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15 Jahre

[Digimon Tamers] One-Shot Sammlung
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Einige Wissen es ja: Ich mag Janyuu sehr gerne. Er ist ein toller Charakter. Was ich allerdings irgendwo sehr interessant und irgendwie auch rührend fand, ist die Familiennähe, die er zeigt. Er scheint sehr Kinderlieb zu sein und seinen Kindern auch sehr nahe zu stehen. Und daher habe ich mir - auch in Hinblick auf die Serie später - ein wenig Gedanken darüber gemacht, was die Geburt eines weiteren Kindes für ihn wohl bedeutet. :) Komplett anzeigen

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1991 - Kinder

Wie immer zur Rushhour war die tokyoter U-Bahn bis zum Zerplatzen gefüllt. Dicht an Dicht standen die Menschen, die meisten mit den Händen an den Halteschlaufen oder -stangen, manche aber gänzlich zwischen anderen Körpern eingequetscht. Viele in Anzügen und Uniformen, manche mit Jacken oder Mänteln bekleidet.

Da es in den letzten Tagen kühler geworden war und sich so eine Erkältungswelle über Tokyo ausbreitete, trugen einige Mundschutz, teilweise um andere nicht anzustecken, teilweise um sich selbst vor fremden Keimen zu schützen.

Janyuu trug eine offene Jacke über seinem Anzug, schützte sich jedoch sonst nicht vor Kälte oder Keimen. Er stand in der Nähe einer Tür und sah ungeduldig auf die Uhr, während der Zug im dunklen Tunnel um eine Biegung fuhr, was die Fahrgäste deutlich spürten. Seine Augenbrauen zogen sich beim Blick auf das Ziffernblatt zusammen, ganz so als wäre seine Armbanduhr daran Schuld, dass er noch nicht dort war, wo er hinwollte.

Natürlich hatte er nicht frei bekommen – nicht einfach so. Ihr Projekt hatte sich schon verzögert (nicht, dass es etwas außergewöhnliches war) und das Jahr neigte sich dem Ende zu, so dass es ohnehin schwer gewesen wäre frei zu bekommen. Darüber hinaus jedoch betrachtete in seiner Firma man die Geburt eines Kindes nicht als Grund, warum ein Mann frei nehmen sollte – schon gar nicht, wenn es das dritte Kind war.

Immerhin lebten sie in einem Land, wo viele Familien nur ein, maximal zwei Kinder hatten. Familien mit drei Kindern waren selten – gerade hier in Tokyo, wo Platz rar war und entsprechend kostete, wurde er von einigen mit etwas, das an Mitleid erinnerte, angesehen, wenn er ihnen von der Geburt seines dritten Kindes erzählte.

Janyuu selbst konnte dies nicht verstehen. Er war froh, dass hier in Japan eine Familie mehrere Kinder bekommen durfte, wenn sie nur wollte. Es war nicht, wie in seiner Heimat, wo die Geburten kontrolliert wurden und Familien mit mehr als einem Kind strafen zahlen mussten.

Doch nun war er bereits seit zwanzig Minuten auf dem Weg zum Krankenhaus. Nicht nur, dass er zu allem Überfluss noch hatte warten müssen, bis sein Vorgesetzter eine Zwischenbilanz der neuen Software abgesegnet hatte, er hatte auch mehrere U-Bahnen abwarten müssen, bis er eine erwischt hatte, die Platz für ihn hatte. Und da Mayuri in einem außerhalb von Zentraltokyo gelegenem Krankenhaus das Kind zur Welt brachte, zog sich seine Reise unangenehm in die Länge.

So sah er schon wieder auf die Uhr und stieß ein leises, ungeduldiges Stöhnen aus, das den Zug jedoch natürlich nicht beschleunigte.

Janyuu mochte Kinder. Schon als Jugendlicher hatte er Kinder gemocht und gehofft später selbst welche haben zu können.

