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Die Geflügelte Schlange - Aufstieg

* * make love, not war * * - Teil 1
von

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15. Unter Beobachtung

Als der Scheiterhaufen mit den Toten der Schlacht lichterloh brannte, überwältigten Nefut fast die Schuldgefühle gegenüber seinen toten Männern. Er hatte gewußt, daß die Wenigsten in einer Schlacht bestehen würden. Hätte er sie nicht nach Nemis geführt, wären sie ihm nicht getreulich gefolgt, würden sie noch leben: der junge Kermul, den sie mit fast abgeschlagenen Beinen und wohl qualvoll verblutet gefunden hatten; Doshan geköpft, so daß sie den Kopf nach der Leichenwäsche wieder annähen mußten; Telwar von hinten erstochen; Lehan mit eingeschlagenem Schädel und zur Unkenntlichkeit zertrümmertem Gesicht; Nesfat mit zerborstenen Rippen anscheinend unter den Hufen durchgegangener Pferde gestorben; und Farhan schließlich, der eine ähnliche Verletzung wie Derhan nicht überlebt hatte.
 

Nefut konnte nur hoffen, daß die Männer tatsächlich als Gefolgsleute eines Unirdischen gestorben waren und sich so ihren Platz in den Gärten der Freude verdient hatten. Hamarem hatte sich so seltsam benommen, daß Nefut zum ersten Mal seit sie sich kannten, Zweifel an seinem Urteil hatte. Was, wenn die wundersame Heilung Derhans kein sicheres Zeichen für Amemnas unirdische Natur war? Wenn Oremar Recht hatte und Amemna einem Dämon als Hülle diente, wären sie und wohl auch die toten Aufständischen der Schädeloase, Mutar, Enwar, der Kleine Nefut, Tyrimar, Gardan und Peltar, allesamt verdammt. Und Derhan mußte in diesem Falle besonders um sein Heil fürchten, wenn es ihn denn interessieren würde. Der Vorfall bedurfte noch dringend der Klärung.
 

*
 

Nefut fing Hamarem ab, als der kurz vor der Nachtruhe noch einmal das Zelt verlassen wollte. "Kannst du mir erklären, was mit Amemna passiert ist?" fragte er drängend. Oremars panische Angst vor seinem wieder aufgestandenen toten Wanack stand ihm noch deutlich vor Augen. Als Nefut mit den eingefangenen Pferden zu Oremar zurückgekehrt war, hatte Amemna sich bereits wieder erhoben gehabt und war dabei gewesen, die umherliegenden Leichen, die der Tetraosi und der Hannaiim gleichermaßen, zu fleddern. Nefut mußte ihn ermahnen, das zu unterlassen. Und dann hatte er Oremar, der sich auf dem Boden zusammengekauert hatte und alle guten Götter zum Schutz vor Chelems Dämonen anflehte, beruhigen müssen. "Hat der Darashy irgendeinen Handel mit Chelems Dämonen abgeschlossen?"
 

Hamarem war Nefuts Blick ausgewichen und er schien sich um eine Antwort drücken zu wollen, doch nun schüttelte er entschieden den Kopf. "Nein, natürlich hat er keinen Handel mit Dämonen abgeschlossen!" Er erklärte noch irgendetwas, aber Nefut hörte gar nicht mehr zu. "Das schwörst Du mir?"
 

"Bei Orem und dem Ungenannten: ich schwöre euch Herr, an der Rückkehr unseres Wanack ins Leben und der Heilung von Derhan ist nichts dämonischen Ursprungs", antwortete Hamarem ernsthaft in seiner gewohnten Art.
 

Das schien vertrauenswürdig genug, und Nefut gestattete, daß Hamarem sich an ihm vorbeidrückte, auch wenn er nicht wirklich eine Erklärung dafür erhalten hatte, was genau passiert war. Er sah Hamarem nach, der an Amemnas Zelt Halt machte, ihren Wanack, der gerade heraustrat, kurz begrüßte und mit ihm gemeinsam zwischen den Zelten davonging. Kurzentschlossen folgte Nefut den beiden. Die Männer hatte sich ohne Umstände vor der Totenwäsche ihrer zerschnittenen und blutigen Gewänder entledigt und neu bekleidet. Amemna dagegen hatte sich zu diesem Zweck allein in sein Wanackzelt zurückgezogen. Das war natürlich sein gutes Recht, aber Nefut konnte sich nicht erinnern, seinen Wanack auch nur einmal leicht oder gar nicht bekleidet gesehen zu haben, nicht einmal bei den schweißtreibenden morgendlichen Waffenübungen, die sie gemeinsam machten. Und auch das Badezelt hatte Amemna nicht zusammen mit seinen Mawati aufgesucht. Vielleicht sollte Nefut versuchen herauszubekommen, warum Amemna so auffällig darauf bedacht war, daß andere seinen Körper nie unbekleidet zu sehen bekamen. Vielleicht versteckte er tatsächlich seine Unirdischen-Flügel unter seinen Gewändern. So abwegig kam Nefut dieser Gedanke nach dem auf dem Schlachtfeld Erlebten nicht mehr vor. Wie mochten die Flügel eines Unirdischen wohl aussehen? Es hieß, die Unirdischen könnten sich in weiße Falken verwandeln. Waren es also weiße befiederte Flügel, wie die eines Falken? Oder eher mit Haut bespannte Flügel wie die einer Fledermaus wenn sie in ihrer menschlichen Gestalt unter den Sterblichen wandelten?
 

