Gedanken / "trying not to love you"
Die Wolken verzogen sich, der Regen hörte auf. Die Gedanken klärten sich,
wie der Himmel über ihnen. Das laute Klingeln eines Handys holte beide
schlagartig aus der Situation zurück. Atemu setzte sie vorsichtig ab und
brachte Abstand zwischen ihre erhitzten Gemüter. Er zog den Reißverschluss
einer der Seitentaschen seiner Hose auf und holte sein Handy heraus.
In buddhistischer Ruhe nahm er ab.
"Ja?.....ach ist meine Abwesenheit dann doch aufgefallen?" scherzte er und sammelte
sein T-Shirt vom Boden auf. Er klemmte das Handy zwischen Wange und Schulter ein,
und versuchte das T-Shirt auszuwringen.
Massayo versuchte unterdessen ihr Herzklopf zu beruhigen und wieder die
Kontrolle über sich selbst zu gewinnen. Was war da gerade passiert?
//Ich kann dieses Gefühl einfach nicht beschreiben, dass ich gerade fühle...
was geschieht nur mit mir?//
"Ja die ist bei mir..." Er sah kurz zu ihr hinüber ehe er sich das Shirt über den Kopf zog.
Es half allerdings wenig dabei ihre gereizten Sinne zu beruhigen, da es
durch den Regen so durchnässt war, dass es an seinen Bauchmuskeln klebte
und rein gar nichts von dem versteckte, was sie gerade nicht sehen wollte.
"okay.....sind auf dem Rückweg"
Die Brünette kam auf ihn zu.
"...wer war das?"
"Yugi." antwortete er knapp.
"Achso..."
Es herrschte eine gewisse Anspannung.
"Wir sollten uns auf den Rückweg machen" er steckte die Hand in die
Hosentasche.
Sie nickte ihm zu und reichte ihm seine Jacke, die sie versucht hatte vom Schmutz
zu befreien. Er nahm sie ihr ab und warf sie sich über die Schulter, dann wandte er
sich ab und ging den Weg zurück. Schweigend folgte sie ihm.
Eine unsichtbare Mauer hatte sich zwischen ihnen gebildet, ließen beide mit ihren
Gedanken auf der anderen Seite alleine.
Am Motorrad angekommen sammelte er den auf dem Boden liegenden Helm ein
und reichte ihn ihr. Massayo sah sich die Höllenmaschiene kritisch an.
Er bemerkte ihr zögern.
Er wollte ihr sagen, dass er sich diesmal zusammen reißen würde, dass er auf die
Geschwindigkeitsbegrenzung achten würde, dass er genau darauf achten würde,
wie sie sich fühlt, dass er alles dafür tun würde sein versprechen nicht zu brechen,
aber er tat es nichts. Er schwieg.
Stattdessen nahm er ihre Hand in seine. Erwärmte ihren kalten Körper.
Führte sie zu dem Motorrad zurück und drückte sie in den weichen Ledersitz.
Sie ließ es geschehen, beobachtete ihn bei seinem Tun.
Sanft strich er ihr die Haare aus dem Gesicht und legte ihr den Helm an.
Konzentrierte sich dabei akribisch darauf, dass alles so saß wie es sollte.
Mit einem nicken wies er sie an, das eine Bein auf die andere Seite zu schwingen,
kommentarlos führte sie seine Anweisung aus.
Atemu setzte sich seinen Helm auf und setzte sich vor seine abwesende Beifahrerin.
Er griff nach hinten und platzierte ihre Hände um seinen Bauch.
Automatisch hielt sie sich fest, wollte ihm vertrauen, aber es gelang ihr nicht.
Die Angst, dass er wieder vergessen würde, dass er nicht alleine unterwegs ist,
begleitete sie die ganze Rückfahrt.
Sie bemerkte fast garnicht, dass er sich tatsächlich komplett zurück hielt.
Und er versuchte seine Zurückhaltung zu ignorieren.
Nachdem sie das Motorrad und alle Sachen zurückgegeben hatten, machten sie
sich auf den Rückweg zur Herberge.
Die Stimmung war gedrückt.
Atemu ging mit emotionslosem Gesicht und seinem typischen Hände-in-der-
Hosentasche-Gang, neben der in sich gekehrten Massayo.
Hin und wieder sah sie ihn aus dem Augenwinkel an, versuchte etwas in seinem
Gesicht lesen zu können, einen Hinweis darauf, was er ihr sagen wollte.
»Wir können nicht mehr so tun als wenn nichts wäre«
Und wieder schlug ihr Herz bei dem Gedanken an seine Worte in diesem
schmerzhaften Rythmus.
An einer Ampel kamen sie zum stehen.
"Schweigen wir uns jetzt den Rest der Zeit an?"
