mit so einer vertraulichen Geste gleichzeitig so bedrohlich wirken konnte.

"Sag mir, machst du alles für Geld oder wolltest du dich aus freien Stücken und reinem Nervenkitzel unbedingt mit einem Gegner anlegen, der dir um ein Vielfaches überlegen ist?“, fügte Mello fragend hinzu. Der Spott in seiner Stimme war kaum zu überhören und während er sprach, umrundete er Matt, bis er wieder vor ihm stand und ihm direkt in seine Augen starren konnte. Dann griff er in die Tasche seiner Lederjacke und zog ein Stück Schokolade heraus, von dem er genüsslich und laut knackend abbiss.

„Wenn ich mich mit gleichwertigen Gegnern anlegen würde, wäre es ja keine Herausforderung, oder?“, entgegnete der Hacker und, wenn es ihm bei seiner momentan Situation möglich gewesen wäre, hätte vermutlich auch noch mit den Schultern gezuckt.

Bei Matts Antwort wanderte Mellos Augenbraue ungläubig nach oben und das Luftschnappen eines der Männer im Hintergrund bestätigte ihn in seiner Annahme, dass Mello nicht der Einzige war der an der Zurechnungsfähigkeit des Hackers zweifelte.

„Schön, schön“, murmelte Mello und wanderte noch einmal um Matt herum, bis er hinter ihm stehen blieb. Einen Moment wartete er, dann griff er grob in den Haarschopf des Anderen und zerrte seinen Kopf in den Nacken, bis dieser ihm wieder in die Augen sehen konnte.

Matt entfuhr ein überraschtes Keuchen, als der Blonde seinen Kopf so unwirsch nach hinten zog, teils wegen des Schmerzes in seiner Kopfhaut, von der pochenden Beule mal ganz abgesehen, teils wegen der unerwarteten Bewegung. Wenigstens konnte er so seinem „Gegner“ wieder ins Gesicht blicken und war nicht lediglich auf seinen Hörsinn angewiesen.

„Und? Gefällt dir deine Herausforderung? Bist du zufrieden mit dem, was du erreicht hast? Würde mich echt mal interessieren, was du von unseren Foltermethoden hältst, aber leider wirst du danach nicht mehr sonderlich ansprechbar sein, wie ich fürchte.“

Mit geübten Fingern zog Mello ein Messer aus einer versteckten Scheide und legte es beinahe zärtlich an Matts Hals. Er drückte nicht fest genug zu, dass der Andere Schmerzen hatte, doch er würde durchaus die Kälte des Metalls fühlen können.

Die Dehnung seiner Halsmuskeln wurde langsam zu einem unangenehmen Ziehen, aber das schien vergessen, als der Hacker das kühle Metall an seiner Kehle spürte. Ein Schauer lief ihm über den Rücken, sich immer der Tatsache bewusst, dass Leben und Tod momentan nur eine falsche Bewegung trennte.

„Hier ist mein Angebot: Du erzählst mir alles über deinen kleinen Spitzel-Auftrag und ich werde dafür sorgen, dass du schnell und so gut wie schmerzlos stirbst“, sagte er mit einem amüsierten Lachen, ehe er fortfuhr.

„Übrigens kann ich dein Gewissen gerne etwas erleichtern, denn ich weiß ohnehin schon alles. Ich möchte es nur von dir persönlich hören. Wenn du etwas hast, was ich noch nicht weiß, überleg ich mir das mit deinem Tod vielleicht noch mal“, sagte er diplomatisch und klang beinahe vernünftig, wenn er das Messer nicht noch immer an Matts Kehle gehalten und seinen Kopf noch etwas mehr nach hinten gezogen hätte.

„Wenn ich gerade eh meine letzten Atemzüge austrage, wäre es dann nicht unnötig sie für Dinge zu verschwenden, die du eh schon weißt?“, fragte der Gamer mehr sich selbst, als das er sich damit wirklich an den Blondschopf richtete. Matt wusste durchaus, dass er hier gerade einen Dratseilakt vollführte und vielleicht in mancher Menschen Augen leichtsinnig mit seinem Leben spielte, aber die Karten lagen nicht gut für ihn. Gar nicht gut.

