Zum Inhalt der Seite

Vorahnungen

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Teil 2
 

Abschnitt 1:
 

Langsam erhob sich die Sonne am Horizont. Sie tauchte die äußeren Bezirke der französischen Hauptstadt in goldenes Licht. Viele waren um diese Zeit schon wieder dabei geschäftig ihrem Tagwerk nachzugehen. Nur wenige hatten ein Auge für die tatsächliche Schönheit dieses Ereignisses das in der immer näherrückenden kalten Jahreszeit bald schmerzlich vermisst werden sollte. Ihr war der neue Tagesanbruch weder entgangen noch egal, ganz im Gegenteil: Sie hätte ihn sich nicht intensiver fortwünschen können. Nicht das sie nicht wie die meisten genießen würde wenn die Wärme der Sonne langsam ihr Gesicht liebkoste und die innere Kälte vertrieb, doch in ihrer jetzigen Situation würde der Morgen nur bedeuten das sie aufstehen müsste. Gerade das widerstrebte ihr zutiefst. Als sie am gestrigen Abend mit ihrem Kopf auf seinem Arm eingeschlafen war hatte sie sich so verstanden und geborgen gefühlt. Die Wärme und Nähe von Athos hatte ihr vor Augen geführt wie schmerzlich sie einen Menschen in ihrem Leben vermisst hatte der ihr diese Zuflucht bot. Scheinbar war es ihm ähnlich ergangen. Er hatte so erleichtert gewirkt nachdem er sich diese schreckliche Verbindung zu Mylady von der Seele geredet hatte. Beide hatten sie ihre Geheimnisse gehabt, daher waren sie auch die idealen Partner wenn es galt den Anderen zu verstehen. Und vielleicht sogar mehr als das. Mitten in der Nacht war sie aufgewacht und hatte sich in dieser so vollkommen neuen Lage wiedergefunden. Athos hatte sich im Schlaf gedreht und so lag sie nun zwar immer noch auf einem seiner Arme, der andere jedoch war ihr über der Decke knapp oberhalb der Hüfte um die Taille gelegt. Sie hatte nicht gewusst welche Reaktion in dieser Situation angebracht gewesen wäre. Also hatte sie der erstbesten Eingebung folge geleistet und war, still für die kühle nächtliche Witterung dankend, näher an ihn gerückt. Als sie nun gerade erwacht war hatte sie festgestellt das dies Athos nicht unangenehm gewesen sein musste, er hatte ebenfalls seinen Griff verstärkt und sie näher an sich herangezogen. Nun lag sie dort, sein schlafendes Gesicht betrachtend, das so viel jünger und entspannter wirkte als zuvor. Geteiltes Leid ist nicht nur halbes Leid dachte sie sich, scheinbar lässt das Teilen einen Großteil verschwinden. Mit dieser Erkenntnis schloss sie ihre Augen und befand den Morgen für noch viel zu jung als das er ein Aufstehen rechtfertigen würde. Einige Zeit später erwachte sie als der Wind ganz sanft mit einigen ihrer Strähnen spielte. Er musste durch einen Spalt in den hölzernen Läden gekrochen sein um ihr im speziellen diesen wunderbaren Morgen zu versauern. Sie dachte darüber nach die Augen zu öffnen, doch erkannte plötzlich das es ein paar warme Finger waren die ihr langsam und vorsichtig durch die Haare fuhren. Einige Minuten verstrichen ohne das sie auch nur durch die geringste Regung gezeigt hätte das sie wach war. Dann, kurz nachdem ihr Begleiter diese wohltuende Behandlung beendet hatte, hob sie langsam die Lieder. Mit einem fragenden Blick und einem scheuen Lächeln blickte sie Athos ins Gesicht. Selbiger antwortete mit einem nachdenklichen Ausdruck auf die im Raum schwebende Frage: "Es ist noch viel zu kalt und zu früh um aufzustehen."

Selig lächelnd schloss sie mit gespielter Müdigkeit ihre Augen wieder und rollte sich an ihn gedrückt zusammen. Sie wusste das er log. Eine unangenehme Wahrheit ist besser als die angenehmste Lüge kam es ihr in den Sinn. Nun, falls das so war hatte sie gerade die Ausnahme zur Regel gefunden. Und in der Gewissheit das man einer schlaftrunkenen Person nicht viel übel nehmen kann schmiegte sie sich vor der von ihm erfundenen Kälte schutzsuchend an ihn.

Auf diesen kalten Morgen folgte ein kalter Vormittag, und diesem wiederum ein kalter Nachmittag bis gegen Abend der Hunger dafür sorgte das die Temperatur in annehmbare Höhen gestiegen war.
 


 

Abschnitt 2:
 

Zur Zeit der Dämmerung begaben sie sich in den Schankraum des Gasthauses. Bis auf einige wenige Reisende war niemand eingekehrt, nicht einmal die Hälfte der Plätze war belegt. Athos bestellte ein handfestes Abendessen das sie gut gebrauchen konnten. Sie hatte mittlerweile einen Hunger bekommen der fast so stark war das er die Kälte aus dem Zimmer vertrieben hatte. Aber nur fast. Hätte Athos nicht ebenfalls den Drang verspürt eine Kleinigkeit, wie er so gern sagte, zu sich zu nehmen, dann hätte ihr einzelner Appetit nicht genug gegen die Kälte ausgerichtet um diese wohlige Umarmung zu lösen. Beim Essen unterhielten sie sich leise über Belangloses und gaben sich unauffällig. Doch kurz bevor sie ihr Mahl verzehrt hatten wurde es laut. Einige Reisende begannen sich lauthals über das Ergebnis eines Würfelspiels zu streiten. Die eine Partei bestand auf ihrem Recht am vereinbarten Gewinn, die andere auf der Meinung das dies ein glücksunabhängiges Glücksspiel gewesen sei. Den aufkommenden Ärger in ihrer Zuflucht erahnend erhob sich Aramis um dieser Bedrohung Herr zu werden ehe es zu einer Eskalation kommen konnte. Doch kurz bevor sie ihr Wort erheben konnte flogen auch schon die ersten Teller. Die zaghaften Bemühungen des Wirtes die über ein "Aber bitte, meine Herren!" nicht hinauskommen wollten verhallten ebenso wie die dumpfen Geräusche von Schlägen die menschliche Körper treffen. Ihr Gesicht in einer Hand vergrabend schüttelte Aramis den Kopf. Sie konnte nur hoffen das diese ganze Situation nur als einfache Wirtshausschlägerei keinerlei Beachtung fand. Doch plötzlich erkannte sie in dem allgemeinen Krawall die Klinge eines kurzen Dolches. Ab jetzt zählte jede Sekunde! Sie sprang zusammen mit Athos, der sich ihren Rücken deckend hinter ihr aufgebaut hatte in die Menge. Während Athos versuchte mit seinem Rapier Abstand zwischen die Raufbolde zu bringen konnte Aramis gerade noch mit dem kräftigen Schlag eines Stuhlbeins verhindern das der Dolch hinterrücks sein Ziel fand. Seinen rechten Unterarm umklammernd starrte der nagetierähnliche Feigling zu ihr auf.

