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Footsteps In The Rain

HP/LV, DM/HG, Grindeldore
von

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Harrys kostbarster Besitz

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal darauf hinweisen, dass diese FF in einem Alternativen Universum spielt. Harrys Leben ist vollkommen anders verlaufen als in den Büchern und auch die anderen Charaktere haben unter Umständen andere Rollen, als man es gewohnt ist, von der politischen Situation ganz zu schweigen. Don't like it, don't read.
 

Liebste Grüße, Ayako

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Harrys kostbarster Besitz
 

Der Schnee fiel langsam, sanft und gleichmäßig – beinahe als wäre er wirklich.

Lautlos landete er auf den dunklen Dächern einer kleinen Stadt, die von sanften Hügelkuppen umgeben war. Ein kleiner Fluss schlängelte sich zwischen den alten Fachwerkhäusern durch, eine silbern, schimmernde Linie, in der sich das Licht der unzähligen Lampen spiegelte. Es war Weihnachten, denn jedes Gebäude war mit Adventskränzen, Lichterketten und sonstiger Dekoration ausgestattet worden. In den Fenstern konnte man leuchtende Schwibbögen erkennen und an fast jeder Straßenecke stand ein wunderschön geschmückter Weihnachtsbaum.
 

Auf dem Marktplatz im Zentrum der Stadt war ein typischer Weihnachtsmarkt aufgebaut worden. Unzählige Buden standen wohlgeordnet beieinander und verkauften Weihnachtsartikel, gebratene Mandeln, Bratäpfel, Schlitten und viele andere schöne Sachen. Dieses Angebot hatten viele Menschen zum Anlass genommen, den Markt aufzusuchen, um dort ihr hart verdientes Geld auszugeben. Frauen wie Männer, Mädchen, Jungen, Greise, Babys – einfach jeder schien dort zu sein. Alle waren in dicke Mäntel gehüllt, weshalb sie sich nicht im mindesten von dem einsetzenden Schneefall stören ließen. Nur das ein oder andere Kind blickte für einen Augenblick in den Himmel, ehe es sich wieder der Leckerei zuwandte, das es hatte ergattern können.
 

Wenn man genauer hinschaute, konnte man inmitten der Massen viele, kleine Geschichten erkennen, die sich alle auf einmal abspielten. Da war zum Beispiel der verliebte Bauernjunge, der der Tochter des Bürgermeisters scheu ein Stück Kuchen reichte. Oder die Großmutter, die mit ihrer ganzen Familie am Glühweinstand Pause machte und nicht in der Lage war, ihren Blick von ihrem jüngsten Enkelkind abzuwenden. Oder auch das frisch vermählte Ehepaar, dass sich über eine Weihnachtskugel stritt, die sie unbedingt haben wollte.
 

Zwischen all den Zweibeinern schlängelten sich Hunde und Katzen hindurch, die sich gegenseitig zu fangen versuchten. Schnell und unbezwingbar verließen sie den Marktplatz und folgten einer verlassenen Straße bis sie die Stadt plötzlich hinter sich gelassen hatten und auf einem Feldweg entlang rannten. Rechts von diesem Weg befand sich eine kleiner, verschneiter Hügel, auf dem Väter und Großväter mit den Kindern Schlitten fuhren. Ein paar Schritte davon entfernt bauten die Mütter und Großmütter mit dem übrigen Kindern Schneemänner oder zeigten ihnen, wie man einen Schneeengel erschaffen konnte.
 

Fasziniert beobachtete Harry noch einen Moment länger das Treiben, als plötzlich ein lautes Krachen seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Er musste nicht nachsehen, um zu wissen, dass es aus der Küche kam und von Lily verursacht worden war. Seine Mutter war bereits den ganzen Morgen lang äußerst schlecht gelaunt gewesen. Eigentlich war es ihr nicht zu verdenken.
 

Es war Weihnachten, der dreiundzwanzigste Dezember, um genau zu sein, das Fest der Liebe und Familie. Wie jedes Jahr hatte seine Mutter auch diesmal den hoffnungslosen Versuch gestartet, sich ihrer Schwester wieder anzunähern. Tante Petunia – wie Harry sie nennen durfte – hasste Lily seit diese ihren Brief für Hogwarts erhalten hatte und seitdem sie ihren Mann – Onkel Vernon – geheiratet hatte, lehnte sie jeglichen Kontakt mit ihr kategorisch ab.
 

Anstatt dies aber zu akzeptieren, versuchte Lily immer wieder, die Beziehung wieder aufzufrischen, indem sie manchmal einen Überraschungsbesuch startete – an denen Harry übrigens auch hatte teilnehmen dürfen – oder ihr Weihnachtskarten schickte. Genau das war übrigens dieses Jahr der Fall gewesen. Sorgfältig und mit jeder menge Zeitaufwand hatte sie mehrere, kleine, kunstvolle Karten hergestellt. Drei davon hatte sie Petunia, Vernon und deren Sohn Dudley geschickt.
 

Heute morgen war die Antwort angekommen: Ein Briefumschlag, gefüllt mit Papierschnipseln. Lily hatte genau dreißig Sekunden gebraucht, um zu begreifen, dass es ihre gebastelten Weihnachtskarten waren. Seit diesem Augenblick stand sie in der Küche und... nun eigentlich wollte er gar nicht wissen, was sie da unten tat.

Harry selbst hatte sich währenddessen in sein Zimmer zurückgezogen und... starrte seine Schneekugel an.
 

Die Schneekugel war sein kostbarster Besitz. Sie war das letzte Geschenk gewesen, dass er von seinem Vater bekommen hatte und mit einem geheimnisvollen Zauber beseelt, der dafür sorgte, dass sich die Stadt, die sich in ihrem Inneren befand immer weiterentwickelte und den Jahreszeiten anpasste.

Momentan herrschte Winter und es schneite.
 

Unwillkürlich ließ er seinen Blick zum Fenster gleiten. Nach wie vor konnte er draußen nur die kahlen Äste der Buche erkennen, die einige Fuß entfernt im Garten stand. Dahinter erstreckte sich in schierer Endlosigkeit der wolkenverhangene Himmel. Es war ein trostloser Anblick und gerade deshalb ziemlich passend.
 

Unten in der Küche waren ein paar Schritte zu hören und im nächsten Moment rief die Stimme seiner Mutter: „Essen ist fertig!“

Harry hob eine Augenbraue. Essen? So wie sich das die ganze Zeit angehört hatte, gab es heute wohl Holzsuppe. Doch er schob sich brav von seinem Schreibtisch fort und rief: „Ich komme gleich!“
 

Langsam stand er auf und ließ seinen Blick durch sein Zimmer schweifen. Alles war wie immer. Sein Bett war gemacht, die Wäsche hatte er ins Badezimmer gebracht, den Müll beseitigt, die Bücher ordentlich in das Regal gestellt und selbst die verschiedenen Blätter und Ordner waren ordentlich zusammengelegt. Alles war genau da, wo es sein sollte und das war gut so. Allerdings fiel ihm auf, dass er dringend mal wieder Staub wischen sollte, am besten sofort nach dem Essen.
 

