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Hunters

Die Erinnerungen des alten Silver
von

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Kapitel Dreizehn

~Kapitel Dreizehn~

»Noch ein Schnitt hier... und ein Schnitt da... Eine Schande ist das, mein Täubchen!« Langsam hob er sein scharfes Skalpell und Schnitt der jungen Frau vorsichtig das Auge heraus. Dann wusch er es in einer Schale mit einer silbrigen Flüssigkeit aus und gab es in ein Glas mit einem speziellem Alkohol, in dem auch das andere Auge schwamm. »Ihr habt wirklich einer sehr eigenartige Sammelleidenschaft.« Teilnahmslos hob er sein geliebtes Skalpell in die Höhe und betrachtete es im Schein der Fackeln. Rubinrotes Blut glänzte an der Spitze der scharfen Klinge. Dann wischte er es Sorgfältig ab und legte es zurück in seine, wie er es nannte, Werkzeugtasche. »Wer ist das?« Er schaute das Mädchen an, auf welches der ungebetene Gast deutete. »Hab ich vergessen. Sie war krank, nichts zu machen. Ich nannte sie Täubchen. Wegen ihrer schönen, grauen Augen. Aber das sind jetzt nicht mehr ihre. Jetzt ist mir auch egal, wie sie hieß.« Er ging zu seinem Schreibtisch und trank den Tee, den er sich vor gut sieben Stunden gekocht hatte. Angewidert verzog er das Gesicht. »Kalt!« Dann wandte er sich dem ungebetenem Gast zu. Und war überrascht. »Ah! Ihr seid schon wieder zurück? Gibt es Neuigkeiten?« Der Schlossherr schüttelte den Kopf. »Nein, nicht wirklich. Keine Spur von der Prinzessin. Soll mir auch egal sein.« Er schaute ihn an. »Wieso die Prinzessin? Ich spreche von eurem Mündel. Was ist mit der Prinzessin?« Der Schlossherr konnte sich sein Lachen nicht verkneifen. »Ihr solltet öfter aus diesem Loch herauskommen. Sorth's Tochter wurde bereits vor Monaten entführt! Es ist in aller Munde, jeder redet darüber.« »Ist mir egal.« Er schlenderte gelangweilt an einem seiner riesigen Regale vorbei. Irgendwo musste noch ein Plätzchen sein. »Gefunden!« Behutsam stellte er das Glas zwischen seine anderen Sammelstücke. Dann seufzte er. »So schön sie alle auch sind, es fehlt einfach etwas! Ich habe schon beinahe alles... Grüne, Braune, jede Menge Graue und Blaue. Sogar Gelbe und Rote.« »Violett?« Er schüttelte sich. »Bah! Violett ist eine so schmutzige Farbe, so unrein! Ich suche etwas anderes.« »Und das wäre?« »Es muss gefährlich sein und gleichzeitig verängstigt. Mutig und traurig. Eine Mischung aus Reinheit und Boshaftigkeit.« Hastig ging er auf den Platz zu, den er extra für sie bereit hielt. »Und was ist das?« Seine langen Finger strichen sehnsüchtig über das leere, kalte Glas. »Schwarz.«
 

Blake ging ein wenig abseits von den anderen. Er hatte keine Lust sich ihrer geradezu ekelhaften guten Laune anzuschließen. Seit Tagen schon war er genervt. Die plärrende Prinzessin, das Antika-Weib, das die Gefahr geradezu magisch anzog. Und dann noch dieser Gockel, der sich aufspielte, als wäre er der große Held. Irgendwie vermisste er die Zeit, als nur er und Zoran unterwegs waren und die Prinzessin noch Angst vor ihnen hatte. Zorans vertrauen hatte er verloren. Aber das war ihm jetzt auch egal. Blake wollte einfach nur noch weg. Doch das ging noch nicht. Er kannte die Gegend nicht. Das Risiko, von Zoran dabei entdeckt zu werden, wenn er versuchen sollte, sich heimlich aus dem Staub zu machen, war ihm zu groß.

