„Hnnngh.“
Eigentlich war Sasori alles andere als ein neugieriger Mensch, aber bei den Geräuschen, die Deidara die ganze Zeit von sich gab, konnte er gar nicht anders, als immer wieder vorsichtig zur Seite zu schauen. Dieses Mal erhaschte er einen kurzen Blick auf die schönen Lippen seines Freundes, die sich langsam um dieses Ding legten, ehe er es mit einem genüsslichen Schmatzen wieder entließ, um anschließend wieder von vorne zu beginnen. Für wenige Sekunden beobachtete er dieses Schauspiel, doch gerade als sich sein eigener Mund öffnete, weil er ihn warnen wollte, war es bereits zu spät. Ihm entkam kein einziger Laut, während sich die mit Sauce durchtränkten Nudeln von Deidaras Yakisobabrötchens über dessen Finger und auf dem Schreibtisch verteilten, wo eine schreckliche Sauerei entstand. Sasori hatte dies unlängst kommen sehen, sodass er darüber nur mit seinem Kopf schütteln konnte. „Also wirklich.“, seufzte er leise für sich und beobachtete, wie Deidara seinem Mittagessen hinterher trauerte. Er hatte ihm nicht nur ein Mal gesagt, dass er nicht an seinem Schreibtisch essen sollte. Schon gar nicht, wenn er noch so viele Unterlagen darauf herum liegen hatte, aber der Jüngere wollte ja einfach nicht auf ihn hören. Als er aber sah, dass er mit seinen verschmierten Fingern einige der Ausarbeitungen der Studenten zur Seite schieben wollte, stand er auf, um zu ihm an den Schreibtisch zu treten.
„Deidara, wenn du weiter so unsauber arbeitest, wirst du deine Probezeit nicht überstehen.“, mahnte er, wobei er dessen Handgelenk noch im letzten Moment ergreifen konnte. Immerhin gab es nicht nur Abgabefristen für die Studenten, auch sie mussten sich an einige Vorschriften halten. Aber Sasori wusste nicht, ob es die Dummheit oder die Überheblichkeit seines blonden Freundes war, dass dieser nicht verstand, wieso er hier an diesem Schreibtisch eine gewisse Leistung bringen musste, obwohl es nur um Papierarbeit ging. Rückblickend betrachtet kam es ihm eh wie ein kleines Wunder vor, da Deidara nun hier bei ihm war. Er hatte nie gezweifelt, dass er seine Abschlussprüfung bestehen würde, aber dass er schließlich auch noch die Stelle seiner ehemaligen Arbeitskollegin erhielt, die überraschend in den Mutterschutz entlassen werden musste, war eine freudige Überraschung gewesen. Auch wenn es anstrengend war mit einem Chaoten das Büro zu teilen, wollte er ihn nicht mehr missen, weshalb er sich seine eigenen Sorgen um Deidaras Arbeitsweise machte.
„Ich weiß, un. Das sagst du ständig...“, brummelte dieser derweil etwas schlecht gelaunt.
„Dann ändere etwas an deiner Arbeit.“ Schwach lächelnd schob Sasori einen der Papierstapel auf dem Schreibtisch zur Seite, ehe er die verschmierte Hand näher zu sich zog. „Bitte.“, fügte er etwas leiser an, aber das trotzige Gesichts des anderen verriet ihm, dass dieser nichts ändern wollte oder konnte. War es so schwierig, Ordner zu führen, oder die Unterlagen der Studenten mit Sorgsamkeit und Bedacht zu behandeln? Er wusste ganz genau, dass eine Diskussion über dieses Thema im Grunde zwecklos war.
Leise seufzend hauchte er einen Kuss auf Deidaras Handrücken, in der Hoffnung, damit dessen volle Aufmerksamkeit zu bekommen und wie gedacht richtet sich der Blick des Blonden sofort auf ihn. Mit Verwunderung wurde er angestarrt, woraufhin er breiter lächelte, bevor er seine Zunge über den Zeigefinger gleiten ließ und er spürte schon, wie der andere kurz davor war ihm die Hand wieder zu entreißen. Deshalb umschloss er den Finger schnell mit seinen Lippen. Neben dem Yakisoba schmeckte er noch den eigensinnigen Geschmack von Ketchup heraus, aber es hielt ihn nicht davon ab leicht an dem Zeigefinger zu lutschen.