"Eine Schlägerei sollte nicht in einer Messerstecherei enden wenn es nur um Geld geht. Teilt den Einsatz auf wie er vor dem Spiel war und hört auf wenn ihr alle nicht bereit seid zu verlieren." Auf ihre kurze Ansprache hin folgte von einigen unbeteiligten Zuschauern zustimmendes Gemurmel. Die Spieler beeilten sich es gleichzutun nachdem Athos Klinge einige bedrohliche Kreise in die Luft gezeichnet hatte. Sie begannen also die Münzen zusammenzuklauben und aufzuteilen, möglichst ohne so zu wirken als ob ein Streit über den Besitz ausbrechen könnte da man sich sicher war das Athos mit seinem Rapier beim nächsten Zank den einen oder anderen Oberschenkel finden würde. Gerade als alles geklärt schien und sie Athos den Vorschlag machen wollte noch einen kleinen Imbiss für die Nacht mit hinaufzunehmen sprang der scheinbar doch nicht bekehrte Messerstecher hinterrücks auf Aramis zu. Athos, welcher derweil darauf geachtet hatte das sie sich vor den potentiellen Meuchlern keine Blöße gaben, nutzte die Länge seiner Waffe voll aus und durchbohrte den Oberarm seines Gegners bevor dieser eine wirkliche Gefahr für einen von ihnen darzustellen begann. Nachdem dessen Waffe nun wirkungslos zu Boden fiel ergriff Aramis das bösartige Wiesel welches ihr nach dem Leben getrachtet hatte und beförderte es durch ein geschlossenes Fenster auf die Straße. Nachdem der Kerl sich vom Aufschlag auf den harten Feldweg erholt hatte rannte er wild über ein Teufelsweib und ihren Buhlen fluchend zwischen die nächstbesten Büsche und Sträucher um in ihnen auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden.
 

Abschnitt 3:
 

Nach dem Abenteuer in der Stube waren Aramis und Athos wieder auf ihr Zimmer zurückgekehrt. Voller Wohlwollen erinnerte sie sich an die plötzlich größer gewordene Sorge mit der ihr Freund nun über ihr Leben wachte. Er hatte diese Ratte nicht mal im Ansatz auf Stichlänge herankommen lassen bevor er ihm den Garaus machte. Auch wenn sie nicht bevormundet und eingezwängt sein wollte konnte sie beim besten Willen Athos verhalten nicht als derartiges Einordnen. Es war kein Bestimmen über ihr Leben, sondern ein Bewachen. Das hatte sie für sein Tun soeben festgelegt. Und sie war außerordentlich glücklich das er dies auf so selbstverständliche Art tat. Sie saßen wie am Abend zuvor auf dem Bett und aßen, diesmal jedoch wirkte Athos zutiefst nachdenklich. Sie konnte vor Sorge das er sich wieder verschließen würde nicht anders als ihn danach zu fragen was ihn so offensichtlich bewegte. "Nichts weiter, meine Liebe." Er hatte sie meine Liebe genannt. Nicht Kamerad, Freund oder Aramis. Es beflügelte sie dermaßen das ihr der nachfolgende Satz fast entging. "Wir können uns nur nicht ewig hier verstecken. Die Konfrontation mit wem auch immer wird sich nicht umgehen lassen und ich bin dazu auch nicht gewillt. Lieber ein offener Kampf als ständig die Sorge vor einer Klinge hinterrücks. Du hast gesehen wie schnell das gehen kann." Auch wenn ihr der Gedanke gefiel den Feind zu stellen und unschädlich zu machen, irgendwie war es auch eine Überlegung wert in diesem gemütlichen Zimmer mit Athos weiterhin der Kälte zu trotzen. Sie nickte jedoch zustimmend und antwortete: "Dann lass uns gleich morgen früh aufbrechen. Wenn wir nicht zu lange an einem Ort bleiben ist es sicherer." "Auch wenn du damit sicher recht hast," erwiderte Athos, "für unsere Tarnung wäre es nicht besonders." "Aha. Und als was sind wir denn nun getarnt? Die Tarnung muss sehr gut sein wenn noch nicht einmal ich sie bemerkt habe." scherzte sie. Als Athos begann verlegen und beunruhigend intensiv ein Stück Käse zu beobachten hob sie die Brauen. Mit einem bohrenden Blick brachte sie ihn schließlich zum reden. Was er ihr anbot kam mit einigem Drucksen etwa wie folgt herüber: "Bevor wir auf unser Zimmer zurückgingen bedankte sich der Wirt. Er meinte das wir für den Gefallen den wir ihm getan haben ruhig noch einige Zeit Zuflucht bei ihm suchen könnten. Auf meine Frage weshalb wir einer Zuflucht bedürfen sollten entgegnete er das es nicht schwer sei sich unsere Situation auszumalen." Aramis wurde bei diesen Worten bange. Er fuhr in seinen Ausführungen fort:

"Er meinte das ein Musketier und eine Frau in Männerkleidung die den ganzen Tag auffällig unauffällig in ihrem Zimmer blieben wohl nur durchgebrannt sein könnten. Wahrscheinlich wegen einer Ehe die sie entweder nicht zustande kommen lassen wollten oder entgegen besserem Wissen eingegangen sind. Er fügte jedenfalls unnötig deutlich zwinkernd hinzu das er niemandem etwas von einem verdächtig durchgebrannt wirkenden Ehepaar sagen könne da er derartige Personen hier nicht gesehen hat." Ihr fragender Blick nötigte ihm einige weitere Worte ab. "Nun, ich war in der Situation derart überrumpelt das ich vergaß das ganze richtig zustellen... nun ja... und jetzt..." "Was und jetzt?" Sie fühlte sich langsam mit der Sache überfordert. "Sagen wir einfach wir haben in diesem Haus Kost und Logie während unserer Hochzeitsreise frei..." Das Ganze nahm mittlerweile beängstigende Formen an. Jahre hatten sie sich gekannt, waren unzertrennliche Freunde geworden, doch nun war sie innerhalb von nicht ganz einem Tag vom Freund über die Geliebte bis zur Ehefrau befördert worden. Athos holte sie aus ihren Gedanken. "Ich hoffe dir ist nicht unangenehm wie diese Sache verläuft, es ist nur sehr praktisch das der Wirt nun keine Fragen mehr darüber stellt warum wir uns hier verstecken. Und um ehrlich zu sein, der Gedanke mit dir durchgebrannt zu sein hat irgendwie einen ganz eigenen Reiz. Ist schon eine urkomische Situation, heimlich einen Kameraden zu heiraten und..." Weiter kam er nicht. Mit gewaltigem Schwung warf ihn ein Kissen nieder. Bevor er wieder ganz bei Sinnen war war sie auch schon über ihm. Bisher hatte sie ihm geduldig zugehört, erstaunen hatte sie gepackt als er sich Gedanken machte ob es ihr recht war das man sie für Eheleute hielt. Aber das ihm diese Verbindung so lustig schien konnte sie nicht dulden! Das diese Ehe nur Tarnung war vergaß sie völlig während sie ihm, mit einem Kissen auf ihm sitzend, Manieren beibrachte. Nach einigen herben Schlägen brachte Athos gepresst zwischen den Kissen ein "Das kannst du nicht tun!" hervor. Ohne die Lektion zu unterbrechen fragte sie ihn nach einem guten Grund um von ihrem Tun abzulassen. "Wie soll ich denn nachher meinen ehelichen Pflichten nachkommen?" Für einen Moment stutzte sie. Das war mehr als er brauchte. In einem Herzschlag hatte er ihre Handgelenke gegriffen und sie, verwirrt wie sie war, niedergerungen. Grinsend stellte er fest: "Dem Sieger die Beute, meine Liebe, dem Sieger die Beute!" Sie sah sich ihm vollkommen ausgeliefert, daher musste sie sich wohl oder übel auf dieses Spiel einlassen. Behutsam zog sie ihre Beine nach oben und schlang eines um seine Taille. Dann hob sie ihr Gesicht ganz langsam hinauf zu seinem, und als sie ihn schon fast berührte fragte sie mit laszivem Augenaufschlag: "Und was kann ich nun tun um mich aus dieser denkbar schlechten Situation zu befreien?" Als Athos in diesem Moment ein etwas sehr irritiertes Lächeln zeigte schlang sie das andere Bein ebenfalls um ihn, kreuzte die Füße und streckte sie ruckartig aus. Mit einem Keuchen trieb ihre unerwartete Kraft ihm die Luft aus der Lunge, er sank auf sie, ihre Handgelenke allerdings immer noch umklammert. Als beide so völlig erschöpft auf dem Bett lagen fand Athos als erster wieder die Kraft zu sprechen. "Einigen wir uns auf ein Remie?" Schwer atmend von der Anstrengung diesen kräftigen Mann dazu zu zwingen auf sie niederzusinken nickte sie nur leicht mit geschlossenen Augen. Diese riss sie allerdings weit auf und drehte sie schlagartig der Tür entgegen als selbige geöffnet wurde und der Wirt eintrat. Selbiger war damit beschäftigt ein Tablett das mit einigen Süßspeisen versehen war welche wohl eine Art Dankesmahl darstellen sollten auf einem Arm zu balancieren, doch als er endlich seinen Blick von den Speisen auf die Gäste lenkte stellte er es mit bemüht nichtssagendem Gesichtsausdruck und so geschwind wie möglich auf den nächstbesten Hocker und verschwand, die Tür so sicher es ging von außen fest zuziehend. Mit einem ertappten Gesichtsausdruck schauten beide für eine Weile die Tür, dann sich gegenseitig an. Und brachen in prustendes Gelächter aus.
 

Abschnitt 4:
 

Nachdem sie sich beruhigt hatten machten sie sich über das Tablett her. Die kleine Rauferei war beinahe vergessen und nachdem sie in aller Ruhe mit den Süßspeisen fertig geworden waren machte sich die Erschöpfungen der heutigen Konfrontationen bemerkbar. Athos begann sich auf die Nachtruhe vorzubereiten. Ihr fiel auf das er dieses mal mehr Kleidung ablegte als am Vorabend. Doch dann wurde ihr klar das sie nicht viel bei sich trugen und das was sie hatten schonen mussten. Daher begann sie ebenfalls sich zu entkleiden. Nach einigen Minuten stand sie nur in einem ihrer etwas zu großen Hemden da. Diese waren immer nötig gewesen um ihre Körperform zu verbergen und in so einer Situation gaben sie auch passable Nachthemden ab. Er hatte mittlerweile das Bett vorbereitet und sich unter zwei Decken gelegt. Als sie ihn dabei beobachtete erklärte er das sie in dieser etwas entblößten Situation sicher nicht unbedingt mit ihm unter einer Decke schlafen wolle, daher wäre es wohl das Beste wenn sie sich in einen sicheren Raum zwischen den Decken des Nachtlagers begab. Sie ging zum Fenster und sah für einen Moment dem letzten Schein der untergehenden Sonne zu. Dann öffnete sie es ganz und ging zum Bett. Sie stützte sich mit ihren Armen auf und beugte sich nach vorn, mittlerweile wohlwissend welche Wirkung sie auf den einst so verschlossenen Musketier hatte, und erklärte mit kokettem Blick: "Es ist viel zu kalt um bei einem offenen Fenster unter verschiedenen Decken zu schlafen. Willst du etwa dein Eheweib kaltherzig erfrieren lassen?"

Zufrieden beobachtete sie den erstaunten Ausdruck in seinem Gesicht. Dann sah sie wie er lächelnd die Decken hob. Mit Gott und der Welt zufrieden stieg sie in die Laken und schob sich langsam an ihn heran um, so wie vor wenigen Stunden noch, in den Armen ihres Gatten, wärmesuchend und eng an ihn geschmiegt, zur Ruhe zu kommen. In der mittlerweile so liebgewonnenen Position mit dem Kopf auf seinem Arm schloss sie nach einem letzten Blick auf sein sanftes Antlitz zufrieden lächelnd die Augen. Als sie gerade dabei war in die Traumwelt hinüberzugleiten dachte sie für einen Moment sie würde seinen Atem auf ihren Lippen spüren. Und für einen kurzen Moment vor dem Dahindämmern fühlte sie flüchtig seine Lippen auf ihren.
 