Ihr nächste Anlaufstelle sollte ein verstecktes Dorf im Unterholz sein. Laut dem Banditen lebten dort nur gesuchte Verbrecher. Angeblich seien dort alle Menschen friedlich und würden keiner Fliege etwas zuleide tun. Blake schwor sich, wenn er nur einmal sah, wie jemand sein Hab und Gut zu lange musterte, dann würde derjenige mindestens eine Hand verlieren. Aufmerksam schaute er sich um. Der Wald war nicht mehr so dicht. Sonnenstrahlen drangen durch die dicke Blätterschicht. Eigenartig. Es war tiefster Winter und doch war kaum ein Blatt von den Bäumen gefallen. Sie waren herbstlich rot. Die Sonne ließ etwas von dem Schnee, der auf ihnen lag, schmelzen, tropfte glitzernd auf sie hinab und lief die weiße Baumrinde herunter. Selbst Blake musste sich eingestehen, dass dieser Anblick etwas Magisches hatte.

»Hey, Blake! Gesell dich doch zu uns!« Aus den Augenwinkeln konnte Blake sehen, wie der Bandit ihn zu ihnen winkte. Er ignorierte es einfach. Es gab derzeit kaum etwas, was er weniger wollte, als die Gesellschaft dieser... Leute. Stattdessen hielt er Ausschau nach Gefahren. Und überlegte dabei, wie und wann er am effektivsten verschwinden konnte.
 

Callum versuchte kein zweites Mal, Blake zu einem Anschluss an die Gruppe zu bewegen. Doch es missfiel ihm, dass Blake sich so abkanzelte. Er traute ihm nicht. Irgendetwas stimmte mit dem Jungen nicht. Er war gefährlich... vielleicht sogar zu sehr. Ohne den Blick von Blake zu lassen sprach er leise mit Zoran. »Irgendwas hat der vor. Ich spüre es.« Die ausbleibende Verneinung interpretierte Callum als Zustimmung. Blake machte die letzten Tage Anmerkungen und Andeutungen, in denen es nicht selten um den Tod seiner Begleiter, insbesondere von ihm, ging. Die Anderen winkten es als seinen doch sehr morbiden Humor ab, doch Callum glaubte, ernsthafte Drohungen in Blakes oftmals sarkastischem Unterton zu hören. Er wurde jäh aus seinen Gedanken gerissen, als hinter ihm eine herbe Diskussion begann. »Sag mal, wie redest du eigentlich mit mir? Hast du vergessen wer ich eigentlich bin?« »Wie könnte ich? Du erinnerst uns ja schließlich jede Minute daran!« »Werd ja nicht frech, oder...« »Oder was? Dann verprügelst du mich mit dem Stab? Schätzchen, denk lieber zweimal darüber nach. Bevor du das Ding auch nur angehoben hast, hab ich dich schon dreimal geköpft.« »Das. Wagst. Du. Nicht.« »Wenn du so weiter machst, garantiere ich da nicht für.« Callum blieb stehen und wartete auf die Beiden. »Was ist denn mit euch los?« Sharon zeigte wütend mit den Finger auf Fay. »Die da hat mich als blöde, hässliche Nervensäge bezeichnet.« Fay machte eine Geste der Verzweiflung. »Bei allen Göttern, Sharon, hör mir doch richtig zu! Übrigens, das ist sehr unhöflich, das macht man nicht.« Sie drückte Sharons immer noch ausgestreckte Hand nach unten. Vorsichtig meldete Zoran sich zu Wort. »Ähm, das hast du doch nicht wirklich gesagt, oder? Das wäre doch sehr... untypisch für dich.« Callum flüsterte. »Zumindest es ihr direkt ins Gesicht zu sagen.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich sagte nicht du seist dumm, sondern reichlich unaufgeklärt was viele Dinge betrifft, wofür du aber nichts kannst, was ich dir auch gesagt habe. Hässlich habe ich dich auch nicht genannt. Ich habe dir lediglich den Tipp gegeben, dass es praktischer ist, deine langen Haare zusammen zu stecken, weil du ständig mit dem Zopf in irgendwelchen Ästen hängen bleibst. Und eine Nervensäge... nun, ja doch, das habe ich tatsächlich zu dir gesagt.« Erstaunt beobachtete Callum, wie schnell Sharons Kopf seine Farbe von normal zu dunkelrot wechselte. Der darauf folgende Wutausbruch dauerte über eine halbe Stunde. Nach den ersten zehn Minuten beschlossen sie einfach weiter zu gehen, da sämtliche Versuche die Prinzessin zu beruhigen scheiterten. Und irgendwie war es ihnen dann auch egal. Wenn sie jetzt noch niemand gehört hatte, dann waren sie vermutlich eh die Einzigen in diesem Gebiet. Callum schlug vor, sie zu fesseln und zu knebeln. Doch fand sich keiner, der bereit war, Sharon durch die Gegend zu schleppen. Also ließen sie das Geschrei über sich ergehen.

