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Daylight against twilight

von

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Naomi

III.

Naomi
 

I rise like a phoenix from the ashes

Feel like just born

I’m back and somebody needs me

Standing at the beginning

Looking straight on

I just live my life

Turn my sun on my own

And when I fall down just stand up again

No fear to lose myself again

I rise like a phoenix from the ashes
 

Es war die Stimme von Watari, die das Mädchen weckte. Sie befand sich noch tief in einem undurchdringlichen und traumlosen Schlaf, der sie mit jeder Sekunde erholte, die sie in ihm zubrachte. Umso ärgerlicher war es, als sie auf einmal die Stimme hörte und davon aufwachte. Aber ihre Augen behielt sie geschlossen.

„Miss Cherry.“ Watari war vollkommen ruhig und höflich, vermutlich hatte er sogar angeklopft, bevor er ihr Zimmer betreten hatte. Dennoch war Cherry genervt. Warum störte man sie und ließ sie nicht einfach weiterschlafen? Grummelnd wälzte sie sich auf die andere Seite. Dabei zog sie ihre gemütliche, weiche Bettdecke bis über ihren Kopf. Das Einzige, was Watari jetzt noch sehen konnte, waren ihre lockigen Haare. Der Rest wurde von der himmelblauen Decke vollständig verdeckt.

Der grauhaarige Mann trat ein. Sein Blick schweifte durch den Raum. Auf dem Boden lagen die Kleidungstücke des Mädchens verstreut, kreuz und quer durch den Raum geworfen. Darunter befanden sich nicht nur die, die sie am Tag zuvor getragen hatte; einige Stücke waren scheinbar aus der Reisetasche entnommen worden und einfach, nachdem man sie nicht gebraucht hatte, liegengelassen worden. Zwischen T-Shirts, Röcken und Kleidern lagen zudem drei Paar Schuhe, einige Schals und Handschuhe in auffälligen Farben, sowie Ketten und Ohrringe. Watari seufzte lautlos. Dann begann er damit, sich zum Bett voranzubewegen.

Cherry schlief, der kleine Zwischenfall schien sie nicht sonderlich beeindruckt zu haben. Ihr Atem ging ruhig und gleichmäßig, während sie auf der Seite lag und die Knie bis zur Brust angezogen hatte. Watari musterte sie. Ein kleines Lächeln spielte um seine Lippen, als der alte Mann sie betrachtete.

Vorsichtig zog er die Decke herunter, bis zu ihrem Hals. Dann stopfte er sie sorgfältig um das Mädchen herum. Er beschloss, sie noch eine Weile schlafen zulassen, denn scheinbar hatte sie davon in den letzten Tagen nur allzu wenig erhalten. Da war es nur recht und billig, es ihr zu gewähren. Der junge Herr würde ihre Hilfe ohnehin nicht allzu häufig benötigen oder annehmen.

Watari verließ das Zimmer, wobei er die Tür leise hinter sich zu zog.

„Watari!“ Ryuzaki rief nach ihm. Watari vergewisserte sich ein letztes Mal, dass die Schlafzimmertür vollständig geschlossen war; erst dann ging er zu dem jungen Detektiv.
 

Helles Licht flutete ins zuvor so sorgfältig abgedunkelte Zimmer. Bevor Cherry noch irgendetwas tun oder sich nur wundern konnte über die Helligkeit, wurde ihr die Bettdecke entrissen. Sie spürte den kühlen Windzug, scheinbar war das Fenster geöffnet worden. Sie begann zu zittern.

Sie war immer noch müde, aber vor allem wütend. Gerade hatte sie vollkommen erholsam geschlafen und nichts Böses geahnt, in der nächsten Sekunde wurde sie brutal aus dem Schlaf gerissen. Und Cherry war sich sicher, dass derjenige, der das zu verschulden hatte, eine weite Reise machen würde. Wütend richtete sie sich auf, bereit, eine Schimpftirade loszulassen.

Da sah sie L. Er stand direkt vor ihrem Einzelbett mit dem weißen Laken, und hielt ihre Bettdecke in der Hand. Besser gesagt, in den Fingerspitzen – es schien beinah so, als ekle ihn das Stück Stoff an und er wollte es nur so weit berühren als nötig. Seine Miene war ausdruckslos wie immer, und er trug genau dieselben Kleidungsstücke wie am Tag zuvor. Weißes Sweatshirt, eine viel zu große dunkelblaue Jeans und keine Socken oder Schuhe. Die Haare waren verwuschelt, als wäre er gerade eben erst aufgestanden. Aber seine Augenringe ließen diesen Gedanken schnell wieder in der Versenkung versinken.