Der Weg von Amemna und Hamarem endete an den Pferdepferchen. Nefut zog sich in den Schatten eines Zeltes zurück, so daß er nicht gesehen werden konnte, aber die beiden, die zunächst schweigend die schlafenden Pferde beobachteten, gut sehen und gegebenenfalls hören würde. Erst nach einer Weile fragte Amemna seinen Begleiter leise: "Kannst du mirr errklären, was mit mirr passierrt ist, Hamarrem?"
 

Hamarem lächelte. "Vielleicht hättet ihr Nefut dazubitten sollen, Herr. Er stellte mir gerade die selbe Frage."
 

"Vermutlich weil auch err denkt, daß du als einzigerr von uns wenigstens eine Ahnung hast, was passierrt ist."
 

Amemnas Blick zeugte von einer Verbundenheit mit Hamarem, die ungeahnte Eifersucht in Nefuts Herz weckte. Wie war diese Vertrautheit zustande gekommen? Hätte sie nicht eher ihm als Amemnas älterem Bruder zugestanden?
 

"Was soll ich sagen als daß ihr heute bewiesen habt, daß ihr wahrhaftig von unirdischem Blute seid, Herr", war Hamarems unbefriedigende Erklärung.
 

"Das sagtest du berreits auf dem Schlachtfeld." Amemna war sichtlich enttäuscht über die Antwort.
 

Hamarem holte tief Luft, seufzte und begann: "Es heißt, die Unirdischen sind die Kinder des Ungenannten und die Diener Orems. Sie haben die Aufgabe, einem Gott zur Seite zu stehen, und das können sie nur, weil sie selbst über göttliche Kräfte verfügen. Und wenn sie unter uns wandeln und mit Menschen Kinder zeugen, so erben diese Kinder auch einen Teil dieser göttlichen Kräfte und können sie später ihrerseits ihren Kindern vererben. Daß ihr auf den Tod Verwundete wieder ins Leben zurückbringen könnt, ist eine der machtvollsten Fähigkeiten der Unirdischen. Es ist über tausend Jahre her, daß zuletzt von einem direkten Kind eines Uniridischen berichtet wurde, das so etwas vermochte. Seine Nachkommen hatten diese Fähigkeit nicht."
 

Nefut fragte sich, woher Hamarem das so genau wissen wollte.
 

Doch Amemna fragte nicht nach, sondern schüttelte nur zornig den Kopf. "Und warrum seigt sich diese Ferrtigkeit errst heute? Wieso nicht schon vorr swei Jahrren, dann hätte ich..." Amemna war so aufgeregt, daß sein Akzent sich verstärkte. Er kämpfte mit den Tränen und verlor.
 

Hamarem schien Anstalten zu machen, tröstend den Arm um Amemnas Schulter zu legen, unterbrach die begonnene Bewegung jedoch plötzlich, ließ den Arm wieder sinken und sagte: "Diese Kräfte entfalten sich bisweilen langsam, Herr. Einige entdecken sie früh, andere erst im Alter."
 

Amemna spannte die Schultern und sah mit noch immer tränengefüllten Augen in die Ferne. "Ich hätte meine Siehmutterr vorr dem Tod rretten können, hätte ich diese Fähigkeit damals schon entdeckt. Doch errst als ich selbst mit dem Tode rrang, offenbarrte sie sich. Anscheinend habe ich mirr nicht kenug kewünscht, sie ins Leben surückholen su können."
 

Das klang so verzweifelt und Amemna sah so herzzerreißend jung aus, doch Hamarem unterließ nicht nur die Umarmung, sondern er brachte auch kein Wort des Trostes hervor und schwieg. Nefut wäre am liebsten aus seinem Versteck gekommen, um seinen kleinen Bruder zu umarmen und zu trösten. Er erinnerte sich noch gut an das langsame Dahinsiechen seiner leiblichen Mutter, Murhan Darashys erster Frau, bis sie schließlich starb, als Nefut noch nicht einmal zehn Jahre alt war. Nefuts Verzweiflung über ihren Tod hatte lange angedauert, auch wenn es für seine Mutter wohl eine Erlösung gewesen war. Wie mochte Amemnas Ziehmutter gestorben sein? Für einen Moment hatte Nefut sogar Mitleid mit Murhan, der anscheinend mindestens drei Frauen durch einen frühzeitigen Tod verloren hatte, und er sandte stumm ein kurzes Gebet an den Ungenannten.
 

