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Die Geflügelte Schlange - Aufstieg

* * make love, not war * * - Teil 1
von

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14. Nach dem Ende

Das metallisch klingende Signal hallte noch immer dröhnend in Hamarems Schädel wider. Sein kluges Pferd schloß sich jedoch nicht der Masse der fliehenden Reiter an und rettete ihm so vermutlich ein weiteres Mal das Leben. Wenn er sich nicht auf den Instinkt seiner schlachterprobten Stute hätte verlassen können, wäre er von der Desorientierung, die ihn seit dem Aufwachen umfangen hielt und erst langsam nachließ, längst in den sicheren Tod geführt worden. Etwas überrascht nahm Hamarem wahr, daß die Ärmel seines Untergewandes zerschnitten und blutig waren, auch an der hellen Mähne des Pferdes klebte Blut. Also hatte er wohl nicht geträumt, daß er sich während der Schlacht mit beiden Armen um den Hals seines Reittieres geklammert hatte, um es vor den Schwerthieben eines reittierlosen Tetraosi zu beschützen. Gerettet hatten ihn seiner Erinnerung nach zwei schwarzhäutige Männer mit strahlend weißen, grimmig gefletschten Zähnen und breiten Krummsäbeln. Hatte Amemna sie ihm wirklich durch Zuruf in einer fremden Sprache zur Hilfe geschickt oder hatte er das wiederum nur geträumt?
 

"Nane'Hawat", sagte jemand neben Hamarem.
 

Erstaunt sah Hamarem, daß die beiden Südmänner, die ebenfalls zu den berittenen Hilfstruppen der Hannaiim gehörten, noch bei ihm waren. Einer hielt die Zügel von Hamarems Pferd und reichte sie nun an Hamarem zurück.
 

"Orems Segen für Euch", erwiderte Hamarem aus vollem Herzen und nahm die Zügel entgegen.
 

Die beiden schwarzen Männer ritten davon.
 

Der Blutgeruch um ihn herum, der in wenigen Stunden zum Gestank der Verwesung werden würde, verursachte Hamarem Übelkeit. Und als ihm bewußt wurde, daß die blutfleckigen Stoffbündel auf der Erde tote Männer waren, mußte er sich wirklich übergeben. Danach ging es ihm erstaunlicherweise viel besser, und er sah sich um. An einen Pferdekadaver gelehnt entdeckte Hamarem eine zusammengekrümmte Gestalt mit buntgemustertem Turban. Es war Derhan. Hamarem ritt zu ihm, saß ab und beschwerte den Zügel seines verletzten Pferdes mit einem faustgroßen Stein, den er auf dem Boden fand. Dann bot er Derhan seinen Wasserschlauch an.
 

Derhan schüttelte langsam den Kopf. "Das lohnt sich nicht, ich werde sterben", sagte er matt und trotzdem lächelte er. Er hatte eine schwere Bauchwunde und vermutlich irgendetwas gegen die Schmerzen eingenommen.
 

Hamarem trank in großen Schlucken, dann gab er auch seinem Pferd zu trinken und untersuchte den Hals des Tieres. Es hatte einen Schnitt am Hals, lang aber nicht sehr tief, der schon begann, zu verschorfen und ohne Probleme verheilen würde. Die Schnitte an seinen eigenen Armen stellten ebenfalls keine ernsten Verletzungen dar, und durch die betäubende Nachwirkung des Stechapfelsuds waren sie so gut wie gar nicht zu spüren. Doch hätten die Südmänner dem Tetraosi nicht den Garaus gemacht, hätte wohl weder Hamarems Pferd noch er selbst überlebt. Es war Hamarem ohnehin ein Rätsel, wie er die Schlacht in halbbetäubtem Zustand lebend überstanden hatte. Er hatte auch keine Erinnerung daran, ob er während des Kampfes sein Schwert gezogen hatte oder nicht, das Heft zumindest war blutig. Hamarem löste seinen Wasserschlauch vom Sattel und setzte er sich zu Derhan. Er trank erneut, und das Wasser schien einen Teil des Drogennebels wegzuspülen, dann aber sickerte es wie Blei in seine Glieder.
 

*
 

Plötzlich ritt Nefut heran, drei der Pferde ihrer Wannim am Zügel, eines davon Doshans Wallach. Waren die Besitzer der Pferde tot? Aber bevor Hamarem fragen konnte sagte Nefut mit eigenartiger Stimme: "Ich bringe Amemna zu euch", und ritt vorbei.
 

Das klang, als würde er Amemna quer vor seinem Sattel liegend oder auf einer Bahre bringen wollen. War er etwa verletzt? Amemna konnte doch nicht tot sein, oder? Auch wenn Hamarem eigentlich zu müde dafür war, und noch dazu die verbleibenden Nachwirkungen des Stechapfelsuds dagegen sprachen, griff er nach den Blättern des Traumkrautes in der Tasche seines Mantels und versuchte, im Muster der zertrampelten Gras- und Getreidehalme vor ihm auf dem Erdboden eine Antwort auf seine Fragen zu erhalten.
 