Cherry starrte ihn an, unfähig, etwas zu sagen. Sie war immer noch im Halbschlaf und kaum in der Lage, irgendeinen vernünftigen Gedanken zu fassen. L schien scheinbar auch nicht vorzuhaben, ihr etwas zu sagen, denn er starrte sie einfach nur an. Seine Augen glitten über ihr Gesicht und dann tiefer, über ihren Körper. Seine riesigen Pandaaugen weiteten sich leicht. Verwundert runzelte Cherry die Stirn und sah erst jetzt an sich herunter.

Und schrie.

„Du Perverser! Du ekliger Spanner! Gib mir sofort die Decke!“

Mit einem Hechtsprung war sie am Ende des Bettes, riss dem verdutzten L die Bettdecke aus der Hand und hielt sie schützend vor ihren Körper. Am Abend zuvor hatte sie sich, nur mit Unterwäsche bekleidet, ins Bett gelegt. In Anbetracht dessen, dass sie keinen Schlafanzug oder ein Nachthemd im Gepäck hatte, war dies die beste Entscheidung gewesen. Scheinbar. Heute rächte sich dieser Gedanke.

Wütend blitzte sie den jungen Mann an. „Was, glaubst du, tust du in meinem Schlafzimmer?“ Sie kochte regelrecht, am liebsten hätte sie ihm etwas an den Kopf geworfen.

L blickte sie gleichgültig an und schien zu überlegen, ob er ihr eine Antwort geben sollte. Scheinbar schien er es in Betracht zuziehen, denn er meinte: „Watari hatte versucht, dich vor zwei Stunden zu wecken. Nun bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es Zeit wird, dass du aufstehst.“

„Und das hast du einfach so beschlossen? Ohne dir vielleicht vorher mal zu überlegen, dass man niemals, und zwar wirklich niemals, unaufgefordert in das Schlafzimmer einer Frau rein platzt? Verdammt, was bist du für ein Perversling?!“

Cherry war wirklich ausgesprochen angepisst, was sie den Detektiv auch spüren ließ. Den schien es aber kaltzulassen, was diese von ihm hielt. Er begann, an seinem Daumen zu nagen. Cherry verdrehte die Augen und erst jetzt entdeckte sie Watari. Der alte Mann stand ebenfalls in ihrem Zimmer und sammelte gerade ihre Kleidung vom Fußboden auf. Diese hatte das Mädchen am Abend zuvor aus ihrer Tasche geräumt, aber da sie bald keine Lust mehr hatte, sie ordentlich in den Schrank zu räumen, hatte sie sie liegenlassen und das Aufräumen auf den nächsten Tag verschoben. Nun lagen sie immer noch auf dem dunkelblauen Teppichboden, der sich so angenehm weich und flauschig unter ihren nackten Füßen anfühlte. Ebenso wie ihr Schmuck, ihre Accessoires, ihre Kosmetikartikel und ihre Schuhe.

Verblüfft beobachtete das Mädchen, wie Watari ihre Sachen auflas, sie einmal kurz ausschüttelte, ordentlich faltete und dann auf den weißen Ohrensessel legte. Ihre Schuhe stapelte er vor ihrem Bett säuberlich auf. Tatsächlich brauchte sie einige Minuten, bis sie begriff, dass er ihre Sachen wegräumte und Ordnung schaffte. Als ihr Blick zu dem kleinen Beistelltischen mit der Glasoberfläche glitt, sah sie die Fläschchen und Döschen, die dort in Reih und Glied standen, nur darauf wartend, dass sie ins Badezimmer geräumt wurden.

„Watari, dass müssen Sie nicht machen! Ich werde selbst aufräumen – sobald ich mich angezogen und diesen Panda aus meinem Zimmer geschafft habe“, fügte sie hinzu, mit einem kurzen Seitenblick zu L hin. Der knabberte weiterhin an seinem Nagel, beobachtete die Situation jedoch aufmerksam.

Watari richtete sich auf, in der Hand eines ihrer Lieblingskleider. Es war ein Sommerkleid mit sehr dünnem, flatterhaften Stoff, welches von schmalen Spagettiträgern gehalten wurde. Die Farben waren ein Schneeweiß, mit schwarzen Blumenmotiven und Ranken, direkt unter der Brust wurde es mit einem breiten Gürtel in Pechschwarz gehalten. Der Mann hielt es mit beiden Händen hoch und betrachtete es lange. Dann reichte er es Cherry, die es verblüfft annahm. „Ähm, danke schön, Watari“, stammelte sie.

