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Warme Berliner

Jaschas turbulentes Jahr
von

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Oktober 2013

1. Oktober - In Sachen Liebe

 

Ich sage es nur ungern, aber es hat Vorteile, wenn man einen Kerl zum Bumsen hat und keine Frau. Nicht nur, dass Tims Arsch der Garten Eden ist und mein Schwanz die Schlange im Paradies, nein, im Garten Eden kann man keine Früchte sähen. Ich kann euch sagen, dafür bin ich Tim besonders dankbar. Klassische Partnerschaften kommen nicht mit einer automatischen Verhütung um die Ecke. Fragt Thomas, meinen Arbeitskollegen. Der checkt gerade die Babynahrungsfirmen in der Drogerie. Und er hat einen Kinderwagen dabei. Er ist Vater geworden, und das nicht ausversehen. Er hat sich ein Baby gewünscht. Ich sollte mich von ihm fernhalten. Vielleicht ist es ansteckend.

 

Ich versuche, mich zu verpissen. Aber Thomas entdeckt mich. Ich kann nicht entkommen. Beäuge die beiden Gläser in seiner Hand, die die ekelhafte Pampe beinhalten, die ich nicht mal als Kind mochte. Wer isst schon gern Erbrochenes? Die Natur hat doch eigentlich dafür gesorgt, dass man gegenüber Kotze einen Abwehrmechanismus besitzt.

Noch argwöhnischer beäuge ich allerdings das glatzköpfige Wesen im Wagen. Es schläft. Wenigstens kann es mich so nicht ankotzen.

"Du hast meinen Kleinen noch gar nicht gesehen!"

Warum musste diesem Klops das einfallen? Bemüht gucke ich weiterhin in den Wagen. Empfinde gar nichts. Muss an die Frauen denken, die ausflippen beim Anblick eines Babys. Nein, ich will ehrlich sein. Das bin ich Thomas schuldig.

"Ich hass so Blagen wie die Pest", sage ich. Thomas guckt, als würde mein Kopf nur noch an einer Ecke hängen.

"Hast du dich als Kind auch gehasst?", will er wissen. Er klingt verstimmt.

"Ja", sage ich und gehe weiter.

 

Ich will schwul sein. In Sachen Liebe sollte man die freie Wahl haben.

Sollte ich wiedermal auf Frauen schauen, will ich, dass Tim mir mit Barbara Saleschs Hammer so lange auf den Kopf haut, bis ich besinnungslos werde.

 

2. Oktober - Lagerfeuer

 

Einen Tag später sind meine guten Vorsätze passé.

Ich schnappe mir Moo und Flori. Heute ist Freitag, und wir haben schon lange keinen mehr draufgemacht. Wahrscheinlich werden wir alt. Wirklich fatal.

Heute brauche ich ein wenig Heterosexualität um mich herum. Man hält es im Kopf nicht aus, wenn man sich ständig wie ein seltenes Tier fühlt. Zwar existiert ein Bild, auf dem ich Moo aus irgendeinem unerfindlichen Grund belöffle, aber guten Freunden gibt man eben ein Küsschen.

 

Ich will alles vergessen. Es tut so gut, die stickige Kneipenluft zu schnuppern. Die schrillen Lichter zu sehen. Die Beats der Housemusik zu hören. Und vor allem den Alkohol in seinen Venen zu spüren. Mir wird warm. Es ist wie ein Lagerfeuer von innen. Alles wird mir egal. Sogar der Bärenmacker. Denn heute Nacht bin ich der Coole. Der Checker, der jedes Mädchen haben könnte.

Doch ich habe Tim. Und als meine Single-Kumpels mich auf ein Weib aufmerksam machen, das mich die ganze Zeit über anguckt, schüttle ich entschieden den Kopf.

"Ich liebe mein Babe, ich geh nicht mehr mit Frauen mit."

Und mit einem Mal fühle ich einen großen Stolz in mir aufsteigen. Den Stolz, endlich einmal etwas richtig gemacht zu haben.

 

3. Oktober - Alt und Neu

 

Ich weiß nicht, woher der Bärenmacker hat, dass ich ausziehen will. Wahrscheinlich hat Moo gepetzt. Ich möchte wissen, wie oft sie sich über mich unterhalten. Ich bin interessant. Na, immerhin.

 

"Ich hab meine Lehre fertig, die war in Bayern", erklärt Max. Dabei spielt er an seinem Feuerzeug. Es zeigt eine nackte Frau. Brüste wie Fußbälle. Wo waren wir? Ach ja. Lehre. Bayern. "Und nun hats mich halt wieder in die Heimat gezogen. Hab nun hier ne Wohnung. Und Platz. Also, wenn du Bock hast..."

Ich verstehe. Und kanns kaum fassen. Nach dem, was ich mir geleistet habe? Teilweise war ich ja ziemlich frech.

"Aber nur mit Tim", sage ich. "Der kracht sich auch ständig mit seiner Alten."

Er winkt ab.

"Klar, mit Tim."

Es scheint eine Selbstverständlichkeit zu sein. Ich bin baff.

"Du hast nichts gegen Homos?"

Er verzieht keine Miene. Starrt geradeaus.

"Ich hasse alle Menschen."

Stimmt. Da war ja was.

"Also, ist es fix?"

Ich will nicht, aber ich muss. Scheiß auf Prinzipien.

"Logisch, Alter."

Ich schlage ein. Freue mich ein bisschen. Auch wenn ich das nie zugeben würde.

Aber es ist schon nice, seine alte Bleibe gegen eine neue einzutauschen. Schlimmer als Mom kann Max nicht sein.

 

4. Oktober - Schmerz

 

Glücklicherweise nehmen Moo und Flori es locker, dass ich sozusagen auch an Schwänzen interessiert bin. Es scheint ihnen egal zu sein. Mir ist es ja auch egal. Im Grunde denke ich selten über fremde Schwänze nach. Nur Tims Ding geht mir manchmal durch den Kopf. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Doch seit einiger Zeit gibt es einen neuen Schwanz in meinem Leben. Er hat mich derart beeindruckt, dass ich nicht länger an mich halten kann und meinen Kumpels von ihm berichte.

 

"Ich hab ja nicht grad wenig", sage ich, da es gerade zum Thema passt. Wir alle haben uns schon nackt gesehen, die Jungs können es also bestätigen. "Aber dein Bruder, Alter!"

Damit spreche ich Moo an. Ich spüre regelrecht, wie ich in Rage gerate.

"Dein Bruder, der hat den Rüssel von nem Elefanten da unten hängen!"

Zwei Paar Augen mustern mich ungläubig. Dabei müsste Moo doch wissen, mit was für einem Monster sein Bro gesegnet wurde. Ich bin mir sicher, dass der Glaube an Satan daran schuld ist. Ich will in Zukunft fester an ihn glauben. Vielleicht krieg ich dann ne Brechstange zum B-Day.

"Und Felix, ja? Felix fährt ja so bisschen auf den ab", mache ich weiter. "Ich kann den zwar nicht so direkt ab, aber jemand sollte den warnen. Der Schmerz könnte seinen winzigen Arsch killen."

Moo ist der erste, der den Kopf schüttelt.

"Woher weißt du eigentlich, wie mein Bro nackt aussieht?"

"Woher weiß Max , dass ich ne Wohnung suche?"

Ha.

Moo zuckt nur mit den Schultern und zieht ne Schnute.

"Stasi", sagt er.

"Pissbecken", sage ich. Die beiden gucken blöd. "Ey ja, was kann ich dafür, wenn der mir aufs Klo folgt? Vielleicht steht der auf mich."

Diese unüberlegte Äußerung trifft mich wie der Schlag.

Das mit dem Zusammenziehen sollte ich mir gründlich überlegen.