"Ich weiß nicht..." Und sie wusste es wirklich nicht.
Sie würde sich wünschen, dass er ihr sagen würde, dass sie darüber reden sollten,
dass er ihr offenbaren würde, was in ihm vorgeht, wie es weiter gehen soll,
aber sie wusste, dass das niemals geschehen würde.
So gut kannte sie ihn schon.
//Wem machst du hier eigentlich etwas vor Mädchen?
Dachtest du ernsthaft, dass er irgendwelche Gefühle für dich hegt? Warum machst
du dir auch immer falsche Hoffnungen?//
"Hey!"
//Warum geht mir das nur so an die Nieren? Ich bin völlig durcheinander//
"Hallo ihr zwei!"
//Ich will nach Hause//
"Bist du taub?" Atemu stupste sie an. Sie sah auf.
Aus einem heruntergelassenem Fenster einer SUV Limousine mit getönten Scheiben winkte
ihnen ein Blondschopf zu, mit dem sie beide befreundet waren.
"Na endlich, kommt steigt ein!" forderte sie Joey auf.
Beide kamen dem Angebot nach und gingen auf das schwarze Auto zu.
Der Fahrer stieg aus und hielt ihnen beiden die Tür auf.
Innen lies sich Atemu auf einem der bequemen Sitze nieder, während sich Massayo schnell
den sicheren Platz neben Joey sicherte.
"Und habt ihr einen kleinen Ausflug unternommen?" grinste er in die Runde und erhoffte
sich, dass die beiden ihre Beziehung auf das nächste Level gehoben hatten.
"Wir hatten einen interessanten Nachmittag, aber ich brauche dringend einen noch
angenehmeren Abend, mal sehen, wen ich dafür finde" antwortete Atemu und verschränkte
die Arme hinterm Kopf.
Joeys Grinsen wurde breiter. Als er jedoch zu seiner kleinen Freundin rüberschielte, war
er irritiert, sie wirkte so abwesend und in sich gekehrt. Und jetzt wo er darauf achtete
war auch Atemu anders als sonst.
//Normalerweise hätte er geantwortet, was er mit ihr gemacht hat und er sagt gar nichts.
Nicht mal ein Spruch um ihr die Schamesröte ins Gesicht zu treiben. Rein gar nichts macht er.
Es gibt nur zwei Möglichkeiten...//
Er sah hinüber zu Atemu, er hatte die Augen geschlossen.
//Entweder zwischen den beiden ist wirklich etwas passiert, was in die Richtung geht, die
Yugi und ich uns vorstellen. Vielleicht hat er sie auf diesen Ausflug mitgenommen und
sie sind sich vielleicht ohne Zuschauer endlich etwas näher gekommen...//
Er wechselte den Blick auf Massayo, die immernoch aus dem Fenster starrte.
//Oder es ist in die genaue Gegenrichtung gegangen und die beiden haben sich
in einer Situation verrannt, aus der sie nicht mehr rauskommen//
"Weswegen bist du eigentlich hier?" fragte ihn dann sein Gegenüber.
"Hat Yugi nichts erzählt? Sieht ihm mal wieder ähnlich. Nun wie ihr ja wisst, mache ich
momentan eine kreative Pause, das heißt aber nicht, dass ich untätig rumsitze und
meine Musik vernachlässige. Und wie du sicher weißt Brownie, nur unser lieber
Herr Raschjida nicht, findet im Rahmen der Abschlussfahrt auch immer eine Feier statt.
Und Yugi hat Glück, dass ich dieses Jahr nicht auf Tour bin."
"Heißt das, dass du für uns singen wirst?"
Massayo wirkte auf einmal komplett aufgeregt.
"Ja Brownie, ich kehre zu meinen Wurzeln zurück."
"Ich erinnere mich gut an unsere ersten Auftritte in der Schulaula"
Atemu schlug die Augen auf und hob eine Augenbraue.
"Unsere?"
"Ja, ich hab dir doch erzählt, das wir uns bei einem Schüleraustausch kennen gelernt
haben. Hab ich etwa nicht erzählt, dass wir in dieser Zeit eine Band hatten?"
"Nein das hast du mir verschwiegen."
Es sah aber mehr so aus, als wenn dieser "Vorwurf" Massayo galt.
Massayo lachte allerdings. "Das war eine tolle Zeit."
"Spielst du noch Gitarre?" fragte Joey sie.
"Hin und wieder" gab sie als antwort.
"Und wer war noch in dieser Band?"
"Ach die kennst du alle nicht. Ich und Vivian, das ist Massayos beste
Freundin und ein verdammtes Teufelsweib, waren die Sänger, au!!!"
Massayo hatte ihn in die Seite geboxt.