Watari verbeugte sich kurz, bevor er sich wieder dem Chaos zu wandte. „Ein sehr schönes Kleid, Miss. Es zeugt von einem hervorragenden Geschmack in Sachen Stil und Design. Nichts anderes hätte ich von Ihnen erwartet.“

Dieses Kompliment kam mehr als überraschend für die blonde Sängerin. Weshalb sie nicht so recht wusste, wie sie nun reagieren sollte. „Danke?“, versuchte sie es schließlich und erntete ein beiläufiges Nicken von dem alten Mann. Cherry beschloss, ihren anfänglichen Satz erneut zu wiederholen. „Watari, Sie müssen wirklich nicht aufräumen. Schließlich ist das nicht Ihre Aufgabe...“

„Nun, Miss, aber die Ihre ist es noch viel weniger. Zudem habe ich momentan sehr viel Zeit, da Ryuzaki meine Dienste kaum in Anspruch nimmt.“

„Aber trotzdem... Ich meine... Bestimmt hat das Hotel einen Zimmerservice, den ich damit beauftragen kann, dieses...“, sie suchte nach dem richtigen Wort, das nicht allzu schlimm klang. „... dieses Tohuwabohu zu beseitigen. Dafür werden Sie nicht bezahlt.“

Watari lächelte, wobei sich seine unzähligen Falten zeigten. Doch es war L, der ihr antwortete.

„Wir nehmen den Zimmerservice nie an, weder in diesem Hotel, noch in einem anderen. Deshalb wirst du Wataris Hilfe entweder annehmen oder ausschlagen. Wobei ich dir zu Ersterem rate. Dieses Chaos wirst du allein nicht in den Griff bekommen, zumal man ja sieht, was ansonsten dabei herauskommt.“ Und damit wandte er sich ab, um das Zimmer zu verlassen. Cherry starrte ihm zornig hinterher. Sie hasste seine spitzen Seitenhiebe, die er scheinbar mit Freuden an sie verteilte, beiläufig, als handle es sich dabei um nichtssagende Bemerkungen. Ja, der Detektiv wurde ihr zunehmend unsympathischer.

Vielleicht sollte sie überlegen, wie sie ihm am unauffälligsten und dennoch schmerzvoll loswurde. Ihr fielen sehr viele Methoden ein. Ertränken, vierteilen, ersticken, erdolchen, erwürgen, erschießen, verbrennen, mit Säure verätzen, vergiften, nach langer Folter verbluten lassen oder...

„Miss Cherry?“, Wataris freundliche Stimme riss sie aus ihren Mordgedanken. Sie riss sich von ihren dunklen Gedanken los. Erst einmal.

„Ja?“

„Ich habe ihr Badezimmer aufgeräumt und ihre Utensilien dort untergebracht. Was möchten Sie zu dem Kleid tragen? Schmuck, Schuhe, Schal, Handschuhe?“

„Watari, hatte ich Ihnen nicht gerade erst gesagt, dass Sie das Aufräumen ruhig mir überlassen können?“ Watari lächelte und Cherry beließ es bei einem Seufzen. Scheinbar brachte alles gute Zureden nichts, um ihn von seinem Vorhaben abzuhalten. Es sollte ihr gleichgültig sein, schließlich musste sie sich so nicht mit dem Ordnung-halten ab ärgern.

Sie schwang ihre Beine aus dem Bett und stand auf, sorgsam darauf bedacht, die Decke vor ihrem Körper zuhalten. Mit leicht schief gelegtem Kopf musterte sie die Schuhe. Watari hatte sie ordentlich und in einer Reihe vor ihrem Bett aufgebaut. Nach einer gründlichen Musterung wollte sie nach den weißen Ballerinas greifen, doch noch bevor sie sich bücken konnte, hatte Watari sie ihr schon in die Hand gedrückt. Sie lächelte ihm dankend zu.

Im Bad hatte Watari tatsächlich alle Kosmetikartikel eingeräumt, inklusive Mascara und Gesichtscreme. Cherry schlüpfte aus der Unterwäsche und stellte sich für zehn Minuten unter die Dusche. Danach fühlte sie sich erfrischt und vor allem wach. Nun konnte sie dem Detektiv gegenübertreten, ohne die Befürchtung zu haben, wie nach einer durchzechten Nacht auszusehen.