 

 

5. Oktober - Die größte Enttäuschung

 

"Wir haben schon ewig nix mehr zusammen gemacht."

Solche Sätze können nur von Tim stammen. Er ist so ein Mädchen.

"Wir machen doch genug zusammen."

Anklagend schaut er mich an. Ich sitze auf dem Bett. Er kniet vor mir. Ich mag diese Stellung mehr als Doggy-Style.

"Ja, aber nicht alleine."

Er ist niedlich, wenn er sich so benimmt. Und wenn er so guckt. Mehr Hündchen als wenn er auf allen Vieren auf dem Bett hockt und mir seinen nackten Arsch entgegenreckt.

Seine Wange schmiegt sich an mein Knie. Er schließt die Augen. Umarmt meine Beine. Es zerupft mich fast, weil ich diesen Typen so sehr liebe.

"Die größte Enttäuschung für mich wär, wenn das irgendwann nichts mehr Besonderes wäre mit uns."

Ich ziehe ihn zu mir hoch. Schließlich liege ich auf dem Bett, Tim kniet über mir. Seinen Blick habe ich nicht verdient. Er schaut, als wäre ich der tollste Mensch auf Erden.

"Wir könnten auf den Jahrmarkt gehen", sage ich. "Die haben zwar nur ein Kinderkarussell, aber mh."

Tim lässt sich neben mich fallen.

"Schon gut. Hauptsache, unser Sexleben brummt."

"Genau. Wenn das Bett nächtlich knallt, ist die Liebe nicht alt."

Wir schauen uns an. Und dann grinsen wir.

 

6. Oktober - Weisheit

 

Homosexualität kommt ja im Grunde nicht so häufig vor. Ich meine, gelesen zu haben, dass gerade mal zehn Prozent der Weltbevölkerung auf ihr eigenes Geschlecht stehen. In dieser Statistik bin ich allerdings nicht erfasst. Weil mich nie einer zu meinen Präferenzen befragt hat.

Ich will wissen, ob Max auf Typen steht. Schon deshalb, weil es interessant zu erfahren ist, ob Felix realistische Chancen bei ihm hat.

 

"Bisher hatt ich immer nur Frauen", erzählt er mir in seiner üblichen coolen Art. Als Moo mir sagte, dass mir in Max' Gegenwart die Witze im Hals stecken bleiben würden, hatte ich noch geglaubt, er würde mit einem Hopper wie mir gleich Hau den Lukas spielen. Aber stimmt ja. Er mag mich. Zu sehr? Vielleicht hätte ich mir das Thema doch verkneifen sollen. Doch für das wahre Leben gibts ja leider keine Rückgängig-Funktion.

"Keine Typen?"

"Nee."

Sehr gesprächig, der Herr. Für alle Interpretationen offen, seine Antworten.

Ich will aufhören, zu bohren, aber es interessiert mich. Ich will alles über dieses unbekannte Wesen wissen. Auch wenn man darauf falsche Schlüsse ziehen könnte.

"Und wie findste Felix so? Oder Vic? Oder-"

Nein, Jascha, wage es nicht, deinen Namen aufzuführen.

"Niedlich", erwidert er, zieht eine Schnute. Dann steht er auf. Wahrscheinlich geht ihm das nicht gerade fruchtbare Gespräch auf den Sack. "Aber ich hab eh keinen Bock, mich fest zu binden."

Wer hat auch davon gesprochen? Niemand. Freier bumsen lässt sichs eh außerhalb ner Beziehung.

 

Weisheit des Tages: Max hüllt sich in Schweigen bezüglich seiner Sexualität. Fazit: Nicht gut. Ich weiß nur, dass er nichts gegen Schwule hat. Zumindest nicht im Speziellen. Er hasst ja alle Menschen. Also auch Vic und Felix, was Letzteren nicht sonderlich freuen dürfte.

Ich frage mich nach diesem Gedankengang, ob Max überhaupt auf irgendetwas steht, das menschlich ist, Arme und Beine hat.

 

7. Oktober - Barbecue

 

Da Max bekannterweise der große Held meines Freundeskreises ist (unberechtigter Weise?), muss ich nun auch mal wieder sehen, dass ich in den Mittelpunkt des Geschehens rücke. So geht das nämlich nicht. In letzter Zeit geht es sogar so weit, dass ich mich wie eine graue Maus in der Gegenwart des Bärenmackers fühle.

Ich muss nicht lange überlegen, um zu wissen, wie ich wieder ein paar Pluspunkte sammeln kann. Im Besonderen bei Tim. Obwohl der mich auch mag, wenn ich gerade aufgestanden bin und sehr kariert gucke. Doch das Äußere ist schon wichtig. Nein, ich will jetzt nicht anfangen, mich zu schminken. Aber so ein paar blonde Strähnchen in den Haaren wären vielleicht doch ganz schick.

 

Ich nehme das Projekt in Angriff. Stehe im Badezimmer, wo mir einfällt, dass ich keine Ahnung habe, wie man das eigentlich macht. Da aber immer noch die Option offen ist, mir den Scheiß runterzurasieren, falls es schief geht, mache ich einfach. Mit dem Ergebnis, das es eigentlich ganz okay aussieht. Nicht so gut, wie ich es mir vorgestellt habe, aber für das Stadtgespräch reicht es sicher.

Oh, Tim steckt gerade seinen Kopf zur Tür rein. Fragen wir Tim nach seiner Meinung.

 

Er grinst. Mit den Mundwinkeln nach unten. Wie immer. Ich liebe das. Auch wenn mir etwas Böses schwant.

Er zupft mir an den Haaren herum.

"Das sieht aus, als hättest du nen Natursektfetisch."

"Waaas.“

Ich pfriemle alarmiert an meinen Haaren. Hat er Recht? Vielleicht.

"Deine Haare sehen auch nicht besser aus", schlage ich zurück. "Die sehen aus wie...ein verbranntes Barbecue."

Tim zieht die Augenbrauen empor und wirft einen Blick in den Spiegel. Ja, mein Lieber: Wie ein verkohltes Bratwürstchen. Aber original.

 

Vielleicht sollte ich diese dämliche Haarfarbenfirma anschreiben und verlangen, dass sie den Farben neue Namen geben. Nicht 'Strawberry Blonde', nein; Bratwürstchenbraun und Natursektfetischblond!

 

8. Oktober - Herbst

 

Ein gewisses Datum rückt näher. Und zwar wäre das Tims Geburtstag.

Eigentlich suche ich immer auf den letzten Drücker nach einem Geschenk, aber dieses Mal nicht. Schließlich handelt es sich um Tim und seinen ersten B-Day, an dem er mit mir zusammen ist. Es soll also schon etwas Besonderes sein, was er von mir bekommt. Doch das ist leichter gesagt als getan.

 

In der Stadt gibts nur Mist. Wie öde Namenstassen. Oder pseudolustige T-Shirts. Ich will nicht lachen, muss aber. Ich bin primitiv.

"Lieber Schamlippen küssen als Schlamm schippen müssen."

Ey, das ist genial. Leider passt das nicht zu Tim. Wie wärs damit:

"Ich hasse Menschen, Tiere und Pflanzen. Steine sind okay."

Max. Eindeutig.

Aber jetzt kommts.

"Knie nieder und schmecke den Herren."

Ich muss so lachen. Das wäre perfekt. Obwohl ich es theoretisch tragen müsste. Also auch nicht das richtige Geschenk.

 

Warum muss Tim im Herbst Geburtstag haben? Scheiß Neujahrsfick.

Im Winter gibts doch diese Schneekugeln. Mit so kleinem Schneemann drin und so. Die verschenke ich immer, wenn jemand im Winter Geburtstag hat.