Natürlich war er sich darüber bewusst wie untypisch es war, dass jemand in seinem Alter so eine Ordnung hielt, aber es kümmerte ihn nicht. Er liebte das Gefühl, seine Umgebung zumindest ein Stück weit unter Kontrolle zu haben und indem immer alles an seinem Platz war, konnte er genau das erreichen. Sein bester Freund – Ronald Weasley – hielt ihn deshalb für verrückt und vielleicht hatte er auch Recht, aber...
 

„Harry, beeil dich, sonst isst du dein Essen kalt!“

Er verdrehte die Augen und machte sich auf den Weg ins Esszimmer. Das Haus, in dem sie lebten, besaß – zählte man Keller und Dachboden mit – vier Stockwerke. Im Erdgeschoss befanden sich die Küche, das Esszimmer, das Wohnzimmer, sowie ein kleines Badezimmer. Im Obergeschoss gab es ein etwas größeres Badezimmer, das Schlafzimmer, Harrys Zimmer und ein Gästezimmer. Außerdem gab es einen kleinen Garten, der von einem vermoderten Holzzaun abgegrenzt wurde und seiner Mutter dazu diente, Dinge anzupflanzen, die sie für ihre Tränke brauchte.
 

Lily Potter war eine der ersten Frauen gewesen, die es geschafft hatte, den Titel eines Tränkemeisters oder in ihrem Fall Tränkemeisterin zu erhalten. Um ihn zu erreichen, musste man viele Prüfungen bestehen und quasi sein ganzes Dasein dem Brauen von Zaubertränken verschreiben. In Harrys Augen war das kein erstrebenswertes Leben, aber seine Mutter schien es glücklich zu machen. Lily hatte sich besonders auf das Brauen von Heiltränken spezialisiert, die sie stetig weiterentwickelte, und war damit den Heilern im St. Mungos Hospital für magische Verletzungen und Krankheiten eine große Hilfe. Aber auch hochrangige Mitglieder der Gesellschaft bestellten bei ihr einfache Salben oder Mittel gegen einfache Wehwehchen, weshalb sie im Schnitt mehr als gut verdiente.
 

Trotzdem hasste er die Berufswahl seiner Mutter, besonders wegen ihm.

Schlecht gelaunt blieb er an der geöffneten Esszimmertür stehen und sah dabei zu, wie er den Tisch deckte. Soviel zum Thema „Du isst dein Essen kalt“. Es war ja noch nicht einmal angerichtet! Kaum hatte er diesen Gedanken zu Ende gedacht, trat seine Mutter hinter ihn. „Da bist du ja endlich!“, sagte sie gereizt. „Anstatt hier herumzustehen, kannst du ruhig dem armen Severus etwas helfen! Er macht hier immerhin die ganze Arbeit, während du nur dastehst und Löcher in die Luft starrst. Ich dachte eigentlich, ich hätte dich besser erzogen!“
 

Bevor er darauf reagieren konnte, mischte sich er beziehungsweise Severus Snape in ihr vertrauliches Familiengespräch ein: „Lily, sei nicht so streng zu ihm. Ich bin sicher, er hat bis gerade eben an einem Aufsatz gesessen. Du weißt doch, wie fleißig dein Sohn ist und ich muss zugeben, dass ich und meine Kollegen es dieses Jahr wirklich etwas mit den Hausaufgaben übertrieben haben.“

Harrys Augen verengten sich. Ein wirklich netter Versuch, nur leider würde er sich mehr anstrengen müssen, wenn er seine Sympathie haben wollte, geschweige denn, seine Mutter überzeugen wollte.
 

Er warf ihr einen Blick zu.

Lily trug einen grünen Rollkragenpullover, eine Jeans und Hausschuhe in Form eines Rentiers. Ihr rotes Haar hatte sie achtlos zusammengebunden, weshalb die ein oder andere Strähne an ihrem Kopf herabhing. Momentan fixierte sie Severus mit ihren grünen Augen, während sie ihre Hände in die Hüften gestemmt hatte und sah dabei alles andere als amüsiert aus.
 

„Mein Sohn und am ersten Ferientag Hausaufgaben machen? Er ist siebzehn! Kein Siebzehnjähriger macht vor Ende der Ferien Hausaufgaben!“ Da hatte sie Recht.

Severus sah es genauso: „Eben. Es ist der erste Ferientag. Er hat viele, anstrengende Schulwochen hinter sich. Also gönne ihm etwas Ruhe. Er hat noch genug andere Tage vor sich, an denen er dir helfen kann und ich bin sicher, dass er es mit Freuden tun wird. Nicht wahr, Harry?“

„Natürlich, Sir“, entgegnete er mit zusammengebissenen Zähnen. Er hasste es, wenn er ihn „Harry“ nannte. Es war zu persönlich, zu vertraut, einfach falsch. Sie hatte kein freundschaftliches Verhältnis und waren erst recht keine Familie!
 

Genaugenommen war Severus sein Lehrer und ebenso wie Lily ein Tränkemeister. In der Schule war er bei allen als der mürrische, sarkastische, stets in schwarz gekleidete Professor Snape bekannt, den die meisten fürchteten und die wenigsten einfach nur bewunderten. Unter normalen Umständen hätte Harry ihn gemocht. Zu seinem Pech waren das hier aber keine normalen Umständen.
 

„Ihr Männer haltet natürlich wieder zusammen!“, meinte Lily bissig und wirbelte herum, um wieder Richtung Küche zu stampfen. „Wenn ich wieder da bin, möchte ich, dass alles und jeder an seinem Platz ist!“ Damit war sie wieder verschwunden. Severus verdrehte seine Augen, ehe er mit einem Zauber den Tisch fertig deckte. Dann setzte er sich an seinen Platz und sah Harry an, der immer noch stocksteif an der Tür stand. „Komm, setz dich oder deine Mutter bekommt noch einen Tobsuchtanfall. Die Antwort ihrer Schwester scheint sie mehr aufgeregt zu haben als üblich.“
 

Das hätte er ohne Severus' Hilfe natürlich überhaupt nicht bemerkt. An dem Tag, an dem er diesen Mann brauchte, um seine Mutter zu verstehen, würde er sich vom Astronomieturm stürzen.

Manche Söhne behaupteten, dass sie es gut fänden, wenn ihre Mütter einen neuen Freund, Lover oder Ehemann fanden. „Hauptsache, sie ist glücklich“, pflegten sie zu behaupten.