Sie trug nur das nötigste Make-up auf, schlüpfte in ihre Schuhe und dann in das Kleid. Zärtlich fuhr sie über den samtweichen Stoff, der sich so ungemein angenehm tragen ließ. Das Kleid weckte viele Erinnerungen an ihre Mutter, denn sie hatte es für ihre Tochter ausgesucht. Cherry trug es immer, wenn sie keine andere Möglichkeit hatte, näher bei ihrer Mutter zu sein. Beispielsweise, wenn sie im Ausland einen Auftritt hatte, ein Fotoshooting oder eine Aufnahme.

Oder wenn ihre Mutter tot war.

Eigentlich hatte Cherry geglaubt, dass es heute besser zu ertragen sein würde. Nun wusste sie, dass ihre Mutter sie nicht freiwillig verlassen und sie nicht im Stich gelassen hatte. Es war nicht ihre Schuld. Es war allein die Schuld von KIRA, dem Massenmörder. Dennoch war da weder Wut noch Ehrgeiz. Das Einzige, was Cherry spürte, war tiefe Trauer. Sie überflutete sie regelrecht, zwang sie in die Knie und zeigte ihr, dass sie nicht einfach über Nacht verschwunden war, wie Cherry es insgeheim gehofft hatte. Stattdessen erschien sie dem Mädchen nun nur noch stärker und intensiver.

Cherry spürte, wie die Tränen über ihre Wangen liefen. Ärgerlich schniefte sie und wischte sie weg. Sie durfte nicht weinen. Nicht jetzt, und nicht hier. Sie musste L beweisen, dass sie es wert war, mit ihm zu arbeiten und durfte nicht bei jeder verdammten Kleinigkeit losheulen. Er war so schon unfreundlich genug zu ihr. Da durfte sie ihm nicht noch Berechtigung für weitere Unfreundlichkeiten liefern, wie das Weinen und Trauern.

Cherry blickte in den Spiegel. Das Mädchen im Spiegel hatte grüne Augen und lockige, blonde Haare. Sie lächelte nicht, sondern war blass und müde, trotz des vielen Schlafes. Vorsichtig versuchte sie, ein Lächeln auf ihre Lippen zu bringen. Es fiel recht ungläubig aus. Cherry seufzte. Dann musste sie eben das mürrische Mädchen spielen.

Was ihr in der Gesellschaft von L vermutlich nicht sonderlich schwerfallen würde.
 

Als Cherry das Wohnzimmer betrat, war sie überrascht. Sie hatte damit gerechnet, L und eventuell noch Watari anzutreffen. Aber in den vielen Sitzmöglichkeiten saßen fünf Männer unterschiedlicher Altersgruppen, alle in Anzügen mit Krawatten.

Verwundert verharrte Cherry auf der Schwelle, unfähig, sich zu rühren. Erst, als L sie zu sich rief, bewegte sie sich. „Cherry. Komm her, ich möchte dir die Ermittler der japanischen Sondereinheit vorstellen.“

Cherry schluckte, doch brav folgte sie der Anweisung von L. Den sie eigentlich gar nicht mehr so nennen durfte, aber sie tat es trotzdem. Als letzten Akt der Rebellion. Sie betrat den Raum, zögerte jedoch, weil sie nicht wusste, wie sie sich verhalten sollte. Doch L, beziehungsweise Ryuzaki, half ihr.

„Cherry, dies hier ist Soichiro Yagami, der Leiter der Sondereinheit.“ Der Mann, der nun von seinem Sessel aufstand, war älter, Cherry schätzte ihn auf Anfang Fünfzig. Er trug eine Brille, hinter der sich kluge Augen spiegelten und seine schwarzen Haare wurden von einigen grauen Strähnen durchbrochen. Er reichte ihr freundlich die Hand, während er sie auf Japanisch begrüßte. Cherry murmelte ebenfalls eine Begrüßung, jedoch keinesfalls in perfektem Japanisch. Es klang eher wie sinnloses Gelaber.

„Dieser Mann hier ist Shuichi Aizawa.“ Der Mann mit dem schwarzen Afrolook erhob sich ebenfalls, um ihr die Hand zu geben. Jedoch verzichtete er auf eine Begrüßung, was der Blondine nur Recht war. Ihr Japanisch war einfach zu schlecht.

„Kanzo Mogi, ebenfalls Teil der Sondereinheit.“ Der Mann in den mittleren Jahren wirkte sehr ernst und streng, sein Händedruck war fest. Instinktiv hoffte Cherry, dass er ihre schwitzenden Hände nicht bemerkte oder einfach ignorierte.