Aber für Tim wollte ich ja was Besonderes. Doch eigentlich bin ich schon froh, wenn ich überhaupt was finde.

Im Schenken bin ich echt nicht gut.

 

9. Oktober - Wogen glätten

 

Heute ist der Tag gekommen, an dem meine Mutter drei Kreuze macht. Ich ziehe nämlich aus. Zu Max, der mich verwirrt. Beinahe will ich mich nicht hinter verschlossener Tür mit ihm aufhalten. Aber habe ich eine Wahl?

Tim ist ja bei mir. Er weiß, dass der Kerl entweder auf mich steht oder zoophil ist. Tim meinte diesbezüglich, dass beides Hand in Hand geht. Ich finde, er sollte mit mehr Ernst an die Sache herangehen. Schließlich kann alles passieren, wenn ich mit dem Bären allein bin. Er unterschätzt die Gefahr eindeutig.

 

Die Wohnung ist schön. Maisonette nennt sich das glaub ich, wenn man die Treppe hoch gehen kann. Oben haben Tim und ich unser Reich. Wird voll gemütlich, wenn wir mal Geld für ordentliche Möbel haben sollten. Bis dahin können wir vom Geländer aus ins Wohnzimmer spucken, wenn Max mal seine komischen Kumpels da hat.

Ja, er hat tatsächlich Freunde. Und die sehen richtig gruselig aus. Fast wie diese Maskenträger. Slipknot heißen die, glaub ich. Obwohl Die Antwoord fast noch schauriger sind. Aber die sind im coolen Sinne schaurig. Nicht so abartig schaurig.

Na ja, ich lasse immer erst alles auf mich zukommen. Ich denke, die Wogen werden sich noch glätten.

 

10. Oktober - Berühmt

 

Ich hatte wirklich keine Ahnung, dass man Bauarbeiterlärm nutzen kann, um zu entspannen. Aber gut. Darüber kann man hinwegsehen. Jeder Mensch hat seine Eigenarten. Doch dass man sich dann hinstellt und diese unstrukturierten Geräusche mit Musik beschimpft, führt zu weit.

 

Da kommt man nach einem anstrengenden Arbeitstag heim, will seine Ruhe und einen Blowjob haben, und plötzlich wird die Szenerie von dumpfen Klängen untermalt.

"Der zerlegt das Haus", mutmaßt Tim. Mit 'der' meint er Max. Wen sonst? Dass er das Haus zerlegt, glaube ich sofort.

 

Da ich meinen Frieden nicht mehr finden kann, gucke ich von oben ins Wohnzimmer. Dort sitzt Max, eigentlich recht friedlich wirkend. Dafür scheint die Stereoanlage Schmerzen zu haben, so, wie sie brüllt. Doch ich bin lauter.

"MACH DAS AUS!"

Doch nicht. Max hört mich nicht. Anstelle schüttelt er den Kopf, sodass seine langen Haare fliegen. Nach einem 'Okay' sieht es nicht aus. Und ich bin zu faul, das Ding eigenhändig zum Schweigen zu bringen. Muss ich eben mit meiner Musik gegensteuern.

Ich frage mich, wieso manche Leute Geld bezahlen, nur um jemandem zuzuhören, der wie von Sinnen rumschreit. Für mich schreit Tim immer. Kostenlos. Vielleicht könnte ich ihn mit seinen Lustgeräuschen groß rausbringen. Who knows.

 

11. Oktober - Gespenster

 

Boah, Alter. Was. Da hat man sich gerade gewaschen und trotzdem scheint es, als hätte einem die Scheiße bis zum Hals gestanden. Denn an eben diesem sind so schwarze Krümel. Krümel oder Fussel. Ich hab keine Ahnung. Vielleicht hat Tim mehr Ahnung.

 

"Ey, Alter, gucke mal."

Er stellt sich vor mich. Selbstverständlich findet er meinen nackten Oberkörper interessanter. Sein Schwanz hält auch nie still. Selbst im Schlaf schlägt der manchmal aus. Tim hat ne Libido, ey, da kiekste dich dumm.

Ich deute auf meinen Hals, damit er checkt, dass dort die Musik spielt. Endlich guckt er dorthin, wo er hingucken soll. Setzt sogar seinen studierenden Blick auf. Mit leicht zusammengekniffenen Augenbrauen. Ich müsste lügen, würde ich behaupten, dass mich das nicht dezent anmacht.

Seine Finger tasten vorsichtig über meine Haut. Lange sagt er nichts. Doch schließlich fällt er sein Urteil.

"Das ist nicht dreckig. Das ist verschrumpelt."

Boah. Ich bin gar nicht verschrumpelt. Ich bin ein junger Hüpfer. So jung, dass mir fast noch der Mutterkuchen an der Backe klebt. Tim sieht Gespenster.

Aber leicht verschissen hat er es bei mir wegen diesem Spruch. Tim soll Max angucken. Der hat erst ne scheiß Haut, ey. Voll der Dickhäuter. Inklusive Monsterrüssel.

 

12. Oktober - Blutfleck

 

Allmählich kristallisiert sich Max' Sexualität heraus. Auf Tiere scheint er doch nicht zu stehen. Und auch nicht auf mich, obwohl ich fest davon überzeugt war.

Doch seine wahren sexuellen Präferenzen sind nicht besser. Ich will nicht behaupten, dass ich sie nicht nachvollziehen kann, ganz im Gegenteil, aber irgendwie find ichs trotzdem komisch.

 

Schon seit einer gefühlten Ewigkeit hängt Max am Fenster. Wir fragen uns, was es zu sehen gibt.

Mit einem spitzbübischen Grinsen winkt er uns zu sich heran. Erklärung folgt keine. Aber die wird ohnehin überfällig, als wir die Aussicht genießen.

Ich wusste nicht, dass Dominique gegenüber wohnt. Man bekommt Einblick in sein Bad. Gerade zieht er sich aus. Oha.

"Scharfes Ding."

Es macht mir Angst, Max erregt zu erleben. Aber ich kanns nicht ändern. Ich kann es wie gesagt nachvollziehen.

"Du stehst auf Transen?", will Tim wissen. Von Max. Meine dunkle Vergangenheit kennt er schließlich.

Er brummt nur. Will sich nicht äußern. Doch sein Feuer ist entfacht. Sein Grinsen scheint unauslöschlich.

"Is doch geil", sagt er irgendwann. "Ein Mädchen, das nie seine Tage hat. Keine Sauerei mit Blutflecken im Bett."

Unter dem Gesichtspunkt habe ich das noch gar nicht gesehen. Aber er hat Recht.

Er hat verdammt Recht.

 

13. Oktober - Neuen Mut fassen

 

Eigentlich ist die Wohnung cool. Max hat uns bisher nicht gefressen (es ist schließlich genug Fleisch im Kühlschrank) und geht schon ganz zeitig schlafen. Er ist dauermüde, meint er. Gut für uns. Denn wir haben etwas entdeckt.

Für die einen mag es nur eine kleine Luke sein, für uns aber ist es der Schlüssel zum Paradies. Speziell für Tim. Denn wenn man die Luke öffnet, kann man aufs Dach steigen. Ich sage euch: Es ist total geil, bei Nacht dort oben zu sitzen und dabei die Hand seines Liebsten zu halten. Scheiß auf den Kitschfaktor.

 

Tim scheißt auch drauf. Heute bedeckt keine Wolke den Himmel. Tausend Sterne zeigen sich uns. Tim ist vollkommen fasziniert. Wie viel Kind noch in ihm steckt, denke ich.

"Das ist voll schön", meint mein Freund nach einiger Zeit. Ich bekomme mit, dass er sich kaum von dem Anblick der funkelnden Sterne losreißen kann. Und trotzdem schafft er es, mich anzusehen.