In Harrys Augen waren sie elende Heuchler. Man konnte es überhaupt nicht gut finden, wenn die eigene Mutter einen neuen Liebhaber fand. Diese Person war ein Eindringling, ein Insekt, ein Fremdkörper, etwas, das es zu beseitigen galt. Sie waren auch sehr gut ohne ihn klar gekommen. Sie brauchten ihn nicht. Und erst Recht brauchte er sich überhaupt nicht einzubilden, dass er zu einem Vaterersatz werden konnte, egal, wie sehr er sich auch anstrengte.
 

Ja, Harry hasste Severus Snape. Genauso wie er seine Mutter dafür hasste, dass sie sich von ihm hatte einwickeln lassen. Dummerweise konnte er nichts mehr dagegen unternehmen.
 

Deshalb schluckte er seine Wut herunter und durchquerte das Zimmer, um sich auf seinen Platz zu setzen. Er musste sich in Erinnerung rufen, dass übermorgen Weihnachten war. Bis zum Ende der Feiertage würde er so tun müssen, als ob sie in einer heilen Welt lebten – um Lilys Willen. Denn auch, wenn er ihr Sexualleben nicht billigte, änderte es nichts daran, dass er seine Mutter über alles liebte und wenn er ihr damit einen Gefallen tun konnte, würde er es tun. Am besten fing er sofort nach dem Essen damit an, indem er den Tisch abräumte. Darüber würde sie sich sicherlich freuen.
 

Während der nächsten Minuten schwiegen er und Severus sich an. Erst als Lily mit dem Essen – es gab Lasagne – wiederkam, hob sich die Stimmung wieder.

„Lasst es euch schmecken“, sagte sie fröhlich und setzte sich an ihren Platz. „Und esst soviel ihr wollt. Das beste wäre, wenn nichts übrig bleibt.“

Also griffen sie zu. Es war aber auch zu köstlich! Wobei Harry zugeben musste, dass er es nach wie vor seltsam fand, seinen Lehrer entspannt an einem Tisch sitzen und gut gelaunt essen zu sehen. Überhaupt... Severus Snape und gut gelaunt? Seine Klassenkameraden würden ihm das nie und nimmer glauben.
 

„Remus hat sich übrigens für übermorgen angemeldet“, sagte Lily irgendwann nach der ersten Portion. „Er wird mit uns zu Mittag essen und Weihnachten feiern. Ist das nicht schön?“

„Ein Traum“, meinte Severus trocken, doch das war nur eine Farce. Er verstand sich überraschend gut mit dem Werwolf.

„Und was ist mit Sirius?“, fragte Harry und schob sich einen weiteren Bissen Lasagne in den Mund. Als er den Gesichtsausdruck seiner Mutter sah, blieb er ihm jedoch im Halse stecken.

„Er... sendet seine Grüße“, sagte sie eilig, sobald sie bemerkte, dass ihr Sohn erstarrt war. „Aber er ist wahrscheinlich bereits woanders eingeladen. Wer weiß... vielleicht kann er sich ja losreißen und zwischendurch kurz vorbeikommen?“
 

Würde er nicht. Sirius kam nie, wenn Harry da war. Niemals.
 

Mühsam schluckte er den Bissen hinunter und legte sein Besteck weg. Sein Appetit war ihm für heute gründlich vergangen.

Er wollte gerade den Mund öffnen, um sich vorzeitig zu entschuldigen und in sein Zimmer zu flüchten, als plötzlich etwas an das Fenster klopfte. Sofort hoben sie alle drei ihre Köpfe.

Hinter dem Glas war ein Vogel zu sehen, wie Harry ihn noch nie zuvor zu Gesicht bekommen hatte. Er hatte große Ähnlichkeit mit einen Sperling, doch sein Gefieder war schwarz, wobei es an den Flügel in einem wunderschönen Blau schimmerte. Mit seinen dunkelroten Augen fixierte er Lily, während er mit seinem Schnabel einen Brief festhielt. Selbst von seinem Platz aus konnte Harry erkennen, dass es mit einem Wappen versiegelt worden war, was bedeutete, dass der Besitzer des Vogels aus einer einflussreichen Familie stammen musste.
 

An sich war es nicht ungewöhnlich, dass solche Briefe ankamen, immerhin versorgte Lily viele Familien mit Tränken und Salben. Doch etwas an diesem Vogel beunruhigte Harry und dass Severus auf einmal seltsam blass geworden war, machte das ganze auch nicht besser.

„Lass den Vogel herein, Lily!“, flüsterte er in einen Tonfall, den Harry nicht deuten konnte. „Bei Merlin, beeile dich!“

Während sie sich blinzelnd erhob, um dieser... Anweisung nachzukommen, sah Harry ihn stirnrunzelnd an. „Was ist los?“ Warum machte er wegen so einem Vogel ein solches Theater?

Der Zaubertrankmeister erwiderte seinen Blick mit ernster Miene. „Das da ist ein Feenvogel, Harry, und es gibt in ganz Großbritannien nur einen einzigen Menschen, der sie besitzt: der Dunkle Lord.“
 

„Der Dunkle Lord?“, wiederholte er entsetzt, als Lily das Fenster öffnete. Sofort flatterte der Vogel herein und ließ sich auf dem Esstisch nieder. Ohne groß auf die drei Menschen zu achten, legte er den Brief vor Lilys Teller ab, tapste dann ein paar Schritte zurück und begann behutsam, sein Gefieder zu putzen. Ganz offensichtlich erwartete er eine sofortige Rückantwort. Kein gutes Zeichen. Was wollte er?
 

Seine Mutter schien ebenfalls beunruhigt und setzte sich wieder, ehe sie den Brief öffnete. Er enthielt ein feines Stück Pergament auf dem in einer feinen, eleganten, geschwungenen Schrift Worte geschrieben standen. Harry hätte das Papier gerne in die Hand genommen, um die Schriftzeichen zu betrachten, doch der Inhalt des Briefes war nicht für ihn bestimmt und deshalb würde er wohl niemals die Gelegenheit bekommen, sich die Schrift genauer anzusehen. Ob der dunkle Lord ihn selbst geschrieben hatte?
 

Harry wusste nicht viel über diesen Menschen, außer eben das, was alle wussten: Er war mächtig, gefährlich und ihr geheimnisvoller Herrscher, der sich nur selten in der Öffentlichkeit zeigte, aber in jedem Gesetz und Urteil seine Finger ihm Spiel hatte. Einige verehrten ihn als eine Art Gottheit und würden alles für ihn geben. Andere – die wenigsten – kannten ihn persönlich, da sie eng mit ihm zusammenarbeiteten. Diese Minderheit war ihm gegenüber vollkommen loyal, besaß aber noch einen gewissen Grad an eigenem Willen und Idealen, weshalb sie ihm als treue Berater dienen konnten und einen großen Teil dazu beitrugen, was in der politischen Welt geschah.

Die relative Mehrheit wiederum hatte sich einfach damit abgefunden, dass er existierte und nahmen alle Gesetzesänderungen hin. Ihrer Meinung nach war er ein fähiger Herrscher und es gab für sie keinen Grund zum klagen.