Der nächste Mann, der sie begrüßte, war ein gutes Stück kleiner als Cherry, und seine Ohren standen waghalsig vom Kopf ab. Doch sein Lächeln war offen und freundlich. Sie erwiderte es. Ryuzaki gab dem sympathischen Kerl einen Namen. „Hirokazu Ukita.“

Der Letzte der Männer war jung, blutjung, wie Cherry erstaunt feststellte. Er trug seine glatten, schwarzen Haare brav und gekämmt, aber dennoch modisch geschnitten. Sein Anzug saß tadellos, und dennoch entdeckte Cherry bei näherem Betrachten, dass seine Krawatte ein wenig schief gebunden war. Es machte ihn verwegen. Seine dunklen Augen leuchteten regelrecht auf, als sie ihm die Hand gab. Er begrüßte sie fröhlich, doch gerade, als Cherry dachte, sie hätte alles überstanden, plapperte er auf sie ein.

Cherry starrte ihn an. Sie verstand kein einziges Wort von dem, was der Mann zu ihr sagte. Verzweifelt versuchte sie, wenigstens bekannte Wörter irgendwie in Zusammenhang zu bringen, aber sie scheiterte kläglich. Jetzt war der Kerl verstummt. Aufmerksam musterte er sie und wartete scheinbar auf eine Antwort.

„Ähhhh...“, Cherry wusste nicht, wie sie sich nun verhalten sollte. Sie konnte natürlich das Japanisch ignorieren und in Englisch sprechen. Aber erstens war das mehr als unhöflich und zweitens wusste sie nicht, ob die Männer Englisch verstanden. Oder überhaupt sprachen. Verzweifelt blickte sie zu Ryuzaki.

Der übersetzte. „Matsuda hat gefragt, ob du jetzt ebenfalls bei den Ermittlungen hilfst.“ Als er Cherrys verwirrten Blick bemerkte, fügte er hinzu: „Tota Matsuda. Der Mann, der dich gerade angesprochen hat.“

„Entschuldige, aber du weißt doch, dass ich kein Japanisch verstehe! Oder überhaupt spreche.“

„Dann sag es ihnen.“ Für den Detektiv war die Sache damit erledigt, für Cherry hingegen nicht. Etwas widerwillig sah sie ihn an, der nur die Augenbrauen hob. Sie seufzte und gab sich geschlagen. Wenn man sie als unhöflich bezeichnen würde, war dieser Detektiv Schuld.

Cherry schenkte Matsuda ein entschuldigendes Lächeln. „Entschuldigen Sie, meine Herren, aber ich spreche leider kein Japanisch, noch verstehe ich es. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich die Unterhaltung gern auf Englisch weiterführen.“

Einer der Männer, es war Aizawa, lachte. Scheinbar war das peinlich berührte Gesicht des Mädchens einfach nur zum Lachen. Cherry bemühte sich, nicht allzu beleidigt auszusehen.

Matsuda lächelte. „Sie kommen mir bekannt vor, Miss.“

„Das ist durchaus möglich.“ Ryuzaki ließ Zuckerwürfel in seinen Kaffee fallen. „Miss Cherry ist in den Staaten recht bekannt und erfreut sich einiger Berühmtheit. Sie wird uns, aber zum Hauptteil mich im KIRA-Fall unterstützen.“

Besser hätte er die Bombe nicht platzen lassen können.

Während Cherry einfach nur hilflos im Raum stand, zog Matsuda scharf die Luft ein. Über sein Gesicht huschte Erkenntnis und seine Augen weiteten sich. Die anderen Ermittler sahen ihn einfach nur verwundert an. Matsuda deutete mit dem Zeigefinger auf das Mädchen.

„Sie sind Cherry!“, seine Stimme zitterte regelrecht vor lauter Ehrfurcht. „Sie sind die berühmteste Sängerin der USA! Mit vier Top-Ten Alben, und insgesamt zehn Singles, die innerhalb weniger Tage Platz Eins in den USA erreichten! Mein Gott, Sie hier! Das ist unglaublich!“ Matsuda kriegte sich gar nicht mehr ein. Immer mehr Informationen spuckte er aus und konnte seine Begeisterung gar nicht bremsen. Cherry hingegen war es einfach nur peinlich. Normalerweise interessierte sie sich nicht für solche Fans. Sie waren stets in ihrem Leben, reisten ihr hinterher und schickten ihr massenweise Liebesbriefe, aber nie hatte sie sie persönlich getroffen. Sie kannte den allgemeinen Hype um ihre Persönlichkeit, um ihre Musik und auch um ihr Privatleben, schließlich lebte sie nun seit vier Jahren damit. Mittlerweile hatte sie gelernt, ihren Beruf anzunehmen, mit allen Höhen und Tiefen.