"Das ist so romantisch, Jascha." Seine Stimme zittert fast vor Aufregung.

"Ich weiß, Tim."

 

An diesem Abend bedarf es nicht vieler Worte. Es genügt, wenn wir dasselbe fühlen und ich neuen Mut gefasst habe. Denn ich weiß endlich, was ich Tim zum Geburtstag schenken werde.

 

14. Oktober - Fundstück

 

Heute habe ich im Wohnzimmer etwas gefunden. Eigentlich bin ich nicht so der Typ, der sich an fremden Dingen vergreift, aber eine drängende Stimme in meinem Innenohr riet mir dazu. Und ich bin ehrlich froh, dass ich sie habe.

Es handelt sich bei meinem Fundstück um die CD einer deutschen Band. Da ich stets ohne Vorbehalte an alles herangehe, beschließe ich, sie mir anzuhören. Auch wenn ich von Max' Musikgeschmack nicht viel erwarte.

Doch oh Scheiße. Diese Musik ist einfach nur krank! Nicht nur der Bandname 'We butter the bread with butter', sondern auch die Töne, die diese Typen von sich geben! Klar, es ist die Holzhammermethode. Richtig brachiales Zeug. Aber krank! Die Texte! Ey, ich kann nimmer! Ich krieg die Krise.

Ich beschließe, die CD vorläufig zu behalten. Denn ich brauch das Booklet, um die Lyrics zu verstehen. Ich werde schon nicht verpassen, wenn Max danach sucht. Dann schiebe ich sie ganz unauffällig unters Sofa. Und finde sie noch zufälliger.

 

Sorgen mache ich mir trotzdem. Max scheint abzufärben. Ich hoffe, mich überkommt nicht der Drang, mir die Haare lang wachsen zu lassen. Tim fänd das sicher auch nicht schick. Er hat noch nie gesagt, dass er Max sexy findet.

 

15. Oktober - Türklinke

 

Dass Tim und das Wort 'kindisch' ein Synonym darstellen, erwähnte ich sicherlich schon. Aber dass ich auch ein übelstes Kind bin, verrate ich erst jetzt.

 

"We are just children in love", hat Tim es genannt, als ich mit der bescheuerten Idee brilliert habe, doch mal kurz in dem Fotoautomaten im Einkaufscenter zu verschwinden. Aber nicht etwa, um dort zu poppen. Nein, ich dachte, dass es vielleicht ganz nett wäre, ein paar dämliche Fotos zu besitzen, die Tim und mich zeigen.

Gesagt, getan. Und die Bilder sind wirklich absolut dämlich geworden. Besonders das verwackelte ist gruselig. Da sieht Tim aus, als hätte er vier Augen. Ich sehe natürlich immer perfekt aus. Auch wenn mein Blick nicht immer das Gelbe vom Ei ist. Aber wenn wir uns küssen, sieht es echt schlimm aus. Warum hat sich darüber noch keiner aufgeregt? Es wird Zeit, dass sich jemand über diese optische Belästigung echauffiert. Und wie der Zufall es so will, ist Max dazu auserkoren, der erste zu sein.

Wir bringen die Bilder nämlich im Wohnzimmer an. Gerahmt mit noblem Schwarz.

 

Max steht schon bald davor und beäugt die Fotos. Schließlich schnaubt er amüsiert und schüttelt den Kopf, ehe er sich entfernt.

"Da lacht die Liebe denen schäbig ins Gesicht, die sie nicht wollen. Ich glaube, ich gehe mich an der Türklinke erhängen."

"So schlimm?", will ich wissen, allerdings hält sich meine Beunruhigung in Grenzen.

"Ja, absolute Suicide Season ist jetzt bei mir wegen euch Hirnis." Und: "Die Bilder sind scheußlich."

Er meint es nicht ernst. Jedenfalls ersteres. Denn er ist nicht Felix. Trotzdem werde ich das Gefühl nicht los, dass er und der Emo füreinander bestimmt sind. Leider würde Felix in Max' Bett bluten. Wie so ne Frau, die ihre Tage hat. Weil der hat ja auch immer seine Tage. Allerdings an den Armen.

 

16. Oktober - Kollaps

 

Tim und ich sitzen wieder auf dem Dach.

Eigentlich hätten wir in diesem Augenblick Party machen und auf das neue Lebensjahr meines Freundes anstoßen sollen. Doch wir werden ja alt. Und so verbringen wir Tims Geburtstag zu zweit. Und das kommt mir gelegen. Denn mein Geschenk kann ich ihm nur während der Abwesenheit der anderen geben. Flori und Moo hätten nie verstanden, was es bedeutet. Denn sie kennen die Liebe nicht.

 

Ich weiß nicht, wie ich anfangen soll. Ich weiß aber, dass Tim neugierig auf das ist, was er von mir bekommen soll. Den ganzen Tag über hab ich heimlich getan. Und nun ziehe ich die den Umschlag aus der Tasche.

Tim guckt verwundert. Wahrscheinlich ist er enttäuscht. Doch das soll sich ändern.

"Hier, ich hab da was."

Fast schüchtern reiche ich ihm den Umschlag. Er öffnet ihn. Liest mit großen Augen. Dann schüttelt er den Kopf und schaut mich an. Enttäuscht ist er nicht mehr. Er ist der glücklichste Tim auf der Welt. Funkelnde Augen können nicht lügen.

"Du...schenkst mir nen Stern?" Seine Stimme bebt. "Oh man. Alter, Fuck. Das ist so...geil..."

Er bekommt fast nen Kollaps. Krampfhaft versucht er, nicht vollkommen auszuticken.

"Ein Tim-Stern. Gott, is das...hammer."

Er freut sich. Und ich freue mich auch. Liebe macht echt Spaß. Und ich hab noch was für ihn.

"Tim, ich muss dir was sagen."

Da wird er ruhiger. Fast misstrauisch. Doch ich rücke näher an ihn heran und flüstere ihm sein zweites Geschenk ins Ohr.

"Du darfst mich heute Nacht ficken."

Seine Augen werden größer wie der Vollmond am Himmel.

"Oh, scheiße, Jascha."

 

Er flucht wie ein Postkutscher. Ein Zeichen, dass dieser Geburtstag sein bester war. Er sollte mich sich warmhalten, dann bekommt er auch im nächsten Jahr wieder so ein Brüllergeschenk.

Falls mir dann wieder so was Gutes einfällt.

 

17. Oktober - Wenn ich könnte...

 

Anscheinend war das neulich kein Zufall. Ich meine die Situation, die uns Dominiques nackten Körper vor Augen geführt hat. Denn das Mäuschen scheint zu wissen, dass wir direkt gegenüber wohnen. Oder zumindest Max. Denn es wird deutlich, dass Klein-Domi etwas von unserem Papabär will. Und zwar wären das seine Eier. Ja, ohne Mist.

Domi steht im Türrahmen und ich höre ihn gerade die Frage aller Fragen aussprechen, als ich durch den Flur schlendere.

"Habt ihr zufällig Eier?"

Max lacht daraufhin so tief, dass es sich anhört, als würde er brummen. Ich sag ja, typischer Fall von Papabär.

"Klar, Eier ham wa genug da", schmunzelt er, und Domi macht ein erfreutes Gesicht. "Ganz große Eier ham wa. Willste die mal sehen?"

Langsam wird es peinlich. Aber an Abflug ist nicht zu denken. Es ist zu interessant, wie die beiden an das Eine denken. Domi scheint eine ziemliche Schlampe zu sein. Eigentlich voll mein Typ. Aber ich hab Tim, und Max hat niemanden. Also werde ich ihm gnädig das Feld überlassen. Auch wenn er eigentlich für ein kleines Katzenvieh mit schwarzen Haaren bestimmt ist.

