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Via Inquisitoris: Ein Sarg in Transsylvanien

der vierte Vampirkrimi
von

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Sackgasse

Als sie zurück in das Dorf lehrten, bemerkten sie, dass sich die Bewohner versammelt hatten.

„Mist,“ zischte der rumänische Ermittler und Sarah benötigte keine Übersetzung.

Das sah nach Ärger aus. Eine Gruppe Menschen mit einer gewissen Aggression konnte nur Schwierigkeiten bedeuten. Einige hatten Dreschflegel und Mistgabeln dabei.

„Warten Sie hier, Lady Sarah!“ befahl Ilie Florinescu auch nur auf englisch: „Das geht gegen die Reporter. Ich habe die ganze Zeit schon mit so etwas gerechnet. Kommen Sie, Mr. Cuillin.“

Die Inquisitorin gehorchte. Sie wäre nicht in Gefahr gewesen, selbst, wenn sich die ganze..ja, Meute gegen sie gewandt hätte, da sie sie alle mit einem Schlag bewusstlos hätte machen können – aber da gab es die Regel der Unauffälligkeit. Warum nur hatten sich die Menschen jetzt gerade zur Rebellion gegen die Reporter aufgerafft? Sie hätte geglaubt, dass sich diese langsam zurückziehen würden. Und, wenn sie das so recht betrachtete, waren doch auch schon einige Autos abgefahren. Was war also nun los? Aber das sollte sie der menschlichen Polizei überlassen. Die beiden Männer bemühten sich sichtlich darum, die Lage zu entschärfen, vermutlich den Dörflern zu sagen, dass die Quasi-Belagerung aufgehoben werden würde, ja, schon einige abgereist waren. Sie entdeckte auch Alecu Rotaru am Rande und nickte, als sie bemerkte, dass er zu ihr sah. Er war Rumäne und ihm würden die Menschen glauben, zumal bei dem instinktiven Vertrauen, das sie einem Vampir entgegenbrachten. War das ein Chaos!
 

Sie sollte in Ruhe noch einmal nachdenken. Was hier war Vampirglaube, auch, wenn ein „echter“ Vampir im Spiel war? Wo war Graf Ovidiu Balaur, der Jahrtausende alte Vampir? Was war mit ihm geschehen? Oder war ihm nichts zugestoßen und er hatte sich nur zurückgezogen? Was sollte das mit seinem überaus besorgten Vermögensverwalter, der auch noch der Alleinerbe war? Wusste oder ahnte der etwas von dem Vampirleben? Aber warum hatte er dann die Polizei so nachdrücklich informiert? Wem gehörte die Asche in dem Sarg und wer hatte den Sarg samt ihrer in das Schlafzimmer der Burg gebracht? Immerhin waren das einige Stufen und ein massiver Holzsarg wog doch einiges? Aber das waren wohl auch die Fragen, die sich Kenneth Cuillin und Inspektor Florinescu stellten, zum guten Teil, jedenfalls.
 

Immerhin kamen nun auch die anderen Polizisten heran und blockierten den Weg vom Dorfplatz zu dem Lager der Journalisten und sonstigen Vampirwissenschaftler. Falls sie herausbekommen sollte, dass der gute Vlad nicht nur Vampirromane initiiert sondern ganze Institute ihrem Volk auf den Hals gehetzt hatte, würde er erneut ihren Besuch erwarten dürfen, zurückgezogen hin oder her. Das wurde ja mehr als unangenehm. Das Leben als Kadash in diesen modernen Zeiten war schwer und würde es immer mehr werden. Sie musste dem Rat wirklich einige Neuerungen vorschlagen um in einer EDV-bestimmten Welt die Unauffälligkeit der Vampire sichern zu können. Ihr Vorgänger hatte das wohl nicht abschätzen können, denn trotz all seiner überragenden Fähigkeiten, die ihn zu einer Legende gemacht hatten, war er doch schon zu alt gewesen ,um sich in einer derart schnell verändernden Welt zurechtfinden zu können. Frances, die Internetfreundin aus Edinburgh, würde sich in diesem Bereich als unschätzbare Hilfe erweisen. Sie konnte und sollte andere Vampire überall auf der Welt ausbilden, um sicherzustellen, dass da nichts weiter passierte.
 