„Klingt verlockend, aber naja, ich bin eher so der Typ der seine Geheimnisse mit ins Grab nimmt“, bluffte Matt und hoffte insgeheim damit nicht aufzufliegen. Es gab wirklich nicht viel Bedeutendes was er wusste und was nicht eh schon in seinem Bericht stand, aber einen Versuch war es ja immerhin wert.

Wenn sich Mellos Augenbraue noch etwas höher hätte ziehen können, dann hätte sie es getan. Er zog abrupt das Messer zurück und nahm die Hand aus Matts Haaren, allerdings nicht, ohne seinem Kopf noch einen leichten Stoß nach vorne zu geben.

"Ich hab verstanden. Du willst also leben. Und du willst uns deine Geheimnisse nicht verraten."

Erneut wanderte Mello um den Gefesselten herum.

"Oder zumindest behauptest du das“, zischte er und sein Gesicht war dem des Anderen nun sehr nahe. Kurz hielt er inne und musterte Matts Augen, als würde er sie nach der Wahrheit durchforsten. Dann, ohne ein weiteres Wort, wandte sich Mello von seinem Gefangenen ab und legte die wenigen Meter bis zu der schweren Eisentür zurück, die Matts Zelle von der Außenwelt trennte. Mit der Hand auf der Türklinke wandte Mello sich noch einmal zu Matt.

„Es liegt ganz bei dir“, gab Mello schulterzuckend von sich und verlies den Verhörraum. Mit einem lauten Knall fiel die Tür hinter dem Blonden ins Schloss, ehe sie wieder verriegelt wurde.
 

Mit einem Seufzen auf den Lippen, verließ Mello den Gang auf dem sich die Verhörräume befanden und machte sich auf in Richtung Gemeinschaftssaal. Der Raum war eher spärlich eingerichtet, da er nur den Zweck einer Teambesprechung erfüllen sollte. Außer ein paar abgenutzten Sofas und einem kleinen Tisch war neben diversen Schränken kaum Einrichtung vorhanden. Schnurstracks begab sich der Blonde zu einem kleinen Kühlschrank im hinteren Teil des Zimmers und holte sich eine neue Tafel Schokolade heraus. Während er sich auf die schwarze Ledercouch in seiner Nähe sinken ließ, riss er die Aluminiumverpackung ab und biss knackend das erste Stück der braunen Süßigkeit ab. Genüsslich lutschte er das Stück der Schokolade in seinem Mund, bis sie sich gänzlich auflöste, ehe die angenehme Stille von polternden Schritten unterbrochen wurde. Der Mann, welcher allen eigentlich nur als „Son“ bekannt war, betrat den Gemeinschaftssaal. Warum man ihn so nannte dürfte relativ schnell klar sein, sobald man seine linke Gesichtshälfte betrachtete. In kryptischen Lettern war das Wort „Son“ darauf tätowiert. Zu Mellos Leidwesen, war er einer von seinen etlichen Vorgesetzten und stehts dazu aufgelegt Mello die Leviten zu lesen. Trotz der Zuverlässigkeit mit der der Blonde seit Jahren seine Aufgaben bei den Black Bloods erledigte, hatte er noch lange nicht die Stellung inne die er sich erhofft hatte. Mehr außer kleineren Aufträgen oder dem Verhören von zweitrangigen Gefangenen gestand man ihm nicht zu. Es war frustrierend.

„Mello! Was zur Hölle treibst du hier?“, ertönte Sons tiefe Stimme viel zu laut in dem kleinen Raum.

„Ich esse“, gab dieser zurück und hob dabei seine Tafel Schokolade mit einer Geste in die Höhe, die an brüderlicher Zuprosten in einer überfüllten Kneipe erinnerte. Son stieß ein Schnauben aus, das dem Grunzen eines Schweins glich, und Mello ahnte schon, was ihn jetzt erwarten würde.

