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Fairy's Act

von

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Menschlichkeit

In Sargios wurde das Leben schlimmer.

Spirits wurden dort noch mehr verachtet als in Rakios, selbst der Herrscher hielt nichts von ihnen und ließ sie bis zur Erschöpfung allerlei Arbeiten erledigen, von denen sie in anderen Ländern ferngehalten wurden. Soma schien sich nicht darum zu kümmern, auch nicht um Lia, die sich rasch überfordert fühlte und sogar Verletzungen davontrug.

Sie ertrug das alles, damit Soma sie weiterhin lobte, aber er schenkte ihr nicht einmal mehr einen Blick, sondern widmete seine ganze Aufmerksamkeit jenen Spirits, die ihm in Sargios unterstellt worden waren. Allein der Gedanke, dass sie sich eines Tages in Manastaub auflösen und ihn das vollkommen kalt lassen würde, machte sie geradezu wahnsinnig.

So sehr, dass sie bei einem Ausflug Somas nach Malorigan, wohin sie ihn begleitete, schließlich die Nerven verlor. „Soma-sama...“

Er hielt inne und wandte ihr das Gesicht zu. Sein herablassender Blick, der ihr sonst Respekt einflößte, schaffte dies heute nicht. Vor kurzem waren sie Spirits aus Rakios begegnet; Esperia, mit der sie in den Baracken zusammengelebt hatte; Selia, mit der sie im Ausbildungslager gewesen war und Aselia, die aufgrund des Namens vermutlich aus demselben Lager stammte. Diese Begegnung hatte ihr klargemacht, dass Soma im Laufe des Krieges sterben würde und sie auch, die Entschlossenheit ihrer Feinde war geradezu greifbar gewesen. Sie musste das verhindern, ob er wollte oder nicht.

„Was ist? Nun sprich!“ Seine gereizte Stimme weckte sie aus ihren Überlegungen.

„Soma-sama, bitte, lasst uns den Krieg vergessen und fortgehen!“

Er runzelte die Stirn. „Was erlaubst du dir eigentlich? Du bist ein Spirit, es steht dir nicht zu, so mit mir zu sprechen! Du lebst nur für den Krieg!“

„Es geht auch nicht um mich, sondern um Euch!“, fuhr sie verzweifelt fort. „Ich möchte nicht, dass Ihr sterbt!“

„Du bist paranoid.“

Er machte ein verachtendes Geräusch und wandte sich dann von ihr ab, um weiterzugehen.

Er glaubt mir nicht, fuhr es durch ihren Kopf. Er wird sterben, wenn ich es nicht verhindere.

Sie zog ihr Shinken, während er arglos weiterging. In ihrem Kopf existierte nur noch der Gedanke, dass sie etwas tun musste, sie musste verhindern, dass ihm etwas geschah. Damit stürzte sie mit erhobener Klinge vor. „Verzeiht mir, Soma-sama!“
 

Der Junge führte sie zu einem kleinen Schneehügel. Bei näherer Betrachtung bemerkte Yuuto, dass es sich dabei um Holz handelte, das achtlos fallengelassen worden war, wonach sich Schnee darauf gelegt hatte. An dieser Stelle musste der Junge beobachtet haben, wie der Spirit seine Schwester umbrachte.

Er deutete zwischen die Bäume. „Der Spirit ist dorthin verschwunden. Ihr könnt ihm folgen.“

Yuuto nickte. „Du wartest hier besser. Oder nein, geh lieber wieder nach Sosuras zurück. Wir schaffen das bestimmt ohne dich.“

Der Junge sah ihn noch einmal mit undurchdringlichem Blick an, dann fuhr er grußlos herum und ging davon.

„Können wir ihn wirklich einfach so gehen lassen?“, fragte Esperia.

„Er kennt sich hier besser aus als wir“, erwiderte Yuuto. „Er wird schon heil ankommen.“

Ohne noch etwas zu sagen, ging er auf die Bäume zu. Schnee fiel herab, als er sich an den Ästen vorbeischob, fiel auf seinen Kragen und schmolz dort zu Wasser, das ihm unangenehm kalt den Rücken hinablief. Die Spirits folgten ihm, ohne dass er ihnen die Anweisung dazu geben musste.

Inmitten der Bäume entdeckte er keinen Spirit, aber er konnte abgerissene Äste sehen, die ihm zeigten, in welche Richtung er gehen musste. Zuerst konnte er nichts spüren, aber nach wenigen Schritten bemerkte er plötzlich tatsächlich die Anwesenheit eines weiteren Shinken, das er nicht kannte. Eine überraschend starke Woge des Hasses ging von diesem aus, die anderen Spirits bemerkten ihn ebenfalls und griffen sofort nach ihren Waffen.