Abschnitt 5:
 

In dieser Nacht war ihr auch in ihren Träumen keine Ruhe gegönnt, allerdings hätte sie diese Unruhe um nichts in der Welt missen wollen. Ständig sah sie Athos vor sich, wie er sie vor ihrem Peiniger rettete, ihr im Kampf beistand, ihr Trost spendete als sie sich ihm anvertraute, all diese Momente die ihn aus für sie unerreichbare Ferne in greifbare Nähe, vielleicht sogar die intimste die sie sich ausmalen konnte, gebracht hatte. Mitten in der Nacht erwachte sie plötzlich aus Träumen die sie ständig im Schlaf lächeln ließen als sich mit einem Mal eine Hand über ihren Mund legte. Sie blickte schlaftrunken in Athos Gesicht das vielleicht eine Handbreit entfernt war. Er hatte sich auf ihren Oberkörper gedreht und hielt sie in seinen Armen. Mit einem Schlag war sie wach und fühlte das heftige Pochen ihres Herzens als er ihr zuflüsterte: "Zieh dich schnell an! Wir müssen sofort hier weg!" Verwirrt wie sie war wusste sie jedoch genau das er sich nicht sinnlos so aufführen würde, also glitt sie kurz nachdem er sie frei gelassen hatte aus dem Bett und begann lautlos in ihre Kleidung zu schlüpfen. Einen Augenblick später hatte sie ihre Habseligkeiten zusammengeklaubt und wollte zur Tür hinaus als Athos sie an der Schulter herumriss und auf das Fenster deutete. Jahre militärischer Erfahrung die sie gemeinsam gemacht hatten lies sie umgehend den Sinn seiner Handlungen verstehen. Der Feind, wer immer es war, hatte die Kontrolle über die Flure. Da sich ihr Begleiter nicht durchkämpfen wollte war der Gegner entweder überlegen oder seine Stärke nicht einzuschätzen. Seine Ansicht teilend das dass Risiko einer feindlichen Streitmacht von unbestimmter Kampfkraft in die Arme zu laufen nicht tragbar war begann sie den vorsichtigen Abstieg aus dem Fenster bei dem sie unendlich dankbar für die uneben gezimmerte Oberfläche des Hauses war. Athos hatte inzwischen lautlos einige Möbelstücke vor die Tür bugsiert und war im Begriff ihr nachzusteigen. Unten angekommen. Schlich sie ihm zum Stall nach, einen Blick durch die halboffene Türe riskierend. Sie konnte im halbdunkel einen Schatten ausmachen der behände ohne unnötigen Laut in Richtung ihres Zimmers hinaufstieg und am Fuß der Treppe die leblose Gestalt des Wirtes zurück lies. Wie er dort mit heraushängender Zunge lag schien er zu Tode gewürgt worden zu sein, einfach ein scheußlicher Anblick und Gedanke das diesem netten Mann seine Diskretion derart vergolten worden war. Wut stieg in ihr auf, das Bedürfnis diesen Mörder zu stellen und ihn für seine Untat zur Ader zu lassen. Athos hatte bereits die Pferde hinausgeführt und war aufgesessen, doch als sie gerade dem Beispiel ihres Mannes folgen wollte kam eine kleine Gestalt aus Richtung ihres Fensters auf sie zu. Sie presste sich in Windeseile gegen einen schattigen Teil der Wand und hoffte inständig darauf das die Nacht ihr unter ihrem schützenden Mantel Zuflucht gewähren würde. Und ihre Hoffnung wurde nicht enttäuscht: Der kleine Kerl der sich als das messerstechende Wiesel vom Vorabend erwies bemerkte sie nicht während er intensiv fluchend die Fassade nach Zeichen seines Komplizen absuchte. Sie reagierte instinktiv: Da sie dem Feind als erfahrener Kämpfer nicht die Initiative überlassen wollte stürmte sie auf ihn zu. Bevor er die Gelegenheit hatte seinem Erstaunen einen Kommentar oder gar Ausruf folgen zu lassen traf ihre Faust ihn mit niederschmetternder Wucht im Gesicht. Er sank über seinen gebrochenen Kiefer hinweg röchelnd zu Boden, vollkommen überrumpelt durch ihren heimtückischen Angriff und mörderischen Schlag. Danach sprintete sie in äußerster Eile zum Pferd und gab ihm sobald sie einigermaßen im Sattel saß die Sporen. Athos tat es ihr gleich und jagte in mörderischem Tempo das jeden Sturz einer sicheren Fahrkarte über den Styx gleichbedeutend werden lies hinter ihr her. Bei einem schnellen Rückblick schienen sie undeutlich eine kräftige Gestalt mit einem Dolch vor der Tür des Gasthauses zu erkennen die allerdings ebenso rasch verschwunden wie sie ins Blickfeld gekommen war. Nach einer geraumen Weile die häufiges Richtungswechseln und Hakenschlagen beinhaltete kamen sie endlich zur Ruhe. Im Morgengrauen dampften die bis zur Erschöpfung vorangetriebenen Reittiere während sie sich mit ihm unter einer mächtigen alten Eiche nieder lies. Nachdem sie sich von den Anstrengungen ein klein wenig erholt hatten begann sie sich aufzuregen: "Was hatte dieser Abschaum nur vor? Wollte er sich etwa an uns rächen weil er ein paar lächerliche Geldstücke verloren hat? Hat er dafür etwa den Wirt gemeuchelt?" Athos saß für einen Moment ungerührt da und schien alles Stück für Stück zu rekapitulieren... und sagte dann: "Das war kein einfacher Racheakt. Der Wirt ist sauber und leise erdrosselt worden. Dieser kleine Falschspieler wäre zu einer solchen Tat nicht fähig gewesen. Schade um den guten Mann... Es sieht mir eher aus als wenn sich unsere verschlagenen Freunde wieder gemeldet haben. Wahrscheinlich haben sie sich nach Personen umgehört auf die unsere Beschreibung passt und als eine Frau mit deinen Fähigkeiten in den Erzählungen dieses Wiesels auftrat waren sie sich ihrer Sache so sicher das sie sogar über Leichen gingen. Wer immer es ist der im Hintergrund die Fäden zieht hat einen langen Arm und einige Leute die nicht nur fähig sind sondern auch absolut kaltblütig vorgehen. Feststeht jedenfalls das wir uns auf Dauer nicht derart vor ihm verbergen können." Aramis Gedanken gingen in eine ähnliche Richtung. Ihr schien diese Schlussfolgerung ebenfalls die zutreffendste zu sein. "Doch wie gehen wir nun vor? Da wir uns nicht verbergen können, zurück nach Paris und zusammen mit unseren Freunden versuchen die Übeltäter zu finden?" "Es wäre vergebene Liebesmüh, ich bin mir sicher das wir sie nicht so ohne weiteres aufstöbern könnten. Sie würden nur unter ihren Bedingungen zuschlagen, wir hätten weder die Wahl von Zeitpunkt noch Schlachtfeld, das wäre ein beinahe unmöglich auszugleichender Vorteil ihrerseits den sie sicherlich zu nutzen verstünden. Du hast bemerkt wie unauffällig ihnen unser Gastgeber zum Opfer fiel. Hätte der Attentäter nicht diesen Narren bei sich gehabt der ihn zu uns führte, wer weis ob ich noch rechtzeitig erwacht wäre. Einzig die laute Art dieses Narren hat uns vor einer unschönen Konfrontation bewahrt." "Du hast sicher recht, aber was bleibt uns nun? Die Unbekannten sind sicherlich weiterhin erpicht darauf den Grafen und sein Weib zu fassen zu bekommen..." Bei diesen Worten leuchteten Athos Augen. Er sprang auf, riss sie in seine Arme und drückte sie an sich. Als er seinen Taumel beendet hatte begann er sie trotz des Ausdrucks von Verwirrtheit und Freude auf ihrem Gesicht überschwänglich zu ihrem Genie zu beglückwünschen. Auf ihre Frage was es mit diesem Ausbruch auf sich hätte antwortete er nur: "Du bist die klügste Frau der ich je begegnet bin! Die Ganoven wollen den Graf und seine Geliebte! Also werden wir sie ihnen geben!"
 