Nachdem Sharon endlich wieder Ruhe gab, liefen sie alle schweigend nebeneinander her. Es war kühler geworden. Dichte Nebelschwaden bildeten sich. Kaum ein Geräusch war vernehmbar. Etwas bedrohliches lag in der Luft. Nervös schaute Callum sich um. »Wir kommen gleich in dem Dorf an.« Leise zog er einen Pfeil aus seinem Köcher und legte ihn an seinen Bogen an, bereit zu schießen. »Hier stimmt etwas nicht.« Auch Zoran und Fay waren Kampfbereit. Blake, inzwischen doch zu ihnen gestoßen, hielt sein gezücktes Schwert. Sharon ging dicht hinter ihm. Hinter der nächsten Ecke waren die ersten Häuser zu sehen. Es waren provisorisch zusammengezimmerte Bretterbuden. Immer mehr Häuser waren nun zu sehen. Alle wild durcheinander gebaut, mal sehr groß, mal so klein, dass maximal ein Mensch dort wohnen könnte... wenn es dort Menschen gegeben hätte. Doch das Dorf war verlassen. Keine Menschenseele war zu sehen. Die Häuser sahen aus, als stünden sie seit Ewigkeiten leer. Callum konnte sich das nicht erklären. Noch keine drei Monate war es her, da war das Dorf voll und belebt. Die Menschen feierten ausgelassen. Und überall waren Tiere. Aber nicht einmal mehr die waren mehr da. »Sieht so aus, als hätten die Menschen die hier lebten schlagartig das Dorf verlassen. Sind hier oft Soldaten in der Gegend?« Callum schüttelte den Kopf. »Nein, meine Männer und ich haben dieses Dorf geschützt. Wir haben die Soldaten abgelenkt.« Auf der Straße, die zwischen den Häusern durchführte, lagen allerlei Dinge herum. Kleidungsstücke, Töpfe und Pfannen, eine alte Karre und sogar Messer und Äxte. »Hier war etwas schlimmeres als Soldaten am Werk.«
 