Vielleicht war dies unterbewusst – neben seinem Drang zum Abenteuer – einer der Gründe gewesen, warum er Hongkong verlassen und im Ausland zu studieren begonnen hatte, obwohl dies bedeutet hatte, Familie und Freunde zurücklassen zu müssen.

Doch er hatte es bis heute nicht bereut. Nicht das Studium im Ausland, noch die Tatsache, dass er eine Japanerin geheiratet hatte, deren Familie (vor allem deren Vater) ihm gegenüber zuerst sehr misstrauisch eingestellt war.

Endlich blieb die mittlerweile nicht mehr ganz so volle Bahn an einer nun oberirdischen Haltestelle in Edogawa stehen, wo Janyuu zügig zusammen mit einigen anderen ausstieg.

Er beherrschte sich, nicht zu rennen, da dergleichen an Bahnsteigen ungern gesehen war, doch ging er zumindest zügigen Schrittes zum Ausgang der Station, die direkt zwischen Stadtpark und Krankenhaus gelegen war.

Seine Schritte wurden immer hastiger, nachdem er die Straße überquert hatte und schließlich auf den Eingang des Krankenhauses zulief, wo sich die Glastür automatisch öffnete.

Erst drinnen verlangsamte er seinen Gang wieder und ging auf eine der Rezeptionistinnen zu, die gerade frei war.

„Guten Tag, entschuldigen Sie bitte“, begann er förmlich, da er mittlerweile sehr wohl wusste, wie viel Wert man hier auf Förmlichkeit legte.

Die Dame sah auf. „Ja, bitte?“

„Meine Frau, Lee Mayuri, sollte gerade im Kreissaal sein“, erklärte er der jungen Frau. „Könnten Sie bitte fragen, ob ich zu ihr kann?“

„Natürlich, warten Sie doch bitte einen Moment“, erwiderte die Rezeptionistin förmlich, hob einen Telefonhörer und wählte eine kurze – fraglos Hausinterne – Nummer. Nachdem offenbar jemand abgehoben hatte, wechselte sie einige kurze Worte mit demjenigen am anderen Ende der Leitung, ehe sie auflegte. „Ihre Frau befindet sich bereits wieder auf der Station. Sie können zu ihr gehen.“

„Vielen Dank.“ Janyuu seufzte. Er hatte also die Geburt seines dritten Kindes verpasst. Gut, zugegebener Maßen hatte er es beinahe erwartet.

So stieg er nun also in den Aufzug, um zur Geburtstation zu gelangen. Dabei kam er nicht umher, da er allein in der Aufzuggondel war, etwas nervös sein Gewicht von ein Bein auf das andere zu verlagern.

Als der Aufzug schließlich hielt, ging er schnellen Schrittes zur Station, wo eine der Schwestern, die auch dort gewesen war, als er Mayuri vor zwei Tagen hergebracht hatte, ihn erkannte.

„Ihre Frau ist seit einer Viertelstunde wieder auf Station“, meinte sie und lächelte ihn an. „Es ist alles ganz problemlos gelaufen. Herzlichen Glückwunsch.“

„Vielen Dank“, erwiderte er. „Kann ich Mayuri sehen?“

Die Schwester nickte. „Natürlich.“ Durch eine Geste bot sie an, ihn auf das Zimmer zu führen, doch da er bereits dabei gewesen war, als Mayuri eingecheckt hatte, war das kaum nötig.

Mit klopfendem Herzen ging er das letzte Stück zur Tür des Zimmers, in dem seine Frau war. Als er die Hand nach der Klinke ausstreckte, hörte er das Schreien eines Babys.

Er öffnete die Tür.

Dort saß seine Frau, ganz offensichtlich vollkommen ermüdet, auf dem Bett und wiegte das Baby in den Armen, das – obwohl es sicherlich ebenfalls von der Geburt geschafft war – offenbar weit davon entfernt war zu schlafen, wie normal beinahe alle Kinder taten.