Der Blutgeschmack war fast überwältigend und erneut kämpfte Hamarem mit der Übelkeit. Viele der Mawati mußten tot sein. Und obwohl die Kräfte um Derhan verblaßten, als das Leben ihn langsam verließ, zeigte Hamarems Vision ihn lebend! Also würde er seine Verletzung überleben, wie unwahrscheinlich das auch schien.
 

Und dann kamen Oremar, Nefut und Amemna schon angeritten, allesamt mit bis zu den Schultern blutbespritzten Ärmeln. Sie hatten mit Sicherheit ihre Schwerter benutzt. Amemna war anscheinend am Oberkörper, ein Stück unterhalb der Schulter verletzt, aber er lebte, Orem sei Dank. Eine seltsame Spannung herrschte zwischen den dreien, so daß die Kräfte regelrecht flirrten.
 

"Was ist passiert?" fragte Hamarem.
 

Nefut zuckte ratlos mit den Schultern und saß etwas schwerfällig von seinem Pferd ab.
 

Der ansonsten kaum zu beeindruckende Oremar dagegen wirkte erschüttert bis ins Mark und machte ein unheilabwehrendes Zeichen, während er in Amemnas Richtung blickte. "Er war tot", stieß Oremar hervor. "Er war ganz sicher tot. Ein Dämon Chelems muß in ihn gefahren sein!" Auch seine Erschöpfung war offensichtlich, als er sich aus dem Sattel gleiten ließ. Verletzt schienen Nefut und Oremar allerdings nicht zu sein.
 

Amemna dagegen sprang vom Pferd, als hätte er der Schlacht nur zugesehen. Dabei sprachen die beschmutzten Ärmel seines Untergewandes eine andere Sprache, zudem war die linke Seite seines schönen Mantels zerschnitten und das Untergewand darunter mit Blut getränkt. Mit wenigen Schritten war er bei Derhan, kniete sich neben ihn und faßte seine Hand. Und dann tat Amemna etwas, was Hamarem nur aus den in Orems Orakelstätte gehüteten Geschichten über die Unirdischen kannte: er bündelte die ersterbenden Kräfte um Derhan, entriß sie dem Schattenreich und verknüpfte sie erneut mit Derhan. Derhan sackte zusammen, aber er war wohl nur ohnmächtig, denn die Bauchwunde hatte sich geschlossen und seine Brust hob und senkte sich in regelmäßigen Atemzügen. Und Hamarem wurde klar, daß es anscheinend nicht die erste tödliche Wunde war, die Amemna an diesem Tag geheilt hatte. Oremar hatte seinen sterbenden Wanack wohl für tot gehalten, und Amemna war aus eigener Kraft aus dem Schattenreich zurückgekehrt. Er war also tatsächlich unirdischer Herkunft - ja, angesichts seiner Kräfte mußte er der direkte Abkömmling eines Unirdischen sein.
 

Hamarem sprang auf und warf sich vor Amemna auf den Boden. "Herr, eure Kräfte sind erfurchtgebietend!" rief er inbrünstig aus und drückte die Stirn in den Staub. Ihm war schwindelig durch das schnelle Senken des Kopfes, und plötzlich war er wieder der Novize vor dem großen Schrein des Nächtlichen Träumers und er sprach die Formel, die alle angehenden Priester sprachen: "Ich bitte Euch Herr, richtet Euren Zorn auf andere und nehmt mich als Euren Diener unter Euren Schutz."
 

Doch der Staub unter ihm war nicht der des Innenhofes von Harna, sondern der des Schlachtfeldes vor Tetraos. Verwirrt blickte Hamarem sich um und als erstes sah er den ungewohnten Anflug von Zweifel in Nefuts Gesicht.
 

"Steh auf, Hamarrem", sagte Amemna leise und Hamarem gehorchte. Auch Amemna sah eher unangenehm berührt aus.
 

Oremar wich sogar ein paar Schritte von Hamarem zurück. Die Kräfte um ihn schrien seine Furcht heraus. Traumkraut und Stechapfelsud trübten Hamarems Verstand, aber trotzdem begriff er, daß sein Kniefall und seine Worte Oremars Dämonenfurcht noch verstärkt zu haben schienen. Aber ungeschehen machen konnte er sie nicht.
 

In das betretene Schweigen hinein erinnerte Nefut die anderen plötzlich: "Wir müssen unsere Gefallenen bergen." Das sorgte für die nötige Ablenkung. Oremar nickte erleichtert und machte sich mit Nefut zusammen auf die Suche. Hamarem ließ sich von Amemna dabei helfen, den noch immer bewußtlosen Derhan auf sein Pferd zu hiefen. Dann ritten sie zurück ins Lager der siegreichen Hannaiim.
 

*
 

Bereits kurz bevor Hamarem und Amemna bei den Pferdepferchen des Lagers angekommen waren, erwachte Derhan. Er war noch etwas bekommen, als sie schließlich die Zelte erreicht hatten und Hamarem erklärte ihm: "Unser Wanack hat dich geheilt."
 