„Hmm...“, entkam es Deidara erneut, dieses Mal allerdings aus einem anderen Grund als vorher und Sasori kicherte innerlich. Er liebte es nicht nur, wie schnell der Körper seines Freundes auf ihn reagierte, auch dessen Blick war dabei immer wieder etwas ganz Besonderes. Wenn er solch einen Blick nur bei einer seiner Puppen einfangen könnte, dann würde er sich einen wahrhaften Künstler nennen können. In Gedanken versunken begann er an der Fingerspitze zu knabbern, wobei er noch ewig so weitergemacht hätte, wenn es in diesem Moment nicht an ihrer Bürotür klopfte. Während Deidara ein schweres Keuchen entkam, richtete er sich auf, als wäre nie etwas zwischen ihnen geschehen und rief dabei ein kühles „Herein“ in Richtung Tür, die sich etwas zögernd öffnete. Dahinter tauchte ein altbekanntes Gesicht auf.
„Ich... wollte meine Mappe abholen. ...Deidara-sensei.“ Das kleine Gör blieb mit viel Abstand im Türrahmen stehen, wobei es giftig zu dem Blonden funkelte. Seit dem Vorfall im Kunstraum herrschte tatsächlich eine Art Waffenstillstand, wobei es sowohl Hikari, als auch Deidara, sichtlich schwer fiel neutral miteinander umzugehen und nur Sasori selbst konnte der Situation mit einer gewissen Gleichgültigkeit entgegentreten. Er hatte sich nie näher für diese Person interessiert. Solange einige Dinge unausgesprochen blieben und sie ihm nicht unnötig auf die Nerven ging, wollte er zumindest seiner Rolle als Lehrer gerecht werden. Aus diesem Grund nahm er sich den Papierstapel, den er zuvor noch vor dem Yakisobabrot gerettet hatte, um ihn nach Hikaris Unterlagen zu durchsuchen.
„H-hey! Das ist meine Arbeit! Ich wollte das schon noch heute erledigen, un!“, hörte er das Gezicke neben sich und auch als Deidara aufsprang, um zu protestieren, ließ sich Sasori nicht aus der Ruhe bringen.
„Kirameki Hikaru.“, las er schließlich die Zeichen, welche unscheinbar klein auf dem Deckblatt einer säuberlichen Mappe standen. Sofort stoppte das eingeschnappte Brummen. Stattdessen begann der Jüngere zu kichern und Hikari lief rot an.
„J-ja?!“ Sie griff nach ihrem Rocksaum, wobei sie auf die eigenen Füße starrte. Es war ihr sichtlich unangenehm, wohingegen sich Deidara immer noch jedes Mal köstlich amüsierte, wenn man ihn an ihr kleines Geheimnis erinnerte.
„Ich kümmere mich gleich darum. Du kannst sie heute Nachmittag abholen.“
„Was?“, entkam es beiden gleichzeitig. Hikari blickte ihn mit einem strahlenden Gesicht an und seinem Freund entglitten währenddessen alle Gesichtszüge, aber Sasori konnte darüber nur seufzen.
„Du kannst jetzt gehen.“ Mit einer Handbewegung deutete er der Göre an, das Zimmer zu verlassen und nachdem sie sich hastig verbeugt, sowie die Tür wieder hinter sich verschlossen hatte, ging er zu seinem eigenen Schreibtisch zurück, um sich die Mappe zu seinen anderen Unterlagen zu legen. Deidara blieb derweil regungslos hinter seinem Schreibtisch stehen.
