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Extrem blöde Idee

von

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Balaclava

„Ich halte das immer noch für eine extrem blöde Idee.“

„Warum?“, der Blonde klang sichtlich überrascht.

„Weil keiner von uns weiß, wie man eine Tankstelle überfällt.“

„Wir improvisieren eben“, beendete Mello damit das Gespräch und wandte sich erneut der Straßenkarte zu, die im entfalteten Zustand beinahe den gesamten Innenraum des Autos in Anspruch nahm.

Matt kurbelte das Fenster auf der Fahrerseite herunter und schnippte den Rest seiner Zigarette nach draußen auf den Waldweg, während Mello mühsam versuchte die Karte wieder in ihren Ausgangszustand zu versetzen. Der plötzliche Windzug machte die Bemühungen des Blonden die Landkarte wieder ordentlich zusammenzufalten zunichte, sodass er sie wütend zusammenknüllte und unter dem Beifahrersitz verschwinden ließ.

„Willst du mir jetzt eigentlich mal verraten wo das ganze Zeug herkommt?“, fragte Matt mit einem Nicken in Richtung Rückbank. Auf den besagten Ledersitzen im hinteren Teil des Wagens lagen mehrere Schusswaffen verschiedenen Kalibers. Im Gegensatz zu Mello, der laut eigener Aussage über genügend Schießerfahrung verfügte, hatte der Rothaarige außer in Videogames noch nie eine Waffe bedient. Denn Probeschießen auf Bierdosen im Hinterhof schien hier nicht unbedingt zu zählen.

„Ich sagte doch schon, dass das nicht weiter wichtig ist“, entgegnete der Blonde ausweichend, ehe er eine Tafel Schokolade aus dem Handschuhfach kramte und knackend ein Stück der braunen Süßigkeit abbiss.

„Also, wenn du dich nicht noch mal verfährst sind wir in 10 Minuten da“, informierte Mello seinen Komplizen und gab ihm mit einem Nicken zu verstehen, den Wagen zu starten.

„Ich bin nicht schuld, dass wir uns verfahren haben.“

Matts Kommentar ging zwischen dem Aufheulen des Motors unter, ehe der Gamer rasch beschleunigend die Landstraße entlangraste.
 

Es war knapp ein halbes Jahr vergangen, seit die ungleichen Freunde so abrupt aus ihrem damaligen Zuhause, dem Waisenhaus, verschwunden waren und das Geld welches ihnen bis dato zur Verfügung gestanden hatte, konnte sie nur gerade so über Wasser halten. Für dem Gamer war dieser Umstand eigentlich kein allzu großes Problem gewesen, solange Videogames und, seit geraumer Zeit auch, Zigaretten in seiner Reichweite lagen. Dass Mello jedoch über kurz oder lang zu der Erkenntnis gelangen würde, dass sein eigentliches Ziel unter diesen Lebensumständen nicht zu erreichen war, war absehbar. Genauso wie die Tatsache, dass der Blonde eher auf die Idee kommen würde eine Tankstelle zu überfallen, als eine ehrliche Arbeit in Betracht zu ziehen. Nun gut, Matt hätte sich auch gewundert, wenn Mello auf einmal mit einer Aushilfsstelle als Kellner aufwarten könnte. Zumal eine Waffe heutzutage in der Regel leichter aufzutreiben war, als ein Nebenjob.

Als Mello dem Gamer seinen grandiosen Plan zur Geldbeschaffung erläutert hatte hatte Matt im ersten Moment nichts weiter als ein ungläubiges Lachen für den Blonden übrig. Es war eine waghalsige, dämliche Idee, die schon von Beginn an zum Scheitern verdammt war und warum Matt schließlich doch gerade mit dem Blondschopf zu der Tankstelle fuhr war ihm selbst nicht ganz klar.
 

Kurz bevor Matt die letzte Abzweigung zu der Tankstelle nahm, schaltete er mit einem kurzen Knopfdruck die Beleuchtung des Wagens aus, um so gut wie keine Aufmerksamkeit zu erregen. Um zwei Uhr nachts war neben der Beleuchtung der Zapfsäulen und den Lampen im Inneren der Tankstelle keine andere Lichtquelle in der Umgebung vorhanden. Mello hatte bewusst eine Tankstele außerhalb der Stadt gewählt, denn je weiter auf dem Land, desto weniger Menschen, Aufruhr und Polizisten sollte etwas schief laufen. So zumindest die Theorie.

Matt steckte sich erneut eine seiner Zigaretten zwischen die Lippen, während die beiden die Tankstelle beobachteten.

„Also, wie ist der Plan?“, fragte Matt den Blonden, als dieser ihm seine Waffe mitsamt zwei weiteren Wechselmagazinen reichte.

„Tankstelle stürmen, Besitzer bedrohen, Geld mitnehmen und nach Möglichkeit niemanden erschießen“, antwortete Mello und zog sich die schwarze Sturmmaske übers Gesicht bevor er seinem Komplizen das gleiche Modell reichte.
 