Warum also war ihr das Ganze jetzt peinlich?

Cherry zog unwillkürlich die Schultern hoch, als sie die Blicke spürte. Es war ihr unangenehm, so gemustert zu werden. Sie hätte Ryuzaki davon abhalten sollen.

Ryuzaki.

Woher wusste er, wer sie war? Gestern Abend hatte sie nichts, aber auch nichts von ihrem Beruf erzählt oder ihn auch nur erwähnt. Sie zweifelte sogar, ihm ihren Namen genannt zu haben. Denn das tat sie nicht, nicht bei Fremden. Nicht in dieser Situation.

Woher also kannte er ihre Identität?

Doch noch bevor sie ihn dazu befragen konnte, unterbrach Yagami Matsudas begeisterte Ausführungen. „Schluss jetzt, Matsuda. Wir sind schließlich nicht hier, um einen Fanclub für Miss Cherry ins Leben zu rufen.“

Matsuda schloss ruckartig seinen Mund, während Ukita leise lachte. Er verstummte jedoch ebenfalls, als der Leiter der Sondereinheit ihm einen scharfen Blick zuwarf. Dann wandte er sich Ryuzaki zu, der, vollkommen unbeeindruckt von dem Trubel, in seiner Kaffeetasse rührte. „Ryuzaki, wir haben etwas Neues im Fall der FBI-Agenten herausgefunden.“ Cherry, die sich gerade auf der Couch neben Aizawa fallen gelassen hatte, horchte auf. Man sprach von den Agenten. Zu denen auch ihre Mutter zählte. Gezählt hatte.

Der junge Mann gab keine Antwort, also sprach Yagami weiter. „Wir haben die Verlobte von einem der zwölf Agenten ausgemacht, Raye Penber. Ihr Name lautete Naomi Misora. Sie lebte hier in Japan, und gehörte früher ebenfalls zum FBI, war eine der Besten.“

Yagami sprach einige Einzelheiten an, während Watari den Laptop auf den Tisch vor Ryuzaki stellte. Darauf erschien das Bild einer hübschen Frau mit langen glatten, pechschwarzen Haaren. Ihre dunklen Augen wirkten klug und aufgeschlossen, sie sprühten selbst auf diesem unbeweglichen Foto vor lauter Tatendrang. Sie trug komplett Schwarz, selbst ihre Lederjacke war schwarz. Aber das Lächeln war fröhlich und jung.

„Cherry?“, Ryuzakis Stimme riss Cherry von dem Bild los. Sie blickte ihn an. Er sah angestrengt auf das Foto, hatte dabei sogar leicht die Stirn gerunzelt. So hatte das Mädchen ihn bisher noch nicht gesehen. Es schien, als ob er versuchte, sich an etwas zu erinnern. „Kommt dir diese Frau bekannt vor?“

Wieder sah sie auf das Bild auf dem Laptop. Irgendwoher kannte sie diese Naomi, aber sie konnte sich nicht erinnern, woher. Unglücklich schüttelte sie den Kopf. „Nein, jedenfalls fällt mir einfach nicht ein, woher.“

Yagami räusperte sich. „Naomi Misora wurde berühmt, als sie 2002 den BB-Mörder von Los Angeles festnahm. Danach hatte sie eine steile Karriere vor sich. Sie gilt als eine der besten FBI-Agenten der letzten zwanzig Jahre.“

„Warum ist sie dann ausgestiegen?“, fragte Cherry.

„Wegen dem Antrag von Raye Penber. Sie hatten vor, dieses Jahr zu heiraten und sie hat für ihn das FBI verlassen, wo sie sich übrigens auch kennenlernten. Penber und sie waren verlobt.“

Cherry nickte. Sie musste ihn wirklich geliebt haben, wenn sie für ihn ihren Job beim FBI aufgegeben hatte. Gerade, wo sie eine Karriere vor sich hatte, die scheinbar nicht so schnell hätte abreißen können.