Abschnitt 6:
 

Sie waren noch einige Zeit mit größtmöglichem Tempo gereist und hatten sich dann gegen Abend in einem kleinen Gasthaus für eine Nacht einquartiert. Ihr war aufgefallen das Athos überdeutlich für jeden in Hörweite einen Raum von angemessenem Format für sich und seine Begleiterin verlangt hatte. Als der Besitzer ihm daraufhin das beste Zimmer des Hauses zugestanden hatte forderte Athos weiterhin ein Abendessen und Schreibzeug. Nachdem Athos sich schon zurückgezogen hatte schaute sie sich auf eine von ihm geäußerte Bitte hin nach einer guten Flasche Wein um. In der Küche wurde sie dann auch fündig. Die Köchin hatte ihr mit vielsagendem Blick eine Flasche des besten Rotweins den das Haus zu bieten hatte ausgehändigt. Aramis wurde klar das sie mittlerweile durch Athos Verhalten für die Geliebte eines reisenden Edelmannes gehalten wurde. Die Blicke die sie streiften waren ihr nun doch ein wenig unangenehm. Als sie auf ihren Raum zuschritt wurde ihr leicht mulmig. Wollte Athos nun nach alles was vorangegangen vermutet wurde in die Tat umsetzen? Nervös mit der Flasche in ihren Händen spielend machte sie auf ihrem Zimmer allerdings eine etwas unerwartete Entdeckung. Der befürchtete, erahnte, erhoffte, vielleicht auch ersehnte Versuch sie zu verführen blieb aus. Stattdessen fand sie ihren Begleiter vor einem Tisch über einem Brief sitzend. Er hatte gerade den Umschlag versiegelt und blickte sie lächelnd an. Ihr für einen kurzen Moment enttäuscht wirkendes Gesicht begann nun deutlich Spuren von Neugierde aufzuweisen als sie sich dem Tisch näherte und ihren Blick unverhohlen auf die verschlossene Nachricht heftete. Die Couverts waren mit den Namen von d'Artagnan und Porthos versehen und er begann ihr zu erläutern das er bei ihrer nächsten Unterkunft diese Nachrichten aufzugeben gedachte, vor Ort wäre das Risiko zu groß das sie von möglichen Verfolgern abgefangen würden. Die Arbeit sei für diesen Tag vollbracht, es bliebe nur noch ein herzhaftes Mahl zu genießen und am nächsten Morgen aufzubrechen. Mittlerweile war Aramis am Ende ihrer Geduld. Die Entschlossenheit mit der Athos seinen Plan vorantrieb bestärkte noch ihre Absicht endlich an selbigem teilzuhaben. Als sie ihre abendlichen Rationen verzehrt hatten machten sie es sich aus mittlerweile liebgewonnener Gewohnheit auf dem Bett gemütlich. Es war nicht so ausladend und großzügig bemessen wie ihr letztes, aber Aramis machte mittlerweile keinen Hehl daraus das sie dankbar für jeden Vorwand war sich näher an ihren "Ehemann" schmiegen zu können. Nachdem sie die Flasche geöffnet und Wein in dem Maße genossen hatten wie es sich für Personen geziemt die ständig mit einem Angriff hinterrücks rechnen müssen begann Athos auf ihr drängen hin seinen Plan detailliert auszuführen. "Meine Idee war," begann er, "das wir, da sie sowieso wissen wer wir sind und somit die Frau und den Grafen verfolgen, ebenfalls unseren Vorteil aus dieser Lage ziehen. Wir treten ihnen auf meinen Ländereien entgegen, zusammen mit d'Artagnan und Porthos. So können wir zwar nicht die Zeit, wenigstens aber den Ort bestimmen. Heimvorteil genießen wir dort ebenfalls deutlich eher als in Paris. Nun müssen wir nichts weiter tun als so durch die Lande zu reisen das unsere Verfolger uns auch finden können, aber mit einer Geschwindigkeit die ihnen nicht erlaubt uns einzuholen. Daher auch meine indiskrete Art mein Liebchen der Öffentlichkeit zu präsentieren." fügte er verschmitzt lächelnd hinzu. Für einen Moment war sie empört derart tituliert zu werden, wie eine Magd deren Herz beim Anblick des nächstbesten Edelmannes geschmolzen war. Doch das war nichtig als sie sich vor Augen führte welchen Spaß Athos an dieser Komödie hatte und mit welcher Freude er seine "Geliebte" präsentierte. Konnte es sein das er die Reise mit ihr derart genoss? Nicht nur als kameradschaftliches Abenteuer, sondern als einen romantischen Feldzug der am Ende, im Zenit auf seinem Schloss vielleicht sogar mit einer Eroberung abgeschlossen werden sollte? Der Gedanke erwärmte ihr von so vielen Sorgen gebeuteltes Herz. Wortlos lies sie ihren Kopf an seine Schulter sinken, zog einen seiner Arme um sich und träumte davon welche Möglichkeiten sich vielleicht noch ergeben sollten.
 