Ah, die Bewohner schienen sich zurückzuziehen. Zwei Männer, einer sicher über Sechzig, einer kaum Vierzig, redeten noch mit Kenneth Cuillin und Ilie Florinescu, der Jüngere davon schien der örtliche Priester zu sein. Auch Rotaru hatte sich wieder irgendwohin begeben. Er gab sich wirklich Mühe, nicht als Vampir aufzufallen und ihre Arbeit dennoch zu unterstützen. Wie alt war er? Zweitausend, so ungefähr, wenn er noch unter Kaiser Trajan die Eroberung durch die Römer mitgemacht hatte, eher älter. Aber er schien mit der modernen Zeit gut umgehen zu können, hatte sich ja sogar in den letzten Jahren eine Hotelkette aufgebaut, da musste er von Handy und Computern wissen. Das waren die Vampire, auf die sich der Rat künftig stützen sollte.
 

Sie merkte auf, als sich die zwei Polizisten und die beiden wohl wichtigsten Männer des Ortes auf sie zubewegten und ging ihnen mit einen Lächeln entgegen.

„Lady Sarah, darf ich Ihnen vorstellen,“ sagte Kenneth Cuillin: „Vater Laurentiu und Niclaus Acatiu, der Bürgermeister. Sie haben uns geholfen die Aufregung zu dämpfen.“

„Angenehm.“ Sie nahm nicht an, dass die beiden englisch konnten, lächelte jedoch noch einmal. Moment: „Acatiu?“

„Ja, er ist der Bruder des Vermögensverwalters.“

Jetzt betrachtete sie den Bürgermeister noch einmal interessierter. Er war sicher über sechzig, und wirkte...nun ja, wie sollte man das nennen? Nicht anders, als die anderen? Vermutlich war er darum der Bürgermeister? Sie trauten keinem Fremden und die Inzucht hatte auch zugeschlagen?

Niclaus Acatiu nickte, ehe er in gebrochenem Englisch sagte: „Sie arbeiten für die Polizei.“

„Ja, ich berate sie.“

„Glauben Sie an Vampire?“

Eine heikle Frage: „Ich weiß, dass dies viele Menschen tun – in den verschiedensten Ausprägungen, je nach Land.“

„Das ist hier schwierig. Langer Glauben lässt sich nicht abschütteln, auch, wenn Vater Laurentiu mir zustimmt, dass es wohl ein reiner Aberglauben ist. Und es regt die Menschen hier sehr auf, dass diese...Reporter das Dorf vereinnahmen, auch die Polizei. Das ist ein friedliches Dorf.“

„Nun ja, aber der Graf ist verschwunden und die gefundene Asche ist der Überrest eines Menschen.“

„Ja. Aber das ist ein sehr lästiges Übel - Gavril ist mein Bruder, aber er ist in diesem Dorf nicht mehr gern gesehen,“

„Weil er die Sache ins Rollen brachte?“

„Weil er es so publik machte. Radu, ich meine, hier, die Polizei vor Ort, hatte ja schon ermittelt. Und je eher hier wieder alles seinen gewohnten Gang geht, umso besser.“

„Sie machen sich keine Sorgen um Ovidiu Balaur.“

„Nein. Sicher, seine Familie lebte hier, er kam aber erst zurück als ...nun, nach dem Sturz des Kommunismus. Wir konnten uns nie über ihn beschweren, er gab Aufträge nur in der Gegend, aber er hatte eben Jahrzehnte im Ausland gelebt und ...nun, in solch einem kleinen Dorf, wo jeder jeden kennt, erregte er eben Aufsehen.“

„Er stellte auch Ihren Bruder ein.“

Niclaus Aceatiu sah unwillkürlich zu den Polizisten, erklärte dann jedoch: „Auch so eine Sache. Sie hatten sich in Österreich kennengelernt, wo sie beide lebten. Gavril war auch nicht hier, sehr lange nicht. Und als er zurückkam....ich war nicht angetan. Wir hatten hier gelebt, uns durchgeschlagen, alles miteinander geteilt. Und er kam von draußen. Sicher, er kam mit dem Grafen und wohnte in Brasov, aber....er hatte sich verändert. Wir lebten getrennte Leben, wenn Sie wissen, was ich meine. Und Gavril...haben Sie ihn gesehen?“

„Nein, noch nicht.“

„Wir sind Zwillinge. Und ich sehe viel älter aus als er, fast zehn Jahre, würde ich schätzen. Sie verstehen.“