„Du solltest dich schleunigst wieder auf den Weg zu dem kleinen Spitzel machen, der Boss ist nicht gerade begeistert, wenn man ihn auf Ergebnisse warten lässt.“

Der „Boss“ war ein in die Jahre gekommener Gauner, der es mit verdammt viel Glück vom kleinen Straßendieb zum Anführer der Black Bloods geschafft hatte. Wie viel Blut inzwischen an seinen Händen klebte wusste niemand und es interessierte auch keinen. Zumindest, wenn man danach fragte. Über solche Dinge schwieg man lieber.

„Der Hacker meint er wüsste noch mehr, als das was in seinen Dokumenten steht“, entgegnete Mello, bevor er erneut von der Schokolade abbiss. Er hatte es ganz und gar nicht eilig zu dem Rothaarigen zurückzukehren. Die Tatsache, dass Mello nicht mit übermäßiger Geduld gesegnet war, machte das Verhören von Gefangenen für den Blonden zu einer extrem nervenaufreibenden Sache. Je länger man ihn auf ein Geständnis warten ließ, desto ungeduldiger wurde er und desto heftiger fielen auch seine Maßnahmen gegenüber den Gefangenen aus. Nicht unbedingt die besten Voraussetzungen, wenn man wollte, dass ein Gefangener am Leben blieb.

„Dann quetsch die Informationen gefälligst aus ihm raus und sobald du alles hast, was es zu wissen gibt machst du ihm den Gar aus. Verstanden? Ansonsten kann es nämlich passieren, dass du den morgigen Tag nicht mehr erlebst.“

Mit diesen Worten machte der großgewachsene Lateinamerikaner kehrt und verschwand genauso laut polternd und plötzlich in dem Gang, wie er ihn kurz zuvor verlassen hatte.
 

Die Seile mit denen seine Arme geknebelt waren, kratzen an den Handgelenken des Gamers und die zarte Haut über den Knochen wurde, bei einem weiten Versuch seine Arme aus der Schlinge zu ziehen, rot und wund. Der Hacker vermutete außerdem, dass sein Handgelenk aufgrund des Trittes den er kassiert hatte angeschwollen war, was die Tatsache, dass er gefesselt war nur noch unangenehmer machte.

Gähnend ließ der der Gamer seinen Kopf nach hinten sinken, stütze ihn auf die Lehne des Metallstuhls und betrachtete die eintönige Decke seiner Zelle. Eins, Zwei, Drei, Vier, Fünf. Fünf Flecken von denen die meisten menschlichen Ursprungs zu sein schienen konnte Matt entdecken. Weiter erstreckte sich sein Blickfeld nicht. Wie viele sich vor ihm wohl derartig gelangweilt hatten, als sie von einem Gangmitglied verhört wurden? Wohl die wenigsten. Er hatte keine Ahnung wie spät es inzwischen war, der Raum besaß immerhin keine Fenster und wurde nur spärlich von ein paar wenigen Glühbirnen beleuchtet. Je länger Matt in dem kleinen Kühlraum verbrachte, desto unangenehmer fühlte sich die Kälte an. Dass sein Atem in der Luft kondensierte fiel im inzwischen jedoch gar nicht mehr auf.

Matt wäre beinahe bei der Ankunft Mellos erschrocken, hätte er nicht dessen Schritte direkt vor der Tür seiner Zelle verebben gehört. Nach so kurzer Zeit hatte er den Blonden eigentlich nicht zurück erwartet und im ersten Moment rechnete der Gamer damit, dass er jetzt Besuch von der unfreundlichen Sorte bekommen würde, ehe er den Kopf anhob und den Blick von der Zimmerdecke abwandte. Mit einem deutlich genervt aussehenden Gesichtsausdruck betrat der Blonde den Verhörsaal und wandte sich ohne Umschweife an den Hacker.

„Wir können das ganze hier auch direkt abkürzen und ich schicke dir jemanden, der weit weniger umgänglich ist als ich“, leitete Mello das Gespräch ein und trat näher an den Gamer heran. Matt hielt seinen jetzigen Gesprächspartner schon nicht unbedingt für die beste Gesellschaft und er wollte sich erst gar nicht ausmalen was für den Blonden demnach „weit weniger umgänglich“ bedeutete.
 