Abschnitt 7:
 

Die folgenden Tage verbrachten sie mit einer zügigen Reise von Gasthaus zu Gasthaus. Auch wenn es galt den gesamten Tag über im Sattel zu bleiben waren ihr die Abende Entschädigung genug, denn jedes Mal wurden ihre kleinen Darbietungen ausgefallener. Als sie an ihrer vorletzten Behausung ihr Zimmer bezogen hatten verlangte Athos auffallend laut ein großes und weiches Nachtlager das seiner Begleitung und ihm den nötigen Komfort bieten solle, auch wenn er dem, wie er selbst so prahlerisch betonte, armen Mädchen voraussichtlich nur wenige Stunden Schlaf gönnen würde. Sie war ihm anfangs noch mit hochrotem Gesicht in ihren Raum gefolgt aber hatte dann einen gewissen Gefallen an dieser kleinen scherzhaften Einlage gefunden. Bei ihrer letzten mittäglichen Pause, die recht selten eingelegt wurde um im möglichst großen Rahmen Zeit zu sparen, hatte er sie in der Stube der Raststätte vor den Augen der Wirtin auf seinen Schoß gezogen. Aber im Gegensatz zu Athos Erwartungen hatte sie ihr reizvollstes Lächeln aufgesetzt und das gesamte Mittagsmahl in dieser Pose mit ihm eingenommen. Aus den neidischen Blicken der Wirtin schloss Aramis das ihre Spur hier noch deutlicher zu erkennen sein würde als an den anderen Orten, doch ihr Hauptinteresse galt, und das musste sie zugeben, dem Mann unter ihrem Sitzfleisch. Sie gab auch ihr Möglichstes um ihrer Rolle in dieser Komödie gerecht zu werden, denn bisher hatte keiner von beiden Anstalten gemacht ein klare Trennlinie zwischen Freundschaft, Neckerei und diesem anderen Etwas das sich zwischen ihnen beiden manifestierte zu ziehen. Sie hegte in keiner Weise die Absicht durch Zurückhaltung an falscher Stelle einen Rückzug von Athos in sein altes, grüblerisches Selbst zu provozieren, im Gegenteil, jeder noch so knabenhafte Streich brachte ihn näher an die sorglose Menschlichkeit die sie ihm von Herzen gönnte. Doch eine Kleinigkeit störte sie noch am Verlauf dieses Schauspiels und sie gedachte dies bei ihrer baldigen Ankunft im nächsten Gasthaus in Angriff zu nehmen.
 

Abschnitt 8:
 

Als sie in der Abenddämmerung schließlich auf ein annehmbares Etablissement trafen stieg sie als erste vom Pferd und befahl einem Knecht sich um die Tiere zu kümmern. Dann deutete sie Athos an ihr zu folgen. Einen Schritt vor ihrem Begleiter betrat sie die für diese Nacht gewählte Unterkunft. Sie schritt auf den Wirt zu, warf ihm einige Münzen und sprach herrisch: "Wirt, ich verlange für mich und meinen Geliebten das nobelste Zimmer das dieses bescheidene Haus uns bieten kann." Der Wirt, durch diese ungewohnt selbstsichere Frau in männlicher Reisekleidung schwer beeindruckt, deutete nur auf eine Treppe und dann nach links. "Besten Dank guter Mann. Und bring uns noch Wein und Kissen!" Sie wandte sich an Athos: "Was stehst du noch nutzlos herum. Sei mir zu diensten wie es sich gebührt." Mit diesen Worten griff sie denn vollkommen sprachlosen Athos am Kragen und zog ihn hinter sich auf ihr gemeinsames Zimmer. Dort angekommen lies sie erst gar keinen Protest zu sondern stieß ihn auf das Bett, gebot ihm durch eine Geste sich nicht zu rühren und kletterte rittlings auf ihren schon fast eingeschüchtert dreinblickenden Reisegefährten. In dieser für sie ungeahnt angenehmen, beherrschenden Position begann sie nun sachte ihr Hemd soweit zu öffnen das sie es sich ein Stück von den Schultern ziehen konnte. Sie erkannte in Athos weit geöffneten Augen eindeutig die Verwirrung die eine Frau hervorzurufen vermag wenn sie über einen ausgewachsenen Musketier herfällt und ihn behandelt als wäre er ein Spielzeug. Dann horchte sie plötzlich auf als das Geräusch auf welches sie lauerte ihr gewahr wurde. Sie warf sich nach vorne auf Athos und flüsterte ihm zu er solle sie schnellstmöglich umarmen, was der mittlerweile über alle Maßen Verwirrte auch tat. In diesem Moment trat der Wirt ein. Aramis bekam gerade noch mit wie der arme Mann sich schnellstmöglich von Kissen und Wein befreite und versuchte ohne unnötig Aufsehen zu erregen zu verschwinden. Nachdem sie wieder allein waren richtete sie sich mit triumphalem Grinsen auf. Athos konnte nur mühselig ein "Was war das denn jetzt?" hervorbringen. Mit einem noch breiteren Grinsen begann sie festzustellen das sie es einfach Müde war als sein liebestolles Anhängsel präsentiert zu werden. Warum nicht einfach mal als Frau die Führung übernehmen? Ihrer Meinung nach hatte dies heute prächtig funktioniert, und der Wirt würde sich mit Sicherheit noch deutlicher an diese Szene erinnern als damals die Wirtin an die Mittagsmahlzeit!" Mit einem Mal verschwand das Irritierte aus seinen Augen und machte Platz für ein erheitertes, lächelndes Gesicht. "Weißt du," begann er, "du bist wirklich die unglaublichste Frau die mir jemals untergekommen ist. Und jetzt lass uns schnell essen, deine Offensive gefolgt von der Angst das du mich hier niedergerungen hast um mir Gewalt anzutun hat mich mehr Nerven und Kraft gekostet als jedes Duell. Ach ja, ganz nebenbei... dir fällt schon auf das dein Hemd langsam beginnt auf erfreuliche Weise abwärts zu rutschen?" Über sein Kompliment hatte sie ganz vergessen das ihre taktische Blöße immer noch bestand und auch beständig dabei war Athos ein immer offenherzigeres Blickfeld zu gönnen. Mehr überrascht als erschrocken sprang sie von ihm herab und begann ihr Hemd zu richten. Dabei versank sie ganz und gar in einem Gedanken: Unglaublich. Er hatte sie unglaublich genannt!
 