"Sprich nicht so von ihr, nur weil ihr beide euch immer angezickt habt,
heißt das nich lange nicht, dass sie immer so ist."
"Sie hat doch immer angefangen!" verteidigte sich Jeoy vehemennt.
"Ihr habt euch da beide nichts geschenkt"
"Unverschämtheit." schmollte Joey.
Atemu bertrachte die Szene, die sich ihm bot.
"Und dann waren da noch mein Ex-Freund Joseph am Keyboard und
unser kleiner Psycho Keith am Schlagzeug" erzählte Massayo weiter.
Joey konnte schwören, dass sich bei dem Wort Ex-Freund die Muskeln
in Atemus Gesicht anspannten.
"Hat er denn so gut in die Tasten gehauen wie ich?" fragte er mit scharfen Unterton.
"Er war ganz geschickt mit seinen Händen" antwortete sie spitz.
"Tatsächlich?"
"Ja, tatsächlich!"
Und schlagartig waren sie wieder die Alten. Joey seufzte.
"Und du nennst mich und Vivian zickig? Ihr beide seit viel schlimmer"
"Wen nennst du hier zickig?" fragten beide gleichzeitig, woraufhin beide
schlagartig verstummten und die Arme verschränkten.
Joey fand es zum brüllen komisch.
//Vielleicht ist doch noch nicht alle Hoffnung verloren.//
Als sie in der Herberge ankamen, bließ Atemu und Massayo ein heftiger
Wind entgegen, in Form einer Standpauke ihres Chefs.
Yugi wurde gefühlte 3 Meter groß, als er die beiden darüber belehrte, dass sie
hier nicht zu ihrem Privatvergnügen da wären.
Insgeheim freute er sich aber unglaublich darüber, dass die beiden mal
eine Weile alleine sien konnten.
"Ich hoffe, dass das nicht wieder vorkommt"
"Es tut mir leid Yugi, wirklich. Es wird nicht wieder vorkommen." entschuldigte
sich die Brünette bei ihrem Vorgesetzten.
"Bestimmt nicht, als wenn ich dich nochmal auf so einen Trip mitnehme."
Massayo ballte die Hände zu Fäusten. Da war er wieder - der Arsch vom Dienst.
Atemu legte sich schon die passenden Worte für einen Konter zurecht.
Spannte die Muskeln an, um ihren Hieb abzufangen.
Doch eine Antwort ihrer seits blieb aus. Kein schnippischer Kommentar diesmal,
kein Versuch ihm eine rein zu hauen, nichts.
"Ich geh auf mein Zimmer..." sagte sie noch, bevor sie erschöpft davon schritt.
Ein Stich in Atemus Brust. Er war wohl auch ziemlich müde und vor allem durstig.
Durstig nach einem großen Glas Scotch.
Yugi sah den beiden nach, wie sich ihre Wege erneut trennten.
Joey kam auf ihn zu und teilte seine Gedanken.
Jedesmal, wenn sie einen Schritt aufeinander zu gemacht hatten, gingen
sie zwei wieder zurück.
Massayo lies sich rücklings auf ihr Bett fallen. Den Pony ihres Haares strich sie sich
genervt aus dem Gesicht nach hinten. Sie atmete tief ein und wieder aus.
Ihr Puls schien sich endlich wieder zu beruhigen. Atemu raubte ihr
die Luft zum Atmen und gleichzeitig hatte sie das Gefühl ohne ihn zu ersticken.
Es war anstrengend. Er war anstrengend und jedesmal, wenn sie ihm
begegnete fand sie neue Seiten an ihm. Er war einfach nicht zu durchschauen.
Diese komplexe Persönlichkeit machte ihr Angst und faszinierte sie
gleichermaßen. Es war so falsch, wie sie sich verhielt, es war so falsch, was
er in ihr auslöste, aber es war wie eine Sucht, sie konnte nicht aufhören.
//Du bist so ein dummes Mädchen...wenn du es zulassen wirst, wird er sich einfach
nehmen was er will und dich dann fallen lassen. Und dann?//
Sie fühlte, wie die Müdigkeit sie in den Arm nahm. Sie schloss die Augen und
genoss diesen Moment.
Später als die Nacht bereits angebrochen war wachte sie wieder auf.
Ein Blick auf ihre Armbanduhr verriet, dass es bereits nach 20:00 Uhr war.
Sie hatte das Abendessen verpasst. Sie stand auf und schloss das offenstehende Fenster,
durch das die kühle Nachtluft in ihr Zimmer eindrang. Sie vernahm einen rußigen Geruch,
gefolgt von Gelächter. Ihr fiel es wieder ein. Heute wollten Sie ein
Lagerfeuer mit den Schülern veranstalten.