 

"Na, da zeig mal deine Eier."

Ein dreckiges Grinsen ziert die Visage des Miststücks. Klar, dass Max ihm nicht widerstehen kann und ihm gern seine Eier zeigt. Allerdings ganz brav die im Kühlschrank. Schließlich müssen die Zellen frisch bleiben, um ihre Wirksamkeit bei Bedarf zu entfalten. Dass er das auch Domi erzählt, ist einfach nur scheußlich, aber gleichzeitig auch sehr lustig.

Anscheinend haben sie meine Anwesenheit nicht bemerkt, denn Max schaut ziemlich überrascht, als ich später auf der Bildfläche erscheine.

 

"Der wollte poppen."

"Ich weiß."

"Warum hast du ihn nicht rangelassen?"

"Wenn ich könnte, hätte ich..."

Unglauben macht sich breit.

"Wie, du kannst nicht?"

"Na..." Er macht sich vom Acker. "Ich muss jetzt los."

 

Und ich dacht schon.

 

18. Oktober - Pralinen

 

Herzlichen Glückwunsch, Max. Du hast es geschafft. Nun bist du endgültig der Held auf dem Erdbeerfeld. Alle Mädchen werden dir hinterherschauen und dich fragen, ob sie mal ne Spritztour mit dir unternehmen dürfen. Natürlich werden die Eier erst später rausgeholt. Erst nachdem du dein Schätzchen aus der Garage gefahren hast. Du blöder Idiot.

Natürlich bin ich neidisch. Wie könnte ich nicht? Denn es stellt ein ungeschriebenes Gesetz dar, dass Mädchen auf Männer mit Motorrädern fliegen. Ob Max das weiß? Sicherlich. Jetzt kann er jede Nacht ne andere poppen und muss nicht mal mehr dafür tun als dumm rumzuprotzen. Im Grunde könnte es mir egal sein, aber wer wird nicht gerne umschwärmt, feste Beziehung hin oder her? Jascha im Korb zu sein war früher immer ganz heiß gewesen. Aber nun bin ich ja komplett abgemeldet. Uninteressant für die ganze Menschheit. Ein Glück, dass Tim nicht die ganze Menschheit ist.

 

Wir stehen gemeinsam am Fenster und gucken, als Max mit seiner neuen Kiste vorfährt. Ich könnte einige böse Sachen sagen, halte aber die Klappe. Auch Tim schweigt erst. Doch dann macht er den Mund auf.

"Ich mag lieber Pralinen", sagt er furztrocken. Das wars.

Ich find das ja voll lieb von ihm.

 

19. Oktober - Abwägen

 

Auch wenn Max wieder eine höhere Position in meiner Abschussliste eingenommen hat, so sammelt er heute schon wieder Pluspunkte.

Ich hasse es, diesen Typen nicht hassen zu können. Manchmal beneide ich ihn allenfalls, aber das Messer geht mir bei seinem Anblick nicht mehr in der Tasche auf. Die Sonne geht zwar auch nicht auf, aber die habe ich auch nicht in der Tasche.

 

Man muss auch mal chillen. Und man muss es manchmal auch im Wohnzimmer tun. Ein rücksichtsvoller Mensch wie ich trägt natürlich Kopfhörer, damit der nicht jugendfreie Text des gerade durch meine Gehörgänge wabernden Songs an die Öffentlichkeit gelangt.

Allerdings mache ich alles zunichte, als ich mitrappe.

 

Das Sitzpolster des Sofas drückt sich nach unten. Erst jetzt nehme ich von Max Notiz. Er guckt mich merkwürdig neugierig an. Forschend, als gehöre ich einer seltenen Tierart an. Dabei gibts Hopper wie Sand am Meer.

Seine Lippen bewegen sich. Im Lippenlesen war ich nie gut gewesen. Deshalb ziehe ich einen Kopfhörer vom Ohr.

"Wasn das?", wiederholt Max.

"Was ist was?"

"Na das."

Ih, er kommt näher. Ach du Scheiße.

Jetzt nimmt er mir die Kopfhörer ab und setzt sie sich auf.

"Wird dir eh nicht gefallen", murmle ich, doch er hört mich nicht. Ist abgetaucht in die Welt Alligatoahs.

Irgendwann gibt er mir die Dinger wieder.

"Dämliche Hopperscheiße, aber leider geil."

Komisch. Wie kann etwas dämlich und geil sein? Gut, Tim schafft das Kunststück auch. Aber trotzdem.

"Findeste den Part mit dem Hund auch so krank?", will ich mit einem dreckigen Grinsen wissen, welches Max erwidert.

"Ja", sagt er und erhebt sich. Sein Interesse an der Lebensweise von mir seltenem Tier war nur von kurzer Dauer. Fast schade.

 

Ich muss nicht lange abwägen, ob ich Max hassen kann oder nicht.

Im Grunde ist er voll primitiv. Etwas, das uns verbindet.

 

20. Oktober - Todsünde

 

Es klingelt an der Tür. Ob das wieder Domi-Boy ist, der geil auf Max' Eier ist?

Das Mutmaßen hat ein jähes Ende, als ich durch den Spion gucke. Ich erspähe zwar ein Paar Knopfaugen, aber dazu schwarze Haare.

Begrüßen wir also die Katz.

"Ach, hallo Felix!", rufe ich erfreut aus, so wie ich das Brett aufreiße. Ein bisschen scheint das Kerlchen sich erschrocken zu haben. Aber das macht nichts. Es gibt in diesem Haus ja eine starke Brust, an der er sich anlehnen kann.

"Max! Besuch!", brülle ich, aber kein Max kommt. Dafür erscheint Tim.

"Ich glaub, Max wichst grad", bringt Tim lässig hervor. Also kommt Max doch.

Felix zuckt sichtlich zusammen. Und sagt kein Wort.

"Du willst doch zu Max, oder?", frage ich.

"Nein."

"Ah. Und zu wem dann?"

Er schweigt betreten.

Da hätten wir es ja. Nichts zugeben wollen, aber auch keine Ausrede vorweisen können.

Tim schiebt sich neben mich.

"Klar willst du zu Max", meint er verstehend und wirft dann mir einen fragenden Blick zu. "Sollen wir ihn hinlassen?"

"...damit er mit ansieht, wie Max die Todsünde schlechthin begeht?" Ich lache auf. "Da wird er ja blind."

"...wenn Max ihm ins Gesicht spritzt und er nicht die Augen zumacht, ja."

Wir lachen nun ganz blöde. Nur Felix lacht nicht. Der ist krebsrot und macht auf dem Absatz kehrt.

Also will er nicht mit Max sündigen. Doch, wollen schon, aber solange Schamgefühle sein mickriges Hirn dominieren, kann er sich nicht auf seine Sexualität einlassen.

 

"Wir müssen was machen", sage ich zu Tim. Und er versteht.

"Ich lass mir was einfallen."

"Schön." Ich klopfe ihm auf die Schulter. "Du Amor mit deinem Giftpfeil."

Er grinst schäbig. Widerspruch ist ohnehin zwecklos. Tims Giftpfeil steckte schließlich auch schon in mir. Genau wie sein Giftstachel.

Ich sag euch, Tims Gift brennt fürchterlich.

 

21. Oktober - Salbe

 

Ich dachte ja lange Zeit, dass Max zoophil veranlagt ist. Aber in Wirklichkeit mag er Tiere gar nicht. Man siehts ja an Felix. Dem hat er bisher immer mit einer Leichtigkeit widerstanden. Wenigstens hat er ihm gegenüber noch keine Mordgedanken gehegt, soweit ich weiß. Das ist dann eher mein Part. Aber andere Tiere, wie so Schweine und Kühe, die metzelt der Herr brutal ab! Aber nicht etwa, weil er Satanist ist, nein - er ist Fleischer! Lange hat er vor uns geheim gehalten, dass er arme, unschuldige Viecher mit einer Axt zerhackt.