Abschnitt 9:
 

Kurz nach diesem auch für ihre Verhältnisse ungewöhnlichen Abend waren sie endlich in der Provinz Berry angelangt. Sie sah in Athos Blick einen Hauch Wehmut, doch selbiger war schnell verschwunden und machte einem Blick von freudiger Erwartung Platz. Sie durchquerten ein kleines Dorf in welchem sie glaubte der eine oder andere verwunderte Blick würde ihr oder doch eher ihrem Begleiter folgen. Als es begann zu dämmern fragte sie ihn ob es nicht an der Zeit wäre einen Ort aufzusuchen an dem sie sicher die Nacht verbringen konnten. Er lächelte und versprach ihr das beste Gasthaus mit den weichsten Betten der gesamten Provinz falls sie sich noch für ein paar Minuten gedulden könne. In Gedanken bereits zwischen den duftenden Laken einer frischen Lagerstatt ruhend konnte sie von dem langen Ritt erschöpft dieser Versprechung nicht widerstehen. Sie rief sich ins Gedächtnis nicht zu viel von einer Provinzunterkunft zu erwarten, aber ihre schmerzenden Gliedmaßen hätten ihr selbst eine Höhle und ein Lager aus feuchtem Stroh verlockend erscheinen lassen. Nachdem sie eine Weile durch ein Wäldchen geritten waren verringerte der ortskundige Athos plötzlich sein Tempo. Als sie auf gleicher Höhe waren tat sie ihre Verfassung anhand eines ausgedehnten Räkelns und Gähnens kund. Athos streckte seinen rechten Arm nach vorn und sagte: "Wir sind da. Unsere bescheidene Unterkunft." Als sie dem Wink seiner Hand folgte war mit einem Male alle Müdigkeit verschwunden. Inmitten des weitläufigen Waldgebietes lag unauffällig eingebettet ein malerisches Schloss. Das Gebäude schien alt genug zu sein um nicht durch zu große Höhe oder unnötigen Zierrat hervorzustechen, viel eher hatte es eine robuste, ältere Bauweise deren Eindruck durch die gut zwei Meter hohe Mauer welche das Gebäude und den Garten einschloss bestärkt wurde. Es war mehr eine Erscheinung die wie aus dem Wald hervorgewachsen schien als eine von Menschenhand geschaffene Behausung. Und sie hatte erst recht nichts mit den dekadent-prunkvollen Bauten zu tun die der Aristokratie so zu eigen waren. Er begann direkt auf das verschlossene Gittertor der Gartenanlage zuzureiten und Aramis tat es ihm gleich. Sie war dicht hinter ihm als er sein Pferd innehalten lies und einen einsamen Gärtner heranwinkte. Der ältere Mann ging gemächlich auf das verschlossene Gatter zu, stutzte kurz, und rannte daraufhin so schnell er konnte in Richtung Hauptgebäude. Sie war über das Verhalten des Alten ebenso verwirrt wie über das von Athos, welcher hoch zu Ross den Kopf schütteln da saß und vor sich hin murmelte das es einfach kein gutes Personal mehr gäbe. Als einige Leute eilig das Haus verließen begann Aramis sich auf diese zu konzentrieren. In der Dämmerung erkannte sie scheinbar einen rüstigen Kammerdiener, einen Laufburschen, eine wohlgenährte Köchin in den besten Jahren sowie besagten Gärtner. Letzterer begann so schnell es ihm möglich war das noch immer verschlossene Tor zu öffnen. Athos war mittlerweile abgestiegen und trat, sein Pferd und das ihre, in dessen Sattel sie sich immer noch befand, am Zügel mit sich führend, in die Mitte der Schlossbewohner. Der erste der zu sprechen begann war der ergraute Kammerdiener. Mit ruhiger, dennoch bewegter Stimme hieß er den Grafen de la Fére willkommen. Athos lächelte gerührt über den Beweis das ihm ein Teil seiner Dienerschaft über die Jahre hinweg treu geblieben war und grüßte jeden einzelnen. Den Diener Grimaud, die Köchin Chevreuse, den jungen Musqueton, und den Gärtner Planchet. Als er jedem die Hand geschüttelt hatte sprach er zu allen: "Ich freue mich über die treue mit der ihr euren abwesenden Herren geehrt habt, allerdings will ich nicht wie früher als Graf willkommen geheißen werden. Stattdessen begrüßt den Grafen de la Fére zusammen mit der Gräfin de la Fére, seiner über alles geliebten Gattin." In diesem Moment fühlte Aramis wie sich alle Augepaare auf sie richteten. Selbst die Vögel schienen einen Moment erstaunt in ihrem Geträller innezuhalten. Dann wurde sie mit Glückwünschen nahezu aus dem Sattel gerissen und einzig das beherzte Eingreifen ihres Gatten bewahrte sie davor Schaden durch die Güte der Dienerschaft zu erleiden. "Meine Freunde, wie ihr sicher ohne weiteres erkennen könnt haben meine Frau und ich eine lange Reise hinter uns. Chevreuse, wenn du die Güte hättest uns eine Kleinigkeit zuzubereiten die wir auf unseren Zimmern zu uns nehmen können? Und Grimaud, könntest du uns rasch ein Lager bereiten? Wir sind erschöpft und brauchen wirklich nichts dringender als eine Nacht in einem guten Bett das in einem guten Haus mit guten Leuten steht." Sofort kam leben in die Menschen. Der Junge führte die Pferde fort, die Köchin eilte mit der Absicht ihrem Handwerk zur Ehre zu gereichen in die Küche, der Diener war im Handumdrehen dabei die Räume seines Herren für dessen Ankunft vorzubereiten und der Gärtner stand wie aus dem nichts mit einem gewaltigen Blumenstrauß vor Aramis. Dankend nahm sie sein Geschenk entgegen, seine Absicht erratend der neuen Hausherrin den notwendigen Glanz zu verleihen wenn sie als frisch Verheiratete ihr Heim zum ersten Mal betritt. Kurz darauf waren sie auf dem Kiesweg im Garten wieder allein. Mit den Blumen in der einen Hand, mit der anderen bei Athos eingehakt spazierte sie auf das Haus zu. "Graf und Gräfin de la Fére?" "So ist es. Das ist mein Plan." "Nun, dann schauen wir mal ob es klappt."

Als sie das Hauptgebäude betreten hatten führte Athos sie zu einem großen Schlafgemach im ersten Stockwerk. Es war geschmackvoll eingerichtet, dunkle Töne in vielen Variationen die dem Raum die Schwere des Schlafes welchen er beherbergen sollte verlieh. Die Köchin klopfte leise, huschte schnell mit einem edlen Tablett herein und verschwand dann wieder. Athos hatte daraufhin die Tür verriegelt und das Fenster kontrolliert. Er warf mit einer Sorglosigkeit seine Kleidung in die nächstbeste Ecke wie jemand der sich nun endlich fühlt als wäre er daheim. Sie hatte die ganze Zeit zugesehen und auf einem Stück Gebäck herumgekaut. Als er bemerkte das sie einfach reglos dastand zeigte er ihr einen kleinen Nebenraum. Er erklärte das dass Zimmer damals von einigen der Dienerschaft zu dem Zweck eingerichtet worden war um bei einer erneuten Vermählung seiner Gattin als Kleiderschrank und Umkleideraum zu dienen. Damals hatte er nur bitter darüber lachen können, doch mittlerweile war er heilfroh ihr Kleidung zum Wechsel anbieten zu können. Athos hatte ebenfalls ein kleines Gebäckstück angeknabbert und nach ein paar Bissen wieder fortgelegt. Aramis begab sich in den Nebenraum und sah sich um. Viele Kleider, Schuhe, Fächer, all das was eine Dame im Alltag bräuchte, doch für ihren Geschmack war das Sortiment etwas zu wenig an den praktischen Dingen im Leben orientiert. Sie entschied sich vorerst für ein einfaches weißes Nachthemd und legte ihre mittlerweile doch recht strapazierte Reisekleidung ab.
 