Mit einem Knall, viel zu laut für die eigentlich stille Nacht, warf der Gamer die Autotür hinter sich zu, ehe Mello und er die letzten Meter zur Tankstelle zurücklegten. Kurz bevor sie in den Schein der Deckenbeleuchtung traten schnippte Matt den Zigarettenstummel beiseite und zog sich die Sturmmaske übers Gesicht wie es zuvor Mello getan hatte. Mit einem melodischen Klingen kündigte die Automatiktür der Tankstelle die Ankunft der schwer bewaffneten Kundschaft an. Es roch stark nach Benzin, Zigarettenqualm und dem aufdringlichen Apfelduft eines Duftbaums. Es war schnell klar, dass der Aufbau und die Ausrichtung des Mobiliars dem anderen Modell der 24-Stunden Tankstellenkette glich. Die Regale waren parallel zu den gläsernen Schaufenstern aufgestellt und wurden in der Mitte durch einen Gang voneinander getrennt, was vermutlich der Übersichtlichkeit für die Angestellten und potentiellen Kunden dienen sollte. Vor den bodentiefen Fenstern stand lediglich ein kleines Drahtgestell mit einer Auswahl an Tages- und Klatschzeitungen.

Dem noch recht jungen Tankwart entfuhr ein überraschtes Keuchen, als er die maskierten Männer mit gezogenen Waffen vor sich entdeckte und er hob instinktiv die Hände. Es war vermutlich nur von Vorteil für Matt und Mello, dass man aufgrund ihrer Maskerade nicht wirklich erahnen konnte wie alt die beiden waren. Ansonsten hätte der Tankstellenmitarbeiter sicherlich die Chance zur Gegenwehr ergriffen, denn für eine körperliche Auseinandersetzung schien er aufgrund seines durchtrainierten Körpers deutlich besser gewappnet, als die beiden Komplizen.

„Das ist ein Überfall! Pack dein gesamtes Geld in ’ne Tüte und her damit!“, tönte Mellos gedämpfte Stimme durch die Tankstelle. Mit zitternden Fingern öffnete der Tankwart die Registrierkasse und begann nach und nach die Geldscheine bündelweise eine Papiertüte zu werfen.

„Schneller, verdammt!“

„J-Ja“, stotterte der junge Mann. Während Mello den Tankwart nicht aus den Augen ließ streifte Matt durch die Gänge der kleinen Tankstelle, begutachtete die Regale und suchte nebenbei nach Überwachungskameras. Neben den Zigaretten vor deren Regal der Angestellte immer noch Mellos Anweisungen befolgte gab es hier so ziemlich alles was das Autofahrerherz begehrte. Zubehör für die richtige Instandhaltung eines Wagens, Getränke und Snacks, Zeitschriften und Matt entdeckte sogar ein Regal voll mit kitschigen Kuscheltieren. Mit einem lauten Scheppern schloss der junge Tankwart die Registrierkasse wieder und reichte Mello die Tüte mit ihrer Beute. Eilig machte sich Matt auf den Weg zu seinem Komplizen, half ihm dabei den Angestellten mit Kabelbindern und einem behelfsmäßigen Knebel aus einem alten Putztuch ruhig zu stellen. Zusammengekauert saß der junge Mann jetzt hinter der Theke und wartete darauf, dass ihm so schnell wie möglich jemand zu Hilfe eilen würde.

„Fertig, also lass uns abhauen“, sagte Mello und seine Stimme klang durch den schwarzen Stoff, als würde er nuscheln. Gerade als sich die beiden zum Gehen wandten öffnete sich mit einem Ruck die kleine Holztür neben dem Regal mit Spirituosen. Die Flaschen klirrten aneinander und es machte den Anschein, als würden sie im nächsten Moment auf dem Boden zerscheppern wollen.

„Weißt du Dave, es wäre besser für uns alle, wenn du jeden Monat so pünktlich zahlen würdest“, richtete sich ein großgewachsener Afroamerikaner offensichtlich an den Tankstellenbesitzer und knüpfte damit an ein Gespräch an, dessen Anfang Mello und Matt nicht mitbekommen hatten. Der dickliche Tankstellenbesitzer schnappte überrascht nach Luft, als er seinen Angestellten hinter der Theke kauernd entdeckte. Den beiden Männern folgten zwei weitere, welche die Mannschaft offensichtlich komplett machten.

„Scheiße“, ertönte es von dem Blonden, als dieser die Waffenholster der vier Männer entdeckte.

„Scheiße“, stimmte ihm der Gamer zu.

Der kurze Augenblick der Verwunderung den Mello und Matt hätten nutzen können um das Weite zu suchen, war schneller verstrichen, als ihnen lieb war. Während Dave seinem Angestellten zu Hilfe eilte und sich daran machte die Kabelbinder mit denen er gefesselt war aufzuschneiden, zogen die beiden Schergen im Hintergrund ihre Waffen.

„Was ist denn hier los?“, fragte der Größte der Gruppe und klang dabei keineswegs verwundert, so wie man es in einer derartigen Situation erwarten würde.