„Wieso, un?“
„Wieso nicht?“, antwortete er lediglich knapp. Weil er sich in diesem Moment auf ein Dokument konzentrierte, konnte Sasori den Blick des Blonden zwar nicht erkennen, aber er sah ihn bereits vor seinem inneren Auge. Er musste vo Eifersucht kochen. Nicht, dass er diesen herrlichen Gesichtsausdruck mutwillig provozieren wollte, aber insgeheim freute er sich doch immer wieder, wenn Deidara von seiner Eifersucht übermannt wurde.
„Du hast mir gar nicht erzählt, dass sie dir zugeteilt wurde.“, bemerkte er. Von der anderen Seite des Büros war jedoch nur das dumpfes Plumpsen von Deidara auf dessen Schreibtischstuhl zu hören, sodass er das Blatt Papier langsam wieder sinken ließ. Er sah, wie sein Freund mit einem schmollenden Gesicht nach oben zur Zimmerdecke starrte, die Hände hinter seinem Kopf verschränkt und die Füße auf dem Tisch, wo er die Yakisobasauerei immer noch nicht beseitigt hatte. Es war unglaublich, denn der Jüngere war manchmal wirklich unmöglich.
„Wieso hätte ich das tun sollen, un?!“ Hikari war nach wie vor ein rotes Tuch für den anderen, es war mehr als offensichtlich und was einige Dinge betraf, musste er doch sehr nachtragend sein. Sasori seufzte erneut. Das erinnerte ihn an seine eigene Fehler, weshalb er sich erhob, woraufhin er zurück zu dem benachbarten Schreibtisch ging. Vermutlich war es pures Glück gewesen, dass ihm so einfach verziehen worden war.
„Deidara, ich denke momentan kannst du diese Arbeit nicht objektiv bewerten. Deshalb werde ich es dir abnehmen. Das ist alles.“, versuchte er ihm ruhig zu erklären.
„Und? Die Göre hat doch eh kein Talent, un.“
„Du kannst ihr trotzdem nicht einfach eine schlechte Bewertung geben, ohne es dir angeguckt zu haben.“ Sasori konnte es nicht fassen. Die Art, wie ihn sein Gegenüber anblinzelte, verriet ihm, dass er dessen Plan tatsächlich durchschaut hatte, woraufhin er kurz seine Stirn berührte, um sich zu sammeln. Während sich Hikari so handzahm verhielt, konnte ihn die kindische Art seines Freundes manchmal wirklich nerven und er musste sich innerlichl fragen, wer hier die Göre war. Was hatte er nur an diesem Idioten gefunden, das ihn nicht mehr loslassen wollte? Es war so beschämend, wenn er an die Dinge dachte, die zwischen ihnen geschehen waren.
Als sein Blick zufällig auf den Computer des anderen fiel, erstarrte er allerdings. Auf dem Bildschirm prangte ein Webbrowser, wo verschiedene Interseiten geöffnet waren. Nicht nur, dass Deidara die Arbeit der Studenten mit Füßen trat, er vergnügte sich in seiner Arbeitszeit auch noch mit privaten Dingen und Sasori wollte sich nicht vorstellen was geschah, wenn das zu ihren Vorgesetzten drang.
„Deidara!“ Mit einem eisigen Blick erhob er deshalb seine Stimme, denn so hatte er sich die gemeinsame Arbeit nicht vorgestellt. Auch wenn er sich schon vorher darüber bewusst gewesen war, was für ein Chaot der andere sein konnte. Kurz darauf wurde er aber schon wieder ruhiger. Er wollte einfach nicht, dass Deidara seine Arbeitsstelle wieder aberkannt wurde. „Ich möchte wirklich, dass du deine Probezeit schaffst. Wieso tust du das?“, wollte er aus diesem Grund viel sanfter als zuvor noch von ihm wissen.
Abwartend beobachtete er, wie sich die Haltung seines Freundes lockerte. Er streckte sich leicht, ehe er sich mit seinem Handrücken über die Augen rieb.