Abschnitt 10:
 

Als sie das Schlafzimmer betrat hatte sich Athos bereits auf dem ausladenden Bett ausgestreckt. Die Vorhänge der edlen Konstruktion waren geschlossen, bis auf den an der Seite auf welcher die Tür zum Kleiderzimmer lag. Als sie eintrat sah er sie an. Er hatte einen Blick so klar wie Kristall, und seine Augen waren starr auf sie gerichtet. Wortlos näherte sie sich dem Bett. Als er nichts sagte stieg sie vorsichtig zu ihm unter die Decken. Das Bett war größer als die in den vielen Herbergen die sie mittlerweile gesehen hatten, daher lagen sie zwar in einem Bett aber nicht unbedingt nahe beieinander. Plötzlich beugte sich Athos zu ihr, streckte sich und schloss nun auch den letzten Vorhang. Sie waren sich wieder sehr nahe. Unzählige Gedanken rasten durch ihren Kopf. Nun hatten sie die Möglichkeit die Dienerschaft einzuweihen, sie konnten eigene Betten und eigene Zimmer beziehen, doch trotzdem war er hier so nahe bei ihr... Da nahm er sie plötzlich in den Arm. Sein Blick hatte etwas zu bedeuten. Er wollte ihr irgendetwas sagen. Er zog sie an seine Seite, näher heran als je zuvor, als würde er befürchten das dies ihre letzte Berührung sein könnte.

Er begann leise zu sprechen:

"Wenn das hier alles vorüber ist kann es nicht so weitergehen..."

Ihr wurde kalt und sie lehnte sich an ihn.

"Ich will nicht das verlieren was wir hatten. Ich möchte meinen Kameraden Aramis nicht verlieren..."

Sie fühlte wie sich Tränen in ihren Augen sammelten und klammerte sich an ihn.

"Ich will meinen Freund und Waffenbruder nicht missen..."

Die salzige Flüssigkeit rann ihr über das Gesicht.

"Ich will das du weiterhin mein Freund bist..."

Sie begann sich von ihm zu lösen, doch er zog sie noch fester an sich heran.

"Ich will das du, wenn all dies hier überstanden ist, weiterhin mein Freund bist...und mein Kamerad... meine... Geliebte... meine... meine Frau! Bleib bei mir als all das was wir waren und noch werden können."

Sie hob ihr tränenüberströmtes Antlitz und sah sein von tiefen, ehrlichen Gefühlen gezeichnetes Gesicht. Als er ihre Tränen im halbdunkel glitzernd wahrnahm begannen sich seine Augen vor Furcht zu weiten, doch sie warf sich ihm um den Hals und drückte ihn in die Kissen. Sie wollte diesen ungeschickten Kerl dafür niederschmettern das sein Antrag beinahe geklungen hatte als wenn er sich ihrer nach bestandener Gefahr entledigen wollte. Er sollte dafür zahlen ihr solche Angst gemacht zu haben. Er sollte... einfach bleiben! Für immer! Wie er war! Wo er war! Was er war! Der liebenswürdigste Mensch, bei ihr, ihr geliebter Seelenverwandter! Zum ersten Mal konnte sie ihren Tränen freien lauf lassen. Ihm konnte sie alles zeigen, alles anvertrauen. Sie klammerte sich fester an ihn, sah ihm für einen Moment tief in die dunklen Augen in denen sie versinken konnte wenn sie nur lange genug hineinstarrte, und legte dann behutsam ihre Lippen auf die seinen. In diesem Moment hörte Alles auf zu existieren. Die Sekunde in der sich zwei Liebende finden ist der Augenblick indem eine neue Welt entsteht, eine Welt die sich nur um das zwischen diesen Beiden gespannte Band dreht. Aramis hatte nun endlich einen Platz gefunden, für sich in ihrer eigenen Welt. Einen Platz der nicht für kurze Zeit durch Rachedurst besteht, nicht nur etwas wofür es sich zu sterben lohnt. Sie hatte einen Grund zu leben. Und jemand mit dem sie dieses Leben teilen konnte. All dies schwirrte ihr durch den Kopf, doch als sie seine Lippen fordernd und sanft zugleich auf ihren fühlte war dies nebensächlich.

In dieser Nacht, in der Athos und Aramis Mann und Frau wurden, gab es für sie nichts außer ihrer Liebe. Es gab kein Zimmer und kein Schloß um das Zimmer herum, keinen Garten und keinen Wald der die Mauer umfasste, keine Bäume und keine Raben in ihren Ästen; und es gab keine Schatten die still und heimlich, nur von ein paar Vogelaugen gesehen, leise durch das Unterholz huschten.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2003-05-28T10:40:46+00:00 28.05.2003 12:40
Wirklich gute und solide Weiterführung der Story :o) Ach, is das nisch wieder förmlich, wa? XD Also, am besten gefiel mir die Szene, als Aramis die Oberhand über Athos übernahm... So wurde sie am besten dargestellt...stark und mutig...Wann kommt der nächste Teil? *@amacie schiel*
Weiter so! :o)
Von:  amacie
2003-05-26T13:30:32+00:00 26.05.2003 15:30
*Keks zustimm* im nächsten Teil muss unbedingt eine Hochzeit her^^ von den Kindern mal ganz zu schweigen ^-^ aber ansonsten herrlich!!! bin ja auch mal gespannt wie es weitergehen wird. finde sie übrigens wunderschön lang^^ *faibel für lange ff hat*

^°^
Von:  Tach
2003-05-26T13:17:34+00:00 26.05.2003 15:17
*räusper*
AAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAH MEIN GOTT!!!! oO
Ok, nachdem ich das gesagt hab....fällt mir auch gar nichts weiter dazu ein...
Sag mir wo du wohnst damit ich 3 mal täglich in deine Richtung beten kann XD. Der Teil ar zwar nich spannend (wie negativ das klingt oO) aber einfach nur schön zu lesen...hach....*doof grins*. So, und im nächsten Teil dann mal n bischen Action (so ein Absatz oder so XD) und dann wird geheiratet *völlig abdreh* *geschichte so toll find*


Zurück