„Ich bin mir sicher, dass ist eigentlich nur ein enorm großes Missverständnis“, warf Matt beschwichtigend ein und zuckte dabei entschuldigend mit den Schultern.

„Ach ja? Dann klär uns mal auf“, forderte einer der Männer im Hintergrund und vollführte dabei einen Wink mit der Hand welcher vermutlich einladend aussehen sollte jedoch durch die Waffe alles anderes als freundlich wirkte.

„Das mag vielleicht wie ein Überfall aussehen, aber wir sind eigentlich Pazifisten.“

Verwundert hob der Anführer der Truppe die Augenbrauen und stieß ein abwertendes Schnauben aus.

„Scheiß drauf und renn!“, schrie Mello dem Gamer entgegen und warf sich hinter ein Regal zu seiner Linken, um in Deckung zu gehen. Kurz nachdem der Blonde seinen Satz beendet hatte und Matt ebenfalls hinter einer Regalwand Schutz gefunden hatte, hallten die ersten Schüsse durch den kleinen Raum und schlugen in der Wand ein vor der die beiden Komplizen kurz zuvor noch gestanden hatten. Weitere Schüsse folgten, sodass keiner von ihnen auch nur die Chance hatte zum Gegenangriff anzusetzen. Die Geschosse drangen ohne Schwierigkeiten durch die dünnen Holzwände und brachten sämtliche Verpackungen zum Platzen. Matt wagte sich aus seiner Deckung, dem Regal über und über gefüllt mir Kuscheltieren, um zum Gegenangriff anzusetzen. Das Zielen mit einer richtigen Waffe gestaltete sich durchaus schwieriger, als in seinen sämtlichen Videogames und entgegen seiner Hoffnung einen ihrer Angreifer zu erwischen trafen seine Schüsse lediglich die verschiedenen Schnapsflaschen in dem Regal neben der kleinen Holztür. Der Geruch von Hochprozentigem lag schwer in der Luft, als Matt zu dem Regal hechtete hinter dem sich der Blonde verbarrikadiert hatte.

„Ist das jetzt improvisieren?“, fragte der Gamer über den Lärm der nächsten Schüsse hinweg. Kaum hatte Matt seine Frage ausgesprochen kam einer der hünenhaften Männer, um die Ecke des Regals gerannt und feuerte unablässig in Richtung der beiden Kameraden, sodass ihnen gar nichts anderes übrig bliebt als die Flucht nach vorne. Das Glas der Fensterscheiben splitterte, als sich eine der Kugeln der Angreifer in ihre Richtung verirrte. Trotz des Risikos den Anderen somit einen freie Schussbahn zu liefern rappelten sich die beiden auf und sprinteten zu den letzten Resten der noch vorhandenen Fensterscheibe.

Im Gegensatz zu Mello landete der Gamer weit weniger behände auf dem kalten Asphalt der Tankstelle. Die Scherben des Schaufensters bohrten sich in seine Hände, als Matt seinen Sturz anzufangen versuchte. Der Gamer brauchte einige Sekunden länger, als sein blonder Freund um sich aufzurappeln und den Sprint zum Auto zurückzulegen.

Die letzten Schüsse der Gegner verfolgten Matt und Mello auf dem Weg zu ihrem Fluchtwagen. Eine Schmerzenswelle jagte durch den Körper der Gamers, als sich eines der Geschosse in seine Schulter bohrte. Der überraschende Schmerz ließ den Gamer straucheln. Notgedrungen riss er sich zusammen, obwohl sein Körper protestierte, ehe er ebenso wie Mello in der nahenden Dunkelheit verschwand.
 

Langsam aber sicher beruhigte sich die Atmung des ungleichen Teams wieder und Matt bremste den Wagen von „viel zu schnell“ auf nur noch „zu schnell“ ab. Nach und nach wich das Adrenalin aus dem Kreislauf der beiden und machte stattdessen der Erschöpfung Platz. Kaum, dass sie sich in Sicherheit wiegten begann Mello das Geld aus der Papiertüte zu zählen, nur um ernüchternd festzustellen, dass sich die Strapazen für diese Ausbeute offensichtlich nicht gelohnt hatten.

„Wir hätten eine größere Tankstelle überfallen sollen.“

Mit einem entnervten Seufzer ließ der Blondschopf die Tüte auf den Fußboden des Wagens sinken und lehnte sich zurück.

Blut sickerte allmählich durch den Stoff von Matts Pullover, begann die weißen Streifen rot zu färben. Der Innenraum des Autos wurde langsam von dem rostig, metallenen Geruch erfüllt. Kaum, dass der Gamer den Wagen einen Gang runter schaltete schoss der Schmerz aufgrund der Bewegung erneut durch seinen Körper. Matt zog scharf die Luft ein, versuchte sich auf die Straße zu konzentrieren.

„Verdammt Matt, du blutest“, stellte der Blonde erschrocken fest, als der penetrante Geschmack von Blut sich auf ihrer beiden Zungen legte.

„Ich hab dir gesagt, es ist eine extrem blöde Idee.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2016-08-07T10:57:32+00:00 07.08.2016 12:57
Ein spitzen Kapitel


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