Und dann gab es noch die Systemkritiker, die sich immer mehr zu wahren Rebellen entwickelten und alles schlecht redeten, was mit ihm zu tun hatte. Tatsächlich hatten einige von ihnen bereits den ein oder anderen Attentatversuch unternommen, aber das war eine andere Geschichte.
 

Jedenfalls war es nicht üblich, dass er sich direkt bei jemanden meldete – egal ob persönlich oder per Post – und das bedeutete, dass irgendetwas... Großes vor sich gehen musste. Oder sie waren in Schwierigkeiten.
 

Besorgt beobachtete Harry, wie Lily den Brief mehrmals hintereinander durchlas und mit jedem Mal ratloser wirkte. Schließlich konnte er es nicht mehr aushalten und fragte: „Und?“

Sie fuhr sich zweimal mit der Zunge über die Lippen, ehe sie zuerst ihn und dann Severus ansah. „Er... lädt uns ein. Zu einem Weihnachtsball in seinem Manor. Morgen.“

Weihnachtsball? Der Dunkle Lord veranstaltete Weihnachtsbälle?
 

Offensichtlich schien das tatsächlich der Norm zu entsprechen, denn Severus nickte. „Das war zu erwarten gewesen. Er lädt jedes Weihnachten alle Siebtklässler ein. In der Regel kommen auch ihre Familien und viele hochrangige Ministeriumsangestellte. Es ist eine gute Möglichkeit für die jungen Leute, Kontakte zu knüpfen. Darüber hinaus kann er sich so selbst einen Überblick über die Zukunft unseres Landes verschaffen und findet vielleicht den ein oder anderen Todesserkandidaten.“
 

„Todesser“ war die offizielle Bezeichnung für alle Privilegierten, die einen regelmäßigen, persönlichen Kontakt mit dem Dunklen Lord pflegten. Er suchte sie sich alle selbst aus und zwar unter Kriterien, die allen außer ihm ein Rätsel waren. Im Grunde war es Harry auch egal. Er hatte nicht vor, zu einem seiner vielen Schoßhündchen zu werden.
 

Seine Mutter wurde währenddessen immer nachdenklicher. „Diese Einladung hat er spät losgeschickt... Narcissa, Molly, ja sogar Augusta haben mir bereits seit Wochen erzählt, dass ihre Kinder eingeladen wurden. Ich hätte nicht gedacht, dass wir auch noch... ich meine, nachdem, was damals passiert ist, hätte ich nie gedacht, dass er wirklich... an uns denken würde.“

„Was damals geschehen ist, war ein schrecklicher Unfall, der sehr dazu beigetragen hat, dass er jetzt an der Spitze unserer Gesellschaft steht“, entgegnete Severus. „Das wird er nicht vergessen haben. Ich nehme an, er hat nur solange gezögert, weil er sich nicht sicher war, ob du begeistert sein würdest, etwas von ihm zu hören. Nicht nachdem, was mit James...“
 

„Gerade deshalb hätte er uns als erstes einladen sollen“, zischte sie aufgebracht und zerknüllte das Pergament mit ihrer Hand. „Er hat einem unschuldigen Kind den Vater und ein Teil seiner Kindheit geraubt. Er hätte persönlich dafür sorgen sollen, dass wir entschädigt werden. Er hat bei jedem anderen dafür gesorgt, nur wir haben nie wieder etwas von ihm gehört! Kein Wort der Entschuldigung, keine Gegenleistung, nichts. Augusta bekommt seit Alices und Franks Ermordung monatlich mehrere Galeonen, damit sie für Neville sorgen kann! Selbst seine komplette Ausbildung wird ihm finanziert! Und wie sieht es bei Harry aus? Nichts! Kein Wort, kein Geld, kein Interesse! Es würde mich nicht wundern, wenn er uns aus seinem Gedächtnis gelöscht hat! Oder aber es hat damit zu tun, dass ich ein Schlammblut bin.“
 

„Das ist Unsinn. Du weißt, wie viel er für Muggelgeborene tut. Es sind seine fanatischen Anhänger, die diesen Begriff geprägt haben, nicht er.“

„Oh, verzeih“, entgegnete sie spöttisch. „Ich vergaß, dass du ja einer seiner engsten Vertrauten bist. Sag, wie viele Beruhigungstränke muss er trinken, damit er nachts schlafen kann? Du musst es ja am besten wissen.“
 

Es stimmte. Severus war nicht nur Lehrer in Hogwarts, sondern auch der persönliche Tränkemeister des Dunklen Lords. Das bedeutete, dass er von ihm Forschungsaufträge entgegennahm und ihn mit allen Tränken versorgte, die er haben wollte. Kein schlechter Job, besonders, da er dafür einen Haufen Geld bekommen musste.

Allerdings mochte er es überhaupt nicht, wenn man ihm seinen beruflichen Werdegang zum Vorwurf machte: „Meine Beziehung zum Dunklen Lord hat hiermit nichts zu tun. Ihr wurdet von ihm eingeladen, also müsst ihr zu ihm. Er ist der Dunkle Lord. Außerdem ist es gleichzeitig eine gute Gelegenheit für deinen Sohn, Kontakte zu knüpfen.“
 

Deinen Sohn. Er hasste es, wenn die beiden über ihn sprachen, wenn er anwesend war. Wie wäre es, wenn sie einmal mit ihm sprechen würden? Seufzend stocherte er in seiner Lasagne herum und blendete ihre Stimmen aus. Egal was sie auch sagten, es spielte ohnehin keine Rolle. Sie würden so oder so am nächsten Tag diesen seltsamen Ball besuchen von dem Harry noch nie zuvor etwas gehört hatte. Der Dunkle Lord sollte allen ernstes jedes Jahr die volljährigen Hogwartsschüler zu sich einladen? In sein privates Manor? Er wagte es zu bezweifeln. Niemand mit seinem Rang und seiner Intelligenz – und er musste intelligent sein, sonst wäre er niemals an die Macht gekommen – wäre so naiv, jedes Jahr wildfremde Menschen zu sich nach Hause einzuladen. Die Gefahr, dass ein potentieller Attentäter dabei war, wäre einfach zu groß.

Aber warum sollte Severus lügen?
 

„Nun gut“, sagte Lily schließlich in einem abschließenden Tonfall, weshalb Harry sich wieder die Mühe machte, hinzuhören. „Wir werden dort hingehen, auch wenn es mir nicht gefällt.“

„Mach dir keine Sorgen“, entgegnete Severus beruhigend. „Ich werde da sein, genau wie viele eurer Freunde. Es wird alles gut gehen.“

Sie warf ihrem Sohn einen Blick zu. „Ich hoffe du hast Recht. Das hoffe ich wirklich.“
 


 

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Es stimmte tatsächlich: Der Dunkle Lord veranstaltete jedes Jahr einen Weihnachtsball, allerdings nicht in seinem privaten Manor (das ich übrigens niemals mit eigenen Augen gesehen habe), sondern in einem wunderschönen, englischen Anwesen, das vor einigen Jahrhunderten sicher einer adligen Muggelfamilie gehört hatte. Das komplette Gebäude diente dem einzigen Zweck, berauschende Feste zu veranstalten. Alle Räume waren groß und prunkvoll. Es gab mehrere Tanzsäle, Lounges und Räumlichkeiten, in denen gegessen wurde. In den oberen Stockwerken befanden sich einige Schlafzimmer für alle, die die Nacht dort verbringen wollten.
 