Mayuri bemerkte Janyuu und hob den Kopf, um ihn müde anzulächeln. „Es sieht so aus, als hätten wir einen kleinen Schreihals“, meinte sie scherzhaft, wobei ihre Stimme jedoch sehr matt klang.

„Es tut mir so leid, dass ich nicht da sein konnte“, brach es aus Janyuu heraus.

Seine Frau schüttelte nur den Kopf. „Mach dir keine Gedanken.“ Sie gähnte. „Es ist alles ganz Problemlos gegangen. Der Kleine konnte es offenbar kaum erwarten, auf die Welt zu kommen.“

Janyuu lächelte. Er ging auf das Bett, das nahe am Fenster stand, zu und reckte den Kopf, um zwischen den Tüchern den Kopf des Neugeborenen zu sehen.

Mayuri bemerkte das. Sie verlagerte ihr Gewicht ein wenig und hielt ihm dann vorsichtig das Baby entgegen, das er nicht minder vorsichtig entgegen nahm.

Noch immer schrie das Kind, während Janyuu sich setzte und es an seine Brust zog, doch seine Schreie klangen kraftvoll und gesund.

„Na, du“, flüsterte Janyuu mit verträumten Lächeln auf dem Gesicht. „Du hättest ruhig auf deinen Vater warten können.“

Auf einmal, wie es bei Babys so war, hörte das Kind auf zu Schreien.

Mayuri gab ein müdes Lachen von sich. „Na wunderbar, er mag dich jetzt schon mehr.“

„Ich glaube, er hat nur zu müde zum Schreien“, antwortete Janyuu und wiegte das Kind seicht hin und her, wobei sich dessen Züge entspannten. Er sah in das Gesicht des Babys, das ganz offenbar nun langsam in den Schlaf hinüberglitt. „Jenrya“, flüsterte er dann den Namen des Kindes und sah seine Frau selig lächelnd an.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Caliburn
2014-01-23T19:14:16+00:00 23.01.2014 20:14
Ich liebe dieses Kapitel! Es war nicht nur rein informativ wertvoll (wie China und Japan zu den Kindern/Geburten stehen), nein, es hatte auch soviel Herz gehabt. *schmacht*
Du weißt es ja, auch ich mag Janyuu sehr gerne. Von daher war der Erfolg dieses Kapitels bei mir wohl vorprogrammiert.
Habe ich eigentlich schon gesagt, dass ich das Kapitel liebe? <3
Antwort von:  Alaiya
24.01.2014 10:44
Ja, ich wusste, dass dir die Geschichte gefallen würde :3 Bzw. habe sie mit dem Gedanken an dich auch geschrieben. :P
Von:  Rozarindo
2013-12-23T21:08:13+00:00 23.12.2013 22:08
Die Rechtschreibung und der Ausdruck sind mal wieder sehr gut^^ Im letzten Absatz ist mir ein kleiner Fehler aufgefallen:
„Ich glaube, er hat nur zu müde zum Schreien“, antwortete Janyuu und wiegte
das Kind...; sollte denke ich eher heißen: "Ich glaube, er ist nur zu müde..."

Ansonsten gefällt mir auch dieses Kapitel. Es beschreibt an sich nichts besonderes - nur einen Mann, der auf dem Weg von der Arbeit zu seiner Frau ist, welche ein Kind geboren hat. Vielleicht ist es genau das, was mir gefällt :) Es ist keine außergewöhnliche Situation, aber seine Gedankengänge und die Umwelt hast du toll beschrieben. :D Ich konnte gut mit ihm mit fühlen - wir alle wissen ja wie das ist: Man möchte dringend irgendwo hin und der Weg dorthin kommt einem (meist durch die öffentlichen Verkehrsmittel) unendlich lang vor |D. Was mir ebenfalls gefallen hat, ist, dass du auch auf Kleinigkeiten geachtet hast, z.B. dass viele/einige Leute in Japan einen Mundschutz zur Grippezeit tragen


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