Die Energie näherte sich ihnen nicht, deswegen zog Yuuto sein Shinken und ging vorsichtig weiter. Jenseits der Bäume entdeckte er eine Höhle, die offenbar ihr Ziel darstellte.

„Neben der Fee ist auch ein Mensch dort.“ 'Motomes' plötzlicher Kommentar ließ Yuuto innehalten. „Aber die Energie der beiden ist fast erschöpft.“

Nach wenigen Schritten war es ihnen möglich, jemanden zu sehen. Ein blauhaariger Spirit saß dort auf dem Boden und strich immer wieder einem Mann über den Kopf, der auf ihrem Schoß gebettet war. Dabei summte sie leise. Den Spirit erkannte Yuuto nicht, aber durchaus den Mann.

Das ist Soma Ru Soma.

Esperia blinzelte. „Lia?“

Erst als sie diesen Namen sagte, hielt der fremde Spirit inne und wandte ihnen den Kopf zu. Ihre Augen waren gespenstisch leer, sie stand kurz davor, ihre Seele zu verlieren. Yuuto hasste diesen Anblick und war deswegen bemüht, ihn bei dem ihn unterstellten Spirits zu vermeiden.

„Esperia...“ Lias Stimme klang kraftlos, aber immerhin war es ihr noch möglich, sie zu erkennen.

Plötzlich änderte sich ihr Gesichtsausdruck, er wurde ängstlich, panisch fast. Sie drückte Soma an sich, worauf dieser ein schmerzerfülltes Keuchen von sich gab. „Ihr dürft mir Soma-sama nicht wegnehmen! Er gehört mir!“

Yuuto war ein wenig verwundert, dass Soma sich nicht wehrte. Sein Blick wanderte an dem Mann hinab, er wurde blass, als er bemerkte, dass seine Beine in einem ungesunden Winkel abstanden und seine Kleidung blutgetränkt war. „W-was hast du mit ihm gemacht?“

Orupha sog schockiert die Luft ein. „Du hast einen Menschen verletzt! Das ist nicht in Ordnung!“

Esperia und Uruka wirkten sogar ein wenig erleichtert, offenbar hatten sie keine guten Erfahrungen mit diesem Mann gemacht, Aselia war so unbeteiligt wie immer.

Offenbar erkannte Lia nun die Bedrohung in ihnen, denn sie ließ Somas Kopf achtlos zu Boden fallen und stand auf. Ihr Körper und ihr Shinken leuchteten in einem unheimlichen blauen Licht, das Yuuto automatisch ein wenig zurückweichen ließ. Ihre Stärke schien sich plötzlich mindestens verdoppelt zu haben, sie musste wirklich glauben, dass sie ihn gegen eine Bedrohung beschützen müsste.

„Wir sollten es besser schnell hinter uns bringen, Yuuto-dono“, sagte Uruka.

Er wollte ihr zustimmen, aber er schaffte es nicht, sich zu bewegen. Sein Blick war stur auf die Augen Lias gerichtet, die plötzlich nicht mehr leer, sondern voller Leben, nein, Hass, waren. Doch mit einem Blinzeln von ihr, schwand auch diese Emotion und zurück blieben nur die leeren Augen, die davon zeugten, dass sie ihre Seele verloren hatte.

Schwarze Flügel sprossen aus ihrem Rücken, als sie zu einem Angriff ansetzte. Sie stürzte überraschend schnell auf Yuuto zu, doch es gelang ihm dennoch rechtzeitig, sein Schild aufzubauen. Sie prallte mit einem schmerzhaften Knacken daran ab, aber es kümmerte sie nicht weiter, als sie sich wieder aufrichtete.

Orupha schnaubte wütend und konzentrierte sich auf das Mana, das um sie herum existierte. Es sammelte sich, wandelte sich in rotes Mana, erzeugte Hitze, Orupha deutete mit den Handflächen auf Lia. „Apocalypse!

Trotz der Kälte schoss eine erstaunlich kräftige Flammenwand dem feindlichen Spirit entgegen, schmolz den Schnee, versengte die umliegenden Bäume. Lia machte keine Anstalten, diesen Zauber zu kontern, stolz und mit erhobenem Kopf stand sie inmitten der Flammen und Yuuto konnte nicht anders als ihr eingeschüchtert entgegen zu sehen.

Plötzlich schoss sie vor, sprang durch die Flammenwand und griff wieder an. Aselia erkannte, dass Yuuto sich nicht bewegen würde und fing das angreifende Schwert ab. Uruka nutzte den Moment und griff nun selbst an, aber selbst ihren gewohnt schnellen Hieben konnte Lia ausweichen. Ihr eigener neuer Angriff wurde von Esperias Schild abgewehrt. Die Wucht des Aufpralls ließ sie rückwärts fallen und auf Soma aufkommen, der inzwischen nichts mehr von sich gab.