Ja, Sarah verstand. Anscheinend hatte es da gewisse Spannungen zwischen den Zwillingsbrüdern gegeben. Und das, was der Bürgermeister ihr klarzumachen versuchte, war eigentlich nur eine Botschaft: sie solle als Beraterin zusehen, dass nicht nur die Reporter sondern auch die Polizei hier verschwinden sollte, damit Copa wieder seine Ruhe hätte. Nun ja, wohl nicht erstaunlich, dass ein so abgeschiedener Ort sein eigenes Süppchen kochte. „Wo, glauben Sie, ist der Graf hin?“

„Ich weiß es nicht. Ich bin nur sicher, dass er kein Vampir war.“

Genau das war er gewesen, aber anscheinend hatte Balaur es verstanden, unauffällig zu bleiben. Hatte er sich wirklich zurückgezogen? „Natürlich,“ sagte sie jedoch: „Ein Höllenwesen würde sich kaum elektrisches Licht einbauen lassen, nicht wahr? Keine Sorge. Wenn die Reporter hier weg sind, können sich auch schon einmal ein gut Teil der Polizisten auf den Weg machen, nicht wahr, Inspektor Florinescu?“

„Ja,“ erwiderte der auf englisch, um auf rumänisch fortzufahren. Weder Sarah noch Kenneth Cuillin verstanden, was er sagte, aber sie nahmen an, dass er die Besorgnis des Bürgermeisters senken wollte. Es klang beruhigend. Überdies würde er sicher ihnen später mitteilen, um was es gegangen war. Der Priester warf etwas ein und da wandte sich der Inspektor beiseite: „Lady Sarah, Vater Laurentiu meinte, er möchte Sie segnen. Sie hätten etwas an sich, dass er....nun ja....er sagt, Sie seien auf der Seite Gottes.“

„Äh, danke...“ murmelte die Jägerin der Jäger mehr als überrascht: „Macht er das bei jedem Polizisten?“

„Nein. Wenn Sie einverstanden sind, sollten Sie die Hände ausstrecken. Das ist hier in kirchlichen Kreisen so üblich.“ Damit hatte er verraten, dass er mit Kirche weniger am Hut hatte.

Sie tat das Gewünschte, wenn auch mit einem etwas seltsamen Gefühl. Immerhin gab es die Gerüchte, dass ein Priester einen Vampir läutern, umbringen konnte und auch, wenn sie nicht daran glaubte, so war es dennoch seltsam, warum er darauf kam ausgerechnet sie segnen zu wollen.

Der Priester zeichnete ein Kreuz in ihre behandschuhte Hand, ohne sich damit aufzuhalten. Dies wäre bei einem seiner Gemeindemitglieder unmöglich gewesen, aber die Engländerin kannte sicher die Sitten der orthodoxen Kirche nicht. Dann sagte er etwas.

Der rumänische Inspektor dolmetschte: „Er meint, er spüre in Ihnen Kraft, das Böse zu besiegen. Sie seien ungewöhnlich.“

„Danke, Vater Laurentiu,“ sagte die wohlerzogene Lady automatisch, während ihre Gedanken rasten. Konnte er tatsächlich etwas wahrnehmen? Nun, warum nicht. Menschen zu allen Zeiten hatten manchmal Vampire erkannt. Selten, aber es kam vor, da musste sie nur an Thomas und Lord John denken. Allerdings schien er in ihr weniger ein Höllenwesen zu sehen als eine Polizistin. Das war sie ja zugegeben auch, wenn auch nur unter ihrem Volk.

„Dann fahren wir nach Brasov?“ warf Kenneth Cuillin ein: „Hier scheint sich die Lage ja beruhigt zu haben. Und zumindest die meisten Reporter suchen das Weite. Haben Sie ihnen zugesagt, eine Pressekonferenz zu geben?“

„Ja,“ bestätigte Ilie Florinescu: „Sobald wir Nachrichten aus der Gerichtsmedizin haben - oder zu dem Sarg. Das sollte sich wirklich bald ergeben. - Wobei, habe ich schon erwähnt, dass die Asche des Verstorbenen nie mit Erde in Berührung kam? Es war eine sehr gründliche Einäscherung, also, sicher aus einem Krematorium. Die muss doch irgendwo vermisst werden. - Fahren wir nach Brasov. Dort können wir essen und dann die Neuigkeiten erfahren, ehe wir uns erneut besprechen. Irgendwie muss doch etwas herauszufinden sein.“

Sarah nickte höflich zu dem Bürgermeister und dem Priester. Diese beiden würden nur zu froh sein, wenn hier wieder Ruhe herrschte. Gab es etwa einen Grund, warum der Eine oder der Andere nur zu froh war, dass Ovidiu Balaur verschwunden war? Fremde waren hier wohl kaum erwünscht, wenn sie das Gespräch richtig deutete, und obwohl der Graf sicher so getan hatte, als sei er sein eigener Sohn, war er hier doch als Fremder betrachtet worden, ebenso wie der Zwillingsbruder des Bürgermeisters. Sie waren lange auswärts gewesen.
 