Außerhalb des Gebäudes gab es einen kunstvoll angelegten Garten. Kleine Wege schlängelten sich dort hindurch und boten den Gästen eine Möglichkeit, ein wenig in der frischen Luft spazieren zu gehen. Damit man sie sich dabei nicht in der Dunkelheit verloren, schwebten in regelmäßigen Abständen kleine, magische Lichter in der Luft und erleuchteten den Weg. Es war ein wundervoller Anblick, der Garten, das Haus, die wunderschönen Kleider der Frauen, die feinen Festumhänge der Männer. Die Luft roch nach den verschiedensten Köstlichkeiten, die auf den Buffettischen aufgestellt worden waren und überall konnte man wundersame Musik hören, zu der besonders die reinblütigen Familien tanzten.
 

Es war ein wundervoller Abend, dieser vierundzwanzigste Dezember und laut Harry war er der Beginn von allem, was folgen würde.
 

Ich war übrigens auch dort. In meinem blauen Festumhang gekleidet stand ich am Rande einer der vielen Tanzflächen und nippte nervös an einem Getränk, das ganz sicher nicht für Minderjährige geeignet war. Neben mir stand Ronald Weasley. Er trug einen abgetragenen Umhang, der wahrscheinlich bereits seinem Großvater gehört hatte und starrte finster vor sich her. In seiner Hand befand sich bereits sein dritter Drink und ich befürchtete, dass der Alkoholkonsum alles andere als eine gute Idee war. Allerdings wagte ich es nicht, ihn zu stoppen, denn würde ich es tun, wäre er beleidigt und dann würde ich allein hier stehen und das war etwas, was ich unter allen Umständen vermeiden wollte.
 

Auch wenn viele Erwachsene, Eltern, hohe Tiere, Lehrer und Todesser anwesend waren, es änderte nichts daran, dass ich ein Außenseiter war und meine Klassenkameraden – die bedauerlicherweise ebenfalls hier versammelt waren – jede Gelegenheit nutzen würden, um mein Leben zur Hölle zu machen. Aus diesem Grund blieb ich lieber in der Nähe der wenigen Personen, die immer auf meiner Seite waren und Ron gehörte dazu. Ebenso wie der Grund seiner schlechten Laune.
 

Vorsichtig spähte ich zu Hermione Granger hinüber. Die Gryffindor hatte ihre Haare zu einer kunstvollen Frisur hochgesteckt. Das cremefarbene Ballkleid, das sie wahrscheinlich extra für diesen Ball bekommen hatte, betonte ihre Figur und ließ sich noch schöner als sonst wirken. Momentan tanzte sie mit Blaise Zabini, ihrem Adoptivbruder.
 

Für alle, die im Geschichtsunterricht nicht aufgepasst haben: Seitdem der Dunkle Lord an die Macht gekommen war, wurden Muggelgeborene so früh wie möglich in die magische Gesellschaft integriert. Das bedeutete, dass sie entweder in eines der zahlreichen Heime oder bei einer reinblütigen Familie unterkamen. Hermione hatte das Glück gehabt, von den Zabinis aufgenommen worden zu sein, weshalb niemandem ihre Herkunft auffallen würde. Sie hatte in der Tat eine ausgezeichnete Erziehung genossen und das mochte einer der Gründe dafür sein, dass sie bereits seit der ersten Klasse unsere Jahrgangsbeste war. Vielleicht wäre sie auch das beliebteste Mädchen der Schule geworden, wäre sie nicht nach Gryffindor gekommen, aber das tat hier nichts zur Sache.
 

Jedenfalls tanzte sie mit Blaise und das gefiel Ron überhaupt nicht – verständlicherweise. Ich weiß nicht genau, wie lange er bereits in sie verknallt war, jedenfalls lange genug, dass man Mitleid mit ihm bekommen konnte. Denn obwohl sie durchaus gute Freunde waren, sah Hermione ihn definitiv nicht als einen potentiellen Liebhaber oder Ehemann. Ehrlich gesagt konnte man es ihr nicht verübeln.
 

Ron Weasley personifizierte das typische Bild eines Gryffindor: laut, stümperhaft, nur an Quidditch interessiert, immer nach Ärger und Herausforderungen suchend, mittelmäßig in der Schule und nur seinem Haus gegenüber loyal. Der letzte Punkt war an sich nichts schlechtes, aber der Rest sorgte dafür, dass unser Haus keinen sonderlich guten Ruf hatte. Eigentlich war es seltsam, dass Menschen wie Hermione und Harry dorthin gekommen waren. Beide hätten viel besser nach Slytherin oder zumindest Ravenclaw gepasst... nun, der Sprechende Hut wird gewusst haben, was er tat.
 

Um auf den Punkt zu kommen: Ron wäre vielleicht für jemanden wie Lavander Brown eine gute Wahl gewesen – ihr ging es nur darum, Spaß im Leben zu haben – aber jedes vernünftige Mädchen, das sich eine erfolgreiche Zukunft aufbauen wollte, würde ihre Finger von ihm lassen. Zu seinem Pech gehörte Hermione in eben diese Kategorie und deshalb würde niemals etwas daraus werden.
 

Langsam aber sicher schien auch er es zu begreifen, denn sein Gesicht verfinsterte sich immer mehr und er nippte lustlos an seinem Drink. Wahrscheinlich wäre es den ganzen Abend so weitergegangen, wenn nicht plötzlich Harry Potter den Raum betreten hätte.
 

An sich war es nichts spektakuläres, wenn man davon absah, dass er und seine Mutter viel zu spät erschienen waren. Harry war für die meisten nichts weiter, als ein normaler, im Grunde freundlicher und zuverlässiger Gryffindor, der verdammt gut Quidditch spielen konnte. Er hatte schwarzes, struppiges Haar, das nur schwer zu bändigen war und seine Augen schimmerten in einem sanften Grünton. Obwohl er durch das regelmäßige Quidditchtraining durch trainiert sein müsste, wirkte er schmal und schwächlich, doch jeder wusste, dass dies ganz sicher nicht der Fall war. Mich zum Beispiel konnte er spielerisch im Armdrücken besiegen und das, wo ich um einiges kräftiger gebaut war.
 