Schweigend schlichen sie um die Häuser herum. Aufmerksam lauschten sie jedem noch so kleinem Geräusch. Selbst Blake wurde die Sache langsam zu bedrohlich. Was auch immer dort an diesem Ort passiert war... es musste Überirdisch sein. Keine menschliche Armee, wie groß sie auch sein Möge, konnte diese dunkle Aura in der Luft lassen. Blake wollte den Rückzug vorschlagen, doch seit einigen Minuten war seine Aufmerksamkeit, geradezu magisch, an dem See gefesselt. Die Oberfläche war komplett zugefroren, eine dicke Eisschicht lag darauf. Aber dennoch strahlte der See etwas aus. Für Blake fühlte es sich an wie eine Mischung aus Leben und Tod. Vorsichtig bewegte er sich auf das gefrorene Wasser zu. Er konnte nicht sehen, was sich unter der Eisschicht verbarg, aber er spürte, dass es nichts Gutes war. Er ging in die Hocke und wische mit dem Ärmel seines Mantels einige Male über die Oberfläche, bis sie glatt genug war um durchzusehen. Mit dem was er sah hatte er zwar irgendwie gerechnet, aber dennoch ließ es ihm das Blut in den Adern gefrieren. Ohne den Blick von dem Eis zu wenden rief er die Anderen zu sich. »Ich weiß jetzt, was mit den Leuten passiert ist.« Als er spürte wie sich die Anderen näherten drehte er sich blitzschnell um. »Du bleibst wo du bist!« herrschte er Sharon an. »Wieso?« »Weil ich nicht will, dass du den halben Wald zusammenschreist.« Zu seinem Glück protestierte Sharon nicht sondern nahm seine Anweisung stillschweigend an. Die Angst hatte wohl über ihre Neugier gesiegt. Zoran, Fay und Callum waren mutiger. Sie bildeten einen Kreis und die glatt geriebene Fläche und schauten hinein. Nun blickten auch sie in die toten Augen der Dorfbewohner, die leblos unter der Eisschicht im Wasser trieben, den blanken Schrecken im Gesicht. Ihre Haut war beinahe so weiß wie der Schnee. Aufgequollen und irgendwie schuppig. Ihre Haare wirkten wie Spinnweben, die gespenstisch durch das dunkle Wasser schwebten. Fay wandte sich nach kurzer Zeit als Erste ab. Schwer atmend trat sie von der Eisfläche. Callum folgte ihr. Der Anblick schien ihn wütend gemacht zu haben, seine Hände waren zu Fäusten geballt. Zoran verharrte mit Blake auf dem See. Er ging in die Hocke und tastete das Eis mit seinen Fingern ab. Dann schüttelte er nachdenklich den Kopf. »Was ist?« fragte Blake. Zoran huschte mit seinen Augen über das Eis. »Das ist kein normales Eis. Es ist viel zu trocken für diese Witterung. Eigentlich müsste die Oberfläche längst angeschmolzen sein. Und rutschig ist es auch nicht.« Blake wollte etwas sagen, als sie plötzlich um sich herum lautes knacken vernahmen. Sofort sprangen sie auf und liefen zum Ufer. Blake musterte kurz die Anderen. Alles starrten wie gebannt auf das, was vor ihnen passierte. Die dicke Eisfläche zerbrach von ganz allein. Auf der gesamten Oberfläche erschienen tiefe Rissen, die unter lautem knallen zersprangen. Dichter Nebel stieg aus ihnen hervor und bedeckte den Boden. Er hatte einen unheimlichen, blauen Schimmer. Als er komplett ihre Füße bedeckte, schoss er plötzlich nach oben. Blake konnte noch hören, wie Zoran laut rief. »Nicht einatmen! Haltet euch was vor den Mund!« Doch Blake wurde schon schwindelig. Die Welt um ihn herum verschwamm und alles wurde schwarz.
 

Als Blake die Augen wieder aufschlug fand er sich in der Wüste wieder. Verwirrt schaute er um sich. Keine Menschenseele weit und breit. Und auch sonst kein Leben. Weder Pflanzen noch Tiere. Um ihn herum war nur Sand und karge Felsen, die in der prallen Sonne glänzten. Er spürte keinen Luftzug. Und es war unerträglich still. Seine Kehle war trocken. Blake wollte losgehen um Wasser zu suchen, da merkte er, dass er Barfuß war. Und seine Schuhe waren nicht das Einzige, was fehlte. Sein Oberkörper war komplett frei. Er trug nur so etwas wie eine schwarze Hose aus Leinen. Und Waffen trug er auch nicht mehr bei sich. Er versuchte einen klaren Kopf zu bewahren und sich einen Reim darauf zu machen, doch er wusste nicht wie. Es gab keine logische Erklärung für diese Situation. War es eine Halluzination? Möglich war es. Aber der Sand zwischen seinen Zehen fühlte sich echt an. Ein Traum? Nein, das war völlig unmöglich. Er hatte noch nie geträumt. Er war sich nicht einmal sicher, ob er das überhaupt konnte.

Ein schüchternes Kichern unterbrach die unheimliche Stille. Blake schaute in alle Richtungen, konnte die Geräuschquelle aber nicht ausfindig machen. »Hab keine Angst.« Die Stimme, die klang wie der liebliche Gesang eines jungen Mädchens, hallte von allen Seiten durch die unwirkliche Landschaft. Er hielt sich in Kampfposition bereit, auch wenn er nichts bei sich trug, womit er kämpfen konnte. »Wer bist du? Zeig dich!« Das Kichern wurde lauter. »Wer ich bin? Wer bist du denn?« Er wagte es nicht, sich von der Stelle zu bewegen. Und selbst wenn, er hätte es eh nicht geschafft. Sein Körper war schwer wie Blei. »Was wird hier gespielt?« »Ich spiele gerne. Spielst du auch gerne?« Die Hitze machte ihn beinahe Wahnsinnig. Dabei war er das Wüstenklima gewöhnt. Schließlich war er dort geboren und aufgewachsen. Aber diese Hitze war anders. »Nein, ich hasse es zu spielen. Und ganz besonders hasse ich es, wenn ich das Spielzeug bin!« »Lass und Verstecken spielen.« Blake verlor allmählich die Geduld, zwang sich aber so gut es ging, einen klaren Kopf zu bewahren. »Tust du das nicht bereits?« »Ich will es nach meinen Regeln spielen. Keine Sorge, es wird nicht langweilig, denn es ist nach einer Runde vorbei.« Er wusste, dass nun nichts Gutes folgen würde. »Ich verstecke dich und niemand wird dich jemals wiederfinden.«