Sie gähnte herzhaft und streckte sich. Ehe sie sich ihre Bluse aufknöpfte und
sich die Stoffhose abstriff. Nur in BH und Slip bekleidet ging sie ins Bad und betrachtete
sich im vorbeigehen in dem großen Spiegel. Sie sah auf den noch leicht
blauen Fleck an ihrem Busen. Sofort durchzuckten sie wieder die Bilder, in denen
Atemu auf ihr lag und sich an dieser Stelle festgesaugt hatte.
Steven war zum Glück schon lange auf Geschäftsreise gewesen, sodass sie
nicht in Erklärungsnot kam. Obwohl, wenn sie genau darüber nachdachte wusste
se nicht einmal, wann er zum letzten Mal ihre Brüste so angesehen oder
berührt hatte. Hatte er das je getan?
Sie schüttelte das aufkommende Gefühl wieder ab und löste das Gummiband aus ihrem
Haar, welches sie im Anschluss durchbürstete. Sie korrigierte bei einem Blick in den Spiegel
ihr Make-Up und holte sich dann ein weißes Kapuzenshirt und eine Jeans aus dem Schrank.
//Ich habe zwar keine Lust jetzt da runter zu gehen, aber ich muss mich zumindest
kurz blicken lassen//
Sie nahm ihren Zimmerschlüssel, löschte das Licht und machte sich auf den Weg zu
der Feuerstelle. Schon von weitem konnte sie die wärme des Feuers und die ausgelassene
Stimmung spüren. Überall wo Joey auftauchte herrschte gute Stimmung.
So freute sie sich nun doch ein wenig darauf.
"Ah Miss McPherson!" eine Schülerin bemerkte sie als erste, woraufhin sich
die meisten umdrehten. Ein peinlicher Moment. Sie winkte ab.
"Nur weiter machen, lasst euch nicht stören"
"Wir dachten schon du kommst nicht mehr?!"
"Ich hab es mit dem Schlafen etwas übertrieben, Rick"
Sie hatte die Hände in der Tasche ihres Shirts vergraben und suchte nach einem Platz,
wo sie sich hinsetzten konnte.
"Nehmen Sie doch hier Platz, bei uns ist es schön warm"
"Zu niedlich, aber ich glaube ihr Jungchen hattet jetzt genug Bier" merkte sie an.
Diese Jungs aus der Oberstufe hielten sich oft für die Hengste vom Pausenhof.
"Du kannst dich direkt zu mir setzten, wir haben noch etwas vor" scherzte Joey und klopfte
auf den Platz zwischen sich und Yugi.
Sie nahm die Einladung dankend an. So wie die Dinge momentan liefen, dachte sie schon,
dass sie mal wieder neben Atemu landen würde. Und sie brauchte
dringend Abstand von diesem Kerl.
Der saß allerdings ziemlich entpannt, auf seinem Baumstamm neben Rick und rauchte
eine Zigarette, die er nachdem, er fertig damit war, in das Feuer schnippte.
"Und was haben WIR vor?" fragte sie den Blonden, als sie sich setzte.
"Erinnerst du dich noch an einen unserer ersten Songs, die wir gespielt haben?"
"Ja allerdings, damals haben wir bei Keith in der Garage gesessen und geprobt."
"Nun..." Joey griff hinter sich und holte doch tatsächlich eine Gitarre hervor.
"Dann hoffe ich, dass du dich an den Song >I´m trying< erinnerst und ihn
noch spielen kannst"
Ohne auf eine antwort zu warten drückte er ihr die Gitarre in die Hand.
"Ich denke das kriege ich hin..." Automatisch setzte sie sich in ihre angenehme
Spielpose und fing an die Gitarre zu stimmen.
"Ich habe den Song neu interpretiert und ihn verändert." erklärte Joey.
"Muss ich irgendetwas anders spielen?"
"Nein die Melodie ist die gleiche, nur der Text ist etwas anders."
"Okay?"
"Wie aufregend Joey wird live vor uns singen!"
"Ist er nicht niedlich?"
Die Mädchen finden an zu schwärmen.
Joey schloss die Augen, Massayo sah es als zeichen anzu fangen.
Sie begann die Seiten der Gitarre anzuschlagen, entlockte ihr die ersten Töne.
Erinnerte sich noch daran, als wäre es gestern gewesen, als sie alle in der
Garage gehockt haben und über eine gemeinsame Zukunft als Band
philosophiert haben. Ein vertrautes Gefühl stieg in ihr auf. Sie sah es
genau vor sich, eine Erinnerung von vor über 12 Jahren.
Ihr Fuß wippte im Takt der Musik mit.
Sie blickte lächelnd zu Joey, der die ersten Worte begann zu singen.