Heute trug er einen grünen Festumhang und auf seiner Nase ruhte seine moderne, randlose Brille, die ihn intelligent erschienen ließ. Um mich nicht falsch zu verstehen: Er war intelligent. Jetzt, wo ich seine ganze Geschichte kenne, weiß ich das am allerbesten. Aber damals hätten ihn die meisten – selbst seine besten Freunde – unterschätzt, aus dem einen Grund, weil er sich aus allen Diskussionen, die einen gewissen Intellekt erforderten partout heraushielt und sich darauf verstand, in keinem Fach sonderlich aufzufallen.

Ich glaube, er war sich selbst nicht sicher, warum er es tat, aber Fakt ist: Er tat es.
 

Sobald er mich und Ron entdeckte, begann er sich an den tanzenden Paare vorbei zu schlängeln, was eine Weile dauerte, da einige von ihnen mit dem Tanzen innehielten, um ihn freudig zu begrüßen. Er war zwar nicht unbedingt der Prinz unseres Jahrgangs, aber die meisten mochten ihn, auch wenn es heute die meisten von ihnen abstreiten würden. Irgendwann war er aber doch bei uns angekommen und schenkte uns ein breites Grinsen. „Hey, ihr beiden!“

„Hallo“, sagte ich höflich, während Ron ihn böse anstierte. „Wo bist du gewesen?“, fragte er ungehalten. „Wir sind alle schon seit Stunden hier!“
 

„Ich weiß, tut mir leid“, entgegnete er munter und ließ interessiert seinen Blick über die Menge streifen. „Mom wollte nicht hierherkommen und musste von Snape überzeugt werden, doch noch mitzukommen. Ich hätte natürlich auch allein erscheinen können, aber er meinte, dass es besser wäre, wenn sie auch hier ist, immerhin hat sie die Einladung bekommen und nicht ich. Hat er sich eigentlich schon blicken lassen?“
 

Wir mussten nicht nachfragen, wen er meinte, immerhin waren alle unsere Klassenkameraden – mich inbegriffen – nur hier erschienen, weil sie den Dunklen Lord zu Gesicht bekommen wollten. Obwohl jeder von seiner Existenz wusste, konnte keiner sagen, wie er aussah. Er zeigte sich selten in der Öffentlichkeit und wenn, dann war er von so viel Securtiy umgeben, dass ein Normalsterblicher schon verdammt viel Glück haben musste, um auch nur einen einzigen Blick auf ihn zu erhaschen. Rein theoretisch könnte er also einer der tanzenden Männer sein.
 

Ron war anderer Meinung: „Wahrscheinlich ist er dort, wo Malfoy sich herumtreibt und lässt sich von ihm bewundern und Schmeicheleien ins Ohr flüstern. Warum sollte er sich auch mit uns beschäftigen? Für ihn sind wir sicher nichts weiter als irgendwelche nutzlosen Insekten, denen man nicht weiter Beachtung schenken muss.“

Ich sah ihn erschrocken an. „Ron, so etwas kannst du doch nicht sagen! Erst recht nicht hier. Das ist respektlos!“

Er schnaubte. „Als ob es ihn interessiert, was ausgerechnet ich über ihn denke. Der kümmert sich doch nicht im mindesten um uns.“
 

Bevor er sich weiter aufregen konnte, stieß Hermione zu uns. Das heißt, sie stellte sich neben uns und strahlte Harry an, während sie Ron keines Blickes würdigte. Frauen konnten wirklich grausam sein. „Harry! Da bist du ja endlich! Ich habe mich schon gefragt, wo du bleibst!“

Das glaubte ich ihr aufs Wort. Auch wenn ich normalerweise nicht so viel mit ihnen zu tun hatte, wusste ich, dass sie genauso lange für Harry schwärmte, wie Ron für sie. Dummerweise tat Harry so, als würde er es nicht mitbekommen: „Hallo, Hermione. Du siehst gut aus!“

„Denkst du wirklich?“, hakte sie enthusiastisch nach und errötete leicht. „Das Kleid hat Blaise mir zu Weihnachten geschenkt... er gibt immer so viel Geld für mich aus...“
 

„Er mag dich eben. Du bist immerhin seine geliebte Schwester“, sagte Harry lächelnd. Er hatte Recht. Blaise verehrte Hermione. „Außerdem steht dir das Kleid ausgezeichnet.“

„Danke“, sagte sie strahlend, während Rons Miene immer finsterer wurde. Plötzlich drehte sie sich zu ihm um und runzelte die Stirn. „Ronald, wie viel hast du heute schon getrunken? Du stinkst!“

„Oh, vielen Dank auch. Dein Parfüm ist auch ätzend!“, entgegnete er beleidigt, ehe er sich umdrehte und davon stampfte.
 

Wir sahen ihm verwirrt hinterher beziehungsweise die beiden sahen ihm verwirrt hinterher. Ich konnte mir gut vorstellen, was ihn verstimmt hatte und konnte nichts als Mitleid mit ihm empfinden. Er hatte es wirklich nicht leicht.

Harry sah auch für einen Moment so aus, als wolle er ihm nachlaufen, aber Hermione hielt ihn auf, indem sie nach seiner Hand griff. „Komm, du musst dir den Garten ansehen! Er ist unglaublich! Ich würde wirklich zu gerne wissen, wo genau wir hier sind. Die Gegend ist so schön!“

Und schon zog sie ihn mit sich, ohne sich weiter für mich zu interessieren. Harry war da freundlicher, er winkte mir zumindest zum Abschied zu.
 

Nun, ich war es ja gewohnt. Am besten machte ich mich auf dem Weg zum Buffet. Dort würde ich sicher noch jemand anderes finden, der alleine herumstand und nicht wusste, was er mit seiner Zeit anfangen sollte. Ja, das war eine wirklich gute Idee.

Also ging ich los. Dabei sah ich aus den Augenwinkeln wie eine einzelne Gestalt Harry und Hermione nachsetzte, als diese den Garten betraten. Kurz blieb ich tatsächlich stehen und beobachtete das verwirrt, doch dann zuckte ich mit den Schultern. Wahrscheinlich wollte da nur jemand frische Luft schnappen. Es hatte nichts zu bedeuten.
 

Wie sehr ich mich doch irrte.
 


 

>>> Footsteps In The Rain <<<
 

„Hermione? Hermione, wo gehen wir hin?“, fragte Harry, während sie ihn immer weiter vom Haus wegzog. Dabei wunderte es ihn, dass sie in ihren hohen Absätzen so schnell laufen konnte. Warum hatte sie es eigentlich so eilig?
 

„Ich muss dir etwas zeigen!“, erklärte sie ihm und beschleunigte ihr Tempo noch etwas. „Hab etwas Geduld! Es lohnt sich, du wirst sehen!“

Er runzelte die Stirn und folgte ihr zwangsläufig. Das musste eine dieser Eigenarten von Frauen sein, die er niemals verstehen würde. Deshalb folgte er ihr brav und hoffte, dass das, was immer sie ihm unbedingt zeigen wollte, nicht mehr weit war. Er war eigentlich nicht in der Stimmung für eine Nachtwanderung, erst recht nicht für eine so eilige.