Plötzlich wurde Blake von einer Eiseskälte umfasst. Er konnte nicht mehr atmen. Die Wüste um ihn herum war verschwunden. Als er seine Augen aufriss, fand er sich im Wasser wieder, treibend zwischen all den Leichen der Dorfbewohner. Er hatte nur noch eine Gedanken: Luft! Angestrengt versuchte er an die Wasseroberfläche zu kommen, doch seine Schwere Ausrüstung zog ihn immer weiter in die Tiefe. Er zappelte mit den Beinen und ruderte mit den Armen doch es half alles nichts. Das Wasser um ihn herum wurde immer kälter und immer dunkler und immer erdrückender. In seinem Kopf drehte sich plötzlich alles um den Tod. Nein! So würde er nicht enden. Auf einmal fühlte er, wie sein Herz immer schneller Schlug, Seine Brust wurde immer wärmer, dann Heiß. Sein Herz drohte unter dem Hämmern und Brennen seine Brust zu sprengen. Und dann, wie aus dem Nichts, erfüllte eine Welle der Macht seinen ganzen Körper. Wieder versuchte er an die Wasseroberfläche zu schwimmen... und es gelang ihm mit Leichtigkeit. Es dauerte nur wenige Augenblicke, da durchbrach sein Kopf die Wasseroberfläche und er rang nach Luft. Er spürte wie sich seine Lungen weiteten als das erste Mal tief durchatmete. »Du lebst noch?« Erschrocken sah er auf. Am Seeufer lagen die Anderen, alle Bewusstlos. Neben Sharon stand eine Frau und starrte Blake mit Angsterfülltem Ausdruck an. Sie war groß, hatte lange weiße Haare und ihre Haut schimmerte wie ein blauer Kristall. Blake zog sich an der Eisschicht aus dem Wasser und zog sein Schwert. »Warum so Überrascht? Bist es wohl nicht gewohnt, dass jemand deine billigen Tricks überlistet.« Die Frau starrte ihn an, als würde sie dem Tod persönlich Gegenüber stehen. »Kein Mensch. Kein Mensch. KEIN MENSCH!« Blake umklammerte sein Schwert. Das hübsche Gesicht der Frau hatte sich zu einer schauderhaften Fratze verzogen. Ihr Gesicht wurde immer länger, ihre Zähne spitzer. Ihre strahlend blauen Augen waren nur noch schwarze Löcher. Kreischend und schreiend schwebte sie auf Blake zu. Dieser hob sein Schwert und mit nur einem einzigen Hieb war das Leben der Frau vorbei.
 