Alle seiner verbündeten Spirits blickten zu Yuuto, der wusste, dass sie von ihm erwarteten, etwas zu tun, möglicherweise sogar den letzten Hieb auszuführen, aber er konnte nicht anders als zu zögern.

Das Feuer war inzwischen mangels Nahrung wieder erloschen, so dass er einen ungehinderten Blick auf Lia bekam und er konnte nicht anders als Mitleid mit ihr zu verspüren. Sie wollte nur Soma beschützen, der ihr aus welchem Grund auch immer, viel bedeutete. Sie war nicht böse, aber dennoch war bereits so viel von ihrer Seele verloren, dass er wusste, dass jedes Wort sinnlos war.

Und doch konnte er sie nicht angreifen, sie war unschuldig, noch mehr als die anderen Spirits, so schien es ihm.

Lia richtete sich auf und wollte wieder angreifen, bemerkte dann aber, dass sie in einer Blutlache stand. Sie hielt inne und – Yuuto konnte es kaum fassen – plötzlich kehrte das Leben wieder in ihre Augen zurück. „Soma-sama!“

Mit einem Laut der Bestürzung fiel sie auf die Knie und rüttelte an seiner Schulter. „Soma-sama!“

Er rührte sich nicht mehr, aufgrund des immensen Blutverlusts konnte Yuuto auch ohne näher bei ihm zu stehen sehen, dass er tot sein musste. Nicht, dass er den Tod dieses Mannes, der sein Feind gewesen war, betrauerte, aber es tat ihm um Lia Leid. Ihr war deutlich anzusehen, dass der Verlust sie schmerzte. Das unmenschliche Heulen, das sie ausstieß, verstärkte diesen Eindruck noch einmal.

Da er immer noch nichts tat, übernahm Esperia wieder den Befehl über die Einheit. „Aselia.“

Sie nickte und stürmte mit erhobenem Shinken vor.
 

Oft, sehr oft sogar, hatte Yuuto inzwischen gesehen, wie Spirits sich in Manafunken auflösten, die in die Luft stiegen und schließlich verschwanden, um zu ihrem Ursprung zurückzukehren und als neuer Spirit geboren zu werden.

Aber noch nie hatte er sich so traurig und bestürzt gefühlt wie in diesem Moment.

„Sie hat ihn wirklich geliebt.“ Seine tonlose Stimme verriet nichts von seinen Gefühlen. „Sie hat ihn geliebt... und ihn verletzt, damit er sie nicht verlässt.“

Woher er diese Gewissheit nahm, wusste er nicht, vermutlich war es ein von 'Motome' eingeimpfter Gedanke, aber er machte sich nicht die Mühe, lange darüber nachzudenken.

Aselia, die neben ihm stand, nickte. „Hnn...“

„Würdest du das auch tun, wenn ich dich verlassen würde?“

Zur Antwort legte sie eine Hand auf ihr Herz und neigte den Kopf. Er wusste, dass es bedeutete, dass sie sich nicht sicher war, weil sie ihre Emotionen in einem solchen Fall nicht einschätzen konnte. „Bleib einfach bei mir, dann passiert es auf jeden Fall nicht.“

Sie lächelte über ihre einfache Logik, ihm war nicht im Mindesten danach. „Sie war im letzten Moment wieder sie selbst...“

Doch Esperia, die nicht weit entfernt stand, schüttelte sanft mit dem Kopf. „Nein, nicht wirklich. Das war nur noch ein kurzes Aufflackern. Sie wäre nicht mehr normal geworden, nicht ohne... ihn.“

Sie vermied es, den Namen auszusprechen oder ihn auch nur anzusehen.

„Dann gab es nichts, was wir hätten tun können?“

„Gar nichts“, bestätigte Esperia. „Sie hat ihre Wahl selbst getroffen.“

Yuuto stieß ein schweres Seufzen aus. „Dann gehen wir.“

Damit fuhr er herum und ging langsam davon, er fühlte sich immer noch wie betäubt. Orupha sprang fröhlich lächelnd auf ihn zu. „Papa, Papa! Bauen wir jetzt einen Schneemann?“

Er lachte leise, dann tätschelte er ihren Kopf. „Sicher, ich habe es dir ja versprochen.“

Orupha schaffte es mit ihrem fröhlichen Wesen stets, ihn wieder aufzumuntern. Einen Schneemann zu bauen wäre vielleicht eine gute Idee, wenn er so darüber nachdachte. Das hatte er seit Ewigkeiten nicht mehr gemacht, zuletzt als er noch ein Kind gewesen war.

„Mal schauen, ob ich mich überhaupt noch daran erinnere, wie das funktioniert.“

Mit immer noch schwerem Herzen, aber nun zumindest lächelnd, setzte er mit seinen Spirits den Rückweg an. Aber egal, was noch geschehen würde, er war sich sicher, dieses kurze Erlebnis nicht einfach so zu vergessen.



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