Während sie weiterliefen, sah er sich interessiert um. Der Garten war tatsächlich beeindruckend, aber für seinen Geschmack war alles viel zu kunstvoll angelegt. Hier regierte nicht die Natur, sondern ein Gärtner, der jede Pflanze, die nicht an ihrem Platz war, eliminieren würde. Einerseits bewunderte er diese Ordnung – er kannte immerhin das Gefühl, über alles die Kontrolle haben zu wollen – aber das hier war bereits größenwahnsinnig!

Allerdings machte es ihn neugierig. Wer war der Dunkle Lord? Was war er für ein Mensch? Und was bezweckte er mit all dem hier?
 

Harry bezweifelte, dass er einfach so irgendjemand zu einem Ball einladen würde. Genauso wie er nicht glauben konnte, dass er wirklich jedes Jahr stattfand. Warum hatte er dann noch nie zuvor etwas davon gehört? Natürlich wusste er, dass der Dunkle Lord sich die Abschlussklasse von Hogwarts genauer ansah, um sich potentielle Todesser herauszupicken, aber nicht mit Hilfe einer solchen Veranstaltung.

Irgendetwas ging hier vor sich und er hatte das Gefühl, dass er überhaupt nicht so genau wissen wollte, was es war.
 

Hermione führte ihn durch ein kleines Wäldchen, das wie der Rest des Gartens von kleinen Lichtkugeln erhellt wurde. Er wollte sie gerade fragen, was denn bitte schön hier so besonderes sein sollte, als sie die Bäume plötzlich hinter sich ließen und am Ufer eines Sees standen. Das Wasser war so klar, dass man bis auf den Grund sehen konnte, doch gleichzeitig spielte sich der Nachthimmel darin und verlieh dem ganzen ein Gefühl von Unendlichkeit. Es war... wunderschön.
 

Auch andere Gäste waren auf die Idee gekommen hierherzukommen, doch zu seinem Unmut erkannte Harry nur Pärchen. Einige knutschten, andere sahen sich verliebt in die Augen und wieder andere hielten Händchen. Sofort fiel ihm auf, dass seine Hand ebenfalls noch in Hermiones war und er ließ sie schlagartig los. Er hatte ein ganz mieses Gefühl.
 

Wenn Hermione sein Verhalten verletzte, ließ sie es sich nicht anmerken. Stattdessen drehte sie sich lächelnd zu ihm um. „Ist es nicht schön hier?“

Harry betrachtete sie kurz schweigend, ehe er seinen Blick wieder über den See gleiten ließ. „Ja... der See ist wirklich schön.“

„Ich wusste, es würde dir gefallen“, sagte sie. „Ganz anders als der Große See in Hogwarts, nicht wahr?“

„Natürlich ist es anders“, sein Tonfall wurde etwas kühler als er beabsichtigt hatte, „wir sind nicht in Hogwarts, Hermione.“ Er sah sie ernst an. „Was machen wir hier?“
 

Auch ihre Miene wurde ernst. „Du meinst hier am See? Oder hier auf diesem Ball?“

Diese Frage musste er ihr nicht beantworten und das wussten sie beide. Deshalb seufzte sie und sah sich kurz vorsichtig um, ehe sie näher trat und sagte: „Ich weiß es selbst nicht so genau. Natürlich hat Draco geredet, als er Blaise besuchen war, aber er hat selbst nicht gewusst, was das soll. Sein Vater hat ihm nur gesagt, dass der Dunkle Lord glaubt, hier jemanden zu finden, jemand, der ihm in Zukunft vielleicht nahe stehen wird, aber Draco hat keine Ahnung, wie er das deuten soll. Ich glaube, er hofft, dass er derjenige ist, aber ich glaube es nicht. Warum sollte der Dunkle Lord jemanden suchen, der schon so gut wie sicher einer seiner Todesser werden wird?“
 

Harry runzelte die Stirn, aber nickte. Das alles wurde immer merkwürdiger.

Hermione schien ebenfalls besorgt zu sein. „Geht es dir gut? Für dich kann es nicht einfach sein, hier zu sein, in der Nähe von ihm.“

„Es geht schon“, meinte er und winkte ab. „Ich werde ihn ohnehin nicht persönlich treffen. Von daher ist es okay.“

„Und deine Mutter? Ist es für sie auch okay?“

Ob es für sie okay war bei einem Ball zu sein, den der Mörder ihres Ehemannes veranstaltete? Das sollte doch wohl ein Witz sein!
 

Genau das wollte er ihr gerade an den Kopf werfen, als hinter ihnen jemand aus dem Wald trat und stehen blieb. Harry und Hermione drehten sich um.

Vor ihnen stand ein Mann, der ganz in schwarz gehüllt war. Er war um einiges größer als Harry – was ihn überaus ärgerte, warum musste er nur immer so klein sein? Sogar manche Drittklässler waren größer als er – und betrachtete sie mit einem charmanten, doch gleichzeitig arroganten Lächeln. Er war zugegebenermaßen attraktiv, trotzdem empfand Harry sofort nichts als Misstrauen ihm gegenüber. Egal, wer das auch war, er war nicht das, was er zu sein schien. Hoffentlich würde er verschwinden. Mit so jemanden wollte er nicht sprechen.
 

Dummerweise tat ihm der Mann diesen Gefallen nicht: „Guten Abend“, begrüßte er sie mit einer tiefen, überraschend sanften Stimme, die dafür sorgten, dass sich Harrys Nackenhaare aufstellten. Oh ja, das war definitiv jemand, mit dem er nichts zu tun haben wollte.

Allerdings konnte er sehen, dass Hermione es anders sah, denn sie sah ihn mit dem Blick an, den sie sich nur für die Männer aufhob, die absolut ihr Typ und gleichzeitig unerreichbar für sie waren.

„Guten Abend“, sagte sie atemlos.
 

Seltsamerweise würdigte der Mann sie keines Blickes. Seine ganze Aufmerksamkeit lag auf Harry, der sich unter seiner Musterung äußerst unbehaglich führte. „N'Abend“, brummte er und hob fragend seine Augenbraue. Was wollte der Kerl?

Zu seiner großen Erleichterung widmete er sich nun Hermione: „Sie sind Miss Granger, nicht wahr? Das Mündel der Zabinis?“

„Ja, das stimmt!“, sagte sie, offensichtlich geschmeichelt, da er sie kannte. Denn obwohl sie nicht wussten, wer er war, war ihnen allen klar, dass dieser Mann ziemlich hochrangig sein musste. Alles an ihm schrie nach Dominanz und Macht. Er war gefährlich.

Harry wünschte sich, sie wären niemals hier herausgegangen. Er wollte wieder hinein zu den anderen, zu Ron, seiner Mutter, ja sogar zu Severus. Alles war besser, als das hier.
 