Seine wunderbare Stimme erhellte die Nacht.
You call to me and I fall at your feet
How could anyone ask for more
And our time apart like knives in my heart
How could anyone ask for more
But if there's a pill to help me forget
God knows I haven't found it yet
But I'm dying to, God I'm trying to
Sie sah lächelnd zu ihrem Freund. Er hatte den Song komplett verändert, seit ihrer
Kindheit. War gespannt, wie er weiter gehen würde. Joeys Songs erzählten
immer eine Geschichte. Jedoch begann ihr Herz, aus ihr unerklärlichen Gründen
an zu schlagen, als er weiter sang.
'Cause trying not to love you only goes so far
Trying not to need you is tearing me apart
Can't see the silver lining from down here on the floor
And I just keep on trying but I don't know what for
'Cause trying not to love you
Only makes me love you more
Sie blicke zu Atemu, versuchte sich angestrengt auf das Spiel zu konzentrieren.
Only makes me love you more
Als er ihren Blick erwiederte, sah sie schnell weg, Blickte auf die Seiten
der Gitarre, die beim anschlagen vibrierten.
And this kind of pain only time takes away
That's why it's harder to let you go
And nothing I can do without thinking of you
That's why it's harder to let you go
Atemu machte einen tiefen Zug an seiner Zigarette. Joeys hatte eine gute Stimme.
Sogar sehr gut. Hätte er von dem blonden Tollpatsch gar nicht erwartet.
Es stimmte nunmal, dass die Fassade eines Menschen, wie der Einband
eines Buches ist, man kann den Inhalt nur darüber nicht beurteilen.
Und genau so, hatte sich auch der Einband dieser kleinen schnippischen Frau,
die krampfhaft versucht ihrer Lebensplanung zu folgen nicht bestätigt.
Er war sich zwar sicher das Buch mit dem Titel Massayo L. McPherson
noch nicht zu ende gelesen zu haben, aber...er hatte das Gefühl, dass sich ihre
Geschichte jeden Tag ändern würde. Er brachte gehöriges Chaos in ihr Leben,
das wusst er und es war ja nicht so, als wenn es Absicht wäre.
Er sah wieder zu ihr hinüber.
o I sit here divided, just talking to myself
Was it something that I did? Was there somebody else?
When a voice from behind me that was fighting back tears
Sat right down beside me and whispered right in my ear
Said I've been dying to tell you
Okay vielleicht war es Absicht. Er hatte Spaß daran ihre Planung durcheinander
zu bringen. Er genoss es diese Seiten aus ihr heraus zu kitzeln.
Er genoss es in ihrer Nähe zu sein.
Atemu lies seine Zigarette fallen.
That trying not to love you only went so far
That trying not to need you was tearing me apart
Now I see the silver lining from what we're fighting for
And if we just keep on trying we could be much more
'Cause trying not to love you, yeah
Oh, yeah, trying not to love you
Only makes me love you more
Only makes me love you more
Er wusste, dass er niemals so in ihrer Nähe sein konnte, wie er es gerne
wollte. Er war sich sicher, dass sie es ganau so wollte, auch wenn sie es jetzt
noch nicht wusste.
Wofür also dann der ganze Stress?
War es das wert? In seinen Augen war es das nicht und genau deßhalb hasste
er diese Gefühle, sie machten ihn schwach und alles was ihn schwach machte,
war nicht gut. Also war es auch diese Frau nicht, oder doch?
Die letzten Töne der Gitarre verstummten und tosender Applaus war ihr
nachfolger. Joey nahm die Hand seiner Freundin und reckte sie in die Höhe.
Massayo lachte ihm zu, versuchte die Botschaft in Joeys Song zu ignorieren.
Schob das Gefühl bei Seite.
"Weiter Joey, weiter"
"Ja wir wollen noch einen Song hören!"
"Okay, okay, alles für die Fans! Wie wäre es mit einem klassiker von
meinem ersten Album »Past & Present«?
Brownie, würdest du...?"
"Muss das sein?"
Massayo wusste welchen Song Joey spielen wollte. Es war das Lied, was er
bei dem Abend in der Aula gesungen hatte, als sie kurz vor den
Abschlussprüfungen waren. Es war eine merkwürdige, aber auch eine
der schönsten Zeiten in ihrem Leben gewesen.
Sie konnte sich aber bis heute nicht erklären, warum sie jedesmal, wenn sie
das Lied hurte, anfing zu weinen.
Deßhalb hatte sie es sich seit 4 Jahren nicht mehr angehört, auch wenn
es ihr gewidmet war. Joey hatte ihr nie richtig erklärt, warum er
dieses Lied geschrieben hatte und was es bedeutete.