Nichtsdestotrotz finde ich, dass ihm der Job steht. Und ich glaube, Felix würde ihn sogar sexy finden. Max im Schlachthaus, umgeben von ganz viel Blut - das ist doch Felix' Welt.

Tims und meine dafür umso weniger. Wir genießen lieber die Tatsache, dass Max einen guten Koch abgibt.

 

Es ist Abendbrotzeit und wir sitzen am Küchentisch, während der Typ etwas zusammenpampt.

Tim und ich streiten uns. Über furchtbar wichtige Dinge.

"Das sind Klopse, verdammich!" Tim haut mit der Faust auf den Tisch, was Max zu einem 'He, Jungs!' animiert.

"Nein, das sind Fri-ka-dellen!", halte ich eisern dagegen. "Du bist selber ein Klops."

"Und du hast gleich ne...frisch kalibrierte Delle im Kopf!"

Frisch kalibriert? Der spinnt wohl! Wo hat der solche Wörter her?

"Tim", seufze ich. "Wir müssen uns trennen."

"Wieso?", will er wissen.

"Dein IQ ist nicht mehr tragbar."

Ob ich ihn extrem dumm oder extrem schlau finde, kann er sich alleine überlegen. Eine Salbe gibt es schließlich gegen keines der beiden Leiden.

 

"Jungs", sagt Max nun wieder. Er deutet in die Schüssel mit dem Hackfleisch. "Wenn ihrs genau wissen wollt, das werden Buletten."

"Buletten?", hake ich nach, und Max nickt.

"Buletten für die Schwuletten", summt er vor sich hin.

Leider lassen sich auch Frechheiten nicht einfach wegsalben.

 

22. Oktober - Ein Gerücht in die Welt setzen

 

"Hast du meine WBTBWB-CD gesehen?"

"Was für n Ding?"

Max antwortet mir nicht. Genau, wie ich ihm auch nicht antworte. Er ist viel zu beschäftigt damit, auf dem Fußboden herumzukriechen und ich bin damit, ihm fasziniert dabei zuzusehen.

Leck meine Stiefel, denke ich.

"Was schmeißt du deine CDs auch hier im Wohnzimmer rum? Selber schuld, wenn die dann weg sind."

"Aber die können sich doch nicht in Luft auflösen!", dringt es unter dem Tisch hervor.

"Anscheinend ja doch", sage ich gelassen, doch da dämmert mir plötzlich etwas. Wee Tee Wee blablawhatever weckt Assoziationen. Und ich weiß, dass nun mein großer Auftritt kommt.

 

Eigentlich hatte mein Plan vorgesehen, dass ich die CD zufällig hinter der Couch finde. Nun habe ich mich allerdings spontan umentschieden.

Ich schiebe das Teil unter das Sofa und lasse Max weiter suchen. In der Rolle als Hund gefällt er mir nämlich gut.

Leider ist mein inszeniertes Ostern schon bald vorbei und Max taucht auf, mit der Platte zwischen den Fingern.

"Ja, bin ich denn blind...", murmelt er vor sich hin und klappt das Jewelcase auf, wahrscheinlich, um zu sehen, ob noch alles fit im Schritt bei den Butterbrot-Boys ist. Aber ich kann mich beruhigt zurücklehnen, denn ich habe die CD stets sehr zärtlich behandelt. CDs und Weichteile behandle ich nämlich grundsätzlich zärtlich.

 

Dennoch hat Max Grund zur Beanstandung. Eine Weile beäugt er dezent angewidert das Booklet, dann sagt er: "Hier klebt ja ein Popel."

"Dann lass es dir schmecken", erwidere ich.

"Der ist nicht von mir."

"Hast du n DNA-Test gemacht, oder was?"

Sein Blick richtet sich auf mich. Ganz klar, wen er verdächtigt.

"Setz nicht solche Gerüchte in die Welt", sage ich ruhig und drehe mich um. "Als ob ich popeln würde."

Das glaubt er mir sowieso nicht. Das glaube ich ja noch nicht einmal selber.

 

23. Oktober - Matratze

 

Schon wieder steht Felix alias Romeo auf der Matte.

Uns ist es nur recht. Tim alias Amor hat sich nämlich bestens auf seinen Besuch vorbereitet.

Ohne Umschweife wird die Katz am Arm gepackt und ins Innere der Wohnung gezerrt. Etwas verdattert torkelt Felix hinter Tim her, der ihn schließlich in Max‘ Zimmer hineinschubst.

"Max kommt dann", versichert Tim ihm, als er ihn ganz ratlos und unschuldig anblickt. Und ich muss bei 'kommen' schon wieder zweideutig denken, weshalb ich leicht grinse.

Wir schließen die Tür und lauern genau wie Felix auf Max' Eintreffen. Tatsächlich kreuzt er wenig später auf und verzieht sich prompt in sein Zimmer. Dann geschieht eine ganze Weile nichts. Lediglich ein paar Stimmen dringen an unsere Ohren. Tim und ich gucken uns an. Ob sein Plan Früchte trägt? Wenn Max derart mit Felix konfrontiert wird, muss er sich schließlich mit ihm auseinandersetzen. Und wir hoffen echt, dass das Bett zu knarren beginnt. Nein, wir glauben sogar fest daran.

 

Doch nichts da. Max stürmt aus seinem Zimmer. Sein Blick, ey, der strotzt derart vor Wut, dass ich fast vom Schemel falle.

"Auf so ne Scheißidee kommt auch nur ihr kleinen Pisser, wa?", blafft er uns an und marschiert an uns vorbei. Die Tür steht noch offen. Auf dem Bett kann man Felix sitzen sehen. Er hat seine komplette Kleidung nicht mehr an, sondern auf dem Schoß liegen.

"Dass er sich nackt macht, daran sind aber nicht wir schuld!", verteidigt uns Tim, und es stimmt sogar, was er sagt. Eine Nutte ist stets allein verantwortlich für das, was sie tut.

"Erzählt nicht", mufft Max jedoch nur. Das wars.

Es hätte ja auch keiner gedacht, dass Felix so ne Bettmatratze ist. Vollkommen verzweifelt muss der sein, wenn er solche Sachen durchzieht.

Max allerdings kann ich verstehen. Auch wenns schon schade ist.

 

24. Oktober - Schall und Rauch

 

"Alter, ich krieg die Krise!"

"Was, wieso?"

"Guck dir das an!"

"Was denn?"

"Vor dem Wäschekorb!"

"Wasn da?"

"Tim!" Ich könnte aus der Haut fahren, aber Tim spielt in einer Seelenruhe mit seinem Handy. "Wenn du jetzt nicht gleich mitkommst, sorge ich dafür, dass das Smartphone in deinem Arsch vibriert!"

Daraufhin erhebt er sich träge von der Couch. Obwohl ich gedacht hatte, ihm damit sogar was Gutes zu tun.

 

Im Bad stehen wir vor einem Wäschehaufen.

"Oh", macht Tim, als er checkt, was Fakt ist. "Ein Rock."

"Und was sagt uns das?"

"Der Rock ist schmutzig, deshalb liegt er auf dem Wäschehaufen."

Verzweifelt lasse ich meine Schultern sinken. Worte wie kalibrieren kennen, aber trotzdem dumm wie ein Brot sein. Was hat seine Mutter da nur in die Welt gesetzt.

Aber es gibt ja noch mich. Ich bin das Brain, er ist der Pinky. Ich bin der Schall, er allerdings nur das Würstchen im Rauch.