Er konnte sich nicht erklären, woher dieses Gefühl kam. Es war ja nun wirklich nicht so, als wäre der Mann der Dunkle Lord. Dafür wirkte er zu jung, außerdem hätte er keinen Grund mit zwei Gryffindors zu plaudern.
 

„Nein, wie wunderbar, dass ich Sie gefunden habe“, riss seine Stimme Harry aus seinen Gedanken. „Ihre Familie sucht Sie, Miss Granger. Sie ist äußerst besorgt, dass Sie sich verlaufen haben könnten und bittet darum, dass Sie augenblicklich zu ihnen zurückkehren.“

Harry runzelte die Stirn und sah Hermione an, die verwirrt blinzelte. „Oh... tatsächlich?“ Sie warf ihm einen Blick zu. „Dann sollten wir wohl wieder...“

„Um Mr. Potter müssen Sie sich keine Sorgen machen“, beruhigte der Mann sie, bevor sie zu Ende sprechen konnte. „Es wird mir eine äußerst große Freude sein, ihm etwas Gesellschaft zu leisten.“
 

Es war ein freundlich verpackter Befehl. Der Mann wollte allein mit Harry reden. Warum auch immer, er wollte allein mit ihm reden. Und das war gar nicht gut.

Er konnte sehen, dass es auch seiner besten Freundin nicht wohl dabei war, ihn zurückzulassen, aber er nickte ihr aufmunternd zu. Er hatte das dumpfe Gefühl, dass es keine gute Idee wäre, diesem Menschen einen Wunsch abzuschlagen.
 

Hermione zögerte noch einen Augenblick, ehe sie ohne ein Wort des Abschieds an ihnen vorbeilief und im Wald verschwand. Kaum waren ihre Schritte verklungen, sah Harry den Mann an, der ihn wieder mit seinen dunklen Augen fixiert hatte. Er schluckte die Angst herunter, die er unwillkürlich empfand und sagte dann: „Ich habe keine Ahnung, wer Sie sind und was Sie von mir wollen, aber Sie waren äußert unhöflich.“

Er hob amüsiert eine Augenbraue. „Unhöflich?“

„Genau, unhöflich!“, wiederholte er und verschränkte die Arme. „Sie wissen wer ich bin und Sie haben auch Hermiones Namen gekannt. Deshalb hätte es die Höflichkeit verlangt, wenn Sie sich uns förmlich vorgestellt hätten.“
 

„Ist das so?“, hakte er nach. „In diesem Fall entschuldige ich mich. Ich wollte nicht unhöflich sein.“ Harry schnaubte innerlich. Diesem Kerl war es sicher vollkommen egal, wie er auf andere Menschen wirkte.

„Und wer sind Sie nun?“, fragte er stur. Es spielte keine Rolle, ob er nun unhöflich wirkte, vielleicht wurde er ihn ja so wieder los. Bedauerlicherweise schien ihn das aber nur noch mehr zu amüsieren.

„Wer ich bin, wirst du selbst herausfinden müssen. Doch bis dahin darfst du mich gerne Tom nennen, Harry.“
 

Harrys Augen verengten sich. Es gefiel ihm gar nicht, wie er seinen Namen aussprach, aber noch weniger gefiel ihm die Vertrautheit, mit dem er ihn ansprach. Selbst Hermione hatte er „Miss Granger“ genannt.

Nein, das war definitiv nicht gut.
 

Dummerweise hatte er aber keine Ahnung, wie er aus der Sache wieder herauskommen sollte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Von:  HerzZehn
2014-02-23T07:57:31+00:00 23.02.2014 08:57
Beeindruckend. Wahnsinnig beeindruckend. Du schaffst es in der Harry Potter Welt, die jeder auswendig kennt, ein neues Universum zu schaffen, dass auch noch authentisch ist. Hermione als Adoptivtochter einer Slytherinfamilie, die Griffindors als nicht wirklich beliebtes Haus, Slytherin dagegen äußerst beliebt. Der dunkle Lord als nicht bösartiger, durchaus sympathischer Herrscher. Das ist verrückt, aber man glaubt es sofort. Du machst neugierig auf die Vergangenheit. Wie ist James gestorben? Warum besucht Sirius Harry nicht? Fragen über den dunklen Lord.
Deine Geschichte ist so anders, als alle Fanfictions, die man kennt. Wahnsinn. Ich bin sehr gespannt, wie es weiter geht.
Von:  mimaja56
2012-01-16T07:02:34+00:00 16.01.2012 08:02


nein, nein .... das ist garnicht gut für Harry.

Oder vielleicht wäre es gut, wenn er ein pflegeleichter Mensch wäre, der zu allem ja und amen sagt. Aber so ist Harry nun mal nicht.

Ich bin gespannt, wie lange er braucht um heraus zufinden wer dieser Tom ist.

Nun und Tom scheint auf der Suche nach seinem "Partner" zu sein, egal wie er diesen in sein Leben einbinden möchte, es könnte kompliziert werden, wenn er sich dabei an Harry festbeißt.

Mein liebes Zauberstäbchen, ich weiß nicht wie du es machst aber du hast mich mit dieser Story wieder mal fest am Haken oder sollte ich sagen am Strahl?

bis bald und nochmal vielen Dank


mimaja
Von:  Ranofa
2012-01-10T00:45:27+00:00 10.01.2012 01:45
Interessant Interessant :)
Ich hab ja inzwischen schon gelernt das deine FF's durchaus dazu neigen einen zu fesseln. Deswegen freue ich mich auf eine baldige Fortsetzung. Besonders weil mir schon wieder einige Fragen und Vermutungen unter den Fingernägeln brennen. Aber ich üb mich mal in Geduld. Sonst wird es nur schlimmer.
;) Rani
Von:  DBZ-Fan1986
2012-01-07T14:00:24+00:00 07.01.2012 15:00
Ein sehr interessantes FF. ich bin wirklich gespannt, wie dieses Paralleluniversum sich entwickeln wird. Die Story ist ja schon sehr anders. Was ich komisch fand, dass Sirius anscheinend nichts mit Harry zu tun haben will. Bin gespannt auf den Grund.
Von:  Gelosia
2012-01-06T18:44:07+00:00 06.01.2012 19:44
Ich bin absolut deiner Meinung, Harry... das klingt wirklich nicht gut (für dich xD)
Bin gespannt, was Tom von ihm will ;) Mich interessiert es generell wie unser lieber Dunkler Lord hier in der FF ist (Schla- äh... Muggelstämmigen freundlich gegen über zu sein, ist ja nicht unbedingt sein 'normal-Charakter') und was er wohl für Ziele verfolgt?
lg ヤミ
Von:  strify09
2012-01-06T16:11:14+00:00 06.01.2012 17:11
hei :)
das 2 kapi ist auch suuuuuuuper
bin auf kap 3 gespannt ^^
lg strify


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