Sie bekam sonst alles raus, aber hier machte Joey ein riesen Geheimnis draus.
»Du wirst es eines Tages verstehen und dich vielleicht an das
erinnern, was den Song ausmacht.«
Vielleicht war es aber mittlerweile nicht mehr so schlimm.
Sie sah Joey verunsichert an.
"Du musst nicht, wenn du nicht willst..."
"Nein nein....schon in Ordnung..."
"Wird das denn heute noch was?"
Atemu war genervt, von diesen ganzen dramatischen Pausen, den Reisen in
die Vergangenheit und den ganzen Infos, die er gar nicht wissen wollte.
Massayo sah ihn böse an und fing an zu spielen.
//Hm, scheint doch zu gehen, ein Glück...//
I can take the rain on the roof of this empty house
That don't bother me
I can take a few tears now and then and just let 'em out
I'm not afraid to cry every once in a while
Even though goin' on with you gone still upsets me
There are days every now and again I pretend I'm okay
But that's not what gets me
What hurts the most was being so close
And havin' so much to say
And watchin' you walk away
And never knowin' what could've been
And not seein' that lovin' you
Is what I was trying to do
Angestrengt versuchte sie sich auf das Spiel zu konzentrieren, schloss ihre Augen.
Das Lied handelte von Verlust, von verlorener Liebe, von Schmerz...
It's hard to deal with the pain of losin' you everywhere I go
But I'm doing it
It's hard to force that smile when I see our old friends and I'm alone
Still harder gettin' up, gettin' dressed, livin' with this regret
But I know if I could do it over
Sie erinnerte sich an etwas.
Wieder dieses Gefühl in ihrer Brust, wie eine Hand, die ihr Herz zusammendrückte.
Sie sah sich selbst in der Aula der Schule sitzen. Neben ihr Yugi, der ebenfalls
mit den Tränen zu kämpfen hatte.
I would trade, give away all the words that I saved in my heart
Sie sah sich in ihrem alten Klassenraum, sah vor sich den leeren Platz.
Die mitleidigen Blicke ruhten auf ihr. Sie spürte eine Berührung,
jemand streichelte ihr den Rücken.
Es war zu viel, selbst diese Berührung war zu viel.
Sie brach zusammen, stürmte aus dem Klassenraum, konnte diese
Leere nicht weiter ertragen.
That I left unspoken
Sie erinnerte sich an ein Licht, wie jemand auf dieses Licht zu ging,
für immer verschwand.
Als sie krampfhaft darum kämpfte die Augen zu öffnen, bereute sie es sofort.
Sie spürte die Tränen, die ihr die Wangen herabliefen, als sie blinzelte.
Sah wie sich diese amethystfarbenen Augen wieder den Weg in ihre Seele suchten.
"What hurts the most was being so cl..."
Der tiefe Ton der Gitarre war zu hören, die Schüler schreckten aus ihren
Träumen auf und sahen irrtiteirt ihre Sozialarbeiterin an.
Massayo war ruckartig aufgestanden und hatte das Instrument
fallen lassen. Sie schüttelte den Kopf und fast sich an die Stirn.
Fluchtartig drehte sie sich um und lief davon. Wie ein kleines Kind versuchte
sie aus der Situation zu entkommen. Ignorierte die Rufe ihres Freundes.
Sie konnte ihm grade nicht in die Augen sehen.
Zu tief saß der Schmerz, aber wo kam er her?
"Joey, musste das sein?" Yugi war aufgesprungen.
"Ich...ich dachte doch nicht"
Joey machte sich schreckliche Vorwürfe.
"Ja genau, du dachtest mal wieder nicht nach. Es war doch klar, dass sie
so reagieren würde!"
Er sah ihr nach, verlor den Blick auf sie allerdings in dieser Dunkelheit
schneller als er wollte.
"Was zum Teufel ist hier eigentlich los?" die tiefe Stimme Atemus erhob sich.
Er kam auf die beiden zu.
"Was für ein Theater wird hier gespielt? Diese Aktion eben, war ja
mal völlig lächerlich. Was bezweckt ihr beide damit?"
"Das würdest du nicht verstehen, Atemu" Joey wich aus.
"Was würde ich nicht verstehen?" hakte er zornig nach.
Yugi und Joey sahen sich an. Wie kamen sie aus dieser
Situation wieder raus?
Oder sollten Sie ihm wirklich erzählen, was vor 7 Jahren geschehen war?
Sollten sie ihm sagen, dass sie dachten, er sei die Reinkanation
ihres fortgegangenen Freundes?
Nein, er würde ihnen ohnehin nicht glauben.