Callum fasste sich an dem Kopf. Sein Schädel brummte als ob jemand mit einem Holzknüppel stundenlang auf ihn eingeprügelt hätte. Als er seine Augen öffnete sah er über sich den Sternenhimmel. »Was? Schon Nacht?« Angestrengt versuchte er sich aufzurappeln. Dann spürte er, wie ihm jemand dabei half. »Alles in Ordnung?« Er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Eigentlich hatte ich gehofft unter etwas anderen Umständen neben dir aufzuwachen.« Einen Moment später spürte er schon, wie Fay ihm eine ordentliche Menge Schnee ins Gesicht klatschte. »Ich merke schon, es geht dir blendend.« Hinter ihm stand Zoran mit verschränkten Armen und schaute auf ihn herab. Langsam rappelte er sich auf und klopfte sich den Schnee von seinem schwarzen Pelz. »Was ist denn eigentlich jetzt los? Ich weiß noch, dass plötzlich Nebel aus dem See kam. Aber ab dann habe ich keinerlei Erinnerungen mehr.« Fragend schaute er abwechselnd Fay und Zoran an, doch beide zuckten unwissend mit den Schultern. Hinter Zoran sah Callum Sharon an einem Baum lehnen. Ihre Augen waren noch geschlossen. »Ist sie Tod?« fragte er vorsichtig. »Leider nein.« Blake kam nun auf sie zu. Aber irgendetwas stimmte nicht mit ihm. Etwas war anders. Callum musterte ihn einige Minuten bis er darauf kam. »Du bist ja ganz nass!« »Blitzbirne!« »Warum in aller Welt bist du so nass?« »Weil die da mich ersaufen wollte!« Callum schaute verwirrt in die Richtung in die Blake deutete. »Was ist den... DAS?« Auf dem Boden einige Meter von ihm entfernt lag ein Berg nasser Lumpen. Und darunter ein schlaffer, schuppiger Körper. Dünn wie ein Fisch. Zoran klärte auf. »Blake hat uns vor einer Seewassernymphe gerettet.« Fay schaute ihn fragend an. »Einer was?« »Einer Seewassernymphe. Das sind keine menschlichen Frauen. Sie verstecken sich im Wasser und betäuben die Menschen mit ihrem Nebel und ertränken sie.« Callum wandte sich an Fay. »Wo ich herkomme nennt man sie Nebelweiber.« »Stimmt, der Begriff ist mir schon einmal unter gekommen.« Zoran stapfte auf Sharon zu. »Ich schlage vor, wir wecken Prinzessin auf und sehen zu, dass wir hier weg kommen.« »Und wer weckt sie?« Zoran blickte herausfordernd Fay an. »Dieselben Regeln wie immer?« »Dieselben Regeln wie immer. Blake, da du schon unser aller Leben gerettet hast, hast du ein Freilos gezogen und musst sie nicht wecken. Wärst du so nett und denkst an eine Zahl zwischen Eins und Zwanzig?« Blake grinste. »Mit dem größtem Vergnügen.«
 

Verträumt schlenderte er durch die leeren Gänge des Schlosses. Das machte er gerne des Nachts. Die schwarzen Kristallwände hatten im Mondschein einen besonders schönen Glanz. Und sie hatten diesen seit ungefähr Tausend Jahren beibehalten. So lange war es schon her, dass die Menschen dieses Schloss in einen riesigen, schwarzen Bergkristall formten. Wie sie das geschafft hatten, war ein Rätsel, dass wohl niemals gelöst werden würde. Im laufe der Jahrhunderte hatten viele Menschen das schwarze Schloss bewohnt. Sein jetziger Besitzer passte hierher, dachte er bei sich. Ein komischer Typ, aber dennoch nicht uninteressant. Fast schon wert, ihn einmal zu untersuchen. Gerade weil es nun wirklich nicht mehr allzu viele seiner Art gab.

Er betrat einen der Zahlreichen kleinen Balkone, die an der Westseite zu finden waren und schaute auf das Meer hinaus. Der Mond regte seine Gedanken an. Er erinnerte ihn immer die gebrochenen Seelen, die er gerne der Welt hinterließ. Er liebte es, die Psyche der Menschen zu durchstoßen. Ebenfalls eine seiner bizarren Leidenschaften, die er nur zu gerne auslebte. Am liebsten an jungen Männern. Er schloss die Augen und dachte daran, wen es als nächstes treffen würde. Der Schlossherr hatte ihm einen Tipp gegeben. Er brauchte ihm nur entgegen zu gehen, denn, der Schlossherr sagte, sie würden bald in der Nähe sein. Genussvoll dachte er an das, was auf ihn wartete. Die langersehnten, schwarzen Augen. Sie waren zum greifen nah. Doch wollte er sie sich nicht einfach so holen. Er wollte sie sich verdienen. Er wollte sie mit der gesamten Leere der gequälten Seele des Trägers füllen, bevor er sie aus ihrem Gefängnis herausschnitt und für die Ewigkeit aufbewahrte. Genussvoll leckte er sich über die Lippen. Dann öffnete er die Augen und flüsterte den Namen seines nächsten 'Kunden' wie ein Mantra dem Mond entgegen. »Blake.<<



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