Amemnas Schluchzen wurde leiser und schließlich wischte er sich die Tränen aus dem Gesicht. "Weißt Du, Hamarrem", begann Amemna nach einer Weile dann wieder, "es warr ein seltsames Gefühl, zu spürren, wie das Leben den Körperr verlassen wollte und ich es wie mit Händen grreifen und festhalten konnte, um es zurrückzuziehen... ich konnte dem Leben gebieten." Die letzten Worte waren fast geflüstert leise, als erschrecke Amemna selbst über die Tragweite dieser Aussage. Und Hamarem stand der Mund offen. Wenn wirklich nichts Dämonisches an Amemna war, schien sein jüngerer Bruder also eine Art junger Gott zu sein, der gerade begann, seine Flügel zu erproben.
 

Wieder vergingen einige Momente in Stille, dann lächelte Amemna plötzlich. "Eigentlich eine ganz prraktische Ferrtigkeit, wenn man als Wanack einerr Söldnerreinheit verrpflichtet ist... Gute Nacht, Hamarrem." Und Amemna verließ die Pferdepferche und ließ Hamarem zurück.
 

Nefut sah ihm nach und wartete darauf, daß auch Hamarem wieder zurück zu den Zelten ging. Aber der lehnte sich auf den Zaun des Pferches, betrachtete zunächst die Pferde und dann den Sternenhimmel über dem Lager. Diesen gedankenverlorenen Ausdruck kannte Nefut nur zu gut und nutzte die Gelegenheit, unbemerkt vor Hamarem zurück im Mawati-Zelt zu sein. Und obwohl ihm das Gehörte noch lange durch den Kopf ging, schlief er schließlich ein, bevor Hamarem das Zelt wieder betreten hatte.
 

*
 

Amemna lag nackt auf seinem schönen glänzenden Mantel, die bis auf die Brust reichenden langen weißen Haare lagen wirr, wie durch einen Sturmwind aufgepeitscht, um seinen Kopf, die ebenso weißen Flügel unter ihm waren halb ausgebreitet. Sein Gesicht, mit den geschlossenen Augen mit langen weißen Wimpern unter den weißen Augenbrauen, wirkte wie das eines Schlafenden, aber die linke Seite seiner Brust war zerfetzt, als hätte ihm ein Raubtier zugesetzt. Das Blut hatte Nefut abgewaschen, die dunkle Haut wieder über die bloßen Rippen gelegt, und unter Tränen faltete er nun die großen, leise raschelnden Flügel unter seinem toten Bruder zusammen, so wie der sie zu Lebzeiten unter seiner Kleidung verborgen hatte.
 

Nefut schminkte Amemnas Augen wieder mit der Schwarzen Tinte und nähte ihn sorgfältig in seinen Mantel ein, bis nur noch das makellose, jugendlich schöne Gesicht herausschaute, umrahmt von den seidigen weißen Haaren. "Den Frommen Mann rühren die Bösen Geister nicht an" schrieb Nefut in Falkenform mit schwarzer Tinte auf Amemnas Stirn. Dann schlug er den letzten Zipfel des Mantels über das Gesicht und nähte die letzte Naht.
 

Zusammen mit seinem Vater trug er den Leichnam auf den Scheiterhaufen vor ihrem Haus in Berresh. Eine weitere eingenähte Leiche, Nefuts Mutter in einem braunen Frauenmantel, lag dort schon. Und sie entzündeten den Holzstapel. Die Flammen schlugen schnell hoch und begannen, an den Mänteln zu lecken, ihre Spuren zu hinterlassen. Doch die beiden Toten waren plötzlich wieder lebendig und begannen zu schreien, sich zu winden, versuchten, sich aus den Totenhüllen zu befreien, um dem Feuer zu entkommen. Die Schreie waren entsetzlich.
 

Nefut erwachte schweißgebadet. Was für ein furchtbarer Traum!
 

* * *
 



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Salix
2012-02-29T09:58:28+00:00 29.02.2012 10:58
Hallo, nun melde ich mich mal.
Das Nichtverstehen der magischen Fähigkeiten von den verschiedenen Personen und die Trauer um die Toten sind so beschrieben, dass es nachvollziehbar ist.
Und brr, was für ein gruseliger Albtraum!

LG


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