Trotzdem erklärte das immer noch nicht, warum ihr diese Frau so bekannt vorkam. Aber sie kannte sie von irgendwoher. Bloß fiel ihr nicht ein, woher. Vielleicht hatte es etwas mit dem Beruf ihrer Mutter zu tun gehabt, warum sie sie kannte oder zumindest fest davon ausging, sie zu kennen.

Während Cherry angestrengt am Überlegen war, blickte Ryuzaki vom Bildschirm auf. Seine Augen funkelten leicht im Licht der Deckenbeleuchtung. Watari räumte gerade die Tasse ab, von der der junge Mann gerade einmal ein paar müde Schlucke genommen hatte. Doch der Schwarzhaarige interessierte sich nicht dafür. „Ich erinnere mich“, sagte er ruhig. „Ich hatte mit ihr damals im BB-Fall zu tun. Sie war eine ausgezeichnete Agentin.“

Verblüfft blickten ihn Cherry und die Ermittler an. Bis ihnen einfiel, dass es sie nicht wundern sollte. Ryuzaki war der beste Detektiv der Welt – natürlich hatte er bereits mit einigen Agenten zu tun gehabt, auch mit Naomi Misora. Sie senkten wieder die Blicke, bis auf Matsuda, der scheinbar total beeindruckt war von all den Berühmtheiten um ihn herum.

Aizawa, der sich gerade bei Watari für einen neuen Kaffee bedankte, warf seinem Vorgesetzten einen Blick zu. Cherry bemerkte es und runzelte die Stirn. „Sie haben uns noch nicht alles erzählt.“ Es war keine Frage. Nun wurde sie verblüfft gemustert. Selbst Ryuzakis Aufmerksamkeit hatte sie nun.

Yagami nickte und nahm einen Schluck Kaffee. „Naomi Misora ist seit gestern Mittag spurlos verschwunden.“

Ryuzaki richtete sich ruckartig auf, auch Cherry spannte ihre Muskeln an. „Irgendwelche Abschiedsbriefe oder Ähnliches?“

„Nein, nichts, weder Brief noch öffentliche Aussagen zu Freunden oder Familie. Ihre Spur verliert sich direkt nach dem Tod von Raye Penber.“

Cherry überlegte. Raye und Naomi waren verlobt gewesen und Raye hatte sich in Japan aufgehalten, um verdächtige Personen zu beschatten. Das hatte Ryuzaki ihr bereits gestern Abend erzählt. Vielleicht hatte er etwas Verdächtiges beobachtete, und es dann, weil er sich nicht sicher war oder es für zu unwichtig hielt, um es zu berichten, seiner Verlobten erzählt. Weshalb es dann zuerst Raye erwischt hatte und dann Naomi.

Das Problem war nur...

Cherry teilte ihre Überlegungen mit Ryuzaki und den Ermittlern. „Was wäre, wenn Raye etwas beobachtet hat? Irgendetwas, was von der normalen Beschattung abwich?“

Matsuda, der gerade einen Blick auf Ryuzakis Laptop geworfen hatte, schaute auf. Er sah zwischen seinen Kollegen und dem Detektiv und Cherry hin und her. Wie bei einem Tennisspiel. „Aber hätte er das nicht Ryuzaki mitgeteilt? Oder seinem Vorgesetzten?“ Er blickte fragend in die Runde. „Wer war eigentlich sein Vorgesetzter?“

„Ich, jedenfalls im KIRA-Fall“, erwiderte der junge Detektiv. „Aber Sie haben Recht, Matsuda. Raye hatte strikte Anweisungen, alles Verdächtige umgehend mitzuteilen.“Damit schien das Thema für ihn abgehakt. Aber Cherry wusste instinktiv, dass sie richtig lag. Sie spürte es, und ihr Bauchgefühl hatte bisher noch nie gelogen.

„Aber was, wenn es ihm so unwichtig und banal erschien, dass er es nicht mitteilte?“, beharrte sie. „Und wenn er es stattdessen Naomi mitteilte, weil er ihr vertrauen konnte? Und irgendwo musste er ja mit seinen Erlebnissen abschließen. Und er hat ihr blind vertraut, schließlich waren sie verlobt. Vielleicht hat Naomi sogar etwas darin gesehen, was ihr Verlobter nicht sah.“ Sie merkte, dass die Ermittler nachdachten. Das Mädchen wandte sich zu Ryuzaki, der an seinem Daumennagel knabberte. „Es kann möglich sein, Ryuzaki!“

Dieser überlegte. Als er endlich mit dem Nagel kauen aufhörte, waren fünf Minuten vergangen. Mittlerweile war sich Cherry sicher, dass es so sein musste. Und nun schien auch Ryuzaki zu diesem Schluss gekommen zu sein.