Im Auto, als sie unter sich waren, gab sie diesen Gedanken laut Ausdruck.

„Ja,“ bestätigte der schottische Interpolinspektor: „Daran habe ich auch schon gedacht. Aber das würde ein Verschwinden erklären – nicht das Trara mit dem Sarg und schon gar nicht die Asche mit der menschlichen DNA. Vielleicht fallen wir auch nur auf das Offensichtliche herein und alles ist ganz anders, als wir uns das denken. Falls jemand da allerdings iene falsche Spur gelegt hat, tat er es gründlich. Und wusste, was das alles auslösen würde. - Ilie, haben Sie schon einen Termin mit den Analysten?“

„Ja, um drei,“ gab dieser zurück: „Wir haben also Zeit zum hinkommen und zuvor essen.“

„Fein,“ erklärte Sarah: „Könnte ich dann auch mit Gavril Acatiu sprechen? Er hat alles ins Rollen gebracht, ist der Alleinerbe – und doch muss er wissen, dass er mit seiner Aktion in seinem Heimatdorf nicht mehr gerade gern gesehen ist. Ich würde gern seine Sicht der Dinge hören.“

„Ja, das werde ich arrangieren. Ich glaube, das wüssten wir alle gern.“ Ilie Florinescu wandte als Fahrer nicht den Kopf: „Und diese chiffrierten Bücher bekommen Sie auch noch zur Ansicht. Ich bin froh um alles, was uns weiterbringt. Momentan sieht es nach einer Sackgasse aus.“

Dem konnten die anderen beiden nur zustimmen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  00schnepel8
2011-11-01T19:50:02+00:00 01.11.2011 20:50
Irgendwie wird das alles immer verworrener...
Ich denke das dieser Vermögenstyp das Kind des Grafen ist.Immerhin sprechen die Fakten dafür, und so wäre zu zumdest auch die Erbangelegenheit logisch.
Was in den Büchern steht interessiert mich ziemlich, aber glücklicherweise muss ich nicht lange warten um das zu erfahrern :).
Die Segnung des Priesters hat mich überrascht, vorallem weil ich erst dachte er tut scheinheilig und lässt sie dann auffliegen, aber das ging ja glimpflich aus...und amüsant ^^

Ich freue mich schon auf Morgen...

PS:Auf die Reaktion des Hohen Rats im Bezug auf die geplante Modernisierung bin ich gespannt ^^
Von:  Teilchenzoo
2011-10-26T15:45:41+00:00 26.10.2011 17:45
Ohoh ... dieser Vermögensverwalter ist offenbar das Kind des Grafen. Ich meine, er war mit ihm zusammen, als er zurückkam, er altert nicht ... das ist ganz schön auffällig. Aber wozu dieses Trara? Gerade von einem Vampir hätte ich gedacht, dass er es unter den Teppich kehrt. Oder ist der Graf etwa wirklich verschwunden, nicht freiwillig, und der Verwalter hat diesen ganzen Trubel insziniert, um den Kadash hinzulocken und zum Suchen zu bringen? Allerdings wäre das doch sicher auch anders gegangen. Oder steckt da noch viel, viel mehr dahinter?

Lg
Von:  kiji-chan
2011-10-26T14:27:22+00:00 26.10.2011 16:27
Ich ahne da was! Was ganz schlimmes. Und zwar einen Vampir in Rumänien!
Gerade bei Zwillingen ist es durchaus dumm nicht zu altern....

Allerdings fand ich den Priester mit seiner Segnung sehr witzig. Gerade weil Sarah ungewöhnlich ist. Der Priester hatte durchaus recht gehabt. Nur nicht wirklich die Richtung dieses Außergewöhnlichen erraten.

Kann das nächste Kapi kaum erwarten. Ich habe wirklich so ein mulmiges Gefühl im Bauch.


ncha!
Kiji

p.s.
Wie hat es Rotaru hinbekommen sich eine Hotelkette zuerbauen? Wie will er die erben?


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