Die Nähte des dünnen Baumwollshirts protestierten, als Mello den Gefesselten ruckartig am Kragen packte und den Rothaarigen so einige Zentimeter näher zu sich zog.

„Ich kann es mir zwar leisten, doch ich fände es äußerst schade, wenn ein solch kluger und dazu noch hübscher Kopf nur noch zum Rollen auf dem Fußboden durch das eigene Blut gut wäre“, sagte er und man konnte hören, dass er bei seinen Worten lächelte, was es allerdings kaum freundlicher, sondern lediglich gespenstischer klingen ließ.

„Also, wenn du dein Talent für unsere Zwecke einsetzt, im Klartext, für uns andere Menschen auf ihren Rechnern ausspionierst, werde ich dich zwar vorerst nicht freilassen können, doch ich kann dir zumindest noch etwas Zeit zu sichern. Du wirst Essen erhalten und mehr Freiheiten und wer weiß, vielleicht überlegst du es dir eines Tages und siehst, wie lukrativ und aufregend der Job bei den Black Bloods ist. Und vor allem, wie viel sicher im Vergleich zum Arbeiten alleine."

Einen Moment ließ Mello seine Worte wirken, bis sie im Raum verhallt waren, ehe er den Stoff von Matts Pullover wieder losließ und ihm dabei einen kleinen Stoß zurück versetzte.

„Wenn nicht, werde ich jeden auf diesem gottverlassenen Planeten aufsuchen, der dir etwas bedeutet und ihn oder sie so lange vor deinen Augen quälen, bis du uns verrätst, was du behauptest zu wissen oder bis du den Verstand verlierst. Danach machen wir dann mit dir weiter, obwohl das dann nur noch zum Vergnügen der Folterer wäre“, fuhr Mello fort, während er sich einen Stuhl heranzog und gegenüber von Matt Platz nahm.

„Deine Entscheidung“, sagte er schulterzuckend und überschlug die Beine.

„Was genau versteht sich unter mehr Freiheiten? Von meiner momentanen Situation ausgehend, wäre so ziemlich alles mehr Freiheit.“

Matt wollte vorerst die Rahmenbedingungen abstecken. Zumal „ihm etwas mehr Zeit zusichern“ trotzdem noch sein Ableben beinhaltete. Aber um dieses Problem würde er sich schon noch kümmern, sollte er auf das Angebot des Blonden eingehen. Momentan standen die Chancen dafür sogar erstaunlich gut, immerhin war dies derzeitig sein absolut einziger Lichtblick.

Gerade, als Mello auf die Antwort seines Gegenübers eingehen wollte entdeckte er etwas, dass ihn irritierte. Der gestreifte Sweater des Rothaarigen war nach Mellos liebevoller Behandlung von der rechten Schulter der Hackers gerutscht und entblößte eine weniger gut verheilte Narbe. Mello hatte in den letzten Jahren schon etliche solcher Narben gesehen, weshalb er diese relativ schnell als alte Schussverletzung einstufte.

„Woher stammt die Narbe?“, fragte Mello in Richtung der Schulter von Matt nickend und ignorierte dessen Frage kurzerhand. Soweit es ihm eben möglich war zuckte der Hacker mit den Schultern, ehe er antwortete.

„Von einer extrem blöden Idee.“

Man konnte förmlich sehen, wie es bei Mello wortwörtlich „Klick“ machte und ihm entfuhr ein kurzes, aufrichtiges Lachen.

„Scheiße, Matt“, gab Mello von sich, als er realisierte, dass er seinen ehemaligen besten Freund vor sich sitzen hatte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2016-08-07T11:02:11+00:00 07.08.2016 13:02
Tja Mello hättest woll noch gedacht das da Matt vor dir sitzt oder?
Ich find das Kapitel echt gut.
Wir mich freun wenn's weiter geschrieben würde

Mfg crazy-Shinigami


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