Er rutschte auf seinem Sessel hin und her, um eine bequemere Position zu finden. Obwohl das Mädchen sich fragte, ob das in seiner merkwürdigen Sitzhaltung überhaupt möglich war.

„Erinnerst du dich, was ich gestern über deine Mutter sagte?“, er wandte sich nun direkt an Cherry. „Dass sie für einen Tag Raye Penber ersetzte?“ Cherry nickte. „Vielleicht hat auch deine Mutter etwas beobachtet, was auf deine Vermutungen zutreffen könnte. Dann hat sie es Penber erzählt, der es nicht ernst genommen hat und der wiederum hat es Naomi, seiner Verlobten, erzählt.“

Die anderen Ermittler schalteten sich in das Gespräch ein; vermutlich fragten sie sich, was ihre Mutter mit alldem zu tun hatte. Cherry hörte am Rand, wie aufgeregte Satzfetzen durch den Raum hallten und Watari Kaffee nachfüllte. Aber sie war nicht in der Lage, dem Gespräch aufmerksam zu lauschen. Denn endlich fiel ihr ein, woher sie Naomi Misora kannte. Als Ryuzaki ihre Mutter im Zusammenhang mit Raye Penber erwähnte, fiel es ihr wie Schuppen von den Augen.

„Ryuzaki!“ Cherrys Stimme klang so aufgeregt und drängend, dass alle anderen Gespräche augenblicklich verstummten. Alle Köpfe wandten sich ihr zu. Doch Cherry achtete nicht darauf. Stattdessen kniete sie sich vor den Laptop und rief das Bild von Raye auf. Ihre Vermutung wurde bestätigt.

„Cherry? Was ist?“, Ryuzakis Stimme gelang nur dumpf zu ihr durch. So gefesselt war sie von der plötzlichen Erinnerung. Sie sah nicht auf, als sie antwortete.

„Sie waren bei uns. Raye Penber und Naomi Misora. Zwei Tage, bevor meine Mutter mit ihnen zusammen nach Tokio aufbrach. Um deinen Auftrag anzunehmen.“ Sie stockte kurz, doch Ryuzaki gab ihr Zeit und drängte nicht. Nach einer Pause sprach sie weiter. „Als ich zwei Tage später mit ihr telefonierte, erwähnte sie etwas. Dass Raye heute nicht gekonnt hätte und sie für ihn eingesprungen sei. Dabei sei ihr etwas Merkwürdiges passiert, eine Busentführung. Dabei jedoch sei der Entführer vollkommen durchgedreht, faselte etwas von „Dämonen“ und schoss auf etwas, was gar nicht da war. Als er dann aus dem Bus sprang, wurde er von einem Auto überfahren.“ Sie blickte zu Ryuzaki auf, der sie ernst anblickte. „Ich habe dem Ganzen keinerlei Bedeutung beigemessen, meine Mum auch nicht. Aber... was ist, wenn das das Seltsame und doch so Banale war? Der Punkt, wonach wir gesucht haben?“

Ryuzaki sah sie ernst an.

„Dann kann es sein, dass das der Grund ist, warum sie und die anderen Agenten sterben mussten. Weil sie KIRA in die Quere kamen.“
 

Phoenix
 

For a long time I couldn’t speak

Suddenly I see the sun rising

I wake up and stand up

Laugh into the new day

When I run out of the streets there stand people

But nobody take care about me

It doesn’t matter
 

I rise like a phoenix from the ashes

Feel like just born

I’m back and somebody needs me

Standing at the beginning

Looking straight on

I just live my life

Turn my sun on my own

And when I fall down just stand up again

No fear to lose myself again

I rise like a phoenix from the ashes
 

They leave me

I forget them

Just close the door like it was never open

Look into the mirror

Inflammable, again and again

They can hate me when they like it
 

I rise like a phoenix from the ashes

Feel like just born

I’m back and somebody needs me

Standing at the beginning

Looking straight on

I just live my life

Turn my sun on my own

And when I fall down just stand up again

No fear to lose myself again

I rise like a phoenix from the ashes
 

My heart began to beat

I see me clear

Run so fast I can

Look out – I’m back!
 

I rise like a phoenix from the ashes

Feel like just born

I’m back and somebody needs me

Standing at the beginning

Looking straight on

I just live my life

Turn my sun on my own

And when I fall down just stand up again

No fear to lose myself again

I rise like a phoenix from the ashes



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