Derhan brauchte eine Weile, um diese Nachricht zu verdauen, aber dann sah er Amemna mit für ihn ungewöhnlicher Ehrfurcht an. "Also seid ihr tatsächlich ein Unirdischer", sagte er leise. Und wie kurz zuvor Hamarem warf Derhan sich vor Amemna auf die Knie um ihm zu danken. Danach jedoch, als er mit Amemna und Hamarem zusammen eines der beiden Mannschaftszelte für die Leichname leerräumte, sprach er kaum mehr ein Wort.
 

Etwas später trafen auch Nefut und Oremar mit den sechs gefallenen Mawati ein. Die Getöteten wurden in das leere Zeit gelegt, und nachdem sich die Männer gewaschen und umgezogen hatten, wuschen Hamarem und Oremar zuerst die Mäntel der Toten, dann die beschmutzte Kleidung der Lebenden, während die drei anderen die Leichname nach Osheysitte wuschen und herrichteten. Bedauernd stellte Hamarem fest, daß der Stoff von Amemnas Mantel durch die Wäsche den größten Teil seines Glanzes eingebüßt hatte, so daß er sich kaum noch von einem gewöhnlichen Osheymantel unterschied.
 

Gemeinsam machten sie dann schweigend ihre sechs Waffenbrüder für den Weg durch das Schattenreich bereit, und schließlich wurden sie in ihre Mäntel eingenäht. Nefut übernahm die Aufgabe, jedem der toten Mawati einen kunstvoll gestalteten Vers aus dem Buch der Weisen auf die Stirn zu schreiben, bevor die letzte Naht ihrer Totenhüllen geschlossen wurde. Und danach setzte sich Hamarem daran, die langen Schnitte in Amemnas Mantel und seinem Untergewand zu nähen, um Beschäftigung für seine Finger zu haben, während sich sein Verstand durch die Reste der Drogen in seinem Körper immer wieder auf Irrwege begab.
 

Er mußte an die sieben Toten im Lager der Banditen denken. Den Aufrührern war ein ordentliches Begräbnis verweigert worden, nur Ashan dürfte dessen teilhaftig geworden sein. Die anderen sechs hatte Terhan vermutlich in der Wüste den wilden Tieren zum Fraße überlassen. Hamarem sprach leise ein Gebet für sie, denn sie waren doch für ihre Überzeugung gestorben, daß Amemna Darashy ein Unirdischer war und so war ihnen zumindest der Eingang in die Gärten der Freude sicher. Er selbst dagegen hatte mehrfach und, wie sich nun gezeigt hatte, zu Unrecht an der unirdischen Natur seines Wanack gezweifelt. Denn Amemna hatte durch seine Tat bewiesen, daß er tatsächlich von unirdischer Herkunft war.
 

Als Hamarem zuletzt noch die zerfetzten Ärmel seines eigenen frisch gewaschenen Gewandes nähte, ging ihm auf, daß er die Träume von Amemnas Annäherungen nun einfach genießen konnte, schließlich war sein Herr von unirdischer Herkunft. Aber durfte er diese Träume durch eine Berührung Amemnas willentlich hervorrufen? Und was passierte, wenn Amemna durch seine Kräfte durchschaute, welche Beweggründe Hamarem hatte? Aber bisher ahnte Amemna anscheinend nichts, denn er kam im Laufe des Nachmittags zu Hamarem und bat ihn, das am Vorabend bereits verabredete nächtliche Treffen an den Pferdepferchen einzuhalten, da er selbst durch die Ereignisse nach der Schlacht verunsichert worden sei. Hamarem sagte sofort zu und Amemna war darüber sichtlich erleichtert.
 

*
 

Am Abend, als Hamarem sich endlich wieder ganz wie er selbst fühlte, wurden die Toten der Hannaiim auf einen großen Scheiterhaufen vor dem Heerlager gelegt. Während am anderen Ende der Ebene bereits ein Scheiterhaufen mit den Toten der Tetraosi brannte, berichtete der Feldherr der Hannaiim in einer Ansprache, daß man dem unterlegenen Gegner erlaubt habe, seine Toten zu bergen. Tatsächlich hätten nur die Reiter der Hannaiim schwere Verluste hinnehmen müssen, sowohl der andere Flügel des Heeres, als auch die Hauptmacht aus schwerbewaffneten Fußsoldaten seien siegreich gewesen und hätten die Tetraosi vernichtend geschlagen. Für den nächsten Tag erwartete der Feldherr sogar die Kapitulation der Stadt. Und schließlich wurde - mit dem Segen der Priester des Ungenannten - der Scheiterhaufen entzündet.
 

Bei der Nachtmahlzeit war es ungewöhnlich still und alle, insbesondere Oremar, hielten auffälligen Abstand von ihrem Wanack. Bei den anderen mochte das Ehrfurcht sein, aber Oremar machte deutlich, daß er in Amemna weiterhin nur die Hülle eines Dämons sah, auch wenn er kein Wort mehr darüber verlor. Und Hamarem wollte noch immer nichts einfallen, womit er Oremars Dämonenfurcht zerstreuen konnte.
 

* * *
 



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