"Mal unter uns, Süßer: Trägst du Röcke?" Ich lasse es so klingen, als ob ich ihn für ein Ja nicht diskriminieren würde. Doch Tim verneint das ärgerlich.

"Gut, ich auch nicht", stelle ich klar. "Aber wer dann?"

"…Max?", fragt Tim vorsichtig.

"Falsch", sage ich bestimmt. "Ich kenne diesen Rock. Er gehört meiner Mutter. Und Vic hatte den auch schon an."

"Also poppt Max Vic?"

Freudestrahlend wuschle ich ihm über den Kopf.

"Du hast es erfasst!"

Stille. Dann hat Tim einen Einwand.

"Aber was, wenn das gar nicht der Rock deiner Mom ist? Sondern nur einer, der genauso aussieht? Und Max so geil auf diesen Transen-Domi war, weil er für ihn eine Inspiration ist? Und Max doch heimlich-"

"Mach endlich den Kopp zu, Mann! Deine Gedankengänge sind ja ne Gefahr für die Allgemeinheit!"

Daraufhin schweigt er endlich.

Man sollte die Dinge echt lassen, die man nicht kann.

 

25. Oktober - Deal

 

In diesem Haus gehen äußerst merkwürdige Dinge vor sich. Man könnte fast meinen, dass es hier spukt. Erst taucht Max' CD wie aus dem Nichts auf und ein mysteriöser Popel klebt an ihr, als nächstes findet sich ein Rock. Und das in einer reinen Männerwirtschaft.

Und nun liegt auf dem Couchtisch ein Stern. Nein, nicht so einer vom Himmel. Die Zeitschrift Stern. Kennt ihr? Ich kenn den auch. Aber nicht direkt. Also, ich habe noch nie einen Blick in so ein Heft geworfen. Weil mich schon das Cover meist irgendwie...abstößt. Zu viel geballtes Wissen suggeriert es. Dafür sind ich und meine Synapsen nicht bereit.

Heute allerdings riskiere ich tatsächlich einen zweiten Blick auf das Wurstblatt, wem auch immer es gehören mag. Denn auf dem Titelblatt habe ich aus den Augenwinkeln ein höchst interessantes Wort entdeckt.

"Mindestlohn homoriert harte Arbeit der Fachkräfte."

Homoriert? Da kiekste, wa, Jascha? Da fragste dich, was das bedeuten soll.

Zum Glück gesellt sich nun Max zu mir. Und ich kann mal wieder meine blöde Fresse nicht halten.

"Was ist denn 'homorieren'?" Nicht verstehend guckt er mich an. Ich deute mit dem Kinn auf die Zeitung. "Haben die sich da verdruckt?"

Aber noch im selben Zug bemerke ich, dass mich meine Augen verarscht haben.

"Du bist homoriert, Kunde", wirft er mir an den Kopf. "Homoriert ist so wie marmoriert, weißte?"

Blitzschnell schalten meine Synapsen. Ich, ein Heterokuchen, mit Homosexualität durchzogen...

"Also ist homoriert bi", schließe ich. Dafür bekomme ich allerdings eins mit der zusammengerollten Zeitung drübergezogen. "Aua, du Horst."

"Deal", schlägt Max vor. "Ich verarsch dich nimmer, aber du rauchst dafür weniger Gras. Das tut deinen grauen Zellen echt nicht gut."

Eher meinen Augen, denke ich. Auf den Deal lasse ich mich jedenfalls nicht ein. Ohne Gras geht gar nicht in dem Haushalt.

Da wirste ja bekloppt.

 

26. Oktober - Blumenstrauß

 

Irgendwann dreh ich durch. Ohne Scheiß. Nur Verrückte um mich herum. Max sowieso, aber auch Tim. Der scheint unter die Wannabe-Artisten gegangen zu sein. Ohne Erfolg allerdings. Das einzige, was er sich eingebrockt hat, ist eine gebrochene Hand. Er musste ja unbedingt wie blöde irgendwelche Stunts mit dem Rad vollführen, die er nicht bringt, und das auch noch mit Floris alter Kricke. Dann war da ein Stein, und dann war da rums, wie er mir am Handy vom Krankenhaus aus erzählt.

Blöde is der. Selber schuld is der. Das sage ich ihm auch. Und trotzdem fahre ich gleich ins Krankenhaus.

Als ich aus der Bahn steige, entdecke ich einen Blumenladen. Es ist albern, ja, aber irgendwie fühle ich mich dazu berufen, zumindest zwei Rosen zu kaufen. Mehr gibts nicht. Die Geste stimmt Tim sowieso verlegen.

"Oh, ich frag dann die Schwester, ob sie mir ne Vase bringt", meint er mit ganz roten Wangen und lächelt dümmlich.

"Die kannste dir auch in deinen Arsch stecken", erwidere ich.

"Blödmann", murmelt er und pfriemelt verklärt grinsend an den roten Blütenblättern herum. Natürlich mit der gesunden Hand. Die andere muss voll schräg angestanden haben, wie in so nem Horrorfilm, hat er mir erzählt.

Leid tut er mir nicht. Na ja, doch, ein bisschen vielleicht.

"Wenn der Gips trocken ist, schreib ich dir was drauf", verspreche ich. Tims Augen leuchten.

"Aw, was Schönes?"

"Ja", nicke ich. "Penis."

"Ich glaub, das ist ein bisschen zu schön", äußerst Tim seine Bedenken.

"Na gut, dann nicht."

Ich stehe auf. Hab noch andere Dinge zu tun. Aber morgen komme ich wieder. Oder erscheine. Wie der Heilige Geist.

"Bis denn", sage ich.

"Tschüss, Tuffi", sagt Tim.

Ja, morgen werde ich sehr lange bei Tim bleiben und mir all die Küsse holen, auf die ich in der kommenden Nacht verzichten muss.

 

27. Oktober - Krankheit

 

Es ist komisch, so ohne Tim. Irgendwie einsam. Wenn er da ist, nervt er zwar sehr oft, aber eigentlich mag ich das ja.

Max nervt zwar auch, aber das mag ich irgendwie nicht.

Schon als ich von der Arbeit komme, geht es los.

"Wie geht's Tim?"

"Geht schon", murmle ich. "Ich fahr dann gleich hin."

"Wie lange muss er denn bleiben?"

"Weiß nicht."

Er dreht seine Zigarettenschachtel auf dem Tisch.

"Dann sind wir jetzt also eine Weile alleine…"

Was soll denn das bedeuten? Hat er auf diese Gelegenheit gewartet, um mich endgültig flachzulegen? Eigentlich hatte ich dieses Thema längst abgehakt, aber man sollte sich ja nie zu sicher sein. In solchen Bärenschädeln geht bestimmt Seltsames vor sich. Man denke an die Röcke. In stillen Stunden, von denen ich momentan viele habe, so ohne Tim, überlege ich, was wäre, falls Tim Recht hat. Und Max wirklich im Rock geht.

Das wäre schlimm. Für meine ohnehin schon geschädigten Augen. Der bloße Gedanke daran ist schließlich schon hirnschädigend.

"Durch zeugenlose Wald und Wiesen gehst du Gassi mit dem Hund in einem Minirock - Dann fick ihn doch!"

Ich vermute, dass Max das nachstellt. Er, der Hund im Minirock.

Dieser Mann macht mich krank.

 

28. Oktober - Rückblickend betrachtet

 

Max hat Besuch. Ich bin fast froh drüber. So ist er wenigstens abgelenkt.

Sein Gast hat was Asiatisches an sich, wodurch sein Make Up ihn noch puppenhafter wirken lässt. Wer sich mit so einem abgibt, kann eigentlich nur schwul sein. Die These mit dem Rock bestätigt sich immer mehr.