„Danna, Kurotsuchi heiratet bald und ich will nicht mit ihrem Mann unter einem Dach wohnen, un. Nur wann soll mir eine eigene Wohnung suchen, wenn ich von oben ständig irgendwelche Scheißaufgaben aufgebrummt bekomme. Ich bin viel länger hier als du und wenn ich nach Hause komme fall' ich nur noch müde ins Bett, un. D-das mit der Göre tut mir ja Leid. Ich kann sie halt nicht ausstehen und ich habe kein Problem damit es ihr auch zu zeigen. Vielleicht war das ja wirklich nicht die beste Idee...“
„Hmm? Du bist jetzt schon überarbeitet?“ Über diese Erklärung verwundert neigte Sasori seinen Kopf zur Seite. Dennoch musste er schwach lächeln, immerhin war es ein schönes Gefühl zu wissen, dass ihm der andere das Herz ausschüttete, obwohl es noch lange nicht dessen Unordnung auf dem Schreibtisch rechtfertigte.
„Überarbeitet? Naja, so ist es nicht. Es ist nur nicht wirklich das, was ich mir vorgestellt habe, un. Ich bin halt nicht wie du und kann mich nicht stillschweigend in eine langweilige Arbeit vertiefen.“
Zumindest war Hikari vergessen und während Deidara leise vor sich hinbrummte, kam Sasori ihm vorsichtig näher, um ihm einen Kuss auf die Wange zu hauchen. Sofort begann der Körper des Blonden zu schaudern. „Hast du nicht gleich noch einen Kurs? Soll ich dir in der Zeit etwas von deiner Arbeit abnehmen?“, schlug er ihm großzügig vor.
„Das meinst du doch nicht ernst, un. Du weißt, dass du dich nicht um die ganzen Arbeiten meiner Studenten kümmern kannst. Ein oder zwei wären ja noch in Ordnung... aber bei mehreren macht die obere Etage doch sicher nicht mit, un...“ Weil die Stimme seines Freundes so enttäuscht klang, konnte er einfach nicht die Finger von ihm lassen. Ganz sanft strich er ihm die langen Haare aus dem Nacken, wo er ebenfalls einen Kuss hinterließ und der andere ließ es mit einem bitterlichen Seufzen geschehen. Es schien, als würde ihm die Motivation für seine Arbeit fehlen, oder er war schlichtweg genervt, da er mehr Zeit mit arbeiten verbrachte, als mit anderen Dingen. Vermutlich aß er auch aus diesem Grund hier an seinem Schreibtisch, um sich die Zeit sparen, die er sonst in der Cafeteria verbringen würde. Für einen Moment musterte Sasori Deidaras Profil. Es gefiel ihm überhaupt nicht ihn so zu sehen, zumal es dieses Mal an so einer Kleinigkeit lag.
„Und wie wäre es, wenn du mit in meine Wohnung ziehen würdest?“
Von einer Sekunden zur nächsten verspannte sich Deidaras Körper, wobei seine Wangen sichtlich rot wurden. „D-danna...“
„Was denn? Es ist mir wirklich ernst.“ Langsam wollte sich der Rotschopf wieder aufrichten, aber auf einmal wurde er festgehalten. Dann schlangen sich die Arme des Jüngeren um seinen Nacken und er wurde zu ihm auf dessen Schoß gezogen, sodass er etwas überrumpelt nach oben blinzelte. Doch kaum sah er das Leuchten in Deidaras hellblauen Augen wurde ihm ganz anders. Er liebte diesen Ausdruck einfach, weshalb er ihn wie gebannt anstarrte.
„Dann wohnen wir zusammen? Ist das... wirklich okay für dich?“, stellte der andere derweil grinsend fest und Sasori konnte über diese langsame Art nur schmunzeln. Auch das mochte er irgendwie an ihm, aber vermutlich war sich Deidara in diesem Moment noch nicht einmal darüber bewusst, was dies bedeutete. Er würde nicht nur für ihn kochen, sondern sie würden auch das Bett miteinander teilen.
„Natürlich. Immerhin liebe ich dich.“, entkam es ihm, ohne es selbst gar nicht zu merken. Stattdessen sah er nur, wie das Gesicht seines Freundes fast schon vor Freude explodierte. Stürmisch ließ er sich von Deidara küssen.
„Ich liebe dich auch.“