Das hier war nicht Yami. Es war zwar ein Teil von ihm, aber es war einfach
nicht Yami. Er hatte keine Erinnerungen an das was geschehen war, an ihre
gemeinsame Vergangenheit. Er war ein eigenständiger Mensch mit
seiner eigenen Geschichte.
"Fuck, was ist hier los?"
Er packte Yugi am Kragen.
"Warum bringt ihr mein Mädchen mit Absicht zum weinen?"
Atemus Stimme bebte vor Zorn.
"Lass ihn los Atemu!"
Joey löste seine Griff und legte die Hände auf seine Schulter.
"Alter...es ist echt kompliziert..."
"Wenn ihr mir nicht in der nächsten Minute eine Antwort gebt, dann vergesse
ich mich!"
"Atemu, ich bitte dich hör auf damit. Du kannst nicht immer jeden um dich
herum verprügeln oder bedrohen, der dir keine Antwort gibt."
Yugi sah ihn streng an. Atemu sah Yugi direk in die Augen und seine
Wut verrauchte. Es war nicht das erste mal, dass er ihn aus seinen
dunklen Gedanken wieder zurück holte.
Was war bloß mit den Menschen hier in Japan los?
Waren das alles Heilige?
"Was verschweigt ihr mir?" fragte er nun ruhiger.
Yugi und Joey wechselten einen Blick.
"Nicht hier, lass uns in meinem Zimmer reden" sagte Yugi schließlich,
ehe sie sich alle dort hin begaben.
Atemu knallte die Tür hinter sich zu und ließ sich rücklings auf das Bett fallen.
Er griff sich in die Hosentasche und holte seine Zigarettenschachtel und sein
Feuerzeug heraus. Er schüttelte die Schachtel ein wenig, sodass eine
Zigarette herauslugte, die er sich dann zwischen die Lippen steckte.
Das ratschen des Feuerzeuges war zu hören und die gluht erhellte
die Dunkelheit. Atemu konnte es nicht fassen, wie sehr er von Hass und
Zorn erfüllt war. Er versuchte die letzten Minuten zu verdauen.
»Vor 7 Jahren, haben wir gemeinsam ein Spiel getestet, was du bestimmt
kennst. Damals hatte es noch keinen Namen, heute heißt es ´Spiria Wars`.
Ich, Joey und ein paar unserer Freunde haben es zusammen getestet,
Tea, Tristan, Bakura, Mokuba, Kaiba und....Yami«
Atemu zog kräftiger an seiner Zigarette, wusste, dass diese eine
nicht genug sein würde, um ihn zu beruhigen.
»Yami war mein Cousin« Das entsprach zwar auch nicht der kompletten
wahrheit, aber sie beließen es dabei ihm nicht alles zu sagen.
Yugi sprach von ihm, wie von einem Helden, einem Menschen, der
genau wusste was er wollte, der seine Ziele verfolgte, unerschrocken und
fokussiert. Atemu erkannte die paralellen.
»Irgendwann trafen wir auf Massayo, ihre kleine Schwester Samantha und
Vivien. Da sie und Joey sich kannten, haben wir gemeinsam weiter gespielt.
Nun...ziemlich schnell zeigte sich, dass Massayo und Yami, wohl etwas mehr
waren, als nur Mitglieder des selben Teams.«
»Yugi du untertreibst, die beiden waren vom ersten Moment an total
in einander verknallt«
Atemu knurrte, ihm gefiel es absolut nicht, dass es da jemand anderen
gab, der ihm wohl irgendwie ähnlich war.
»Dann, als das Spiel irgendwann vorbei war, hatten startete das Kooperations-
projekt an unser Schule. Die Oberstufe von St.Xavier aus Amerika kam zu
uns für ein Jahr nach Domino, es war Massayos Jahrgang.
Und nunja, es kam wie es kommen musste, die beiden fanden zu einander«
»Das ist ja alles sehr romantisch, aber was zum fick hat das mit mir zu tun?
Ich interessiere mich genau so wenig für Massayos Vergangenheit und die darin
enthaltenen Liebschaften, wie sie sich für meine«
»Du wolltest doch wissen, was mit ihr los ist«
»Ehrlich gesagt, will ich es gar nicht mehr. Mich interessiert dieser
arrogante Arsch namens Yami nicht«
//Ich hätte in diesem Moment gehen sollen...ich war doch schon an der Tür.
Fuck, ich wollte das nicht hören!//
»Yami ist gestorben!« schrie ihn Yugi an, Tränen standen ihm in den Augen.
»Wage es ja nie wieder so über ihn zu sprechen!
Ihm war es nicht vergönnt bei uns zu bleiben, er hat so viele Leben verändert,
völlig selbstlos war er bis zu seiner letzten Minute. Ich lasse es nicht zu, dass
du seinen Namen in den Dreck ziehst!«
Yugi war völlig außer sich.