Da ich nichts zu tun habe, tigere ich in die Küche, wo der Bär und die Puppe sitzen. Sie rauchen, während ich den Kühlschrank aufreiße und nach einem kalten Bier greife.

Der Puppenboy guckt. So, als wüsste er, dass ich gerade ziemlich viel trinke. Dabei weiß das nur Max. Der guckt auch, und ich beschließe, eine Show abzuziehen.

Betont klischeeschwul posend baue ich mich mit der Flasche auf. Alle Bewegungen kommen aus der Hüfte.

"Bier macht schön", lasse ich mit meiner authentischsten Werbestimme verlauten. "Oder habt ihr schon mal einen Mann gesehen, der sich schminkt?"

Die Puppe fühlt sich ertappt. Ich lache dreckig, ehe ich mich verziehe.

 

Rückblickend betrachtet war das echt fies von mir. Aber wer schon am 28. Oktober Halloween feiert, bekommt eben sein Fett weg.

Mich hat der doch auch angeglotzt, als hätte ich nen Pimmel im Gesicht.

Wenn Subkulturen aufeinander treffen, passieren eben immer wieder epische Sachen.

 

29. Oktober - Wie Hund und Katz

 

Wenn man nichts zu tun hat, kommt man auf seltsame Ideen. So stehe ich plötzlich bei meiner Mutter auf der Matte.

Nein, lebensmüde bin ich nicht. Aber das ist nicht schlimm. Denn die Herrin tritt mir mit einem Strahlen entgegen, das jedem Atomkraftwerk Konkurrenz macht.

Auch wenn ich es ungern denke, aber so sehen Personen aus, die guten Sex hatten. Und das erst vor wenigen Stunden. Ich weiß das, denn wenn ich Tim mittags vögle, hat der Effekt am Abend schon wieder nachgelassen. Dann wird es Zeit für eine Auffrischung.

 

"Hallo, Jascha, komm doch rein, ich mach dir einen Kaffee!", flötet die Herrin und stolziert in die Küche.

Irgendwas an der Situation macht mir Angst. Vielleicht ist es die Gewissheit, dass meine Mutter ein Sexualleben hat. Gruselig aber wahr.

Man merkt immer mehr, dass Halloween vor der Tür steht.

 

"So, nun erzähl mal, wie gehts dir?"

Wir sitzen vor Kaffee und Kuchen. Ich rühre schon ewig in der Tasse, ohne meine Mutter anzusehen.

"Joa, geht."

"Na immerhin." Sie seufzt zufrieden. "Hat sich was in deinem Liebesleben geändert?"

Ich hebe den Blick.

"Das könnte ich dich fragen", kontere ich, um von mir abzulenken. "Könnte es sein, dass du mir einen Stiefvater unterjubeln willst?"

Die Frage ist gewagt, ich weiß. Vielleicht hat sie ja nur am Wochenende ein wenig Spaß. Aber offensiv ist schließlich mein zweiter Vorname.

Ihr Blick wird starr. Da hätten wir es ja.

"Woher weißt du, dass-"

Ich lächle milde.

"Mom, du siehst aus, als wärst du ihm Urlaub gewesen. Aber da dem nicht so ist und guter Sex den Urlaub ersetzt..."

Auf einmal sieht sie gar nicht mehr so erholt aus. Ihr Ärger macht sie alt. Und ich muss feststellen, dass wir noch immer wie Hund und Katz sind. Auch wenn wir nicht mehr unter einem Dach leben.

 

30. Oktober - Apokalypse

 

Dieses blöde Gruselfest steht vor der Tür. Und ich stehe gar nicht darauf. Moo und Flori allerdings schon.

"Im Basta is fett Party", informiert mich Moo und guckt mich fragend an. "Kommst du auch?"

"Ohne Tim...?" Ich rümpfe die Nase.

Flori springt neben mich und packt mich bei der Schulter. Seine gute Laune ist absolut pervers.

"Klar kommst du!", bestimmt er. "Du warst schon ewig nicht mehr weg. Die Beziehung macht dich echt irgendwie alt."

"Du bist alt", schnaube ich, was jedoch keinen interessiert.

"Ich geh übrigens als Kotzfleck", meint Moo, was dazu führt, dass ich ihn anstarre, als würde ihm das Hirn zu den Ohren rausquellen. Aber was nicht existiert, kann auch nicht rausquellen, fällt mir in.

"Alter, ja, das passt du dir!", lache ich, will mir auf der anderen Seite aber gar nicht vorstellen, wie dieses Kostüm in der Praxis aussieht. Ich lenke mich ab, indem ich Flori angucke.

"Und als was gehst du?"

Der zuckt jedoch die Schultern.

"Der geht als sexy Nonne!", posaunt Moo und zwinkert Flori keck zu.

"Gar nicht wahr", grummelt dieser, und mir wird klar, dass ich nicht mal mehr in die Insider meiner Freunde eingeweiht bin.

Nun richten sich ihre Blicke auf mich.

"Und als was gehst du?"

"Als gar nichts."

"Jascha geht als Regenwolke", verkündet Flori und klopft mir auf die Schulter. "Dazu braucht er sich nicht mal zu verkleiden."

Na super. Bin ich wirklich so schlimm? Verbreite ich tatsächlich eine Stimmung, als würde die Apokalypse nahen?

Das kann ich mir nicht vorstellen. Das ist ein böser Schwindel. Ich bin das pure Leben. Nur eben ein bisschen erwachsener als meine Freunde.

Aber nicht alt. Höchstens reif. Wie ein guter Wein.

Ja, ich sollte als Wein gehen. Als Flasche.

Ach nee, doch nicht. Damit bin ich den ganzen Abend über der Blöde.

 

31. Oktober - Halloween

 

Ich gehe nicht zur Party. Diese Spacken können mich mal Arsch lecken. Auf dem Sofa ist es viel gemütlicher. Max meint, ich würde zu einem Assi mutieren. Aber ich weiß es besser. Ich bin lediglich zu reif für Halloween.

Selbst er geht weg, sagt er, und er hat sogar ein Kostüm.

Max geht im Rock. Ich habe doch immer gesagt, dass er Röcke trägt. Tim hätte so verloren, hätten wir diesbezüglich gewettet.

Allerdings handelt es sich nicht um den Lederrock, den wir neulich im Bad gefunden haben. Zum Glück für meine Augen trägt er einen Schottenrock, der nur wenig von seinen behaarten Beinen entblößt. Was allerdings schon eklig genug ist. Beinahe wäre ich ebenfalls als Kotzfleck gegangen. Aber ich kann mich gerade noch beherrschen.
 

Nachdem Max mit seiner Sackpfeife abgezogen ist und ich an meiner Sackpfeife spielend daheim geblieben bin, dauert es nicht lange, bis es klingelt.

Zwei Kinder stehen vor mir. Dracula und Frankensteins Monster.

"Süßes oder Saures!", krakeelen sie.

"Gut, dann nehm ich Süßes", sage ich ungerührt.

Damit scheinen sie nicht gerechnet zu haben. Mir gleich. Süßes gibts für mich allerdings nicht.

Tim hätte mir bestimmt Süßes gegeben. Die ganze Nacht lang. Aber der musste ja unbedingt kaputtgehen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Agent-00i
2015-04-22T23:26:23+00:00 23.04.2015 01:26
Dein Schreibstil ist wie immer herrlich ♥
Freue mich schon aufs nächste Kapitel!
Antwort von:  Anemia
23.04.2015 08:20
Freut mich, dass dir diese kleinen Chaosepisoden gefallen und du es trotzdem noch liest, obwohl es so eine lange Update-Pause gegeben hat...;) Ich hoffe, nun bis zum Ende durchzuhalten. :D

Danke fürs Lesen!

lg Serpa


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