»Und weißt du, was das schlimmste daran ist? Massayo hat ihn
komplett vergessen! ich weiß nicht, wie und warum, aber sie hat es und
jedesmal, wenn Joey diesen Song gesungen hat, hat sie angefangen zu
weinen, das Lied handelt von ihm. Sie hatte nie die Chance ihm zu
sagen, dass sie ihn liebt verdammt. Das ist so schrecklich unfair!«
Atemu wurde es zu viel, saß er hier etwa auf der Anklagebank?
»Hör gefälligst auf! Wage es ja nicht so mit mir zu sprechen!
Ihr solltet euch schämen!« Atemus Stimme zitterte.
Yugi und Joey sahen ihn geschockt an.
»Denkt ihr wirklich ich bin dämlich? Mir wird langsam alles klar.
Seit dem Tag an dem wir uns begegnet sind, war das dein Plan nicht
wahr? Du versuchst die Lücke, die er hinterlassen hat mit mir zu füllen?!
Dann halt dich jetzt gut fest, ich bin nicht Yami, ich bin Atemu.
Und ich werde mich nicht ändern. Eure Wunschvorstellung, dass ich so sein
könnte wie er ist doch wohl nicht euer Ernst!«
Atemu war außer sich vor Wut, er hasste es, wenn Menschen ihn ändern
wollten, warum konnten sie ihn nicht so akzeptieren, wie er ist.
»Atemu, wir...«
»Seit still! Was ich daran noch unfassbarer finde, ist dass ihr mit den
Gefühlen eurer kleinen Freundin spielt.«
Beide sahen ihn geschockt an.
»Ihr könnt doch nicht ernsthaft versuchen eine verlorene Liebe
wieder auferstehen zu lassen! Wie erbärmlich seit ihr eigentlich?
Meine fresse, sie ist verlobt verdammt und ihr versucht sie ernsthaft
mit einem kaputten Typen, wie mir zusammen zu bringen?
Seit ihr noch zu retten?«
Es war ein Schlag ins Gesicht. Das schlimme war, dass er absolut
Recht hatte. Wer waren sie, dass sie sich einmischen durften?
»Begreift ihr denn nicht, dass so etwas wie Schicksal nicht exsistiert?
Ich bin schwer enttäuscht, von euch beiden!
Wagt es ja nicht, so weiter zu machen, sonst lernt ihr mich richtig kennen«
Atemu legte den Arm hinter seinem Kopf ab, den anderen mit der Zigarette,
in der Hand, auf seinem Bauch. Mittlerweile hatte er das Fenster weiter aufgerissen
um die kühle Luft hinein zu lassen, die seinen Kopf etwas abkühlte.
Es half allerdings nicht viel. Er stand auf und ging hinunter in einen der
Gemeinschaftsräume. Hier stand ein Klavier.
Er setzte sich daran und klappte den Deckel auf. Die weißen und schwarzen
Tasten schenkten ihm ein mitleidiges Lächeln. Er schloss die Augen und
begann zu spielen. Versuchte so einen Weg zu finden, dieses Gefühl los
zu werden.
Er konnte es nicht länger leugnen. Er ertrug den Gedanken nicht, dass
er sie nicht für sich haben konnte. Er ertrug den Gedanken nicht, dass
seine angeblichen Freunde ihn so verändern wollten, damit er zu ihr
passen würde. Er hatte sich erhofft, sie würde sich in ihn verlieben,
so wie er nun mal war. Die Erkenntnis, dass das wohl nicht der Fall sein
würde, weil sie wohl unterbewusst immernoch diesen Yami liebte
ertrug er nicht. Sie schien ihn so sehr zu lieben, dass sie nur bei dem
bloßen Gedanken an seinen Tod, anfing zu weinen.
Sie weinte um jemanden, der nicht mehr in diesem Leben existierte.
Was hatte er dagegen zu bieten?
Er konnte sich mit diesem Typen nicht messen und er wollte es auch nicht.
Wenn sie ihn nicht so lieben konnte, wie er war, war sie es auch nicht wert,
dass er dieses Gefühl zu ließ.
Wieder dieser Schmerz in seiner Brust und diese Wut.
"Fuck..."
//sie sollte doch mir gehören. Ich will, dass sie nur mir gehört.
Stattdessen ist sie an diesen verdammten Typen gebunden und auch noch
mit einem verdammten Spießer verlobt.
Und mal wieder zeigt mir das Leben den Stinkefinger.//
Er hörte auf zu spielen und legte die Arme auf dem Klavier ab.
Ermüdet legte er seinen Kopf darauf ab.
Versuchte sich endlich zu beruhigen.
Versuchte wieder er selbst zu werden.